337. Götakanal – Stockholm / Vasa
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337. Götakanal – Stockholm / Vasa
337. Götakanal – Stockholm / Vasa Quer durch Schweden von Göteborg bis Stockholm 1. Einleitung Wer möchte nicht mal im Bummeltempo durch die Landschaft gleiten, überall Vortritt geniessen und dabei gemütlich auf dem hinteren Teil des Brückendecks eines altehrwürdigen Schiffes in einem bequemen Sessel entspannen. Nur hie und da unterbrochen von der netten Aufforderung sich zu einem kulinarischen Genuss im Speisesaal oder Salon einzufinden oder um – wenn man den möchte – an einem interessanten Landgang teilzunehmen. Und das nicht mit 2 oder 3‘000 anderen Erdbewohnern, nein in einer überschaubaren Gruppe von 30 – 50 Personen, bunt gemischt aus Europa und Übersee, wo jedermann seinen Anschluss findet, so er das denn möchte. Dabei ist schon das Schiff einmalig und verströmt an jeder Ecke den Charme der Gründerjahre des vorletzten Jahrhunderts mit Baujahr 1840! Und man muss auf den Komfort der heutigen Zeit durchaus nicht verzichten. Einzig die Kabinen haben in der Grösse den Standard der damaligen Zeit, etwa wie in einem entsprechenden Schlafwagen, die Bettenbequemlichkeit ist jedoch ausgezeichnet. Und zeithistorisch typisch teilt man sich deckweise auch die sanitären Anlagen, während aber alle Kabinen eine Waschgelegenheit haben, wobei kaltes und warmes Wasser immer genügend vorhanden ist sowie auch getrunken werden darf. Wo darf man sich praktisch noch zu jeder Zeit vorne auf der Brücke aufhalten und so mit dem gleichen Blick wie Kapitän oder 1. Offizier die Strecke überschauen? Nicht nur der Vieruhrtee wird zelebriert, auch bei besonders interessanten Streckenabschnitten, die bei der 4-Tages-Tour spätabends oder frühmorgens befahren werden, stehen immer heisser Tee und Kaffee bereit, um die neugierigen Passagiere aufzuwärmen. Und fehlt einem nach der „Frühschicht“ beim Befahren der riesigen Schleusentreppen dann doch etwas Schlaf, kann man dies auch tagsüber, ohne gestört zu werden, in der Kabine um die Ecke nachholen: das Schiff läuft so ruhig, dass man höchstens erwachen wird, wenn wieder einmal ein Schleusenmanöver ansteht. 1 Das ganze Erlebnis wird abgerundet von der herrlichen und abwechslungsreichen Landschaft, die man auf den knapp 600 Kilometern befährt und der stets hilfsbereiten und absolut höflichen Mannschaft, bei welcher die Gastfreundschaft immer zuoberst steht. Matrose,1.OffizierundChef„d‘Hotel“begrüssendieGäste KapitänHäkanssonAlbert Diese 4- bzw. 6-Tages-Touren gibt es aber nur von Juni bis August jeden Jahres. Trotzdem sollte man für den Abend immer etwas Warmes im Gepäck haben, man reist da schon in etwa auf dem 60. nördlichen Breitengrad. Sonst ist casual angesagt, ausser vielleicht einem Veston für die Herren beim Abenddinner. Aber auf keinen Fall zu viel Kleider mitnehmen, es hat nun echt nicht viel Platz unter dem unteren Kajütenbett. Mit Vorteil stellt man zuerst eine leichte Sporttasche in den Koffer: so kann man in der Kajüte diese bequem unter das Bett bugsieren und den Koffer dem Personal im Stauraum unten im Schiff zur Aufbewahrung abgeben. Und die Damen nicht den Föhn vergessen, den muss man/sie