PusztaKarpaten_Sommeruni2014_Endbericht
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PusztaKarpaten_Sommeruni2014_Endbericht
Von der Puszta in die Karpaten Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa Sommerschule im Rahmen des DAAD Go east Programms 13. - 27. Juli 2014 Abschlußbericht INHALTSÜBERSICHT Einführung, Veranstalter und Mitwirkende Das ausführliche Programm der Veranstaltung Schwerpunkte der Sommerschule – Beiträge der Teilnehmer Ausgewählte Literatur Weiterführende Links Die Teilnehmer der Sommerschule sowie ihre Eindrücke und Erfahrungen Abschließende Worte der Veranstalter Einige weitere Bilder EINFÜHRUNG Das Programm wurde von der Fakultät für Geographie der„Babeș-Bolyai“ Universität, Cluj-Napoca im Rahmen der DAAD Initiative Go east vom 13. bis 27. Juli 2014 durchgeführt Inhalt und Zielsetzung der Sommerschule Diese länderübergreifende Sommerschule verleiht Einblicke in die Problematik von Raumplanung und Regionalmanagement in Rumänien und Ungarn. Anhand ausgewählter Beispiele werden Themen und Aspekte der nachhaltigen Planung sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum erörtert. In ländlichen Regionen werden vorbildhafte Fallbeispiele vorgestellt, wo durch innovative Programme und Projekte versucht wird der drohenden Abwanderung und der Auflösung traditioneller dörflicher Strukturen entgegegenzuwirken. Dabei bemüht man sich auch die bedrohte reiche Biodiversität der traditionellen Kulturlandschaften aufrechtzuerhalten (Naturschutz) und gleichzeitig den vielfältigen Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung gerecht zu werden. Die rasante Entwicklung nach 1990 stellt nicht nur für den ländlichen Raum, sondern auch für die Stadtplaner und –architekten eine grosse Herausforderung dar. Wirtschaftliche Umstrukturierung, Verkehrsplanung und Zersiedelung sind einige der grössten Probleme, welche nachhaltige Lösungen erfordern. Wichtige Akteure in diesem spannenden Prozess sind, insbesondere im ländlichen Raum, die lokale Bevölkerung und ihre Initiativen. Gespräche mit Projektkoordinatoren, Stadtplanern, Geländeexkursionen, Vorlesungen, Führungen sollen den Teilnehmern die laufenden Entwicklungen und Trends zugänglich machen und zum nachdenken anregen. Die Kombination von aktuellen und kulturhistorischen Ansätzen vermitteltn den Studenten aufschlussreiche Erkenntnisse über ein Zielgebiet, dessen Räume und Regionen in Zentraleuropa meist nur oberflächlich bekannt sind. Programmkoordinatoren: Dr. Kinga Xénia HAVADI-NAGY und Univ. Dozent Dr. Wilfried SCHREIBER Hiermit möchten wir uns bei folgenden Personen für Ihre Unterstützung und Mitwirkung herzlichst bedanken: Drd. Bodnár Réka, Lehrstuhl für Landschaftsschutz und Umweltgeographie, Uni Debrecen Dr. Borbála Benckhard, Lehrstuhl für Landschaftsschutz und Umweltgeographie, Uni Debrecen Dr. Gyulai Iván, Direktor vom Ökologischen Institut für nachhaltige Entwicklung, Ungarn Aurelian Brancus, Bergbauingenieur Baia Mare, Rumänien Mitarbeiter der Romaltyn Mining, Baia Mare Madalina Stanescu, Managerassistentin Fabrica de Pensule, Cluj Dr. Laura Panait, ColectivA, Proiect “La Terenuri”, Cluj Michael Engel, Heritas Stiftung, Sibiu Ben Mehedin und Laura Chirila, Mitarbeiter der ADEPT Stiftung Caroline Fernolend, Mihai Eminescu Trust Hans Hedrich, Organizatia Sighisoara Durabila (Nachhaltige Schässburg), Sighisoara Michael Schneeberger AUSFÜHRLICHES PROGRAMM Änderungen im Ablauf) 1. Tag DER VERANSTALTUNG (ursprüngliche Fassung, ohne nachträgliche Anreise und Einführungsveranstaltung Am Vormittag des Anreisetages werden die Teilnehmer am Budapester Keleti Bhf. empfangen. Von da geht es mit der Bahn weiter nach Poroszló am Theiss-See, der ersten Station der Sommerschule. Nach Zimmerbezug und Mittagessen finden die Einführungsveranstaltung und eine landeskundliche Vorlesung zur Region statt, gefolgt von einem kurzen Spaziergang durchs Dorf und Abendessen. 2. Tag Naturschutzgebiet Theiss-See, Ökozentrum und Gespräch mit Bürgermeister Der Theiss-See, Ungarns grösster künstlicher See, liegt in der Grossen Ungarischen Tiefebene. Zur Regulierung des Theiss-Hochwassers ausgehoben, entwickelte sich der See und seine Umgebung zu einem weitgehend geschützten Lebensraum mit grossem Vogel- und Fischreichtum. Die Region bildet heute ein beliebtes Erholungsgebiet für Naturliebhaber. Unter kundiger Führung befahren wir mit dem Boot einige der Seebecken, begehen einen Lehrpfad und lernen die vielfältige Flora und Fauna kennen. Schwerpunktmässig geht es auch um Massnahmen, welche die Natur den Besuchern zugänglich machen ohne das Ökosystem zu gefährden. Nach dem Mittagessen besuchen wir in Poroszló das 2012 eröffnete Ökozentrum, Präsentationsstelle dieser ökologischen Schutzregion. Weiterhin ist ein Gespräch mit dem Bürgermeister von Poroszló geplant, wo raumplanerische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte des Dorfes am Theiss-See angesprochen werden. 3. Tag Hortobágy Nationalpark Nach der vom Wasser geprägten Landschaften des Theiss-Sees, erforschen wir heute die trockenen Weiten der Ungarischen Tiefebene. Die Steppenlandschaft von Hortobagy, über Jahrhunderte durch traditionelle Weidetierhaltung extensiv genutzt, steht heute grösstenteils unter Schutz.. Der 1973 gegründete Nationalpark bewahrt die einmalige Pusztalandschaft mit ihren Hirtentraditionen, den alten ungarischen Haustierassenund bietet ideale Brut- und Nahrungsplätze für die äusserst vielfältige Vogelwelt. Die Erhaltung, der Schutz und gleichzeitig eine „touristische” Nutzung dieser Region bedeuten eine grosse Herausforderung. Wir lernen die verschiedenen Massnahmen und Programme unter kundiger Führung von Vertretern des Nationalparks kennen und erhalten Einblick in das Management eines der bedeutendsten Naturschutzgebiete von Osteuropa. Spätnachmittag fahren wir zur nächsten Station der Sommerschule: das Ökodorf Gömörszőlős. 4. Tag Ökodorf Gömörszőlős Mit Hilfe verschiedener Drittmittelfinanzierungen führt das ungarische Institut für nachhaltige Entwicklung (“Ökológiai Intézet a Fenntartható Fejlödésért Alapítvány”) aus Miskolc mehrere modellhafte Projekte zur Entwicklung und Wiederbelebung des benachteiligten ländlichen Raumes in der Region Nord Borsod durch. Ein Modellprojekt in Partnerschaft mit dem deutschen Verein “Ökologischer Tourismus in Europa e. V.” konzentrierte sich auf das ungarische Dorf Gömörszölös. Die Entwicklung eines sozial- und umweltverträglichen Tourismus mit der Förderung und Unterstützung nachhaltiger, regionaler Arbeits- und Produktionsweisen dienten als Instrument zur Erhaltung der traditionellen von Streuobstwiesen geprägten bäuerlichen Kulturlandschaften mit ihrem speziellen Arteninventar. Unter fachlicher Führung und durch Gespräche mit involvierten Akteuren lernen wir heute die Bausteine und die Ergebnisse des Projektes kennen. 5. Tag Fahrt nach Baia Mare (Rumänien); Landeskundliche Informationen Am Morgen treten wir per Bus und Bahn die Reise nach Baia Mare, den ersten rumänischen Standort der Veranstaltung, an. Auf der Zugreise und nach der Ankunft in Baia Mare werden landeskundliche Einblicke in die Region Siebenbürgens und Rumäniens gewährt. Nach dem Zimmerbezug ist auch eine kleine Stadtführung durch Baia Mare vorgesehen. 6. Tag Bergbaugebiet Baia Mare (ung. Nagybánya); Altlasten, Industriebrache Baia Mare ist eine Stadt im Nordwesten Rumäniens über Jahrhunderte und bis in die neuste Zeit geprägt durch den Bergbau. Der Reichtum und der Umgang mit den Bodenschätzen (Edel- und Buntmetallen) brachten der Stadt aber auch Probleme: Im Jahre 2000 ereignete sich bei Baia Mare der Dammbruch einer Absetzanlage für metallurgische Abfälle, der eine schwere Umweltkatastrophe durch Freisetzung von Natriumcyanid und Schwermetallen in den Boden und die Gewässer zur Folge hatte. In den letzten Jahren gibt es neue Bestrebungen die großen Bergbaudeponien zu beseitigen. Im Gespräch mit einem ehemaligen Bergbauingenieur – derzeit ein engagierter Umweltaktivist – diskutieren wir die Möglichkeiten des Umgangs mit Altlasten der Bergbauindustrie in Rumänien und besuchen auch einige Schauplätze, um über die Ausmaße der Industriebrachen einen Eindruck zu gewinnen. Spätnachmittag fahren wir mit dem Bus nach Cluj (ung. Kolozsvár, dt. Klausenburg). 7. Tag Cluj, Stadtplanung allgemein; Projekte der industriellen Rekonversion Cluj ist ein wichtiges administratives, kulturelles und wissenschaftliches Zentrum von Siebenbürgen. Die rasante Entwicklung nach 1990 (wirtschaftliche Umstrukturierung, Verkehrsplanung, Zersiedelung, usw.) stellt für die Raum- und Stadtplaner dieser rumänischen Stadt eine grosse Herausforderung dar. Ein Gespräch mit Stadtplanern und -architekten soll einige Aspekte dieser Problematik erläutern. Anschliessend besuchen wir die Kulturstätte „Pinselfabrik“, als Beispiel für Sanierung und Umwidmung einer Industriebrache. 8. Tag Herausforderungen der Stadtplanung Heute lernen wir die Stadt näher kennen. Eine ausführliche Stadtführung durch die Altstadt und eine Wohnsiedlung soll verschiedene Aspekte der Stadtplanung und -management veranschaulichen. Zunächst geht es um die Frage, wie die Altstadt mit den Anforderungen der neuen Entwicklungen fertig wird (Denkmalschutz, Eigentumsrückerstattung, Verkehr u.a.), dann um die Neubausiedlungen mit ihren vielfältigen Problemen. 9. Tag Bergbau im Apuseni Gebirge: Roşia Montană Roşia Montană ist ein ehemaliges Bergbaustädtchen im Apuseni-Gebirge, wo jahrhundertelang Edelmetalle abgebaut wurden. Bekannt wurde der Ort durch die seit etwa 16 Jahren andauernde Auseinandersetzung bezüglich des Abbaus der reichen Gold- und Silberbestände durch das umstrittene Cianydverfahren und die Bürgerinitiativen gegen das Vorhaben. An diesem Beispiel versuchen wir die Problematik des Bergbaus mit seinen vielseitigen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Aspekten zu veranschaulichen. Früh morgens fahren wir nach Roşia Montană, ins Apuseni-Gebirge, wo Gespräche und Führungen in der Siedlung und in der Umgebung vorgesehen sind. Am Spätnachmittag fahren wir weiter nach Sibiu. 10. Tag Sibiu (dt. Hermannstadt, ung. Nagyszeben) Jahrhundertelang bildete Sibiu den Mittelpunkt im Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen und ist bis heute ein bedeutendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Transilvaniens. Im Ausland erlangte die Stadt grössere Bekanntheit, als sie im Jahre 2007 - gemeinsam mit der Stadt Luxemburg - zur Kulturhauptstadt Europas ernannt wurde. Für dieses Ereignis unternahm die Stadt größte Anstrengungen insbesondere bei der Sanierung der historischen Altstadt und dem Ausbau der lange vernachlässigten städtischen Infrastruktur. Gespräche mit involvierten Stadtplanern und Vertretern der Stadtverwaltung werden diese Prozesse, Vorgehensweise und Entwicklungen näher erklären. Die Stadtbesichtigung soll die Erklärungen ergänzen und veranschaulichen, welche positiven Impulse die Veranstaltung eines internationalen Events – bei entsprechenden Anstrengungen – für die Stadtentwicklung auslösen kann. 11. Tag Saschiz (dt. Keisd, ung. Szászkézd); ADEPT-Stiftung und Projekte Von Sibiu fahren wir nach Saschiz, wo wir mit den Vertretern der ADEPT-Stiftung einen Termin haben. Die Stiftung bemüht sich um die Bewahrung der Biodiversität und traditioneller Landwirtschaft in der siebenbürgischen Kulturlandschaft zwischen Sibiu, Sighişoara (dt. Schäßburg, ung. Segesvár) und Braşov (dt. Kronstadt, ung. Brassó). Traditionelle Weide- und Agrarwirtschaft tragen bis heute entscheidend zur Erhaltung der grossen Biodiveristät in dieser Region bei. Durch die wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Umstrukturierungen der letzten zwanzig Jahre ist diese Kulturlandschaft aber bedroht. Daher entwarf die ADEPT-Stiftung ein integriertes Programm, welches einerseits dem Naturschutz und andererseits den Einkommensmöglichkeiten der ländlichen Bevölkerung Rechnung trägt. ADEPT sieht sich als Bindeglied zwischen dem rumänischen und europäischen Fachwissen für innovativen Landschaftsschutz und der „Entwicklungshilfe” im ländlichen Raum, eng verbunden mit der lokalen Bevölkerung und ihren Bedürfnissen. Heute verbringen wir den Nachmittag mit der ADEPT Stiftung, lernen ihre Arbeit kennen und besichtigen einige ihrer Projekte in der Umgebung. Gegen Abend fahren wir weiter nach Viscri (dt. DeutschWeisskirch, ung. Szászfehéregyház). 12. Tag Viscri: Kirchenburg und Projekte des „Mihai Eminescu Trust“ Viscri, ein kleines Dorf in der Nähe von Sighişoara, zeichnet nicht nur die Kirchenburg und die von sächsischen Höfen geprägte Dorfstruktur aus, sondern auch die zahlreichen lokal initiierten und durchgeführten Projekte, welche eine Verbesserung der Lebensumstände und Verdienstmöglichkeiten für die mehrheitlich aus Roma gebildeten Dorfbevölkerung anstreben. Zusammen mit anderen Orten der Umgebung wurde 1999 das ganze Dorf samt Kirchenburg in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen. Somit konnte begründet werden, dass der Erhalt unbedingt nötig und nicht nur für das Weltkulturerbe, sondern primär für die Einwohner wichtig ist. Seit 1998 arbeiten die lokalen NGO’s eng mit der renommierten englischen Stiftung „Mihai Eminescu Trust” zusammen, was – neben der Ortsbild- und Architekturpflege – zahlreichen Projekten (Traditionelles Handwerk, Berufsausbildung, Agrotourismus, Ökologie, Soziales...) in über 24 Ortschaften Siebenbürgens zugute kam. Eine Erfolgsgeschichte mit Vorbildcharakter. Am Vormittag besichtigen wir die Kirchenburg, wo den Teilnehmern Kenntnisse zur Geschichte und Funktionsweise dieser einmaligen Bauwerke sowie dem Leben und Alltag der Siebenbürger Sachsen vermittelt werden. Am Nachmittag lernen wir lokale Vertreter des „Mihai Eminesu Trust” kennen, welche uns in Viscri ausgewählte Projekte vorstellen und zeigen. 13. Tag Fahrt nach Cluj durch Sighişoara Auf unserer Rückreise nach Cluj besichtigen wir Sighişoara. Im 13. Jh. von deutschen Siedlern gegründet, war die Stadt - neben Sibiu und Braşov - ein bedeutendes Zentrum der Siebenbürger Sachsen. Die Stadtburg gilt als der “schönste und vollständigste mittelalterliche Architekturkomplex Rumäniens” und bietet dem Besucher eine einzigartige Gelegenheit die stimmungsvolle Atmosphäre dieser historischen Region kennen zu lernen. 1999 wurde die Altstadt von Sighişoara zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. 14. Tag Cluj: Abschlussveranstaltungen und Abschied Am Vormittag bereiten sich die Studenten für das AbschlussKolloquium vor. Nach dem Mittagessen finden das Kolloquium und die Abschlußveranstaltung statt. 15. Tag Abreise SCHWERPUNKTE DER SOMMERSCHULE Während der Veranstaltung haben die Teilnehmer jeweils ein Hauptthema der Sommerschule beund verarbeitet und im Rahmen des Abschlußkolloqviums ihre Ergebnisse vorgestellt. Die nächsten Beiträge beinhalten die zusammenfassende Berichte zu diesen Themen. 1. Hortobágy Nationalpark samt Theiß-See: Naturschutz, Erholung und Fremdenverkehr 2. Strategien der Nachhaltigkeit – Gömörszőlős 3. Herausforderungen und Ansätze der Raumplanung postsozialistischer Städte (Beispiel Cluj, Sibiu und Sighişoara) 4. Bergbaugebiete: Herausforderungen der Altlastenbehebung und alternative Entwicklungsstrtegien für ehemalige Bergbaugebiete (Baia Mare und Roşia Montană) 5. Erhalt des soziokulturellen Erbes und Entwicklungsstrategien im ländlichen Südtranssilvanien (ehemaliges Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen) Außer der oben erwähnten vier Schwerpunkte und die dazugehörigen Fallbeispiele, haben die Betreuer der Sommerschule weitere Themen erleutet und veranschaulicht um ein umfangreiches Bild von der behandelten Problematik zu gewährleisten. Landschaftspflege und nachhaltiger Tourismus Am Theiss-See & Hortobagyi Nationalpark Bericht zur Sommerschule Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch 13. Juli – 27. Juli 2014 von: Alexandra Hrzina, Anna-Lena Ahlf, Rola Kramer Leitung: Dr. Kinga Xénia Havadi-Nagy, Fakultät für Geographie, Babes-Bolyai Universität Inhaltsverzeichnis Landschaftspflege und nachhaltiger Tourismus Am Theiss See & Hortobagyi Nationalpark Vorwort 1. Was ist nachhaltiger Tourismus? 2. Vorstellung der Regionen: Der Theiss See & Hortobagyi Nationalpark 2.1. Der Theiss-See S.4 S. 5-7 S. 5 2.2. Der Hortobagyi Nationalpark S.6-7 3. Tourismus am Theiss-See und im Hortobagyi Nationalpark S. 8-9 3.1. Nachhaltigkeit und regionale Probleme S. 8-9 4. Poroszló: Potenziale der Region, exemplarisch S. 9-12 4.1. „Neue“ Strategien S. 9-10 4.2. Mögliche Herausforderungen und Hindernisse 5.Schlusswort / Diskussion S. 11-12 S.12 Vorwort Tourismus und die damit verbundene Landschaftspflege sind eine Möglichkeit, um eine ländliche Region am Leben zu erhalten oder auch wachsen zu lassen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Landschaftspflege und dem nachhaltigen Tourismus am TheissSee und im Hortobagyi Nationalpark. Anfangs werden diese beiden Gebiete kurz erklärt, damit der Leser die darauf folgende Beschreibung der Problemfelder besser versteht. Danach wird auf die neuen und alten Strategien der Regionen eingegangen. Die alten Strategien bringen Nachteile, die durch die neuen Strategien ausgebessert werden sollen. Dies betrifft die Felder Bevölkerung, Flora und Fauna, Thermal Quellen Nutzung und die Zielgruppe der touristischen Regionen. Es werden dem Leser außerdem die Ziele und möglichen Herausforderungen der Strategien näher gebracht. Abb.1: Karte der Region (Quelle: http://www.ungarn-tourismus.ch/aktiv-undoekotourismus/nationalparks.html) 3 1. Was ist nachhaltiger Tourismus? Abb.2: Nachhaltigkeit (eigene Darstellung) Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Tourismus bedeutet, dass der Tourismus auch in der Zukunft stattfinden kann und langfristig geplant ist. Am Theiss-See und im Hortobagyi Nationalpark wird dafür das Ökosystem und die Region durch Landschaftspflege für spätere Generationen erhalten. Der Tourismus soll ökologisch sein und die Umgebung so gut wie möglich erhalten bleiben. Durch den Tourismus profitiert auch die Region. Umso mehr nachhaltiger Tourismus stattfindet, desto mehr Arbeitsplätze gibt es, die gegen Landflucht und Überalterung helfen. Ein ganzjähriger nachhaltiger Tourismus wäre dabei für die Regionen von Vorteil. 4 2. Vorstellung der Regionen: Theiss-See & Hortobagyi Nationalpark 2.1. Der Theiss-See Der Theiss-See ist ein ungeplantes Ökosystem, dass sich durch die Stauung der Theiss entwickelt hat. Die Stauung schützt die Region vor dem jährlichen Hochwasser und dient ebenfalls zur Stromerzeugung und Bewässerung. Das Ökosystem ist die Heimat vielfältiger Pflanzen- und Tierarten geworden. Ein Teil wurde zu einem Vogelreservat erklärt, das vor allem durch die vorbei ziehenden Kraniche bekannt ist. Der Theiss-See steht unter verschiedenen Stufen des Naturschutzes, der mit dem Tourismus in Einklang gebracht wird. Zu diesem Zweck gibt es Maßnahmen um den Tourismus zu leiten. Dazu zählen Anglergebiete, Wassersportgebiete, Fahrradwege und festgelegte Bereiche für Party und Sommerlager. Der Tourismus bringt aber auch Probleme in die Region. Wildcampen, Müll, Wochenendhäuser und Motorboote verschmutzen das Naturschutzgebiet. Um dieses Gebiet zu erhalten, wird in Flora und Fauna eingegriffen. Unter anderem werden Bäume gefällt, der Wasserstand reguliert und der Fischbestand wird beeinflusst. Die Region um den Theiss-See leidet an den Problemen der Landflucht und Überalterung. Ausländische Investoren sind abgezogen und es gibt nur noch wenige Arbeitsplätze. Der Theiss-See und das Ökozentrum bieten der Region etwa zehn Arbeitsplätze. Der Tourismus wirkt sich jedoch auch auf die umliegende Region aus. Einheimische bieten Unterkünfte an, Kneipen öffnen für Touristen und die Natur soll durch nachhaltigen Tourismus für spätere Generationen erhalten bleiben. Die Anwohner selbst besitzen oft kein Auto, kaufen in kleinen Läden ein und gehen kaum in die Kneipen. Die Region möchte ihre Bekanntheit auch im Westen steigern, um mehr Besucher anzulocken. Die derzeitigen Hauptzielgruppen sind Familien, Schüler und Individualtouristen. 5 2.2. Der Hortobagyi Nationalpark Der Hortobagyi Nationalpark wurde im Jahr 1973 gegründet und hat sich für das UNESCO Weltkulturerbe und Weltnaturerbe beworben. Die Steppenlandschaft ist reich an Geschichte und ökologisch interessanten Attraktionen über die man in Führungen und Ausstellungen mehr erfahren kann. Besucher werden über die früher ansässigen Nomadenvölker und die Tscharda-Route informiert. Außerdem gibt es einen Wildtierpark, Fischteiche, ein Besucherzentrum, Lehrpfade, ein Hirtenmuseum und das Mata Gestüt. In diesem Gestüt werden Zugpferde gezüchtet und in Zukunft sollen auch Pferderennen abgehalten werden können. Der Nationalpark hat auch eine 2500 ha große Fläche für Wildpferde. Radwege, Fußwege und das Drachenfliegen locken weitere Besucher an. Zusätzlich können Gäste den Kranichzug von Aussichtstürmen beobachten und die früher verwendeten Nutztierarten im Wildtierpark bestaunen. Im Nationalpark sollen Natur- und Kulturwerte bewahrt werden. Lokale Produkte sollen gefördert und vermarktet werden. Bereits jetzt gibt es einen kleinen Markt, der diese Produkte für Besucher_innen anbietet. In der Region ist der Nationalpark der einzige große Akteur und hat somit wenig Konkurrenz. Der Nationalpark gilt als Vorzeigeprojekt, da er erfolgreich mit Geldern umgeht und fast immer die Förderungen bekommt, für die er sich bewirbt. 85% der Förderungen kommen aus den europäischen Fonds und 15% vom Staat Ungarn. Die staatliche Förderung wird jedoch immer geringer. Derzeit beschäftigt der Nationalpark 120 Festangestellte und ist somit ein großer Arbeitgeber in der Region. Die Hauptzielgruppe sind Familien und Schüler_innen. 6 Abb. 3: Steppenlandschaft der Puszta im Hortobagyi Nationalpark (Quelle: Aufnahme eines Teilnehmers) Abb. 4: Theiss See (Quelle: eigene Aufnahme eines Teilnehmers) 7 3. Tourismus am Theiss-See und im Hortobagyi Nationalpark Das Tourismuskonzept, dass aktuell in der Region durchgeführt wird, zielt auf verschiedene Zielgruppen des Individual-Tourismus. Einzelne lokale/regionale Besonderheiten werden hervorgehoben, bzw. inszeniert. In der dünn besiedelten Region Theiss-See und Hortobagyi Nationalpark dienen „Freilichtmuseen“ der Darstellung historischer, regionaler Besonderheiten. Mit weiteren Angeboten, wie der Wildpark Hortobagyi Nationalpark, wird zudem regionale Freizeit- und Tourismusangebot erweitert. Der regionale Tourismus ist auf Individualtourismus, nicht auf Massentourismus, ausgelegt. 3.1. Nachhaltigkeit und regionale Probleme In der vorgestellten Region, bzw. in den besuchten Ortschaften scheinen die Herausforderungen in Bezug auf den nachhaltigen Fortbestand dieser vor allem durch drei Zweige beeinflusst zu sein. Bevölkerung: Das Bevölkerungswachstum ist rückläufig und die Bevölkerungsstruktur leidet wie erwähnt an Überalterung. Vor allem junge Leute zieht es in die Städte, wo sie höhere Chancen auf eine Berufsausbildung, einen Arbeitsplatz und einen höheren Lebensstandard erwarten. Die Perspektiven werden eher in den Städten oder im Ausland gesehen. Der jüngeren Generation fehlt eventuell auch die Identifikation mit dem eigenen Heimatort oder der näheren Umgebung. Wirtschaft: Die Wirtschaft ist nicht industriell geprägt, zudem gibt es nur noch wenige Agrarbetriebe. Einige Leute bauen selbst etwas an für den Eigenbedarf. Tourismus gilt als der Wirtschaftszweig, der Orte wie Poroszló und den Hortobagyi Nationalpark wieder beleben soll und nachhaltig Arbeitsplätze sichern soll. In Poroszló hat der Bürgermeister die Initiative ergriffen, damit das Ökozentrum in seinem Ort geschaffen wird. Dadurch wurden Einrichtungen wie beispielsweise ein Restaurant gegenüber des Zentrums wieder aufgebaut und ein Besucherparkplatz errichtet. Poroszló, welches eine attraktive Landschaft durch den Theiss-See und damit verbundene touristische Aktivitäten zu bieten hat, konnte mit dem Ökozentrum weitere Bekanntheit erlangen und auch die lokale Bevölkerung miteinbeziehen, indem privat Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Es wird jedoch deutlich, dass der Tourismus vor allem Touristen in der Sommersaison anlockt und, dass der Bedarf an weiteren Arbeitskräften bisher noch nicht sehr aussichtsreich ist. Zudem sind die touristischen Angebote bisher hauptsächlich auf nationale Touristen 8 ausgerichtet, da das Informationsmaterial und Gesprächspartner hauptsächlich auf ungarischer Sprache vorzufinden sind. Raumstruktur: Das Potenzial der Region scheint noch nicht erschöpft zu sein. Freistehende Flächen könnten außerdem für die Landwirtschaft genutzt werden. Die geographischen Gegebenheiten lassen weitere Nutzungen des Raumes zu. So ist zum Beispiel das Gebiet um Poroszló reich an Thermalquellen – diese würden sich zum Heizen, aber auch als (Thermal-)Bäder eignen. 9 4. Poroszló: Potenziale der Region, exemplarisch In Poroszló leben aktuell etwa 2.000 bis 3.000 Einwohner_innen. Etwa 35 % der Einwohner_innen sind Senioren/Seniorinnen, 30 % sind arbeitslos, etwa 35% sind berufstätig (angestellt oder selbstständig tätig). Weiter auffällig an der Sozialstruktur des Dorfes ist ein hoher Anteil an der ethnischen Gruppe der Sinti und Roma-Anteil. Weiter gibt es in dem Dorf viele Kinder - meist aus der ethnischen Minderheit der Sinti und Roma stammend.1 Aus dieser Bevölkerungsdichte lassen sich Ressourcen wie Zeit (Arbeitslose, Senioren/Seniorinnen), traditionelles/ historisches Wissen (Senioren/Seniorinnen) und neue, innovative Ideen (Kinder/Jugendliche) ableiten. In einer (Kleingruppen-)Diskussion haben wir weitere Potenziale der Region diskutiert, wie: Die Bevölkerung, Flora und Fauna, Thermal-Quellen, Und die konkrete Ausrichtung auf spezifische Zielgruppen (z.B. Senioren, Akademiker, Well-being-Tourismus). Auf Grundlage dieser Potentiale der Bevölkerungsstruktur haben wir folgend exemplarisch mögliche Strategien zum Ausbau einer nachhaltigen Regional- (und Tourismus-)Planung erstellt. 