PusztaKarpaten_Sommeruni2014_Endbericht

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PusztaKarpaten_Sommeruni2014_Endbericht
Von der Puszta in die Karpaten
Kulturlandschaften im Umbruch.
Herausforderungen und Ansätze
nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa
Sommerschule im Rahmen des DAAD Go east Programms
13. - 27. Juli 2014
Abschlußbericht
INHALTSÜBERSICHT
Einführung, Veranstalter und Mitwirkende
Das ausführliche Programm der Veranstaltung
Schwerpunkte der Sommerschule – Beiträge der Teilnehmer
Ausgewählte Literatur
Weiterführende Links
Die Teilnehmer der Sommerschule sowie ihre Eindrücke und Erfahrungen
Abschließende Worte der Veranstalter
Einige weitere Bilder
EINFÜHRUNG
Das Programm wurde von der Fakultät für Geographie der„Babeș-Bolyai“ Universität, Cluj-Napoca
im Rahmen der DAAD Initiative Go east vom 13. bis 27. Juli 2014 durchgeführt
Inhalt und Zielsetzung der Sommerschule
Diese länderübergreifende Sommerschule verleiht Einblicke in die Problematik von Raumplanung
und Regionalmanagement in Rumänien und Ungarn. Anhand ausgewählter Beispiele werden
Themen und Aspekte der nachhaltigen Planung sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum
erörtert.
In ländlichen Regionen werden vorbildhafte Fallbeispiele vorgestellt, wo durch innovative
Programme und Projekte versucht wird der drohenden Abwanderung und der Auflösung
traditioneller dörflicher Strukturen entgegegenzuwirken. Dabei bemüht man sich auch die bedrohte
reiche Biodiversität der traditionellen Kulturlandschaften aufrechtzuerhalten (Naturschutz) und
gleichzeitig den vielfältigen Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung gerecht zu werden.
Die rasante Entwicklung nach 1990 stellt nicht nur für den ländlichen Raum, sondern auch für die
Stadtplaner und –architekten eine grosse Herausforderung dar. Wirtschaftliche Umstrukturierung,
Verkehrsplanung und Zersiedelung sind einige der grössten Probleme, welche nachhaltige
Lösungen erfordern.
Wichtige Akteure in diesem spannenden Prozess sind, insbesondere im ländlichen Raum, die lokale
Bevölkerung und ihre Initiativen. Gespräche mit Projektkoordinatoren, Stadtplanern,
Geländeexkursionen, Vorlesungen, Führungen sollen den Teilnehmern die laufenden
Entwicklungen und Trends zugänglich machen und zum nachdenken anregen. Die Kombination
von aktuellen und kulturhistorischen Ansätzen vermitteltn den Studenten aufschlussreiche
Erkenntnisse über ein Zielgebiet, dessen Räume und Regionen in Zentraleuropa meist nur
oberflächlich bekannt sind.
Programmkoordinatoren:
Dr. Kinga Xénia HAVADI-NAGY und Univ. Dozent Dr. Wilfried SCHREIBER
Hiermit möchten wir uns bei folgenden Personen für Ihre Unterstützung und Mitwirkung
herzlichst bedanken:
Drd. Bodnár Réka, Lehrstuhl für Landschaftsschutz und Umweltgeographie, Uni Debrecen
Dr. Borbála Benckhard, Lehrstuhl für Landschaftsschutz und Umweltgeographie, Uni Debrecen
Dr. Gyulai Iván, Direktor vom Ökologischen Institut für nachhaltige Entwicklung, Ungarn
Aurelian Brancus, Bergbauingenieur Baia Mare, Rumänien
Mitarbeiter der Romaltyn Mining, Baia Mare
Madalina Stanescu, Managerassistentin Fabrica de Pensule, Cluj
Dr. Laura Panait, ColectivA, Proiect “La Terenuri”, Cluj
Michael Engel, Heritas Stiftung, Sibiu
Ben Mehedin und Laura Chirila, Mitarbeiter der ADEPT Stiftung
Caroline Fernolend, Mihai Eminescu Trust
Hans Hedrich, Organizatia Sighisoara Durabila (Nachhaltige Schässburg), Sighisoara
Michael Schneeberger
AUSFÜHRLICHES PROGRAMM
Änderungen im Ablauf)
1. Tag
DER
VERANSTALTUNG (ursprüngliche Fassung, ohne nachträgliche
Anreise und Einführungsveranstaltung
Am Vormittag des Anreisetages werden die Teilnehmer am Budapester Keleti Bhf. empfangen. Von
da geht es mit der Bahn weiter nach Poroszló am Theiss-See, der ersten Station der Sommerschule. Nach
Zimmerbezug und Mittagessen finden die Einführungsveranstaltung und eine landeskundliche Vorlesung
zur Region statt, gefolgt von einem kurzen Spaziergang durchs Dorf und Abendessen.
2. Tag
Naturschutzgebiet Theiss-See, Ökozentrum und Gespräch mit Bürgermeister
Der Theiss-See, Ungarns grösster künstlicher See, liegt in der Grossen Ungarischen Tiefebene. Zur
Regulierung des Theiss-Hochwassers ausgehoben, entwickelte sich der See und seine Umgebung zu einem
weitgehend geschützten Lebensraum mit grossem Vogel- und Fischreichtum. Die Region bildet heute ein
beliebtes Erholungsgebiet für Naturliebhaber.
Unter kundiger Führung befahren wir mit dem Boot einige der Seebecken, begehen einen Lehrpfad
und lernen die vielfältige Flora und Fauna kennen. Schwerpunktmässig geht es auch um Massnahmen,
welche die Natur den Besuchern zugänglich machen ohne das Ökosystem zu gefährden. Nach dem
Mittagessen besuchen wir in Poroszló das 2012 eröffnete Ökozentrum, Präsentationsstelle dieser
ökologischen Schutzregion. Weiterhin ist ein Gespräch mit dem Bürgermeister von Poroszló geplant, wo
raumplanerische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte des Dorfes am Theiss-See angesprochen
werden.
3. Tag
Hortobágy Nationalpark
Nach der vom Wasser geprägten Landschaften des Theiss-Sees, erforschen wir heute die trockenen
Weiten der Ungarischen Tiefebene. Die Steppenlandschaft von Hortobagy, über Jahrhunderte durch
traditionelle Weidetierhaltung extensiv genutzt, steht heute grösstenteils unter Schutz.. Der 1973
gegründete Nationalpark bewahrt die einmalige Pusztalandschaft mit ihren Hirtentraditionen, den alten
ungarischen Haustierassenund bietet ideale Brut- und Nahrungsplätze für die äusserst vielfältige
Vogelwelt. Die Erhaltung, der Schutz und gleichzeitig eine „touristische” Nutzung dieser Region bedeuten
eine grosse Herausforderung. Wir lernen die verschiedenen Massnahmen und Programme unter kundiger
Führung von Vertretern des Nationalparks kennen und erhalten Einblick in das Management eines der
bedeutendsten Naturschutzgebiete von Osteuropa. Spätnachmittag fahren wir zur nächsten Station der
Sommerschule: das Ökodorf Gömörszőlős.
4. Tag
Ökodorf Gömörszőlős
Mit Hilfe verschiedener Drittmittelfinanzierungen führt das ungarische Institut für nachhaltige
Entwicklung (“Ökológiai Intézet a Fenntartható Fejlödésért Alapítvány”) aus Miskolc mehrere modellhafte
Projekte zur Entwicklung und Wiederbelebung des benachteiligten ländlichen Raumes in der Region Nord
Borsod durch.
Ein Modellprojekt in Partnerschaft mit dem deutschen Verein “Ökologischer Tourismus in Europa e.
V.” konzentrierte sich auf das ungarische Dorf Gömörszölös. Die Entwicklung eines sozial- und
umweltverträglichen Tourismus mit der Förderung und Unterstützung nachhaltiger, regionaler Arbeits- und
Produktionsweisen dienten als Instrument zur Erhaltung der traditionellen von Streuobstwiesen geprägten
bäuerlichen Kulturlandschaften mit ihrem speziellen Arteninventar. Unter fachlicher Führung und durch
Gespräche mit involvierten Akteuren lernen wir heute die Bausteine und die Ergebnisse des Projektes
kennen.
5. Tag
Fahrt nach Baia Mare (Rumänien); Landeskundliche Informationen
Am Morgen treten wir per Bus und Bahn die Reise nach Baia Mare, den ersten rumänischen Standort
der Veranstaltung, an. Auf der Zugreise und nach der Ankunft in Baia Mare werden landeskundliche
Einblicke in die Region Siebenbürgens und Rumäniens gewährt. Nach dem Zimmerbezug ist auch eine
kleine Stadtführung durch Baia Mare vorgesehen.
6. Tag
Bergbaugebiet Baia Mare (ung. Nagybánya); Altlasten, Industriebrache
Baia Mare ist eine Stadt im Nordwesten Rumäniens über Jahrhunderte und bis in die neuste Zeit
geprägt durch den Bergbau. Der Reichtum und der Umgang mit den Bodenschätzen (Edel- und
Buntmetallen) brachten der Stadt aber auch Probleme: Im Jahre 2000 ereignete sich bei Baia Mare der
Dammbruch einer Absetzanlage für metallurgische Abfälle, der eine schwere Umweltkatastrophe durch
Freisetzung von Natriumcyanid und Schwermetallen in den Boden und die Gewässer zur Folge hatte. In den
letzten Jahren gibt es neue Bestrebungen die großen Bergbaudeponien zu beseitigen.
Im Gespräch mit einem ehemaligen Bergbauingenieur – derzeit ein engagierter Umweltaktivist –
diskutieren wir die Möglichkeiten des Umgangs mit Altlasten der Bergbauindustrie in Rumänien und
besuchen auch einige Schauplätze, um über die Ausmaße der Industriebrachen einen Eindruck zu
gewinnen. Spätnachmittag fahren wir mit dem Bus nach Cluj (ung. Kolozsvár, dt. Klausenburg).
7. Tag
Cluj, Stadtplanung allgemein; Projekte der industriellen Rekonversion
Cluj ist ein wichtiges administratives, kulturelles und wissenschaftliches Zentrum von Siebenbürgen.
Die rasante Entwicklung nach 1990 (wirtschaftliche Umstrukturierung, Verkehrsplanung, Zersiedelung,
usw.) stellt für die Raum- und Stadtplaner dieser rumänischen Stadt eine grosse Herausforderung dar. Ein
Gespräch mit Stadtplanern und -architekten soll einige Aspekte dieser Problematik erläutern. Anschliessend
besuchen wir die Kulturstätte „Pinselfabrik“, als Beispiel für Sanierung und Umwidmung einer
Industriebrache.
8. Tag
Herausforderungen der Stadtplanung
Heute lernen wir die Stadt näher kennen. Eine ausführliche Stadtführung durch die Altstadt und eine
Wohnsiedlung soll verschiedene Aspekte der Stadtplanung und -management veranschaulichen. Zunächst
geht es um die Frage, wie die Altstadt mit den Anforderungen der neuen Entwicklungen fertig wird
(Denkmalschutz, Eigentumsrückerstattung, Verkehr u.a.), dann um die Neubausiedlungen mit ihren
vielfältigen Problemen.
9. Tag
Bergbau im Apuseni Gebirge: Roşia Montană
Roşia Montană ist ein ehemaliges Bergbaustädtchen im Apuseni-Gebirge, wo jahrhundertelang
Edelmetalle abgebaut wurden. Bekannt wurde der Ort durch die seit etwa 16 Jahren andauernde
Auseinandersetzung bezüglich des Abbaus der reichen Gold- und Silberbestände durch das umstrittene
Cianydverfahren und die Bürgerinitiativen gegen das Vorhaben. An diesem Beispiel versuchen wir die
Problematik des Bergbaus mit seinen vielseitigen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen
Aspekten zu veranschaulichen.
Früh morgens fahren wir nach Roşia Montană, ins Apuseni-Gebirge, wo Gespräche und Führungen in
der Siedlung und in der Umgebung vorgesehen sind. Am Spätnachmittag fahren wir weiter nach Sibiu.
10. Tag
Sibiu (dt. Hermannstadt, ung. Nagyszeben)
Jahrhundertelang bildete Sibiu den Mittelpunkt im Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen und ist
bis heute ein bedeutendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Transilvaniens. Im Ausland erlangte die
Stadt grössere Bekanntheit, als sie im Jahre 2007 - gemeinsam mit der Stadt Luxemburg - zur
Kulturhauptstadt Europas ernannt wurde. Für dieses Ereignis unternahm die Stadt größte Anstrengungen
insbesondere bei der Sanierung der historischen Altstadt und dem Ausbau der lange vernachlässigten
städtischen Infrastruktur.
Gespräche mit involvierten Stadtplanern und Vertretern der Stadtverwaltung werden diese Prozesse,
Vorgehensweise und Entwicklungen näher erklären. Die Stadtbesichtigung soll die Erklärungen ergänzen
und veranschaulichen, welche positiven Impulse die Veranstaltung eines internationalen Events – bei
entsprechenden Anstrengungen – für die Stadtentwicklung auslösen kann.
11. Tag
Saschiz (dt. Keisd, ung. Szászkézd); ADEPT-Stiftung und Projekte
Von Sibiu fahren wir nach Saschiz, wo wir mit den Vertretern der ADEPT-Stiftung einen Termin
haben. Die Stiftung bemüht sich um die Bewahrung der Biodiversität und traditioneller Landwirtschaft in
der siebenbürgischen Kulturlandschaft zwischen Sibiu, Sighişoara (dt. Schäßburg, ung. Segesvár) und Braşov
(dt. Kronstadt, ung. Brassó).
Traditionelle Weide- und Agrarwirtschaft tragen bis heute entscheidend zur Erhaltung der grossen
Biodiveristät in dieser Region bei. Durch die wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen
Umstrukturierungen der letzten zwanzig Jahre ist diese Kulturlandschaft aber bedroht. Daher entwarf die
ADEPT-Stiftung ein integriertes Programm, welches einerseits dem Naturschutz und andererseits den
Einkommensmöglichkeiten der ländlichen Bevölkerung Rechnung trägt. ADEPT sieht sich als Bindeglied
zwischen dem rumänischen und europäischen Fachwissen für innovativen Landschaftsschutz und der
„Entwicklungshilfe” im ländlichen Raum, eng verbunden mit der lokalen Bevölkerung und ihren
Bedürfnissen.
Heute verbringen wir den Nachmittag mit der ADEPT Stiftung, lernen ihre Arbeit kennen und
besichtigen einige ihrer Projekte in der Umgebung. Gegen Abend fahren wir weiter nach Viscri (dt. DeutschWeisskirch, ung. Szászfehéregyház).
12. Tag
Viscri: Kirchenburg und Projekte des „Mihai Eminescu Trust“
Viscri, ein kleines Dorf in der Nähe von Sighişoara, zeichnet nicht nur die Kirchenburg und die von
sächsischen Höfen geprägte Dorfstruktur aus, sondern auch die zahlreichen lokal initiierten und
durchgeführten Projekte, welche eine Verbesserung der Lebensumstände und Verdienstmöglichkeiten für
die mehrheitlich aus Roma gebildeten Dorfbevölkerung anstreben. Zusammen mit anderen Orten der
Umgebung wurde 1999 das ganze Dorf samt Kirchenburg in die UNESCO-Weltkulturerbeliste
aufgenommen. Somit konnte begründet werden, dass der Erhalt unbedingt nötig und nicht nur für das
Weltkulturerbe, sondern primär für die Einwohner wichtig ist. Seit 1998 arbeiten die lokalen NGO’s eng mit
der renommierten englischen Stiftung „Mihai Eminescu Trust” zusammen, was – neben der Ortsbild- und
Architekturpflege – zahlreichen Projekten (Traditionelles Handwerk, Berufsausbildung, Agrotourismus,
Ökologie, Soziales...) in über 24 Ortschaften Siebenbürgens zugute kam. Eine Erfolgsgeschichte mit
Vorbildcharakter.
Am Vormittag besichtigen wir die Kirchenburg, wo den Teilnehmern Kenntnisse zur Geschichte und
Funktionsweise dieser einmaligen Bauwerke sowie dem Leben und Alltag der Siebenbürger Sachsen
vermittelt werden. Am Nachmittag lernen wir lokale Vertreter des „Mihai Eminesu Trust” kennen, welche
uns in Viscri ausgewählte Projekte vorstellen und zeigen.
13. Tag
Fahrt nach Cluj durch Sighişoara
Auf unserer Rückreise nach Cluj besichtigen wir Sighişoara. Im 13. Jh. von deutschen Siedlern
gegründet, war die Stadt - neben Sibiu und Braşov - ein bedeutendes Zentrum der Siebenbürger Sachsen.
Die Stadtburg gilt als der “schönste und vollständigste mittelalterliche Architekturkomplex Rumäniens” und
bietet dem Besucher eine einzigartige Gelegenheit die stimmungsvolle Atmosphäre dieser historischen
Region kennen zu lernen. 1999 wurde die Altstadt von Sighişoara zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
14. Tag
Cluj: Abschlussveranstaltungen und Abschied
Am Vormittag bereiten sich die Studenten für das AbschlussKolloquium vor. Nach dem Mittagessen
finden das Kolloquium und die Abschlußveranstaltung statt.
15. Tag
Abreise
SCHWERPUNKTE DER SOMMERSCHULE
Während der Veranstaltung haben die Teilnehmer jeweils ein Hauptthema der Sommerschule beund verarbeitet und im Rahmen des Abschlußkolloqviums ihre Ergebnisse vorgestellt. Die nächsten
Beiträge beinhalten die zusammenfassende Berichte zu diesen Themen.
1. Hortobágy Nationalpark samt Theiß-See: Naturschutz, Erholung und Fremdenverkehr
2. Strategien der Nachhaltigkeit – Gömörszőlős
3. Herausforderungen und Ansätze der Raumplanung postsozialistischer Städte (Beispiel Cluj,
Sibiu und Sighişoara)
4. Bergbaugebiete:
Herausforderungen
der
Altlastenbehebung
und
alternative
Entwicklungsstrtegien für ehemalige Bergbaugebiete (Baia Mare und Roşia Montană)
5. Erhalt des soziokulturellen Erbes und Entwicklungsstrategien im ländlichen
Südtranssilvanien (ehemaliges Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen)
Außer der oben erwähnten vier Schwerpunkte und die dazugehörigen Fallbeispiele, haben die
Betreuer der Sommerschule weitere Themen erleutet und veranschaulicht um ein umfangreiches
Bild von der behandelten Problematik zu gewährleisten.
Landschaftspflege und nachhaltiger Tourismus
Am Theiss-See & Hortobagyi Nationalpark
Bericht zur Sommerschule
Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch
13. Juli – 27. Juli 2014
von: Alexandra Hrzina, Anna-Lena Ahlf, Rola Kramer
Leitung: Dr. Kinga Xénia Havadi-Nagy, Fakultät für Geographie, Babes-Bolyai Universität
Inhaltsverzeichnis
Landschaftspflege und nachhaltiger Tourismus
Am Theiss See & Hortobagyi Nationalpark
Vorwort
1. Was ist nachhaltiger Tourismus?
2. Vorstellung der Regionen: Der Theiss See & Hortobagyi Nationalpark
2.1. Der Theiss-See
S.4
S. 5-7
S. 5
2.2. Der Hortobagyi Nationalpark
S.6-7
3. Tourismus am Theiss-See und im Hortobagyi Nationalpark
S. 8-9
3.1. Nachhaltigkeit und regionale Probleme
S. 8-9
4. Poroszló: Potenziale der Region, exemplarisch
S. 9-12
4.1. „Neue“ Strategien
S. 9-10
4.2. Mögliche Herausforderungen und Hindernisse
5.Schlusswort / Diskussion
S. 11-12
S.12
Vorwort
Tourismus und die damit verbundene Landschaftspflege sind eine Möglichkeit, um eine
ländliche Region am Leben zu erhalten oder auch wachsen zu lassen. Diese Arbeit
beschäftigt sich mit der Landschaftspflege und dem nachhaltigen Tourismus am TheissSee und im Hortobagyi Nationalpark. Anfangs werden diese beiden Gebiete kurz erklärt,
damit der Leser die darauf folgende Beschreibung der Problemfelder besser versteht.
Danach wird auf die neuen und alten Strategien der Regionen eingegangen. Die alten
Strategien bringen Nachteile, die durch die neuen Strategien ausgebessert werden sollen.
Dies betrifft die Felder Bevölkerung, Flora und Fauna, Thermal Quellen Nutzung und die
Zielgruppe der touristischen Regionen. Es werden dem Leser außerdem die Ziele und
möglichen Herausforderungen der Strategien näher gebracht.
Abb.1: Karte der Region (Quelle: http://www.ungarn-tourismus.ch/aktiv-undoekotourismus/nationalparks.html)
3
1. Was ist nachhaltiger Tourismus?
Abb.2: Nachhaltigkeit (eigene Darstellung)
Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Tourismus bedeutet, dass der Tourismus auch in der
Zukunft stattfinden kann und langfristig geplant ist. Am Theiss-See und im Hortobagyi
Nationalpark wird dafür das Ökosystem und die Region durch Landschaftspflege für
spätere Generationen erhalten. Der Tourismus soll ökologisch sein und die Umgebung so
gut wie möglich erhalten bleiben. Durch den Tourismus profitiert auch die Region. Umso
mehr nachhaltiger Tourismus stattfindet, desto mehr Arbeitsplätze gibt es, die gegen
Landflucht und Überalterung helfen. Ein ganzjähriger nachhaltiger Tourismus wäre dabei
für die Regionen von Vorteil.
4
2. Vorstellung der Regionen: Theiss-See & Hortobagyi Nationalpark
2.1. Der Theiss-See
Der Theiss-See ist ein ungeplantes Ökosystem, dass sich durch die Stauung der Theiss
entwickelt hat. Die Stauung schützt die Region vor dem jährlichen Hochwasser und dient
ebenfalls zur Stromerzeugung und Bewässerung.
Das Ökosystem ist die Heimat vielfältiger Pflanzen- und Tierarten geworden. Ein Teil
wurde zu einem Vogelreservat erklärt, das vor allem durch die vorbei ziehenden Kraniche
bekannt ist. Der Theiss-See steht unter verschiedenen Stufen des Naturschutzes, der mit
dem Tourismus in Einklang gebracht wird. Zu diesem Zweck gibt es Maßnahmen um den
Tourismus zu leiten. Dazu zählen Anglergebiete, Wassersportgebiete, Fahrradwege und
festgelegte Bereiche für Party und Sommerlager. Der Tourismus bringt aber auch
Probleme in die Region. Wildcampen, Müll, Wochenendhäuser und Motorboote
verschmutzen das Naturschutzgebiet. Um dieses Gebiet zu erhalten, wird in Flora und
Fauna eingegriffen. Unter anderem werden Bäume gefällt, der Wasserstand reguliert und
der Fischbestand wird beeinflusst.
Die Region um den Theiss-See leidet an den Problemen der Landflucht und Überalterung.
Ausländische Investoren sind abgezogen und es gibt nur noch wenige Arbeitsplätze. Der
Theiss-See und das Ökozentrum bieten der Region etwa zehn Arbeitsplätze. Der
Tourismus wirkt sich jedoch auch auf die umliegende Region aus. Einheimische bieten
Unterkünfte an, Kneipen öffnen für Touristen und die Natur soll durch nachhaltigen
Tourismus für spätere Generationen erhalten bleiben. Die Anwohner selbst besitzen oft
kein Auto, kaufen in kleinen Läden ein und gehen kaum in die Kneipen. Die Region
möchte ihre Bekanntheit auch im Westen steigern, um mehr Besucher anzulocken. Die
derzeitigen Hauptzielgruppen sind Familien, Schüler und Individualtouristen.
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2.2. Der Hortobagyi Nationalpark
Der Hortobagyi Nationalpark wurde im Jahr 1973 gegründet und hat sich für das UNESCO
Weltkulturerbe und Weltnaturerbe beworben. Die Steppenlandschaft ist reich an
Geschichte und ökologisch interessanten Attraktionen über die man in Führungen und
Ausstellungen mehr erfahren kann. Besucher werden über die früher ansässigen
Nomadenvölker und die Tscharda-Route informiert. Außerdem gibt es einen Wildtierpark,
Fischteiche, ein Besucherzentrum, Lehrpfade, ein Hirtenmuseum und das Mata Gestüt. In
diesem Gestüt werden Zugpferde gezüchtet und in Zukunft sollen auch Pferderennen
abgehalten werden können. Der Nationalpark hat auch eine 2500 ha große Fläche für
Wildpferde. Radwege, Fußwege und das Drachenfliegen locken weitere Besucher an.
Zusätzlich können Gäste den Kranichzug von Aussichtstürmen beobachten und die früher
verwendeten Nutztierarten im Wildtierpark bestaunen.
Im Nationalpark sollen Natur- und Kulturwerte bewahrt werden. Lokale Produkte sollen
gefördert und vermarktet werden. Bereits jetzt gibt es einen kleinen Markt, der diese
Produkte für Besucher_innen anbietet. In der Region ist der Nationalpark der einzige
große Akteur und hat somit wenig Konkurrenz. Der Nationalpark gilt als Vorzeigeprojekt,
da er erfolgreich mit Geldern umgeht und fast immer die Förderungen bekommt, für die er
sich bewirbt. 85% der Förderungen kommen aus den europäischen Fonds und 15% vom
Staat Ungarn. Die staatliche Förderung wird jedoch immer geringer.
Derzeit beschäftigt der Nationalpark 120 Festangestellte und ist somit ein großer
Arbeitgeber in der Region. Die Hauptzielgruppe sind Familien und Schüler_innen.
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Abb. 3: Steppenlandschaft der Puszta im Hortobagyi Nationalpark (Quelle: Aufnahme eines Teilnehmers)
Abb. 4: Theiss See (Quelle: eigene Aufnahme eines Teilnehmers)
7
3. Tourismus am Theiss-See und im Hortobagyi Nationalpark
Das Tourismuskonzept, dass aktuell in der Region durchgeführt wird, zielt auf
verschiedene
Zielgruppen
des
Individual-Tourismus.
Einzelne
lokale/regionale
Besonderheiten werden hervorgehoben, bzw. inszeniert. In der dünn besiedelten Region
Theiss-See und Hortobagyi Nationalpark dienen „Freilichtmuseen“ der Darstellung
historischer, regionaler Besonderheiten. Mit weiteren Angeboten, wie der Wildpark
Hortobagyi Nationalpark, wird zudem regionale Freizeit- und Tourismusangebot erweitert.
Der regionale Tourismus ist auf Individualtourismus, nicht auf Massentourismus,
ausgelegt.
3.1. Nachhaltigkeit und regionale Probleme
In der vorgestellten Region, bzw. in den besuchten Ortschaften scheinen die
Herausforderungen in Bezug auf den nachhaltigen Fortbestand dieser vor allem durch drei
Zweige beeinflusst zu sein.
Bevölkerung: Das Bevölkerungswachstum ist rückläufig und die Bevölkerungsstruktur
leidet wie erwähnt an Überalterung. Vor allem junge Leute zieht es in die Städte, wo sie
höhere Chancen auf eine Berufsausbildung, einen Arbeitsplatz und einen höheren
Lebensstandard erwarten. Die Perspektiven werden eher in den Städten oder im Ausland
gesehen. Der jüngeren Generation fehlt eventuell auch die Identifikation mit dem eigenen
Heimatort oder der näheren Umgebung.
Wirtschaft: Die Wirtschaft ist nicht industriell geprägt, zudem gibt es nur noch wenige
Agrarbetriebe. Einige Leute bauen selbst etwas an für den Eigenbedarf. Tourismus gilt als
der Wirtschaftszweig, der Orte wie Poroszló und den Hortobagyi Nationalpark wieder
beleben soll und nachhaltig Arbeitsplätze sichern soll. In Poroszló hat der Bürgermeister
die Initiative ergriffen, damit das Ökozentrum in seinem Ort geschaffen wird. Dadurch
wurden Einrichtungen wie beispielsweise ein Restaurant gegenüber des Zentrums wieder
aufgebaut und ein Besucherparkplatz errichtet. Poroszló, welches eine attraktive
Landschaft durch den Theiss-See und damit verbundene touristische Aktivitäten zu bieten
hat, konnte mit dem Ökozentrum weitere Bekanntheit erlangen und auch die lokale
Bevölkerung miteinbeziehen, indem privat Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Es
wird jedoch deutlich, dass der Tourismus vor allem Touristen in der Sommersaison anlockt
und, dass der Bedarf an weiteren Arbeitskräften bisher noch nicht sehr aussichtsreich ist.
Zudem sind die touristischen Angebote bisher hauptsächlich auf nationale Touristen
8
ausgerichtet, da das Informationsmaterial und Gesprächspartner hauptsächlich auf
ungarischer Sprache vorzufinden sind.
Raumstruktur: Das Potenzial der Region scheint noch nicht erschöpft zu sein.
Freistehende Flächen könnten außerdem für die Landwirtschaft genutzt werden. Die
geographischen Gegebenheiten lassen weitere Nutzungen des Raumes zu. So ist zum
Beispiel das Gebiet um Poroszló reich an Thermalquellen – diese würden sich zum
Heizen, aber auch als (Thermal-)Bäder eignen.
9
4. Poroszló: Potenziale der Region, exemplarisch
In Poroszló leben aktuell etwa 2.000 bis 3.000 Einwohner_innen. Etwa 35 % der
Einwohner_innen sind Senioren/Seniorinnen, 30 % sind arbeitslos, etwa 35% sind
berufstätig (angestellt oder selbstständig tätig). Weiter auffällig an der Sozialstruktur des
Dorfes ist ein hoher Anteil an der ethnischen Gruppe der Sinti und Roma-Anteil. Weiter
gibt es in dem Dorf viele Kinder - meist aus der ethnischen Minderheit der Sinti und Roma
stammend.1 Aus dieser Bevölkerungsdichte lassen sich Ressourcen wie Zeit (Arbeitslose,
Senioren/Seniorinnen), traditionelles/ historisches Wissen (Senioren/Seniorinnen) und
neue, innovative Ideen (Kinder/Jugendliche) ableiten.
In einer (Kleingruppen-)Diskussion haben wir weitere Potenziale der Region diskutiert,
wie:

Die Bevölkerung,

Flora und Fauna,

Thermal-Quellen,

Und die konkrete Ausrichtung auf spezifische Zielgruppen (z.B. Senioren,
Akademiker, Well-being-Tourismus).
