Mehr Flexibilität mit einem Flextunnel

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Mehr Flexibilität mit einem Flextunnel
Die Heckaufnahme dieses kürzlich abgelieferten Neubaus
zeigt einen starren Tunnel. Er sorgt dafür, dass der Propeller
ausreichend mit Wasser angeströmt wird. Bei ausreichendem
Tiefgang ist diese Lösung aber oft eher hinderlich
Mehr Flexibilität mit einem Flextunnel
Hydraulisch ausklappbare Schürzen am Rumpf von Binnenschiffen ermöglichen den Einsatz
größerer Propeller selbst bei niedrigen Tiefgängen. Der niederländische Ruderhersteller
Van der Velden bietet die in Duisburg bei der DST entwickelte Lösung bereits auf dem Markt an.
Von Krischan Förster
B
innenschiffer werden mit gemischten
Gefühlen an die anhaltende Niedrigwasserphase vor zehn Jahren zurückdenken. Große Schiffe konnten lange nicht
fahren, kleinere Einheiten mit geringerem
Tiefgang dagegen schon, und sie verdienten
sogar ziemlich viel Geld angesichts der
steigenden Frachtraten. Anschließend, so
erinnert sich Joachim Zöllner, Fachbereichsleiter des Duisburger Entwicklungszentrums für Schiffstechnik und Transportsysteme DST, wurden verstärkt die
zunächst verpönten Zwei-SchraubenAntriebe geordert. Bei halbiertem Schub
konnte jeder der beiden Propeller im
Durchmesser kleiner gehalten, das Schiff
also auch in flacherem Wasser noch bewegt
werden. »Heute sind 90 % aller Neubauten
mit zwei Schrauben ausgerüstet«, sagt Zöllner.
Denn diese bringen mehr Schub durch
eine größere Propellerfläche, weniger Verschleiß, geringere Abladetiefe und sinkendes Ausfallrisiko, weil selbst mit einem An-
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triebsstrang noch weitergefahren werden
kann, sofern die geforderte Mindestgeschwindigkeit von 13 km/h erreicht wird.
Und kaum höhere Kosten, weil die Werften
traditionell nach dem Gewicht eines Schiffes abrechnen. Lauter Vorteile.
Zunehmend wurden zahlreiche Binnenschiffe seit den 1950er Jahren zusätzlich mit
sogenannten Tunneln ausgestattet. Die
Schürzen am Heck sollen eine optimale Anströmung der Schraube gewährleisten,
selbst wenn die Propellerspitze bei einer
geringen Abladetiefe eigentlich aus dem
Wasser ragen würde. Der Nachteil: ein Anstieg des Rumpfwiderstandes, eine geringere Effizienz des Antriebs und folglich ein
erhöhter Kraftstoffverbrauch. Darüber hinaus sind die meisten Binnenschiffe etwa
85 % ihrer Einsatzzeit in tieferem Wasser
unterwegs, während der ein Tunnel keinen
Nutzen bringt.
»Für den Antrieb hat schon immer gegolten: Eine möglichst große Menge Wasser
möglichst langsam bewegen bringt den
höchsten Wirkungsgrad«, sagt Zöllner. Erwünscht ist also ein möglichst großer Pro-
pellerdurchmesser, der auch in der voll
beladenen Bergfahrt auf dem Rhein den
nötigen Schub leistet. Das allerdings geht zu
Lasten des maximal möglichen Tiefgangs in
flacherem Wasser, etwa im Kanalgebiet oder
in seichteren Flüssen wie der Elbe oder dem
Oberrhein. »Die Kunst im Schiffbau besteht
also darin, beide Fahrsituationen und dabei
auch noch die Betriebskosten zu beherrschen«, sagt Zöllner.