mitbringen. AbfahrtinGöteborg:esgrüsstdieViermastbark„Viking“,1906gebaut,heuteRestaurant&Hotel Bleibt noch die Frage, ob man die Reise von West nach Ost oder umgekehrt machen soll? Persönlich finde ich Göteborg – Stockholm, also von West nach Ost, interessanter: die grossen Schleusentreppen werden dann abwärts befahren, das 2 geht erstens schneller und ist jedes Mal ein grandioses Erlebnis, wenn das Wasser von der oberen (eigenen) Kammer in die untere schiesst! Und zum Schluss kann man so dann noch einige Tage Stockholm anhängen, was die Reise auch schön abrundet. Beste Gelegenheit das VASA-Museum anzuschauen, ein echtes muss. Da werden selbst absolute Ausstellungs- und Museums-Muffel begeistert sein. TrollhättanmitgrosserEisenbahnͲDrehbrückeundStrassenͲKlappbrückezweiteilig Trollhättan:Einfahrtindieersteder4Schleusen–beimChefvolleKonzentration,mit„Anhängsel“ Trollhättan:undweitergehtes... 32Meteroder11StockwerkebeträgtderAufstieg 3 Vänersborg:eingrosseHebebrückefürdieEisenbahnund …nocheineeinseitigeKippbrückederEisenbahnunddannerreichenwirdenVänersee 2. Kurzer geschichtlicher Abriss Bereits im 15. Jahrhundert bestanden Pläne, eine Kanalverbindung zwischen Göteborg und Stockholm, durch das schwedische Götaland zu bauen. Aber erst mit der Initiative des Rügeners von Platen sowie englischen Kanalbauern, wurde das Projekt umgesetzt. Hauptsächlich sollte es dazu dienen, bei den damaligen politischen Verhältnissen die Hauptstadt Stockholm bei einem russischen Angriff an den Vättern See nach Karlsborg verlegen zu können, weil man die dort ebenfalls neu errichtete Festung als uneinnehmbar hielt. Als aber der Kanal endlich 1832 – viel teurer und mit zeitlicher Verzögerung – fertig erstellt war, bestand diese Bedrohung nicht mehr. Und so wurde der Kanal für den Handel und als grundsätzlicher Verkehrsweg eingesetzt, aber auch das nicht lange. Heute hat die Verbindung nur noch einen touristischen Wert, erfreut sich aber wegen der einmalig schönen Strecke immer grösserer Beliebtheit und so geniessen jedes Jahr unzählige Besucher die imposanten technischen Anlagen sowie die herrliche Landschaft. 4 TraumhafteAbendstimmung,wieaufdemMeer…aufdemVänersee 3. Die Strecke Der schiffbare Verlauf von Göteborg nach Stockholm besteht aus 5 Abschnitten x Göteborg – Sjötorp Göta älv / Trollhätte-Kanal / Vännern: schiffbar auch für grosse, moderne Schiffe x Sjötorp – Karlsborg Göta Kanal West: nur Kanalschiffe und kleine Boote x Vättern See x Motala – Mem Göta Kanal Ost: nur Kanalschiffe und kleine Boote x Mem – Stockholm Ostsee/ Södertälje-Kanal: schiffbar auch für grosse, moderne Schiffe x x x x x x x x x Gesamte Länge Göteborg – Stockholm 590 km Sjötorp – Mem (Göta Kanal) 190,5 km, davon 103,2 km Seen Reine Kanallänge (Göta Kanal) 87,3 km Erbaut 1810 – 1832 Anzahl Schleusen 58 (ganze Strecke 66) Brücken 50 Aquädukte 2 Viken,Vättern,Boren,Roxen,Asplången Genutzte Seen und Flüsse Scheitelpunkt 91,8mü.NN Um 4 Uhr morgens erfolgt die Einfahrt in den Götakanal bei Sjötorp und mit dem Scheinwerfer tastetsichdasSchiffindenengenKanalvor…undwirsindhellwachdankheissemKaffeeundTee! 