Auf Grundlage dieser Potentiale der Bevölkerungsstruktur haben wir folgend exemplarisch
mögliche Strategien zum Ausbau einer nachhaltigen Regional- (und Tourismus-)Planung
erstellt.
4.1. „Neue“ Strategien
Strategie I: Identitätsbildung/ Lokalpatriotismus
Durch einen intergenerationellen Austausch soll eine erhöhte Sensibilität für die
Besonderheiten der Region - wie Flora und Fauna, Seenlandschaft und Thermalquellen geschaffen werden. Konkret würde dies einen Austausch vor allem zwischen den
Senioren/Seniorinnen und den Kindern bedeuten. Organisierte intergenerationelle
Aktivitäten und Projekte (Wandern, Basteln, Handwerk, z.B.) zielen auf einen Stärkung des
Zusammenhalts der Bewohner_innen/ der Gemeinschaft sowie auf den Aufbau eines
„Lokalstolzes“. Kinder und Jugendliche könnten einen „Lokalpatriotismus“ aufbauen und
1Die genaue prozentuale Zahl ist nicht auffindbar.
10
zu „Raumpionieren“ werden, welche aktiv das Dorf mitgestalten und ausbauen. Eine
verstärkte Identifikation mit dem Dorf soll zudem der Landflucht entgegenwirken.
Strategie II: Konzentrierter Individual-Tourismus
Das bestehende Öko-System - besonders Flora und Fauna, Vogel- und Fischbestände,
Wild(-pferde), Luftqualität und Biodiversität des Theiss-Sees - bieten die Grundlage für
Individual-Tourismus
für
spezifische
Zielgruppen,
wie Angler_innen,
Naturschutz-
Liebhaber_innen, Vogelbeobachter_innen, Luftkur-Suchende, u.a. Dieser IndividualTourismus könnte konzentrierter ausgebaut und vermarktet werden, indem konkrete
Programme für (bspw.) Senioren angeboten werden. Für diese Zielgruppe könnten
Programme angeboten werden, wie Wellness-Programme, Sport o.ä. Weiter wäre es eine
gute Idee sich im Programm für ein internationales Publikum auszurichten und zu
bewerben.
Strategie III: Ausbau der Thermalquellen
Poroszló ist reich an Thermalquellen, welche sich zum Heizen, aber auch als (Thermal-)
Bäder eignen. Der Ausbau der Quellen könnte interessant für ausländische Investoren im
Energiegewinnungsbereich sein, aber auch für weitere Interessenten (Touristen,
Studenten/Studentinnen). - Somit würde der Ausbau der Thermalquellen als eine
vielversprechende Einnahmequelle der lokalen Wirtschaft dienen (ansässige Investoren
und neue Nische für Tourismus). Durch die neugeschaffene Infrastruktur des Dorfes
(Heizung) würde die Lebensqualität der Bewohner_innen verbessert werden.
4.2. Mögliche Herausforderungen und Hindernisse
Mit den vorgestellten neuen Strategien könnte es möglich sein, die Situation weiterhin zu
verbessern und die Potenziale weiter auszuschöpfen. Herausforderungen ergeben sich
dennoch in vielerlei Hinsicht:
Zunächst braucht es Raumpioniere, die Projekte vorantreiben, die sich zuständig und
verantwortlich fühlen. Die Motivation muss von der lokalen Bevölkerung kommen. Die
Veränderungen müssen von dem Volk selbst und nicht von der Regierung und der
Wirtschaft ausgehen. Es braucht Leute, die Initiativen ergreifen und langfristig die
Bevölkerung mit einbeziehen und das Gefühl die Zukunft ihrer Region selbst mit zu
gestalten und selbst in der Hand zu haben. Hierzu ist auch der Mangel an lokalen
Experten anzusprechen. Damit sind Personen gemeint, die sich mit ihrer Region
11
identifizieren und ihr erfahrenes Wissen gerne weitergeben – wie bspw. der Bootsführer
auf der Bootsfahrt über den Theiss-See.
Auch die Instandhaltung geschaffener Einrichtungen spielt eine wichtige Rolle. So müssen
die
Lehrpfade
gepflegt
werden,
Landschaftspflege
betrieben
werden
wie
die
Entschlammung des Theiss und auch das Ökozentrum oder Attraktionen im Nationalpark
regelmäßig aktualisiert werden um weitere Besucher anzulocken.
Schlussendlich bleibt die Frage der Finanzierung. Wird es den Regionen möglich sein
durch die Besuchergelder sich selbst zu finanzieren oder werden sie weiterhin auf Gelder
von außen – von der EU oder den Ländern selbst – angewiesen sein? Um Gelder zu
erhalten und diese sinnvoll einzusetzen braucht es auch ortskundige Fachleute.
Abb. 5: Poroszló, Theiss-See, Angel-Tourismus (Quelle: Aufnahme eines Teilnehmers)
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5. Schlusswort/ Diskussion
Es wurde deutlich, dass für die Förderung der Regionen bisher schon einiges getan
worden ist und aktiv versucht wird, dass die Regionen sich nicht selbst überlassen bleiben
(besonders durch EU-Förderung). So wird im Hortobagyi Nationalpark vor allem auf die
traditionelle Lebensweise und die Einbeziehung von traditionellen Produkten und Tieren
gebaut, während beim Theiss-See das Ökosystem im Vordergrund steht. Dies könnte
erweitert werden, indem die Bevölkerung verstärkt einbezogen wird. Ziel wäre eine
Regionalplanung „von der Bevölkerung für die Bevölkerung“.
Weiter zu diskutieren wären die Begriffe „Öko-Tourismus“ und Nachhaltige(r) Tourismus/
Regionalplanung. Nachhaltigkeit und ökologisch schonender Tourismus (Ökotourismus)
scheint von jedem individuell etwas anders interpretiert zu werden. Auch hier wäre eine
Zielsetzung der lokalen Bevölkerung erstrebenswert.
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Sommerschule im Rahmen des DAAD Go East Programms
Von der Puszta in die Karpaten - Kulturlandschaften im Umbruch.
Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa
13. - 27. Juli 2014
Abschlussbericht
Ökodorf Gömörszőlős am 16.07.2014
Franziska Wenk, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
B. Sc. Geographie
Annika Jeschke, Rheinische Friedrichs-Wilhelms Universität Bonn
B. Sc. Geographie
Inhalt
Abbildungsverzeichnis ............................. ................................................... ................................ 2
Einleitung ........................................ ................................................... ......................................... 3
Geographische Einordnung ............................................................................. ........................... 3
Ursprüngliche Projektidee............................................................................ .............................. 4
Heutige Projektumsetzung ............................................................................. ............................ 5
Chancen und Herausforderungen ........................................................................ ...................... 7
Fazit ............................................. ................................................... ............................................ 8
Quellen ........................................... ................................................... ......................................... 9
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Blick auf das Dorf Gömörszölös (F. Wenk)................................................ ............ 3
Abbildung 2: Herr Guylai und die Trockenanlage (A. Jeschke) .......................................... ........ 6
Abbildung 3: Ökologischer Garten (A. Jeschke) ........................................................ ................. 6
Abbildung 4: Traditionelles Haus (F. Wenk) ........................................................... .................... 6
Abbildung 5: Evangelische Kirche im Dorf (F. Wenk) ................................................... .............. 6
Abbildung 6: Wollverarbeitungszentrum (F. Wenk) ...................................................... ............ 7
Abbildung 7: Faktoren zur Zukunftsfähigkeit des Dorfes (eigene Darstellung) ......................... 8
2
Einleitung
Nachdem wir die ersten vier Tage der Sommerschule in Poroszló am Theiss-See verbracht
haben, ging es am Morgen des 16. Juli in das Dorf Gömörszőlős. Am Tag zuvor hatte sich
unsere Gruppe gewissenhaft mit dem Projektbericht: Ein ungarisches Modell für
Zukunftsfähigkeit auf dem Land“ beschäftigt (F REMUTH
ET AL.
1999). Die Bezeichnung
„Ökodorf“ erweckte bei uns die verschiedensten Vorstellungen und Erwartungshaltungen,
wie ein Leben im Einklang mit der Natur, Eigenversorgung der Bevölkerung, bewusster
Konsum oder die Nutzung nachhaltiger Energiequellen. Also ein ganzheitlicher Ökogedanke,
der aus der Bevölkerung heraus kommt und gemeinsam umgesetzt wird.
Abbildung 1: Blick auf das Dorf Gömörszőlős (F. Wenk)
Geographische Einordnung
Das Dorf Gömörszőlős liegt in Nordungarn nahe der slowakischen Grenze. Es befindet sich 45
km nordwestlich vom Komitatssitz Miskolc und die nächste Stadt Putnok ist 11 km entfernt.
Naturräumlich befindet sich das Dorf an der Überlappungszone vom ungarischem Tiefland
und den Ausläufern der Karpaten. In der direkten Umgebung liegen der Aggtelek
Nationalpark, einige Tropfsteinhöhlen, sowie zahlreiche kleine Weiler.
Seit den letzten 100 Jahren ist das Dorf von einem starken Bevölkerungsrückgang betroffen.
Während Anfang des 20. Jahrhunderts noch 400 Personen dort lebten, zählt das Dorf heute
nur noch 72 Einwohner. Aufgrund von fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Land
3
zieht es einen Großteil der jungen Bevölkerung in die wachsenden Industriezentren der
Städte. Seit nun mehr als 11 Jahren wurde kein Kind mehr geboren, die Geburtenrate liegt
somit momentan bei null. Dies hat eine Überalterung und daraus folgend eine Schrumpfung
des Dorfes mit Verfall der Strukturen zur Folge.
Insgesamt stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten das Dorf hat mit dieser veränderten
Situation umzugehen.
(FREMUTH ET AL. 1999, GESPRÄCH GYULAI)
Ursprüngliche Projektidee
Vom Ungarischen Institut für nachhaltige Entwicklung wurde in den 1990er Jahren durch
verschiedene Projekte die Entwicklung im ländlichen Raum fokussiert. Eines darunter war
das „Sustainable village project: Gömörszőlős“. Das
charakteristischen
Gegebenheiten,
wie
zum
Beispiel
Dorf wurde aufgrund der
schwindende
Bevölkerung,
Überalterung, hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Einkommen und Verödung als beispielhaftes
Modell ausgewählt. Mit dem Projekt sollen mögliche Maßnahmen und Wege für eine
Wiederbelebung des ländlichen Raums aufgezeigt werden.
Im Wesentlichen werden die folgenden vier Handlungsfelder fokussiert:
1. Naturschutz
2. Ökologischer und sozialverträglicher Tourismus
3. Ökologische Landwirtschaft
4. Kleingewerbe, Kleinunternehmen, Familienmanufakturen
Im Naturschutz wird der Fokus auf den Erhalt der Artenvielfalt und Biodiversität gelegt, die
durch die zunehmende intensive Landnutzung stark bedroht wurden. Bedingt durch die
attraktive Umgebung und die gut erhaltene, traditionelle Dorfstruktur bieten sich zudem der
Ausbau und die Entwicklung eines ökologischen und sozialverträglichen Tourismus an. Dazu
zählen
eine
Verbesserung
des
Übernachtungsangebots,
vermehrte
kulturelle
Veranstaltungen und verschiedene Freizeitangebote. Durch die ökologische Landwirtschaft,
anhand alter extensiver Kultivierungsmethoden, sollen zum einen die lokale Bevölkerung
4
sowie die Touristen versorgt werden, zum anderen dienen sie zum Erhalt der typischen
regionalen Kulturlandschaft. Daneben sollen auch die traditionellen Handwerksberufe der
lokalen Wirtschaft wiederbelebt werden. Darunter sind
Kleinunternehmen oder
Familienmanufakturen wie die Kunstschmiederei, Töpferei, Tischlerei und Korbflechterei zu
verstehen. Zur Veranschaulichung und zum Erhalt wurde hierfür ein ethnografisches
Museum eingerichtet.
Insgesamt wird somit das übergeordnete Ziel verfolgt, das vorhandene Kapital der Region zu
nutzen, um vor allem das Dorf für die lokale Bevölkerung wieder lebenswert zu machen und
somit der Abwanderung der jungen Bevölkerung entgegenzuwirken. (FREMUTH ET AL. 1999)
Heutige Projektumsetzung
Die Arbeit der letzten 20 Jahre zeigt sich sowohl in der Etablierung eines Ökozentrums, als
auch in den Bemühungen der Dorfbevölkerung. Die derzeitigen Maßnahmen werden
hauptsächlich durch die Bürgermeisterin JUDIT É. KOVÁCS vorangetrieben.
Die heutige Arbeit des Ökozentrums wird durch den Projektdirektor IVÁN GYULOI koordiniert.
Nach dessen Verständnis geht es bei einer nachhaltigen Entwicklung um einen Lebensstil,
der sich ausschließlich an vorhandenen natürlichen Ressourcen ausrichtet. Das Zentrum
zeichnet sich durch eine solche Arbeitsweise aus. Für die lokale Bevölkerung und
interessierte
Gruppen
von
außerhalb
werden
Informationsveranstaltung
und
Fortbildungsmöglichkeiten angeboten. Diese können die Themen ökologischer Landbau,
Umweltschutz im Haushalt und Naturschutz beinhalten. Zum besseren Verständnis gibt es
zahlreiche Anschauungsobjekte, die zum Teil in den Veranstaltungen hergestellt werden. Als
größtes Objekt kann das Passivhaus genannt werden, das ohne Wasser, Gas und Strom von
außerhalb auskommt. Durch eine spezielle Isoliertechnik wird das Haus lediglich durch die
Eigenwärme der Bewohner erwärmt. Des Weiteren gibt es zur Veranschaulichung einen
speziellen Ofen mit hoher Wärmeleistung; eine Komposttoilette, die ohne Wasser
auskommt; eine Trockenanlage, die Solarkollektorenergie zur Herstellung von Trockenobst,
Kräutern und Pilzen nutzt (siehe Abb. 2); sowie eine Schilfkläranlage. In den letzten Jahren
wurde zudem ein ökologischer Garten mit einer Streuobstwiese in Betrieb genommen (siehe
Abb.3). Anhand von traditionellen Bewirtschaftungsformen wird so ein Beitrag zur
Landschaftspflege
geleistet.
Die
vielfältigen
Aufgabenbereiche,
einschließlich
der
5
entstandenen Beherbergungsmöglichkeiten, werden durch die Arbeit von Freiwilligen
unterstützt (Gespräch GYULAI).
Abbildung 2: Herr Guylai und
die Trockenanlage (A. Jeschke)
Abbildung 3: Ökologischer Garten (A. Jeschke)
Durch einen informativen Rundgang mit JUDIT É. KOVÁCS, der Bürgermeisterin des Dorfes
wurden uns verschiedene Elemente der Dorfkultur aufgezeigt, die unter anderem
touristisches Potenzial mit sich bringen. Zentral im Dorf gelegen ist eine evangelische Kirche
aus dem 19. Jahrhundert. Diese ist reich verziert mit floralen Ornamenten und bemalten
Decken (siehe Abb. 5). Das ehemalige Schulgelände des Dorfes dient heute zum einen als
ethnografisches
Museum
mit
vielen
traditionellen
Gegenständen
und
Landwirtschaftsgeräten. Zum anderen befindet sich dort nun eine Kunstgalerie, die
regelmäßig von Kunststudenten in Sommercamps erweitert wird. Es gibt auch eine kleine
Bibliothek, in der Werke des Dichters Tompa Mihály, der einst in dem Dorf lebte, ausgestellt
werden. Weiterhin sind zahlreiche traditionelle Dorfhäuser im ursprünglichen Zustand
erhalten, sodass Besucher sich ein Bild vom früheren Dorfleben machen können (siehe Abb.
4).
Abbildung 5: Evangelische Kirche im Dorf (F. Wenk)
Abbildung 4: Traditionelles Haus (F. Wenk)
6
Um die traditionelle Wirtschaftsform der Wollverarbeitung zu veranschaulichen und das alte
Handwerk wieder aufleben zu lassen, wurde eine kleine Wollfabrik mit traditionellen
Maschinen eröffnet. Diese in Abbildung 6 ersichtlichen Maschinen sind über 100 Jahre alt
und immer noch voll funktionsfähig. Nach den ersten Produktionsschritten wird die Wolle
entweder als Füllmaterial verwendet oder zu Filzprodukten weiterverarbeitet. In der
Werkstatt können Besucher den Produktionsablauf beobachten und anschließend die
Produkte erwerben.
Abbildung 6: Wollverarbeitungszentrum (F. Wenk)
Als ein aktuelles Beispiel ist der überdachte Dorfplatz mit Grillstelle zu nennen. Dieser wurde
2012 als Gemeinschaftsprojekt des gesamten Dorfes realisiert (Gespräch KOVÁCS).
Chancen und Herausforderungen
Um noch einmal die Frage nach dem Umgang mit schrumpfenden Dörfern im ländlichen
Raum aufzugreifen, werden im Folgenden die Chancen und Herausforderungen im Dorf
Gömörszőlős dargelegt. Die Maßnahmen der letzten Jahre haben gezeigt, dass das Dorf
durchaus touristisches Potenzial aufweist und mit dieser Nutzung einen weiteren
Beschäftigungszweig etablieren kann. Während Frau KOVÁCS die Entwicklung, trotz
anhaltender Abwanderung und den damit einhergehenden Problemen als zukunftsfähig
erachtet, sagt Herr GYULAI über das Projekt: „It is not a success story“.
Im Allgemeinen leben die Menschen im Dorf zwar nachhaltig, was jedoch an fehlenden
finanziellen Mitteln und nicht an der Überzeugung zu einem solchen Lebensmodell liegt.
Somit kommen Besucher mit einer falschen Vorstellung dorthin und finden anstelle eines
ganzheitlich ökologischen Dorfs lediglich das Ökozentrum als Insel darin vor. Junge Leute, die
7
auf der Suche nach einem ökologischen Lebensmodell sind, verlassen als desillusionierte
Romantiker das Dorf oftmals vorzeitig. Somit stellt sich die Herausforderung einer besseren
Integration des Ökozentrums in das Dorfleben.
Zukunftsfähigkeit?
Umweltverträgliche
Entwicklung durch
Tourismus
Verbesserung der
Beschäftigungsmöglichkeiten
Abbildung 7: Faktoren zur Zukunftsfähigkeit des Dorfes (eigene Darstellung)
Die Zukunft des Dorfes hängt also zum einen von einer umweltverträglichen Entwicklung
durch
den
Tourismus
und
zum
anderen
von
einer
Verbesserung
der
Beschäftigungsmöglichkeiten ab. Wie in Abbildung 7 ersichtlich bedingen sich diese Faktoren
zu einem großen Teil gegenseitig. Bei einer erfolgreichen Umsetzung beider Elemente
würden sich somit die Infrastruktur, die demografische Situation und die soziale Struktur im
Dorf verbessern. Außerdem würde sich der ursprüngliche Plan eines Vorzeigemodells zur
ökologischen Regionalentwicklung im ländlichen Raum Ungarns erfüllen.
Fazit
Unser anfängliches Bild eines Ökodorfs mit ganzheitlich nachhaltiger Lebensweise konnten
wir in Gömörszőlős nicht vorfinden. Als Grund dafür könnte die Entstehungsweise
herangezogen werden. Das Dorf wurde nicht als ein Ökodorf gegründet, sondern bestand
bereits vorher. Außerdem wurde es von außen für das Projekt ausgewählt, sodass die
Bewegung nicht aus der Bevölkerung selber kam und diese dementsprechend jetzt nicht
gänzlich hinter den Zielen des Projektes steht.
Das Dorf Gömörszőlős wurde und wird also immer noch vom Ökozentrum als ein „playing
ground to put the idea of sustainable development into practice” (Gespräch GYULAI) genutzt.
8
Quellen
•
FREMUTH, W., GYULAI, I. U. B. RÄTH (1999): Gömörszőlős. Ein ungarisches Modell für
Zukunftsfähigkeit auf dem Land. In: „…Raus auf’s Land…“ Ländlicher Tourismus als
Boomfaktor. BfN-Skripten Nr. 15. Bonn.
•
Ökologisches Institut (Hrsg.)(o. J.): A Sustainable Village Project: Gömörszőlős.
•
Ökologisches Institut (Hrsg.)(o. J.): Spaziergang in Gömörszőlős. Verlag Lanchid.
•
Gespräch am 16.07.14 mit Bürgermeisterin Judit É. Kovács
•
Gespräch am 16.07.14 mit Projektleiter des Ökozetrums Ivan Gyulai
9
Cluj-Napoca – Inima Transilvaniei
Abb. 1: Cluj-Napoca Zentrum
(FRANZISKA WENK 2014)
Abb. 2: Piata Uniri
(FRANZISKA WENK 2014)
Abb. 3: Blockwohnungen in Cartierul Mǎnǎştur
(ANNA-LENA AHLF 2014)
Verfasst von:
Bettina Doll, Universität Kiel, Master Stadt- und Regionalentwicklung
Sebastian Lang, Universität Heidelberg, Bachelor Geographie & Politische Wissenschaft
Die Stadt Cluj-Napoca liegt im Nordwesten Siebenbürgens am Ufer des Kleinen Somesch. Selbst versteht
sich die Stadt als wirtschaftliches und gesellschaftliches Zentrum Siebenbürgens und vermarktet sich mit
dem Slogan „Inima Transilvaniei“ – Herz Transilvaniens. Als zweitgrößte Stadt Rumäniens beheimatet sie
324.576 Einwohner (Romania National Institute of Statistics 2011 zitiert nach city population). Hinzu
kommen 100.000 Studenten an den insgesamt elf Hochschulen der Stadt, welche von der amtlichen
Statistik überwiegend nicht als Bewohner erfasst sind. Das heutige Stadtbild Clujs wurde durch drei
Entwicklungsströmungen maßgeblich geprägt. Diese Strömungen lösten sich in chronologischer
Reihenfolge ab. Abhängig vom jeweiligen ideologischen Verständnis und damit städtebaulichen Leitbild
wurden und werden neue Viertel und Gebäude errichtet und bereits dagewesene überformt. Als Resultat
dieser Entwicklungen finden sich heute in Cluj Elemente und Zeugnisse jeder dieser Epochen. Im Einzelnen
lassen sich besonders folgende „Stadttypen“ und baulichen Ausprägungen identifizieren:
•
traditionelle bzw. historische Stadt: Altstadt
•
sozialistische Stadt: Wohnblocks und Industriegebiete am Rand der Altstadt
•
moderne, kapitalistische Stadt: Urban Sprawl durch neue Wohnbaugebiete, Einkaufszentren,
Hypermärkten und Bürokomplexen am Stadtrand bzw. entlang von Verkehrsachsen.
Innerhalb dieser städtebaulichen Vielfalt nehmen verschiedene Prozesse ihren Lauf, wobei im Folgenden
die Festivalisierung der Innenstadt, der zunehmende Individualverkehr und Entwicklungen (Stadtumbau
und Urban Sprawl) in und um das Viertel Mǎnǎştur betrachtet werden.
Festivalisierung der Innenstadt
Die bauliche Struktur und Architektur der Innenstadt
ist sehr heterogen. Während des Sozialismus passte
die historische Bausubstanz nicht in das geltende
Stadtverständnis. Die Altstadt wurde jedoch nicht wie
in Bukarest abgerissen und neu bebaut, sondern
lediglich dem Verfall preisgegeben. Heute sind große
Teile der Altstadt sanierungsbedürftig. Inzwischen
stehen Gebäude, welche vor 1900 gebaut wurden
grundsätzlich unter Denkmalschutz. Dieser Schutz
kann aber nicht immer garantiert werden und durch Abb. 4: Innenstadt Cluj-Napoca
(STEFANIE LUTSCH 2014)
die bauliche Heterogenität ist bei weitem nicht die
ganze Altstadt geschützt. Teilweise wurden Innenstadtbereiche in Fußgängerzonen umgewandelt. Für diese
besteht allerdings kein städtisches Flächenmanagementkonzept, sodass der geschaffene verkehrsberuhigte
Raum häufig von gastronomischen Angeboten völlig eingenommen wird. Ein weiteres Problem der
Innenstadt ist der Mangel an öffentlichen Grün- und Naherholungsflächen. Obwohl der Kleine Somesch
direkt durch die Stadt fließt, befinden sich dort keine Grünflächen, da er von beiden Seiten von zwei großen
1
Verkehrsachsen eingebaut ist. Ein Konzept bzw. dessen Umsetzung zur Beseitigung dieses Mangels lässt
sich bisher nicht erkennen.
Die Umgestaltung des Hauptplatzes (Piata Unirii) von
einer innerstädtischen Grünfläche mit Blumenbeeten
zu einer Multifunktionsfläche im Jahr 2008 war ein
weiterer
Schritt
für
die
Ausrichtung
großer
Veranstaltungen aus den Bereichen Musik, Freizeit und
Film in der Innenstadt Clujs. Die Hoffnung auf
Wachstumsimpulse
und
Ausstrahlungseffekte
rechtfertigt aus Sicht der Verantwortlichen den
Aufwand solcher Events. An die Bewerbung zur
europäischen Kulturhauptstadt 2021 sind ähnliche
Erwartungen
geknüpft.
Angestrebt
werden
Abb. 5: Piata unirii vor der Umgestaltung
ein (Amicitia Travel 2006)
steigender internationaler Bekanntheitsgrad und ein
Anschub
für
die
Altstadtsanierung
sowie
die
Aufwertung und Wiederbelebung des Zentrums
insgesamt. Diese positiven Effekte konnten bei Sibiu,
welches 2007 europäische Kulturhauptstadt war,
beobachtet werden. In etlichen rumänischen Städten
wird nun diesem Titel nachgejagt um dem Beispiel Abb. 6: Ungarische Kulturtage 2014 auf dem umgebauten
Sibius zu folgen. Cluj wird als Vorbereitung für seine
Piata unirii (Voceat Transilvaniei 2014)
Kandidatur als europäische Kulturhauptstadt im Jahr 2015 die EU-Jugendhauptstadt sein. Unter anderem
lautet die offizielle Begründung für die Bewerbung zur Jugendhauptstadt: „Cluj-Napoca wants to apply for
the European Capital of Culture title and is already taking steps in that direction. […] But it wouldn't be a
bad idea if, in the meantime, the city will be European Youth Capital, which will be a great exercise in this
arena.” (Youth@Cluj-Napoca 2015).
Aktuell
werden
verschiedene
Anstrengungen
unternommen, um Cluj auf seine angestrebte Rolle als
Kulturhauptstadt vorzubereiten. Dies betrifft gerade
die städtische Infrastruktur. So wurden Teile der
Straßenbahn
modernisiert
und
ein
öffentliches
Fahrradverleihsystem soll in Kürze eingeführt werden.
Die regelmäßige Veranstaltung großer Events auf der
Piata Unirii bringt aber auch weniger positive
Abb. 7: Erneuerung oberirdischer Leitungen
(Sven Hassler 2014)
2
Auswirkungen mit sich. Das Bespielen des Platzes führt zu einer Privatisierung des öffentlichen Raums und
geht mit negativen Auswirkungen für die Anwohner wie beispielsweise einer erhöhten Lärmbelastung
einher. Durch die zunehmende Attraktivität der Lage für die Gastronomie steigen die Mieten und in
Kombination mit den Belastungen durch die Festivals wird die Wohnnutzung zunehmend verdrängt. Ein
Funktionsverlust der Innenstadt ist das Ergebnis. Der Einzelhandel spielt in der Innenstadt Clujs bereits
heute eine untergeordnete Rolle und hat sich fast vollständig in die neuen Einkaufzentren in den
Außenbezirken der Stadt zurückgezogen. Zusätzlich verstärken die Events in zentraler Lage den bereits
bestehenden Verkehrsdruck auf die Innenstadt.
Es ist fraglich ob die erhoffte Nominierung zur europäischen Kulturhauptstadt die Probleme lösen oder
vielleicht im schlimmsten Fall sogar verstärken würde. Eine weitere Konzentration von Aktivitäten auf die
Altstadt ohne grundlegendes Management und Kontrolle sowohl von öffentlichen Räumen als auch dem
Verkehrsaufkommen kann nur zu deren Überlastung führen. Auch sind die positiven Effekte die vielleicht in
Sibiu zu beobachten sind nicht durch die Nominierung garantiert. Dennoch gibt es scheinbar keine
alternative Strategie zur Stadtentwicklung und so scheinen alle Hoffnungen an diesen Titel geknüpft zu
sein.
Zunehmender Individualverkehr
Leicht angeklungen ist das Problem des hohen
Verkehrsaufkommens in der Innenstadt schon im
vorhergehenden Abschnitt. Grundsätzlich lässt sich
feststellen, dass der motorisierte Individualverkehr
(MIV) in Rumänien in den Jahren 1991 bis 2012 extrem
zugenommen hat. In diesem Zeitraum stieg die Zahl
der PKWs pro Einwohner um das Vierfache (vgl. Tab.
1). Ein Großteil des MIV entfällt auf die Städte, Grund
hierfür
sind
unter
anderem
veränderte
Pendlerbeziehungen. Während in sozialistischer Zeit Tab. 1: Entwicklung des MIV in Rumänien 1991-2012
die Arbeitersiedlungen durch eine Tramlinie an die
(Eurostat 2014; eigene Darstellung)
alten Industriegebiete angebunden waren, sind die neuen Gewerbeflächen an den Ausfallstraßen nur durch
PKWs zu erreichen. Gleichzeitig nutzen die Bewohner der neuen Vororte die bestehenden Infrastrukturen
innerhalb der Stadt und verstärken dadurch das Verkehrsaufkommen enorm. Daraus resultieren
Umweltbelastungen wie Lärm, Feinstaub, Abgase aber auch Staus und fehlende Parkmöglichkeiten.
Zur Verminderung der Probleme wurden verschiedene Lösungsansätze diskutiert und teilweise umgesetzt.