4.1. „Neue“ Strategien Strategie I: Identitätsbildung/ Lokalpatriotismus Durch einen intergenerationellen Austausch soll eine erhöhte Sensibilität für die Besonderheiten der Region - wie Flora und Fauna, Seenlandschaft und Thermalquellen geschaffen werden. Konkret würde dies einen Austausch vor allem zwischen den Senioren/Seniorinnen und den Kindern bedeuten. Organisierte intergenerationelle Aktivitäten und Projekte (Wandern, Basteln, Handwerk, z.B.) zielen auf einen Stärkung des Zusammenhalts der Bewohner_innen/ der Gemeinschaft sowie auf den Aufbau eines „Lokalstolzes“. Kinder und Jugendliche könnten einen „Lokalpatriotismus“ aufbauen und 1Die genaue prozentuale Zahl ist nicht auffindbar. 10 zu „Raumpionieren“ werden, welche aktiv das Dorf mitgestalten und ausbauen. Eine verstärkte Identifikation mit dem Dorf soll zudem der Landflucht entgegenwirken. Strategie II: Konzentrierter Individual-Tourismus Das bestehende Öko-System - besonders Flora und Fauna, Vogel- und Fischbestände, Wild(-pferde), Luftqualität und Biodiversität des Theiss-Sees - bieten die Grundlage für Individual-Tourismus für spezifische Zielgruppen, wie Angler_innen, Naturschutz- Liebhaber_innen, Vogelbeobachter_innen, Luftkur-Suchende, u.a. Dieser IndividualTourismus könnte konzentrierter ausgebaut und vermarktet werden, indem konkrete Programme für (bspw.) Senioren angeboten werden. Für diese Zielgruppe könnten Programme angeboten werden, wie Wellness-Programme, Sport o.ä. Weiter wäre es eine gute Idee sich im Programm für ein internationales Publikum auszurichten und zu bewerben. Strategie III: Ausbau der Thermalquellen Poroszló ist reich an Thermalquellen, welche sich zum Heizen, aber auch als (Thermal-) Bäder eignen. Der Ausbau der Quellen könnte interessant für ausländische Investoren im Energiegewinnungsbereich sein, aber auch für weitere Interessenten (Touristen, Studenten/Studentinnen). - Somit würde der Ausbau der Thermalquellen als eine vielversprechende Einnahmequelle der lokalen Wirtschaft dienen (ansässige Investoren und neue Nische für Tourismus). Durch die neugeschaffene Infrastruktur des Dorfes (Heizung) würde die Lebensqualität der Bewohner_innen verbessert werden. 4.2. Mögliche Herausforderungen und Hindernisse Mit den vorgestellten neuen Strategien könnte es möglich sein, die Situation weiterhin zu verbessern und die Potenziale weiter auszuschöpfen. Herausforderungen ergeben sich dennoch in vielerlei Hinsicht: Zunächst braucht es Raumpioniere, die Projekte vorantreiben, die sich zuständig und verantwortlich fühlen. Die Motivation muss von der lokalen Bevölkerung kommen. Die Veränderungen müssen von dem Volk selbst und nicht von der Regierung und der Wirtschaft ausgehen. Es braucht Leute, die Initiativen ergreifen und langfristig die Bevölkerung mit einbeziehen und das Gefühl die Zukunft ihrer Region selbst mit zu gestalten und selbst in der Hand zu haben. Hierzu ist auch der Mangel an lokalen Experten anzusprechen. Damit sind Personen gemeint, die sich mit ihrer Region 11 identifizieren und ihr erfahrenes Wissen gerne weitergeben – wie bspw. der Bootsführer auf der Bootsfahrt über den Theiss-See. Auch die Instandhaltung geschaffener Einrichtungen spielt eine wichtige Rolle. So müssen die Lehrpfade gepflegt werden, Landschaftspflege betrieben werden wie die Entschlammung des Theiss und auch das Ökozentrum oder Attraktionen im Nationalpark regelmäßig aktualisiert werden um weitere Besucher anzulocken. Schlussendlich bleibt die Frage der Finanzierung. Wird es den Regionen möglich sein durch die Besuchergelder sich selbst zu finanzieren oder werden sie weiterhin auf Gelder von außen – von der EU oder den Ländern selbst – angewiesen sein? Um Gelder zu erhalten und diese sinnvoll einzusetzen braucht es auch ortskundige Fachleute. Abb. 5: Poroszló, Theiss-See, Angel-Tourismus (Quelle: Aufnahme eines Teilnehmers) 12 5. Schlusswort/ Diskussion Es wurde deutlich, dass für die Förderung der Regionen bisher schon einiges getan worden ist und aktiv versucht wird, dass die Regionen sich nicht selbst überlassen bleiben (besonders durch EU-Förderung). So wird im Hortobagyi Nationalpark vor allem auf die traditionelle Lebensweise und die Einbeziehung von traditionellen Produkten und Tieren gebaut, während beim Theiss-See das Ökosystem im Vordergrund steht. Dies könnte erweitert werden, indem die Bevölkerung verstärkt einbezogen wird. Ziel wäre eine Regionalplanung „von der Bevölkerung für die Bevölkerung“. Weiter zu diskutieren wären die Begriffe „Öko-Tourismus“ und Nachhaltige(r) Tourismus/ Regionalplanung. Nachhaltigkeit und ökologisch schonender Tourismus (Ökotourismus) scheint von jedem individuell etwas anders interpretiert zu werden. Auch hier wäre eine Zielsetzung der lokalen Bevölkerung erstrebenswert. 13 Sommerschule im Rahmen des DAAD Go East Programms Von der Puszta in die Karpaten - Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa 13. - 27. Juli 2014 Abschlussbericht Ökodorf Gömörszőlős am 16.07.2014 Franziska Wenk, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn B. Sc. Geographie Annika Jeschke, Rheinische Friedrichs-Wilhelms Universität Bonn B. Sc. Geographie Inhalt Abbildungsverzeichnis ............................. ................................................... ................................ 2 Einleitung ........................................ ................................................... ......................................... 3 Geographische Einordnung ............................................................................. ........................... 3 Ursprüngliche Projektidee............................................................................ .............................. 4 Heutige Projektumsetzung ............................................................................. ............................ 5 Chancen und Herausforderungen ........................................................................ ...................... 7 Fazit ............................................. ................................................... ............................................ 8 Quellen ........................................... ................................................... ......................................... 9 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Blick auf das Dorf Gömörszölös (F. Wenk)................................................ ............ 3 Abbildung 2: Herr Guylai und die Trockenanlage (A. Jeschke) .......................................... ........ 6 Abbildung 3: Ökologischer Garten (A. Jeschke) ........................................................ ................. 6 Abbildung 4: Traditionelles Haus (F. Wenk) ........................................................... .................... 6 Abbildung 5: Evangelische Kirche im Dorf (F. Wenk) ................................................... .............. 6 Abbildung 6: Wollverarbeitungszentrum (F. Wenk) ...................................................... ............ 7 Abbildung 7: Faktoren zur Zukunftsfähigkeit des Dorfes (eigene Darstellung) ......................... 8 2 Einleitung Nachdem wir die ersten vier Tage der Sommerschule in Poroszló am Theiss-See verbracht haben, ging es am Morgen des 16. Juli in das Dorf Gömörszőlős. Am Tag zuvor hatte sich unsere Gruppe gewissenhaft mit dem Projektbericht: Ein ungarisches Modell für Zukunftsfähigkeit auf dem Land“ beschäftigt (F REMUTH ET AL. 1999). Die Bezeichnung „Ökodorf“ erweckte bei uns die verschiedensten Vorstellungen und Erwartungshaltungen, wie ein Leben im Einklang mit der Natur, Eigenversorgung der Bevölkerung, bewusster Konsum oder die Nutzung nachhaltiger Energiequellen. Also ein ganzheitlicher Ökogedanke, der aus der Bevölkerung heraus kommt und gemeinsam umgesetzt wird. Abbildung 1: Blick auf das Dorf Gömörszőlős (F. Wenk) Geographische Einordnung Das Dorf Gömörszőlős liegt in Nordungarn nahe der slowakischen Grenze. Es befindet sich 45 km nordwestlich vom Komitatssitz Miskolc und die nächste Stadt Putnok ist 11 km entfernt. Naturräumlich befindet sich das Dorf an der Überlappungszone vom ungarischem Tiefland und den Ausläufern der Karpaten. In der direkten Umgebung liegen der Aggtelek Nationalpark, einige Tropfsteinhöhlen, sowie zahlreiche kleine Weiler. Seit den letzten 100 Jahren ist das Dorf von einem starken Bevölkerungsrückgang betroffen. Während Anfang des 20. Jahrhunderts noch 400 Personen dort lebten, zählt das Dorf heute nur noch 72 Einwohner. Aufgrund von fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Land 3 zieht es einen Großteil der jungen Bevölkerung in die wachsenden Industriezentren der Städte. Seit nun mehr als 11 Jahren wurde kein Kind mehr geboren, die Geburtenrate liegt somit momentan bei null. Dies hat eine Überalterung und daraus folgend eine Schrumpfung des Dorfes mit Verfall der Strukturen zur Folge. Insgesamt stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten das Dorf hat mit dieser veränderten Situation umzugehen. (FREMUTH ET AL. 1999, GESPRÄCH GYULAI) Ursprüngliche Projektidee Vom Ungarischen Institut für nachhaltige Entwicklung wurde in den 1990er Jahren durch verschiedene Projekte die Entwicklung im ländlichen Raum fokussiert. Eines darunter war das „Sustainable village project: Gömörszőlős“. Das charakteristischen Gegebenheiten, wie zum Beispiel Dorf wurde aufgrund der schwindende Bevölkerung, Überalterung, hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Einkommen und Verödung als beispielhaftes Modell ausgewählt. Mit dem Projekt sollen mögliche Maßnahmen und Wege für eine Wiederbelebung des ländlichen Raums aufgezeigt werden. Im Wesentlichen werden die folgenden vier Handlungsfelder fokussiert: 1. Naturschutz 2. Ökologischer und sozialverträglicher Tourismus 3. Ökologische Landwirtschaft 4. Kleingewerbe, Kleinunternehmen, Familienmanufakturen Im Naturschutz wird der Fokus auf den Erhalt der Artenvielfalt und Biodiversität gelegt, die durch die zunehmende intensive Landnutzung stark bedroht wurden. Bedingt durch die attraktive Umgebung und die gut erhaltene, traditionelle Dorfstruktur bieten sich zudem der Ausbau und die Entwicklung eines ökologischen und sozialverträglichen Tourismus an. Dazu zählen eine Verbesserung des Übernachtungsangebots, vermehrte kulturelle Veranstaltungen und verschiedene Freizeitangebote. Durch die ökologische Landwirtschaft, anhand alter extensiver Kultivierungsmethoden, sollen zum einen die lokale Bevölkerung 4 sowie die Touristen versorgt werden, zum anderen dienen sie zum Erhalt der typischen regionalen Kulturlandschaft. Daneben sollen auch die traditionellen Handwerksberufe der lokalen Wirtschaft wiederbelebt werden. Darunter sind Kleinunternehmen oder Familienmanufakturen wie die Kunstschmiederei, Töpferei, Tischlerei und Korbflechterei zu verstehen. Zur Veranschaulichung und zum Erhalt wurde hierfür ein ethnografisches Museum eingerichtet. Insgesamt wird somit das übergeordnete Ziel verfolgt, das vorhandene Kapital der Region zu nutzen, um vor allem das Dorf für die lokale Bevölkerung wieder lebenswert zu machen und somit der Abwanderung der jungen Bevölkerung entgegenzuwirken. (FREMUTH ET AL. 1999) Heutige Projektumsetzung Die Arbeit der letzten 20 Jahre zeigt sich sowohl in der Etablierung eines Ökozentrums, als auch in den Bemühungen der Dorfbevölkerung. Die derzeitigen Maßnahmen werden hauptsächlich durch die Bürgermeisterin JUDIT É. KOVÁCS vorangetrieben. Die heutige Arbeit des Ökozentrums wird durch den Projektdirektor IVÁN GYULOI koordiniert. Nach dessen Verständnis geht es bei einer nachhaltigen Entwicklung um einen Lebensstil, der sich ausschließlich an vorhandenen natürlichen Ressourcen ausrichtet. Das Zentrum zeichnet sich durch eine solche Arbeitsweise aus. Für die lokale Bevölkerung und interessierte Gruppen von außerhalb werden Informationsveranstaltung und Fortbildungsmöglichkeiten angeboten. Diese können die Themen ökologischer Landbau, Umweltschutz im Haushalt und Naturschutz beinhalten. Zum besseren Verständnis gibt es zahlreiche Anschauungsobjekte, die zum Teil in den Veranstaltungen hergestellt werden. Als größtes Objekt kann das Passivhaus genannt werden, das ohne Wasser, Gas und Strom von außerhalb auskommt. Durch eine spezielle Isoliertechnik wird das Haus lediglich durch die Eigenwärme der Bewohner erwärmt. Des Weiteren gibt es zur Veranschaulichung einen speziellen Ofen mit hoher Wärmeleistung; eine Komposttoilette, die ohne Wasser auskommt; eine Trockenanlage, die Solarkollektorenergie zur Herstellung von Trockenobst, Kräutern und Pilzen nutzt (siehe Abb. 2); sowie eine Schilfkläranlage. In den letzten Jahren wurde zudem ein ökologischer Garten mit einer Streuobstwiese in Betrieb genommen (siehe Abb.3). Anhand von traditionellen Bewirtschaftungsformen wird so ein Beitrag zur Landschaftspflege geleistet. Die vielfältigen Aufgabenbereiche, einschließlich der 5 entstandenen Beherbergungsmöglichkeiten, werden durch die Arbeit von Freiwilligen unterstützt (Gespräch GYULAI). Abbildung 2: Herr Guylai und die Trockenanlage (A. Jeschke) Abbildung 3: Ökologischer Garten (A. Jeschke) Durch einen informativen Rundgang mit JUDIT É. KOVÁCS, der Bürgermeisterin des Dorfes wurden uns verschiedene Elemente der Dorfkultur aufgezeigt, die unter anderem touristisches Potenzial mit sich bringen. Zentral im Dorf gelegen ist eine evangelische Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Diese ist reich verziert mit floralen Ornamenten und bemalten Decken (siehe Abb. 5). Das ehemalige Schulgelände des Dorfes dient heute zum einen als ethnografisches Museum mit vielen traditionellen Gegenständen und Landwirtschaftsgeräten. Zum anderen befindet sich dort nun eine Kunstgalerie, die regelmäßig von Kunststudenten in Sommercamps erweitert wird. Es gibt auch eine kleine Bibliothek, in der Werke des Dichters Tompa Mihály, der einst in dem Dorf lebte, ausgestellt werden. Weiterhin sind zahlreiche traditionelle Dorfhäuser im ursprünglichen Zustand erhalten, sodass Besucher sich ein Bild vom früheren Dorfleben machen können (siehe Abb. 4). Abbildung 5: Evangelische Kirche im Dorf (F. Wenk) Abbildung 4: Traditionelles Haus (F. Wenk) 6 Um die traditionelle Wirtschaftsform der Wollverarbeitung zu veranschaulichen und das alte Handwerk wieder aufleben zu lassen, wurde eine kleine Wollfabrik mit traditionellen Maschinen eröffnet. Diese in Abbildung 6 ersichtlichen Maschinen sind über 100 Jahre alt und immer noch voll funktionsfähig. Nach den ersten Produktionsschritten wird die Wolle entweder als Füllmaterial verwendet oder zu Filzprodukten weiterverarbeitet. In der Werkstatt können Besucher den Produktionsablauf beobachten und anschließend die Produkte erwerben. Abbildung 6: Wollverarbeitungszentrum (F. Wenk) Als ein aktuelles Beispiel ist der überdachte Dorfplatz mit Grillstelle zu nennen. Dieser wurde 2012 als Gemeinschaftsprojekt des gesamten Dorfes realisiert (Gespräch KOVÁCS). Chancen und Herausforderungen Um noch einmal die Frage nach dem Umgang mit schrumpfenden Dörfern im ländlichen Raum aufzugreifen, werden im Folgenden die Chancen und Herausforderungen im Dorf Gömörszőlős dargelegt. Die Maßnahmen der letzten Jahre haben gezeigt, dass das Dorf durchaus touristisches Potenzial aufweist und mit dieser Nutzung einen weiteren Beschäftigungszweig etablieren kann. Während Frau KOVÁCS die Entwicklung, trotz anhaltender Abwanderung und den damit einhergehenden Problemen als zukunftsfähig erachtet, sagt Herr GYULAI über das Projekt: „It is not a success story“. Im Allgemeinen leben die Menschen im Dorf zwar nachhaltig, was jedoch an fehlenden finanziellen Mitteln und nicht an der Überzeugung zu einem solchen Lebensmodell liegt. Somit kommen Besucher mit einer falschen Vorstellung dorthin und finden anstelle eines ganzheitlich ökologischen Dorfs lediglich das Ökozentrum als Insel darin vor. Junge Leute, die 7 auf der Suche nach einem ökologischen Lebensmodell sind, verlassen als desillusionierte Romantiker das Dorf oftmals vorzeitig. Somit stellt sich die Herausforderung einer besseren Integration des Ökozentrums in das Dorfleben. Zukunftsfähigkeit? Umweltverträgliche Entwicklung durch Tourismus Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten Abbildung 7: Faktoren zur Zukunftsfähigkeit des Dorfes (eigene Darstellung) Die Zukunft des Dorfes hängt also zum einen von einer umweltverträglichen Entwicklung durch den Tourismus und zum anderen von einer Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten ab. Wie in Abbildung 7 ersichtlich bedingen sich diese Faktoren zu einem großen Teil gegenseitig. Bei einer erfolgreichen Umsetzung beider Elemente würden sich somit die Infrastruktur, die demografische Situation und die soziale Struktur im Dorf verbessern. Außerdem würde sich der ursprüngliche Plan eines Vorzeigemodells zur ökologischen Regionalentwicklung im ländlichen Raum Ungarns erfüllen. Fazit Unser anfängliches Bild eines Ökodorfs mit ganzheitlich nachhaltiger Lebensweise konnten wir in Gömörszőlős nicht vorfinden. Als Grund dafür könnte die Entstehungsweise herangezogen werden. Das Dorf wurde nicht als ein Ökodorf gegründet, sondern bestand bereits vorher. Außerdem wurde es von außen für das Projekt ausgewählt, sodass die Bewegung nicht aus der Bevölkerung selber kam und diese dementsprechend jetzt nicht gänzlich hinter den Zielen des Projektes steht. Das Dorf Gömörszőlős wurde und wird also immer noch vom Ökozentrum als ein „playing ground to put the idea of sustainable development into practice” (Gespräch GYULAI) genutzt. 8 Quellen • FREMUTH, W., GYULAI, I. U. B. RÄTH (1999): Gömörszőlős. Ein ungarisches Modell für Zukunftsfähigkeit auf dem Land. In: „…Raus auf’s Land…“ Ländlicher Tourismus als Boomfaktor. BfN-Skripten Nr. 15. Bonn. • Ökologisches Institut (Hrsg.)(o. J.): A Sustainable Village Project: Gömörszőlős. • Ökologisches Institut (Hrsg.)(o. J.): Spaziergang in Gömörszőlős. Verlag Lanchid. • Gespräch am 16.07.14 mit Bürgermeisterin Judit É. Kovács • Gespräch am 16.07.14 mit Projektleiter des Ökozetrums Ivan Gyulai 9 Cluj-Napoca – Inima Transilvaniei Abb. 1: Cluj-Napoca Zentrum (FRANZISKA WENK 2014) Abb. 2: Piata Uniri (FRANZISKA WENK 2014) Abb. 3: Blockwohnungen in Cartierul Mǎnǎştur (ANNA-LENA AHLF 2014) Verfasst von: Bettina Doll, Universität Kiel, Master Stadt- und Regionalentwicklung Sebastian Lang, Universität Heidelberg, Bachelor Geographie & Politische Wissenschaft Die Stadt Cluj-Napoca liegt im Nordwesten Siebenbürgens am Ufer des Kleinen Somesch. Selbst versteht sich die Stadt als wirtschaftliches und gesellschaftliches Zentrum Siebenbürgens und vermarktet sich mit dem Slogan „Inima Transilvaniei“ – Herz Transilvaniens. Als zweitgrößte Stadt Rumäniens beheimatet sie 324.576 Einwohner (Romania National Institute of Statistics 2011 zitiert nach city population). Hinzu kommen 100.000 Studenten an den insgesamt elf Hochschulen der Stadt, welche von der amtlichen Statistik überwiegend nicht als Bewohner erfasst sind. Das heutige Stadtbild Clujs wurde durch drei Entwicklungsströmungen maßgeblich geprägt. Diese Strömungen lösten sich in chronologischer Reihenfolge ab. Abhängig vom jeweiligen ideologischen Verständnis und damit städtebaulichen Leitbild wurden und werden neue Viertel und Gebäude errichtet und bereits dagewesene überformt. Als Resultat dieser Entwicklungen finden sich heute in Cluj Elemente und Zeugnisse jeder dieser Epochen. Im Einzelnen lassen sich besonders folgende „Stadttypen“ und baulichen Ausprägungen identifizieren: • traditionelle bzw. historische Stadt: Altstadt • sozialistische Stadt: Wohnblocks und Industriegebiete am Rand der Altstadt • moderne, kapitalistische Stadt: Urban Sprawl durch neue Wohnbaugebiete, Einkaufszentren, Hypermärkten und Bürokomplexen am Stadtrand bzw. entlang von Verkehrsachsen. Innerhalb dieser städtebaulichen Vielfalt nehmen verschiedene Prozesse ihren Lauf, wobei im Folgenden die Festivalisierung der Innenstadt, der zunehmende Individualverkehr und Entwicklungen (Stadtumbau und Urban Sprawl) in und um das Viertel Mǎnǎştur betrachtet werden. Festivalisierung der Innenstadt Die bauliche Struktur und Architektur der Innenstadt ist sehr heterogen. Während des Sozialismus passte die historische Bausubstanz nicht in das geltende Stadtverständnis. Die Altstadt wurde jedoch nicht wie in Bukarest abgerissen und neu bebaut, sondern lediglich dem Verfall preisgegeben. Heute sind große Teile der Altstadt sanierungsbedürftig. Inzwischen stehen Gebäude, welche vor 1900 gebaut wurden grundsätzlich unter Denkmalschutz. Dieser Schutz kann aber nicht immer garantiert werden und durch Abb. 4: Innenstadt Cluj-Napoca (STEFANIE LUTSCH 2014) die bauliche Heterogenität ist bei weitem nicht die ganze Altstadt geschützt. Teilweise wurden Innenstadtbereiche in Fußgängerzonen umgewandelt. Für diese besteht allerdings kein städtisches Flächenmanagementkonzept, sodass der geschaffene verkehrsberuhigte Raum häufig von gastronomischen Angeboten völlig eingenommen wird. Ein weiteres Problem der Innenstadt ist der Mangel an öffentlichen Grün- und Naherholungsflächen. Obwohl der Kleine Somesch direkt durch die Stadt fließt, befinden sich dort keine Grünflächen, da er von beiden Seiten von zwei großen 1 Verkehrsachsen eingebaut ist. Ein Konzept bzw. dessen Umsetzung zur Beseitigung dieses Mangels lässt sich bisher nicht erkennen. Die Umgestaltung des Hauptplatzes (Piata Unirii) von einer innerstädtischen Grünfläche mit Blumenbeeten zu einer Multifunktionsfläche im Jahr 2008 war ein weiterer Schritt für die Ausrichtung großer Veranstaltungen aus den Bereichen Musik, Freizeit und Film in der Innenstadt Clujs. Die Hoffnung auf Wachstumsimpulse und Ausstrahlungseffekte rechtfertigt aus Sicht der Verantwortlichen den Aufwand solcher Events. An die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2021 sind ähnliche Erwartungen geknüpft. Angestrebt werden Abb. 5: Piata unirii vor der Umgestaltung ein (Amicitia Travel 2006) steigender internationaler Bekanntheitsgrad und ein Anschub für die Altstadtsanierung sowie die Aufwertung und Wiederbelebung des Zentrums insgesamt. Diese positiven Effekte konnten bei Sibiu, welches 2007 europäische Kulturhauptstadt war, beobachtet werden. In etlichen rumänischen Städten wird nun diesem Titel nachgejagt um dem Beispiel Abb. 6: Ungarische Kulturtage 2014 auf dem umgebauten Sibius zu folgen. Cluj wird als Vorbereitung für seine Piata unirii (Voceat Transilvaniei 2014) Kandidatur als europäische Kulturhauptstadt im Jahr 2015 die EU-Jugendhauptstadt sein. Unter anderem lautet die offizielle Begründung für die Bewerbung zur Jugendhauptstadt: „Cluj-Napoca wants to apply for the European Capital of Culture title and is already taking steps in that direction. […] But it wouldn't be a bad idea if, in the meantime, the city will be European Youth Capital, which will be a great exercise in this arena.” (Youth@Cluj-Napoca 2015). Aktuell werden verschiedene Anstrengungen unternommen, um Cluj auf seine angestrebte Rolle als Kulturhauptstadt vorzubereiten. Dies betrifft gerade die städtische Infrastruktur. So wurden Teile der Straßenbahn modernisiert und ein öffentliches Fahrradverleihsystem soll in Kürze eingeführt werden. Die regelmäßige Veranstaltung großer Events auf der Piata Unirii bringt aber auch weniger positive Abb. 7: Erneuerung oberirdischer Leitungen (Sven Hassler 2014) 2 Auswirkungen mit sich. Das Bespielen des Platzes führt zu einer Privatisierung des öffentlichen Raums und geht mit negativen Auswirkungen für die Anwohner wie beispielsweise einer erhöhten Lärmbelastung einher. Durch die zunehmende Attraktivität der Lage für die Gastronomie steigen die Mieten und in Kombination mit den Belastungen durch die Festivals wird die Wohnnutzung zunehmend verdrängt. Ein Funktionsverlust der Innenstadt ist das Ergebnis. Der Einzelhandel spielt in der Innenstadt Clujs bereits heute eine untergeordnete Rolle und hat sich fast vollständig in die neuen Einkaufzentren in den Außenbezirken der Stadt zurückgezogen. Zusätzlich verstärken die Events in zentraler Lage den bereits bestehenden Verkehrsdruck auf die Innenstadt. Es ist fraglich ob die erhoffte Nominierung zur europäischen Kulturhauptstadt die Probleme lösen oder vielleicht im schlimmsten Fall sogar verstärken würde. Eine weitere Konzentration von Aktivitäten auf die Altstadt ohne grundlegendes Management und Kontrolle sowohl von öffentlichen Räumen als auch dem Verkehrsaufkommen kann nur zu deren Überlastung führen. Auch sind die positiven Effekte die vielleicht in Sibiu zu beobachten sind nicht durch die Nominierung garantiert. Dennoch gibt es scheinbar keine alternative Strategie zur Stadtentwicklung und so scheinen alle Hoffnungen an diesen Titel geknüpft zu sein. Zunehmender Individualverkehr Leicht angeklungen ist das Problem des hohen Verkehrsaufkommens in der Innenstadt schon im vorhergehenden Abschnitt. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass der motorisierte Individualverkehr (MIV) in Rumänien in den Jahren 1991 bis 2012 extrem zugenommen hat. In diesem Zeitraum stieg die Zahl der PKWs pro Einwohner um das Vierfache (vgl. Tab. 1). Ein Großteil des MIV entfällt auf die Städte, Grund hierfür sind unter anderem veränderte Pendlerbeziehungen. Während in sozialistischer Zeit Tab. 1: Entwicklung des MIV in Rumänien 1991-2012 die Arbeitersiedlungen durch eine Tramlinie an die (Eurostat 2014; eigene Darstellung) alten Industriegebiete angebunden waren, sind die neuen Gewerbeflächen an den Ausfallstraßen nur durch PKWs zu erreichen. Gleichzeitig nutzen die Bewohner der neuen Vororte die bestehenden Infrastrukturen innerhalb der Stadt und verstärken dadurch das Verkehrsaufkommen enorm. Daraus resultieren Umweltbelastungen wie Lärm, Feinstaub, Abgase aber auch Staus und fehlende Parkmöglichkeiten. Zur Verminderung der Probleme wurden verschiedene Lösungsansätze diskutiert und teilweise umgesetzt. Zur Lenkung des Verkehrs um die Innenstadt wurde ein ‘City Tunnel’ geplant. Sobald es jedoch an den Erwerb der hierfür notwendigen Grundstücke ging, mussten die Pläne fallengelassen werden. Eine 3 Umgehungsstraße wurde zur Entlastung der Innenstadt gebaut, da diese jedoch in einem bergrutschgefährdeten Gebiet liegt, musste die Trasse bereits mehrfach verlegt und saniert werden. Zur Lenkung des Verkehrs in der Innenstadt wurde ein Einbahnstraßensystem etabliert. Zur Verminderung des Parkdrucks wurden verschiedene Parkhäuser erbaut und ein Parkraummanagement in Form von zeitlich limitierten und kostenpflichtigen Parkplätzen eingeführt. Die Umsetzung wird allerdings nur inkonsequent verfolgt. Zur Reduzierung des MIV soll ein Fahrradverleihsystem eingerichtet werden, das zurzeit jedoch noch auf ein Servicekonzept wartet. Eine weitere Möglichkeit wäre der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Bisher wurden zwar die bestehenden Linien modernisiert, doch eine durchaus sinnvoll erscheinende Ausweitung des Netzes ist aktuell nicht geplant. Ein Problem stellt der Übergang zu anderen administrativen Einheiten dar. So endet der städtische ÖPNV an der Stadtgrenze, dadurch sind die Umlandgemeinden ausgeschlossen. Um eine gemeinsame Entwicklung der Infrastruktur voranzutreiben wurde 2008 die Metropolregion Cluj-Napoca, bestehend aus der Stadt Cluj und 17 Umlandgemeinden gegründet (Asociatia de dezvoltare intercomunitara Zona Metropolitana Cluj 2008: 8f.). Entwicklungen in und um das Cartierul Mǎnǎştur Das Stadtviertel Mǎnǎştur ist ein Zeugnis sozialistischer Stadtplanung. Die Wohnsiedlung, die heute ein Drittel der Einwohner Clujs beheimatet, wurde im Sozialismus an Stelle eines bestehenden Dorfes gebaut. Der Großteil der alten Dorfhäuser wurde abgerissen, an ihrer Stelle wurden standardisierte Wohnblocks errichtet. Durch standardisierte Wohnungen und staatliche Regulierung des Wohnungsmarktes sollte die Segregation aufgehoben und eine Durchmischung der Wohnbevölkerung erreicht werden. Dies entsprach der sozialistischen Ideologie in welcher Wohnen keine Ware mehr sein sollte (BURDACK & RUDOLPH 2001: 261). Innerhalb der Blocks in Mǎnǎştur gab es drei verschiedene Wohnungsgrößen und Komfortstufen. Die ursprüngliche Planung war lockerer und mit mehr Grünflächen, auch sah sie drei Parkhäuser mit je 500 Stellplätzen vor. Diese Pläne wurden von der Staatsführung jedoch verändert – die Parkhäuser wurden aufgrund mangelnder PKWs gestrichen und die Baudichte erhöht. Die sozialistische Stadtplanung verfolgte eine klare Funktionstrennung. Die Wohnviertel waren konzentrisch um ein Zentrum für Dienstleistungen und Einzelhandel angeordnet. Um die Bewohner – überwiegend Arbeiter – an ihren Arbeitsplatz zu bringen wurden das Industriegebiet und Mǎnǎştur mit einer Straßenbahn verbunden. Eine Besonderheit in Rumänien ist, dass die Errichtung von Plattenbauten nicht in Richtung Umland vorangetrieben wurde sondern ausgehend von den neu entstandenen Stadtvierteln in Richtung Innenstadt vorangetrieben wurde. Diese Entwicklung ist auf ein Verbot zur Ausweitung der Städte durch Ceaușescu zurückzuführen. In Cluj wurde dieses Ziel – wie bereits erwähnt – jedoch nicht mehr vollständig realisiert, weshalb der historische Stadtkern bis heute besteht. 4 Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus wurde in den 1990er Jahren die Privatisierung von Staatsbesitz vorangetrieben, unter anderem um die öffentlichen Haushalte von den Kosten der Unterhaltung der Plattenbauten zu entlasten. In Folge dessen konnten die Bewohner der Blockwohnungen ihr Appartement zu günstigen Konditionen erwerben (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 50). Häufig gründeten sich Eigentümervereine pro Block. Die sozialistisch gewünschte Funktionstrennung zerfiel, Einzelhandel und Dienstleistungen siedelten sich verstärkt im Erdgeschoss der Plattenbauten an. Zu Zeiten des Sozialismus, wurden notwendige Investitionen und Modernisierungen unterlassen. Mit der Privatisierung floss neues Geld in die Gebäude, es kam zu etlichen Umgestaltungen und Renovierungsarbeiten. Häufig beschränkten sich diese Arbeiten jedoch nur auf einzelne Wohneinheiten und nicht das gesamte Gebäude. Es wurden Wände eingerissen um die Wohnungszuschnitte zu individualisieren oder auch Wohnungen zusammenzulegen. Der Großteil der Balkone wurde verglast, dies diente sowohl zur Isolation als auch zur Vergrößerung des Wohnraums. Auch erhielten viele Wohnungen eine Wärmedämmung und Thermofenster. Alle Umbaumaßnahmen waren und sind jedoch abhängig vom Willen und der Finanzkraft des Wohnungseigentümers. So kommt es, dass einzelne Apartments keine Wärmedämmung aufweisen und Lücken in der Isolierung entstehen. Weiterhin fand teilweise eine Abkopplung von der zentralisierten Heizund Warmwasserversorgung statt, mit der Folge, dass heute innerhalb eines Gebäudes unterschiedlichste Systeme nebeneinander betrieben werden. Mittlerweile wird jedoch wieder eine einheitliche Sanierung der Blockgebäude angestrebt. So wird z.B. die Verglasung der Balkone einheitlich gestaltet. Abb. 8: Teilrenovierter Wohnblock (SVEN HASSLER 2014) 5 Für die gemeinschaftlichen Flächen vor den Häusern und öffentlichen Flächen zwischen den Häusern scheint es keine Kontrolle oder Verantwortungsgefühl zu geben. Es ist ein Garagenschwarzbau in den Innenhöfen mit Lagernutzung zu beobachten und eine Vernachlässigung gemeinschaftlicher Flächen. Aktuell versuchen zwei NGOs über die Gestaltung von Verkehrsinseln und der gemeinschaftlichen Gestaltung einer großen Naherholungsfläche das Verantwortungsgefühl und die Nutzung öffentlicher Flächen zu unterstützen. Mit der steigenden PKW-Rate erhöhen sich auch Umweltbelastungen der in Parkdruck Mǎnǎştur. und Mit die dem Zusammenbruch des Sozialismus ist das Verbot von Kirchenneubauten gefallen, sodass sowohl in Mǎnǎştur als auch in anderen Nachbarschaften und Abb. 9: Garagengestaltung in Mǎnǎştur (SEBASTIAN LANG 2014) Städten neue Sakralbauten errichtet werden. In Cluj setzte nach 1990 – wie in anderen rumänischen bzw. post-sozialistischen Städten – ein rasanter Suburbanisierungsprozess ein. Auch am Rand von Mǎnǎştur lässt sich diese Entwicklung beobachten. Verschiedene Faktoren beeinflussen den Suburbanisierungsprozess. Dabei wird in der Literatur zwischen politischen, demographischen, wirtschaftlichen und soziale Faktoren unterschieden. Abb. 10: Kirchenneubau Politisch: Im Sozialismus wurde die Industrialisierung (SVEN HASSLER 2014) und damit eine steigende Verstädterung politisch vorangetrieben. Neue Wohnquartiere innerhalb der Stadtgrenzen wurden geschaffen. Nach dem Fall des kommunistischen Regimes wurde im Rahmen der Transformation zur Marktwirtschaft staatliches und gemeinschaftliches Eigentum in Privateigentum zurückgegeben. Dies geschah wie oben genannt mit Abb. 11: Neubau eines Mehrfamilienhauses (SVEN HASSLER 2014) Blockwohnungen aber auch mit landwirtschaftlichen Nutzflächen. Die Privatisierung dieser Landwirtschaftsflächen löste einen Prozess der Spekulation, Landaufgabe und Umwandlung in Bauland aus. Mit der steigenden Integration in die EU und einem wirtschaftlichen Aufschwung begann eine ungezügelte Suburbanisierung rund um rumänische Städte (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 47f.). 6 Wirtschaftlich: Die tiefgreifende wirtschaftliche Transformation und der damit einhergehende Wandel von industriellen zu dienstleistungsgeprägten Städten beförderte letztendlich den Suburbanisierungsprozess (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 49). Demographisch: Aufgrund der starken Industrialisierung und der daraus resultierenden Urbanisierung stieg die Bevölkerungszahl während des Sozialismus in den rumänischen Städten deutlich an. Nach 1989 setzte ein Restrukturierungsprozess ein, der sich durch eine Dekonzentration sowohl von Bevölkerung als auch wirtschaftlicher Aktivität vom Zentrum ins Hinterland auszeichnet und die Ausbreitung der Stadt vorantreibt (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 48). In den letzten Jahren spielt der Bevölkerungsanstieg in den Städten für die Stadtstruktur kaum mehr eine Rolle, entscheidender werden die Wohnpräferenzen in Kombination mit wirtschaftlichen Gründen. Viele Neubaugebiete am Rand entstehen, weil die Bewohner aus dem Stadtzentrum in das grüne Umland ziehen wollen. Seit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 2000er Jahren können sich auch stets mehr Menschen diesen Wunsch erfüllen, gleichzeitig wird der private Hausbau vom Staat unterstützt (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 49f.). Sozial: Eine ungleiche Einkommensverteilung und der Rückzug des Staates aus dem Wohnungsbau führten zu einer ungleichen Verteilung sozialer Gruppen. Finanziell besser gestellte Gruppen haben die Möglichkeit ihren Wohnort aufgrund ihrer Wohnpräferenz zu wählen. Hierdurch setzt sich ein Migrationsprozess in Gang der vom Stadtzentrum und von Plattenbauwohnungen auf Einfamilienhäuser und eben jene Neubauviertel gerichtet ist. So kommt es, dass in den neugeschaffen Nachbarschaften am Stadtrand besonders junge Leute bzw. Familien mit einem überdurchschnittlichen Einkommen anzutreffen sind (GRIGORESCU; MITRICA; MOCANU; TICANA 2011: 52). Die Folge der Suburbanisierung ist ein enormer Flächenverbrauch und eine Zerschneidung der Landschaft. Da die Bebauung zumeist ungeplant abläuft, werden die zwischen den Gebäuden liegenden Flächen nicht bepflanzt und gepflegt. Die Neubauviertel leiden aufgrund mangelnder Planung an Erschließungsdefiziten, welche die Stadt versucht nachträglich zu schließen. So kommt es, dass Straßen erst nachdem das Viertel steht errichtet werden. Da beim Bau der Gebäude Abstandsvorgaben nicht unbedingt eingehalten werden, kommt es zu Fällen, in welchen die Straßenbeleuchtung nicht angebracht werden kann, weil sonst der Zufahrtsweg für Rettungsfahrzeuge nicht gewährleistet ist. Für die Nutzung von sozialen Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindergärten etc. greifen die Bewohner auf die bereits bestehenden Angebote innerhalb der Stadt zurück oder schaffen private Lösungen. Fazit Die aktuellen Themen in Cluj – Festivalisierung, Verkehrsbelastung und Suburbanisierung – spielen bzw. spielten in den Städten Westeuropas ebenfalls eine große Rolle. Auffällig ist jedoch die Abwesenheit des Staates bzw. gerade der kommunalen Verwaltung. Ungeklärt ist die Frage wie die einzelnen Entwicklungen 7 sich gegenseitig beeinflussen. Der Individualverkehr scheint durch den zunehmenden Urban Sprawl weiter anzusteigen. Auch scheint es wahrscheinlich, dass durch eine Fokussierung auf das Zentrum durch Events und vielleicht auch dem Titel der europäischen Kulturhauptstadt die Verkehrsproblematik in der Altstadt steigt und eine weitere Vernachlässigung der städtischen Randgebiete erfolgt. Es bleibt abzuwarten ob rumänische Städte sich weiter dem westeuropäischen Städtemodell annähern oder ob sich ein rumänisches Modell der Stadtentwicklung herausbildet. Künftig bleibt es somit spannend zu beobachten, welche Rolle die kommunale Verwaltung hierbei spielen wird und wie sich die „urban governance“ generell gestaltet. 8 Quellenangaben: Asociatia de dezvoltare intercomunitara Zona Metropolitana Cluj (2008): Planul integrat de dezvoltare pentru Polul de Crestere Cluj-Napoca Zona Metropolitana Cluj 2009-2015. URL: http://www.primariaclujnapoca.ro/userfiles/files/Cluj-Napoca_PID_final.pdf (abgerufen am 29.08.2014). BURDACK, JOACHIM & RUDOLPH, ROBERT (2001): Postsozialistische Stadtentwicklung zwischen nachholender Modernisierung und eigenem Weg. In: Geographica Helvetica, 2011, Band 56, Heft 4, Seiten 261-273. City population (2013): Zensus 2011: Einwohnerzahl. URL: http://www.citypopulation.de/php/romaniacluj.php?cityid=054975 (abgerufen am 29.08.2014). Eurostat (2014): Motorisierungsquote. URL: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab= table&init=1&plugin=1&language=de&pcode=tsdpc340 (abgerufen am 27.07.2014). GRIGORESCU, I. & MITRICA, B. & MOCANU, I. & TICANA, N. (2011): Urban Sprawl and residential Development in the Romanian Metropolitan Areas. In: Revue roumaine de geographie, 2011, Band 56, Heft 1, Seiten 43-60. Youth@Cluj-Napoca2015 (o.J.): Cluj-Napoca for European Youth Capital. URL: http://www.cluj2015.ro /english/why-cluj-napoca (abgerufen am 29.08.2014). Amicitia Travel (2006): Cluj. URL: http://www.amicitia-travel.com/pictures/cluj/cluj-02.jpg (abgerufen am 29.08.2014). Voceat Transilvaniei (2014): ZILELE CULTURALE MAGHIARE 2014 Orchestra Simfonică a Radio Budapesta vine în premieră în România, la Cluj. URL: http://www.voceatransilvaniei.ro/wp-content/uploads/2014/08/piataunirii-cluj-680x365.jpg (abgerufen am 29.08.2014). 9 Sibiu & Sighișoara Herausforderungen nachhaltiger Raumordnung und Stadtplanung in postsozialistischen Städten Mariam Dettmar & Stefan Bloßfeldt 2 Sibiu (Hermannstadt) und Sighișoara (Schäßburg), zwei Städte zentral gelegen im Kern Rumäniens, genauer Siebenbürgen, weisen in ihrer Geschichte und städtischen Struktur einige Gemeinsamkeiten auf. Basierend auf während der Exkursion geführten Gespräche mit Protagonisten der Stadtentwicklung beider Orte, sollen im Folgenden ein kurzer historischer Abriss, eine aktuelle konkrete Problemlage mit Ausblick auf nachhaltige Konzepte der zukünftigen Entwicklung und letztlich eine allgemeine Zusammenfassung mit schematischer Darstellung vorgenommen werden. Sibiu, zu Deutsch „Hermannstadt“ nach dem Kolonistenführer Hermann (ursprünglicher Name „Villa Hermanae“), ist geprägt durch den Einfluss deutscher Kolonisten, die die Region Siebenbürgen, somit auch Sighișoara, grundlegend gestaltet haben. Noch heute ist der Einfluss der Siedler deutlich zu spüren, besonders in Sibiu, wo es noch immer eine starke deutschsprachige Gemeinde gibt. Zwar bildete sich in Sibiu die Unterstadt bereits im 11. Jahrhundert, die Oberstadt (zu beiden Begriffen folgt eine nähere Darstellung) wurde allerdings erst Mitte des 12. Jahrhunderts durch die Kolonisten begründet. Die drei Kernphasen der Stadtentwicklung Sibius lassen sich einfach an den drei unterschiedlich alten Plätzen der Innenstadt erkennen: Die erste Phase des Aufbaus bildet im 12. Jahrhundert der Huet-Platz mit der evangelischen Kirche. Der Ausbau erfolgt dann ca. 200 Jahre später über den sogenannten „kleinen“ und noch später, etwa zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch den „großen Ring“. Das Verbindungsglied hier stellt eine Mauer dar, die das Symbol der Stadt, den Rathausturm, in das Bild eingliedert. Auch Sehenswürdigkeiten wie die Lügenbrücke oder die für Sibiu typischen Giebelfenster, genannt „Sibius Augen“, sind im historischen Kern der Stadt aufzufinden. Auffällig für die Exkursionteilnehmer war die Ähnlichkeit der aufzufindenden Architektur zu der in deutschen Städten. Ende des 14. Jahrhunderts ist Sibiu eine Handwerkerstadt mit 19 Zünften. Sie entwickelt sich, auch durch die Größe ihrer Befestigung und Stadtmauern mit damals 39 Türmen, zu einem wichtigen Zentrum für Handel und Wirtschaft. Auch spielt Sibiu eine wichtige Rolle als Verwaltungsstadt. Besonders im 18. Jahrhundert festigt sich unter dem Einfluss des Siebenbürger Sachsens Samuel von Brukenthal, der als Gouverneur gezielt (Verwaltungs-) Personal nach Sibiu einlädt, eine Verwaltungsriege mit deutschsprachigen Wurzeln. Obwohl die Siebenbürger Sachsen 1867 ihr Recht auf Selbstverwaltung verlieren, bleibt doch eine hiervon geprägte Stadt zurück. Das Brukenthal-Palais am Großen Platz zeugt auch heute noch vom kulturellen Engagement des Gouverneurs. Sibiu ist auch als Bischofsitz der evangelischen Kirche eine Größe. Der Baubeginn der Kirche an sich erfolgt 1322; fertiggestellt wird sie erst 1520. Heute beherbergt sie die größte Kirchenorgel Rumäniens. 3 Ein Bruch in der Geschichte stellt für Rumänien der Kommunismus, der Einfluss genommen hat auf Stadtentwicklung, Bevölkerungsverteilung und Wirtschaft, dar. In dieser Zeit findet eine Verschiebung der ursprünglich verfestigten Verhältnisse statt: Von den 150.000 Einwohnern, die die Stadt derzeit hat, sind nur noch 2% deutscher, dafür 95% rumänischer Herkunft. Nach 1910 waren noch 20.000 Einwohner von 38.000 Siebenbürger Sachsen. Interessant ist die Tatsache, dass die Verwaltung dennoch noch immer von Deutschen gestellt wird. Die Auffälligkeit des deutschsprachigen Kulturkreises erstaunte mich persönlich schon bei meinem ersten Besuch in Sibiu 2011 und vermittelte mir gleichzeitig ein Gefühl von Vertrautheit. Durch die Exkursion hatte ich nun noch einmal die Möglichkeit, dieses vage Gefühl mit den interessanten Informationen aus unserem Gespräch mit Michael Engel (Näheres dazu siehe unten) zu vergleichen und dank der fachkundigen Leitung von Herrn Prof. Dr. Schreiber noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Sighișoara hat – zunächst betrachtet – eine ähnliche Historie wie Sibiu. Ebenfalls eine von Siebenbürger Sachsen im 12. Jahrhundert gegründete Stadt, folgt auch sie der Aufteilung in Oberund Unterstadt. Die größte Sehenswürdigkeit ist das historische Zentrum, das 1999 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Es ist geprägt vom zentralen Burgplatz. Der „Stundturm“, Teil der Verteidigungsanlage, kann hier als eine der wichtigsten touristischen Attraktionen gesehen werden. Sighișoara hat im Vergleich zu Sibiu jedoch nicht die gleiche wirtschaftliche oder verwaltungsorientierte Bedeutung erhalten – Mit 28.000 Einwohnern ist die Stadt heute auch um einiges kleiner. Zusätzlich ist der Einfluss der Siebenbürger Sachsen durch Auswanderungswellen während der Zeit des Kommunismus stark gesunken. Mittlerweile sind sie zu einer kleinen Minderheit geworden, obwohl das Deutsche als Sprache noch erhalten ist. Nun wird vielleicht der größte Unterschied zwischen den beiden Städten deutlich: In Sibiu zieht sich die Beteiligung der Siebenbürger Sachsen wie ein roter Faden durch die Geschichte, während in Sighișoara ein Wechsel in der Politik stattfindet. Der Kommunismus ist ein beiden Städten ein einschneidender Moment: Während Sibiu danach allerdings zu einer Art „vorkommunistischer Identität“ zurückfindet, übernimmt in Sighișoara eine rumänisch geführte Politik die Gestaltung der Stadt. Der urbane Grundriss von Sibiu und Sighișoara lässt sich, wie in der beigefügten Grafik illustriert, aufgrund der ähnlichen Abbildung 1: Schematischer Aufbau Sibiu und Sighișoara Entwicklungslinien schematisch gleich darstellen. Beide Städte verfügen über eine Altstadt, welche sich jeweils in eine Oberund Unterstadt aufteilt. Erstere stellt das historische Zentrum und den Ausgangspunkt der Stadtentwicklung dar. Die Oberstadt befindet sich auf erhöhtem Relief, Quelle: Eigene Darstellung nach SAILERFLIEGE (1999) 4 hatte aus historischer Sicht vor allem eine repräsentative Funktion und galt als Wohnstandort bessergestellter Stände. Etwas tiefer gelegen schließt sich die sogenannte Unterstadt an. Sie bildete den Wohnstandort der normalen Bevölkerung, weshalb die hier überwiegend aus alten Wohnhäusern bestehende Bausubstanz entsprechend weniger prunkvoll in Erscheinung tritt. Die Stadterweiterung setzte sich schließlich mit dem sozialistischen Stadtumbau fort. Trotz länderspezifischer Unterschiede hinsichtlich der Vorbedingungen und der Ausprägung des Kommunismus gab es hierbei einige gemeinsame Entwicklungslinien im Mittel- und Osteuropäischen Raum, welche sich auch in Hermannstadt und Schässburg als zutreffend erweisen. Die bis dahin unter feudal-kapitalistischen Prinzipien gewachsene Stadt widersprach der kommunistischen Idee von sozialer Gleichheit, weswegen es eines Stadtumbaus bedurfte. Durch gezielte Desinvestition in der Altstadt sollte die historische Bausubstanz langsam zerbröckeln und sukzessive durch sozialistische Neubauten ersetzt werden. Gleichzeitig wurde der Stadtumbau aktiv, durch den sozialistischen Wohnungsbaus in Form von Plattenbauten, an den Stadträndern vorangetrieben. Damit wuchs die Stadt weiter nach außen, behielt aber in der Regel dennoch ihre kompakte Form. Eine Suburbanisierung im eigentlichen Sinne gab es in kommunistischer Zeit hingegen nicht (Sykora 2009: 387ff.). Für den vorliegenden Fall ist zu erwähnen, dass die Altstädte in Sibiu und Sighișoara zwar ebenfalls dem Verfall preisgegeben waren, zumindest aber die beiden Oberstädte kaum durch sozialistische Neubauten überprägt wurden. Abgesehen davon bedingte der sozialistische Stadtumbau eine sozialräumliche Neuordnung, die jedoch keineswegs eine klassenlose Bevölkerung widerspiegelte. Die durch besagten Verfall weniger attraktiven Innenstadtlagen blieben vor allem Wohnort älterer und sozial schwächerer Menschen, während insbesondere jüngere Familien oder Personen mit gewissem Einfluss in die attraktiven sozialistischen Neubauten am Stadtrand ziehen konnten (ibid.). Das Einsetzen der jüngsten Stadtentwicklungsphase ging mit der Transformation des politischen und wirtschaftlichen Systems einher. Dies resultierte insbesondere in jüngster Zeit in der ungeregelten Bebauung des suburbanen Raumes. Das jedoch wohl vordringlichste Problem, welches der Kommunismus in beiden Städten hinterließ, war der miserable Zustand der Bausubstanz in der Altstadt. Eine Sanierung der historisch wertvollen Gebäude gestaltete sich aber durch die Rückerstattungs- und Privatisierungspraktiken in Rumänien oftmals als schwierig. Die Immobilien der Altstadt wurden nun zu oftmals zu Spekulationsobjekten, da sie wieder Wert besaßen und die Eigentümer oft nicht mehr selbst darin wohnhaft waren. Weitere Hindernisse für die Sanierung der historischen Bausubstanz in beiden Städten waren außerdem - und sind es nach wie vor - mangelndes Kapital, fehlendes handwerkliches und architektonisches Know-How, sowie fehlendes Interesse und Verständnis für eine denkmalschutzgerechte Sanierung. Dementsprechend 5 kritisch sind die bisher insbesondere in den touristisch wertvollen Oberstädten erfolgten Sanierungsarbeiten zu sehen, da rundumerneuerte Fassaden nicht zwangsweise mit einer sachgerechten Sanierung gleichzusetzen sind. In einem Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Hans Hedrich, der sich mit den Schwierigkeiten der Stadtplanung in Sighișoara beschäftigt und sich selbst als außerpolitischen „Aktivisten“ im Stadtgeschehen begreift, wird deutlich, dass seiner Meinung nach durch die fehlende emotionale Verknüpfung der neuen Verantwortlichen mit der Geschichte der Altstadt ein Konflikt erzeugt wurde, der sich im Umgang mit der Bausubstanz und Repräsentation der Stadt gegenüber Touristen widerspiegelt. So kritisiert er, dass die Geschichte der Sachsen kaum bis gar nicht in den Fokus gestellt würde, nur die wirksamen Attraktionen wie das angebliche Geburtshaus „Draculas“, dem Fürsten Vlad Tepeș, seien ausgewählt worden, um Besuchern eine Art „Disneyland“ vorzuspielen. Dazu passt auch das Problem des Managements von beispielsweise Großveranstaltungen wie dem Mittelalterfestival, welches genau zur Zeit unserer Besichtigung in Sighișoara stattfand: Die Komplikationen wurden uns direkt vor Augen geführt. Die „carrying capacity“ sei überschritten, so Hedrichs Urteil. Qualifizierte Planung und generell eine fachgerechte Umsetzung von Baumaßnahmen etwa sei nicht ausreichend gegeben. Im Gegenteil: Die derzeitige Politik sei noch immer geprägt von kommunistischer Vergangenheit und unseriösen Vorfällen. Als Beispiel erwähnt er den Skandal um den vorbestraften Bürgermeister der Stadt, der ohne Konsequenz sein Amt weiterverfolgen konnte. Die Europäische Union könnte eine Chance darstellen, durch ein europaweites Interesse und eine Art Druckausübung positive Entwicklungen zu beschleunigen. Als gutes Beispiel hierfür haben wir Sibiu erlebt: 2007 war dies die europäische Kulturhauptstadt. Das große mediale Interesse war ein Ansporn, Renovierungen durchzuführen. Im Gespräch mit dem Stadtplaner und Architekten Michael Engel, der für die HERITAS-Stiftung in Sibiu arbeitet, erfahren wir, dass allerdings auch bei diesen Maßnahmen das Hauptaugenmerk auf eine „Aufhübschung“ der Innenstadt gerichtet war, nicht aber unbedingt ausreichend auf einen längerfristigen Erfolg unter Einbezug der Bewohner. Das Wecken des Verantwortungsgefühls der Besitzer ist für Engel ein essentieller Bestandteil des Konzepts der nachhaltigen Nutzung der Gebäude und Stadt an sich. Nur der integrierte Ansatz der Stadtplanung, der Umwelt, Soziales und Wirtschaft vereint, ist für ihn eine genügende Vorgehensweise. Wirtschaftlich profitiert Sibiu, ähnlich wie Sighișoara, vom Tourismus. Auch hier finden Großveranstaltungen im historischen Zentrum statt. In beiden Städten ist dabei zu bemerken, dass ein Gleichgewicht zwischen Anwohnerinteressen und Gewinnmaximierung oft schwierig zu wahren ist. Langfristig bietet sich durch ein konstantes Angebot an Kultur, das nicht auf den schnellen Erfolg ausgelegt ist, vielleicht 6 eine beständigere Basis für den Tourismus, die auch einfacher in den Alltag einer Stadt einzubinden wäre. Allgemein steht die Aufwertung der Oberstädte vor allem im Kontext eines globalen Städtewettbewerbs um Einwohner, Besucher, Investoren und letztlich Kapital. Wollen Städte in diesem Wettbewerb bestehen, müssen sie ihre Attraktivität durch Selbstinszenierung erfahrbar machen, nach außen darstellen und steigern. Ziel ist es daher Aufmerksamkeit, Bekanntheit und ein entsprechendes Image zu erlangen, um sich von der Konkurrenz im interkommunalen und regionalen Wettbewerb um besagte Zielgruppen abzuheben. Aus diesem Kontext ergibt sich die Relevanz einer aktiven Standortpolitik seitens der Städte beispielsweise mittels eines Stadtmarketings und der Durchführung von Events (ZANGER & KAMINSKI 2011: 123f.). Events sollen den Städten zumindest zeitweilig zu überregionaler oder internationaler Aufmerksamkeit verhelfen und planerische Prozesse vorantreiben, indem die Verwaltung gezielt mobilisiert wird (BETZ et al. 2011: 11). In Hermannstadt lassen sich derartige Maßnahmen etwa durch die Bemühungen um die Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2007 verdeutlichen, die letztlich auch zur Aufwertung der innerstädtischen Bausubstanz führten. Außerdem bemüht sich Hermannstadt um den Status eines UNESCO Weltkulturerbes, welchen die Oberstadt von Sighișoara bereits inne hat. Aber auch kleinere Veranstaltungen, wie etwa der besagte Mittelaltermarkt in Schäßburg sind dementsprechend einzuordnen. Die Innenstädte nehmen hierbei die Funktion einer Bühne oder eines Darstellungsraumes für die gesamte Stadt und Region ein, wofür gerade die historisch gewachsenen Stadtzentren ein erhebliches Potential bieten (Mohnheim 2003: 816). Ein Bewusstsein für den Umgang mit kulturellem Erbe, manifestiert auch in den historischen Gebäuden, scheint in Sibiu vielfältiger und bewusster vorhanden zu sein als in Sighișoara. Zusätzlich hat die Stadt bis 2007 eine große Entwicklung erlebt. Dabei sollte für beide Städte gelten: Nachhaltige und vorrausschauende Planung, kompetente Umsetzung und Expertise im Bereich der Stadtplanung, Renovierung und des Veranstaltungsmanagements dürfen nicht zu kurz kommen. Es ist dabei selbstverständlich, dass Entwicklungen nicht von einem auf den anderen Moment zu erwarten sein können. Die positiven Impulse und kritischen Stimmen in beiden Städten zeigen jedoch, dass das öffentliche Interesse und qualifizierte Teilnahme vorhanden sind und den Weg der Städte mitgestaltet. Mariam Dettmar, Universtität Hamburg, Deutsche Sprache und Literatur mit Nebenfach Geographie. Stefan Bloßfeldt, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Sozial- und Bevölkerungsgeographie. 