5 UnterwegskannmanoftauchdasSchiffverlassen,währenddiesesSchleusentreppenabarbeitet, GuideIngemarBrinkrenntschnellhintennach,umjakeinSchäfchenaufdemLandgangzuverlieren. Einfachherrlich,wenndiealteLadysodurchdenLandschaftgleitetund… 6 wiederzumnächstenSchleusenmanöverantritt,wasdieGästebequemimHeckgeniessenkönnen. 4. Das Schiff „Juno“ Der Göta Kanal ist für Schiffe von einer maximalen Grösse x Länge 30,00 m x Breite 7,00 m x Tiefgang 2,82 m ausgelegt. Die „Juno“ das dienstältest verkehrende Passagierschiff der Welt (mit Kabinen) erfüllt dies (heute) knapp: x Länge 31,45 m x Breite 6,68 m x Tiefgang 2,72 m x Vermessung 254 BRT UndbaldschonerfolgtdieKreuzungmitdemSchwesterschiff„WilhelmTham“,erbaut1912. 7 Sie wurde 1874 durch die neu erstellte Schiffswerft Motala Verkstad in Motala mit einer Verbunddampfmaschine erbaut. 1956 wurde das Schiff auf Dieselmotoren umgerüstet und mit einem letzten grossen Umbau 1961/1963 erhielt es das heutige Aussehen und verfügt seither über 29 Kabinen, auf 3 Decks, Speisesaal und Salon sowie gemeinsam genutzte WC-Anlagen und Duschen. Zugelassen ist die Juno für 125 Passagiere. Tatsächlich werden jedoch maximal die 29 Doppelkabinen mit 58 Personen belegt. Dazu kommen ca. 11 Mann Besatzung: x x x x x x x Kapitän 1. Offizier / Steuermann Matrosen Kabinensteward Speisesaal / Service Kombüse Tourguide (mehrsprachig) 1 1 3 1 2 2 1 - Albert Häkansson Karin Hjoberg - Linn & Martina - Ingemar Brink ImJahre2014feiertdieJuno140JahrenachIndienststellungihrJubiläumalsältestesKreuzͲ fahrtschiffderWelt.DiebeidenSchwesterschiffeWilhelmThamundDianawurdenerst1912 und1931inBetriebgenommen. Einedervielen„Rollbrücken“undbeiTöreboda…treffenwiraufdieweltweitkleinsteFähreLina. InTätorpstehtdieletztehandbedienteSchleuseundbeiForsvikwirdderhöchstePunkterreichtmit …91,8Mü.NN–abnungehtesalsoabwärts! 8 FestungKarlsborg:EinfahrtundeinerdergrossenBefestigungstürme…ergänztmitKasematten. Berg:vorErreichendesRoxenseessteigenwirdie7ͲfacheSchleusentreppe„CarlͲJohan“hinab. ZumfestlichenMalewirdjeweils„gegongt“… diesmalvonMartina. 9 JUNO: das begehrte Brückendeck, nicht nur frühmorgens hat es immer einen Platz frei! JUNO: Brückendeck (unsere) Kabine Brückendeck Hauptdeck JUNO: Lounge /Salon Bug JUNO: Mannschafts‐Pause Damenwahl! Speisesaal Heck Und ein Blick in die Küche. 10 Götakanal: die gesamte Strecke zwischen Sjötorp – Vätternsee – Mem Und dann wird Stockholm erreicht: Schloss Drottningholm, Sitz der königlichen Familie Einfahrt Stockholm … und die städtische Residenz des Regenten. JUNO: und dann nimmt die ganze Mannschaft Aufstellung und verabschiedet sich! 11 5. VASA 1628 Es mutet wie DER Treppenwitz der Geschichte an, dass viele unserer Erkenntnisse nur auf Pleiten, Pech und Pannen der Vergangenheit beruhen: Wäre der junge Pharao Tutanchamun nicht so unbedeutend gewesen und so früh gestorben und auch schnell in einem vorhandenen „kleinen“ Grab beigesetzt worden, das nebst einer zeitgenössischen versuchten Plünderung dann irgendwie in Vergessenheit geriet, wir hätten bis heute keine Ahnung von den Schätzen und dem ganzen Ritual, welches so eine Grablegung mit sich brachte. Und so können wir nur vermuten, welche Dimensionen das wohl bei Pharaonen wie den grossen Ramesiten hatte. VASA: das Original mit 61 m Länge, 11,7 m Breite und am