Zur Lenkung des Verkehrs um die Innenstadt wurde ein ‘City Tunnel’ geplant. Sobald es jedoch an den
Erwerb der hierfür notwendigen Grundstücke ging, mussten die Pläne fallengelassen werden. Eine
3
Umgehungsstraße wurde zur Entlastung der Innenstadt gebaut, da diese jedoch in einem
bergrutschgefährdeten Gebiet liegt, musste die Trasse bereits mehrfach verlegt und saniert werden. Zur
Lenkung des Verkehrs in der Innenstadt wurde ein Einbahnstraßensystem etabliert. Zur Verminderung des
Parkdrucks wurden verschiedene Parkhäuser erbaut und ein Parkraummanagement in Form von zeitlich
limitierten und kostenpflichtigen Parkplätzen eingeführt. Die Umsetzung wird allerdings nur inkonsequent
verfolgt. Zur Reduzierung des MIV soll ein Fahrradverleihsystem eingerichtet werden, das zurzeit jedoch
noch auf ein Servicekonzept wartet. Eine weitere Möglichkeit wäre der Ausbau des öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV). Bisher wurden zwar die bestehenden Linien modernisiert, doch eine
durchaus sinnvoll erscheinende Ausweitung des Netzes ist aktuell nicht geplant. Ein Problem stellt der
Übergang zu anderen administrativen Einheiten dar. So endet der städtische ÖPNV an der Stadtgrenze,
dadurch sind die Umlandgemeinden ausgeschlossen. Um eine gemeinsame Entwicklung der Infrastruktur
voranzutreiben wurde 2008 die Metropolregion Cluj-Napoca, bestehend aus der Stadt Cluj und 17
Umlandgemeinden gegründet (Asociatia de dezvoltare intercomunitara Zona Metropolitana Cluj 2008: 8f.).
Entwicklungen in und um das Cartierul Mǎnǎştur
Das Stadtviertel Mǎnǎştur ist ein Zeugnis sozialistischer Stadtplanung. Die Wohnsiedlung, die heute ein
Drittel der Einwohner Clujs beheimatet, wurde im Sozialismus an Stelle eines bestehenden Dorfes gebaut.
Der Großteil der alten Dorfhäuser wurde abgerissen, an ihrer Stelle wurden standardisierte Wohnblocks
errichtet. Durch standardisierte Wohnungen und staatliche Regulierung des Wohnungsmarktes sollte die
Segregation aufgehoben und eine Durchmischung der Wohnbevölkerung erreicht werden. Dies entsprach
der sozialistischen Ideologie in welcher Wohnen keine Ware mehr sein sollte (BURDACK & RUDOLPH 2001:
261). Innerhalb der Blocks in Mǎnǎştur gab es drei verschiedene Wohnungsgrößen und Komfortstufen. Die
ursprüngliche Planung war lockerer und mit mehr Grünflächen, auch sah sie drei Parkhäuser mit je 500
Stellplätzen vor. Diese Pläne wurden von der Staatsführung jedoch verändert – die Parkhäuser wurden
aufgrund mangelnder PKWs gestrichen und die Baudichte erhöht. Die sozialistische Stadtplanung verfolgte
eine klare Funktionstrennung. Die Wohnviertel waren konzentrisch um ein Zentrum für Dienstleistungen
und Einzelhandel angeordnet. Um die Bewohner – überwiegend Arbeiter – an ihren Arbeitsplatz zu bringen
wurden das Industriegebiet und Mǎnǎştur mit einer Straßenbahn verbunden.
Eine Besonderheit in Rumänien ist, dass die Errichtung von Plattenbauten nicht in Richtung Umland
vorangetrieben wurde sondern ausgehend von den neu entstandenen Stadtvierteln in Richtung Innenstadt
vorangetrieben wurde. Diese Entwicklung ist auf ein Verbot zur Ausweitung der Städte durch Ceaușescu
zurückzuführen. In Cluj wurde dieses Ziel – wie bereits erwähnt – jedoch nicht mehr vollständig realisiert,
weshalb der historische Stadtkern bis heute besteht.
4
Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus wurde in den 1990er Jahren die Privatisierung von Staatsbesitz
vorangetrieben, unter anderem um die öffentlichen Haushalte von den Kosten der Unterhaltung der
Plattenbauten zu entlasten. In Folge dessen konnten die Bewohner der Blockwohnungen ihr Appartement
zu günstigen Konditionen erwerben (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 50). Häufig gründeten sich
Eigentümervereine pro Block. Die sozialistisch gewünschte Funktionstrennung zerfiel, Einzelhandel und
Dienstleistungen siedelten sich verstärkt im Erdgeschoss der Plattenbauten an. Zu Zeiten des Sozialismus,
wurden notwendige Investitionen und Modernisierungen unterlassen. Mit der Privatisierung floss neues
Geld in die Gebäude, es kam zu etlichen Umgestaltungen und Renovierungsarbeiten. Häufig beschränkten
sich diese Arbeiten jedoch nur auf einzelne Wohneinheiten und nicht das gesamte Gebäude. Es wurden
Wände eingerissen um die Wohnungszuschnitte zu individualisieren oder auch Wohnungen
zusammenzulegen. Der Großteil der Balkone wurde verglast, dies diente sowohl zur Isolation als auch zur
Vergrößerung des Wohnraums. Auch erhielten viele Wohnungen eine Wärmedämmung und
Thermofenster. Alle Umbaumaßnahmen waren und sind jedoch abhängig vom Willen und der Finanzkraft
des Wohnungseigentümers. So kommt es, dass einzelne Apartments keine Wärmedämmung aufweisen und
Lücken in der Isolierung entstehen. Weiterhin fand teilweise eine Abkopplung von der zentralisierten Heizund Warmwasserversorgung statt, mit der Folge, dass heute innerhalb eines Gebäudes unterschiedlichste
Systeme nebeneinander betrieben werden. Mittlerweile wird jedoch wieder eine einheitliche Sanierung
der Blockgebäude angestrebt. So wird z.B. die Verglasung der Balkone einheitlich gestaltet.
Abb. 8: Teilrenovierter Wohnblock
(SVEN HASSLER 2014)
5
Für die gemeinschaftlichen Flächen vor den Häusern und öffentlichen Flächen zwischen den Häusern
scheint es keine Kontrolle oder Verantwortungsgefühl zu geben. Es ist ein Garagenschwarzbau in den
Innenhöfen mit Lagernutzung zu beobachten und eine Vernachlässigung gemeinschaftlicher Flächen.
Aktuell versuchen zwei NGOs über die Gestaltung von
Verkehrsinseln und der gemeinschaftlichen Gestaltung
einer
großen
Naherholungsfläche
das
Verantwortungsgefühl und die Nutzung öffentlicher
Flächen zu unterstützen. Mit der steigenden PKW-Rate
erhöhen
sich
auch
Umweltbelastungen
der
in
Parkdruck
Mǎnǎştur.
und
Mit
die
dem
Zusammenbruch des Sozialismus ist das Verbot von
Kirchenneubauten
gefallen,
sodass
sowohl
in
Mǎnǎştur als auch in anderen Nachbarschaften und
Abb. 9: Garagengestaltung in Mǎnǎştur
(SEBASTIAN LANG 2014)
Städten neue Sakralbauten errichtet werden.
In Cluj setzte nach 1990 – wie in anderen rumänischen
bzw. post-sozialistischen Städten – ein rasanter
Suburbanisierungsprozess ein. Auch am Rand von
Mǎnǎştur lässt sich diese Entwicklung beobachten.
Verschiedene
Faktoren
beeinflussen
den
Suburbanisierungsprozess. Dabei wird in der Literatur
zwischen
politischen,
demographischen,
wirtschaftlichen und soziale Faktoren unterschieden.
Abb. 10: Kirchenneubau
Politisch: Im Sozialismus wurde die Industrialisierung (SVEN HASSLER 2014)
und damit eine steigende Verstädterung politisch
vorangetrieben. Neue Wohnquartiere innerhalb der
Stadtgrenzen wurden geschaffen. Nach dem Fall des
kommunistischen Regimes wurde im Rahmen der
Transformation zur Marktwirtschaft staatliches und
gemeinschaftliches
Eigentum
in
Privateigentum
zurückgegeben. Dies geschah wie oben genannt mit Abb. 11: Neubau eines Mehrfamilienhauses
(SVEN HASSLER 2014)
Blockwohnungen aber auch mit landwirtschaftlichen
Nutzflächen. Die Privatisierung dieser Landwirtschaftsflächen löste einen Prozess der Spekulation,
Landaufgabe und Umwandlung in Bauland aus. Mit der steigenden Integration in die EU und einem
wirtschaftlichen Aufschwung begann eine ungezügelte Suburbanisierung rund um rumänische Städte
(GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 47f.).
6
Wirtschaftlich: Die tiefgreifende wirtschaftliche Transformation und der damit einhergehende Wandel von
industriellen zu dienstleistungsgeprägten Städten beförderte letztendlich den Suburbanisierungsprozess
(GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 49).
Demographisch: Aufgrund der starken Industrialisierung und der daraus resultierenden Urbanisierung stieg
die Bevölkerungszahl während des Sozialismus in den rumänischen Städten deutlich an. Nach 1989 setzte
ein Restrukturierungsprozess ein, der sich durch eine Dekonzentration sowohl von Bevölkerung als auch
wirtschaftlicher Aktivität vom Zentrum ins Hinterland auszeichnet und die Ausbreitung der Stadt
vorantreibt (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 48). In den letzten Jahren spielt der
Bevölkerungsanstieg in den Städten für die Stadtstruktur kaum mehr eine Rolle, entscheidender werden die
Wohnpräferenzen in Kombination mit wirtschaftlichen Gründen. Viele Neubaugebiete am Rand entstehen,
weil die Bewohner aus dem Stadtzentrum in das grüne Umland ziehen wollen. Seit dem wirtschaftlichen
Aufschwung in den 2000er Jahren können sich auch stets mehr Menschen diesen Wunsch erfüllen,
gleichzeitig wird der private Hausbau vom Staat unterstützt (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011:
49f.).
Sozial: Eine ungleiche Einkommensverteilung und der Rückzug des Staates aus dem Wohnungsbau führten
zu einer ungleichen Verteilung sozialer Gruppen. Finanziell besser gestellte Gruppen haben die Möglichkeit
ihren Wohnort aufgrund ihrer Wohnpräferenz zu wählen. Hierdurch setzt sich ein Migrationsprozess in
Gang der vom Stadtzentrum und von Plattenbauwohnungen auf Einfamilienhäuser und eben jene
Neubauviertel gerichtet ist. So kommt es, dass in den neugeschaffen Nachbarschaften am Stadtrand
besonders junge Leute bzw. Familien mit einem überdurchschnittlichen Einkommen anzutreffen sind
(GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 52).
Die Folge der Suburbanisierung ist ein enormer Flächenverbrauch und eine Zerschneidung der Landschaft.
Da die Bebauung zumeist ungeplant abläuft, werden die zwischen den Gebäuden liegenden Flächen nicht
bepflanzt und gepflegt. Die Neubauviertel leiden aufgrund mangelnder Planung an Erschließungsdefiziten,
welche die Stadt versucht nachträglich zu schließen. So kommt es, dass Straßen erst nachdem das Viertel
steht errichtet werden. Da beim Bau der Gebäude Abstandsvorgaben nicht unbedingt eingehalten werden,
kommt es zu Fällen, in welchen die Straßenbeleuchtung nicht angebracht werden kann, weil sonst der
Zufahrtsweg
für
Rettungsfahrzeuge
nicht
gewährleistet
ist.
Für
die
Nutzung
von
sozialen
Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindergärten etc. greifen die Bewohner auf die bereits
bestehenden Angebote innerhalb der Stadt zurück oder schaffen private Lösungen.
Fazit
Die aktuellen Themen in Cluj – Festivalisierung, Verkehrsbelastung und Suburbanisierung – spielen bzw.
spielten in den Städten Westeuropas ebenfalls eine große Rolle. Auffällig ist jedoch die Abwesenheit des
Staates bzw. gerade der kommunalen Verwaltung. Ungeklärt ist die Frage wie die einzelnen Entwicklungen
7
sich gegenseitig beeinflussen. Der Individualverkehr scheint durch den zunehmenden Urban Sprawl weiter
anzusteigen. Auch scheint es wahrscheinlich, dass durch eine Fokussierung auf das Zentrum durch Events
und vielleicht auch dem Titel der europäischen Kulturhauptstadt die Verkehrsproblematik in der Altstadt
steigt und eine weitere Vernachlässigung der städtischen Randgebiete erfolgt. Es bleibt abzuwarten ob
rumänische Städte sich weiter dem westeuropäischen Städtemodell annähern oder ob sich ein rumänisches
Modell der Stadtentwicklung herausbildet. Künftig bleibt es somit spannend zu beobachten, welche Rolle
die kommunale Verwaltung hierbei spielen wird und wie sich die „urban governance“ generell gestaltet.
8
Quellenangaben:
Asociatia de dezvoltare intercomunitara Zona Metropolitana Cluj (2008): Planul integrat de dezvoltare pentru
Polul
de
Crestere
Cluj-Napoca
Zona
Metropolitana
Cluj
2009-2015.
URL:
http://www.primariaclujnapoca.ro/userfiles/files/Cluj-Napoca_PID_final.pdf (abgerufen am 29.08.2014).
BURDACK, JOACHIM & RUDOLPH, ROBERT (2001): Postsozialistische Stadtentwicklung zwischen nachholender
Modernisierung und eigenem Weg. In: Geographica Helvetica, 2011, Band 56, Heft 4, Seiten 261-273.
City population (2013): Zensus 2011: Einwohnerzahl. URL: http://www.citypopulation.de/php/romaniacluj.php?cityid=054975 (abgerufen am 29.08.2014).
Eurostat
(2014):
Motorisierungsquote.
URL:
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=
table&init=1&plugin=1&language=de&pcode=tsdpc340 (abgerufen am 27.07.2014).
GRIGORESCU, I. & MITRICA, B. & MOCANU, I. & TICANA, N. (2011): Urban Sprawl and residential Development in the
Romanian Metropolitan Areas. In: Revue roumaine de geographie, 2011, Band 56, Heft 1, Seiten 43-60.
Youth@Cluj-Napoca2015 (o.J.): Cluj-Napoca for European Youth Capital. URL: http://www.cluj2015.ro
/english/why-cluj-napoca (abgerufen am 29.08.2014).
Amicitia Travel (2006): Cluj. URL: http://www.amicitia-travel.com/pictures/cluj/cluj-02.jpg (abgerufen am
29.08.2014).
Voceat Transilvaniei (2014): ZILELE CULTURALE MAGHIARE 2014 Orchestra Simfonică a Radio Budapesta vine în
premieră în România, la Cluj. URL: http://www.voceatransilvaniei.ro/wp-content/uploads/2014/08/piataunirii-cluj-680x365.jpg (abgerufen am 29.08.2014).
9
Sibiu & Sighișoara
Herausforderungen nachhaltiger Raumordnung und
Stadtplanung in postsozialistischen Städten
Mariam Dettmar & Stefan Bloßfeldt
2
Sibiu (Hermannstadt) und Sighișoara (Schäßburg), zwei Städte zentral gelegen im Kern Rumäniens,
genauer Siebenbürgen,
weisen in ihrer Geschichte und städtischen Struktur einige
Gemeinsamkeiten auf. Basierend auf während der Exkursion geführten Gespräche mit
Protagonisten der Stadtentwicklung beider Orte, sollen im Folgenden ein kurzer historischer Abriss,
eine aktuelle konkrete Problemlage mit Ausblick auf nachhaltige Konzepte der zukünftigen
Entwicklung und letztlich eine allgemeine Zusammenfassung mit schematischer Darstellung
vorgenommen werden.
Sibiu, zu Deutsch „Hermannstadt“ nach dem Kolonistenführer Hermann (ursprünglicher Name
„Villa Hermanae“), ist geprägt durch den Einfluss deutscher Kolonisten, die die Region
Siebenbürgen, somit auch Sighișoara, grundlegend gestaltet haben. Noch heute ist der Einfluss der
Siedler deutlich zu spüren, besonders in Sibiu, wo es noch immer eine starke deutschsprachige
Gemeinde gibt. Zwar bildete sich in Sibiu die Unterstadt bereits im 11. Jahrhundert, die Oberstadt
(zu beiden Begriffen folgt eine nähere Darstellung) wurde allerdings erst Mitte des 12. Jahrhunderts
durch die Kolonisten begründet. Die drei Kernphasen der Stadtentwicklung Sibius lassen sich
einfach an den drei unterschiedlich alten Plätzen der Innenstadt erkennen: Die erste Phase des
Aufbaus bildet im 12. Jahrhundert der Huet-Platz mit der evangelischen Kirche. Der Ausbau erfolgt
dann ca. 200 Jahre später über den sogenannten „kleinen“ und noch später, etwa zu Beginn des 16.
Jahrhunderts auch den „großen Ring“. Das Verbindungsglied hier stellt eine Mauer dar, die das
Symbol der Stadt, den Rathausturm, in das Bild eingliedert. Auch Sehenswürdigkeiten wie die
Lügenbrücke oder die für Sibiu typischen Giebelfenster, genannt „Sibius Augen“, sind im
historischen Kern der Stadt aufzufinden. Auffällig für die Exkursionteilnehmer war die Ähnlichkeit
der aufzufindenden Architektur zu der in deutschen Städten.
Ende des 14. Jahrhunderts ist Sibiu eine Handwerkerstadt mit 19 Zünften. Sie entwickelt sich, auch
durch die Größe ihrer Befestigung und Stadtmauern mit damals 39 Türmen, zu einem wichtigen
Zentrum für Handel und Wirtschaft. Auch spielt Sibiu eine wichtige Rolle als Verwaltungsstadt.
Besonders im 18. Jahrhundert festigt sich unter dem Einfluss des Siebenbürger Sachsens Samuel
von Brukenthal, der als Gouverneur gezielt (Verwaltungs-) Personal nach Sibiu einlädt, eine
Verwaltungsriege mit deutschsprachigen Wurzeln. Obwohl die Siebenbürger Sachsen 1867 ihr
Recht auf Selbstverwaltung verlieren, bleibt doch eine hiervon geprägte Stadt zurück. Das
Brukenthal-Palais am Großen Platz zeugt auch heute noch vom kulturellen Engagement des
Gouverneurs.
Sibiu ist auch als Bischofsitz der evangelischen Kirche eine Größe. Der Baubeginn der Kirche an
sich erfolgt 1322; fertiggestellt wird sie erst 1520. Heute beherbergt sie die größte Kirchenorgel
Rumäniens.
3
Ein Bruch in der Geschichte stellt für Rumänien der Kommunismus, der Einfluss genommen hat
auf Stadtentwicklung, Bevölkerungsverteilung und Wirtschaft, dar. In dieser Zeit findet eine
Verschiebung der ursprünglich verfestigten Verhältnisse statt: Von den 150.000 Einwohnern, die
die Stadt derzeit hat, sind nur noch 2% deutscher, dafür 95% rumänischer Herkunft. Nach 1910
waren noch 20.000 Einwohner von 38.000 Siebenbürger Sachsen. Interessant ist die Tatsache, dass
die Verwaltung dennoch noch immer von Deutschen gestellt wird. Die Auffälligkeit des
deutschsprachigen Kulturkreises erstaunte mich persönlich schon bei meinem ersten Besuch in
Sibiu 2011 und vermittelte mir gleichzeitig ein Gefühl von Vertrautheit. Durch die Exkursion hatte
ich nun noch einmal die Möglichkeit, dieses vage Gefühl mit den interessanten Informationen aus
unserem Gespräch mit Michael Engel (Näheres dazu siehe unten) zu vergleichen und dank der
fachkundigen Leitung von Herrn Prof. Dr. Schreiber noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Sighișoara hat – zunächst betrachtet – eine ähnliche Historie wie Sibiu. Ebenfalls eine von
Siebenbürger Sachsen im 12. Jahrhundert gegründete Stadt, folgt auch sie der Aufteilung in Oberund Unterstadt. Die größte Sehenswürdigkeit ist das historische Zentrum, das 1999 zum
Weltkulturerbe erklärt wurde. Es ist geprägt vom zentralen Burgplatz. Der „Stundturm“, Teil der
Verteidigungsanlage, kann hier als eine der wichtigsten touristischen Attraktionen gesehen werden.
Sighișoara hat im Vergleich zu Sibiu jedoch nicht die gleiche wirtschaftliche oder
verwaltungsorientierte Bedeutung erhalten – Mit 28.000 Einwohnern ist die Stadt heute auch um
einiges kleiner. Zusätzlich ist der Einfluss der Siebenbürger Sachsen durch Auswanderungswellen
während der Zeit des Kommunismus stark gesunken. Mittlerweile sind sie zu einer kleinen
Minderheit geworden, obwohl das Deutsche als Sprache noch erhalten ist. Nun wird vielleicht der
größte Unterschied zwischen den beiden Städten deutlich: In Sibiu zieht sich die Beteiligung der
Siebenbürger Sachsen wie ein roter Faden durch die Geschichte, während in Sighișoara ein Wechsel
in der Politik stattfindet. Der Kommunismus ist ein beiden Städten ein einschneidender Moment:
Während Sibiu danach allerdings zu einer Art „vorkommunistischer Identität“ zurückfindet,
übernimmt in Sighișoara eine rumänisch geführte Politik die Gestaltung der Stadt.
Der urbane Grundriss von Sibiu und Sighișoara lässt
sich, wie in der beigefügten Grafik illustriert,
aufgrund
der
ähnlichen
Abbildung 1: Schematischer Aufbau
Sibiu und Sighișoara
Entwicklungslinien
schematisch gleich darstellen. Beide Städte verfügen
über eine Altstadt, welche sich jeweils in eine Oberund Unterstadt aufteilt. Erstere stellt das historische
Zentrum und den Ausgangspunkt der Stadtentwicklung
dar. Die Oberstadt befindet sich auf erhöhtem Relief,
Quelle: Eigene Darstellung nach SAILERFLIEGE (1999)
4
hatte aus historischer Sicht vor allem eine repräsentative Funktion und galt als Wohnstandort
bessergestellter Stände. Etwas tiefer gelegen schließt sich die sogenannte Unterstadt an. Sie bildete
den Wohnstandort der normalen Bevölkerung, weshalb die hier überwiegend aus alten
Wohnhäusern bestehende Bausubstanz entsprechend weniger prunkvoll in Erscheinung tritt. Die
Stadterweiterung setzte sich schließlich mit dem sozialistischen Stadtumbau fort. Trotz
länderspezifischer Unterschiede hinsichtlich der Vorbedingungen und der Ausprägung des
Kommunismus gab es hierbei einige gemeinsame Entwicklungslinien im Mittel- und
Osteuropäischen Raum, welche sich auch in Hermannstadt und Schässburg als zutreffend erweisen.
Die bis dahin unter feudal-kapitalistischen Prinzipien gewachsene Stadt widersprach der
kommunistischen Idee von sozialer Gleichheit, weswegen es eines Stadtumbaus bedurfte. Durch
gezielte Desinvestition in der Altstadt sollte die historische Bausubstanz langsam zerbröckeln und
sukzessive durch sozialistische Neubauten ersetzt werden. Gleichzeitig wurde der Stadtumbau
aktiv, durch den sozialistischen Wohnungsbaus in Form von Plattenbauten, an den Stadträndern
vorangetrieben. Damit wuchs die Stadt weiter nach außen, behielt aber in der Regel dennoch ihre
kompakte Form. Eine Suburbanisierung im eigentlichen Sinne gab es in kommunistischer Zeit
hingegen nicht (Sykora 2009: 387ff.). Für den vorliegenden Fall ist zu erwähnen, dass die Altstädte
in Sibiu und Sighișoara zwar ebenfalls dem Verfall preisgegeben waren, zumindest aber die beiden
Oberstädte kaum durch sozialistische Neubauten überprägt wurden. Abgesehen davon bedingte der
sozialistische Stadtumbau eine sozialräumliche Neuordnung, die jedoch keineswegs eine
klassenlose Bevölkerung widerspiegelte. Die durch besagten Verfall weniger attraktiven
Innenstadtlagen blieben vor allem Wohnort älterer und sozial schwächerer Menschen, während
insbesondere jüngere Familien oder Personen mit gewissem Einfluss in die attraktiven
sozialistischen Neubauten am Stadtrand ziehen konnten (ibid.).
Das Einsetzen der jüngsten Stadtentwicklungsphase ging mit der Transformation des politischen
und wirtschaftlichen Systems einher. Dies resultierte insbesondere in jüngster Zeit in der
ungeregelten Bebauung des suburbanen Raumes. Das jedoch wohl vordringlichste Problem,
welches der Kommunismus in beiden Städten hinterließ, war der miserable Zustand der
Bausubstanz in der Altstadt. Eine Sanierung der historisch wertvollen Gebäude gestaltete sich aber
durch die Rückerstattungs- und Privatisierungspraktiken in Rumänien oftmals als schwierig. Die
Immobilien der Altstadt wurden nun zu oftmals zu Spekulationsobjekten, da sie wieder Wert
besaßen und die Eigentümer oft nicht mehr selbst darin wohnhaft waren. Weitere Hindernisse für
die Sanierung der historischen Bausubstanz in beiden Städten waren außerdem - und sind es nach
wie vor - mangelndes Kapital, fehlendes handwerkliches und architektonisches Know-How, sowie
fehlendes Interesse und Verständnis für eine denkmalschutzgerechte Sanierung. Dementsprechend
5
kritisch sind die bisher insbesondere in den touristisch wertvollen Oberstädten erfolgten
Sanierungsarbeiten zu sehen, da rundumerneuerte Fassaden nicht zwangsweise mit einer
sachgerechten Sanierung gleichzusetzen sind.
In einem Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Hans Hedrich, der sich mit den Schwierigkeiten
der Stadtplanung in Sighișoara beschäftigt und sich selbst als außerpolitischen „Aktivisten“ im
Stadtgeschehen begreift, wird deutlich, dass seiner Meinung nach durch die fehlende emotionale
Verknüpfung der neuen Verantwortlichen mit der Geschichte der Altstadt ein Konflikt erzeugt
wurde, der sich im Umgang mit der Bausubstanz und Repräsentation der Stadt gegenüber Touristen
widerspiegelt. So kritisiert er, dass die Geschichte der Sachsen kaum bis gar nicht in den Fokus
gestellt würde, nur die wirksamen Attraktionen wie das angebliche Geburtshaus „Draculas“, dem
Fürsten Vlad Tepeș, seien ausgewählt worden, um Besuchern eine Art „Disneyland“ vorzuspielen.
Dazu passt auch das Problem des Managements von beispielsweise Großveranstaltungen wie dem
Mittelalterfestival, welches genau zur Zeit unserer Besichtigung in Sighișoara stattfand: Die
Komplikationen wurden uns direkt vor Augen geführt. Die „carrying capacity“ sei überschritten, so
Hedrichs Urteil. Qualifizierte Planung und generell eine fachgerechte Umsetzung von
Baumaßnahmen etwa sei nicht ausreichend gegeben. Im Gegenteil: Die derzeitige Politik sei noch
immer geprägt von kommunistischer Vergangenheit und unseriösen Vorfällen. Als Beispiel erwähnt
er den Skandal um den vorbestraften Bürgermeister der Stadt, der ohne Konsequenz sein Amt
weiterverfolgen konnte. Die Europäische Union könnte eine Chance darstellen, durch ein
europaweites Interesse und eine Art Druckausübung positive Entwicklungen zu beschleunigen. Als
gutes Beispiel hierfür haben wir Sibiu erlebt: 2007 war dies die europäische Kulturhauptstadt. Das
große mediale Interesse war ein Ansporn, Renovierungen durchzuführen. Im Gespräch mit dem
Stadtplaner und Architekten Michael Engel, der für die HERITAS-Stiftung in Sibiu arbeitet,
erfahren wir, dass allerdings auch bei diesen Maßnahmen das Hauptaugenmerk auf eine
„Aufhübschung“ der Innenstadt gerichtet war, nicht aber unbedingt ausreichend auf einen
längerfristigen Erfolg unter Einbezug der Bewohner. Das Wecken des Verantwortungsgefühls der
Besitzer ist für Engel ein essentieller Bestandteil des Konzepts der nachhaltigen Nutzung der
Gebäude und Stadt an sich. Nur der integrierte Ansatz der Stadtplanung, der Umwelt, Soziales und
Wirtschaft vereint, ist für ihn eine genügende Vorgehensweise. Wirtschaftlich profitiert Sibiu,
ähnlich wie Sighișoara, vom Tourismus. Auch hier finden Großveranstaltungen im historischen
Zentrum statt. In beiden Städten ist dabei zu bemerken, dass ein Gleichgewicht zwischen
Anwohnerinteressen und Gewinnmaximierung oft schwierig zu wahren ist. Langfristig bietet sich
durch ein konstantes Angebot an Kultur, das nicht auf den schnellen Erfolg ausgelegt ist, vielleicht
6
eine beständigere Basis für den Tourismus, die auch einfacher in den Alltag einer Stadt einzubinden
wäre.
Allgemein steht die Aufwertung der Oberstädte vor allem im Kontext eines globalen
Städtewettbewerbs um Einwohner, Besucher, Investoren und letztlich Kapital. Wollen Städte in
diesem Wettbewerb bestehen, müssen sie ihre Attraktivität durch Selbstinszenierung erfahrbar
machen, nach außen darstellen und steigern. Ziel ist es daher Aufmerksamkeit, Bekanntheit und ein
entsprechendes Image zu erlangen, um sich von der Konkurrenz im interkommunalen und regionalen Wettbewerb um besagte Zielgruppen abzuheben. Aus diesem Kontext ergibt sich die
Relevanz einer aktiven Standortpolitik seitens der Städte beispielsweise mittels eines
Stadtmarketings und der Durchführung von Events (ZANGER & KAMINSKI 2011: 123f.). Events
sollen den Städten zumindest zeitweilig zu überregionaler oder internationaler Aufmerksamkeit
verhelfen und planerische Prozesse vorantreiben, indem die Verwaltung gezielt mobilisiert wird
(BETZ et al. 2011: 11). In Hermannstadt lassen sich derartige Maßnahmen etwa durch die
Bemühungen um die Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2007 verdeutlichen,
die letztlich auch zur Aufwertung der innerstädtischen Bausubstanz führten. Außerdem bemüht sich
Hermannstadt um den Status eines UNESCO Weltkulturerbes, welchen die Oberstadt von
Sighișoara bereits inne hat. Aber auch kleinere Veranstaltungen, wie etwa der besagte
Mittelaltermarkt in Schäßburg sind dementsprechend einzuordnen. Die Innenstädte nehmen hierbei
die Funktion einer Bühne oder eines Darstellungsraumes für die gesamte Stadt und Region ein,
wofür gerade die historisch gewachsenen Stadtzentren ein erhebliches Potential bieten (Mohnheim
2003: 816). Ein Bewusstsein für den Umgang mit kulturellem Erbe, manifestiert auch in den
historischen Gebäuden, scheint in Sibiu vielfältiger und bewusster vorhanden zu sein als in
Sighișoara. Zusätzlich hat die Stadt bis 2007 eine große Entwicklung erlebt. Dabei sollte für beide
Städte gelten: Nachhaltige und vorrausschauende Planung, kompetente Umsetzung und Expertise
im Bereich der Stadtplanung, Renovierung und des Veranstaltungsmanagements dürfen nicht zu
kurz kommen. Es ist dabei selbstverständlich, dass Entwicklungen nicht von einem auf den anderen
Moment zu erwarten sein können. Die positiven Impulse und kritischen Stimmen in beiden Städten
zeigen jedoch, dass das öffentliche Interesse und qualifizierte Teilnahme vorhanden sind und den
Weg der Städte mitgestaltet.