7 QUELLEN: BETZ G., HITZLER R. & M. PFADENHAUER (2012): Zur Einleitung: Eventisierung des Urbanen. In: BETZ G., HITZLER R. & M. PFADENHAUER (Hrsg.): Urbane Events; 9-24. Exursionsmitschriften (Bloßfeldt Stefan/ Dettmar Mariam) MOHNHEIM R. (2003): Die Bedeutung von Freizeit und Tourismus für die Entwicklung von Innenstädten. In: BECKER C., HOPFINGER H.& A. STEINECKE (Hrsg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus; 815-826. SAILER-FLIEGE U. (1999): Characteristics of post-socialist urban transformation in East Central Europe. GeoJournal 49 (1): 7-15. SYKORA L. (2009): Post-Socialist Cities. In: KITCHIN, R. & N. THRIFT (eds.): International Encyclopedia of Human Geography, Volume 8: 387-395; Oxford (Elsevier). ZANGER C. & S. KAMINSKI (2012): Vom Rummel zum urbanen Stadtmarketingevent. In: BETZ G., HITZLER R. & M. PFADENHAUER (Hrsg.): Urbane Events; 123-140. Rosia Montana – Zukunft eines Bergarbeiterdorfes In diesem Beitrag soll in einem kurzen Überblick die Geschichte und die aktuelle Situation der Gemeinde „Rosia Montana“ dargestellt werden. Anschließend sollen zwei verschiedene Pläne zur Entwicklung der Region dargestellt werden. Diese sind zum einen die Durchführung des größten Gold-Tagebaus in Europas und dessen Alternative, die Stärkung einer endogenen wirtschaftlichen Entwicklung. Die Zukunft der Gemeinde wird sowohl in Rumänien, als auch weltweit kontrovers diskutiert, was mit dem Umfang des möglichen Tagebau-Vorhabens begründet ist. (Abb. 1.: Bergbaulandschaft in Rosia Montana; eigene Aufnahme 2014) Geschichte Die Gemeinde „Rosia Montana“ besteht aus 16 Dörfern und liegt im westlichen Teil Transsylvaniens, Rumänien. Der Ort „Rosia Montana“ selbst ist eine der ältesten Siedlungen innerhalb der Region. Während der Zeit des römischen Reichs war es unter dem Namen „Alburnus Maior“ bekannt und gehörte mit zu den wichtigsten Goldabbaugebieten Europas. Seit dem wurde fast ununterbrochen Gold in der Region abgebaut. In der Epoche des Kommunismus, wurden die Goldabbauaktivitäten stark intensiviert, was Bergarbeiter aus ganz Rumänien in die Region zog. Nach dem Macht und Systemwechsel in Rumänien 1989 sind die Abbauaktivitäten stetig zurückgegangen. Im Jahr 2006 hat die letzte Goldmine den Betrieb eingestellt. Die Situation ist seit dem stark von wachsenden ökologischen Problemen und steigender Arbeitslosigkeit geprägt. Hierzu soll noch angemerkt werden, dass dieses Phänomen von steigenden sozialen und ökonomischen Problemen in vielen Gemeinden und Kleinstädten in Rumänien vorherrschend sind. Insbesondere in ehemaligen Bergbaugebieten (Vesalon & Cretan 2013). Die aktuelle Situation ist geprägt von einer sehr niedrigen Bevölkerungsdichte (<100 Ew./km²), einer geringen Beschäftigungsquote (900 von 3700 Menschen). Die meisten Menschen in der Region betreiben zur Selbstversorgung Landwirtschaft, welcher auch den hohen ökologischen Wert der bewirtschafteten Weiden und Mäh-Wiesen erhält. Des weiteren ist die Region durch Überalterung geprägt. Die Emigration der jüngeren Bevölkerung hat die sozialen Netzwerke in den Dörfern stark geschwächt, was zu einer stärkeren Vereinsamung der älteren Bewohner in den Dörfern geführt hat. Kulturell ist in den Dörfern die Bergbautradition von Bedeutung. Damit einher gehen starke ökologische Probleme in den aufgelassen Bergbaulandschaften. Szenario I (Durchführung der Minenarbeiten) Die Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) hat im Jahr 1999 die Konzession für den Abbau von Gold und Silber in der Gemeinde Rosia Montana erworben (Regierungsresolution 458/1999). Dieses Projekt sieht vor auf 1346 Hektar Bergbau zu betreiben. Insgesamt besitzt RMGC für 2388 ha eine Lizenz, wovon 300 ha für ein Rückhaltebecken für Zyanid und Schwermettal vorgesehen sind. RMGC ist ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen dem kanadischen Minenunternehmen Gabriel Resources (80% der Anteile) und MINVEST (20% der Anteile), einem rumänischen, staatlichen Bergbauunternehmen (Alburnus Maior 2014). Wirtschaftlicher Einfluss Der von RMGC ursprünglich vorgesehene Umsatz für das Projekt waren 3.2 Mrd. US$, wovon an den rumänischen Staat 2% Lizenzgebühren fließen sollten (RMGC 2004). Spätere Berechnungen von RMGC zufolge soll der Umsatz auf 4 Mrd. US$ steigen und die Lizenzgebühren auf 4% verdoppelt werden (Gabriel Resources 2012). Während der Abbauphase von 17 Jahren sollen insgesamt 634 Arbeitsplätze geschaffen werden; diese Arbeitsplätze umfassen nicht nur die Direkten bei RMGC, sondern auch solche in der Zulieferindustrie, der Verwaltung, etc. (Alburnus Maior 2014). Umweltauswirkungen Der Tagebau in Rosia Montana wäre der Größte seiner Art in Europa. Allein der Einsatz von Zyanid würde die Menge an Zyanid, die aktuell in Europa verbraucht wird um das 13-fache übertreffen (Alburnus Maior 2012). Während der gesamten Projektphase (17 Jahre) würden insgesamt 240.000 t Zyanid eingesetzt werden. Dies entspricht der 600 Mrd. fachen Menge, die für einen erwachsenen Menschen tödlich sind. Die eingesetzte Chemikalie wäre Alkali-cyanid (NaCN). Diese gilt als wasserlöslich und extrem giftig (Falbe & Regitz 1997). Die gesamte Menge an Gestein, aus der die Edelmetalle gewonnen werden sollen, müsste hermetisch abgeriegelt endgelagert werden. Dazu ist ein 300 ha großes Becken vorgesehen. Der Damm, der dieses Becken abschließt hätte eine Höhe von 185m. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Zyanid aus dem Abraum in Flüsse und Grundwasser gelangt oder sich über Staubauswehungen über die Luft verbreitet. Die Staubpartikel würden nach den Sprengungen für 1-3 Jahren in der Atmosphäre verbleiben (Alburnus Maior 2014). Alkali-Cyanid kann vom Menschen über den Mund, die Atemorgane und die Haut aufgenommen werden. Nach der Aufnahme führt das Zyanid zu einem Stopp der Zellatmung, was einer inneren Verblutung gleichkommt (Falbe & Regitz 1997). Einfluss auf das nationale Kulturerbe Für den Tagebau müssten 4 Berge gesprengt werden; dadurch würden Krater mit einem Durchmesser von bis zu 8 km entstehen (Alburnus Maior 2014). Zusätzlich müssten 975 Häuser, von denen 41 als nationales Kulturerbe eingestuft sind, abgerissen werden. Darüber hinaus würden 7 Kirchen zerstört und 11 Friedhöfe müssten umgesetzt werden. Die für das nationale Kulturerbe als besonders bedeutend eingestuften römischen Galerien würden unwiederbringlich zerstört. Die Bedeutung der Galerien wurde durch die Bestrebungen diese als UNESCO Weltkulturerbe eintragen zu lassen zusätzlich verstärkt. Soziale Einflüsse Die Umsetzung des Minenprojektes hätte eine Umsiedlung der gesamten Bevölkerung in den betroffen Dörnern zur Folge. Zusätzlich haben die starken politischen Spannungen im Vorfeld des Projektes zu einer starken sozialen Spaltung der Bevölkerung in der Region in Pro und Contra des Projektes von RMGC geführt. Szenario II (alternative Wirtschaftliche Entwicklung) Als Antwort auf die Pläne zur bergbaulichen Ausbeutung der Region Rosia Montana sind viele, verschiedene Pläne entstanden, wie sich die Region wirtschaftlicher in Zukunft entwickeln kann. Alle Akteure teilen die Ansicht, dass ein „weiter so“ keine realistische Alternative zu dem Bergbauvorhaben darstellt. Ein großes Entwicklungspotenzial wird im Tourismus gesehen. Ein großes touristisches Potenzial stellt das einzigartige Kulturerbe der Region dar. Diese sind zum einen die alten römischen Stollen und die modernen Bergbauanlagen, wie Fahrzeuge, Stollen, Gebäude und sonstige Gerätschaften. Das Landschaftsbild spielt für die touristische Attraktivität eine große Rolle. Positiv fallen die Wäldern und Weiden, in den Hanglagen ins Gewicht. Dort findet sich eine hohe Vielfalt an Pflanzen und Tieren, die auch von Touristen als wertvoll empfunden wird. Hinzu kommen aus geographischer Sicht, die verstreuten Höfe, kleinen Dörfer und die traditionellen Häuser. Jedoch müssen auch die durch die jahrelangen bergbaulichen Eingriffe entstandenen großen Löcher die hohe Umweltbelastung betrachtet werden. Diese Faktoren wirken sich negativ auf die touristische Attraktivität aus. Solche Bergbaufolgelandschaften können jedoch, bei entsprechender Vermarktung, auch einen speziellen Charme (Stichwort Industrieromantik) auf Besucher auswirken. Als ein besonders erfolgreiches Modell kann hier die Zeche Zollverein in Essen und das Ruhrgebiet als solches in Deutschland genannt werden. Weitere wirtschaftliche Potenziale liegen in der Förderung der Handwerkskunst und der Kulturwirtschaft. Schon jetzt zieht das „Fan Fest“ (dt. Heufest) jährlich mehrere tausend junger Menschen für eine Woche in die Region. Im Jahr 2014 besuchten zum ersten Mal über 7000 Gäste das Festival. Neben der Förderung von neuen wirtschaftlichen Einnahmequellen, bestehen auch schon jetzt verschiedenste Einnahmemöglichkeiten in der Region. Die extensive Landwirtschaft ermöglicht schon jetzt zu einem großen Teil die Selbstversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Die Förderung der Absatzmärkte, eine bessere Technisierung und eine stärkere Rationalisierung der Betriebsabläufe würden Einnahmemöglichkeiten durch den Absatz landwirtschaftlicher Produkte ermöglichen, ohne das Landschaftsbild und die Biodiversität stark zu beeinträchtigen. Dazu finden sich viele positive Beispiele in Transsylvanien. Weitere Entwicklungspotenziale werden in der Förderung kleiner und Mittelständischer Unternehmen und des Handwerks gesehen (Vesalon & Cretan 2013). Fazit Die Lage der Gemeinde Rosia Montana lässt sich soweit zusammenfassen, dass eine Durchführung der Bergbaupläne der RMGC den Mono-industriellen Charakter der Region für weitere zwei Jahrzehnte erhalten würde. Aus Ökonomischer Sicht bietet eine Mono-industrielle Entwicklung beschränkte Chancen zur Entstehung auf Arbeitsplätze außerhalb der bestehenden industriellen Zweige. Darüber hinaus sind andere wirtschaftliche Aktivitäten sehr stark von der Entwicklung des vorherrschenden industriellen Zweigs abhängig. Zudem sind aus ökologischer Sicht Mono-industrielle Gebiete meist die am stärksten belasteten Gebiete innerhalb eines Staates (Vesalon & Cretan 2013). Von daher sollte ist eine vielfältigere Entwicklung der Region ratsam. Neben der Förderung der bestehenden Handwerksbetriebe und Landwirtschaft kommt dem Tourismus am meisten Bedeutung zu. Die hohe Bekanntheit der Region durch die medial sehr präsenten Proteste und die das einzigartige Kulturerbe sind wichtige Faktoren, die eine touristische Entwicklung fördern. Literatur Vesalon L, Cretan R 2013: Mono-industrialism and the struggle for alternative development: the case of the Rosia Montana gold-mining project. Dijdschrift voor Economische en Sociale Geografie. 104. 539-555. Alburnus Maior 2014: All about Rosia Montana. http://rosiamontana.org/en/argumente/all-about-rosia-montana-mining-project 12.09.2014 Available . Accessed at: on Gabriel Resources 2012: Economic Benefits of Goldmining Exploitation at Rosia Montana. Availiable at: . Accessed on 08.09.2014 Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) 2004: Project Presentation Report. Rosia Montana: RGMC Falbe J, Regitz M (Hg.) 1997: Römpp Lexikon Chemie. 2. Band Cm-G 10. Aufl. Thieme. Stuttgart, New York. Erhalt der Kulturlandschaften und gebauten Kulturen im südlichen Siebenbürgen – Probleme, Maßnahmen, eigene Empfehlungen v. l. n. r.: Kulturlandschaft im Gebiet der Târnava Mare; Kirchenburg von Viscri; Häuserzeile in Viscri (Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014) Verfasst von: Marianne Höbel, Hochschule Neubrandenburg, Bachelor Naturschutz und Landnutzungsplanung Stefanie Lutsch, Universität Erlangen, Master Kulturgeographie Inhaltsverzeichnis 1 Kulturlandschaften 1.1 Einführung 1.2 Probleme 1.3 Ziele 1.4 Maßnahmen 2 Gebaute Kulturen 2.1 Einführung 2.2 Probleme 2.3 Ziele 2.4 Maßnahmen 3 Fazit Das soziokulturelle Erbe im südlichen Siebenbürgen (rumän. Transilvania) ist durch das jahrhundertlange Wirken der Siebenbürger Sachsen geprägt. Seit etwa 20 Jahren ist die Kulturlandschaft durch gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Umstrukturierungen bedroht. Um die Kulturlandschaft in Siebenbürgen zu erhalten führen Stiftungen in der Region verschiedene Maßnahmen und Projekte durch. Dabei spielen nachhaltiges Handeln und verantwortungsbewusstes Wirtschaften in den Bereichen Soziales, Ökologie und Ökonomie eine große Rolle. Die ADEPT-Stiftung fokussiert sich dabei beispielsweise auf die traditionelle Landwirtschaft und beschäftigt sich mit Naturschutzthemen, vor allem der Biodiversität. Vorrangiges Ziel des Mihai Eminescu Trust ist hingegen der Erhalt der einzigartigen Architektur der Siebenbürger Sachsen. 1 1 Kulturlandschaften Nach DOLLINGER (1981) sind „Kulturlandschaften [F] ein repräsentativer Teil der Lebenswelt gesellschaftlicher Gruppen, die einem steten Wandel und Anpassungsprozess unterliegen.“ Diese Landschaften sind demnach jahrelang vom Menschen geprägt und überformt und somit ständigen Veränderungen ausgesetzt. Kulturelle, soziale sowie wirtschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussen letztendlich das Ausmaß und die Auswirkungen, welche der menschliche Eingriff auf die Flora und Fauna hat. Der Mensch ist sowohl bei der Entstehung als auch bei der Erhaltung der Kulturlandschaft die entscheidende treibende Kraft (vgl. UNIVERSITÄT INNSBRUCK 2008, o. S.). Landwirte bei der Arbeit in der Umgebung von Saschiz (Quelle: ADEPT 2014 a, S. 4ff) 1.1 Einführung In ganz Europa sind bis heute historische Kulturlandschaften vorzufinden. Eines der wichtigsten europäischen Landschaften, die einen besonders hohen natürlichen Wert aufweisen, gibt es in Rumänien, insbesondere in Siebenbürgen. Diese sind über lange Zeit durch die traditionelle kleinbäuerliche Landbewirtschaftung geprägt worden und tragen sowohl zur lokalen als auch regionalen Identität bei. Insbesondere ist durch die Grünlandwirtschaft eine hohe Biodiversität entstanden. Insgesamt gibt es in Rumänien von den rund 4,8 Millionen Hektar Grünland-Anteil, etwa drei Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, die als "High Nature Value"-Grünland eingestuft sind. "HNV"-Grünland umfasst alle extensiv genutzten Grünlandausprägungen (trockene, frische, feuchte Standorte), soweit sie besonders artenreich und/oder ökologisch wertvoll sind." (BFN 2010, S. 14). Diese Kulturlandschaften befinden sich in höchstem ökologisch funktionsfähigem Zustand. Außerdem stellen sie ein Habitat für zahlreiche Pflanzen und Tiere, darunter auch geschützte Arten dar (77 der Roten Liste Rumäniens). Die wilden Flora- und FaunaArten und deren natürliche Lebensräume werden durch die nachhaltigen landwirtschaftlichen Methoden der kleinbäuerlich geprägten Gemeinden, die hier ansässig sind, am Leben erhalten. „Die Verbindung zwischen Mensch, Landwirtschaft und Natur sind immer noch intakt“, laut ADEPT (2014 a, S. 2). Das siebenbürgische Weideland verfügt über die größte Vielfalt an Blumenarten weltweit und bewirkt dadurch, dass hier immer noch zahlreiche Populationen von Säugetieren, Schmetterlingen und anderen Tierarten heimisch sind, die es nur in Zusammenhang mit bewirt2 schaftetem Ackerland gibt. Im Großteil Europas sind diese bereits vom Aussterben bedroht (vgl. ADEPT 2014 a, S. 2ff). Die Landschaften im südlichen Teil Siebenbürgens haben aber nicht nur eine historische und ästhetische Bedeutung, sie sorgen auch für eine hohe Produktivität und eine beachtliche Beschäftigungszahl an Einheimischen. Zudem nutzen bedrohte Tier- und Pflanzenarten sie ebenso als Zufluchtsort, geben eine gewisse Erntesicherheit durch die nachhaltige Bewirtschaftung, sorgen für saubere Luft- und Wasserverhältnisse sowie schützen vor Hochwasser durch die natürlichen landschaftlichen Bedingungen in den Einzugsgebieten (vgl. ADEPT 2014 a, S. 2). Artenreiche Flora und Fauna im Gebiet der Târnava Mare (Quelle: ADEPT 2014 a, S. 11ff) 1.2 Probleme Nun treten heutzutage einige Probleme aufgrund von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren in der Kulturlandschaft Siebenbürgens auf, welche sich insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verstärkt haben. Seit etwa 20 Jahren ist die traditionelle Kulturlandschaft mit ihrer hohen Artenvielfalt durch ökonomische, technische und soziale Umstrukturierungen bedroht. Vor der Wende war die extensive Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen durch sogenannte LPG‘s (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) organisiert (mdl. HAVADI 2014). Im Zuge der Bodenreform von 1945 wurden die Bauern enteignet und zwangskollektiviert. Durch die Kollektivierung ging die "Unabhängigkeit, Würde und Identität" (STOICA 2007, S.77f) der Bauern verloren. Dies beeinträchtigte die entwickelten Strukturen in den rumänischen Dörfern erheblich und wirkte sich auch auf den Rückgang der ländlichen Bevölkerung aus. Durch die gleichzeitig stattfindende Industrialisierung zog es auch immer mehr junge Menschen in die Städte (vgl. STOICA 2007, S. 77ff). Genaueres zur Kollektivierung der Landwirtschaft in Ungarn und Rumänien, ist an zwei konkreten Beispielen bei THELEN (2003) beschrieben. Nach der Wende wurden die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und Staatsfarmen aufgelöst und die Ländereien an ihre Besitzer zurückgegeben. Dies führte zu einer Zerstückelung und Zerstreuung der Flächen. Dadurch ist die Bewirtschaftung schwieriger und 3 aufwendiger geworden. Ebenso hält die Abwanderung in die Städte weiterhin an. Vor allem junge Menschen verlassen die ländlichen Regionen. Dadurch ist der Altersdurchschnitt in den ruralen Gebieten deutlich höher als im urbanen Bereich. Das Interesse für die Landwirtschaft geht verloren und die ältere Generation hat oftmals ein mangelndes Bewusstsein für die lokale Biodiversität. Die Medien und das Internet suggerieren die Vorzüge, welches ein Stadtleben bietet. Somit ist es schwierig, die junge Generation für die Landwirtschaft zu motivieren (mdl. HAVADI 2014). Die Viehzucht und Bewirtschaftung der Flächen erfordert nun einmal großen Arbeitseinsatz, wird aber nicht ausreichend honoriert. Die Arbeitsleistung der Bauern wird immer noch zu wenig geschätzt und anerkannt. Dies ist auch deutlich an den sinkenden Erzeugerpreisen, wie beispielsweise dem Milchpreisverfall, zu beobachten. Die Bauern produzieren nicht nur wertvolle Nahrungsmittel, sondern leisten zugleich einen großen Beitrag zur Landschaftspflege und damit zum Erhalt der traditionellen Kulturlandschaft und dem charakteristischen Landschaftsbild. Zudem besitzt die Landschaft ein hohes touristisches Potential und ist durch die nachhaltige Nutzung sowie die pflanzengenetischen Ressourcen von internationaler Bedeutung. Die Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft wird stetig geringer. Wenn die Nutzung, d.h. die Bewirtschaftung der Flächen durch die traditionelle Mahd und/oder Beweidung wegfällt, hat dies Auswirkungen auf die Vegetationsausstattung. Allmählich setzt eine Verwucherung und Verbuschung ein, bestimmte Arten werden verdrängt. Durch die eintretende Sukzession verändert sich die Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften. Ein weiteres Problem liegt in er Landnutzungsänderung. Dies ist vor allem auf den EU-Beitritt Rumäniens im Jahre 2007 zurückzuführen. Die Europäische Union fördert die Landwirtschaft der Mitgliedsstaaten durch Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Für die Bewirtschaftung von landwirtschaftlicher Fläche wird eine so genannte Flächenprämie bezahlt. Dies stellt erst einmal ein ‚Zubrot‘ für Bauern dar. Doch die Agrarsubventionen ziehen auch negative Folgen nach sich. Der Empfang von Prämien gilt als wirtschaftlicher Anreiz für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Demzufolge ist das Land sehr begehrt. Den Kleinbauern fehlen aber meist die finanziellen Mittel, um weitere Flächen zu pachten. Immer mehr Menschen, die ursprünglich nicht mit der Landwirtschaft in Berührung waren, pachten landwirtschaftliche Nutzflächen aus Gemeindebesitz an, um als "Nutznießer" die EU-Prämien zu kassieren (mdl. HAVADI 2014). Zunehmend sind dies auch Investoren und Agrarspekulanten aus dem Ausland, wie beispielsweise der Schweiz (vgl. ARTE 2014, o. S.). Die Flächen werden überwiegend durch große Schafherden beweidet. Vermutlich, weil die Schafzucht weniger aufwendig ist, als die Milchviehhaltung und der Verkauf von Fleisch im Verhältnis zur Molkereiwirtschaft rentabler ist. Durch den Umstieg von Milchvieh auf Schafhaltung werden die Flächen oftmals überweidet. Die Schafe weisen ein anderes Fressverhalten auf wie Rinder bzw. Kühe. Daneben führt ein zu hoher Viehbesatz, sprich das Verhältnis der Anzahl von Nutztieren zur Fläche, zu einem erhöhten Nährstoffeintrag (Kot), Trittschäden und Flächenerosionen. 4 Durch die Konkurrenz um die landwirtschaftlichen Flächen treten verschiedene Konflikte auf. Außerdem findet der hergestellte Käse aus der Schafsmilch keinen nennenswerten Absatzmarkt. Wenn die Subventionen wegfallen, landen die vielen Schafe höchstwahrscheinlich beim Schlachter (mdl. HAVADI 2014). 