Grossmast 52 m hoch! Bei Hafenarbeiten in der Weser vor Bremen stiessen Bauarbeiter 1962 auf das Wrack einer Hanse Kogge, heute auch als die Bremer Kogge bezeichnet. Die Altersbestimmung ergab, dass das Schiff um 1380 zu datieren ist, also weltweit die älteste und einzig in dieser Vollständigkeit erhaltene Kogge. Das Schiff muss aber nach archäologischen Abklärungen noch vor der Fertigstellung bei einer Sturmflut vom Bauplatz losgerissen worden und dann im nahen Schlick gesunken sein. Also nur wegen eines Unfalls blieb uns so ein Schiffstyp weitgehend erhalten. Auch von den klassischen Linienschiffen, des 17. bis 19. Jahrhunderts wäre uns nichts erhalten geblieben, wäre die Vasa nicht nach dem Stapellauf am 10. August 1628 wegen Konstruktionsmängel gleich gesunken: der König hatte ein Schiff mit Kanonen auf 2 Decks verlangt, dazu grössere (damit auch schwerere), die Kiellast (Ballast) war zu gering sowie die Stabilität betreffend Tiefgang und Breite ungenügend. So langte eine leichte Brise und das aufgetakelte Linienschiff kam im Stockholmer Hafen in Schräglage. Die offenen Geschützpforten liessen die Vasa massiv Wasser aufnehmen und so war ein schneller Untergang innert weniger Minuten vor Hunderten, wohl Tausenden Zuschauern nicht mehr zu vermeiden, wobei ca. 40 Mann der Bau- und Seemannschaften mit in den Tod gerissen wurden. Ergänzend sei erwähnt, dass ausser der Vasa noch die 1765 gebaute und 1778 in Dienst gestellt HMS Victory in Portsmouth gedockt steht. Das ehemalige Flaggschiff von Vizeadmirial Horatio Nelson ist aber doch rund 150 Jahre jünger sowie Dutzende Male umgebaut worden, sodass der echte Zustand wie bei Indienststelung nicht mehr besteht. 12 VASA: massstabsgetreuer Nachbau zum Vergleich VASA: … und nochmals ein Blick über das gigantische Original. 13 So verbleibt also nur die Vasa, die bei ihrem Untergang alles als Momentaufnahme mit sich nahm und dank günstigen Verhältnissen (Lehm, kein Bohrwurm im Brackwasser) das wie in einer Zeitkapsel bewahrte, inklusive sogar den recht gut erhaltenen Skeletten einiger Opfer dieses Unglücks, bis hin zu Originalsegelfetzen, Kleider, Tauen usw. Auch wenn die Vasa beim Stapellauf alles andere als seetüchtig war, gibt sie uns einen kompletten Einblick in die Zeit des 17. Jahrhunderts und dem Bau der glorreichen Linienschiffe mit allem Zierrat und dergleichen. Es kam aber doch öfters vor, dass bei Neubauten von Linien- aber auch anderen Grossschiffen dann nachgebessert werden mussten. Die Vasa hätte mit einer Kielverstärkung und mehr Ballast durchaus noch Chancen gehabt, in den Dienst gestellt zu werden. Wir kennen ja selbst aus der Gegenwart, wie zum Beispiel beim Zürichseeschiff Panta Rhei, dass es auch heute mit allen technischen Möglichkeiten zu nachträglichen Umbauten und Nachbesserungen wegen Fehlberechnungen kommen kann! Auch weiss man aus der Vergangenheit, dass manche den Laien bekannte Schiffe, hingegen bei der Besatzung wegen schwierigem Verhalten in gewissen Situationen (zum Beispiel Wetter) gar nicht beliebt sind. Stockholm – ÖV: auch ein Bahnland und der Arlanda‐Express bringt uns dann mit 205 km/h zu Stockholm’s Arlanda Airport. ©Robert-Roger Martin 14.08.2014/22:00h +++ 14