Mariam Dettmar, Universtität Hamburg, Deutsche Sprache und Literatur mit Nebenfach
Geographie.
Stefan Bloßfeldt, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Sozial- und Bevölkerungsgeographie.
7
QUELLEN:
BETZ G., HITZLER R. & M. PFADENHAUER (2012): Zur Einleitung: Eventisierung des Urbanen. In:
BETZ G., HITZLER R. & M. PFADENHAUER (Hrsg.): Urbane Events; 9-24.
Exursionsmitschriften (Bloßfeldt Stefan/ Dettmar Mariam)
MOHNHEIM R. (2003): Die Bedeutung von Freizeit und Tourismus für die Entwicklung von
Innenstädten. In: BECKER C., HOPFINGER H.& A. STEINECKE (Hrsg.): Geographie der Freizeit und
des Tourismus; 815-826.
SAILER-FLIEGE U. (1999): Characteristics of post-socialist urban transformation in East Central
Europe. GeoJournal 49 (1): 7-15.
SYKORA L. (2009): Post-Socialist Cities. In: KITCHIN, R. & N. THRIFT (eds.): International
Encyclopedia of Human Geography, Volume 8: 387-395; Oxford (Elsevier).
ZANGER C. & S. KAMINSKI (2012): Vom Rummel zum urbanen Stadtmarketingevent. In: BETZ G.,
HITZLER R. & M. PFADENHAUER (Hrsg.): Urbane Events; 123-140.
Rosia Montana – Zukunft eines Bergarbeiterdorfes
In diesem Beitrag soll in einem kurzen Überblick die Geschichte und die aktuelle Situation der
Gemeinde „Rosia Montana“ dargestellt werden. Anschließend sollen zwei verschiedene Pläne zur
Entwicklung der Region dargestellt werden. Diese sind zum einen die Durchführung des größten
Gold-Tagebaus in Europas und dessen Alternative, die Stärkung einer endogenen wirtschaftlichen
Entwicklung. Die Zukunft der Gemeinde wird sowohl in Rumänien, als auch weltweit kontrovers
diskutiert, was mit dem Umfang des möglichen Tagebau-Vorhabens begründet ist.
(Abb. 1.: Bergbaulandschaft in Rosia Montana; eigene Aufnahme 2014)
Geschichte
Die Gemeinde „Rosia Montana“ besteht aus 16 Dörfern und liegt im westlichen Teil Transsylvaniens,
Rumänien. Der Ort „Rosia Montana“ selbst ist eine der ältesten Siedlungen innerhalb der Region.
Während der Zeit des römischen Reichs war es unter dem Namen „Alburnus Maior“ bekannt und
gehörte mit zu den wichtigsten Goldabbaugebieten Europas. Seit dem wurde fast ununterbrochen
Gold in der Region abgebaut. In der Epoche des Kommunismus, wurden die Goldabbauaktivitäten
stark intensiviert, was Bergarbeiter aus ganz Rumänien in die Region zog. Nach dem Macht und
Systemwechsel in Rumänien 1989 sind die Abbauaktivitäten stetig zurückgegangen. Im Jahr 2006 hat
die letzte Goldmine den Betrieb eingestellt. Die Situation ist seit dem stark von wachsenden
ökologischen Problemen und steigender Arbeitslosigkeit geprägt. Hierzu soll noch angemerkt
werden, dass dieses Phänomen von steigenden sozialen und ökonomischen Problemen in vielen
Gemeinden und Kleinstädten in Rumänien vorherrschend sind. Insbesondere in ehemaligen
Bergbaugebieten (Vesalon & Cretan 2013).
Die aktuelle Situation ist geprägt von einer sehr niedrigen Bevölkerungsdichte (<100 Ew./km²), einer
geringen Beschäftigungsquote (900 von 3700 Menschen). Die meisten Menschen in der Region
betreiben zur Selbstversorgung Landwirtschaft, welcher auch den hohen ökologischen Wert der
bewirtschafteten Weiden und Mäh-Wiesen erhält. Des weiteren ist die Region durch Überalterung
geprägt. Die Emigration der jüngeren Bevölkerung hat die sozialen Netzwerke in den Dörfern stark
geschwächt, was zu einer stärkeren Vereinsamung der älteren Bewohner in den Dörfern geführt hat.
Kulturell ist in den Dörfern die Bergbautradition von Bedeutung. Damit einher gehen starke
ökologische Probleme in den aufgelassen Bergbaulandschaften.
Szenario I (Durchführung der Minenarbeiten)
Die Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) hat im Jahr 1999 die Konzession für den Abbau von
Gold und Silber in der Gemeinde Rosia Montana erworben (Regierungsresolution 458/1999). Dieses
Projekt sieht vor auf 1346 Hektar Bergbau zu betreiben. Insgesamt besitzt RMGC für 2388 ha eine
Lizenz, wovon 300 ha für ein Rückhaltebecken für Zyanid und Schwermettal vorgesehen sind. RMGC
ist ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen dem kanadischen Minenunternehmen Gabriel
Resources (80% der Anteile) und MINVEST (20% der Anteile), einem rumänischen, staatlichen
Bergbauunternehmen (Alburnus Maior 2014).
Wirtschaftlicher Einfluss
Der von RMGC ursprünglich vorgesehene Umsatz für das Projekt waren 3.2 Mrd. US$, wovon an den
rumänischen Staat 2% Lizenzgebühren fließen sollten (RMGC 2004). Spätere Berechnungen von
RMGC zufolge soll der Umsatz auf 4 Mrd. US$ steigen und die Lizenzgebühren auf 4% verdoppelt
werden (Gabriel Resources 2012). Während der Abbauphase von 17 Jahren sollen insgesamt 634
Arbeitsplätze geschaffen werden; diese Arbeitsplätze umfassen nicht nur die Direkten bei RMGC,
sondern auch solche in der Zulieferindustrie, der Verwaltung, etc. (Alburnus Maior 2014).
Umweltauswirkungen
Der Tagebau in Rosia Montana wäre der Größte seiner Art in Europa. Allein der Einsatz von Zyanid
würde die Menge an Zyanid, die aktuell in Europa verbraucht wird um das 13-fache übertreffen
(Alburnus Maior 2012). Während der gesamten Projektphase (17 Jahre) würden insgesamt 240.000 t
Zyanid eingesetzt werden. Dies entspricht der 600 Mrd. fachen Menge, die für einen erwachsenen
Menschen tödlich sind. Die eingesetzte Chemikalie wäre Alkali-cyanid (NaCN). Diese gilt als
wasserlöslich und extrem giftig (Falbe & Regitz 1997). Die gesamte Menge an Gestein, aus der die
Edelmetalle gewonnen werden sollen, müsste hermetisch abgeriegelt endgelagert werden. Dazu ist
ein 300 ha großes Becken vorgesehen. Der Damm, der dieses Becken abschließt hätte eine Höhe von
185m. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Zyanid aus dem Abraum in Flüsse und Grundwasser gelangt
oder sich über Staubauswehungen über die Luft verbreitet. Die Staubpartikel würden nach den
Sprengungen für 1-3 Jahren in der Atmosphäre verbleiben (Alburnus Maior 2014).
Alkali-Cyanid kann vom Menschen über den Mund, die Atemorgane und die Haut aufgenommen
werden. Nach der Aufnahme führt das Zyanid zu einem Stopp der Zellatmung, was einer inneren
Verblutung gleichkommt (Falbe & Regitz 1997).
Einfluss auf das nationale Kulturerbe
Für den Tagebau müssten 4 Berge gesprengt werden; dadurch würden Krater mit einem
Durchmesser von bis zu 8 km entstehen (Alburnus Maior 2014). Zusätzlich müssten 975 Häuser, von
denen 41 als nationales Kulturerbe eingestuft sind, abgerissen werden. Darüber hinaus würden 7
Kirchen zerstört und 11 Friedhöfe müssten umgesetzt werden. Die für das nationale Kulturerbe als
besonders bedeutend eingestuften römischen Galerien würden unwiederbringlich zerstört. Die
Bedeutung der Galerien wurde durch die Bestrebungen diese als UNESCO Weltkulturerbe eintragen
zu lassen zusätzlich verstärkt.
Soziale Einflüsse
Die Umsetzung des Minenprojektes hätte eine Umsiedlung der gesamten Bevölkerung in den
betroffen Dörnern zur Folge. Zusätzlich haben die starken politischen Spannungen im Vorfeld des
Projektes zu einer starken sozialen Spaltung der Bevölkerung in der Region in Pro und Contra des
Projektes von RMGC geführt.
Szenario II (alternative Wirtschaftliche Entwicklung)
Als Antwort auf die Pläne zur bergbaulichen Ausbeutung der Region Rosia Montana sind viele,
verschiedene Pläne entstanden, wie sich die Region wirtschaftlicher in Zukunft entwickeln kann. Alle
Akteure teilen die Ansicht, dass ein „weiter so“ keine realistische Alternative zu dem
Bergbauvorhaben darstellt.
Ein großes Entwicklungspotenzial wird im Tourismus gesehen. Ein großes touristisches Potenzial stellt
das einzigartige Kulturerbe der Region dar. Diese sind zum einen die alten römischen Stollen und die
modernen Bergbauanlagen, wie Fahrzeuge, Stollen, Gebäude und sonstige Gerätschaften. Das
Landschaftsbild spielt für die touristische Attraktivität eine große Rolle. Positiv fallen die Wäldern
und Weiden, in den Hanglagen ins Gewicht. Dort findet sich eine hohe Vielfalt an Pflanzen und
Tieren, die auch von Touristen als wertvoll empfunden wird. Hinzu kommen aus geographischer
Sicht, die verstreuten Höfe, kleinen Dörfer und die traditionellen Häuser. Jedoch müssen auch die
durch die jahrelangen bergbaulichen Eingriffe entstandenen großen Löcher die hohe
Umweltbelastung betrachtet werden. Diese Faktoren wirken sich negativ auf die touristische
Attraktivität aus. Solche Bergbaufolgelandschaften können jedoch, bei entsprechender Vermarktung,
auch einen speziellen Charme (Stichwort Industrieromantik) auf Besucher auswirken. Als ein
besonders erfolgreiches Modell kann hier die Zeche Zollverein in Essen und das Ruhrgebiet als
solches in Deutschland genannt werden.
Weitere wirtschaftliche Potenziale liegen in der Förderung der Handwerkskunst und der
Kulturwirtschaft. Schon jetzt zieht das „Fan Fest“ (dt. Heufest) jährlich mehrere tausend junger
Menschen für eine Woche in die Region. Im Jahr 2014 besuchten zum ersten Mal über 7000 Gäste
das Festival. Neben der Förderung von neuen wirtschaftlichen Einnahmequellen, bestehen auch
schon jetzt verschiedenste Einnahmemöglichkeiten in der Region. Die extensive Landwirtschaft
ermöglicht schon jetzt zu einem großen Teil die Selbstversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln.
Die Förderung der Absatzmärkte, eine bessere Technisierung und eine stärkere Rationalisierung der
Betriebsabläufe würden Einnahmemöglichkeiten durch den Absatz landwirtschaftlicher Produkte
ermöglichen, ohne das Landschaftsbild und die Biodiversität stark zu beeinträchtigen. Dazu finden
sich viele positive Beispiele in Transsylvanien. Weitere Entwicklungspotenziale werden in der
Förderung kleiner und Mittelständischer Unternehmen und des Handwerks gesehen (Vesalon &
Cretan 2013).
Fazit
Die Lage der Gemeinde Rosia Montana lässt sich soweit zusammenfassen, dass eine Durchführung
der Bergbaupläne der RMGC den Mono-industriellen Charakter der Region für weitere zwei
Jahrzehnte erhalten würde. Aus Ökonomischer Sicht bietet eine Mono-industrielle Entwicklung
beschränkte Chancen zur Entstehung auf Arbeitsplätze außerhalb der bestehenden industriellen
Zweige. Darüber hinaus sind andere wirtschaftliche Aktivitäten sehr stark von der Entwicklung des
vorherrschenden industriellen Zweigs abhängig. Zudem sind aus ökologischer Sicht Mono-industrielle
Gebiete meist die am stärksten belasteten Gebiete innerhalb eines Staates (Vesalon & Cretan 2013).
Von daher sollte ist eine vielfältigere Entwicklung der Region ratsam. Neben der Förderung der
bestehenden Handwerksbetriebe und Landwirtschaft kommt dem Tourismus am meisten Bedeutung
zu. Die hohe Bekanntheit der Region durch die medial sehr präsenten Proteste und die das
einzigartige Kulturerbe sind wichtige Faktoren, die eine touristische Entwicklung fördern.
Literatur
Vesalon L, Cretan R 2013: Mono-industrialism and the struggle for alternative development: the case
of the Rosia Montana gold-mining project. Dijdschrift voor Economische en Sociale Geografie. 104.
539-555.
Alburnus
Maior
2014:
All
about
Rosia
Montana.
http://rosiamontana.org/en/argumente/all-about-rosia-montana-mining-project
12.09.2014
Available
. Accessed
at:
on
Gabriel Resources 2012: Economic Benefits of Goldmining Exploitation at Rosia Montana. Availiable
at: . Accessed on 08.09.2014
Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) 2004: Project Presentation Report. Rosia Montana: RGMC
Falbe J, Regitz M (Hg.) 1997: Römpp Lexikon Chemie. 2. Band Cm-G 10. Aufl. Thieme. Stuttgart, New
York.
Erhalt der Kulturlandschaften und gebauten Kulturen im südlichen Siebenbürgen
– Probleme, Maßnahmen, eigene Empfehlungen
v. l. n. r.: Kulturlandschaft im Gebiet der Târnava Mare; Kirchenburg von Viscri; Häuserzeile in Viscri
(Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014)
Verfasst von:
Marianne Höbel, Hochschule Neubrandenburg, Bachelor Naturschutz und Landnutzungsplanung
Stefanie Lutsch, Universität Erlangen, Master Kulturgeographie
Inhaltsverzeichnis
1
Kulturlandschaften
1.1
Einführung
1.2
Probleme
1.3
Ziele
1.4
Maßnahmen
2
Gebaute Kulturen
2.1
Einführung
2.2
Probleme
2.3
Ziele
2.4
Maßnahmen
3
Fazit
Das soziokulturelle Erbe im südlichen Siebenbürgen (rumän. Transilvania) ist durch das
jahrhundertlange Wirken der Siebenbürger Sachsen geprägt. Seit etwa 20 Jahren ist die Kulturlandschaft durch gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Umstrukturierungen bedroht.
Um die Kulturlandschaft in Siebenbürgen zu erhalten führen Stiftungen in der Region verschiedene
Maßnahmen und Projekte durch. Dabei spielen nachhaltiges Handeln und verantwortungsbewusstes Wirtschaften in den Bereichen Soziales, Ökologie und Ökonomie eine große Rolle.
Die ADEPT-Stiftung fokussiert sich dabei beispielsweise auf die traditionelle Landwirtschaft und
beschäftigt sich mit Naturschutzthemen, vor allem der Biodiversität. Vorrangiges Ziel des Mihai
Eminescu Trust ist hingegen der Erhalt der einzigartigen Architektur der Siebenbürger Sachsen.
1
1
Kulturlandschaften
Nach DOLLINGER (1981) sind „Kulturlandschaften [F] ein repräsentativer Teil der Lebenswelt
gesellschaftlicher Gruppen, die einem steten Wandel und Anpassungsprozess unterliegen.“ Diese
Landschaften sind demnach jahrelang vom Menschen geprägt und überformt und somit ständigen
Veränderungen ausgesetzt. Kulturelle, soziale sowie wirtschaftliche Rahmenbedingungen
beeinflussen letztendlich das Ausmaß und die Auswirkungen, welche der menschliche Eingriff auf
die Flora und Fauna hat. Der Mensch ist sowohl bei der Entstehung als auch bei der Erhaltung der
Kulturlandschaft die entscheidende treibende Kraft (vgl. UNIVERSITÄT INNSBRUCK 2008, o. S.).
Landwirte bei der Arbeit in der Umgebung von Saschiz
(Quelle: ADEPT 2014 a, S. 4ff)
1.1
Einführung
In ganz Europa sind bis heute historische Kulturlandschaften vorzufinden. Eines der wichtigsten
europäischen Landschaften, die einen besonders hohen natürlichen Wert aufweisen, gibt es in
Rumänien, insbesondere in Siebenbürgen. Diese sind über lange Zeit durch die traditionelle
kleinbäuerliche Landbewirtschaftung geprägt worden und tragen sowohl zur lokalen als auch
regionalen Identität bei. Insbesondere ist durch die Grünlandwirtschaft eine hohe Biodiversität
entstanden. Insgesamt gibt es in Rumänien von den rund 4,8 Millionen Hektar Grünland-Anteil,
etwa drei Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, die als "High Nature Value"-Grünland
eingestuft sind. "HNV"-Grünland umfasst alle extensiv genutzten Grünlandausprägungen
(trockene, frische, feuchte Standorte), soweit sie besonders artenreich und/oder ökologisch
wertvoll sind." (BFN 2010, S. 14). Diese Kulturlandschaften befinden sich in höchstem ökologisch
funktionsfähigem Zustand. Außerdem stellen sie ein Habitat für zahlreiche Pflanzen und Tiere,
darunter auch geschützte Arten dar (77 der Roten Liste Rumäniens). Die wilden Flora- und FaunaArten und deren natürliche Lebensräume werden durch die nachhaltigen landwirtschaftlichen
Methoden der kleinbäuerlich geprägten Gemeinden, die hier ansässig sind, am Leben erhalten.
„Die Verbindung zwischen Mensch, Landwirtschaft und Natur sind immer noch intakt“, laut ADEPT
(2014 a, S. 2). Das siebenbürgische Weideland verfügt über die größte Vielfalt an Blumenarten
weltweit und bewirkt dadurch, dass hier immer noch zahlreiche Populationen von Säugetieren,
Schmetterlingen und anderen Tierarten heimisch sind, die es nur in Zusammenhang mit bewirt2
schaftetem Ackerland gibt. Im Großteil Europas sind diese bereits vom Aussterben bedroht (vgl.
ADEPT 2014 a, S. 2ff).
Die Landschaften im südlichen Teil Siebenbürgens haben aber nicht nur eine historische und
ästhetische Bedeutung, sie sorgen auch für eine hohe Produktivität und eine beachtliche
Beschäftigungszahl an Einheimischen. Zudem nutzen bedrohte Tier- und Pflanzenarten sie
ebenso
als
Zufluchtsort,
geben
eine
gewisse
Erntesicherheit
durch
die
nachhaltige
Bewirtschaftung, sorgen für saubere Luft- und Wasserverhältnisse sowie schützen vor
Hochwasser durch die natürlichen landschaftlichen Bedingungen in den Einzugsgebieten (vgl.
ADEPT 2014 a, S. 2).
Artenreiche Flora und Fauna im Gebiet der Târnava Mare
(Quelle: ADEPT 2014 a, S. 11ff)
1.2
Probleme
Nun treten heutzutage einige Probleme aufgrund von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Faktoren in der Kulturlandschaft Siebenbürgens auf, welche sich insbesondere nach dem Fall des
Eisernen Vorhangs verstärkt haben.
Seit etwa 20 Jahren ist die traditionelle Kulturlandschaft mit ihrer hohen Artenvielfalt durch
ökonomische, technische und soziale Umstrukturierungen bedroht. Vor der Wende war die
extensive
Bewirtschaftung
der
landwirtschaftlichen
Flächen
durch
sogenannte
LPG‘s
(Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) organisiert (mdl. HAVADI 2014). Im Zuge der
Bodenreform von 1945 wurden die Bauern enteignet und zwangskollektiviert. Durch die
Kollektivierung ging die "Unabhängigkeit, Würde und Identität" (STOICA 2007, S.77f) der Bauern
verloren. Dies beeinträchtigte die entwickelten Strukturen in den rumänischen Dörfern erheblich
und wirkte sich auch auf den Rückgang der ländlichen Bevölkerung aus. Durch die gleichzeitig
stattfindende Industrialisierung zog es auch immer mehr junge Menschen in die Städte (vgl.
STOICA 2007, S. 77ff). Genaueres zur Kollektivierung der Landwirtschaft in Ungarn und Rumänien,
ist an zwei konkreten Beispielen bei THELEN (2003) beschrieben.
Nach
der
Wende
wurden
die
Landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften
und
Staatsfarmen aufgelöst und die Ländereien an ihre Besitzer zurückgegeben. Dies führte zu einer
Zerstückelung und Zerstreuung der Flächen. Dadurch ist die Bewirtschaftung schwieriger und
3
aufwendiger geworden. Ebenso hält die Abwanderung in die Städte weiterhin an. Vor allem junge
Menschen verlassen die ländlichen Regionen. Dadurch ist der Altersdurchschnitt in den ruralen
Gebieten deutlich höher als im urbanen Bereich. Das Interesse für die Landwirtschaft geht verloren
und die ältere Generation hat oftmals ein mangelndes Bewusstsein für die lokale Biodiversität. Die
Medien und das Internet suggerieren die Vorzüge, welches ein Stadtleben bietet. Somit ist es
schwierig, die junge Generation für die Landwirtschaft zu motivieren (mdl. HAVADI 2014). Die
Viehzucht und Bewirtschaftung der Flächen erfordert nun einmal großen Arbeitseinsatz, wird aber
nicht ausreichend honoriert. Die Arbeitsleistung der Bauern wird immer noch zu wenig geschätzt
und anerkannt. Dies ist auch deutlich an den sinkenden Erzeugerpreisen, wie beispielsweise dem
Milchpreisverfall, zu beobachten. Die Bauern produzieren nicht nur wertvolle Nahrungsmittel,
sondern leisten zugleich einen großen Beitrag zur Landschaftspflege und damit zum Erhalt der
traditionellen Kulturlandschaft und dem charakteristischen Landschaftsbild. Zudem besitzt die
Landschaft ein hohes touristisches Potential und ist durch die nachhaltige Nutzung sowie die
pflanzengenetischen Ressourcen von internationaler Bedeutung.
Die Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft wird stetig geringer. Wenn die Nutzung, d.h. die
Bewirtschaftung der Flächen durch die traditionelle Mahd und/oder Beweidung wegfällt, hat dies
Auswirkungen auf die Vegetationsausstattung. Allmählich setzt eine Verwucherung und
Verbuschung ein, bestimmte Arten werden verdrängt. Durch die eintretende Sukzession verändert
sich die Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften.
Ein weiteres Problem liegt in er Landnutzungsänderung. Dies ist vor allem auf den EU-Beitritt
Rumäniens im Jahre 2007 zurückzuführen. Die Europäische Union fördert die Landwirtschaft der
Mitgliedsstaaten durch Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Für die
Bewirtschaftung von landwirtschaftlicher Fläche wird eine so genannte Flächenprämie bezahlt.
Dies stellt erst einmal ein ‚Zubrot‘ für Bauern dar. Doch die Agrarsubventionen ziehen auch
negative Folgen nach sich. Der
Empfang von Prämien gilt als wirtschaftlicher Anreiz für die
landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Demzufolge ist das Land sehr begehrt. Den Kleinbauern
fehlen aber meist die finanziellen Mittel, um weitere Flächen zu pachten. Immer mehr Menschen,
die ursprünglich nicht mit der Landwirtschaft in Berührung waren, pachten landwirtschaftliche
Nutzflächen aus Gemeindebesitz an, um als "Nutznießer" die EU-Prämien zu kassieren (mdl.
HAVADI 2014). Zunehmend sind dies auch Investoren und Agrarspekulanten aus dem Ausland, wie
beispielsweise der Schweiz (vgl. ARTE 2014, o. S.). Die Flächen werden überwiegend durch große
Schafherden beweidet. Vermutlich, weil die Schafzucht weniger aufwendig ist, als die Milchviehhaltung und der Verkauf von Fleisch im Verhältnis zur Molkereiwirtschaft rentabler ist. Durch den
Umstieg von Milchvieh auf Schafhaltung werden die Flächen oftmals überweidet. Die Schafe
weisen ein anderes Fressverhalten auf wie Rinder bzw. Kühe. Daneben führt ein zu hoher
Viehbesatz, sprich das Verhältnis der Anzahl von Nutztieren zur Fläche, zu einem erhöhten
Nährstoffeintrag (Kot), Trittschäden und Flächenerosionen.
4
Durch die Konkurrenz um die landwirtschaftlichen Flächen treten verschiedene Konflikte auf.
Außerdem findet der hergestellte Käse aus der Schafsmilch keinen nennenswerten Absatzmarkt.
Wenn die Subventionen wegfallen, landen die vielen Schafe höchstwahrscheinlich beim Schlachter
(mdl. HAVADI 2014).
1.3
Ziele
Eine große Aufgabe besteht darin, die traditionelle Kulturlandschaft mit ihrer Eigenart und Vielfalt
zu schützen und zu erhalten. Wie oben beschrieben, ist es wichtig das Grasland einer
traditionellen Nutzung zu unterziehen, damit die Landschaft mit ihrer Artenausstattung erhalten
bleibt. Dafür muss die Arbeit der Bauern wertgeschätzt und unterstützt werden. Es werden unter
anderem Anreize zur Milchviehhaltung geschaffen. Eine Milchannahmestelle ist beispielsweise in
Saschiz, wo die Stiftung ADEPT seinen Sitz hat, bereits vorhanden, eine Verarbeitungsstelle wird
geplant. Es gibt auch das Prinzip des sogenannten ‚wandernden Kalbs‘. Wenn eine Kuh kalbt, wird
das neugeborene Tier weiter verschenkt, um somit den Aufbau der Tierherden bei den
Kleinbauern zu unterstützen (mdl. HAVADI 2014).
Im nachfolgenden Kapitel wird genauer darauf eingegangen, wie sich die Stiftung ADEPT mit ihrer
Arbeit für diese Belange einsetzt.
Vieh auf der Weide bei Viscri
(Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014)
1.4
Maßnahmen
Es gibt verschiedene Nichtregierungs-Organisationen (NGO’s) in der Region der Großen Kokel
(Târnava Mare), dem Fluss, der durch das Gebiet Rumäniens fließt, welches eine besonders hohe
Biodiversität aufweist. Sie setzen sich im weitesten Sinne alle für den Erhalt der identitätsstiftenden
Kultur Siebenbürgens ein.
Fundaţia ADEPT, Agriculture Development and Environmental Protection in the Târnava Mare
Area, mit Sitz in Keisd (Saschiz), rund 10 Kilometer von Schäßburg entfernt, legt größten Wert auf
den Erhalt der reichhaltigen, biologischen Vielfalt im südlichen Siebenbürgen. Seit der Gründung
im Jahre 2004 unterstützen 11 Mitarbeiter sowohl aus der Region als auch britische Landsmänner
die Einheimischen mit zahlreichen Projekten (vgl. ADEPT 2014 b, o. S.). Zum einen haben sie eine
5
Art Gemeinschaftsküche für die Gemeinde ins Leben gerufen, wo die lokalen Landwirte ihre
saisonal geernteten Obst- und Gemüsefrüchte verarbeiten können. Sei es beispielsweise zu süßer
Marmelade oder zu typisch siebenbürgisch-sächsischen pikanten Brotaufstrichen wie Zacuscă
oder Salata de vinete. In diesem Gebiet spielt die Subsistenzwirtschaft der kleinbäuerlichen
Betriebe die größte Rolle, doch sie können sich durch den Verkauf ihrer Produkte an Nachbarn
oder Touristen einen kleinen Nebenverdienst einholen. ADEPT gilt als Verbindung zwischen
Landwirt und Konsument, da sie die Gäste direkt zu den Bauern vermitteln, um Produkte zu
erwerben. Dadurch bekommen diese den gesamten Gewinn, nicht so wie wenn es über Dritte
verkauft werden würde (mdl. ADEPT 2014).
Darüber hinaus hat die Stiftung einen SMS-Service eingerichtet, der den Landwirten
beispielsweise Informationen über notwendige Bewirtschaftungstätigkeiten in einem bestimmten
Zeitraum übermittelt. ADEPT bemüht sich, dass die Bauern ihr Ackerland unter guten
Bedingungen betreiben und sich dadurch sowohl eine große Ernte ergibt als auch die Biodiversität
erhalten bleibt. Gewisse Regeln, wie beispielsweise das Mähen der Felder in der gleichen
Zeitperiode, müssen berücksichtigt werden, damit die Flora und Fauna sich ohne Probleme
entfalten kann. Dieses Prinzip stellt nicht jeden Landwirt zufrieden, da er seine Arbeit nicht mehr
unabhängig durchführen kann, aber dennoch profitiert er letztendlich durch die Unterstützung der
ADEPT Stiftung. Sie führt ebenfalls mit den Bauern Schulungen und Seminare durch, um ihnen
beispielsweise neue Arbeitstechniken mit einer modernen, technischen Ausrüstung zu zeigen,
informiert
sie
über
ihre
Strategien,
Projekte
und
Maßnahmen
oder
über
zukünftige
Vermarktungsinitiativen auf nationaler und internationaler Ebene. In diesem Bereich spielen
Veranstaltungen in Sachen Tourismus eine große Rolle und haben positive Auswirkungen auf
zahlreiche Probleme, mit der die Region umgehen muss. Unter anderem geht es dabei darum, mit
der fortgeschrittenen Emigration der ehemaligen Dorfgemeinschaft umzugehen und auch Roma
sowie Rumänen die traditionellen Bewirtschaftungstechniken beizubringen und deren Bewusstsein
für die einzigartige Kulturlandschaft zu sensibilisieren. Touristen können beispielsweise die
Einheimischen besuchen und sehen, wie das Brot selbst gebacken wird. Darüber hinaus bieten die
Bewohner auch Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste an. Dabei ist einerseits ein guter Einblick
in das traditionelle Leben der Menschen dort möglich, und andererseits profitieren diese in
finanzieller Hinsicht davon. Außerdem gilt es die Abwanderung der jungen, qualifizierten
Bevölkerung einzudämmen und die Landwirtschaft inklusive deren Nutzen sowie die ländliche,
periphere Region für diese Altersgruppe durch verschiedene Aktivitäten attraktiv zu machen. Ende
Juli 2014 fand beispielsweise das „Transilvania Bike Trails Race“ (TBT RACE 2014, o. S.) mit rund
400 Teilnehmern statt, welches durch die siebenbürgisch-sächsischen Dörfer im Gebiet der
Târnava Mare führte. ADEPT zählt zu den Hauptorganisatoren dieses Rennens (mdl. ADEPT
2014).