1.3 Ziele Eine große Aufgabe besteht darin, die traditionelle Kulturlandschaft mit ihrer Eigenart und Vielfalt zu schützen und zu erhalten. Wie oben beschrieben, ist es wichtig das Grasland einer traditionellen Nutzung zu unterziehen, damit die Landschaft mit ihrer Artenausstattung erhalten bleibt. Dafür muss die Arbeit der Bauern wertgeschätzt und unterstützt werden. Es werden unter anderem Anreize zur Milchviehhaltung geschaffen. Eine Milchannahmestelle ist beispielsweise in Saschiz, wo die Stiftung ADEPT seinen Sitz hat, bereits vorhanden, eine Verarbeitungsstelle wird geplant. Es gibt auch das Prinzip des sogenannten ‚wandernden Kalbs‘. Wenn eine Kuh kalbt, wird das neugeborene Tier weiter verschenkt, um somit den Aufbau der Tierherden bei den Kleinbauern zu unterstützen (mdl. HAVADI 2014). Im nachfolgenden Kapitel wird genauer darauf eingegangen, wie sich die Stiftung ADEPT mit ihrer Arbeit für diese Belange einsetzt. Vieh auf der Weide bei Viscri (Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014) 1.4 Maßnahmen Es gibt verschiedene Nichtregierungs-Organisationen (NGO’s) in der Region der Großen Kokel (Târnava Mare), dem Fluss, der durch das Gebiet Rumäniens fließt, welches eine besonders hohe Biodiversität aufweist. Sie setzen sich im weitesten Sinne alle für den Erhalt der identitätsstiftenden Kultur Siebenbürgens ein. Fundaţia ADEPT, Agriculture Development and Environmental Protection in the Târnava Mare Area, mit Sitz in Keisd (Saschiz), rund 10 Kilometer von Schäßburg entfernt, legt größten Wert auf den Erhalt der reichhaltigen, biologischen Vielfalt im südlichen Siebenbürgen. Seit der Gründung im Jahre 2004 unterstützen 11 Mitarbeiter sowohl aus der Region als auch britische Landsmänner die Einheimischen mit zahlreichen Projekten (vgl. ADEPT 2014 b, o. S.). Zum einen haben sie eine 5 Art Gemeinschaftsküche für die Gemeinde ins Leben gerufen, wo die lokalen Landwirte ihre saisonal geernteten Obst- und Gemüsefrüchte verarbeiten können. Sei es beispielsweise zu süßer Marmelade oder zu typisch siebenbürgisch-sächsischen pikanten Brotaufstrichen wie Zacuscă oder Salata de vinete. In diesem Gebiet spielt die Subsistenzwirtschaft der kleinbäuerlichen Betriebe die größte Rolle, doch sie können sich durch den Verkauf ihrer Produkte an Nachbarn oder Touristen einen kleinen Nebenverdienst einholen. ADEPT gilt als Verbindung zwischen Landwirt und Konsument, da sie die Gäste direkt zu den Bauern vermitteln, um Produkte zu erwerben. Dadurch bekommen diese den gesamten Gewinn, nicht so wie wenn es über Dritte verkauft werden würde (mdl. ADEPT 2014). Darüber hinaus hat die Stiftung einen SMS-Service eingerichtet, der den Landwirten beispielsweise Informationen über notwendige Bewirtschaftungstätigkeiten in einem bestimmten Zeitraum übermittelt. ADEPT bemüht sich, dass die Bauern ihr Ackerland unter guten Bedingungen betreiben und sich dadurch sowohl eine große Ernte ergibt als auch die Biodiversität erhalten bleibt. Gewisse Regeln, wie beispielsweise das Mähen der Felder in der gleichen Zeitperiode, müssen berücksichtigt werden, damit die Flora und Fauna sich ohne Probleme entfalten kann. Dieses Prinzip stellt nicht jeden Landwirt zufrieden, da er seine Arbeit nicht mehr unabhängig durchführen kann, aber dennoch profitiert er letztendlich durch die Unterstützung der ADEPT Stiftung. Sie führt ebenfalls mit den Bauern Schulungen und Seminare durch, um ihnen beispielsweise neue Arbeitstechniken mit einer modernen, technischen Ausrüstung zu zeigen, informiert sie über ihre Strategien, Projekte und Maßnahmen oder über zukünftige Vermarktungsinitiativen auf nationaler und internationaler Ebene. In diesem Bereich spielen Veranstaltungen in Sachen Tourismus eine große Rolle und haben positive Auswirkungen auf zahlreiche Probleme, mit der die Region umgehen muss. Unter anderem geht es dabei darum, mit der fortgeschrittenen Emigration der ehemaligen Dorfgemeinschaft umzugehen und auch Roma sowie Rumänen die traditionellen Bewirtschaftungstechniken beizubringen und deren Bewusstsein für die einzigartige Kulturlandschaft zu sensibilisieren. Touristen können beispielsweise die Einheimischen besuchen und sehen, wie das Brot selbst gebacken wird. Darüber hinaus bieten die Bewohner auch Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste an. Dabei ist einerseits ein guter Einblick in das traditionelle Leben der Menschen dort möglich, und andererseits profitieren diese in finanzieller Hinsicht davon. Außerdem gilt es die Abwanderung der jungen, qualifizierten Bevölkerung einzudämmen und die Landwirtschaft inklusive deren Nutzen sowie die ländliche, periphere Region für diese Altersgruppe durch verschiedene Aktivitäten attraktiv zu machen. Ende Juli 2014 fand beispielsweise das „Transilvania Bike Trails Race“ (TBT RACE 2014, o. S.) mit rund 400 Teilnehmern statt, welches durch die siebenbürgisch-sächsischen Dörfer im Gebiet der Târnava Mare führte. ADEPT zählt zu den Hauptorganisatoren dieses Rennens (mdl. ADEPT 2014). Die Bekanntheit der Region und deren einzigartiger Wert in Europa haben sich durch die erfolgreiche Arbeit von ADEPT innerhalb der letzten zehn Jahre enorm gesteigert. Sie haben sich 6 sowohl national als auch international einen Namen gemacht und arbeiten mit vielen verschiedenen NGO’s und Stiftungen europaweit zusammen. Im Rahmen ihrer gelungenen Projekte wurde die rumänische Stiftung mittlerweile auch mehrmals ausgezeichnet. In den Jahren 2012 und 2013 gewann ADEPT den Hauptpreis der Europäischen Union für ihre hervorragende Kommunikation mit den Landwirten. 2014 wurde ihre Arbeit mit dem Titel ‚Bestes Natura 2000 Projekt für sozialen und wirtschaftlichen Nutzen‘ in der EU geehrt (vgl. ADEPT 2014 a, S.17 ff). Im Jahre 2008 initiierte ADEPT, die Ernennung des Gebiets der Großen Kokel als Natura 2000Gebiet und bezweckte damit, dass die Region mit den „intakten landschaftlichen und dörflichen Strukturen“ (HANNOVER-MOSER 2011, S. 274) besonders geschützt wird. Schließlich wird durch die Ausweisung eines Natura 2000-Gebiets „der Erhalt und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union [F] mit artenschutzrechtlichen Bestimmungen“ (BFN 2014, o. S.) bewirkt. Des Weiteren setzt sich die Stiftung für die Bewusstseinssteigerung der Bevölkerung bezüglich Lebensmittel aus der Region im Rahmen einer weltweiten Kampagne namens ‚Slow Food‘ ein. Die gleichnamige Organisation wurde 1989 in Italien gegründet und engagiert sich für das Interesse der Menschen an regionalen Produkten und lokalen Speisen. Heute im 21. Jahrhundert ist das Leben und die Ernährung von Hektik und Bequemlichkeit geprägt, der Großteil der Weltbevölkerung nimmt sich keine Zeit für gutes Essen und bevorzugt eher günstige, schnelle Kost (vgl. SLOW FOOD INTERNATIONAL 2014, o. S.). ADEPT verfolgt die Theorie von Slow Food und bemüht sich die Menschen davon zu überzeugen, die Landwirte vor Ort zu unterstützen, indem sie ihre Lebensmittel direkt frisch beim Erzeuger kaufen. Im rumänischen Supermarkt wird zum Beispiel Milch aus Ungarn verkauft, da es kostengünstiger sein soll. Der Staat fördert somit keinerlei die kleinbäuerlichen Betriebe in seinem Land, sondern bevorzugt internationale Märkte. Im Zeitalter der Globalisierung ist das bedauerlicherweise üblich, obwohl durch die Wahl von regionalen Produkten sowohl Kosten für Transport der Lebensmittel gespart sowie die Arbeitssituation in der Region aufrechterhalten wird. Deshalb ist für die Arbeit von ADEPT eine gute Kooperation zwischen verschiedenen Partnern, die die gleichen Ziele beabsichtigen, unabdingbar, da es dabei letztendlich um den Erhalt der identitätsstiftenden Kulturlandschaft geht (mdl. ADEPT 2014). ADEPT versucht laut eigenen Angaben ihre Arbeit zum Erhalt der Biodiversität Siebenbürgens mit dem Schutz der dort ansässigen gebauten Kultur zu kombinieren. Durch jegliche finanzielle Einnahmen, sei es durch Spenden, Veranstaltungen oder Verkauf von Produkten, renovieren sie Gebäudefassaden, die Kirchenburg oder andere bedrohte traditionelle Architektur in Saschiz und dessen Umgebung (mdl. ADEPT 2014). Im zweiten Oberpunkt dieses Berichts wird auf den Erhalt der gebauten Kultur im südlichen Siebenbürgen deutlicher eingegangen. 7 Davor wird jedoch noch im Zusammenhang mit aktuellen Maßnahmen bzw. Projekten für den Schutz der Biodiversität als kurzer Exkurs die Tätigkeit von Pivniţa Bunicii vorgestellt, die ebenfalls im Rahmen der Sommerschule 2014 besucht wurde. Exkurs Pivniţa Bunicii ist eine Marke, die von der Transylvania Food Company (TFC) ins Leben gerufen wurde. 2010 entstand dieses Unternehmen mit Sitz in Keisd (Saschiz) als Tochterfirma der 2009 gegründeten britischen Food Development Company. TFC besteht aus 18 Mitarbeitern aus der Region um Saschiz, von denen die meisten Auslandserfahrung in Großbritannien gesammelt haben. Der Gründer von TFC hatte vorher bei ADEPT gearbeitet. Daher besteht auch eine gewisse thematische und räumliche Verbindung zwischen den Tätigkeiten der Firma und der NGO. Die Transylvania Food Company verarbeitet in großem Stil die Obst- und Gemüsefrüchte der Bauern in ihrer firmeneigenen Großküche. Die Landwirte bringen somit ihre saisonale Ernte zu TFC, wo sie zusammen mit wilden Früchten aus der Umgebung, zu Marmelade, Saft oder pikanten Brotaufstrichen verarbeitet wird. Ihr Hauptabsatzmarkt ist England, wohin 100% des in Saschiz produzierten Holunderblütensafts exportiert wird. Im Laufe der Jahre ist die Menge enorm gestiegen. Prinz Charles, der Schirmherr des Mihai Eminescu Trust, welcher seinen Sitz in Schäßburg hat, ist ein willkommener Gast im südlichen Siebenbürgen und guter Kunde der Transylvania Food Company. In Großbritannien werden die Produkte von TFC unter dem Pseudonym Dracula’s Delight verkauft, wohingegen in Rumänien der Titel Pivniţa Bunicii, was so viel heißt wie Großmutters Keller, großes Ansehen erfährt. Es sind zwar laut TFC (2014) keine organischen, aber natürlichen Produkte. Gewisse Rahmenbedingungen sind jedoch durch die Ausweisung der Umgebung von Saschiz als Natura 2000-Gebiet ohnehin gewährleistet. Es werden in die Endprodukte keinerlei Zusatzstoffe hinzugefügt, sie bestehen lediglich aus der Frucht und etwas Zucker. Durch ihre regionale Arbeit unterstützen sie auch die Slow Food Kampagne, die bereits bei den Tätigkeiten von ADEPT ausreichend vorgestellt wurde. Sie sind auf der internationalen Slow Food Messe in Italien anwesend und stellen ihre dort Produkte vor (mdl. TRANSYLVANIA FOOD COMPANY 2014). Die Transylvania Food Company verkauft sich bei Interviews und auf ihren Flyern als Organisation, die den Landwirten bei ihren Nebeneinkünften tatkräftig zur Seite steht und in vielerlei Hinsicht Einfluss auf die Verbesserung ihrer Lebensqualität hat. Beispielsweise durch die Arbeitsplatzschaffung in den lokalen Gemeinden, faire Löhne und vorhandene Arbeitsverträge, nachhaltiger Schutz der Biodiversität durch saisonale Ernte und dadurch die Bewusstseinssteigerung der Einheimischen für die traditionelle Kulturlandschaft. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass die TFC ein Unternehmen ist, das zwar national aber in gehobenem Stil auf internationaler Ebene tätig ist und dadurch eine gewisse Art von Ausbeutung der regionalen Landwirtschaft stattfindet. Die Firma selbst hat offensichtlich mehr Nutzen und Gewinn als der Landwirt, der viel Geld und Arbeit in den Prozess bis zur Ernte steckt. 8 2 Gebaute Kulturen Die Gesellschaft ist ständig von gebauter Umwelt umgeben. Gebaute Umwelt macht soziale, politische und historische Strukturen sichtbar. Wir nutzen sie und sie hat bestimmte, vor allem auch kulturelle Einwirkungen auf uns alle. Sie beinhaltet Zeichen und Prägungen, die die Vergangenheit, wie auch die gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung begreifbar machen. „Der Begriff der Baukultur bezeichnet die Wechselwirkung zwischen Architektur und Kultur, [F] [d.h.] wie sich eine Gesellschaft und ihre Kultur in ihrer Architektur widerspiegelt“ (FELLNER 2009, S. 32). Eine bestimmte Bauweise ist somit oft auf die Geschichte und die lange Tradition eines Landes oder einer bestimmten Region zurückzuführen. Siebenbürgisch-sächsische Häuserzeile in Deutsch-Weißkirch (Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014) 2.1 Einführung Der Siedlungscharakter im ländlichen Raum Siebenbürgens ist jahrhundertelang durch die Siebenbürger Sachsen geprägt worden. Im 12. Jahrhundert berief der ungarische König Géza II. westliche Siedler nach Siebenbürgen, um das Gebiet gegenüber einfallenden Bevölkerungsgruppen aus dem Osten zu verteidigen. Zu den Einwanderern zählten in der überwiegenden Mehrheit deutsche Siedler aus dem Rhein-Mosel-Luxemburg-Gebiet. Die Deutschen verfügten in der Anfangszeit sowie während der nachfolgenden Jahrhunderte über zahlreiche Privilegien. „Deutsches Recht, Ordnung und Brauchtum prägten diese historische Region von Anfang an" (LUTSCH 2013, S. 8). Neben der Abwehr vor Eindringlingen hoffte der ungarische König auf die Stärkung der Wirtschaft in dieser rohstoffreichen und fruchtbaren Region. Die Einsiedler errichteten dort zum Schutz der Bürger die sogenannten Kirchenburgen. Diese waren gemauert und umschlossen die ansässigen Kirchen (vgl. LUTSCH 2013, S. 8ff). Die traditionelle Architektur der südsiebenbürgischen Straßendörfer zeigt giebelseitige Hausfronten mit bunten Fassaden und gewölbten Toreinfahrten, die eine geschlossene Häuserzeile bilden. Die Dorfstruktur der Siebenbürger Sachsen ist somit durch die sächsischen Höfe und die Kirchenburgen charakterisiert. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet Siebenbürgens Rumänien zugesprochen. Die Bedingungen der deutschen Minderheit wurden immer schwerer, die Mehrheit siedelte um. 9 Letztendlich fand um das Jahr 1990 eine Massenemigration nach Deutschland statt, da die Siebenbürger Sachsen während dem Ceauşescu-Regime enorm unterdrückt wurden. Sie hinterließen Haus und Hof. 2.2 Probleme Heute leben nur noch wenige Sachsen in den Dörfern, welche von ihren Vorfahren aufgebaut und geprägt wurden. In den traditionellen siebenbürgisch-sächsischen Anwesen hausen überwiegend Roma und Rumänen. Durch die Abwanderung gingen auch das Handwerk, das Wissen und die Wertschätzung für ihre charakteristische Architektur verloren. Die neuen Bewohner können sich nicht damit identifizieren und haben dadurch ein mangelndes Bewusstsein für das traditionelle Kulturerbe. Sie verfügen weder über die Kenntnisse noch über die nötigen Mittel, die Gebäude zu renovieren und zu erhalten (mdl. HAVADI 2014). Darüber hinaus wirkt sich auch die gegenwärtige, fortschreitende Migration von Land zu Stadt auf den Erhalt der kulturellen Bauten aus. Die junge Bevölkerung sieht keine Perspektiven mehr in einem Leben auf dem Dorf und hat kein Interesse an der Ausübung traditionellen Handwerks. Somit ist dies ein weiterer Faktor, welcher bewirkt, dass die Häuser zu verfallen drohen. Zudem mangelt es meist an einer Führungsperson, die die Initiative ergreift und die Bewohner für ein gemeinschaftliches, verantwortungsbewusstes Handeln motiviert. Finanzielle Notstände erleichtern die Situation auch nicht – im Gegenteil. Der rumänische Staat kümmert sich nicht besonders um seine ländlich gelegenen Siedlungen. Bestes Beispiel für dieses allgemeine, nationale Desinteresse ist, dass laut Gesetz bis 2015 alle Dörfer Rumäniens mit Wasserleitungen versorgt sein sollen (vgl. LUTSCH 2013, S. 45). Das gibt es in einem Land, welches seit 2007 der Europäischen Union beigetreten ist und obwohl der Zugang zu sauberem Wasser seit 2010 von den Vereinten Nationen als Menschenrecht ausgesprochen wurde (vgl. ZEIT ONLINE 2010, o. S.). Positiv ist hingegen, dass es mittlerweile einige Organisationen im südlichen Siebenbürgen gibt, die gleiche Bestrebungen in Bezug zum Erhalt der Baukultur nachgehen und verschiedene Projekte realisieren. Dennoch entstehen oft Probleme bezüglich der Kommunikation zwischen diesen. Beispielsweise hat ADEPT, wie bereits bei Punkt 1.4 erwähnt, Ende Juli 2014 ein Fahrradrennen durch die Dörfer und deren Umgebung von Saschiz und Viscri organisiert. Bedauerlicherweise war die Leiterin des Mihai Eminescu Trust, die ebenso aus Deutsch-Weißkirch stammt und dort Bürgermeisterin ist, nicht begeistert von der Idee, dass die 400 Teilnehmer des TBT-Race durch die Anlage der Kirchenburg fahren, da diese unter anderem unter Schutz des UNESCO-Weltkulturerbe steht. Die Absprache zwischen den wenigen, aber vorhandenen Organisationen und Stiftungen ist somit eine große Herausforderung, denn wenn sie nur nebeneinanderher arbeiten und nicht miteinander, löst das nachhaltig auch die bestehenden Probleme nicht, sondern bringt womöglich weitere mit sich (mdl. FERNOLEND 2014). 10 Siebenbürgens Best-Practice-Beispiel in Bezug auf den Erhalt der gebauten Kultur ist die Ortschaft Deutsch-Weißkirch (Viscri). Dort führt unter anderem der rumänisch-britische Mihai Eminescu Trust (MET) Maßnahmen zur Revitalisierung des Dorfes durch und verwirklicht erfolgreiche Projekte, die teilweise auch internationalen Charakter aufweisen. 2.3 Ziele Ziel ist es, die heutigen Bewohner für das kulturelle Erbe ihrer jetzigen Heimat zu sensibilisieren und mit den traditionellen handwerklichen Techniken vertraut zu machen. Um den Dorfkern und die Kirchenburg zu erhalten, waren und sind Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen beispielsweise an den Dächern, Fassaden und Wirtschaftsgebäuden nötig. Traditionelle Handwerksberufe, wie der Ziegelbrenner, wurden dank der MET-Stiftung erneut ins Leben gerufen. Neben dem Erhalt des kulturellen Erbes, soll auch die Lebensqualität und der wirtschaftliche Nutzen der Dorfgemeinschaft verbessert werden. Der Mihai Eminescu Trust ist nicht nur in Viscri sondern auch in über 80 weiteren Dörfern Siebenbürgens tätig und führt zahlreiche Projekte durch, welche im Folgenden näher erläutert werden (mdl. FERNOLEND 2014). 2.4 Maßnahmen Der Mihai Eminescu Trust wurde im Zuge des Ceauşescu-Regimes und dessen Plan, die siebenbürgisch-sächsischen Siedlungen zu zerstören, 1987 in London gegründet und nach einem bedeutendem Dichter Rumäniens benannt. Die britisch-rumänische Stiftung widmet sich dem Erhalt des Kulturerbes im südlichen Siebenbürgen und versucht die siebenbürgisch-sächsischen Dörfer nach der Massenemigration der ehemaligen Bewohner zu revitalisieren. 1999 begann der MET seine Arbeit in Viscri. Die Deutsch-Weißkircherin Caroline Fernolend ist Leiterin der Stiftung, mit Sitz in Schäßburg, und setzt sich mit weiteren fünf Mitarbeitern leidenschaftlich für dessen traditionelle Baukultur, aber auch natürliche Kulturlandschaft sowie die Lebensqualität der Dorfbewohner ein (vgl. MIHAI EMINESCU TRUST 2014 a, o. S.). In Deutsch-Weißkirch leben heute mehrheitlich Roma. Sie machen 80% der Dorfbevölkerung aus, neben einigen Rumänen und wenigen Sachsen. Mittlerweile haben diese neuen Bewohner, dank der Unterstützung des MET im Zuge eines sogenannten ‚Whole Village Projekts‘, gelernt mit der identitätsstiftenden Kultur der Region umzugehen und diese zu bewahren. Das gesamte Dorfensemble mit seinen typisch siebenbürgisch-sächsischen Anwesen sowie der ortsansässigen Kirchenburg zählen seit 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe und stehen somit unter besonderem Schutz. Dies gilt es durch verschiedene Maßnahmen eingehend zu erhalten (mdl. HAVADI 2014). Der MET bildet beispielsweise Einheimische zu Handwerkern aus und schult sie bis sie eine eigene ICH-AG gründen und Projekte selbst durchführen. Dazu zählen die Renovierung von Gebäuden, dessen Fassaden, Toren und Scheunen oder die Herstellung von traditionellen Materialien wie Ziegeln aus Lehm. Dadurch werden ebenfalls ehemalige Berufe wieder ins Leben 11 gerufen. Aber nicht nurr Handwerk Handwerker werden ausgebildet, sondern n auch Fra Frauen, die Touristen Übernachtungen in traditionell eingerichteten Pensionen anbieten ssowie für diese regionsspezifische Speisen isen kochen kochen. Es gilt also im Großen und Ganzen Arbeitsplätze durch Fremdenverkehr zu schaffen. Um den Gästen einen gewissen Standard tandard zu b bieten, wurden die Gästehäuser mit fließendem ndem Wasse Wasser, Duschen und Toiletten ausgestattet. estattet. D Dank den Seminaren und der erfolgreichen Arbeit, rbeit, habe haben die Roma nicht nur einen wirtschaftliche rtschaftlichen Nutzen und ihre Lebensqualität verbessert ert sich neb nebenbei, sondern dadurch wird ebenfalls d das kulturelle Erbe geschützt und sie entwickeln mit der Zeit ein gewisses Bewusstsein sstsein dem demgegenüber (mdl. FERNOLEND 2014). Traditionelles Handwerk aus Viscri (Quelle: uelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule le 2014) Des Weiteren gibt es in Viscri seit mehreren Jahren einen Frauenverein, verein, in dem de die Frauen des Dorfes Socken stricken und diese beispielsweise vor Ort, auf nationalen tionalen sow sowie internationalen Weihnachtsmärkten oder er im Intern Internet verkaufen. Das stellt erneut einen Nebe Nebenverdienst für die Einheimischen dar und die Vermark Vermarktung des Dorfes profitiert im Zuge ge dessen ebenso. In diesem Zusammenhang sind auch uch geführte Kutschfahrten zu nennen. Gäste ste können diese Fahrten von unterschiedlicher Länge buchen un und werden von einem ortsansässigen ssigen Rom Roma durch DeutschWeißkirch und dessen Umgebung chauffiert. Aktuelle Idee des Mihai Eminesc escu Trust ist es, den regen Verkehr aus dem Dorf fern zu halten und Reisende mit Pferdekutschen ekutschen durch d die Ortschaft bis zur Kirchenburg und d wieder zur zurück zu ihrem PKW oder Bus zu u bringen. B Bedauerlicherweise wurde solch ein Parkplatz atz vor dem Dorfeingang vom Gemeinderat noch nicht genehmigt, g obwohl die Einheimischen sehr unter dem sständigen Verkehr durch ihren Ort rt leiden und dadurch ebenfalls in ihrem alltäglichen Leben beeinträchtigt beeintr sind. Parkende Reisebusse usse vor Vie Viehtränken gehören mittlerweile zum gegenwärtigen ärtigen Dorfbild D (mdl. FERNOLEND 2014). 2014 wurde wu im Zuge der steigenden Touristenzahlen hlen eine öff öffentliche Toilette nahe der Kirchenburg enburg eingeweiht, eing wo ebenso eine kleine Gebühr fällig lig ist, um den Einheimischen eine finanzielle ielle Unters Unterstützung zu bieten. Abfallkörbe sind in derr gesamten Ortschaft, vor allem auf der Hauptstraß Hauptstraße und nahe den Gästehäusern aufgestellt, llt, um Müll zu vermeiden. Zudem profitieren ren Landwir Landwirte aus Viscri vom Fremdenverkehr, da sie ie ihre überschüssigen über Ernteprodukte an die ortsansä ortsansässigen Pensionen abgeben können und ihren Verdi Verdienst dadurch aufbessern. Selbstverständli stverständlich bei der hohen 12 Touristenanzahl ist auch ein geringer Zahlungsbetrag bei einem Besuch der Kirchenburg inklusive seines kleinen Museums fällig. Hier sind regionsspezifische Kleidungsstücke und Möbel sowie Keramik und handwerkliche Gegenstände ausgestellt. Dies muss alles genauso wie der Rest des Dorfbildes regelmäßig in Stand gesetzt werden, um den traditionellen, kulturellen Wert zu erhalten (mdl. HAVADI 2014). Der Mihai Eminescu Trust leitet aber nicht nur die Bewusstseinssteigerung der Erwachsenen, sondern auch die Kinder bekommen von klein auf spielerisch gezeigt, wie sie lernen den Wert der identitätsstiftenden Kulturlandschaft und Baukultur im südlichen Siebenbürgen zu schätzen. Beispielsweise führte der MET in den letzten vier Jahren ein Projekt in Kooperation mit der französischen Hotelkette Accor und rumänischen Schulen durch, bei dem eine Million Bäume in Siebenbürgen gepflanzt wurden, um die Kulturlandschaft vor Erosionsgefahr aufgrund der vorherrschenden Landnutzung zu bewahren. Den Kindern sollen dadurch die Wichtigkeit der nahegelegenen Wälder und deren natürlichen Lebensräume für Flora und Fauna deutlich gemacht werden. Des Weiteren hatten die Schulkinder zur Aufgabe Truhen mit traditionellen sächsischen Mustern zu bemalen und typische Blumen Siebenbürgens zu fotografieren. Die schönsten Truhen und Bilder wurden ausgestellt. Belohnt werden sie je nach Projekt beispielsweise mit einem Laboratorium oder Obstgarten in der Schule (mdl. FERNOLEND 2014). Viscri gilt als Vorzeige-Projekt schlechthin in Bezug auf erfolgreiches Umsetzen von Schutzmaßnahmen hinsichtlich des charakteristischen Kulturerbes. Das ruft wiederum internationale Aufmerksamkeit hervor und dies ebenfalls große Touristenströme aus ganz Europa und der restlichen Welt. Zu verdanken ist dies zum Großteil der Arbeit des MET, aber auch deren Schirmherr, welcher kein geringerer ist als der britische Thronfolger Prinz Charles. Er ist häufiger Besucher von Deutsch-Weißkirch und lediglich sein Name in Verbindung mit dieser Region lockt viele Besucher an. Viscri hat heute die höchste Besucheranzahl aller siebenbürgisch-sächsischen Dörfer, auch wegen seinem Titel des UNESCO-Weltkulturerbes. Sie haben dadurch aber ebenso mit Negativerscheinungen, wie beispielsweise hohem Verkehrsaufkommen, erhöhtem Wasserverbrauch, Entstehung von Müll und teilweise Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens der Menschen zu kämpfen. Der MET versucht deshalb in letzter Zeit vermehrt die Gäste auf die umliegenden Dörfer zu verlagern, die ebenfalls ein hohes Besucherpotenzial aufweisen. Dafür ist die Anwesenheit eines sogenannten Raumpioniers von großer Bedeutung, der in seiner Ortschaft die Initiative ergreift, um die Dorfgemeinschaft zu verantwortungsbewusstem Handeln hinsichtlich des Kulturerbes motiviert, was wiederum Touristen anlockt. Die Stiftung unterstützt diese Verantwortlichen tadellos und hilft ihnen bei der erfolgreichen Kommunikation mit den Dorfbewohnern (mdl. FERNOLEND 2014). Der Mihai Eminescu Trust hat im Laufe der Jahre als Vorbild für die anderen Dörfer in DeutschWeißkirch beispielsweise 2011 die erste Kläranlage Rumäniens ins Leben gerufen, welche von Prinz Charles persönlich eingeweiht wurde (vgl. LUTSCH 2013, S. 30). Diese Entwicklung erhöhte 13 den Lebensstandard der Bewohner enorm. Darüber hinaus haben sie eine Milchanlegestelle im Ort aufgebaut und in Zukunft ist eine Gemeinschaftsküche für die Verarbeitung von Marmelade und Brotaufstrichen, wie bei ADEPT in Saschiz, geplant. Dort sollen jedoch nicht die Landwirte selbst ihre Lebensmittel verarbeiten, sondern es sollen Frauen eingestellt sein, die das übernehmen und die Produkte nach Vorschriften der Europäischen Union herstellen. Im Dorfzentrum wurde ebenfalls eine Informationstafel zur korrekten Renovierung der siebenbürgischsächsischen Anwesen aufgestellt. Diese machen sowohl Bewohner als auch Touristen bildlich auf Positiv- und Negativ-Beispiele aufmerksam. Aktuell wurde außerdem im Zuge der gegenwärtigen Agrarsubventionen ein Verein namens AgroEco Viscri gegründet. Der rumänische Staat verpachtet gegenwärtig das Land. Die Kleinbauern, die ein bis zwei Kühe besitzen, sind dabei die großen Verlierer. Wenn das ehemalige Weideland verpachtet wird, kann das Vieh nicht mehr dorthin getrieben werden, sondern muss auf dem Hof bleiben. Damit die Ackerflächen weiterhin in Dorfbesitz sind und demzufolge eine starke Stimme erreicht wird, wurde die Gründung dieses Vereins veranlasst (mdl. FERNOLEND 2014). Realisierte Projekte in Deutsch-Weißkirch (Quelle: Eigene Fotos im Rahmen der Sommerschule 2014) Grundsätzlich liegen die Tätigkeiten des Mihai Eminescu Trust in der Beschaffung von finanziellen Mitteln über Spenden oder das Halten von Vorträgen, um die zahlreichen Projekte finanzieren zu können, da nur sehr geringe Unterstützung von Seiten des rumänischen Staates besteht. Der MET setzt eher auf europäische Hilfe und stellt zahlreiche Projektanträge, die entweder direkt genehmigt oder zu einem späteren Zeitpunkt bewilligt werden. Er wurde für seine langjährige, erfolgreiche Arbeit bereits des Öfteren ausgezeichnet. Beispielsweise 2009 im Rahmen des Green Apple Awards mit dem Hauptpreis für die Restaurierung der architektonischen Landschaft von Viscri und 2014 für das stiftungseigene Projekt ‚Ein Wald für jede Schule‘ in Kooperation mit der Arccor Hotelkette mit dem Hauptpreis für Umweltschutz (vgl. MIHAI EMINESCU TRUST 2014 b, o. S.). 