Das heutige Standardschiff auf dem
Rhein misst 110 m in der Länge und 11,40 m
in der Breite bei einer Tragfähigkeit von
rund 3000 t. Nötig sei eine Motorenleistung
von insgesamt etwa 900 kW und ein Propeller mit einem Durchmesser von 1,60 m,
der ziemlich genau auch den geringsten
fahrbaren Tiefgang definiere, sagt der
Schiffbauexperte.
Eine verringerte Propellergröße oder die
Wahl von bis zu vier kleineren Schrauben
geht laut Zöllner zu Lasten der Schubkraft
vor allem in tiefem Wasser. Im Urlaub kam
ihm die zündende Idee, als er mit einem
befreundeten Reeder über technische Lösungen diskutierte und noch am Abend auf
Foto: Förster
Forum Binnenschifffahrt
(WS 2)?2013
Forum Binnenschifffahrt 2013
Foto: DST
einem Bierdeckel die ersten Skizzen zu Papier brachte. Inzwischen hat Zöllner seine
»Erfindung« patentieren lassen und mit
dem niederländischen Ruderhersteller Van
der Velden einen renommierten Ruderhersteller als Partner gewinnen können.
Statt des starren Tunnels rund um die
Schraube sollen Binnenschiffe künftig mit
beweglichen Schürzen ausgerüstet werden.
Bei einer Fahrt durch tiefes Wasser sind sie
strömungsgünstig im Rumpf versenkt, ohne
den Wasserzustrom zum Propeller zu behindern. In einem flachen Fahrtgebiet dagegen werden die Leitbleche hydraulisch
ausgeklappt, schmiegen sich an die Propellerdüse und sorgen so dafür, dass die
Schraube unter Wasser bleibt. Ein Prinzip,
vergleichbar mit den Landeklappen an
einem Flugzeugflügel. »Am Ende klingt es
ganz einfach«, sagt Zöllner.
Überzeugende Testreihen
Bei etlichen Testreihen hätten sich die
technische Machbarkeit und der Nutzen
dieser Lösung gezeigt. Bei einem Propellerdurchmesser von 1,60 m, einem angenommenen Tiefgang von 2,80 m und einer Wassertiefe von 5 m, wie etwa am Niederrhein,
liege die Leistungsersparnis gegenüber
einem Schiff mit einem klassischen Tunnel
bei etwa 20 %.
Dank des optimierten Schubs würden
statt einer Motorenleistung von 900 kW nur
720 kW gebraucht. Entsprechend könnten
auch die Kraftstoffkosten sinken. Bei einer
Wassertiefe von 3,50 m wären es sogar 27 %
weniger. »Je flacher es wird, umso mehr
zahlt sich dieses Konzept aus«, sagt Zöllner.
Seine klappbaren Schürzen oder »Flextunnel«, wie sie bei Van der Velden heißen,
sollen sogar noch eine Fahrt mit einem Tiefgang von 1,20 m bei einer Wassertiefe von
1,40 m möglich machen. Ein Vorteil von bis
zu 40 cm im Tiefgang gegenüber anderen
Schiffen, der bares Geld wert sein kann.
Denn selbst unter diesen für die Binnenschifffahrt widrigen Umständen könnten
dank des Flextunnels immer noch rund
450 t an Ladung transportiert werden. »Wir
erzielen also bessere Ergebnisse bei normalen Fahrten und schaffen eine viel größere
Flexibilität bei Niedrigwasser«, sagt Zöllner.
Van der Velden bietet den klappbaren
Flextunnel inzwischen als Teil der gesamten
Ruderinstallation an. Ein erster Kunde ist
laut Zöllner bereits gefunden. Eine Reederei
wolle einen Neubau für einen Rhein-Koppelverband mit dem System ausrüsten. M
Die Fotos zeigen das Prinzipt des »Flextunnels«: Die Schürzen zu
beiden Seiten des Propellers werden bei geringem Tiefgang ausgeklappt,
in tiefem Fahrwasser liegen sie eng am Rumpf an
Van der Velde 118 x 132 23-09-2013 16:15 Pagina 1
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