Die Bekanntheit der Region und deren einzigartiger Wert in Europa haben sich durch die
erfolgreiche Arbeit von ADEPT innerhalb der letzten zehn Jahre enorm gesteigert. Sie haben sich
6
sowohl national als auch international einen Namen gemacht und arbeiten mit vielen verschiedenen NGO’s und Stiftungen europaweit zusammen. Im Rahmen ihrer gelungenen Projekte
wurde die rumänische Stiftung mittlerweile auch mehrmals ausgezeichnet. In den Jahren 2012 und
2013 gewann ADEPT den Hauptpreis der Europäischen Union für ihre hervorragende Kommunikation mit den Landwirten. 2014 wurde ihre Arbeit mit dem Titel ‚Bestes Natura 2000 Projekt für
sozialen und wirtschaftlichen Nutzen‘ in der EU geehrt (vgl. ADEPT 2014 a, S.17 ff).
Im Jahre 2008 initiierte ADEPT, die Ernennung des Gebiets der Großen Kokel als Natura 2000Gebiet und bezweckte damit, dass die Region mit den „intakten landschaftlichen und dörflichen
Strukturen“ (HANNOVER-MOSER 2011, S. 274) besonders geschützt wird. Schließlich wird durch die
Ausweisung eines Natura 2000-Gebiets „der Erhalt und die Wiederherstellung der biologischen
Vielfalt in der Europäischen Union [F] mit artenschutzrechtlichen Bestimmungen“ (BFN 2014, o.
S.) bewirkt.
Des Weiteren setzt sich die Stiftung für die Bewusstseinssteigerung der Bevölkerung bezüglich
Lebensmittel aus der Region im Rahmen einer weltweiten Kampagne namens ‚Slow Food‘ ein. Die
gleichnamige Organisation wurde 1989 in Italien gegründet und engagiert sich für das Interesse
der Menschen an regionalen Produkten und lokalen Speisen. Heute im 21. Jahrhundert ist das
Leben und die Ernährung von Hektik und Bequemlichkeit geprägt, der Großteil der
Weltbevölkerung nimmt sich keine Zeit für gutes Essen und bevorzugt eher günstige, schnelle Kost
(vgl. SLOW FOOD INTERNATIONAL 2014, o. S.). ADEPT verfolgt die Theorie von Slow Food und
bemüht sich die Menschen davon zu überzeugen, die Landwirte vor Ort zu unterstützen, indem sie
ihre Lebensmittel direkt frisch beim Erzeuger kaufen. Im rumänischen Supermarkt wird zum
Beispiel Milch aus Ungarn verkauft, da es kostengünstiger sein soll. Der Staat fördert somit
keinerlei die kleinbäuerlichen Betriebe in seinem Land, sondern bevorzugt internationale Märkte.
Im Zeitalter der Globalisierung ist das bedauerlicherweise üblich, obwohl durch die Wahl von
regionalen Produkten sowohl Kosten für Transport der Lebensmittel gespart sowie die
Arbeitssituation in der Region aufrechterhalten wird. Deshalb ist für die Arbeit von ADEPT eine
gute Kooperation zwischen verschiedenen Partnern, die die gleichen Ziele beabsichtigen,
unabdingbar, da es dabei letztendlich um den Erhalt der identitätsstiftenden Kulturlandschaft geht
(mdl. ADEPT 2014).
ADEPT versucht laut eigenen Angaben ihre Arbeit zum Erhalt der Biodiversität Siebenbürgens mit
dem Schutz der dort ansässigen gebauten Kultur zu kombinieren. Durch jegliche finanzielle
Einnahmen, sei es durch Spenden, Veranstaltungen oder Verkauf von Produkten, renovieren sie
Gebäudefassaden, die Kirchenburg oder andere bedrohte traditionelle Architektur in Saschiz und
dessen Umgebung (mdl. ADEPT 2014).
Im zweiten Oberpunkt dieses Berichts wird auf den Erhalt der gebauten Kultur im südlichen
Siebenbürgen deutlicher eingegangen.
7
Davor wird jedoch noch im Zusammenhang mit aktuellen Maßnahmen bzw. Projekten für den
Schutz der Biodiversität als kurzer Exkurs die Tätigkeit von Pivniţa Bunicii vorgestellt, die ebenfalls
im Rahmen der Sommerschule 2014 besucht wurde.
Exkurs
Pivniţa Bunicii ist eine Marke, die von der Transylvania Food Company (TFC) ins Leben gerufen
wurde. 2010 entstand dieses Unternehmen mit Sitz in Keisd (Saschiz) als Tochterfirma der 2009
gegründeten britischen Food Development Company. TFC besteht aus 18 Mitarbeitern aus der
Region um Saschiz, von denen die meisten Auslandserfahrung in Großbritannien gesammelt
haben. Der Gründer von TFC hatte vorher bei ADEPT gearbeitet. Daher besteht auch eine
gewisse thematische und räumliche Verbindung zwischen den Tätigkeiten der Firma und der NGO.
Die Transylvania Food Company verarbeitet in großem Stil die Obst- und Gemüsefrüchte der
Bauern in ihrer firmeneigenen Großküche. Die Landwirte bringen somit ihre saisonale Ernte zu
TFC, wo sie zusammen mit wilden Früchten aus der Umgebung, zu Marmelade, Saft oder pikanten
Brotaufstrichen verarbeitet wird. Ihr Hauptabsatzmarkt ist England, wohin 100% des in Saschiz
produzierten Holunderblütensafts exportiert wird. Im Laufe der Jahre ist die Menge enorm
gestiegen. Prinz Charles, der Schirmherr des Mihai Eminescu Trust, welcher seinen Sitz in
Schäßburg hat, ist ein willkommener Gast im südlichen Siebenbürgen und guter Kunde der
Transylvania Food Company. In Großbritannien werden die Produkte von TFC unter dem
Pseudonym Dracula’s Delight verkauft, wohingegen in Rumänien der Titel Pivniţa Bunicii, was so
viel heißt wie Großmutters Keller, großes Ansehen erfährt. Es sind zwar laut TFC (2014) keine
organischen, aber natürlichen Produkte. Gewisse Rahmenbedingungen sind jedoch durch die
Ausweisung der Umgebung von Saschiz als Natura 2000-Gebiet ohnehin gewährleistet. Es
werden in die Endprodukte keinerlei Zusatzstoffe hinzugefügt, sie bestehen lediglich aus der
Frucht und etwas Zucker. Durch ihre regionale Arbeit unterstützen sie auch die Slow Food
Kampagne, die bereits bei den Tätigkeiten von ADEPT ausreichend vorgestellt wurde. Sie sind auf
der internationalen Slow Food Messe in Italien anwesend und stellen ihre dort Produkte vor (mdl.
TRANSYLVANIA FOOD COMPANY 2014).
Die Transylvania Food Company verkauft sich bei Interviews und auf ihren Flyern als Organisation,
die den Landwirten bei ihren Nebeneinkünften tatkräftig zur Seite steht und in vielerlei Hinsicht
Einfluss
auf
die
Verbesserung
ihrer
Lebensqualität
hat.
Beispielsweise
durch
die
Arbeitsplatzschaffung in den lokalen Gemeinden, faire Löhne und vorhandene Arbeitsverträge,
nachhaltiger
Schutz
der
Biodiversität
durch
saisonale
Ernte
und
dadurch
die
Bewusstseinssteigerung der Einheimischen für die traditionelle Kulturlandschaft. Allerdings darf
man nicht außer Acht lassen, dass die TFC ein Unternehmen ist, das zwar national aber in
gehobenem Stil auf internationaler Ebene tätig ist und dadurch eine gewisse Art von Ausbeutung
der regionalen Landwirtschaft stattfindet. Die Firma selbst hat offensichtlich mehr Nutzen und
Gewinn als der Landwirt, der viel Geld und Arbeit in den Prozess bis zur Ernte steckt.
8
2
Gebaute Kulturen
Die Gesellschaft ist ständig von gebauter Umwelt umgeben. Gebaute Umwelt macht soziale,
politische und historische Strukturen sichtbar. Wir nutzen sie und sie hat bestimmte, vor allem
auch kulturelle Einwirkungen auf uns alle. Sie beinhaltet Zeichen und Prägungen, die die
Vergangenheit, wie auch die gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung begreifbar machen. „Der
Begriff der Baukultur bezeichnet die Wechselwirkung zwischen Architektur und Kultur, [F] [d.h.]
wie sich eine Gesellschaft und ihre Kultur in ihrer Architektur widerspiegelt“ (FELLNER 2009, S. 32).
Eine bestimmte Bauweise ist somit oft auf die Geschichte und die lange Tradition eines Landes
oder einer bestimmten Region zurückzuführen.
Siebenbürgisch-sächsische Häuserzeile in Deutsch-Weißkirch
(Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014)
2.1
Einführung
Der Siedlungscharakter im ländlichen Raum Siebenbürgens ist jahrhundertelang durch die
Siebenbürger Sachsen geprägt worden. Im 12. Jahrhundert berief der ungarische König Géza II.
westliche
Siedler
nach
Siebenbürgen,
um
das
Gebiet
gegenüber
einfallenden
Bevölkerungsgruppen aus dem Osten zu verteidigen. Zu den Einwanderern zählten in der
überwiegenden Mehrheit deutsche Siedler aus dem Rhein-Mosel-Luxemburg-Gebiet. Die
Deutschen verfügten in der Anfangszeit sowie während der nachfolgenden Jahrhunderte über
zahlreiche Privilegien. „Deutsches Recht, Ordnung und Brauchtum prägten diese historische
Region von Anfang an" (LUTSCH 2013, S. 8). Neben der Abwehr vor Eindringlingen hoffte der
ungarische König auf die Stärkung der Wirtschaft in dieser rohstoffreichen und fruchtbaren Region.
Die Einsiedler errichteten dort zum Schutz der Bürger die sogenannten Kirchenburgen. Diese
waren gemauert und umschlossen die ansässigen Kirchen (vgl. LUTSCH 2013, S. 8ff). Die
traditionelle Architektur der südsiebenbürgischen Straßendörfer zeigt giebelseitige Hausfronten mit
bunten Fassaden und gewölbten Toreinfahrten, die eine geschlossene Häuserzeile bilden. Die
Dorfstruktur der Siebenbürger Sachsen ist somit durch die sächsischen Höfe und die
Kirchenburgen charakterisiert.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet Siebenbürgens Rumänien zugesprochen. Die
Bedingungen der deutschen Minderheit wurden immer schwerer, die Mehrheit siedelte um.
9
Letztendlich fand um das Jahr 1990 eine Massenemigration nach Deutschland statt, da die
Siebenbürger Sachsen während dem Ceauşescu-Regime enorm unterdrückt wurden. Sie
hinterließen Haus und Hof.
2.2
Probleme
Heute leben nur noch wenige Sachsen in den Dörfern, welche von ihren Vorfahren aufgebaut und
geprägt wurden. In den traditionellen siebenbürgisch-sächsischen Anwesen hausen überwiegend
Roma und Rumänen. Durch die Abwanderung gingen auch das Handwerk, das Wissen und die
Wertschätzung für ihre charakteristische Architektur verloren. Die neuen Bewohner können sich
nicht damit identifizieren und haben dadurch ein mangelndes Bewusstsein für das traditionelle
Kulturerbe. Sie verfügen weder über die Kenntnisse noch über die nötigen Mittel, die Gebäude zu
renovieren und zu erhalten (mdl. HAVADI 2014).
Darüber hinaus wirkt sich auch die gegenwärtige, fortschreitende Migration von Land zu Stadt auf
den Erhalt der kulturellen Bauten aus. Die junge Bevölkerung sieht keine Perspektiven mehr in
einem Leben auf dem Dorf und hat kein Interesse an der Ausübung traditionellen Handwerks.
Somit ist dies ein weiterer Faktor, welcher bewirkt, dass die Häuser zu verfallen drohen.
Zudem mangelt es meist an einer Führungsperson, die die Initiative ergreift und die Bewohner für
ein gemeinschaftliches, verantwortungsbewusstes Handeln motiviert. Finanzielle Notstände
erleichtern die Situation auch nicht – im Gegenteil. Der rumänische Staat kümmert sich nicht
besonders um seine ländlich gelegenen Siedlungen. Bestes Beispiel für dieses allgemeine,
nationale Desinteresse ist, dass laut Gesetz bis 2015 alle Dörfer Rumäniens mit Wasserleitungen
versorgt sein sollen (vgl. LUTSCH 2013, S. 45). Das gibt es in einem Land, welches seit 2007 der
Europäischen Union beigetreten ist und obwohl der Zugang zu sauberem Wasser seit 2010 von
den Vereinten Nationen als Menschenrecht ausgesprochen wurde (vgl. ZEIT ONLINE 2010, o. S.).
Positiv ist hingegen, dass es mittlerweile einige Organisationen im südlichen Siebenbürgen gibt,
die gleiche Bestrebungen in Bezug zum Erhalt der Baukultur nachgehen und verschiedene
Projekte realisieren. Dennoch entstehen oft Probleme bezüglich der Kommunikation zwischen
diesen. Beispielsweise hat ADEPT, wie bereits bei Punkt 1.4 erwähnt, Ende Juli 2014 ein
Fahrradrennen durch die Dörfer und deren Umgebung von Saschiz und Viscri organisiert.
Bedauerlicherweise war die Leiterin des Mihai Eminescu Trust, die ebenso aus Deutsch-Weißkirch
stammt und dort Bürgermeisterin ist, nicht begeistert von der Idee, dass die 400 Teilnehmer des
TBT-Race durch die Anlage der Kirchenburg fahren, da diese unter anderem unter Schutz des
UNESCO-Weltkulturerbe steht. Die Absprache zwischen den wenigen, aber vorhandenen
Organisationen und Stiftungen ist somit eine große Herausforderung, denn wenn sie nur
nebeneinanderher arbeiten und nicht miteinander, löst das nachhaltig auch die bestehenden
Probleme nicht, sondern bringt womöglich weitere mit sich (mdl. FERNOLEND 2014).
10
Siebenbürgens Best-Practice-Beispiel in Bezug auf den Erhalt der gebauten Kultur ist die Ortschaft
Deutsch-Weißkirch (Viscri). Dort führt unter anderem der rumänisch-britische Mihai Eminescu
Trust (MET) Maßnahmen zur Revitalisierung des Dorfes durch und verwirklicht erfolgreiche
Projekte, die teilweise auch internationalen Charakter aufweisen.
2.3
Ziele
Ziel ist es, die heutigen Bewohner für das kulturelle Erbe ihrer jetzigen Heimat zu sensibilisieren
und mit den traditionellen handwerklichen Techniken vertraut zu machen. Um den Dorfkern und
die Kirchenburg zu erhalten, waren und sind Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen
beispielsweise an den Dächern, Fassaden und Wirtschaftsgebäuden nötig. Traditionelle
Handwerksberufe, wie der Ziegelbrenner, wurden dank der MET-Stiftung erneut ins Leben
gerufen. Neben dem Erhalt des kulturellen Erbes, soll auch die Lebensqualität und der
wirtschaftliche Nutzen der Dorfgemeinschaft verbessert werden. Der Mihai Eminescu Trust ist nicht
nur in Viscri sondern auch in über 80 weiteren Dörfern Siebenbürgens tätig und führt zahlreiche
Projekte durch, welche im Folgenden näher erläutert werden (mdl. FERNOLEND 2014).
2.4
Maßnahmen
Der Mihai Eminescu Trust wurde im Zuge des Ceauşescu-Regimes und dessen Plan, die
siebenbürgisch-sächsischen Siedlungen zu zerstören, 1987 in London gegründet und nach einem
bedeutendem Dichter Rumäniens benannt. Die britisch-rumänische Stiftung widmet sich dem
Erhalt des Kulturerbes im südlichen Siebenbürgen und versucht die siebenbürgisch-sächsischen
Dörfer nach der Massenemigration der ehemaligen Bewohner zu revitalisieren. 1999 begann der
MET seine Arbeit in Viscri. Die Deutsch-Weißkircherin Caroline Fernolend ist Leiterin der Stiftung,
mit Sitz in Schäßburg, und setzt sich mit weiteren fünf Mitarbeitern leidenschaftlich für dessen
traditionelle Baukultur, aber auch natürliche Kulturlandschaft sowie die Lebensqualität der
Dorfbewohner ein (vgl. MIHAI EMINESCU TRUST 2014 a, o. S.).
In Deutsch-Weißkirch leben heute mehrheitlich Roma. Sie machen 80% der Dorfbevölkerung aus,
neben einigen Rumänen und wenigen Sachsen. Mittlerweile haben diese neuen Bewohner, dank
der Unterstützung des MET im Zuge eines sogenannten ‚Whole Village Projekts‘, gelernt mit der
identitätsstiftenden Kultur der Region umzugehen und diese zu bewahren. Das gesamte
Dorfensemble mit seinen typisch siebenbürgisch-sächsischen Anwesen sowie der ortsansässigen
Kirchenburg zählen seit 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe und stehen somit unter besonderem
Schutz. Dies gilt es durch verschiedene Maßnahmen eingehend zu erhalten (mdl. HAVADI 2014).
Der MET bildet beispielsweise Einheimische zu Handwerkern aus und schult sie bis sie eine
eigene ICH-AG gründen und Projekte selbst durchführen. Dazu zählen die Renovierung von
Gebäuden, dessen Fassaden, Toren und Scheunen oder die Herstellung von traditionellen
Materialien wie Ziegeln aus Lehm. Dadurch werden ebenfalls ehemalige Berufe wieder ins Leben
11
gerufen. Aber nicht nurr Handwerk
Handwerker werden ausgebildet, sondern
n auch Fra
Frauen, die Touristen
Übernachtungen
in
traditionell
eingerichteten
Pensionen
anbieten
ssowie
für
diese
regionsspezifische Speisen
isen kochen
kochen. Es gilt also im Großen und Ganzen Arbeitsplätze durch
Fremdenverkehr zu schaffen. Um den Gästen einen gewissen Standard
tandard zu b
bieten, wurden die
Gästehäuser mit fließendem
ndem Wasse
Wasser, Duschen und Toiletten ausgestattet.
estattet. D
Dank den Seminaren
und der erfolgreichen Arbeit,
rbeit, habe
haben die Roma nicht nur einen wirtschaftliche
rtschaftlichen Nutzen und ihre
Lebensqualität verbessert
ert sich neb
nebenbei, sondern dadurch wird ebenfalls d
das kulturelle Erbe
geschützt und sie entwickeln mit der Zeit ein gewisses Bewusstsein
sstsein dem
demgegenüber (mdl.
FERNOLEND 2014).
Traditionelles Handwerk aus Viscri
(Quelle:
uelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule
le 2014)
Des Weiteren gibt es in Viscri seit mehreren Jahren einen Frauenverein,
verein, in dem
de die Frauen des
Dorfes Socken stricken und diese beispielsweise vor Ort, auf nationalen
tionalen sow
sowie internationalen
Weihnachtsmärkten oder
er im Intern
Internet verkaufen. Das stellt erneut einen Nebe
Nebenverdienst für die
Einheimischen dar und die Vermark
Vermarktung des Dorfes profitiert im Zuge
ge dessen ebenso. In diesem
Zusammenhang sind auch
uch geführte Kutschfahrten zu nennen. Gäste
ste können diese Fahrten von
unterschiedlicher Länge buchen un
und werden von einem ortsansässigen
ssigen Rom
Roma durch DeutschWeißkirch und dessen Umgebung chauffiert. Aktuelle Idee des Mihai Eminesc
escu Trust ist es, den
regen Verkehr aus dem Dorf fern zu halten und Reisende mit Pferdekutschen
ekutschen durch
d
die Ortschaft
bis zur Kirchenburg und
d wieder zur
zurück zu ihrem PKW oder Bus zu
u bringen. B
Bedauerlicherweise
wurde solch ein Parkplatz
atz vor dem Dorfeingang vom Gemeinderat noch nicht genehmigt,
g
obwohl
die Einheimischen sehr unter dem sständigen Verkehr durch ihren Ort
rt leiden und dadurch ebenfalls
in ihrem alltäglichen Leben beeinträchtigt
beeintr
sind. Parkende Reisebusse
usse vor Vie
Viehtränken gehören
mittlerweile zum gegenwärtigen
ärtigen Dorfbild
D
(mdl. FERNOLEND 2014). 2014 wurde
wu
im Zuge der
steigenden Touristenzahlen
hlen eine öff
öffentliche Toilette nahe der Kirchenburg
enburg eingeweiht,
eing
wo ebenso
eine kleine Gebühr fällig
lig ist, um den Einheimischen eine finanzielle
ielle Unters
Unterstützung zu bieten.
Abfallkörbe sind in derr gesamten Ortschaft, vor allem auf der Hauptstraß
Hauptstraße und nahe den
Gästehäusern aufgestellt,
llt, um Müll zu vermeiden. Zudem profitieren
ren Landwir
Landwirte aus Viscri vom
Fremdenverkehr, da sie
ie ihre überschüssigen
über
Ernteprodukte an die ortsansä
ortsansässigen Pensionen
abgeben können und ihren Verdi
Verdienst dadurch aufbessern. Selbstverständli
stverständlich bei der hohen
12
Touristenanzahl ist auch ein geringer Zahlungsbetrag bei einem Besuch der Kirchenburg inklusive
seines kleinen Museums fällig. Hier sind regionsspezifische Kleidungsstücke und Möbel sowie
Keramik und handwerkliche Gegenstände ausgestellt. Dies muss alles genauso wie der Rest des
Dorfbildes regelmäßig in Stand gesetzt werden, um den traditionellen, kulturellen Wert zu erhalten
(mdl. HAVADI 2014).
Der Mihai Eminescu Trust leitet aber nicht nur die Bewusstseinssteigerung der Erwachsenen,
sondern auch die Kinder bekommen von klein auf spielerisch gezeigt, wie sie lernen den Wert der
identitätsstiftenden Kulturlandschaft und Baukultur im südlichen Siebenbürgen zu schätzen.
Beispielsweise führte der MET in den letzten vier Jahren ein Projekt in Kooperation mit der
französischen Hotelkette Accor und rumänischen Schulen durch, bei dem eine Million Bäume in
Siebenbürgen gepflanzt wurden, um die Kulturlandschaft vor Erosionsgefahr aufgrund der
vorherrschenden Landnutzung zu bewahren. Den Kindern sollen dadurch die Wichtigkeit der
nahegelegenen Wälder und deren natürlichen Lebensräume für Flora und Fauna deutlich gemacht
werden. Des Weiteren hatten die Schulkinder zur Aufgabe Truhen mit traditionellen sächsischen
Mustern zu bemalen und typische Blumen Siebenbürgens zu fotografieren. Die schönsten Truhen
und Bilder wurden ausgestellt. Belohnt werden sie je nach Projekt beispielsweise mit einem
Laboratorium oder Obstgarten in der Schule (mdl. FERNOLEND 2014).
Viscri gilt als Vorzeige-Projekt schlechthin in Bezug auf erfolgreiches Umsetzen von
Schutzmaßnahmen
hinsichtlich
des
charakteristischen
Kulturerbes.
Das
ruft
wiederum
internationale Aufmerksamkeit hervor und dies ebenfalls große Touristenströme aus ganz Europa
und der restlichen Welt. Zu verdanken ist dies zum Großteil der Arbeit des MET, aber auch deren
Schirmherr, welcher kein geringerer ist als der britische Thronfolger Prinz Charles. Er ist häufiger
Besucher von Deutsch-Weißkirch und lediglich sein Name in Verbindung mit dieser Region lockt
viele Besucher an. Viscri hat heute die höchste Besucheranzahl aller siebenbürgisch-sächsischen
Dörfer, auch wegen seinem Titel des UNESCO-Weltkulturerbes. Sie haben dadurch aber ebenso
mit
Negativerscheinungen,
wie
beispielsweise
hohem
Verkehrsaufkommen,
erhöhtem
Wasserverbrauch, Entstehung von Müll und teilweise Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens der
Menschen zu kämpfen. Der MET versucht deshalb in letzter Zeit vermehrt die Gäste auf die
umliegenden Dörfer zu verlagern, die ebenfalls ein hohes Besucherpotenzial aufweisen. Dafür ist
die Anwesenheit eines sogenannten Raumpioniers von großer Bedeutung, der in seiner Ortschaft
die Initiative ergreift, um die Dorfgemeinschaft zu verantwortungsbewusstem Handeln hinsichtlich
des Kulturerbes motiviert, was wiederum Touristen anlockt. Die Stiftung unterstützt diese
Verantwortlichen tadellos und hilft ihnen bei der erfolgreichen Kommunikation mit den
Dorfbewohnern (mdl. FERNOLEND 2014).
Der Mihai Eminescu Trust hat im Laufe der Jahre als Vorbild für die anderen Dörfer in DeutschWeißkirch beispielsweise 2011 die erste Kläranlage Rumäniens ins Leben gerufen, welche von
Prinz Charles persönlich eingeweiht wurde (vgl. LUTSCH 2013, S. 30). Diese Entwicklung erhöhte
13
den Lebensstandard der Bewohner enorm. Darüber hinaus haben sie eine Milchanlegestelle im
Ort aufgebaut und in Zukunft ist eine Gemeinschaftsküche für die Verarbeitung von Marmelade
und Brotaufstrichen, wie bei ADEPT in Saschiz, geplant. Dort sollen jedoch nicht die Landwirte
selbst ihre Lebensmittel verarbeiten, sondern es sollen Frauen eingestellt sein, die das
übernehmen und die Produkte nach Vorschriften der Europäischen Union herstellen. Im
Dorfzentrum wurde ebenfalls eine Informationstafel zur korrekten Renovierung der siebenbürgischsächsischen Anwesen aufgestellt. Diese machen sowohl Bewohner als auch Touristen bildlich auf
Positiv- und Negativ-Beispiele aufmerksam. Aktuell wurde außerdem im Zuge der gegenwärtigen
Agrarsubventionen ein Verein namens AgroEco Viscri gegründet. Der rumänische Staat verpachtet
gegenwärtig das Land. Die Kleinbauern, die ein bis zwei Kühe besitzen, sind dabei die großen
Verlierer. Wenn das ehemalige Weideland verpachtet wird, kann das Vieh nicht mehr dorthin
getrieben werden, sondern muss auf dem Hof bleiben. Damit die Ackerflächen weiterhin in
Dorfbesitz sind und demzufolge eine starke Stimme erreicht wird, wurde die Gründung dieses
Vereins veranlasst (mdl. FERNOLEND 2014).
Realisierte Projekte in Deutsch-Weißkirch
(Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014)
Grundsätzlich liegen die Tätigkeiten des Mihai Eminescu Trust in der Beschaffung von finanziellen
Mitteln über Spenden oder das Halten von Vorträgen, um die zahlreichen Projekte finanzieren zu
können, da nur sehr geringe Unterstützung von Seiten des rumänischen Staates besteht. Der MET
setzt eher auf europäische Hilfe und stellt zahlreiche Projektanträge, die entweder direkt
genehmigt oder zu einem späteren Zeitpunkt bewilligt werden. Er wurde für seine langjährige,
erfolgreiche Arbeit bereits des Öfteren ausgezeichnet. Beispielsweise 2009 im Rahmen des Green
Apple Awards mit dem Hauptpreis für die Restaurierung der architektonischen Landschaft von
Viscri und 2014 für das stiftungseigene Projekt ‚Ein Wald für jede Schule‘ in Kooperation mit der
Arccor Hotelkette mit dem Hauptpreis für Umweltschutz (vgl. MIHAI EMINESCU TRUST 2014 b, o. S.).
3
Fazit
Siebenbürgen und seine charakteristische Kulturlandschaft mit ihrer wertvollen Biodiversität an
Flora und Fauna sowie die regionsspezifische Baukultur, die jahrhundertelang von den
Siebenbürger Sachsen geprägt ist, droht heutzutage dem Verfall ausgesetzt zu sein. Es gilt dieses
14
besondere Kulturerbe Europas zu bewahren und nachhaltig aufrechtzuerhalten. Auch wenn dies
mit zahlreichen Herausforderungen einhergeht, ist es lohnenswert sich dafür einzusetzen. Es zieht
weitere Multiplikatoreffekte mit sich, wie beispielsweise die Verbesserung der Lebensqualität der
neuen Bewohner Siebenbürgens sowie die Steigerung des Images von Rumänien. Dadurch
kommen mehr Touristen dorthin und das hat wiederum positiven Einfluss auf den nationalen
Arbeitsmarkt. Die bestehende Armut kann somit eingedämmt werden und die Wirtschaft profitiert
ebenso davon.
Im Großen und Ganzen spielt die erfolgreiche Arbeit der Organisationen und Stiftungen, die im
Rahmen dieses Berichts vorgestellt wurden, eine bedeutende Rolle in Bezug auf die Entwicklung
des identitätsstiftenden Kulturerbes Siebenbürgens und ohne sie wäre es vermutlich nicht mehr in
so einem guten Zustand vorzufinden. Trotz allem müssen im Zuge dessen ebenso einige
Empfehlungen dargelegt werden.