3 Fazit Siebenbürgen und seine charakteristische Kulturlandschaft mit ihrer wertvollen Biodiversität an Flora und Fauna sowie die regionsspezifische Baukultur, die jahrhundertelang von den Siebenbürger Sachsen geprägt ist, droht heutzutage dem Verfall ausgesetzt zu sein. Es gilt dieses 14 besondere Kulturerbe Europas zu bewahren und nachhaltig aufrechtzuerhalten. Auch wenn dies mit zahlreichen Herausforderungen einhergeht, ist es lohnenswert sich dafür einzusetzen. Es zieht weitere Multiplikatoreffekte mit sich, wie beispielsweise die Verbesserung der Lebensqualität der neuen Bewohner Siebenbürgens sowie die Steigerung des Images von Rumänien. Dadurch kommen mehr Touristen dorthin und das hat wiederum positiven Einfluss auf den nationalen Arbeitsmarkt. Die bestehende Armut kann somit eingedämmt werden und die Wirtschaft profitiert ebenso davon. Im Großen und Ganzen spielt die erfolgreiche Arbeit der Organisationen und Stiftungen, die im Rahmen dieses Berichts vorgestellt wurden, eine bedeutende Rolle in Bezug auf die Entwicklung des identitätsstiftenden Kulturerbes Siebenbürgens und ohne sie wäre es vermutlich nicht mehr in so einem guten Zustand vorzufinden. Trotz allem müssen im Zuge dessen ebenso einige Empfehlungen dargelegt werden. Zum einen sollte beachtet werden, dass die Kommunikation zwischen den in dem Gebiet der Târnava Mare tätigen NGO’s und Stiftungen verbessert wird und künftige Veranstaltungen sorgfältiger miteinander abgesprochen werden. Zum anderen müssen regelmäßig Kampagnen in der Region durchgeführt werden, um das Bewusstsein der Einheimischen nachhaltig für regionale Produkte und Speisen zu sensibilisieren. Die gegenwärtige Entwicklung der Globalisierung sollte damit weitestgehend eingedämmt werden, schon allein um die kleinbäuerlichen Betriebe vor dem Aussterben zu retten. Des Weiteren sollten die Organisationen mehr auf das Gemeinwohl der Dorfgemeinschaft eingehen und deren Wünsche beispielsweise in Bezug auf die Renovierung der Gebäude und dem vorherrschenden Fremdenverkehr, soweit es dem kulturellen Wert entspricht, berücksichtigen. Es sollte nachhaltig darauf geachtet werden, dass die Einheimischen nicht in ihrem alltäglichen Leben durch Besucher beeinträchtigt werden. Hier spielt insbesondere der Verkehr eine große Rolle. Der Mihai Eminescu Trust bietet bereits einen guten Ansatz mit der Idee eines Parkplatzes am Dorfeingang, jedoch muss dies noch umgesetzt werden. Die regionalen Organisationen sollten gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen, die lediglich auf den persönlichen Profit aus sind und vortäuschen, den Einheimischen zu helfen. Die globalisierenden Tätigkeiten der Transylvania Food Company verlieren an regionalem Charakter und sind daher fraglich. Es sollte durchweg eine WIN-WIN-Situation zwischen der Arbeit einer Organisation und dem Nutzen für die Einheimischen bestehen. Somit ist folgendes Motto von ADEPT genau das richtige Leitbild für die Entwicklung des kulturellen Erbes in der Region im südlichen Siebenbürgen und auf diese Art und Weise sollten die dort tätigen Organisationen und Stiftungen unbedingt weitermachen: „Good things travel slow, bad things travel faster than light“ (mdl. ADEPT 2014). 15 Literaturverzeichnis ADEPT (2014 a): Fundatia ADEPT Transilvania – 10-year report 2004-2014 – Ten years of protecting landscapes and communities in Transylvania. Saschiz. ADEPT (2014 b): About ADEPT. – URL: http://www.fundatia-adept.org/ [11.09.2014]. BFN (Bundesamt für Naturschutz) (2010): Gutachten-Vorstudie Bewertung der Ökosystemdienstleistungen von HNV-Grünland (High Nature Value Grassland). Abschlussbericht. Müncheberg. 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Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa. 17 AUSGEWÄHLTE LITERATUR – nicht ausschließlich fachwissenschaftlich Markus Bauer In Rumänien „Ein erstaunliches Land, ein (fast) blinder Fleck in unserer Wahrnehmung“ György Dalos Ungarn in der Nussschale „Geschichte meines Landes“ Hofbauer/Roman Transsilvanien/Siebenbürgen „Begegnung der Völker am Kreuzweg der Reiche“ Manfred Huber Grundzüge der Geschichte Rumäniens „Kurzer Abriss der Geschichte Rumäniens“ György Konrád Glück „Am 19.März 1944, als die Deutschen Ungarn besetzten, war ich 11 Jahre alt. Wovor wir bisher nur Angst hatten, war nun eingetreten“ Franz Remmel Die Roma Rumäniens „Geschichte der Roma in Rumänien, ihrer Traditionen, ihrer heutigen Lebensform und ihrer gegenwärtigen Probleme“ Joscha Remus Der sanfte Flug der schwarzen Damen „Kurzweilige Reiseberichte aus einem seltsamen Land…“ Joscha Remus Kulturschock Rumänien „Andere Länder, andere Sitten“ Eginald Schlattner Der geköpfte Hahn / Die roten Handschuhe / Das Klavier im Nebel „Autobiographische, grosse Romantrilogie des Schriftstellers und Pfarrers aus Siebenbürgen – drei Bücher“. Kauderwelsch-Sprachführer Rumänisch – Wort für Wort Andrzei Stasiuk Fado „Reiseskizzen und Betrachtungen aus Osteuropa“ Andrzei Stasiuk Unterwegs nach Babadag „Reiseskizzen vom östlichen Rand des neuen Europas“ Andrzei Stasiuk/ Juri Andruchowytsch Mein Europa „Zwei Essays über das sogenannte Mitteleuropa“ Th Kahl., M. Metzeltin, M.-R.Ungureanu (Hg.), Rumänien, LIT, Wien, Berlin, 2006. Harald Roth (Hg.), Siebenbürgen. Historische Stätte, Kröner, Stuttgart, 2003. Kurt Scharr, Rudolf Gräf, Rumänien. Geschichte und Geographie, Böhlau Verlag, Wien, 2008. WEITERFÜHRENDE LINKS Veranstalter: Geographische Fakultät der Babes-Bolyai Universität, Cluj/Rumänien http://geografie.ubbcluj.ro/ Abteilung für Umweltschutz und Umweltgeographie der Universität Debrecen http://geo.science.unideb.hu/taj/page/index.html Ökozentrum am Theiss-See, Poroszló/Ungarn http://www.tiszataviokocentrum.hu/de/ Nationalpark Hortobágy, Hortobágy/Ungarn http://www.hnp.hu/index_de.php Artikel Goldrausch in Baia Mare http://www.renovabis.de/news/4098/goldrausch-in-baia-mare Rathaus Cluj (de. Klausenburg, ung. Kolozsvár) /Rumänien http://www.primariaclujnapoca.ro/ ADRNV – Amt zuständig für die Entwicklungsregion NordWest http://www.nord-vest.ro/en Planwerk Architekturbüro http://www.planwerkcluj.org/news.php ASAT. Asociatia pentru Sustinerea Agriculturii Taranesti (Verein für die Förderung der kleinbauerlichen Landwirtschaft) http://asatromania.ro/ Projekt Landscape Choreography http://www.landscapechoreography.eu/ Fabrica de Pensule (Die Pinselfabrik) http://www.fabricadepensule.ro/en/ Rosia Montana Aktivisten http://www.rosiamontana.org/ RMGC – Gold Corporation http://en.rmgc.ro/index.html Hermannstadt (ro. Sibiu) / Rumänien http://www.sibiu.ro/ Heritas. Fundatia Transilvana pentru Dezvoltare Integrata. (Stiftung für Integrierte Entwicklung) http://www.heritas.ro/ Viscri (dt. Deutschweisskirch) / Rumänien http://www.deutsch-weisskirch.ro/ Eminescu Trust http://www.mihaieminescutrust.org/content/nd_village.asp?n=102 ADEPT Stiftung http://www.fundatia-adept.org/ Michael Schneeberger http://www.miguschneeberger.ch/ Sommerschule “Von der Puszta in die Karpaten“ http://sommerschuleubb.wordpress.com/ TEILNEHMER DER SOMMERSCHULE; EINDRÜCKE UND ERFAHRUNGEN Name 1 Lange Sebastian 2 Doll Bettina 3 Ahlf Anna Lena 4 Hauck Fidel 5 Bloßfeldt Stefan 6 Wenk Franziska 7 Jeschke Annika 8 Kramer Rola 9 Höbel Marianne 10 Dettmar Mariam 11 Lutsch Stefanie 12 Hasler Sven 13 Hrzina Alexandra Sebastian Lang Abschlussbericht –Sommerschule, Juli 2014 „Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch“ 1. Motivation Ohne Zweifel sind die ungarische Puszta und trotz wachsender Bekanntheit wohl auch noch das rumänische Siebenbürgen in Westeuropa bisher noch wenig bekannte Regionen. Egal ob als Reiseziel oder auch für Studienaufenthalte, beide Gegenden haben sicherlich noch einen gewissen „Exotenstatus“ inne. Diese Unbekanntheit Osteuropas geht zudem einher mit einer Reihe an Vorurteilen, welche sich leider sehr hartnäckig zu halten scheinen. Hierbei sei nur auf die kürzlich aufgeflammte, unsägliche Debatte um die vollständige Freizügigkeit für die Bürger Rumäniens in der EU oder aber auch die Verklärung Siebenbürgens als düstere „Grusel-Region“ verwiesen. Somit war eine wesentliche Motivation für meine Teilnahme an dieser Sommerschule mein großes Interesse daran, zwei auch mir bis dato unbekannte Regionen Europas besser kennenzulernen und somit meinen Blick nach Osten zu schärfen. Über dieses generelle Interesse einen neuen Teil Europas zu erkunden, stellte auch der inhaltliche Schwerpunkt gerade dieser GoEst-Sommerschule eine spannende Ergänzung zu meinen bisherigen Studieninhalten dar. Somit erhoffte ich mir mit Blick auf mein Studium eine Chance, abseits von Hörsälen und Bibliotheken ganz praktische Beispiele zu sehen, Vorkenntnisse zu vertiefen und neue Sichtweisen kennenzulernen. 2. Persönliche Eindrücke Meine Hoffnung, einen Teil Ungarns und Rumäniens auf unserer Reise besser kennenzulernen, wurde – wenig überraschend – sicherlich erfüllt. Gleichwohl war ich am Ende der Sommerschule überrascht, in welchem Umfang ich eine große Vielfalt an Eindrücken gesammelt hatte. Weit über das Maß einer Urlaubsreise hinaus, hat diese Sommerschule mein Ziel erfüllt, beide Regionen ein Stück weit zu entdecken und erste Eindrücke von diesen mir fremden Ländern zu gewinnen. Durch das ambitionierte Programm mit zahlreichen überaus vielfältigen Stationen abseits typisch touristischer Ziele, wurde mir ohne Zweifel ein breit gefächerter Einblick geboten. Auch mit Blick auf den Nutzen für mein Studium stellte die Sommerschule eine Bereicherung dar. Einerseits konnte ich bei den Etappen im urbanen Raum auf ein breites Vorwissen aufbauen und hatte somit keine großen Schwierigkeiten, lokale Entwicklungen mit anderen Beispielen zu vergleichen oder in größere städtebauliche Zusammenhänge einzuordnen. Beide Großstädte, Cluj und Sibiu ergänzten sich hierbei sehr gut angesichts ihrer strukturellen Unterschiede sowie dank gut gewählter Programmpunkte. Andererseits boten mir auch gerade die Stationen im ländlichen Raum einen überaus großen Lernzuwachs, da ich in diesem Bereich zwar über Vorkenntnisse verfügte, jedoch bei weitem noch kein Experte war. Sicherlich würde ich mich auch heute nicht als solchen bezeichnen, doch die Herausforderungen für den ländlichen Raum in Ungarn und Rumänien wurden mir nun sehr deutlich vor Augen geführt und es zeigte sich, dass sich die Regionen Europas – trotz ihrer vielen Unterschiede – durchaus mit sehr ähnlichen Problemen konfrontiert sehen. Auch wenn der Aufenthalt in Viscri für mich sicherlich ein besonderes Erlebnis war, so boten alle Stationen der Sommerschule im ländlichen Raum sehr anschauliche Beispiele für die Probleme der Dörfer und mögliche Antworten darauf. Meine Eindrücke haben mich in der Ansicht bestärkt, dass Lösungen für derartige Herausforderungen zwar auf lokaler Ebene ansetzen müssen, die Kommunen und Regionen Europas jedoch in großem Maße vom Austausch auf allen Ebenen profitieren können. Gleichwohl würde ich noch eine weitere Erkenntnis anfügen. Ohne Zweifel hat mir die Teilnahme an dieser Sommerschule gezeigt, was Europa und seine Bürger verbindet und wie man trotz vieler Unterschiede auch auf viele Gemeinsamkeiten blicken kann. Dennoch, so mein Eindruck, wäre es ein großer Fehler zu erwarten, dass sich die Staaten Osteuropas in ihrem Transformationsprozess automatisch in Richtung der westeuropäischen Strukturen entwickeln. Die Vielfalt der Länder und Regionen Europas bedeutet für mich persönlich auch, dass es Raum geben muss für verschiedene Modelle der Zivilgesellschaft, der Regionalentwicklung oder des Städtebaus. Auch diesbezüglich stellte diese Sommerschule für mich persönlich sicherlich eine große Bereicherung dar. 3. Fazit Mein persönliches Fazit am Ende der Sommerschule fällt überaus positiv aus. Zunächst einmal lag dies am von Xenia Havadi wirklich perfekt organisierten Ablauf des Programms. Unsere Reisegruppe war stets exzellent untergebracht und versorgt und auch der zeitliche Ablauf funktionierte stets reibungslos. Darüber hinaus empfand ich auch die Gestaltung des Programms als sehr gelungen. Mit wenigen Ausnahmen, hier seien die wenig informative Stadtführung in Debrecen und der Tierpark im Hortobágy Nationalpark genannt, boten alle Stationen sehr interessante Einblicke und ergänzten sich oft sehr sinnvoll. Neben den vielen Vorträgen verschiedener lokaler Akteure, bot uns gerade die Fachkenntnis der beiden Begleiter, Xenia Havadi und Winfried Schreiber eine Unmenge an (Hintergrund-)Informationen zu allen relevanten Themen. Somit möchte ich mich an dieser Stelle nochmals sehr herzlich bei allen Beteiligten und besonders bei Xenia Havadi und Winfried Schreiber für eine bereichernde Sommerschule bedanken. Für mich stellten diese zwei Wochen definitiv eine spannende Ergänzung und letztendlich auch einen schönen Abschluss meines Bachelorstudiums dar. Gleichermaßen war ich überaus dankbar für die Unterstützung durch den DAAD, welche mir die Teilnahme an der Sommerschule überhaupt erst ermöglicht hat. Ich hoffe sehr, dass derartige Programme nicht nur fortgeführt, sondern erweitert werden. Aus meiner Sicht stellt die Teilnahme an einer derartigen Sommerschule nicht nur individuell eine schöne Erfahrung dar, sondern leistet einen ungeheuer wichtigen Beitrag dazu, Vorurteile abzubauen und junge Studierende somit langfristig zu Multiplikatoren zu machen. Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa. Abschlussbericht zur Summerschule Ungarn/Rumänien – 13.07.- 27.07.2014 von Anna-Lena Ahlf Das Ziel – Ungarn und Rumänien- war für mich eher ungewöhnlich. Ich stieß nicht mit der Intention an einer Sommeruni teilzunehmen auf dieses Angebot, es war rein zufällig. Sicherlich ging es nicht nur mir so, dass die Neugier erst recht dadurch geweckt worden ist, dass man sich zuvor eher wenig mit diesen Regionen bzw. Ländern beschäftigt hatte und wenig von diesen wusste. Die Sommerschule schaffte es mit einem abwechslungsreichen und gut ausgewogenen Programm uns sowohl sehr ländliche Regionen mit authentischen Dörfer als auch florierenden Städte näher zu bringen. Der Kontrast zwischen Moderne und Tradition wurde sehr deutlich. Die kritische Reflexion stand während des gesamten Aufenthaltes im Vordergrund. Immer wieder rückte die Frage der Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Die Frage, was Nachhaltigkeit individuell für jeden und für die Länder und ihre Akteure (Regierungen, Organisationen, Einzelpersonen) ausmacht und verstanden wird. Es bot sich ein sehr interessantes Bild über Land & Leute, die Präsenz finanzieller Unterstützung mit EU-Geldern, der Umgang mit Altlasten, die Förderung von Tourismus und die Art und Weise der Städteplanung. Wir lernten die Potenziale kennen, die in den Regionen stecken. Diese beziehen sich vor allem auf Tourismus unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. Ich möchte hier keine Zusammenfassung machen von unserem Ablauf und jeden Tag einzeln beschreiben – dazu dient der abschließende Reader, zu dem jeder Teilnehmer etwas beitragen wird. Die Sommeruni war…. • Abwechslungsreich, lebendig & live Der Charme dieser Sommeruni ist, dass sie sehr praxisorientiert und nicht theorielastig war. Es ging darum selbst zu entdecken. Die Sommeruni hatte den Charakter einer Exkursion und somit reisten wir von Ort zu und bekamen die Möglichkeit uns selbst immer einen Eindruck zu machen und Land und Leute kennenzulernen. Auch einige Unterkünfte gaben uns die Nähe zu den Einwohnern selber und einen authentischen Eindruck. • Ein Ort der Begegnung Während der Sommeruni begegneten wir vielen interessanten, aufgeschlossenen, sehr engagierten Menschen, die sich für ihr Land und ihre Leute mit ganzem Herzen einsetzen. Leute, die stolz auf ihr Land sind und versuchen dieses weiterhin aktiv und nachhaltig mit zu gestalten. Durch ihren Einsatz und Enthusiasmus haben sie bereits viel erreicht und können ihre Versionen weiter voranbringen. Diese Expertengespräche vermittelten uns einen tieferen Einblick in die Projektarbeit von Stiftungen und Initiativen. • Eine gute Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch… kam zu Stande durch die gemischte Studentengruppe, die Studenten aus ähnlichen Fachrichtungen, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammenführte. Verschiedene Vorkenntnisse und verschiedene Ansichten konnten diskutiert und ausgetauscht werden. [1] • Ein Marathon an neuen Eindrücken Fast täglich wechselten wir den Ort und tauchten jedes Mal wieder in eine neue Thematik ein. Mit den Tagen konnte man gewonnene Eindrücke verknüpfen und vergleichen und dennoch waren es so viele Eindrücke, die man erst richtig nach der Sommeruni reflektieren und sortieren konnte. • Eine anstrengende Angelegenheit Das hochsommerliche Wetter, die häufigen Ortswechsel, die teils langen Busfahrten und die vielen zu verarbeitenden Eindrücke strapazieren den Körper und die Seele. Das ist nicht zu verleugnen, aber die Anstrengung steht in keinem Verhältnis zum Erlebten und war deshalb absolut zu verkraften! • Eine bereichernde Erfahrung Das intensive Auseinandersetzen mit den Regionen und wertvollen Gespräche mit diversen sehr gut ausgewählten Gesprächspartnern sowie die gute Gruppendynamik machen diese zwei Wochen zu einer dauerhaften Erfahrung, von der ich noch lange zehren werde. Ich kann jedem ans Herz legen diese Sommerschule selbst zu erfahren! Anregungen • Diskussionsrunden: mir fehlten öfter stattfindende Gruppendiskussionen nach dem Ende eines Tages oder eines bestimmten Themenbereiches. Es wurde sehr viel in Kleingruppen beim Essen, auf den Zimmern oder während der Freizeit privat diskutiert. • Vorbereitung auf die Kolloquien & Abschlussrunde: wünschenswert wäre es gewesen mehr Zeit für die Vorbereitung der Kolloquien und die Vorstellung dieser selbst zu bekommen. Durch die Durchführung an einem Tag, wurde die Konzentration durch die Fülle an Informationen vermindert und es bereitete vielen Schwierigkeiten allen Kolloquien die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen. Ein besonderer Dank geht an… • Unsere Exkursionsleiterin Xenia Havadi (Professorin an der Babes-Bolyai Unversität), die uns mit einer perfekten Organisation (vielfältiges Programm, gute logistische Planungen, hervorragend kulinarische Versorgung, beste Unterkünfte) unglaublich viel Wissen, perfekten Sprachkenntnissen und einer Menge Geduld durch die Sommerschule geführt hat und alle Erwartungen an die Sommeruni übertroffen hat! • Herrn Schreiber (Professor an der Babes-Bolyai Universität), der durch sein profundes Wissen, seinen Humor und seine besondere Art ein sehr wertvoller Begleiter war. • Den DAAD, ohne den meine Teilnahme an der Sommeruni ausgeschlossen gewesen wäre! [2] Ein paar Eindrücke von der Sommerschule in Bildern Quelle: eigene Aufnahmen Gruppenbild vor der Universität in Debrecen Altstadt von Sibiu Abendstimmung in Gömörszölös Wohnsiedlung in Cluj Häuserreihe in Viscri Impressionen vom Theiss-See [3] Eindrücke zur Sommerschule Bericht von Alexandra Hrzina Ich blicke mit Begeisterung auf die zwei Wochen lange Sommerschule in Ungarn und Rumänien zurück. Unsere Reise begann in Budapest, eine Stadt, die ich noch nie besucht hatte. Dort trafen alle Teilnehmer zusammen um gleich darauf zum ersten Reiseziel, dem Theiss-See, aufzubrechen. Jeder darauf folgende Tag war voll ausgeplant mit Reisen, Vorträgen und Diskussionen. Es hat mich fasziniert in den Osten zu reisen, da meine Urlaube sonst in den Westen führten. Außerdem hat es mir die Sommerschule ermöglicht Ungarn und Rumänien aus einer anderen Perspektive zu sehen als gewöhnliche Touristen. Die Organisatorin der Sommerschule, Xénia Havadi, übersetzte wenn notwendig und half uns die fremden Kulturen besser zu verstehen. Ich konnte tiefere Einblicke in die Probleme und das Leben in diesen Ländern gewinnen. Besonders fasziniert haben mich der Vortrag der ADEPT Stiftung und die Diskussion mit Frau Fernolend, die Vizepräsidentin der MET Stiftung. Beide Stiftungen setzen sich für den ländlichen Raum ein, indem sie lokale Produkte und Ressourcen schützen und für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Es war motivierend und interessant die Motivation und das Engagement dieser Stiftungen zu erleben. Die Reise führte uns auch nach Hermannstadt, Cluj und Viscri. Die Verschiedenheit dieser Städte hat sofort mein Interesse geweckt. Das Zentrum der Stadt Cluj ist sehr schön erhalten und erinnert mich ein wenig an Wien. Neben den dort angesiedelten Sehenswürdigkeiten, haben mir die Restaurants auf den Straßen besonders gut gefallen. Hermannstadt wirkt nicht wie eine Stadt, sondern eher wie ein gemütliches Dorf. Die Altbauten waren schön bunt saniert und zeigten, dass es sich um ein touristisch beliebtes Gebiet handelt. Viscri faszinierte mit einer ländlichen Lebensweise, die ich sonst noch nicht erlebt habe. Der Ort nutzt seinen Status als ländlichen Raum um Touristen anzuziehen. Ich denke nicht, dass man die selbe Erfahrung in Österreich oder Deutschland machen könnte. Kurz zusammengefasst habe ich während der Sommerschule viel über ländliche Räume, verschiedenste Projekte für Umweltschutz und andere Kulturen lernen können. Eindrücke der Sommerschule 2014 – Von der Puszta in die Karpaten Stefanie Lutsch Ich habe mich bewusst für diese Sommerschule des DAAD beworben, da meine persönlichen Wurzeln in Siebenbürgen liegen und ich im Frühjahr letzten Jahres vor Ort war, um unter anderem meine Abschlussarbeit des Bachelor-Studiums über das Touristische Potenzial in Siebenbürgen zu schreiben. Ich wollte die damals erzählten und recherchierten Informationen auch bei sommerlichen Temperaturen erleben und noch weitere fachwissenschaftliche Kenntnisse erlangen. Bereits seit dem Anfang der Sommerschule freute ich mich auf die Exkursion durch Rumänien und fieberte vor allem auf den Besuch von Hermannstadt und Deutsch-Weißkirch hin. Die Tage davor waren aber ebenso beeindruckend. Besonders interessant war für mich, ländliche sowie städtische Gebiete Ungarns zu sehen und den Kontrast zu Rumänien festzustellen. Sei es durch sprachliche Barrieren oder die hohe Anzahl an Mückenstichen in der Puszta. Mit den Aufenthalten in Baia Mare, Cluj und Roşia Montana habe ich meinen Vorfahren mit Sicherheit etwas voraus. Außerdem waren die Gespräche mit den Experten vor Ort sehr aufschlussreich – spätestens bei der Ergänzung durch Herrn Schreiber oder Xenia – und spiegelten die Herausforderungen, denen die einzelnen Regionen gegenwärtig ausgesetzt sind, gut wider. Letztes Jahr wurden mir im Rahmen meiner Abschlussarbeit zahlreiche Tatsachen bezüglich dem Fremdenverkehr in Siebenbürgen genannt und ich habe online viel in regionalen Zeitungen über touristische Aktivitäten sowie Besucherzahlen recherchiert. Vorstellen konnte ich mir die Ausmaße während meiner Reise im winterlichen März jedoch nicht annähernd. Nach der Sommerschule 2014 weiß ich, wovon die Experten, die ich damals befragt habe, wirklich gesprochen haben. Siebenbürgen, insbesondere dessen Orte mit Titeln wie Europäische Kulturhauptstadt und UNESCO-Weltkulturerbe, ist in den Sommermonaten ein überaus beliebtes Reiseziel nationaler sowie internationaler Touristen. Ich habe mich in Hermannstadt und Deutsch-Weißkirch heimisch gefühlt und bin dankbar, dass ich ein Teil dieser Sommerschule sein durfte, auch wenn mir die besuchten Regionen nicht ganz unbekannt waren. Des Weiteren war es für mich persönlich ebenso von großer Bedeutung, die Tätigkeiten von ADEPT zum Erhalt der Kulturlandschaft im südlichen Siebenbürgen kennenzulernen, da ich bereits viele Artikel über diese Organisation gelesen habe und mir jetzt ein besseres Bild von ihrer Arbeit und deren positive Auswirkungen auf die Region machen kann. Ein großes Dankeschön meinerseits ergeht an Xenia und Herrn Schreiber als kompetentes Organisationsteam. Die Tour war super geplant und lag jederzeit voll im Zeitplan. Die Gespräche mit den lokalen Experten waren passend gewählt, allerdings war es schade, dass manche Interviews, wie beispielsweise in Poroszló und Cluj, kurzfristig nicht zustande kamen. Den Organisatoren wird damit nichts vorgeworfen. Die besten Erinnerungen habe ich an das Private Viewing des WM-Finales in einer ungarischen Bar inklusive Sieg der deutschen Nationalmannschaft, die überaus wackelige Holzbrücke über den Fluss Arieş irgendwo zwischen Cluj und Roşia Montana, die feuchtfröhliche Pferdewagenfahrt sowie der erste Abend in Deutsch-Weißkirch und den für mich persönlich wichtigen Kurz-Besuch in Deutsch-Kreuz. Ich würde die Teilnahme dieser Sommerschule durch die dort gemachten Erfahrungen jedem vorbehaltslos weiterempfehlen. In diesem Sinne: Noroc! Erfahrungsbericht Bettina Doll, Masterstudentin des Studiengangs Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Kiel Von der Puszta in die Karpaten Kulturlandschaften im Umbruch Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa Sommerschule im Rahmen des GoEast-Programms, 13-27. Juli 2014 Highlights in Ungarn Hortobagy-Nationalpark: Theiß-See & Puszta In den ersten drei Tagen hielten wir uns im Norden Ungarns auf. Wir besuchten das Naturschutzreservoir rund um den TheißSee und die Teile der Puszta die ebenfalls zum Schutzgebiet des Nationalparks Hortobagy gehören. Wir bekamen auch Einblicke in die touristische Inwertsetzung der Region unter Nutzung des ökologischen Kapitals, beispielhaft ist dafür das Ökozentrum in Poroszlo. Bei einer Abb. 1: Theiß-See Bootsfahrt auf dem Theiß-See, einer Quelle: Franziska Wenzel 2014 Wanderung auf einem Lehrpfad und einem Aufenthalt in der Puszta konnten wir die besonderen naturräumlichen Potentiale der Region kennenlernen. Ein Gespräch mit Herrn Lisztes vom Besucherzentrum des Nationalparks zeigte uns die Einstellung der ungarischen Regierung zu Natur- und Umweltschutz. Leider konnte der Bürgermeister von Poroszlo den Gesprächstermin nicht einhalten, er hätte Abb. 2: Hortobagy Nationalpark sicher noch mehr Informationen aus Quelle: Franziska Wenzel 2014 kommunaler Sicht liefern können. 