Zum einen sollte beachtet werden, dass die Kommunikation zwischen den in dem Gebiet der
Târnava Mare tätigen NGO’s und Stiftungen verbessert wird und künftige Veranstaltungen
sorgfältiger miteinander abgesprochen werden. Zum anderen müssen regelmäßig Kampagnen in
der Region durchgeführt werden, um das Bewusstsein der Einheimischen nachhaltig für regionale
Produkte und Speisen zu sensibilisieren. Die gegenwärtige Entwicklung der Globalisierung sollte
damit weitestgehend eingedämmt werden, schon allein um die kleinbäuerlichen Betriebe vor dem
Aussterben zu retten. Des Weiteren sollten die Organisationen mehr auf das Gemeinwohl der
Dorfgemeinschaft eingehen und deren Wünsche beispielsweise in Bezug auf die Renovierung der
Gebäude und dem vorherrschenden Fremdenverkehr, soweit es dem kulturellen Wert entspricht,
berücksichtigen. Es sollte nachhaltig darauf geachtet werden, dass die Einheimischen nicht in
ihrem alltäglichen Leben durch Besucher beeinträchtigt werden. Hier spielt insbesondere der
Verkehr eine große Rolle. Der Mihai Eminescu Trust bietet bereits einen guten Ansatz mit der Idee
eines Parkplatzes am Dorfeingang, jedoch muss dies noch umgesetzt werden. Die regionalen
Organisationen sollten gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen, die lediglich auf den
persönlichen Profit aus sind und vortäuschen, den Einheimischen zu helfen. Die globalisierenden
Tätigkeiten der Transylvania Food Company verlieren an regionalem Charakter und sind daher
fraglich. Es sollte durchweg eine WIN-WIN-Situation zwischen der Arbeit einer Organisation und
dem Nutzen für die Einheimischen bestehen. Somit ist folgendes Motto von ADEPT genau das
richtige Leitbild für die Entwicklung des kulturellen Erbes in der Region im südlichen Siebenbürgen
und auf diese Art und Weise sollten die dort tätigen Organisationen und Stiftungen unbedingt
weitermachen: „Good things travel slow, bad things travel faster than light“ (mdl. ADEPT 2014).
15
Literaturverzeichnis
ADEPT (2014 a): Fundatia ADEPT Transilvania – 10-year report 2004-2014 – Ten years of
protecting landscapes and communities in Transylvania. Saschiz.
ADEPT (2014 b): About ADEPT. – URL: http://www.fundatia-adept.org/ [11.09.2014].
BFN (Bundesamt für Naturschutz) (2010): Gutachten-Vorstudie Bewertung der
Ökosystemdienstleistungen von HNV-Grünland (High Nature Value Grassland).
Abschlussbericht. Müncheberg.
BFN (Bundesamt für Naturschutz) (2014): Richtlinien und naturschutzfachliche Anforderungen, die
in der FFH-und Vogelschutzrichtlinie verankert sind. – URL:
http://www.bfn.de/0316_grundsaetze.html#c71796 [09.09.2014].
DOLLINGER, F. (o. J.): Europäische Kulturlandschaften. – URL: http://culturenature.com/kulturlandschaft/definition.pdf [09.09.2014].
FELLNER, H. (2009): Gebaute Kultur in Luxemburg. – URL:
http://www.forum.lu/pdf/artikel/6597_287_Fellner.pdf [12.09.2014].
HANNOVER MOSER, B. - G. (2011): Siebenbürgen. Rund um Kronstadt, Schäßburg und
Hermannstadt. Berlin.
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http://www.mihaieminescutrust.org/content/nd_standard.asp?n=228 [12.09.2014].
LUTSCH, S. (2013): Touristisches Potenzial in Siebenbürgen – Am Beispiel von Hermannstadt und
Deutsch-Weißkirch. Trier.
SLOW FOOD INTERNATIONAL (2014): Slow Food – About us. – URL:
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STOICA, S. (2007): Dicţionar de Istorie a României. Editura Merona. Bukarest.
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THELEN, T. (2003): Privatisierung und soziale Ungleichheit in der osteuropäischen Landwirtschaft:
zwei Fallstudien aus Ungarn und Rumänien. Campus-Verlag.
UNIVERSITÄT INNSBRUCK (2008): Was bedeutet der Begriff Kulturlandschaft? – URL:
http://www.uibk.ac.at/geographie/projects/kls/beschreibung/landschaftsbegiffe/kulturlandscha
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16
ZEIT ONLINE (2010): UN erklärt Anspruch auf reines Wasser zum Menschenrecht. – URL:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-07/un-wasser-menschenrecht
[12.09.2014].
Weitere Quellen
ADEPT (2014): mdl.: Im Rahmen eines Besuches während der Sommerschule 2014: Von der
Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze
nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa.
ARTE (2014): Dokumentation: Die Bio-Illusion. – Massenware mit Öko-Siegel. – URL:
https://www.youtube.com/watch?v=UBzk7DK7fMM [09.09.2014].
FERNOLEND, C. (2014): mdl.: Im Rahmen eines Besuches während der Sommerschule 2014: Von
der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und
Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa.
HAVADI, X. (2014): mdl.: Im Rahmen der Sommerschule 2014: Von der Puszta in die Karpaten –
Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung
in Südosteuropa.
TRANSYLVANIA FOOD COMPANY (2014): mdl.: Im Rahmen eines Besuches während der
Sommerschule 2014: Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch.
Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa.
17
AUSGEWÄHLTE LITERATUR – nicht ausschließlich fachwissenschaftlich
Markus Bauer In Rumänien „Ein erstaunliches Land, ein (fast) blinder Fleck in unserer
Wahrnehmung“
György Dalos Ungarn in der Nussschale „Geschichte meines Landes“
Hofbauer/Roman Transsilvanien/Siebenbürgen „Begegnung der Völker am Kreuzweg der
Reiche“
Manfred Huber Grundzüge der Geschichte Rumäniens „Kurzer Abriss der Geschichte
Rumäniens“
György Konrád Glück „Am 19.März 1944, als die Deutschen Ungarn besetzten, war ich 11 Jahre
alt. Wovor wir bisher nur Angst hatten, war nun eingetreten“
Franz Remmel Die Roma Rumäniens „Geschichte der Roma in Rumänien, ihrer Traditionen, ihrer
heutigen Lebensform und ihrer gegenwärtigen Probleme“
Joscha Remus Der sanfte Flug der schwarzen Damen „Kurzweilige Reiseberichte aus einem
seltsamen Land…“
Joscha Remus Kulturschock Rumänien „Andere Länder, andere Sitten“
Eginald Schlattner Der geköpfte Hahn / Die roten Handschuhe / Das Klavier im Nebel
„Autobiographische, grosse Romantrilogie des Schriftstellers und Pfarrers aus Siebenbürgen – drei
Bücher“.
Kauderwelsch-Sprachführer Rumänisch – Wort für Wort
Andrzei Stasiuk Fado „Reiseskizzen und Betrachtungen aus Osteuropa“
Andrzei Stasiuk Unterwegs nach Babadag „Reiseskizzen vom östlichen Rand des neuen Europas“
Andrzei Stasiuk/ Juri Andruchowytsch Mein Europa „Zwei Essays über das sogenannte
Mitteleuropa“
Th Kahl., M. Metzeltin, M.-R.Ungureanu (Hg.), Rumänien, LIT, Wien, Berlin, 2006.
Harald Roth (Hg.), Siebenbürgen. Historische Stätte, Kröner, Stuttgart, 2003.
Kurt Scharr, Rudolf Gräf, Rumänien. Geschichte und Geographie, Böhlau Verlag, Wien, 2008.
WEITERFÜHRENDE LINKS
Veranstalter: Geographische Fakultät der Babes-Bolyai Universität, Cluj/Rumänien
http://geografie.ubbcluj.ro/
Abteilung für Umweltschutz und Umweltgeographie der Universität Debrecen
http://geo.science.unideb.hu/taj/page/index.html
Ökozentrum am Theiss-See, Poroszló/Ungarn
http://www.tiszataviokocentrum.hu/de/
Nationalpark Hortobágy, Hortobágy/Ungarn
http://www.hnp.hu/index_de.php
Artikel Goldrausch in Baia Mare
http://www.renovabis.de/news/4098/goldrausch-in-baia-mare
Rathaus Cluj (de. Klausenburg, ung. Kolozsvár) /Rumänien
http://www.primariaclujnapoca.ro/
ADRNV – Amt zuständig für die Entwicklungsregion NordWest
http://www.nord-vest.ro/en
Planwerk Architekturbüro
http://www.planwerkcluj.org/news.php
ASAT. Asociatia pentru Sustinerea Agriculturii Taranesti (Verein für die Förderung der kleinbauerlichen
Landwirtschaft)
http://asatromania.ro/
Projekt Landscape Choreography
http://www.landscapechoreography.eu/
Fabrica de Pensule (Die Pinselfabrik)
http://www.fabricadepensule.ro/en/
Rosia Montana Aktivisten
http://www.rosiamontana.org/
RMGC – Gold Corporation
http://en.rmgc.ro/index.html
Hermannstadt (ro. Sibiu) / Rumänien
http://www.sibiu.ro/
Heritas. Fundatia Transilvana pentru Dezvoltare Integrata. (Stiftung für Integrierte Entwicklung)
http://www.heritas.ro/
Viscri (dt. Deutschweisskirch) / Rumänien
http://www.deutsch-weisskirch.ro/
Eminescu Trust
http://www.mihaieminescutrust.org/content/nd_village.asp?n=102
ADEPT Stiftung
http://www.fundatia-adept.org/
Michael Schneeberger
http://www.miguschneeberger.ch/
Sommerschule “Von der Puszta in die Karpaten“
http://sommerschuleubb.wordpress.com/
TEILNEHMER DER SOMMERSCHULE; EINDRÜCKE UND ERFAHRUNGEN
Name
1
Lange Sebastian
2
Doll Bettina
3
Ahlf Anna Lena
4
Hauck Fidel
5
Bloßfeldt Stefan
6
Wenk Franziska
7
Jeschke Annika
8
Kramer Rola
9
Höbel Marianne
10
Dettmar Mariam
11
Lutsch Stefanie
12
Hasler Sven
13
Hrzina Alexandra
Sebastian Lang
Abschlussbericht –Sommerschule, Juli 2014
„Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch“
1. Motivation
Ohne Zweifel sind die ungarische Puszta und trotz wachsender Bekanntheit wohl auch noch das
rumänische Siebenbürgen in Westeuropa bisher noch wenig bekannte Regionen. Egal ob als Reiseziel
oder auch für Studienaufenthalte, beide Gegenden haben sicherlich noch einen gewissen
„Exotenstatus“ inne. Diese Unbekanntheit Osteuropas geht zudem einher mit einer Reihe an
Vorurteilen, welche sich leider sehr hartnäckig zu halten scheinen. Hierbei sei nur auf die kürzlich
aufgeflammte, unsägliche Debatte um die vollständige Freizügigkeit für die Bürger Rumäniens in der
EU oder aber auch die Verklärung Siebenbürgens als düstere „Grusel-Region“ verwiesen. Somit war
eine wesentliche Motivation für meine Teilnahme an dieser Sommerschule mein großes Interesse
daran, zwei auch mir bis dato unbekannte Regionen Europas besser kennenzulernen und somit
meinen Blick nach Osten zu schärfen. Über dieses generelle Interesse einen neuen Teil Europas zu
erkunden, stellte auch der inhaltliche Schwerpunkt gerade dieser GoEst-Sommerschule eine
spannende Ergänzung zu meinen bisherigen Studieninhalten dar. Somit erhoffte ich mir mit Blick auf
mein Studium eine Chance, abseits von Hörsälen und Bibliotheken ganz praktische Beispiele zu
sehen, Vorkenntnisse zu vertiefen und neue Sichtweisen kennenzulernen.
2. Persönliche Eindrücke
Meine Hoffnung, einen Teil Ungarns und Rumäniens auf unserer Reise besser kennenzulernen,
wurde – wenig überraschend – sicherlich erfüllt. Gleichwohl war ich am Ende der Sommerschule
überrascht, in welchem Umfang ich eine große Vielfalt an Eindrücken gesammelt hatte. Weit über
das Maß einer Urlaubsreise hinaus, hat diese Sommerschule mein Ziel erfüllt, beide Regionen ein
Stück weit zu entdecken und erste Eindrücke von diesen mir fremden Ländern zu gewinnen. Durch
das ambitionierte Programm mit zahlreichen überaus vielfältigen Stationen abseits typisch
touristischer Ziele, wurde mir ohne Zweifel ein breit gefächerter Einblick geboten.
Auch mit Blick auf den Nutzen für mein Studium stellte die Sommerschule eine Bereicherung dar.
Einerseits konnte ich bei den Etappen im urbanen Raum auf ein breites Vorwissen aufbauen und
hatte somit keine großen Schwierigkeiten, lokale Entwicklungen mit anderen Beispielen zu
vergleichen oder in größere städtebauliche Zusammenhänge einzuordnen. Beide Großstädte, Cluj
und Sibiu ergänzten sich hierbei sehr gut angesichts ihrer strukturellen Unterschiede sowie dank gut
gewählter Programmpunkte. Andererseits boten mir auch gerade die Stationen im ländlichen Raum
einen überaus großen Lernzuwachs, da ich in diesem Bereich zwar über Vorkenntnisse verfügte,
jedoch bei weitem noch kein Experte war. Sicherlich würde ich mich auch heute nicht als solchen
bezeichnen, doch die Herausforderungen für den ländlichen Raum in Ungarn und Rumänien wurden
mir nun sehr deutlich vor Augen geführt und es zeigte sich, dass sich die Regionen Europas – trotz
ihrer vielen Unterschiede – durchaus mit sehr ähnlichen Problemen konfrontiert sehen. Auch wenn
der Aufenthalt in Viscri für mich sicherlich ein besonderes Erlebnis war, so boten alle Stationen der
Sommerschule im ländlichen Raum sehr anschauliche Beispiele für die Probleme der Dörfer und
mögliche Antworten darauf. Meine Eindrücke haben mich in der Ansicht bestärkt, dass Lösungen für
derartige Herausforderungen zwar auf lokaler Ebene ansetzen müssen, die Kommunen und Regionen
Europas jedoch in großem Maße vom Austausch auf allen Ebenen profitieren können.
Gleichwohl würde ich noch eine weitere Erkenntnis anfügen. Ohne Zweifel hat mir die Teilnahme an
dieser Sommerschule gezeigt, was Europa und seine Bürger verbindet und wie man trotz vieler
Unterschiede auch auf viele Gemeinsamkeiten blicken kann. Dennoch, so mein Eindruck, wäre es ein
großer Fehler zu erwarten, dass sich die Staaten Osteuropas in ihrem Transformationsprozess
automatisch in Richtung der westeuropäischen Strukturen entwickeln. Die Vielfalt der Länder und
Regionen Europas bedeutet für mich persönlich auch, dass es Raum geben muss für verschiedene
Modelle der Zivilgesellschaft, der Regionalentwicklung oder des Städtebaus. Auch diesbezüglich
stellte diese Sommerschule für mich persönlich sicherlich eine große Bereicherung dar.
3. Fazit
Mein persönliches Fazit am Ende der Sommerschule fällt überaus positiv aus. Zunächst einmal lag
dies am von Xenia Havadi wirklich perfekt organisierten Ablauf des Programms. Unsere Reisegruppe
war stets exzellent untergebracht und versorgt und auch der zeitliche Ablauf funktionierte stets
reibungslos. Darüber hinaus empfand ich auch die Gestaltung des Programms als sehr gelungen. Mit
wenigen Ausnahmen, hier seien die wenig informative Stadtführung in Debrecen und der Tierpark im
Hortobágy Nationalpark genannt, boten alle Stationen sehr interessante Einblicke und ergänzten sich
oft sehr sinnvoll. Neben den vielen Vorträgen verschiedener lokaler Akteure, bot uns gerade die
Fachkenntnis der beiden Begleiter, Xenia Havadi und Winfried Schreiber eine Unmenge an
(Hintergrund-)Informationen zu allen relevanten Themen.
Somit möchte ich mich an dieser Stelle nochmals sehr herzlich bei allen Beteiligten und besonders
bei Xenia Havadi und Winfried Schreiber für eine bereichernde Sommerschule bedanken. Für mich
stellten diese zwei Wochen definitiv eine spannende Ergänzung und letztendlich auch einen schönen
Abschluss meines Bachelorstudiums dar. Gleichermaßen war ich überaus dankbar für die
Unterstützung durch den DAAD, welche mir die Teilnahme an der Sommerschule überhaupt erst
ermöglicht hat. Ich hoffe sehr, dass derartige Programme nicht nur fortgeführt, sondern erweitert
werden. Aus meiner Sicht stellt die Teilnahme an einer derartigen Sommerschule nicht nur individuell
eine schöne Erfahrung dar, sondern leistet einen ungeheuer wichtigen Beitrag dazu, Vorurteile
abzubauen und junge Studierende somit langfristig zu Multiplikatoren zu machen.
Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze
nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa.
Abschlussbericht zur Summerschule Ungarn/Rumänien – 13.07.- 27.07.2014 von Anna-Lena Ahlf
Das Ziel – Ungarn und Rumänien- war für mich eher ungewöhnlich. Ich stieß nicht mit der Intention
an einer Sommeruni teilzunehmen auf dieses Angebot, es war rein zufällig. Sicherlich ging es nicht
nur mir so, dass die Neugier erst recht dadurch geweckt worden ist, dass man sich zuvor eher wenig
mit diesen Regionen bzw. Ländern beschäftigt hatte und wenig von diesen wusste.
Die Sommerschule schaffte es mit einem abwechslungsreichen und gut ausgewogenen Programm
uns sowohl sehr ländliche Regionen mit authentischen Dörfer als auch florierenden Städte näher zu
bringen. Der Kontrast zwischen Moderne und Tradition wurde sehr deutlich. Die kritische Reflexion
stand während des gesamten Aufenthaltes im Vordergrund. Immer wieder rückte die Frage der
Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Die Frage, was Nachhaltigkeit individuell für jeden und für die
Länder und ihre Akteure (Regierungen, Organisationen, Einzelpersonen) ausmacht und verstanden
wird. Es bot sich ein sehr interessantes Bild über Land & Leute, die Präsenz finanzieller Unterstützung
mit EU-Geldern, der Umgang mit Altlasten, die Förderung von Tourismus und die Art und Weise der
Städteplanung. Wir lernten die Potenziale kennen, die in den Regionen stecken. Diese beziehen sich
vor allem auf Tourismus unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung.
Ich möchte hier keine Zusammenfassung machen von unserem Ablauf und jeden Tag einzeln
beschreiben – dazu dient der abschließende Reader, zu dem jeder Teilnehmer etwas beitragen wird.
Die Sommeruni war….
•
Abwechslungsreich, lebendig & live
Der Charme dieser Sommeruni ist, dass sie sehr praxisorientiert und nicht theorielastig war.
Es ging darum selbst zu entdecken. Die Sommeruni hatte den Charakter einer Exkursion und
somit reisten wir von Ort zu und bekamen die Möglichkeit uns selbst immer einen Eindruck
zu machen und Land und Leute kennenzulernen. Auch einige Unterkünfte gaben uns die
Nähe zu den Einwohnern selber und einen authentischen Eindruck.
•
Ein Ort der Begegnung
Während der Sommeruni begegneten wir vielen interessanten, aufgeschlossenen, sehr
engagierten Menschen, die sich für ihr Land und ihre Leute mit ganzem Herzen einsetzen.
Leute, die stolz auf ihr Land sind und versuchen dieses weiterhin aktiv und nachhaltig mit zu
gestalten. Durch ihren Einsatz und Enthusiasmus haben sie bereits viel erreicht und können
ihre Versionen weiter voranbringen. Diese Expertengespräche vermittelten uns einen
tieferen Einblick in die Projektarbeit von Stiftungen und Initiativen.
•
Eine gute Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch…
kam zu Stande durch die gemischte Studentengruppe, die Studenten aus ähnlichen
Fachrichtungen, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammenführte. Verschiedene
Vorkenntnisse und verschiedene Ansichten konnten diskutiert und ausgetauscht werden.
[1]
•
Ein Marathon an neuen Eindrücken
Fast täglich wechselten wir den Ort und tauchten jedes Mal wieder in eine neue Thematik
ein. Mit den Tagen konnte man gewonnene Eindrücke verknüpfen und vergleichen und
dennoch waren es so viele Eindrücke, die man erst richtig nach der Sommeruni reflektieren
und sortieren konnte.
•
Eine anstrengende Angelegenheit
Das hochsommerliche Wetter, die häufigen Ortswechsel, die teils langen Busfahrten und die
vielen zu verarbeitenden Eindrücke strapazieren den Körper und die Seele. Das ist nicht zu
verleugnen, aber die Anstrengung steht in keinem Verhältnis zum Erlebten und war deshalb
absolut zu verkraften!
•
Eine bereichernde Erfahrung
Das intensive Auseinandersetzen mit den Regionen und wertvollen Gespräche mit diversen
sehr gut ausgewählten Gesprächspartnern sowie die gute Gruppendynamik machen diese
zwei Wochen zu einer dauerhaften Erfahrung, von der ich noch lange zehren werde. Ich kann
jedem ans Herz legen diese Sommerschule selbst zu erfahren!
Anregungen
•
Diskussionsrunden: mir fehlten öfter stattfindende Gruppendiskussionen nach dem Ende
eines Tages oder eines bestimmten Themenbereiches. Es wurde sehr viel in Kleingruppen
beim Essen, auf den Zimmern oder während der Freizeit privat diskutiert.
•
Vorbereitung auf die Kolloquien & Abschlussrunde: wünschenswert wäre es gewesen mehr
Zeit für die Vorbereitung der Kolloquien und die Vorstellung dieser selbst zu bekommen.
Durch die Durchführung an einem Tag, wurde die Konzentration durch die Fülle an
Informationen vermindert und es bereitete vielen Schwierigkeiten allen Kolloquien die
gleiche Aufmerksamkeit zu widmen.
Ein besonderer Dank geht an…
•
Unsere Exkursionsleiterin Xenia Havadi (Professorin an der Babes-Bolyai Unversität), die uns
mit einer perfekten Organisation (vielfältiges Programm, gute logistische Planungen,
hervorragend kulinarische Versorgung, beste Unterkünfte) unglaublich viel Wissen, perfekten
Sprachkenntnissen und einer Menge Geduld durch die Sommerschule geführt hat und alle
Erwartungen an die Sommeruni übertroffen hat!
•
Herrn Schreiber (Professor an der Babes-Bolyai Universität), der durch sein profundes
Wissen, seinen Humor und seine besondere Art ein sehr wertvoller Begleiter war.
•
Den DAAD, ohne den meine Teilnahme an der Sommeruni ausgeschlossen gewesen wäre!
[2]
Ein paar Eindrücke von der Sommerschule in Bildern
Quelle: eigene Aufnahmen
Gruppenbild vor der Universität in Debrecen
Altstadt von Sibiu
Abendstimmung in Gömörszölös
Wohnsiedlung in Cluj
Häuserreihe in Viscri
Impressionen vom Theiss-See
[3]
Eindrücke zur Sommerschule
Bericht von Alexandra Hrzina
Ich blicke mit Begeisterung auf die zwei Wochen lange Sommerschule in Ungarn und
Rumänien zurück. Unsere Reise begann in Budapest, eine Stadt, die ich noch nie
besucht hatte. Dort trafen alle Teilnehmer zusammen um gleich darauf zum ersten
Reiseziel, dem Theiss-See, aufzubrechen. Jeder darauf folgende Tag war voll
ausgeplant mit Reisen, Vorträgen und Diskussionen. Es hat mich fasziniert in den
Osten zu reisen, da meine Urlaube sonst in den Westen führten. Außerdem hat es
mir die Sommerschule ermöglicht Ungarn und Rumänien aus einer anderen
Perspektive zu sehen als gewöhnliche Touristen. Die Organisatorin der
Sommerschule, Xénia Havadi, übersetzte wenn notwendig und half uns die fremden
Kulturen besser zu verstehen. Ich konnte tiefere Einblicke in die Probleme und das
Leben in diesen Ländern gewinnen. Besonders fasziniert haben mich der Vortrag der
ADEPT Stiftung und die Diskussion mit Frau Fernolend, die Vizepräsidentin der MET
Stiftung. Beide Stiftungen setzen sich für den ländlichen Raum ein, indem sie lokale
Produkte und Ressourcen schützen und für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Es
war motivierend und interessant die Motivation und das Engagement dieser
Stiftungen zu erleben.
Die Reise führte uns auch nach Hermannstadt, Cluj und Viscri. Die Verschiedenheit
dieser Städte hat sofort mein Interesse geweckt. Das Zentrum der Stadt Cluj ist sehr
schön erhalten und erinnert mich ein wenig an Wien. Neben den dort angesiedelten
Sehenswürdigkeiten, haben mir die Restaurants auf den Straßen besonders gut
gefallen. Hermannstadt wirkt nicht wie eine Stadt, sondern eher wie ein gemütliches
Dorf. Die Altbauten waren schön bunt saniert und zeigten, dass es sich um ein
touristisch beliebtes Gebiet handelt. Viscri faszinierte mit einer ländlichen
Lebensweise, die ich sonst noch nicht erlebt habe. Der Ort nutzt seinen Status als
ländlichen Raum um Touristen anzuziehen. Ich denke nicht, dass man die selbe
Erfahrung in Österreich oder Deutschland machen könnte.
Kurz zusammengefasst habe ich während der Sommerschule viel über ländliche
Räume, verschiedenste Projekte für Umweltschutz und andere Kulturen lernen
können.
Eindrücke der Sommerschule 2014 – Von der Puszta in die Karpaten
Stefanie Lutsch
Ich habe mich bewusst für diese Sommerschule des DAAD beworben, da meine persönlichen
Wurzeln in Siebenbürgen liegen und ich im Frühjahr letzten Jahres vor Ort war, um unter anderem
meine Abschlussarbeit des Bachelor-Studiums über das Touristische Potenzial in Siebenbürgen zu
schreiben. Ich wollte die damals erzählten und recherchierten Informationen auch bei
sommerlichen Temperaturen erleben und noch weitere fachwissenschaftliche Kenntnisse
erlangen.
Bereits seit dem Anfang der Sommerschule freute ich mich auf die Exkursion durch Rumänien und
fieberte vor allem auf den Besuch von Hermannstadt und Deutsch-Weißkirch hin. Die Tage davor
waren aber ebenso beeindruckend. Besonders interessant war für mich, ländliche sowie städtische
Gebiete Ungarns zu sehen und den Kontrast zu Rumänien festzustellen. Sei es durch sprachliche
Barrieren oder die hohe Anzahl an Mückenstichen in der Puszta. Mit den Aufenthalten in Baia
Mare, Cluj und Roşia Montana habe ich meinen Vorfahren mit Sicherheit etwas voraus. Außerdem
waren die Gespräche mit den Experten vor Ort sehr aufschlussreich – spätestens bei der
Ergänzung durch Herrn Schreiber oder Xenia – und spiegelten die Herausforderungen, denen die
einzelnen Regionen gegenwärtig ausgesetzt sind, gut wider.
Letztes Jahr wurden mir im Rahmen meiner Abschlussarbeit zahlreiche Tatsachen bezüglich dem
Fremdenverkehr in Siebenbürgen genannt und ich habe online viel in regionalen Zeitungen über
touristische Aktivitäten sowie Besucherzahlen recherchiert. Vorstellen konnte ich mir die Ausmaße
während meiner Reise im winterlichen März jedoch nicht annähernd. Nach der Sommerschule
2014 weiß ich, wovon die Experten, die ich damals befragt habe, wirklich gesprochen haben.
Siebenbürgen, insbesondere dessen Orte mit Titeln wie Europäische Kulturhauptstadt und
UNESCO-Weltkulturerbe, ist in den Sommermonaten ein überaus beliebtes Reiseziel nationaler
sowie internationaler Touristen. Ich habe mich in Hermannstadt und Deutsch-Weißkirch heimisch
gefühlt und bin dankbar, dass ich ein Teil dieser Sommerschule sein durfte, auch wenn mir die
besuchten Regionen nicht ganz unbekannt waren. Des Weiteren war es für mich persönlich
ebenso von großer Bedeutung, die Tätigkeiten von ADEPT zum Erhalt der Kulturlandschaft im
südlichen Siebenbürgen kennenzulernen, da ich bereits viele Artikel über diese Organisation
gelesen habe und mir jetzt ein besseres Bild von ihrer Arbeit und deren positive Auswirkungen auf
die Region machen kann.
Ein großes Dankeschön meinerseits ergeht an Xenia und Herrn Schreiber als kompetentes
Organisationsteam. Die Tour war super geplant und lag jederzeit voll im Zeitplan. Die Gespräche
mit den lokalen Experten waren passend gewählt, allerdings war es schade, dass manche
Interviews, wie beispielsweise in Poroszló und Cluj, kurzfristig nicht zustande kamen. Den
Organisatoren wird damit nichts vorgeworfen.
Die besten Erinnerungen habe ich an das Private Viewing des WM-Finales in einer ungarischen
Bar inklusive Sieg der deutschen Nationalmannschaft, die überaus wackelige Holzbrücke über den
Fluss Arieş irgendwo zwischen Cluj und Roşia Montana, die feuchtfröhliche Pferdewagenfahrt
sowie der erste Abend in Deutsch-Weißkirch und den für mich persönlich wichtigen Kurz-Besuch in
Deutsch-Kreuz.
Ich würde die Teilnahme dieser Sommerschule durch die dort gemachten Erfahrungen jedem
vorbehaltslos weiterempfehlen. In diesem Sinne: Noroc!
Erfahrungsbericht
Bettina Doll, Masterstudentin des Studiengangs Stadt- und
Regionalentwicklung an der Universität Kiel
Von der Puszta in die Karpaten Kulturlandschaften im Umbruch
Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa
Sommerschule im Rahmen des GoEast-Programms, 13-27. Juli 2014
Highlights in Ungarn
Hortobagy-Nationalpark: Theiß-See & Puszta
In den ersten drei Tagen hielten wir uns im
Norden Ungarns auf. Wir besuchten das
Naturschutzreservoir rund um den TheißSee und die Teile der Puszta die ebenfalls
zum Schutzgebiet des Nationalparks
Hortobagy gehören. Wir bekamen auch
Einblicke in die touristische Inwertsetzung
der Region unter Nutzung des ökologischen
Kapitals, beispielhaft ist dafür das
Ökozentrum in Poroszlo. Bei einer
Abb. 1: Theiß-See
Bootsfahrt auf dem Theiß-See, einer Quelle: Franziska Wenzel 2014
Wanderung auf einem Lehrpfad und einem
Aufenthalt in der Puszta konnten wir die
besonderen naturräumlichen Potentiale der
Region kennenlernen. Ein Gespräch mit
Herrn Lisztes vom Besucherzentrum des
Nationalparks zeigte uns die Einstellung der
ungarischen Regierung zu Natur- und
Umweltschutz.
Leider
konnte
der
Bürgermeister
von
Poroszlo
den
Gesprächstermin nicht einhalten, er hätte Abb. 2: Hortobagy Nationalpark
sicher noch mehr Informationen aus Quelle: Franziska Wenzel 2014
kommunaler Sicht liefern können.
1
Highlights in Rumänien
Baia Mare & Rosia Montana
In Baia Mare konnten wir die Folgen
schonungsloser Ausbeutung von Rohstoffen
während sozialistischer Zeit kennenlernen.
Rund um die rumänische Stadt liegen
tonnenweise Ablagerungshalden aus dieser
Zeit. Nach der Wende brach der
Bergbaubetrieb Rumäniens zusammen, die
Altlasten wurden nie entfernt. Mit dem
Dammbruch 2000, welcher eine schwere
Umweltkatastrophe zur Folge hatte, wurde
der Region große Aufmerksamkeit zuteil. Als
Folge dessen erhielten die Bewohner der
Region fließend Wasser und damit
Unabhängigkeit von den verseuchten
Grundwasserbrunnen. Seit 2007 baut die
Firma Romaltyn, die wir im Rahmen einer
Betriebsführung
besuchten,
einzelne
Ablagerungshalden
ab.
Wirtschaftlich
attraktiv wird dieses Unternehmen durch
die Auswaschung von Gold und Silber
mithilfe von Cyanid. Nach der zweiten
Nutzung des Erdmaterials wird es in einer
neuen Fläche abgelagert. Das kontaminierte
Material wird dabei zum Grundwasser und
zur äußeren Umgebung mithilfe einer
Schutzfolie isoliert. Weder die Regierung
noch
andere
nicht-profitorientierte
Institutionen beteiligen sich an der
Dekontimation und Renaturalisierung des
Gebiets.
Der Besuch von Baia Mare sensibilisierte
sehr für die Diskussion rund um die Ideen
zum neuen Bergbauprojekt in Rosia
Montana. Tatsächlich ist es völlig
unverständlich
wie
eine
Regierung
Schürfungslizenzen an eine internationale
Firma vergeben und die genauen Inhalte
Abb. 3: Baia Mare – Abraumhalde
Quelle: Bettina Doll 2014
Abb. 4: Baia Mare – Neue Ablagerungsfläche
Quelle: Bettina Doll 2014
Abb. 5: Unterstützung für die Gegner des Rosia Montana
Bergbauprojekts in Cluj
Quelle: Sebastian Lang 2014
2
geheim halten kann. Beeindruckend ist auch die langanhaltende, intensive und landesweite
Protestbewegung. Seit ca. 15 Jahren hat sie es geschafft das Vorhaben zu verhindern und
damit auch zu einem neuen Verständnis von Mitsprache beigetragen.
Cluj-Napoca
In Cluj, zu Deutsch Klausenburg, konnten
wir
uns
mit
aktuellen
Stadtentwicklungsthemen
Rumäniens
vertraut machen. Vertiefte Einblicke
erhielten wir in die Themen Festivalisierung,
Verkehr, Kulturwirtschaft und urban sprawl.
Auffallend waren die Hoffnungen die an die
Bewerbung
zur
europäischen
Kulturhauptstadt 2021 gesetzt werden, als
Testlauf hierfür gilt die Auszeichnung zur
Jugendhauptstadt 2015.
Abb. 6: Zentrum Cluj
Quelle: Franziska Wenzel 2014
Wie unterschiedlich mit Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen umgegangen werden
kann zeigten uns die unter Schwarzbau entstandenen Vororte Clujs. Weder Stadt noch Staat
sind in der Lage dieser ungeplanten und rasanten Entwicklung Einhalt zu gebieten. Die Stadt
versucht im Nachhinein entstandene Infrastrukturdefizite in diesen Wohngegenden zu
schließen, in dem sie z.B. Straßen befestigen und Straßenbeleuchtung installieren soweit
ihnen dies möglich ist.
Interessant fand ich auch die Einblicke in
sozialistische städtebauliche Leitbilder und
das Leben unter dem kommunistischen
Regimes. Frau Havadi und Herr Schreiber
konnten dabei sowohl aus eigener
Lebenserfahrung
als
auch
aus
wissenschaftlicher Sicht berichten und
somit ein mehrschichtiges Bild dieser Zeit
liefern. In einem Rundgang durch Manastur
konnten wir die Ziele des sozialistischen
Städtebaus und die Veränderungen in Folge
des Systemzusammenbruchs und der
folgenden
Privatisierung
eindrücklich
wahrnehmen.
Abb. 7: Wohnblocks in Cartierul Manastur
Quelle: Anna-Lena Ahlf 2014
Sibiu
In der pittoresken Stadt Sibiu, zu Deutsch
Hermannstadt, ebenfalls in Siebenbürgen
3
Abb. 8: Sibiu
Quelle: Franziska Wenzel 2014
und deutlich geprägt von der deutschen Bevölkerungsgruppe, war im Jahr 2007 europäische
Kulturhauptstadt. Die Veränderungen im Zusammenhang mit dieser Auszeichnung treibt
heute viele rumänische Städte zu einer Bewerbung auf diesen Titel. In einem interessanten
Gespräch mit Herrn Engel von der HERITAS-Stiftung wurden uns die Hintergründe aber auch
Probleme des Erfolgs nähergebracht. Auch die Nachhaltigkeit der Veränderungen wurde
thematisiert.
Viscri
In dem kleinen Dorf Viscri (dt. DeutschWeißkirch)
beschäftigten
wir
uns
Bedeutung von Kirchenburgen und der für
Siebenbürgen typischen geschlossenen
Anordnung von Landwirtschaftsgebäuden
als Schutzsystem gegen die Beutezüge der
Türken. Ein weiteres wichtiges Thema war
die
Veränderung
aufgrund
des
Zusammenbruchs des Sozialismus und der
Grenzöffnung. Weiter spielte der Tourismus
und aktuelle Herausforderungen im
Abb. 9: Unesco-Weltkulturebene Viscri
Zusammenhang mit der Auszeichnung als Quelle: Bettina Doll 2014
UNESO-Weltkulturerbe eine große Rolle während unseres Aufenthalts.
Weitere Programmpunkte der Sommerschule
In Ungarn:
- Ökodorf Gömörszölös
- Stadtführung durch Debrecen mit
In Rumänien:
- Gespräch mit der ADEPT-Stiftung in Sibiu-Saschiz
- Führung mit Herrn Hedrich (Umweltaktivist) durch Sighisoara
Bewertung und Fazit
Frau Havadi und Herr Schreiber haben es
geschafft eine unvergleichliche Sommerschule
auf die Beine zu stellen. Durch ihre fachliche
Kompetenz
und
ihre
enorme
Organisationsfähigkeit war die Exkursion nach
Ungarn und Rumänien ein voller Erfolg. Beide
Länder waren mir bis dato nur aus
Medienberichten bekannt. Jetzt habe ich das
Gefühl einen tieferen Einblick in beide und
Abb. 10: Teilnehmer der Sommerschule 2013
Quelle: Stefan Blossfeldt 2014
4
vielleicht sogar ein Verständnis für die Bedürfnisse und Sichtweisen beider Völker gewonnen
zu haben. In einem sehr abwechslungsreichen Programm konnten wir uns mit
verschiedensten Themen, Regionen, Städten und ländlichen Räumen beschäftigen. Die
Termine mit Organisationen, Aktivisten, Institutionen und Firmen waren stets spannend und
erfüllten die Informationen der Reiseführer mit weiterem Leben. Leider wurden etliche
Termine von kommunaler Seite im letzten Moment abgesagt, diese Sichtweisen hätten
sicherlich den Blick auf verschiedene Themen noch mehr erweitert.
Als eindrucksvollstes Erlebnis wird mir die Zeit in Viscri in Erinnerung bleiben. Die Zeit in dem
kleinen Dorf – in dem neueste Autos und Traktoren aus sozialistischer Zeit Pferdekutschen
auf ungeteerten Straßen überholen – war unvergesslich. Nach nur zwei Tagen hatte ich mich
so eingewöhnt, dass der Reisebus voll Touristen, der zum Besuch der Kirchenburg kam, mir
wie ein Eindringling von einem anderen Planeten vorkam.
Vielen Dank an die Organisatoren und alle Teilnehmer der Sommerschule!
5
DAAD Go East Sommerschule 2014
Babes-Bolyai Universität Cluj, Rumänien
12.09.2014
„Von der Puszta bis in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch.
Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in
Südosteuropa“ (13 – 27. Juli 2014)
Erfahrungsbericht von Franziska Wenk
Als ich mich im Frühjahr für die Sommerschule „Von der Puszta bis in die Karpaten –
Kulturlandschaften im Umbruch“ bewarb, hatte ich nur eine grobe Vorstellung was mich vor
Ort erwarten wird. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich Ungarn und Rumänien nur aus
Berichten und den Medien. Dank dieses Stipendiums war es mir schließlich möglich an
dieser durch Xénia Havadi geleiteten zweiwöchigen Sommerschule im Juli teilzunehmen.
Räumlich fand die Sommerschule in Ungarn und Rumänien statt und war wie eine Exkursion
aufgebaut.
Zahlreiche
Projektbesichtigungen und
Expertengespräche
rundeten
das
Programm ab.
Die ersten fünf Tage führten uns durch die Weiten der Puszta in Ostungarn. In den ersten
drei Tagen wurden der künstlich aufgestaute Theiss-See und dessen touristisches Potenzial
für das Dorf Porozló, und der Hortobágy Nationalpark, der 1973 zum Schutz der
einzigartigen Pusztalandschaft gegründet wurde, thematisiert. Am vierten Tag besuchten wir
das
Ökodorf
Gömörszölös,
das
als
modellhaftes
Projekt
zur
Entwicklung
und
Wiederbelebung des ländlichen Raumes des ungarischen Institutes für nachhaltige
Entwicklung ausgewählt wurde. Am letzten Tag legten wir auf dem Weg nach Rumänien
noch einen Stopp in der Stadt Debrecen ein, wo uns Frau Dr. Réka von der Universität
Debrecen eine Ökologische Stadtführung bot.
Die weiteren neun Tage, in denen uns Herr Prof. Schreiber begleitete, verbrachten wir in der
Region Siebenbürgen in Rumänien. In diesen knapp 1 ½ Wochen beschäftigten wir uns mit
den verschiedensten Themen der nachhaltigen Raumplanung und Regionalentwicklung in
Rumänien. Zunächst besuchten wir zwei ehemalige Bergbaugebiete. Diese waren die alte
Bergbaustadt Baia Mare, wo uns Möglichkeiten zum Umgang mit Altlasten vorgestellt
wurden und das seit Jahren stark diskutierte Goldbergbaugebiet Rosia Montana im ApuseniGebirge. Des Weiteren wurden die Städte Cluj (Klausenburg), Sibiu (Hermannstadt) und
Sighisoara (Schässburg) bereist. Die seit 1990 rasante Entwicklung der Stadt Cluj stellt noch
immer große Herausforderungen an die Stadtplaner. Die Stadt Sibiu wurde im Jahr 2007 zur
europäischen Kulturhauptstadt ernannt, wofür umfangreiche Sanierungsarbeiten geleistet
wurden. Durch ein Gespräch mit Herr Engel der HERITAS Stiftung erhielten wir
umfangreiche Einblicke in die Projektarbeiten der Stadt in den letzten Jahren. Neben diesen
städtischen Themen sollte uns außerdem die Problematik des ländlichen Raums und dessen
Potenzial näher gebracht werden. Hierzu wurde uns in Saschiz (Kreisd) die ADEPT-Stiftung
1
DAAD Go East Sommerschule 2014
Babes-Bolyai Universität Cluj, Rumänien
12.09.2014
vorgestellt, die sich um die Bewahrung der traditionellen Landwirtschaft und der Biodiversität
in der Region bemüht. Zudem besuchten wir das kleine Dorf Viscri (Deutsch-Weisskirch) mit
einer Kirchenburg, das 1999 als gesamtes Dorf in das UNESCO-Weltkulturerbe
aufgenommen wurde. Besonders ist an diesem Dorf aber vor allem der Vorbildcharakter in
Bezug auf eine nachhaltige Dorfentwicklung und den Erhalt von Kultur und Bausubstanz, der
seit 20 Jahren durch die Vizepräsidentin Frau Fernolend der englischen Stiftung MET
vorangetrieben wird.
In diesen zwei Wochen, die leider viel zu schnell vergingen, hatte ich die Möglichkeit zwei
mir bis zum Beginn der Sommerschule noch unbekannte Länder kennenzulernen. Rumänien
und Ungarn sind zwei äußerst spannende Länder mit beeindruckenden Landschafts- und
Kulturräumen. Das sehr abwechslungsreiche, gut ausgearbeitete und durchgeführte
Programm von Xénia Havadi hat mir sehr gut gefallen und mich in allen Themenbereichen
begeistert. Die Vorträge von ihr und ab Rumänien ergänzt von Herr Prof. Schreiber waren
fachlich,
lehrreich
und
spannend.
Die
zahlreichen
Projektbesichtigungen
und
Expertengespräche waren zudem gut gewählt und haben die Sommerschule sehr
interessant und aufschlussreich gemacht. Diese haben einen Blick hinter die Kulissen
gewährt, der einem sonst als normaler Tourist verborgen geblieben wäre. Zum Gelingen
solch einer Veranstaltung tragen auch zum einen die Teilnehmer als auch die Unterbringung
und Verpflegung bei. Die Auswahl der Studenten passte sehr gut zusammen, sodass die
Gruppendynamik bis zum Schluss harmonisch war. Es war eine tolle Erfahrung Studenten
aus ganz Deutschland kennenzulernen. Die Verpflegung und die Unterkünfte ließen
außerdem keine Wünsche offen. Toll war vor allem, dass zu Meist etwas Einheimisches
gegessen wurde und man so auch die lokale Küche kennenlernen konnte.
Nach dieser durchweg positiven Erfahrung habe ich nur wenige Verbesserungsvorschläge.
Was mir etwas gefehlt hat, war am Anfang eine landeskundliche und geschichtliche
Einführung in beide Länder. Dies hätte an mancher Stelle geholfen, um gewisse Probleme
und Sachverhalte besser verstehen und einordnen zu können. Außerdem würde ich mir beim
nächsten Mal eine etwas anders gestaltete Abschlussveranstaltung wünschen. Vielleicht
wäre es möglich die Vorbereitung für das Kolloquium und das Kolloquium an sich auf zwei
Tage aufzuteilen. Zum Beispiel das an einem Nachmittag die Vorbereitung stattfindet und
der andere Tag dann komplett für die Vorstellungen der Präsentation zur Verfügung steht,
sodass genügend Zeit für Diskussionen und Fragen bleibt.
Insgesamt war diese Sommerschule eine sehr wertvolle und lehrreiche Erfahrung, die mir
ganz neue Einblicke, Sichtweisen und einen Wissensgewinn über diese beiden Länder
ermöglicht hat. Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen und ich kann eine
Teilnahme an solch einer Sommerschule nur empfehlen. Für die wunderbare Zeit möchte ich
2
DAAD Go East Sommerschule 2014
Babes-Bolyai Universität Cluj, Rumänien
12.09.2014
mich bei dir Xénia, bei ihnen Herr Schreiber und beim DAAD, durch deren Förderung mir
ermöglicht wurde daran teilzunehmen, recht herzlich bedanken!
Anbei eine Auswahl der zahlreichen Bilder (alle selbst fotografiert):
Theiss-See, Ungran
Hortobágy Nationalpark, Ungarn
Cluj (dt. Klausenburg), Rumänien
Sibiu (dt. Hermannstadt), Rumänien
Rosia Montana, Rumänien
Viscri (dt. Deutsch-Weisskirch), Rumänien
3
Persönlicher Erfahrungsbericht Annika Jeschke
Von der Puszta in die Karpaten - Kulturlandschaften im Umbruch.
Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa
13. - 27. Juli 2014 in Ungarn und Rumänien
Abbildung 1: Cluj (A. Jeschke)
Abbildung 2: Theiss-See und Umgebung (A. Jeschke)
Einleitung
Bereits vor einiger Zeit saß ich, ähnlich wie jetzt, an meinem Schreibtisch um in einem
Bewerbungsschreiben meine Motivation für die Teilnahme an der Sommerschule in Ungarn und
Rumänien zu formulieren. Nachdem dies offensichtlich erfolgreich war, möchte ich nun noch einmal
auf die Sommerschule „Von der Puszta in die Karpaten - Kulturlandschaften im Umbruch.
Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa“ zurückblicken. Die
Ereignisse und Erkenntnisse dieser 2 Wochen möchte ich noch einmal rekapitulieren und
schlussendlich mit meinen Erwartungen von damals vergleichen. Über die zwei Wochen hatten wir
ein vielfältiges Programm mit sehr vielen Stationen. Leider ist es mir an dieser Stelle nicht möglich
jede einzelne Station ausführlich zu erläutern, weshalb ich nur die größeren Stationen jeweils
anreißen werde.
Ablauf
Glücklicherweise war ich nicht die einzige Teilnehmerin aus Bonn, sodass wir uns am 12. Juli
gemeinsam auf den Weg nach Budapest gemacht haben. Nachdem wir dort noch einen Tag Zeit
hatten um uns die Stadt anzuschauen, trafen wir am nächsten Morgen am Bahnhof Keleti auf die
anderen Teilnehmer. Das war also die Gruppe mit der wir in den nächsten 14 Tagen zahlreiche
Erlebnisse teilen würden. Mit kleiner Verspätung ging es sodann mit dem Zug nach Poroszló,
unserem ersten Standort am Theiss-See. Zwischen der sengenden Sonne einer Bootstour auf dem
Wasser und den Mückenschwärmen am Wasser blieb am Abend noch die perfekte Abkühlung im
Wasser. Durch den Besuch eines Naturlehrpfads und des Ökozentrums, lernten wir das Schutzgebiet
und die Gegend näher kennen. Am nächsten Tag ging es in den Hortobágy-Nationalpark, in dem uns
zunächst die die organisatorischen Strukturen von Nationalparks in Ungarn und später die typischen
Nutztiere der Puszta wie Wollschweine oder Graurinder nähergebracht wurden. Es ging weiter in das
Ökodorf Gömörszőlős, wo uns bewusst wurde, dass die Bezeichnung Ökodorf nicht zwangsweise auf
ein bewusst nachhaltiges Lebensmodell aller dortigen Einwohner schließen lassen kann. Unser letzter
ungarischer Stopp war in der Stadt Debrecen, wo wir eine ökologische Stadtführung mitmachten und
wir uns anhand einer Vielzahl von EU-geförderten Großprojekten mit deren Problematiken
beschäftigten. Unser erster Halt in Rumänien führte nach Baia Mare, eine Bergbaustadt im Norden
Rumäniens, die traurige Berühmtheit durch einen verheerenden Unfall im Jahr 2000 erlangt hat. Bei
der schweren Umweltkatastrophe gelangte eine große Menge an Schwermetallen in die Natur, die
über die Flüsse schließlich nach Ungarn in die Theiss und später in die Donau gelangten. Wir konnten
die heutige Anlage unter strengen Sicherheitsauflagen besichtigen. Danach ging es weiter nach Cluj
(Klausenburg). Diese Stadt konnte die Gruppe sofort mit seinem Studentenflair und Nachtleben
überzeugen. Doch auch tagsüber gab es spannendes Programm unter anderem mit dem Besuch
eines Kulturzentrums, der Pinselfabrik und einer Fahrt in den Westen der Stadt, nach Mănăștur, das
als eines der größten Plattenbauviertel in den 1970er Jahren gebaut wurde. Mit einem Kleinbus
machten wir uns mit der Gewissheit auf den Weg am Ende der Fahrt noch einmal hierhin
zurückzukehren. Auf dem Weg nach Sibiu (Hermanntadt) stoppten wir in Rosia Montana und
schauten uns das Gebiet an über dessen Pläne zum erneuten Goldabbau in der Öffentlichkeit seit
Jahren diskutiert wird.
Abbildung 3: traditioneller
Wandschmuck in Debrecen (A. Jeschke)
Abbildung 4: Rosia Montana (A. Jeschke)
In Sibiu war zum einen die Präsenz der Siebenbürger Sachsen sehr auffällig, es gibt dort sogar einen
deutschen Bürgermeister. Zum anderen war die europäische Kulturhauptstadt von 2007 noch sehr
präsent. In einem Expertengespräch diskutierten wir die dortige Stadt- und Regionalentwicklung. Im
Folgenden besuchten wir eine Stiftung in Saschiz (Keisd), die die Bewahrung der traditionellen
Landwirtschaft forciert und uns interessante Einblicke in aktuelle Projekte geben konnte. Eines der
Highlights der Fahrt folgte nun mit einem Aufenthalt in dem kleinen Dorf Viscri (Deutsch-Weißkirch).
Abgelegen von großen Straßen fühlten wir uns hier zwischen Kühen und Schubladenbetten
zurückversetzt in eine andere Zeit. Mit einem kurzen Halt in Sighișoara (Schäßburg), der Stadt in der
angeblich der historische Dracula gelebt hat, kehrten wir nach einigen Tagen wieder zurück nach Cluj.
Dort haben wir in einem Abschlusskolloquium an der Uni die vielen Eindrücke der letzten Zeit noch
einmal aufbereitet und diskutiert.
Bewertung
Insgesamt blicke ich mit durchweg positiven Erinnerungen auf die Zeit der Sommerschule in Ungarn
und Rumänien zurück. Ich habe in der Zeit einen guten Einblick in die unterschiedliche Entwicklung
vom städtischen und ländlichen Raum, die dortigen Kulturen, sowie die jüngere Geschichte und
Auswirkungen des EU-Beitritts erhalten. Die beeindruckenden Landschaften zwischen der Weite der
Puszta und Siebenbürgen im südlichen Karpatenraum werden mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Dazu hat die hervorragende Organisation mit der Wahl der Themen und Standorte beigetragen, die
eine spannende Mischung aus Themen der nachhaltigen Entwicklung im ländlichen und städtischen
Raum anhand verschiedenster Beispiele und Projektbesuche darstellte. Dabei hat stets der Austausch
in Expertengesprächen mit den Menschen aus den Projekten und Organisationen vor Ort zum
Erkenntnisgewinn beigetragen. Die Sommerschule war also geprägt von einem hohen Praxisbezug,
der während des verschulten Bachelorstudiums oftmals leider zu kurz kommt. Somit stellt die
Teilnahme an einer Sommerschule meiner Meinung nach eine sinnvolle Ergänzung zum weiteren
Studium und seinen Inhalten dar. Ebenfalls hat die gemischte Teilnehmergruppe mit verschiedenen
Studienschwerpunkten und auch unterschiedlichen Motivationen zur Teilnahme, zu einem
interessanten Austausch und viel Spaß außerhalb der offiziellen Programmpunkte beigetragen.
Gefallen hat mir zudem, dass das Programm zwar gut strukturiert aber trotzdem noch so flexibel war,
dass beispielsweise ein weiterer Stopp in einem kleinen Dorf durch den Vorschlag einer Teilnehmerin
eingefügt wurde. Die Betreuung durch Xeniá Havadi von der Babes-Bolyai-Universität in Cluj war
ausgezeichnet. Sie leitete nicht nur kompetent durch Diskussionsrunden und Expertengespräche
sondern übersetzte diese auch wenn nötig aus dem Rumänischen oder Ungarischen ins Deutsche.
Außerdem organisierte sie stets hervorragende Unterkünfte und Verpflegung für die Gruppe. Die
Leitung der Sommerschule wurde ergänzt durch einzelne Personen die zeitweise dabei waren.
Besonders zu nennen wäre Herr Dr. Wilfried Schreiber, ebenfalls von der Universität in Cluj, der uns
in Rumänien begleitete und durch sein enormes Wissen über die Region sowohl im physisch- als auch
im humangeographischen Bereich die Sommerschule erheblich bereicherte. Gewünscht hätte ich mir
noch mehr kurze Diskussionsrunden (ca. 15 Min) am Abend, in denen das Gesehene vom Tag noch
einmal rekapituliert und eingeordnet werden kann. Dies haben wir zwar in Kleingruppen oft getan,
allerdings fände ich es für die gesamte Gruppe noch interessant. Weiterhin hätte eventuell das
Abschlusskolloquium auf zwei Tage aufgeteilt werden können. Den einen Tag mit Vorbereitung und
anschließender Präsentation aller Gruppen habe ich als sehr lang in Erinnerung. Es war schade, das
so bei manchen Gruppen am Ende wenig Zeit für Diskussionen blieb.
Fazit
Insgesamt allerdings lässt sich sagen, dass ich die Sommerschule für mich als vollen Erfolg sehe und
froh über die Teilnahme bin. Meine persönlichen Erwartungen wurden übertroffen und es bleibt der
Wunsch noch einmal irgendwann zurückzukehren, die Länder genauer kennenzulernen und den nun
erhaltenen ersten Eindruck zu vertiefen.
Somit möchte ich mich nun beim DAAD für die finanzielle Unterstützung, bei Xénia Havadi für die
gelungene Organisation und natürlich den anderen Teilnehmern für die tolle Zeit bedanken.
Abbildung 5: Dorfstraße in Viscri (A. Jeschke)
Marianne Höbel
Persönliche Eindrüke
Die Sommerschule gab einen großen
gr
Einblick in die Probleme und Herausforderungen
Heraus
im
Bereich der Stadtentwicklung,
wicklung, sowie
so
der nachhaltigen Entwicklung
ng im ländlichen
ländlic
Raum.
Besichtigte Städte in Rumänien,
Rumäni
wie beispielsweise Cluj (Klausenburg)
(Klausenbu
und Sibiu
(Hermannstadt) erinnern
nern durch die
di Sanierung ihrer Gebäude und Marktplätze an den Standard
westlicher Metropolen.
len. Durch den wachsenden Tourismus etablierten
tablierten sich
sic überwiegend
Gewerbe, wie Gastronomie
onomie und Verkaufsläden in den Innenstädten.
dten. Durch diese Umstände
verringert sich das Angebot
ngebot an Wohnungen
W
und verteuert diese erheblich. Die
Di Teuerungsrate
gleicht sich schrittweise
eise deutschen
deutsch Städten an. Häuser und Gebäude
bäude in drit
dritter Reihe waren
jedoch teilweise verfallen
fallen und renovierungsbedürftig.
ren
Im ländlichen Raum sind Rückstände
Rücks
deutlicher erkennbar. Nicht
ht alle Dörfer
Dörfe verfügen über
fließendes Wasser sowie
owie Duschen
Dusche und Toiletten. In Viscri (Deutsch-Weißk
Weißkirch) wurde erst
2011 die erste Kläranlage
anlage errichtet
errich und dadurch der Lebensstandard
ndard der Bü
Bürger verbessert.
Auffallend waren auch
ch die "einfachen
"einfa
Straßen" und vielen Pferdewägen
ewägen in de
den Dörfern. Dies
hat zwar einen gewissen
issen Charme,
Charm zeigt aber auch deutlich, unter
er welchen B
Bedingungen die
Bewohner hier ihre Arbeit verrichten.
verrich
Abb. Dorfbewohner mit Pferdegespa
Pferdegespann (Quelle: eigene Bilder im Rahmen derr Sommeruni 2014)
Die Dorfbewohner leben von Subsistenzwirtschaft.
Su
Sie bauen ihre
hre Nahrungsmittel
Nahrungs
selber an
und manche halten ein
in paar Milchkühe,
Milch
Schweine, Gänse und Hühner.
Viele junge Menschen
hen verlassen
verlass
die ländlichen Regionen und ziehen in Städte. Der
Altersdurchschnitt ist
st dadurch in
i den ländlichen Gebieten deutlich
utlich höher als im urbanen
Bereich. Häuser drohen
hen zu verfallen,
verfa
das Wissen und Interesse um tradition
traditionelles Handwerk
und der Landwirtschaft
aft geht verloren.
verlo
Hier zeigen sich ähnliche Entwicklungs
ntwicklungs-Strukturen zum
ländlichen Raum meiner
iner "Studiums"-Region
"Studium
in Mecklenburg-Vorpommern.
rpommern.
In Deutschland ist das
as Gärtnern in
i Städten seit einiger Zeit wieder voll im Trend.
T
Unter dem
Begriff „Urban Gardening“
rdening“ wird
w
oftmals in Gemeinschaftsgärten
ärten zusammen
zusam
gepflanzt,
geerntet und gekocht.
t. Es findet ein Austausch von Wissen statt,
tt, etwa über
übe Pflanzenzucht,
Kochrezepte oder das Einmachen
Einmach
von Obst und Gemüse. In manchen Gärten gibt es
Reparaturwerkstätten
n in denen gebastelt
g
und gehandwerkt wird. Es ist sehr
seh interessant zu
sehen, dass vor allem
m in Großstädten
Großst
bestehendes Wissen und Ideen der Selbstversorgung
S
wieder aufgegriffen und aktiv umgesetzt
um
werden.
Ein weiterer Themenschwerpu
enschwerpunkt des Programms war derr Erhalt der
de traditionellen
Kulturlandschaft sowie
wie der kleinbäuerlichen
kl
Landwirtschaft. Wie zu diesem Thema
ausführlich beschrieben (Kapitel Erhalt der Kulturlandschaften und gebauten
gebaute Kulturen), ist
die traditionelle Bewirtschaftung
irtschaftung notwendig um die traditionelle Kulturlandschaft
Kulturlandsc
zu erhalten.