1 Highlights in Rumänien Baia Mare & Rosia Montana In Baia Mare konnten wir die Folgen schonungsloser Ausbeutung von Rohstoffen während sozialistischer Zeit kennenlernen. Rund um die rumänische Stadt liegen tonnenweise Ablagerungshalden aus dieser Zeit. Nach der Wende brach der Bergbaubetrieb Rumäniens zusammen, die Altlasten wurden nie entfernt. Mit dem Dammbruch 2000, welcher eine schwere Umweltkatastrophe zur Folge hatte, wurde der Region große Aufmerksamkeit zuteil. Als Folge dessen erhielten die Bewohner der Region fließend Wasser und damit Unabhängigkeit von den verseuchten Grundwasserbrunnen. Seit 2007 baut die Firma Romaltyn, die wir im Rahmen einer Betriebsführung besuchten, einzelne Ablagerungshalden ab. Wirtschaftlich attraktiv wird dieses Unternehmen durch die Auswaschung von Gold und Silber mithilfe von Cyanid. Nach der zweiten Nutzung des Erdmaterials wird es in einer neuen Fläche abgelagert. Das kontaminierte Material wird dabei zum Grundwasser und zur äußeren Umgebung mithilfe einer Schutzfolie isoliert. Weder die Regierung noch andere nicht-profitorientierte Institutionen beteiligen sich an der Dekontimation und Renaturalisierung des Gebiets. Der Besuch von Baia Mare sensibilisierte sehr für die Diskussion rund um die Ideen zum neuen Bergbauprojekt in Rosia Montana. Tatsächlich ist es völlig unverständlich wie eine Regierung Schürfungslizenzen an eine internationale Firma vergeben und die genauen Inhalte Abb. 3: Baia Mare – Abraumhalde Quelle: Bettina Doll 2014 Abb. 4: Baia Mare – Neue Ablagerungsfläche Quelle: Bettina Doll 2014 Abb. 5: Unterstützung für die Gegner des Rosia Montana Bergbauprojekts in Cluj Quelle: Sebastian Lang 2014 2 geheim halten kann. Beeindruckend ist auch die langanhaltende, intensive und landesweite Protestbewegung. Seit ca. 15 Jahren hat sie es geschafft das Vorhaben zu verhindern und damit auch zu einem neuen Verständnis von Mitsprache beigetragen. Cluj-Napoca In Cluj, zu Deutsch Klausenburg, konnten wir uns mit aktuellen Stadtentwicklungsthemen Rumäniens vertraut machen. Vertiefte Einblicke erhielten wir in die Themen Festivalisierung, Verkehr, Kulturwirtschaft und urban sprawl. Auffallend waren die Hoffnungen die an die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2021 gesetzt werden, als Testlauf hierfür gilt die Auszeichnung zur Jugendhauptstadt 2015. Abb. 6: Zentrum Cluj Quelle: Franziska Wenzel 2014 Wie unterschiedlich mit Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen umgegangen werden kann zeigten uns die unter Schwarzbau entstandenen Vororte Clujs. Weder Stadt noch Staat sind in der Lage dieser ungeplanten und rasanten Entwicklung Einhalt zu gebieten. Die Stadt versucht im Nachhinein entstandene Infrastrukturdefizite in diesen Wohngegenden zu schließen, in dem sie z.B. Straßen befestigen und Straßenbeleuchtung installieren soweit ihnen dies möglich ist. Interessant fand ich auch die Einblicke in sozialistische städtebauliche Leitbilder und das Leben unter dem kommunistischen Regimes. Frau Havadi und Herr Schreiber konnten dabei sowohl aus eigener Lebenserfahrung als auch aus wissenschaftlicher Sicht berichten und somit ein mehrschichtiges Bild dieser Zeit liefern. In einem Rundgang durch Manastur konnten wir die Ziele des sozialistischen Städtebaus und die Veränderungen in Folge des Systemzusammenbruchs und der folgenden Privatisierung eindrücklich wahrnehmen. Abb. 7: Wohnblocks in Cartierul Manastur Quelle: Anna-Lena Ahlf 2014 Sibiu In der pittoresken Stadt Sibiu, zu Deutsch Hermannstadt, ebenfalls in Siebenbürgen 3 Abb. 8: Sibiu Quelle: Franziska Wenzel 2014 und deutlich geprägt von der deutschen Bevölkerungsgruppe, war im Jahr 2007 europäische Kulturhauptstadt. Die Veränderungen im Zusammenhang mit dieser Auszeichnung treibt heute viele rumänische Städte zu einer Bewerbung auf diesen Titel. In einem interessanten Gespräch mit Herrn Engel von der HERITAS-Stiftung wurden uns die Hintergründe aber auch Probleme des Erfolgs nähergebracht. Auch die Nachhaltigkeit der Veränderungen wurde thematisiert. Viscri In dem kleinen Dorf Viscri (dt. DeutschWeißkirch) beschäftigten wir uns Bedeutung von Kirchenburgen und der für Siebenbürgen typischen geschlossenen Anordnung von Landwirtschaftsgebäuden als Schutzsystem gegen die Beutezüge der Türken. Ein weiteres wichtiges Thema war die Veränderung aufgrund des Zusammenbruchs des Sozialismus und der Grenzöffnung. Weiter spielte der Tourismus und aktuelle Herausforderungen im Abb. 9: Unesco-Weltkulturebene Viscri Zusammenhang mit der Auszeichnung als Quelle: Bettina Doll 2014 UNESO-Weltkulturerbe eine große Rolle während unseres Aufenthalts. Weitere Programmpunkte der Sommerschule In Ungarn: - Ökodorf Gömörszölös - Stadtführung durch Debrecen mit In Rumänien: - Gespräch mit der ADEPT-Stiftung in Sibiu-Saschiz - Führung mit Herrn Hedrich (Umweltaktivist) durch Sighisoara Bewertung und Fazit Frau Havadi und Herr Schreiber haben es geschafft eine unvergleichliche Sommerschule auf die Beine zu stellen. Durch ihre fachliche Kompetenz und ihre enorme Organisationsfähigkeit war die Exkursion nach Ungarn und Rumänien ein voller Erfolg. Beide Länder waren mir bis dato nur aus Medienberichten bekannt. Jetzt habe ich das Gefühl einen tieferen Einblick in beide und Abb. 10: Teilnehmer der Sommerschule 2013 Quelle: Stefan Blossfeldt 2014 4 vielleicht sogar ein Verständnis für die Bedürfnisse und Sichtweisen beider Völker gewonnen zu haben. In einem sehr abwechslungsreichen Programm konnten wir uns mit verschiedensten Themen, Regionen, Städten und ländlichen Räumen beschäftigen. Die Termine mit Organisationen, Aktivisten, Institutionen und Firmen waren stets spannend und erfüllten die Informationen der Reiseführer mit weiterem Leben. Leider wurden etliche Termine von kommunaler Seite im letzten Moment abgesagt, diese Sichtweisen hätten sicherlich den Blick auf verschiedene Themen noch mehr erweitert. Als eindrucksvollstes Erlebnis wird mir die Zeit in Viscri in Erinnerung bleiben. Die Zeit in dem kleinen Dorf – in dem neueste Autos und Traktoren aus sozialistischer Zeit Pferdekutschen auf ungeteerten Straßen überholen – war unvergesslich. Nach nur zwei Tagen hatte ich mich so eingewöhnt, dass der Reisebus voll Touristen, der zum Besuch der Kirchenburg kam, mir wie ein Eindringling von einem anderen Planeten vorkam. Vielen Dank an die Organisatoren und alle Teilnehmer der Sommerschule! 5 DAAD Go East Sommerschule 2014 Babes-Bolyai Universität Cluj, Rumänien 12.09.2014 „Von der Puszta bis in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa“ (13 – 27. Juli 2014) Erfahrungsbericht von Franziska Wenk Als ich mich im Frühjahr für die Sommerschule „Von der Puszta bis in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch“ bewarb, hatte ich nur eine grobe Vorstellung was mich vor Ort erwarten wird. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich Ungarn und Rumänien nur aus Berichten und den Medien. Dank dieses Stipendiums war es mir schließlich möglich an dieser durch Xénia Havadi geleiteten zweiwöchigen Sommerschule im Juli teilzunehmen. Räumlich fand die Sommerschule in Ungarn und Rumänien statt und war wie eine Exkursion aufgebaut. Zahlreiche Projektbesichtigungen und Expertengespräche rundeten das Programm ab. Die ersten fünf Tage führten uns durch die Weiten der Puszta in Ostungarn. In den ersten drei Tagen wurden der künstlich aufgestaute Theiss-See und dessen touristisches Potenzial für das Dorf Porozló, und der Hortobágy Nationalpark, der 1973 zum Schutz der einzigartigen Pusztalandschaft gegründet wurde, thematisiert. Am vierten Tag besuchten wir das Ökodorf Gömörszölös, das als modellhaftes Projekt zur Entwicklung und Wiederbelebung des ländlichen Raumes des ungarischen Institutes für nachhaltige Entwicklung ausgewählt wurde. Am letzten Tag legten wir auf dem Weg nach Rumänien noch einen Stopp in der Stadt Debrecen ein, wo uns Frau Dr. Réka von der Universität Debrecen eine Ökologische Stadtführung bot. Die weiteren neun Tage, in denen uns Herr Prof. Schreiber begleitete, verbrachten wir in der Region Siebenbürgen in Rumänien. In diesen knapp 1 ½ Wochen beschäftigten wir uns mit den verschiedensten Themen der nachhaltigen Raumplanung und Regionalentwicklung in Rumänien. Zunächst besuchten wir zwei ehemalige Bergbaugebiete. Diese waren die alte Bergbaustadt Baia Mare, wo uns Möglichkeiten zum Umgang mit Altlasten vorgestellt wurden und das seit Jahren stark diskutierte Goldbergbaugebiet Rosia Montana im ApuseniGebirge. Des Weiteren wurden die Städte Cluj (Klausenburg), Sibiu (Hermannstadt) und Sighisoara (Schässburg) bereist. Die seit 1990 rasante Entwicklung der Stadt Cluj stellt noch immer große Herausforderungen an die Stadtplaner. Die Stadt Sibiu wurde im Jahr 2007 zur europäischen Kulturhauptstadt ernannt, wofür umfangreiche Sanierungsarbeiten geleistet wurden. Durch ein Gespräch mit Herr Engel der HERITAS Stiftung erhielten wir umfangreiche Einblicke in die Projektarbeiten der Stadt in den letzten Jahren. Neben diesen städtischen Themen sollte uns außerdem die Problematik des ländlichen Raums und dessen Potenzial näher gebracht werden. Hierzu wurde uns in Saschiz (Kreisd) die ADEPT-Stiftung 1 DAAD Go East Sommerschule 2014 Babes-Bolyai Universität Cluj, Rumänien 12.09.2014 vorgestellt, die sich um die Bewahrung der traditionellen Landwirtschaft und der Biodiversität in der Region bemüht. Zudem besuchten wir das kleine Dorf Viscri (Deutsch-Weisskirch) mit einer Kirchenburg, das 1999 als gesamtes Dorf in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Besonders ist an diesem Dorf aber vor allem der Vorbildcharakter in Bezug auf eine nachhaltige Dorfentwicklung und den Erhalt von Kultur und Bausubstanz, der seit 20 Jahren durch die Vizepräsidentin Frau Fernolend der englischen Stiftung MET vorangetrieben wird. In diesen zwei Wochen, die leider viel zu schnell vergingen, hatte ich die Möglichkeit zwei mir bis zum Beginn der Sommerschule noch unbekannte Länder kennenzulernen. Rumänien und Ungarn sind zwei äußerst spannende Länder mit beeindruckenden Landschafts- und Kulturräumen. Das sehr abwechslungsreiche, gut ausgearbeitete und durchgeführte Programm von Xénia Havadi hat mir sehr gut gefallen und mich in allen Themenbereichen begeistert. Die Vorträge von ihr und ab Rumänien ergänzt von Herr Prof. Schreiber waren fachlich, lehrreich und spannend. Die zahlreichen Projektbesichtigungen und Expertengespräche waren zudem gut gewählt und haben die Sommerschule sehr interessant und aufschlussreich gemacht. Diese haben einen Blick hinter die Kulissen gewährt, der einem sonst als normaler Tourist verborgen geblieben wäre. Zum Gelingen solch einer Veranstaltung tragen auch zum einen die Teilnehmer als auch die Unterbringung und Verpflegung bei. Die Auswahl der Studenten passte sehr gut zusammen, sodass die Gruppendynamik bis zum Schluss harmonisch war. Es war eine tolle Erfahrung Studenten aus ganz Deutschland kennenzulernen. Die Verpflegung und die Unterkünfte ließen außerdem keine Wünsche offen. Toll war vor allem, dass zu Meist etwas Einheimisches gegessen wurde und man so auch die lokale Küche kennenlernen konnte. Nach dieser durchweg positiven Erfahrung habe ich nur wenige Verbesserungsvorschläge. Was mir etwas gefehlt hat, war am Anfang eine landeskundliche und geschichtliche Einführung in beide Länder. Dies hätte an mancher Stelle geholfen, um gewisse Probleme und Sachverhalte besser verstehen und einordnen zu können. Außerdem würde ich mir beim nächsten Mal eine etwas anders gestaltete Abschlussveranstaltung wünschen. Vielleicht wäre es möglich die Vorbereitung für das Kolloquium und das Kolloquium an sich auf zwei Tage aufzuteilen. Zum Beispiel das an einem Nachmittag die Vorbereitung stattfindet und der andere Tag dann komplett für die Vorstellungen der Präsentation zur Verfügung steht, sodass genügend Zeit für Diskussionen und Fragen bleibt. Insgesamt war diese Sommerschule eine sehr wertvolle und lehrreiche Erfahrung, die mir ganz neue Einblicke, Sichtweisen und einen Wissensgewinn über diese beiden Länder ermöglicht hat. Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen und ich kann eine Teilnahme an solch einer Sommerschule nur empfehlen. Für die wunderbare Zeit möchte ich 2 DAAD Go East Sommerschule 2014 Babes-Bolyai Universität Cluj, Rumänien 12.09.2014 mich bei dir Xénia, bei ihnen Herr Schreiber und beim DAAD, durch deren Förderung mir ermöglicht wurde daran teilzunehmen, recht herzlich bedanken! Anbei eine Auswahl der zahlreichen Bilder (alle selbst fotografiert): Theiss-See, Ungran Hortobágy Nationalpark, Ungarn Cluj (dt. Klausenburg), Rumänien Sibiu (dt. Hermannstadt), Rumänien Rosia Montana, Rumänien Viscri (dt. Deutsch-Weisskirch), Rumänien 3 Persönlicher Erfahrungsbericht Annika Jeschke Von der Puszta in die Karpaten - Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa 13. - 27. Juli 2014 in Ungarn und Rumänien Abbildung 1: Cluj (A. Jeschke) Abbildung 2: Theiss-See und Umgebung (A. Jeschke) Einleitung Bereits vor einiger Zeit saß ich, ähnlich wie jetzt, an meinem Schreibtisch um in einem Bewerbungsschreiben meine Motivation für die Teilnahme an der Sommerschule in Ungarn und Rumänien zu formulieren. Nachdem dies offensichtlich erfolgreich war, möchte ich nun noch einmal auf die Sommerschule „Von der Puszta in die Karpaten - Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa“ zurückblicken. Die Ereignisse und Erkenntnisse dieser 2 Wochen möchte ich noch einmal rekapitulieren und schlussendlich mit meinen Erwartungen von damals vergleichen. Über die zwei Wochen hatten wir ein vielfältiges Programm mit sehr vielen Stationen. Leider ist es mir an dieser Stelle nicht möglich jede einzelne Station ausführlich zu erläutern, weshalb ich nur die größeren Stationen jeweils anreißen werde. Ablauf Glücklicherweise war ich nicht die einzige Teilnehmerin aus Bonn, sodass wir uns am 12. Juli gemeinsam auf den Weg nach Budapest gemacht haben. Nachdem wir dort noch einen Tag Zeit hatten um uns die Stadt anzuschauen, trafen wir am nächsten Morgen am Bahnhof Keleti auf die anderen Teilnehmer. Das war also die Gruppe mit der wir in den nächsten 14 Tagen zahlreiche Erlebnisse teilen würden. Mit kleiner Verspätung ging es sodann mit dem Zug nach Poroszló, unserem ersten Standort am Theiss-See. Zwischen der sengenden Sonne einer Bootstour auf dem Wasser und den Mückenschwärmen am Wasser blieb am Abend noch die perfekte Abkühlung im Wasser. Durch den Besuch eines Naturlehrpfads und des Ökozentrums, lernten wir das Schutzgebiet und die Gegend näher kennen. Am nächsten Tag ging es in den Hortobágy-Nationalpark, in dem uns zunächst die die organisatorischen Strukturen von Nationalparks in Ungarn und später die typischen Nutztiere der Puszta wie Wollschweine oder Graurinder nähergebracht wurden. Es ging weiter in das Ökodorf Gömörszőlős, wo uns bewusst wurde, dass die Bezeichnung Ökodorf nicht zwangsweise auf ein bewusst nachhaltiges Lebensmodell aller dortigen Einwohner schließen lassen kann. Unser letzter ungarischer Stopp war in der Stadt Debrecen, wo wir eine ökologische Stadtführung mitmachten und wir uns anhand einer Vielzahl von EU-geförderten Großprojekten mit deren Problematiken beschäftigten. Unser erster Halt in Rumänien führte nach Baia Mare, eine Bergbaustadt im Norden Rumäniens, die traurige Berühmtheit durch einen verheerenden Unfall im Jahr 2000 erlangt hat. Bei der schweren Umweltkatastrophe gelangte eine große Menge an Schwermetallen in die Natur, die über die Flüsse schließlich nach Ungarn in die Theiss und später in die Donau gelangten. Wir konnten die heutige Anlage unter strengen Sicherheitsauflagen besichtigen. Danach ging es weiter nach Cluj (Klausenburg). Diese Stadt konnte die Gruppe sofort mit seinem Studentenflair und Nachtleben überzeugen. Doch auch tagsüber gab es spannendes Programm unter anderem mit dem Besuch eines Kulturzentrums, der Pinselfabrik und einer Fahrt in den Westen der Stadt, nach Mănăștur, das als eines der größten Plattenbauviertel in den 1970er Jahren gebaut wurde. Mit einem Kleinbus machten wir uns mit der Gewissheit auf den Weg am Ende der Fahrt noch einmal hierhin zurückzukehren. Auf dem Weg nach Sibiu (Hermanntadt) stoppten wir in Rosia Montana und schauten uns das Gebiet an über dessen Pläne zum erneuten Goldabbau in der Öffentlichkeit seit Jahren diskutiert wird. Abbildung 3: traditioneller Wandschmuck in Debrecen (A. Jeschke) Abbildung 4: Rosia Montana (A. Jeschke) In Sibiu war zum einen die Präsenz der Siebenbürger Sachsen sehr auffällig, es gibt dort sogar einen deutschen Bürgermeister. Zum anderen war die europäische Kulturhauptstadt von 2007 noch sehr präsent. In einem Expertengespräch diskutierten wir die dortige Stadt- und Regionalentwicklung. Im Folgenden besuchten wir eine Stiftung in Saschiz (Keisd), die die Bewahrung der traditionellen Landwirtschaft forciert und uns interessante Einblicke in aktuelle Projekte geben konnte. Eines der Highlights der Fahrt folgte nun mit einem Aufenthalt in dem kleinen Dorf Viscri (Deutsch-Weißkirch). Abgelegen von großen Straßen fühlten wir uns hier zwischen Kühen und Schubladenbetten zurückversetzt in eine andere Zeit. Mit einem kurzen Halt in Sighișoara (Schäßburg), der Stadt in der angeblich der historische Dracula gelebt hat, kehrten wir nach einigen Tagen wieder zurück nach Cluj. Dort haben wir in einem Abschlusskolloquium an der Uni die vielen Eindrücke der letzten Zeit noch einmal aufbereitet und diskutiert. Bewertung Insgesamt blicke ich mit durchweg positiven Erinnerungen auf die Zeit der Sommerschule in Ungarn und Rumänien zurück. Ich habe in der Zeit einen guten Einblick in die unterschiedliche Entwicklung vom städtischen und ländlichen Raum, die dortigen Kulturen, sowie die jüngere Geschichte und Auswirkungen des EU-Beitritts erhalten. Die beeindruckenden Landschaften zwischen der Weite der Puszta und Siebenbürgen im südlichen Karpatenraum werden mir noch lange in Erinnerung bleiben. Dazu hat die hervorragende Organisation mit der Wahl der Themen und Standorte beigetragen, die eine spannende Mischung aus Themen der nachhaltigen Entwicklung im ländlichen und städtischen Raum anhand verschiedenster Beispiele und Projektbesuche darstellte. Dabei hat stets der Austausch in Expertengesprächen mit den Menschen aus den Projekten und Organisationen vor Ort zum Erkenntnisgewinn beigetragen. Die Sommerschule war also geprägt von einem hohen Praxisbezug, der während des verschulten Bachelorstudiums oftmals leider zu kurz kommt. Somit stellt die Teilnahme an einer Sommerschule meiner Meinung nach eine sinnvolle Ergänzung zum weiteren Studium und seinen Inhalten dar. Ebenfalls hat die gemischte Teilnehmergruppe mit verschiedenen Studienschwerpunkten und auch unterschiedlichen Motivationen zur Teilnahme, zu einem interessanten Austausch und viel Spaß außerhalb der offiziellen Programmpunkte beigetragen. Gefallen hat mir zudem, dass das Programm zwar gut strukturiert aber trotzdem noch so flexibel war, dass beispielsweise ein weiterer Stopp in einem kleinen Dorf durch den Vorschlag einer Teilnehmerin eingefügt wurde. Die Betreuung durch Xeniá Havadi von der Babes-Bolyai-Universität in Cluj war ausgezeichnet. Sie leitete nicht nur kompetent durch Diskussionsrunden und Expertengespräche sondern übersetzte diese auch wenn nötig aus dem Rumänischen oder Ungarischen ins Deutsche. Außerdem organisierte sie stets hervorragende Unterkünfte und Verpflegung für die Gruppe. Die Leitung der Sommerschule wurde ergänzt durch einzelne Personen die zeitweise dabei waren. Besonders zu nennen wäre Herr Dr. Wilfried Schreiber, ebenfalls von der Universität in Cluj, der uns in Rumänien begleitete und durch sein enormes Wissen über die Region sowohl im physisch- als auch im humangeographischen Bereich die Sommerschule erheblich bereicherte. Gewünscht hätte ich mir noch mehr kurze Diskussionsrunden (ca. 15 Min) am Abend, in denen das Gesehene vom Tag noch einmal rekapituliert und eingeordnet werden kann. Dies haben wir zwar in Kleingruppen oft getan, allerdings fände ich es für die gesamte Gruppe noch interessant. Weiterhin hätte eventuell das Abschlusskolloquium auf zwei Tage aufgeteilt werden können. Den einen Tag mit Vorbereitung und anschließender Präsentation aller Gruppen habe ich als sehr lang in Erinnerung. Es war schade, das so bei manchen Gruppen am Ende wenig Zeit für Diskussionen blieb. Fazit Insgesamt allerdings lässt sich sagen, dass ich die Sommerschule für mich als vollen Erfolg sehe und froh über die Teilnahme bin. Meine persönlichen Erwartungen wurden übertroffen und es bleibt der Wunsch noch einmal irgendwann zurückzukehren, die Länder genauer kennenzulernen und den nun erhaltenen ersten Eindruck zu vertiefen. Somit möchte ich mich nun beim DAAD für die finanzielle Unterstützung, bei Xénia Havadi für die gelungene Organisation und natürlich den anderen Teilnehmern für die tolle Zeit bedanken. Abbildung 5: Dorfstraße in Viscri (A. Jeschke) Marianne Höbel Persönliche Eindrüke Die Sommerschule gab einen großen gr Einblick in die Probleme und Herausforderungen Heraus im Bereich der Stadtentwicklung, wicklung, sowie so der nachhaltigen Entwicklung ng im ländlichen ländlic Raum. Besichtigte Städte in Rumänien, Rumäni wie beispielsweise Cluj (Klausenburg) (Klausenbu und Sibiu (Hermannstadt) erinnern nern durch die di Sanierung ihrer Gebäude und Marktplätze an den Standard westlicher Metropolen. len. Durch den wachsenden Tourismus etablierten tablierten sich sic überwiegend Gewerbe, wie Gastronomie onomie und Verkaufsläden in den Innenstädten. dten. Durch diese Umstände verringert sich das Angebot ngebot an Wohnungen W und verteuert diese erheblich. Die Di Teuerungsrate gleicht sich schrittweise eise deutschen deutsch Städten an. Häuser und Gebäude bäude in drit dritter Reihe waren jedoch teilweise verfallen fallen und renovierungsbedürftig. ren Im ländlichen Raum sind Rückstände Rücks deutlicher erkennbar. Nicht ht alle Dörfer Dörfe verfügen über fließendes Wasser sowie owie Duschen Dusche und Toiletten. In Viscri (Deutsch-Weißk Weißkirch) wurde erst 2011 die erste Kläranlage anlage errichtet errich und dadurch der Lebensstandard ndard der Bü Bürger verbessert. Auffallend waren auch ch die "einfachen "einfa Straßen" und vielen Pferdewägen ewägen in de den Dörfern. Dies hat zwar einen gewissen issen Charme, Charm zeigt aber auch deutlich, unter er welchen B Bedingungen die Bewohner hier ihre Arbeit verrichten. verrich Abb. Dorfbewohner mit Pferdegespa Pferdegespann (Quelle: eigene Bilder im Rahmen derr Sommeruni 2014) Die Dorfbewohner leben von Subsistenzwirtschaft. Su Sie bauen ihre hre Nahrungsmittel Nahrungs selber an und manche halten ein in paar Milchkühe, Milch Schweine, Gänse und Hühner. Viele junge Menschen hen verlassen verlass die ländlichen Regionen und ziehen in Städte. Der Altersdurchschnitt ist st dadurch in i den ländlichen Gebieten deutlich utlich höher als im urbanen Bereich. Häuser drohen hen zu verfallen, verfa das Wissen und Interesse um tradition traditionelles Handwerk und der Landwirtschaft aft geht verloren. verlo Hier zeigen sich ähnliche Entwicklungs ntwicklungs-Strukturen zum ländlichen Raum meiner iner "Studiums"-Region "Studium in Mecklenburg-Vorpommern. rpommern. In Deutschland ist das as Gärtnern in i Städten seit einiger Zeit wieder voll im Trend. T Unter dem Begriff „Urban Gardening“ rdening“ wird w oftmals in Gemeinschaftsgärten ärten zusammen zusam gepflanzt, geerntet und gekocht. t. Es findet ein Austausch von Wissen statt, tt, etwa über übe Pflanzenzucht, Kochrezepte oder das Einmachen Einmach von Obst und Gemüse. In manchen Gärten gibt es Reparaturwerkstätten n in denen gebastelt g und gehandwerkt wird. Es ist sehr seh interessant zu sehen, dass vor allem m in Großstädten Großst bestehendes Wissen und Ideen der Selbstversorgung S wieder aufgegriffen und aktiv umgesetzt um werden. Ein weiterer Themenschwerpu enschwerpunkt des Programms war derr Erhalt der de traditionellen Kulturlandschaft sowie wie der kleinbäuerlichen kl Landwirtschaft. Wie zu diesem Thema ausführlich beschrieben (Kapitel Erhalt der Kulturlandschaften und gebauten gebaute Kulturen), ist die traditionelle Bewirtschaftung irtschaftung notwendig um die traditionelle Kulturlandschaft Kulturlandsc zu erhalten. Abb. Landschaft Siebenbürgen Abb. Traditionelle le Milchviehhaltung Milchvieh (Quelle: eigene Bilder im Rahmen der Sommeruni S 2014) Ein Problem stellen u.a. die EU-Subventionen EU (Flächenprämie) dar. Die meisten me Bauern in Rumänien sind Kleinproduzente inproduzenten mit wenig Land. Die EU-Gesetze setze sind auf a Großbetriebe ausgerichtet, kleine Höfe profitieren profitie am wenigsten davon. Auch die Hygienestandards Hygienes müssen eingehalten werden,, was für viele v kostspielig ist. Davon sind nd auch kleine kle Betriebe in Deutschland, vor allem in Bayern Bayer betroffen, wo landwirtschaftlich lich genutzten genutzte Flächen durch eine kleinbäuerliche Struktur geprägt gep sind. Während in Deutschland land viele Landwirte die Betriebsgröße erweitert haben en, nach dem Motto „Wachsen oder Weichen“, machen sich in Rumänien immer mer mehr Investoren und Agrarspekulanten breit. Aufgefallen Aufgefa sind auch Felder der Firma Bayer und Pioneer. Hier handelt es sich höchstwahrschein stwahrscheinlich um Versuchsfelder. Mit der Reform der Gemeinsamen Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) im Zeitraum um 2014 bis 2020, sollen die Direktzahlungen an landwirtschaftliche landwirtsch Betriebe mit Greening-Komponen nenten (Erhalt von Dauergrünlandflächen (Wiesen und Weiden), Vielfalt beim Anbau nbau von vo Kulturen auf Ackerflächen, Bereitstellung „ökologischer Vorrangflächen“ auf 5 Prozent des Ackerlands) gekoppelt werden. Dies ist erst einmal ein guter Ansatz und Anreiz, hatte doch schon Raymond McSharry (Mitglied der Europäischen Komission 1989-1993) die Grundidee, Fördergelder an ökologische Maßnahmen zu koppeln. Laut Studie des BfN (Bundesamt für Naturschutz) kann die neue“ Greening-Komponente nur Wirken, wenn sie in großem Umfang Akzeptanz findet und von vielen Landwirten und in allen Landschaften, insbesondere in Intensivregionen umgesetzt werden. Zudem dürfen die Greening-Anforderungen nicht aufgeweicht werden, was aber von vielen Agrarministern der EU-Mitgliedsstaaten versucht wird. Es gibt durchaus eine wachsende Bereitschaft der Landwirte, ökologisch zu wirtschaften. Die Umstellung des Betriebes auf Ökolandbau bringt aber viel Bürokratie mit sich, die Vorgaben der EU sind schwierig umsetzbar. Manche Landwirte stellen aus diesen Gründen wieder auf eine konventionelle Bewirtschaftung um, obwohl sie von der Überzeugung her ökologisch wirtschaften wollen. Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit der Stiftungen dazu beiträgt, einen Großteil des soziokulturellen Erbes zu bewahren und die Bauern so zu unterstützen, dass sie ihre Höfe nicht aufgeben müssen. Der Ansatz der Direktvermarktung, regional produzierter Produkte ist für mich sehr sinnvoll. Im Hinblick auf den zunehmenden Konkurrenzdruck durch den Lebensmitteleinzelhandel, ist auch der Verbraucher gefragt. Durch ein Bewusstsein für gesunde, regionale Nahrungsmittel sowie die Wertschätzung der Arbeit, kann er ebenso zur Unterstützung der bäuerlichen Familien beitragen. Rola Kramer, M.A. Philipps-Universität Marburg FB 03, Institut für Kulturwissenschaft/ Europäische Ethnologie (Ökodorf Gömörszőlős) Erfahrungsbericht SummerSchool „Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch“ (Ungarn und Rumänien, 2014) Vom 13. Juli bis zum 27. Juli 2014 waren wir, eine Gruppe Studierender verschiedener Fachrichtungen (Geographie, Linguistik, Sozialökonomie, Agrarwissenschaft, Tourismus, Kulturwissenschaft) in Rahmen der SummerSchool „Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch“ in Ungarn und Rumänien. Die SummerSchool wurde von der Geographischen Fakultät der Babes-Bolyai Universität in Cluj, Rumänien in Zusammenarbeit mit der Universität Debrecen, Abteilung für Umweltschutz und Umweltgeographie, organisiert. Die Leitung und Durchführung machten Prof. Dr. Schreiber und Dr. Kinga Xénia Havadi-Nagy, Fakultät für Geographie, der Babes-Bolyai Universität. Wir starteten in Ungarn, Budapest, und verbrachten einige Tage am Theiss-See und im Ökodorf Gömörszőlős. Weitere Stationen befanden sich in Rumänien: Baia Mare, Cluj, Rosia Montana, Sibui (dt. Hermannstadt), Saschiz, Viscri (dt. Deutsch-Weisskirch), Sighişoara (dt. Schässburg) - Die verschiedenen Orte erreichten wir mit Bus und Bahn, wobei wir vor allem mit einem kleinen Reisebus durchs Land gefahren sind. (Die Reise mit Busfahrern aus Rumänien und Ungarn war sehr abenteuerlich –) Wir haben durch die vielen Stationen einige Städte und Orte verschiedener regionaler, kultureller Schwerpunkte gesehen, viele lokale Projekte kennengelernt, und haben einen Eindruck von Gegebenheiten und Herausforderungen dieser Regionen bekommen. Durch (kritische) Stadtführungen, Gespräche mit Experten (Stadtplanern, Stiftungen, Umweltschützer), Vorträge, Werkführungen (Bergwerk, Lebensmittel-“Industrie“) und eigenen Entdeckungen, haben wir bei jeder Station regionale Besonderheiten kennengelernt - wie (lokales) Essen, Bevölkerung, Wohnkultur, Agrarwirtschaft und Imagepolitik, regionale Ökonomie, - Ökologie, Protest, Versuch von Landschaftsveränderung, -umstrukturierung, etc. Mir haben zwei Aufenthaltsorte am Besten gefallen: Deutsch-Weisskirch und Cluj. Siebenburgen, besonders Deutsch-Weisskirch, bleibt mir in Erinnerung, da wir in traditionellen Betten (Schubladen!) in privaten Haushalten (Pensionszimmer) gewohnt haben. Dieses kleine Dorf war sehr idyllisch. Hier haben wir auch einen kleinen Einblick in das Leben der Dorfeinwohner_innen bekommen, da wir durch die Unterkunft im direkten Austausch mit ihnen waren und, durch den Aufenthalt, das Alltagsleben der Dorfbewohner_innen mitbekommen haben. In Cluj haben wir die meiste Zeit verbracht und die Stadt in verschiedenen Aspekten betrachtet, wie Einzug von die kulturelle Entwicklung, Nischenprojekte, post-sowjetischen Spuren, Kapitalismus, Festivalisierung, Sicherheit, Well-being-Versuche durch Grünanlagen, Studentenleben und Wissenschaftsgeschichte. Da unsere SummerSchool-Leiter aus Cluj kamen, haben wir auch viele Hintergrundinformationen zur Stadt(-geschichte), Leben in der Stadt und Herausforderungen der Stadtentwicklung bekommen. - Das machte Cluj besonders spannend. (Cluj) Alle anderen Stationen sind leider, meiner Meinung nach, etwas kurz gekommen. Die thematische, hinterfragte, kritische Auseinandersetzung zu den verschiedenen Stationen hat mir gefehlt. Wir haben sehr viel Zeit im Reisebus verbracht, um zu den verschiedenen Standorten zu gelangen, so dass wenig Zeit für eine (geleitete) Diskussionsrunde war. Schade ist, dass Raum gefehlt hat, sich mit den Experten vor Ort über regionale Veränderungen auseinander zu setzen und in der interdisziplinären Gruppe Gesehenes zu reflektieren. Ansonsten war es sehr interessant. Wir hatten schönes Wetter, haben viel gesehen, viel mitbekommen, viel erlebt und die Verpflegung war sehr umfangreich. Die Organisation war sehr gut, und das Programm war vielfältig. Und Lust auf einen längeren Aufenthalt in Rumänien habe ich auch bekommen. (Wanderung am Theiss-See, Ungarn) (Bergbau-Besichtigung Baia Maire, Rumänien) 8 Erfahrungsbericht von Stefan Bloßfeldt (DAAD) Aufgrund meiner Teilnahme an einer Go-East Summerschool in Albanien im Jahr 2012 war ich bereits seit längerem auf das Sommerschulangebot des DAAD aufmerksam geworden gewesen. In der Hoffnung die gute Erfahrung von damals zu wiederholen, habe ich das diesjährige Programm nach einem für mich interessanten Angebot durchgesehen und wurde auch sogleich fündig. Insbesondere das Programm der in Ungarn und Rumänien stattfindenden Sommerschule „Von der Puszta in die Karpaten: Kulturlandschaften im Umbruch“ sprach mich an, woraufhin ich meine Bewerbung einreichte. Mein besonderes Interesse lag vor allem an der thematischen Ausrichtung. Ich versprach mir eine Auseinandersetzung mit mir bekannten als auch unbekannten Aspekten der Raum- und Stadtplanung, sowie der Regional- und Kulturlandschaftsentwicklung innerhalb von zwei mir bis dahin fremden Ländern. Insofern habe ich mich sehr über die Möglichkeit gefreut letztlich teilnehmen zu dürfen. Die Sommerschule selbst war dabei selbst in Form einer großen Exkursion organisiert, die sich von Budapest ausgehend mit mehreren Zwischenstationen durch die Puszta hindurch nach Siebenbürgen und in die Karpaten fortsetzte und letztlich in Cluj-Napoca endete. Die ersten Tage der Reise verbrachten wir daher in Ungarn am Theiss See, dem Hortobagy Nationalpark, einem Dorf namens Gömörszőlős und in Debrecen. Hierbei ging es insbesondere um Fragen des Umweltschutzes, der Kulturlandschaftsentwicklung und der Nachhaltigkeit. Diese Aspekte wurden entsprechend zu den jeweiligen Standorten in Kontext gesetzt, so dass am Theiss See vor allem das touristische und ökologische Potential der Region zur Sprache kam, während in Debrecen eher auf Themen der ökologischen Stadtentwicklung eingegangen wurde. Der zweite Teil unserer Sommerschule führte uns dann schließlich nach Rumänien, wo wir zunächst Baia Mare besuchten. Die von Industrie und Bergbau geprägte Stadt kämpft mit diversen ökologischen Problemen und erlangte durch eine Umweltkatastrophe im Jahr 2000 traurige Bekanntheit. Dabei gelangten im Zusammenhang mit einem Dammbruch Chemikalien in den regionalen Wasserkreislauf und kontaminierten Gewässer bis hin nach Ungarn. Die Eindrücke dieser Stadt sollten uns thematisch bereits auf das einstimmen, was wir später noch in dem Dorf Rosia Montana erfahren durften. Hierbei handelt es sich um einen peripher gelegenen Ort, in dessen Umfeld ebenfalls unter Einsatz von Chemikalien Gold gefördert werden soll. Wenngleich die damit verbundenen ökologischen Konsequenzen in Baia Mare offensichtlich sind, gibt es insbesondere aus finanziellen Gründen durchaus 9 Stimmen für eine solche Förderung. Das gilt etwa auch für die Dorfbewohner selbst, denen sonstige Einnahmequellen fehlen. Letztlich ist Rosia Montana jedoch keineswegs mehr nur ein Streitthema der lokalen Bevölkerung, sondern gilt als Sinnbild des Protests gegen Umweltzerstörung und korrupte Politik im ganzen Land. Über den Themenkomplex des Bergbaus hinaus, beschäftigten wir uns in Rumänien auch mit Stadtplanung und Stadtentwicklung. Zunächst geschah das vor allem in Cluj-Napoca, welches wir zuerst besuchten. Hier gab es neben einer historischen Stadtführung auch einige Gelegenheit sich mit jüngeren Phänomenen der Stadtgeschichte zu befassen. Beispielsweise besichtigten wir das Plattenbau Viertel Monastur an dessen Rändern sich beispielsweise die ungezügelte Suburbanisierung der post-sozialistischen Zeit nachvollziehen ließ. Außerdem konnten uns mit Aktivisten unterhalten, die sich für die Reaktivierung gewisser öffentlicher Räume in Monastur einsetzen und erhielten wir einen Einblick in die angesagte Kunstszene von Cluj. Mit der Festivalisierung historischer Innenstädte und deren Sanierung sprachen wir dann in Hermannstadt und Shigisoara zwei weitere, sehr aktuelle Aspekte der Stadtentwicklung an. Auch hier konnten wir uns dank der Gespräche mit verschiedenen Akteuren - wie etwa einem Aktivisten und einem Stadtplaner - erneut ein breites Problemverständnis dieser Themen erschließen. Darüber hinaus setzten wir uns in diesen Städten verstärkt mit der Thematik der Siebenbürger Sachsen und ihres Einflusses auf die Region auseinander. Besonders eindrucksvoll waren in diesem Zusammenhang sicherlich auch die vielen sächsischen Dörfer mit ihren Kirchenburgen. Neben der Besichtigung dieser konnten wir in die alltäglichen und zum Teil erheblichen Probleme der ländlichen Bevölkerung in Siebenbürgen einblicken. Dabei war besonders interessant wie verschiedene NGOs aber auch einzelne Personen versuchen diese Probleme in ganz unterschiedlicher Weise anzugehen, um letztlich eine positive Entwicklung der Region herbeizuführen. So gibt es etwa Initiativen zum Erhalt der einzigartigen Biodiversität oder des gebauten Kulturerbes dieser vormals mehrheitlich sächsisch besiedelten Regionen. Andererseits wurde deutlich, dass es sich sogar für grundlegende Infrastrukturen, wie etwa eine Kläranlage, mit mühsamer, politischer Arbeit gegen Partikularinteressen und Korruption durchzusetzen gilt. Mit den vielen Eindrücken der Reise ausgestattet wurden die hier kurz angerissenen Themen schließlich am Ende der Sommerschule dann noch einmal von uns Studenten aufgearbeitet, um eine abschließende Reflexion im Kreis der Teilnehmer zu ermöglichen. Dabei freut es mich in der Retrospektive sagen zu können, dass sich meine Erwartungen in jeglicher Hinsicht 10 absolut erfüllt haben. Aus fachlicher Sicht konnte ich mein zuvor erworbenes Wissen des Öfteren an- und einbringen, während ich gleichzeitig viel Neues dazu lernen durfte. Xenia Havadi hatte es geschafft ein stimmiges, thematisch absolut vielfältiges und interessantes Programm zu erstellen, welches dennoch genug Zeit ließ, um auch hin und wieder individuell Eindrücke von der Puszta und Siebenbürgen sammeln zu können. Insofern kann ich die Sommerschule nur wärmstens empfehlen und freue mich, dass ich dieses Jahr Teil davon sein durfte. DAAD Go EAST Summerschool 2014 Fakultät für Geographie der Universität Babes-Bolyai in Cluj Rumänien Von der Puszta in die KarpatenKulturlandschaften im Umbruch Fidel Hauck Bsc. Umweltwissenschaften Leuphana Universität Lüneburg Erwartungen In den letzten Jahren habe ich mich zeitweise sehr intensiv mit der (nachhaltigen) Regionalentwicklung Bulgariens und Serbiens beschäftigt. Nachdem Teile meiner Familie und meines Freundeskreises, teils mit touristischen teils mit wissenschaftlichen Motiven Rumänien besucht haben, wurde bei mir nun dieses Jahr endgültig das I teresse a ei e „Ke e ler e “ des eit entfernten Ost-europäis he La des ge e kt. Ei e So ers hule i Rah e des „GoEastProgra s“ ar für i h or der Reise o h zie li h u eka t, urde ir aber von einer Kommilitonin wärmstens empfohlen, sodass ich mich kurzerhand für diese Sommerschule entschlossen habe. Besonders gespannt war ich auf den wissenschaftlichen Kontext der Reise. Darüber hinaus habe ich mir einen tieferen Einblick in die gesellschaftliche Entwicklung von Ungarn und Rumänien durch die Begleitung der Reise durch die aus Cluj stammenden Wissenschaftlerin und Wissenschaftler erhofft. Nordostungarn Die Sommerschule begann für den größten Teil der Teilnehmenden mit einer (Nacht-)Zugfahrt nach Budapest. Dort empfing uns Xenia Havadi, die Organisatorin der Sommerschule. Von Budapest ging es mit dem Zug weiter nach Poroszló, einem kleinen Dorf am Rande des Theiss-Sees, wo wir die folgenden drei Tage verbracht haben. Von dort aus haben wir einen Einblick in das touristische Potenzial und die Artenvielfalt des Theiss-Sees und des Hortobagy-Nationalparks bekommen. Programmpunkte für den ersten Tag waren die Besichtigung des Sees mit einem Boot, ein Rundgang auf de „Theiß lu e -Lehrpfad“ und eine Besichtigung des Ökozentrums in Poroszló. Besonders bemerkenswert war die hohe Vielfalt an Brut- und Rastvögeln auf dem See und die Größe und Attraktivität des Ökozentrums in dem relativ kleinen Ort. Am darauf folgenden Tag besuchte die Gruppe die Verwaltung des Hortobagy-Nationalparks, der eine der größten Steppenlandschaften in Europa abdeckt. Beeindruckend war, dass die Verwaltung eines Nationalparks in Ungarn für sämtliche Umweltbelange in der entsprechenden Region zuständig ist. Die Finanzierung der Nationalparks wird dabei nur von einem sehr geringen Teil vom Staat selber getragen. Die größte Säule der Finanzierung sind Drittmittelprojekte, die hauptsächlich aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) getragen werden. Somit ist ein nicht geringer Teil der Verwaltung dauerhaft damit beschäftigt Drittmittel einzuwerben. 1 Als letzte Station in Ungarn hat die Gruppe das Ökozentrum im Dorf Gömörzölös, nahe der Slowakischen Grenze besucht. Dort wurde die Arbeit des Zentrums, die Dorfentwicklung und besondere Projekte im Dorf vorgestellt. Bemerkenswert waren, der stetige und rasante Bevölkerungsrückgang und die noch immer mäßige Verankerung des Ökozentrums in Dorf. Auf der anderen Seite, war die Ortsvorsteherin sehr engagiert und auch erfolgreich in der Stärkung des Zusammenhalts im Dorf. Auf der Fahrt nach Rumänien hat die Gruppe noch einen Stopp in der Industrie- und Universitätsstadt Debrecen eingelegt. Dort hat Dr. Bodnár Réka eine Stadtführung zur The atik „Geographie der Stadt und Na hhaltige E t i klu g“ angeboten. (Permakulturgarten in Gömörzölös; eigene Aufnahme 2014) Nordwestrumänien/Transsylvanien In Rumänien haben wir den Betrieb der Romaltyn Mining S.R.L. besucht. Die Firma hat sich auf die Extraktion von Edelmetallen aus Abraumhalden spezialisiert. Während der Abbauprozesse leitet die Firma die hochgiftige Chemikalie Zyanid in den Abraum ein und entzieht anschließend die förderbaren Mengen an Silber und Gold. Abschließend wird der erneute Abraum nach aktuellen Umweltauflagen endgelagert. Die Betriebsführung hat die enormen Mengen an Gestein, die bewegt werden, sehr plastisch anschaubar gemacht. Die zweite Woche der Sommerschule führte uns nach Cluj, wo wir in verschiedene Aspekte der Stadtund Regionalentwicklung sowie –planung eingeführt wurden. Anhand einer ausgiebigen Stadtführu g, die u s o de Ze tru i die Stadtteile Mă ăștur und Floresti brachte, haben wir uns einen Überblick über die Stadt verschafft. Jedes der drei Viertel steht exemplarisch für eine Epoche des Städtebaus. Bemerkenswert sind dabei die enormen Unterschiede zwischen historischer, 2 sozialistischer und moderner Bauplanung oder besser mangelnder moderner Bauplanung von öffentlicher Seite. (Freifläche in Cluj- Mă ăștur; eige e Auf ah e 4) I Rah e der Stadtführu g ha e ir Me s he o der I itiati e „La Tere uri“ getroffe , die Freiflä he i de i die Jahre geko e e Neu au iertel „Mă ăștur“ erhalte u d eugestalte wollen. Ihr Ziel ist neben dem Verhindern einer Bebauung der letzten Grünflächen am Rande des über 120.000 Einwohner zählenden Viertels auch die Stärkung des Zusammenhalts der Menschen im Viertel und deren positive Identifikation mit dem Viertel. Der Besu h i der „Fa ri a de Pe sule“, einem Ausstellungsraum und Atelier für Zeitgenössische Kunst hat einen anderen Teil von Cluj gezeigt. Die Stadt hat eine große KünstlerInnen-Szene, die sich anhand vieler Festivals, Events, Graffiti und nicht zuletzt dem ersten selbstverwaltetem Künstlerhaus Rumäniens (s.o.) zeigt. Am 9. Tag der Sommerschule hat die Gruppe das Bergbaudorf Rosia Montana besucht. Der Ort kann auf eine über 2000 jährige Bergbaugeschichte zurück blicken. Die noch vorhandenen römischen Galerien (Stollen) zählen zu den wenigen noch erhaltenen in ganz Europa. Nach dem Zusammenbruch des Ceausescu-Regimes musste der Bergbaubetrieb 2006 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden. Im Jahr 1999 hat der kanadische-rumänische Misch-Ko zer „Rosia Montana Gold Corporation“ ei e Förder ertrag für Gold u d Sil er aus der Regio u Rosia Montana mit dem rumänischen Staat gezeichnet. Die Pläne des Bergbaukonzerns beinhalten die Sprengung von vier Bergen, die Umsiedlung von 16 Gemeinden und den Einsatz von 12.000 Tonnen Zyanids pro Jahr. Gegen diesen massiven Eingriff in Landschaft, Natur und Kultur(-geschichte) hat sich, seit bekannt werden des Vertrages, massiver Wiederstand gebildet. Die Bewegung gegen den 3 Gold-Tagebau gilt als größte Umweltbewegung, die sich je im Rumänien gebildet hat und ist damit auch die größte Protestbewegung nach dem Umsturz des Ceausescu-Regimes 1990. (Blick auf Saschisz – typische Landschaft in Transsylvanien; eigene Aufnahme 2014) Im Anschluss an die Abstecher aufs Land führte uns die Exkursion nach Sibiu (Hermannstadt), wo wir uns erneut über städtebauliche Planung und Restauration diesmal im Rahmen der Ernennung Sibius zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007, informierten. Von dort aus ging es weiter nach ViskriDeutsch-Weisskirch, wo wir die Arbeit des Mihai Eminescu Trust (MET) kennen gelernt haben. Auf dem Weg haben wir noch die ADEPT – Stiftung besucht. Diese fördert den Erhalt des soziokulturellen Erbes unter Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen der Regionalentwicklung. Sowohl die ADEPTStiftung, als auch der MET zeichnen sich dabei durch eine ganzheitliche Herangehensweise aus, die sowohl die ökologische, ökonomische als auch die soziale Dimension der Projektgebiete in den Blick nimmt. Am vorletzten Tag der Exkursion haben wir Sigishoara besucht. Dort haben wir den Aktivisten Hans Hedrich getroffen, der uns Einblicke in die Verstrickung der Lokalregierungen und den mafiösen Strukturen, die sich aus den Netzwerken der Securitas hervorgegangen sind, gegeben hat. Das aktuell in Sigishoara statt findende Mittelalter-fest war auch ein gutes Beispiel, für die oft als a gespro he e „Festi alisieru g der I e städte“. Am Ende der Sommerschule sind wir erneut nach Cluj gereist. Dort haben am Samstag unsere Abschlusspräsentationen vorbereitet und gehalten. Bei einem leckeren Abendessen konnten wir uns voneinander verabschieden. 4 Fazit Den Einblick in die Landschaft und Kultur, den wir während der verschiedenen Führungen durch die Menschen vor Ort bekommen haben, war sehr beeindruckend. Ich denke, dass die Perspektive der aus der Region stammenden RednerInnen besonders wertvoll war, da die lokale Geschichte und Besonderheiten immer mitgedacht wurden. Diese lokale Perspektive habe ich bisher bei Exkursionen meiner Heimat-Universität in andere Regionen häufig vermisst. Für weite Exkursion in ein dem Studierenden fremdes Land, würde ich immer eine Sommerschule einer Universität des Gastlandes, einer Exkursion der Heimat-Universität des Studierenden vorziehen. Dies würde ich auch jeder meiner KommilitonInnen weiterempfehlen. Besonders möchte ich mich hier bei Herrn Schreiber bedanken, der trotz seines fortgeschrittenen Alters die Gruppe bei der Exkursion begleitet hat. Sein umfangreiches Allgemeinwissen, das er gerne Preis gegeben hat, ar für i h, ie ei e e s hli hes „Audio-Lexiko “, as zu jede Phä o e i der Landschaft oder in der Kultur einen Beitrag parat hatte. Zu diesem Allgemeinwissen konnte Xenia Havadi durch Einblicke in neuere gesellschaftliche Entwicklungen und Beiträgen aus der aktuellen Regionalforschung passend ergänzen. Die unterschiedlichen Hintergründe und Erfahrungen der TeilnehmerInnen haben die Exkursion an manchen Stellen noch mit aktuellen Theorien (z.B. zur Entwicklung der Post-sozialistischen Stadt) abgerundet. (Blick auf Sibiu; eigene Aufnahme 2014) Mein Interesse für Transsylvanien wurde durch die Exkursion weiter verstärkt und ich werde hoffentlich die Gelegenheit nutzen, mich noch einmal länger die Region zu studieren. 5 Xénia Havadi Die Sommerschule entfaltete sich zu einer lehrreichen Veranstaltung für alle Teilnehmer und Mitwirkenden. Zielsetzung kann als erfüllt betrachtet werden: den Teilnehmern wurden Einblicke in eine eher unbekannte Region gewährt, ihre Vielseitigkeit vermittelt und Interesse für die Vertiefung des Kennenlernten erweckt. Besten Dank für die aktive und interessierte Beteiligung der Studenten und für die Unterstützung der Fachleute und Mitwirkenden. Nicht zuletzt ein Danke schön selbstverständlich auch an den DAAD für die Unterstützung der Sommerschule. Über den Sinn einer Sommerschule im Ausland Sommerschulen im Ausland sind eine wertvolle Studienergänzung. Sie haben, erstens, ein Thema, in unserem Fall „Von der Puszta in die Karpaten – Kulturlandschaften im Umbruch. Herausforderungen und Ansätze nachhaltiger Raumplanung in Südosteuropa“ und lassen, zweitens, Länder erleben, die man nur aus der Literatur kaum richtig erfassen kann. Gerade in ehemaligen Ostblockstaaten bleiben dem Mitteleuropäer viele Entscheidungen, auch solche auf dem Gebiet der Raumplanung und -nutzung, unverständlich, weil sie auf politischen, historischen, ethnischen oder konfessionellen Hintergründen fußen, die im Mitteleuropa eine andere Bedeutung oder Wirkung hätten. Aus diesem Grund wurden in unserer Sommerschule, in Rumänien, besonders die von reformierten Ungaren und evangelischen Sachsen gestaltete Räume Siebenbürgens (Transsilvaniens) besucht und analysiert. Wenn sich auch die ethnischen Verhältnisse, besonders nach der Wende, stark verändert haben, so bleibt die historische Kulturlandschaft doch noch für Jahrzehnte oder Jahrhunderte aufschlussreich bezüglich der ehemals bestehenden charakteristischen Planungs- und Nutzungsmuster. Die Sommerschule in Ungarn und Rumänien hat den Studierenden nicht nur zahlreiche Schönheiten der Länder gezeigt, sondern ihnen auch Erfolge und Schwierigkeiten in der Raumplanung, sowohl im ländlichen als auch im städtischen Umfeld gezeigt. Dabei hatte die auf Exkursionen fußende Schule interdisziplinären Charakter und vermittelte (Er)Kenntnisse aus den Bereichen Geographie, Geschichte, Soziologie, Urbanistik, Ethnographie, Wirtschaft u.a. Die zahlreichen Gespräche mit Fachleuten verschiedenster Ausrichtung sicherten eine enge Beziehung zwischen Theorie und Praxis. Die finanzielle Unterstützung durch den DAAD war bei unserer Sommerschule von größter Bedeutung, da im Allgemeinen die Möglichkeiten der jungen Generation noch beschränkt sind. Gleichzeitig war auch die Teilnahme von Studierenden von verschiedenen deutschen Universitäten und von verschiedenen Fachausrichtungen günstig, besonders auch in der Teambildung und die Knüpfung von Freundschaften, die die Jahre überdauern werden. Wir danken dem DAAD auch für die Auswahl von interessierten und gut vorbereiteten Studenten. Dr. Wilfried Schreiber Hauptforscher an der Rumänischen Akademie der Wissenschaften Ehem. Lehrstuhlinhaber für Regionale Geographie an der Babes-Bolyai.-Universität Cluj/Klausenburg Standorte und Themen...eine Auswahl Unterwegs auf dem Theiß-See, Ungarn Vortrag von einer Biokomposttoilette in Gömörszőlős, Ungarn Industrielle Altlasten in Baia Mare, Rumánien Umstrittene Bergbauprojekte, Roşia Montană, Rumänien Einer der über 200 siebenbürgischen Kirchenburgen, Viscri (Deutsch Weißkirch), Rumänien Aufschlußreiches Gespräch mit der ADEPT-Stiftung, Saschiz (Keisd), Rumänien Stadtführung mit Herrn Professor Schreiber, Sibiu (Hermannstadt), Rumänien Restaurierung siebenbürger-sächsischer Häuser; der Ziegelbrenner von Viscri, Rumänien