Abb. Landschaft Siebenbürgen
Abb. Traditionelle
le Milchviehhaltung
Milchvieh
(Quelle: eigene Bilder im Rahmen der Sommeruni
S
2014)
Ein Problem stellen u.a. die EU-Subventionen
EU
(Flächenprämie) dar. Die meisten
me
Bauern in
Rumänien sind Kleinproduzente
inproduzenten mit wenig Land. Die EU-Gesetze
setze sind auf
a Großbetriebe
ausgerichtet, kleine Höfe profitieren
profitie
am wenigsten davon. Auch die Hygienestandards
Hygienes
müssen
eingehalten werden,, was für viele
v
kostspielig ist. Davon sind
nd auch kleine
kle
Betriebe in
Deutschland, vor allem in Bayern
Bayer betroffen, wo landwirtschaftlich
lich genutzten
genutzte Flächen durch
eine kleinbäuerliche Struktur geprägt
gep
sind.
Während in Deutschland
land viele Landwirte die Betriebsgröße erweitert haben
en, nach dem Motto
„Wachsen oder Weichen“, machen sich in Rumänien immer
mer mehr Investoren und
Agrarspekulanten breit. Aufgefallen
Aufgefa
sind auch Felder der Firma Bayer und Pioneer. Hier
handelt es sich höchstwahrschein
stwahrscheinlich um Versuchsfelder.
Mit der Reform der Gemeinsamen
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) im Zeitraum
um 2014 bis 2020, sollen die
Direktzahlungen an landwirtschaftliche
landwirtsch
Betriebe mit Greening-Komponen
nenten (Erhalt von
Dauergrünlandflächen (Wiesen und Weiden), Vielfalt beim Anbau
nbau von
vo Kulturen auf
Ackerflächen, Bereitstellung „ökologischer Vorrangflächen“ auf 5 Prozent des Ackerlands)
gekoppelt werden. Dies ist erst einmal ein guter Ansatz und Anreiz, hatte doch schon
Raymond McSharry (Mitglied der Europäischen Komission 1989-1993) die Grundidee,
Fördergelder an ökologische Maßnahmen zu koppeln.
Laut Studie des BfN (Bundesamt für Naturschutz) kann die neue“ Greening-Komponente nur
Wirken, wenn sie in großem Umfang Akzeptanz findet und von vielen Landwirten und in
allen Landschaften, insbesondere in Intensivregionen umgesetzt werden. Zudem dürfen die
Greening-Anforderungen nicht aufgeweicht werden, was aber von vielen Agrarministern der
EU-Mitgliedsstaaten versucht wird. Es gibt durchaus eine wachsende Bereitschaft der
Landwirte, ökologisch zu wirtschaften. Die Umstellung des Betriebes auf Ökolandbau bringt
aber viel Bürokratie mit sich, die Vorgaben der EU sind schwierig umsetzbar. Manche
Landwirte stellen aus diesen Gründen wieder auf eine konventionelle Bewirtschaftung um,
obwohl sie von der Überzeugung her ökologisch wirtschaften wollen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit der Stiftungen dazu beiträgt, einen Großteil des
soziokulturellen Erbes zu bewahren und die Bauern so zu unterstützen, dass sie ihre Höfe
nicht aufgeben müssen. Der Ansatz der Direktvermarktung, regional produzierter Produkte ist
für mich sehr sinnvoll. Im Hinblick auf den zunehmenden Konkurrenzdruck durch den
Lebensmitteleinzelhandel, ist auch der Verbraucher gefragt. Durch ein Bewusstsein für
gesunde, regionale Nahrungsmittel sowie die Wertschätzung der Arbeit, kann er ebenso zur
Unterstützung der bäuerlichen Familien beitragen.
Rola Kramer, M.A.
Philipps-Universität Marburg
FB 03, Institut für Kulturwissenschaft/ Europäische Ethnologie
(Ökodorf Gömörszőlős)
Erfahrungsbericht
SummerSchool „Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch“
(Ungarn und Rumänien, 2014)
Vom 13. Juli bis zum 27. Juli 2014 waren wir, eine Gruppe Studierender verschiedener
Fachrichtungen (Geographie, Linguistik, Sozialökonomie, Agrarwissenschaft, Tourismus,
Kulturwissenschaft) in Rahmen der SummerSchool „Von der Puszta in die Karpaten –
Kulturlandschaften im Umbruch“ in Ungarn und Rumänien. Die SummerSchool wurde von
der
Geographischen
Fakultät
der
Babes-Bolyai
Universität
in
Cluj,
Rumänien
in Zusammenarbeit mit der Universität Debrecen, Abteilung für Umweltschutz und
Umweltgeographie, organisiert. Die Leitung und Durchführung machten Prof. Dr. Schreiber
und Dr. Kinga Xénia Havadi-Nagy, Fakultät für Geographie, der Babes-Bolyai Universität.
Wir starteten in Ungarn, Budapest, und verbrachten einige Tage am Theiss-See und im
Ökodorf Gömörszőlős. Weitere Stationen befanden sich in Rumänien: Baia Mare, Cluj, Rosia
Montana, Sibui (dt. Hermannstadt), Saschiz, Viscri (dt. Deutsch-Weisskirch), Sighişoara (dt.
Schässburg) - Die verschiedenen Orte erreichten wir mit Bus und Bahn, wobei wir vor allem
mit einem kleinen Reisebus durchs Land gefahren sind. (Die Reise mit Busfahrern aus
Rumänien und Ungarn war sehr abenteuerlich –)
Wir haben durch die vielen Stationen einige Städte und Orte verschiedener regionaler,
kultureller Schwerpunkte gesehen, viele lokale Projekte kennengelernt, und haben einen
Eindruck von Gegebenheiten und Herausforderungen dieser Regionen bekommen. Durch
(kritische)
Stadtführungen,
Gespräche
mit
Experten
(Stadtplanern,
Stiftungen,
Umweltschützer), Vorträge, Werkführungen (Bergwerk, Lebensmittel-“Industrie“) und eigenen
Entdeckungen, haben wir bei jeder Station regionale Besonderheiten kennengelernt - wie
(lokales) Essen, Bevölkerung, Wohnkultur, Agrarwirtschaft und Imagepolitik, regionale
Ökonomie, - Ökologie, Protest, Versuch von Landschaftsveränderung, -umstrukturierung, etc.
Mir haben zwei Aufenthaltsorte am Besten gefallen: Deutsch-Weisskirch und Cluj.
Siebenburgen, besonders Deutsch-Weisskirch, bleibt mir in Erinnerung, da wir in
traditionellen Betten (Schubladen!) in privaten Haushalten (Pensionszimmer) gewohnt haben.
Dieses kleine Dorf war sehr idyllisch. Hier haben wir auch einen kleinen Einblick in das
Leben der Dorfeinwohner_innen bekommen, da wir durch die Unterkunft im direkten
Austausch
mit
ihnen
waren
und,
durch
den Aufenthalt,
das Alltagsleben
der
Dorfbewohner_innen mitbekommen haben.
In Cluj haben wir die meiste Zeit verbracht und die Stadt in verschiedenen Aspekten
betrachtet, wie
Einzug
von
die kulturelle Entwicklung, Nischenprojekte, post-sowjetischen Spuren,
Kapitalismus,
Festivalisierung,
Sicherheit,
Well-being-Versuche
durch
Grünanlagen, Studentenleben und Wissenschaftsgeschichte. Da unsere SummerSchool-Leiter
aus Cluj kamen, haben wir auch viele Hintergrundinformationen zur Stadt(-geschichte), Leben
in der Stadt und Herausforderungen der Stadtentwicklung bekommen. - Das machte Cluj
besonders spannend.
(Cluj)
Alle anderen Stationen sind leider, meiner Meinung nach, etwas kurz gekommen. Die
thematische, hinterfragte, kritische Auseinandersetzung zu den verschiedenen Stationen hat
mir gefehlt. Wir haben sehr viel Zeit im Reisebus verbracht, um zu den verschiedenen
Standorten zu gelangen, so dass wenig Zeit für eine (geleitete) Diskussionsrunde war. Schade
ist, dass Raum gefehlt hat, sich mit den Experten vor Ort über regionale Veränderungen
auseinander zu setzen und in der interdisziplinären Gruppe Gesehenes zu reflektieren.
Ansonsten war es sehr interessant. Wir hatten schönes Wetter, haben viel gesehen, viel
mitbekommen, viel erlebt und die Verpflegung war sehr umfangreich. Die Organisation war
sehr gut, und das Programm war vielfältig. Und Lust auf einen längeren Aufenthalt in
Rumänien habe ich auch bekommen.
(Wanderung am Theiss-See, Ungarn)
(Bergbau-Besichtigung Baia Maire, Rumänien)
8
Erfahrungsbericht von Stefan Bloßfeldt (DAAD)
Aufgrund meiner Teilnahme an einer Go-East Summerschool in Albanien im Jahr 2012 war ich
bereits seit längerem auf das Sommerschulangebot des DAAD aufmerksam geworden
gewesen. In der Hoffnung die gute Erfahrung von damals zu wiederholen, habe ich das
diesjährige Programm nach einem für mich interessanten Angebot durchgesehen und wurde
auch sogleich fündig.
Insbesondere das Programm der in Ungarn und Rumänien
stattfindenden Sommerschule „Von der Puszta in die Karpaten: Kulturlandschaften im
Umbruch“ sprach mich an, woraufhin ich meine Bewerbung einreichte. Mein besonderes
Interesse lag vor allem an der thematischen Ausrichtung. Ich versprach mir eine
Auseinandersetzung mit mir bekannten als auch unbekannten Aspekten der Raum- und
Stadtplanung, sowie der Regional- und Kulturlandschaftsentwicklung innerhalb von zwei mir
bis dahin fremden Ländern. Insofern habe ich mich sehr über die Möglichkeit gefreut letztlich
teilnehmen zu dürfen.
Die Sommerschule selbst war dabei selbst in Form einer großen Exkursion organisiert, die
sich von Budapest ausgehend mit mehreren Zwischenstationen durch die Puszta hindurch
nach Siebenbürgen und in die Karpaten fortsetzte und letztlich in Cluj-Napoca endete. Die
ersten Tage der Reise verbrachten wir daher in Ungarn am Theiss See, dem Hortobagy
Nationalpark, einem Dorf namens Gömörszőlős und in Debrecen. Hierbei ging es
insbesondere um Fragen des Umweltschutzes, der Kulturlandschaftsentwicklung und der
Nachhaltigkeit. Diese Aspekte wurden entsprechend zu den jeweiligen Standorten in Kontext
gesetzt, so dass am Theiss See vor allem das touristische und ökologische Potential der Region
zur Sprache kam, während in Debrecen eher auf Themen der ökologischen Stadtentwicklung
eingegangen wurde.
Der zweite Teil unserer Sommerschule führte uns dann schließlich nach Rumänien, wo wir
zunächst Baia Mare besuchten. Die von Industrie und Bergbau geprägte Stadt kämpft mit
diversen ökologischen Problemen und erlangte durch eine Umweltkatastrophe im Jahr 2000
traurige Bekanntheit. Dabei gelangten im Zusammenhang mit einem Dammbruch
Chemikalien in den regionalen Wasserkreislauf und kontaminierten Gewässer bis hin nach
Ungarn. Die Eindrücke dieser Stadt sollten uns thematisch bereits auf das einstimmen, was
wir später noch in dem Dorf Rosia Montana erfahren durften. Hierbei handelt es sich um
einen peripher gelegenen Ort, in dessen Umfeld ebenfalls unter Einsatz von Chemikalien Gold
gefördert werden soll. Wenngleich die damit verbundenen ökologischen Konsequenzen in
Baia Mare offensichtlich sind, gibt es insbesondere aus finanziellen Gründen durchaus
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Stimmen für eine solche Förderung. Das gilt etwa auch für die Dorfbewohner selbst, denen
sonstige Einnahmequellen fehlen. Letztlich ist Rosia Montana jedoch keineswegs mehr nur ein
Streitthema der lokalen Bevölkerung, sondern gilt als Sinnbild des Protests gegen
Umweltzerstörung und korrupte Politik im ganzen Land.
Über den Themenkomplex des Bergbaus hinaus, beschäftigten wir uns in Rumänien auch mit
Stadtplanung und Stadtentwicklung. Zunächst geschah das vor allem in Cluj-Napoca, welches
wir zuerst besuchten. Hier gab es neben einer historischen Stadtführung auch einige
Gelegenheit sich mit jüngeren Phänomenen der Stadtgeschichte zu befassen. Beispielsweise
besichtigten wir das Plattenbau Viertel Monastur an dessen Rändern sich beispielsweise die
ungezügelte Suburbanisierung der post-sozialistischen Zeit nachvollziehen ließ. Außerdem
konnten uns mit Aktivisten unterhalten, die sich für die Reaktivierung gewisser öffentlicher
Räume in Monastur einsetzen und erhielten wir einen Einblick in die angesagte Kunstszene
von Cluj.
Mit der Festivalisierung historischer Innenstädte und deren Sanierung sprachen wir dann in
Hermannstadt und Shigisoara zwei weitere, sehr aktuelle Aspekte der Stadtentwicklung an.
Auch hier konnten wir uns dank der Gespräche mit verschiedenen Akteuren - wie etwa einem
Aktivisten und einem Stadtplaner - erneut ein breites Problemverständnis dieser Themen
erschließen. Darüber hinaus setzten wir uns in diesen Städten verstärkt mit der Thematik der
Siebenbürger Sachsen und ihres Einflusses auf die Region auseinander. Besonders
eindrucksvoll waren in diesem Zusammenhang sicherlich auch die vielen sächsischen Dörfer
mit ihren Kirchenburgen. Neben der Besichtigung dieser konnten wir in die alltäglichen und
zum Teil erheblichen Probleme der ländlichen Bevölkerung in Siebenbürgen einblicken. Dabei
war besonders interessant wie verschiedene NGOs aber auch einzelne Personen versuchen
diese Probleme in ganz unterschiedlicher Weise anzugehen, um letztlich eine positive
Entwicklung der Region herbeizuführen. So gibt es etwa Initiativen zum Erhalt der
einzigartigen Biodiversität oder des gebauten Kulturerbes dieser vormals mehrheitlich
sächsisch besiedelten Regionen. Andererseits wurde deutlich, dass es sich sogar für
grundlegende Infrastrukturen, wie etwa eine Kläranlage, mit mühsamer, politischer Arbeit
gegen Partikularinteressen und Korruption durchzusetzen gilt.
Mit den vielen Eindrücken der Reise ausgestattet wurden die hier kurz angerissenen Themen
schließlich am Ende der Sommerschule dann noch einmal von uns Studenten aufgearbeitet,
um eine abschließende Reflexion im Kreis der Teilnehmer zu ermöglichen. Dabei freut es
mich in der Retrospektive sagen zu können, dass sich meine Erwartungen in jeglicher Hinsicht
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absolut erfüllt haben. Aus fachlicher Sicht konnte ich mein zuvor erworbenes Wissen des
Öfteren an- und einbringen, während ich gleichzeitig viel Neues dazu lernen durfte. Xenia
Havadi hatte es geschafft ein stimmiges, thematisch absolut vielfältiges und interessantes
Programm zu erstellen, welches dennoch genug Zeit ließ, um auch hin und wieder individuell
Eindrücke von der Puszta und Siebenbürgen sammeln zu können. Insofern kann ich die
Sommerschule nur wärmstens empfehlen und freue mich, dass ich dieses Jahr Teil davon sein
durfte.
DAAD Go EAST Summerschool 2014
Fakultät für Geographie der Universität Babes-Bolyai in Cluj Rumänien
Von der Puszta in die KarpatenKulturlandschaften im Umbruch
Fidel Hauck
Bsc. Umweltwissenschaften
Leuphana Universität Lüneburg
Erwartungen
In den letzten Jahren habe ich mich zeitweise sehr intensiv mit der (nachhaltigen)
Regionalentwicklung Bulgariens und Serbiens beschäftigt. Nachdem Teile meiner Familie und meines
Freundeskreises, teils mit touristischen teils mit wissenschaftlichen Motiven Rumänien besucht
haben, wurde bei mir nun dieses Jahr endgültig das I teresse a ei e „Ke e ler e “ des eit
entfernten Ost-europäis he La des ge e kt. Ei e So
ers hule i Rah e des „GoEastProgra
s“ ar für i h or der Reise o h zie li h u eka t, urde ir aber von einer
Kommilitonin wärmstens empfohlen, sodass ich mich kurzerhand für diese Sommerschule
entschlossen habe.
Besonders gespannt war ich auf den wissenschaftlichen Kontext der Reise. Darüber hinaus habe ich
mir einen tieferen Einblick in die gesellschaftliche Entwicklung von Ungarn und Rumänien durch die
Begleitung der Reise durch die aus Cluj stammenden Wissenschaftlerin und Wissenschaftler erhofft.
Nordostungarn
Die Sommerschule begann für den größten Teil der Teilnehmenden mit einer (Nacht-)Zugfahrt nach
Budapest. Dort empfing uns Xenia Havadi, die Organisatorin der Sommerschule. Von Budapest ging
es mit dem Zug weiter nach Poroszló, einem kleinen Dorf am Rande des Theiss-Sees, wo wir die
folgenden drei Tage verbracht haben. Von dort aus haben wir einen Einblick in das touristische
Potenzial und die Artenvielfalt des Theiss-Sees und des Hortobagy-Nationalparks bekommen.
Programmpunkte für den ersten Tag waren die Besichtigung des Sees mit einem Boot, ein Rundgang
auf de „Theiß lu e -Lehrpfad“ und eine Besichtigung des Ökozentrums in Poroszló. Besonders
bemerkenswert war die hohe Vielfalt an Brut- und Rastvögeln auf dem See und die Größe und
Attraktivität des Ökozentrums in dem relativ kleinen Ort. Am darauf folgenden Tag besuchte die
Gruppe die Verwaltung des Hortobagy-Nationalparks, der eine der größten Steppenlandschaften in
Europa abdeckt. Beeindruckend war, dass die Verwaltung eines Nationalparks in Ungarn für
sämtliche Umweltbelange in der entsprechenden Region zuständig ist. Die Finanzierung der
Nationalparks wird dabei nur von einem sehr geringen Teil vom Staat selber getragen. Die größte
Säule der Finanzierung sind Drittmittelprojekte, die hauptsächlich aus dem Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung (EFRE) getragen werden. Somit ist ein nicht geringer Teil der Verwaltung
dauerhaft damit beschäftigt Drittmittel einzuwerben.
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Als letzte Station in Ungarn hat
die Gruppe das Ökozentrum im
Dorf Gömörzölös, nahe der
Slowakischen Grenze besucht.
Dort wurde die Arbeit des
Zentrums, die Dorfentwicklung
und besondere Projekte im Dorf
vorgestellt. Bemerkenswert
waren, der stetige und rasante
Bevölkerungsrückgang und die
noch immer mäßige
Verankerung des Ökozentrums
in Dorf. Auf der anderen Seite,
war die Ortsvorsteherin sehr
engagiert und auch erfolgreich
in der Stärkung des
Zusammenhalts im Dorf. Auf
der Fahrt nach Rumänien hat
die Gruppe noch einen Stopp in
der Industrie- und
Universitätsstadt Debrecen
eingelegt. Dort hat Dr. Bodnár
Réka eine Stadtführung zur
The atik „Geographie der Stadt
und Na hhaltige E t i klu g“
angeboten.
(Permakulturgarten in Gömörzölös; eigene Aufnahme 2014)
Nordwestrumänien/Transsylvanien
In Rumänien haben wir den Betrieb der Romaltyn Mining S.R.L. besucht. Die Firma hat sich auf die
Extraktion von Edelmetallen aus Abraumhalden spezialisiert. Während der Abbauprozesse leitet die
Firma die hochgiftige Chemikalie Zyanid in den Abraum ein und entzieht anschließend die
förderbaren Mengen an Silber und Gold. Abschließend wird der erneute Abraum nach aktuellen
Umweltauflagen endgelagert. Die Betriebsführung hat die enormen Mengen an Gestein, die bewegt
werden, sehr plastisch anschaubar gemacht.
Die zweite Woche der Sommerschule führte uns nach Cluj, wo wir in verschiedene Aspekte der Stadtund Regionalentwicklung sowie –planung eingeführt wurden. Anhand einer ausgiebigen
Stadtführu g, die u s o de Ze tru i die Stadtteile Mă ăștur und Floresti brachte, haben wir
uns einen Überblick über die Stadt verschafft. Jedes der drei Viertel steht exemplarisch für eine
Epoche des Städtebaus. Bemerkenswert sind dabei die enormen Unterschiede zwischen historischer,
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sozialistischer und moderner Bauplanung oder besser mangelnder moderner Bauplanung von
öffentlicher Seite.
(Freifläche in Cluj- Mă ăștur; eige e Auf ah e
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I Rah e der Stadtführu g ha e
ir Me s he o der I itiati e „La Tere uri“ getroffe , die
Freiflä he i de i die Jahre geko
e e Neu au iertel „Mă ăștur“ erhalte u d eugestalte
wollen. Ihr Ziel ist neben dem Verhindern einer Bebauung der letzten Grünflächen am Rande des
über 120.000 Einwohner zählenden Viertels auch die Stärkung des Zusammenhalts der Menschen im
Viertel und deren positive Identifikation mit dem Viertel. Der Besu h i der „Fa ri a de Pe sule“,
einem Ausstellungsraum und Atelier für Zeitgenössische Kunst hat einen anderen Teil von Cluj
gezeigt. Die Stadt hat eine große KünstlerInnen-Szene, die sich anhand vieler Festivals, Events,
Graffiti und nicht zuletzt dem ersten selbstverwaltetem Künstlerhaus Rumäniens (s.o.) zeigt.
Am 9. Tag der Sommerschule hat die Gruppe das Bergbaudorf Rosia Montana besucht. Der Ort kann
auf eine über 2000 jährige Bergbaugeschichte zurück blicken. Die noch vorhandenen römischen
Galerien (Stollen) zählen zu den wenigen noch erhaltenen in ganz Europa. Nach dem
Zusammenbruch des Ceausescu-Regimes musste der Bergbaubetrieb 2006 aus wirtschaftlichen
Gründen eingestellt werden. Im Jahr 1999 hat der kanadische-rumänische Misch-Ko zer „Rosia
Montana Gold Corporation“ ei e Förder ertrag für Gold u d Sil er aus der Regio u Rosia
Montana mit dem rumänischen Staat gezeichnet. Die Pläne des Bergbaukonzerns beinhalten die
Sprengung von vier Bergen, die Umsiedlung von 16 Gemeinden und den Einsatz von 12.000 Tonnen
Zyanids pro Jahr. Gegen diesen massiven Eingriff in Landschaft, Natur und Kultur(-geschichte) hat
sich, seit bekannt werden des Vertrages, massiver Wiederstand gebildet. Die Bewegung gegen den
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Gold-Tagebau gilt als größte Umweltbewegung, die sich je im Rumänien gebildet hat und ist damit
auch die größte Protestbewegung nach dem Umsturz des Ceausescu-Regimes 1990.
(Blick auf Saschisz – typische Landschaft in Transsylvanien; eigene Aufnahme 2014)
Im Anschluss an die Abstecher aufs Land führte uns die Exkursion nach Sibiu (Hermannstadt), wo wir
uns erneut über städtebauliche Planung und Restauration diesmal im Rahmen der Ernennung Sibius
zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007, informierten. Von dort aus ging es weiter nach ViskriDeutsch-Weisskirch, wo wir die Arbeit des Mihai Eminescu Trust (MET) kennen gelernt haben. Auf
dem Weg haben wir noch die ADEPT – Stiftung besucht. Diese fördert den Erhalt des soziokulturellen
Erbes unter Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen der Regionalentwicklung. Sowohl die ADEPTStiftung, als auch der MET zeichnen sich dabei durch eine ganzheitliche Herangehensweise aus, die
sowohl die ökologische, ökonomische als auch die soziale Dimension der Projektgebiete in den Blick
nimmt. Am vorletzten Tag der Exkursion haben wir Sigishoara besucht. Dort haben wir den
Aktivisten Hans Hedrich getroffen, der uns Einblicke in die Verstrickung der Lokalregierungen
und den mafiösen Strukturen, die sich aus den Netzwerken der Securitas hervorgegangen sind,
gegeben hat. Das aktuell in Sigishoara statt findende Mittelalter-fest war auch ein gutes Beispiel,
für die oft als a gespro he e „Festi alisieru g der I e städte“.
Am Ende der Sommerschule sind wir erneut nach Cluj gereist. Dort haben am Samstag unsere
Abschlusspräsentationen vorbereitet und gehalten. Bei einem leckeren Abendessen konnten wir
uns voneinander verabschieden.
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Fazit
Den Einblick in die Landschaft und Kultur, den wir während der verschiedenen Führungen durch
die Menschen vor Ort bekommen haben, war sehr beeindruckend. Ich denke, dass die
Perspektive der aus der Region stammenden RednerInnen besonders wertvoll war, da die lokale
Geschichte und Besonderheiten immer mitgedacht wurden. Diese lokale Perspektive habe ich
bisher bei Exkursionen meiner Heimat-Universität in andere Regionen häufig vermisst. Für weite
Exkursion in ein dem Studierenden fremdes Land, würde ich immer eine Sommerschule einer
Universität des Gastlandes, einer Exkursion der Heimat-Universität des Studierenden vorziehen.
Dies würde ich auch jeder meiner KommilitonInnen weiterempfehlen. Besonders möchte ich
mich hier bei Herrn Schreiber bedanken, der trotz seines fortgeschrittenen Alters die Gruppe bei
der Exkursion begleitet hat. Sein umfangreiches Allgemeinwissen, das er gerne Preis gegeben
hat, ar für i h, ie ei e e s hli hes „Audio-Lexiko “, as zu jede Phä o e i der
Landschaft oder in der Kultur einen Beitrag parat hatte. Zu diesem Allgemeinwissen konnte
Xenia Havadi durch Einblicke in neuere gesellschaftliche Entwicklungen und Beiträgen aus der
aktuellen Regionalforschung passend ergänzen. Die unterschiedlichen Hintergründe und
Erfahrungen der TeilnehmerInnen haben die Exkursion an manchen Stellen noch mit aktuellen
Theorien (z.B. zur Entwicklung der Post-sozialistischen Stadt) abgerundet.
(Blick auf Sibiu; eigene Aufnahme 2014)
Mein Interesse für Transsylvanien wurde durch die Exkursion weiter verstärkt und ich werde
hoffentlich die Gelegenheit nutzen, mich noch einmal länger die Region zu studieren.
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Xénia Havadi
Die Sommerschule entfaltete sich zu einer lehrreichen Veranstaltung für alle Teilnehmer und
Mitwirkenden. Zielsetzung kann als erfüllt betrachtet werden: den Teilnehmern wurden Einblicke in
eine eher unbekannte Region gewährt, ihre Vielseitigkeit vermittelt und Interesse für die Vertiefung
des Kennenlernten erweckt.
Besten Dank für die aktive und interessierte Beteiligung der Studenten und für die Unterstützung der
Fachleute und Mitwirkenden. Nicht zuletzt ein Danke schön selbstverständlich auch an den DAAD für
die Unterstützung der Sommerschule.
Über den Sinn einer Sommerschule im Ausland
Sommerschulen im Ausland sind eine wertvolle Studienergänzung. Sie haben, erstens,
ein Thema, in unserem Fall „Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im
Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa“ und
lassen, zweitens, Länder erleben, die man nur aus der Literatur kaum richtig erfassen kann.
Gerade in ehemaligen Ostblockstaaten bleiben dem Mitteleuropäer viele Entscheidungen,
auch solche auf dem Gebiet der Raumplanung und -nutzung, unverständlich, weil sie auf
politischen, historischen, ethnischen oder konfessionellen Hintergründen fußen, die im
Mitteleuropa eine andere Bedeutung oder Wirkung hätten.
Aus diesem Grund wurden in unserer Sommerschule, in Rumänien, besonders die von
reformierten Ungaren und evangelischen Sachsen gestaltete Räume Siebenbürgens
(Transsilvaniens) besucht und analysiert. Wenn sich auch die ethnischen Verhältnisse,
besonders nach der Wende, stark verändert haben, so bleibt die historische Kulturlandschaft
doch noch für Jahrzehnte oder Jahrhunderte aufschlussreich bezüglich der ehemals
bestehenden charakteristischen Planungs- und Nutzungsmuster.
Die Sommerschule in Ungarn und Rumänien hat den Studierenden nicht nur
zahlreiche Schönheiten der Länder gezeigt, sondern ihnen auch Erfolge und Schwierigkeiten
in der Raumplanung, sowohl im ländlichen als auch im städtischen Umfeld gezeigt. Dabei
hatte die auf Exkursionen fußende Schule interdisziplinären Charakter und vermittelte (Er)Kenntnisse aus den Bereichen Geographie, Geschichte, Soziologie, Urbanistik,
Ethnographie, Wirtschaft u.a. Die zahlreichen Gespräche mit Fachleuten verschiedenster
Ausrichtung sicherten eine enge Beziehung zwischen Theorie und Praxis.
Die finanzielle Unterstützung durch den DAAD war bei unserer Sommerschule von
größter Bedeutung, da im Allgemeinen die Möglichkeiten der jungen Generation noch
beschränkt sind. Gleichzeitig war auch die Teilnahme von Studierenden von verschiedenen
deutschen Universitäten und von verschiedenen Fachausrichtungen günstig, besonders auch in
der Teambildung und die Knüpfung von Freundschaften, die die Jahre überdauern werden.
Wir danken dem DAAD auch für die Auswahl von interessierten und gut vorbereiteten
Studenten.
Dr. Wilfried Schreiber
Hauptforscher an der Rumänischen Akademie der Wissenschaften
Ehem. Lehrstuhlinhaber für Regionale Geographie
an der Babes-Bolyai.-Universität Cluj/Klausenburg
Standorte und Themen...eine Auswahl
Unterwegs auf dem Theiß-See, Ungarn
Vortrag von einer Biokomposttoilette in Gömörszőlős, Ungarn
Industrielle Altlasten in Baia Mare, Rumánien
Umstrittene Bergbauprojekte, Roşia Montană, Rumänien
Einer der über 200 siebenbürgischen Kirchenburgen, Viscri (Deutsch Weißkirch), Rumänien
Aufschlußreiches Gespräch mit der ADEPT-Stiftung, Saschiz (Keisd), Rumänien
Stadtführung mit Herrn Professor Schreiber, Sibiu (Hermannstadt), Rumänien
Restaurierung siebenbürger-sächsischer Häuser; der Ziegelbrenner von Viscri, Rumänien