Mich juckts nicht
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Mich juckts nicht
arsenicum allerdings stark. In Zürich sind Läuse ein Tabu. Die Parasiten verstecken sich auf der Website: Mühsam klickt man sich an Lebenslauf und Foto des Gesundheitsdirektors vorbei, durch den Stadtärztlichen Dienst, der nur auf Alte eingestellt ist, via Kantonsärztlichen Dienst übers «Volkschulamt» zu einem Mich juckts nicht E 886 inen gewissen Abstand muss der Hausarzt schmucklosen Läuseblatt für Eltern, über das die haben. Vor allem dann, wenn Patienten mit Verantwortlichen noch mal die Köpfe zusammenste- Läusen kommen, was sie momentan gehäuft tun. cken sollten. Eines ist für die Behörde: Laut § 29 Wir haben die Stühle im Wartezimmer auseinander- Abs. 2 lit a VSV können Kinder vom Schulbesuch gestellt, und wer sich kratzt, kommt sofort ins Mehr- dispensiert werden, «wenn die Läusebehandlung zweck-Räumli. Es könnten ihm ja Pediculi humanis von den Eltern trotz wiederholter Aufforderung nicht capitis zu Kopfe gestiegen sein. Echt lausig ists ennet sachgemäss durchgeführt wird». Macht die Kopflaus der Grenze. Das will uns zumindest Dr. August kopflos? Basel-Stadt hingegen hat einen amüsanten Wolff, die Herstellerfirma des Dimeticon-haltigen Flyer sowie eine ausführliche Publikation mit dem Etopril, glauben machen. Geben Deutsche im Inter- beissenden Titel «Ruhig Blut – die Läuse sind da». Ei net in den «Läuseatlas» die Postleitzahl ihres Wohn- der Laus, wenn das nicht kopflastig ist ... Liest man ortes ein, wird ihr regionales Läuserisiko gezeigt. das Merkblatt – in Albanisch, Südslawisch, Deutsch, Während es im Nordwesten Deutschlands vor Kopf- Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, lausbefallenen nur so wimmelt, bewahren die An- Russisch, Spanisch, Tamil und Türkisch –, dann sei rainer der Schweiz in Konstanz, Gottmadingen und man «den Läusen 10 Nasenlängen voraus». Um Lörrach einen ruhigen Kopf. Jedoch unser Städtchen Laus- oder um Menschennasenlängen? Die Bebbis hier, das mit seinen «bedeutenden Köpfen» wirbt, empfehlen, sich dem Umfeld zuliebe als Luus-Cheib scheint damit auch Nissen und Läuse anzuziehen. zu outen. Nur ein Fasnachtsscherz oder Ausdruck Ständig stürmen Eltern in meine Praxis, empört da- von Transparenz und Toleranz? An die Solidarität rüber, dass nun schon wieder ein sich nicht zu er- appelliert auch der Fasnachtskanton Luzern, in dem kennen gebendes verlaustes Kind in der Klasse ist ein Veterinär der Gesundheit und dem Sozialem vor- und die Behörden nicht einschreiten. Aus die Laus!, steht und die drei Merkblätter – zwei für Lehrer und fordern sie lausstark- – äh – lautstark. Werfen mir Betreuer, eins für Eltern in zehn Sprachen – vorbild- an den Kopf, dass man diese Lausbuben und Luus- lich sind. meiteli beim Namen nennen müsse. Und kahl rasie- Doch trotz der Bemühungen aller Kopf-Jäger: Diese ren. Ihnen notfalls unter Androhung von Busse oder Tierchen lassen sich nicht ausrotten. Sie werden pes- Gefängnis die guten alten Hausmittel wie Petroleum, tizidresistent, widerstehen kiloschweren Druckbelas- Alkohol und Silikon ins Haar schmieren und Kap- tungen, sodass man sie kaum zerquetschen kann. penzwang verhängen müsse. Doch stattdessen wür- Sie bleiben uns treu, seit 5,5 Millionen Jahren, saugen den nur Merkblätter an alle verteilt. Auf denen nur bei uns und passen sogar ihre Panzerfarbe an stünde, dass alle Eltern ihrem Kind den Schopf kon- die Haarfarbe «ihres» Menschen an. Obwohl sie – trollieren müssten! Dabei sei der doch stets frisch ge- anders als Flöhe – nicht springen können, sondern waschen. «Was höchstens zu saubereren Läusen nur mühsam krabbeln, verbreiten sie sich in Windes- führt», murmelt der Hausarzt und versucht, elter- eile weltweit. Ja, wenn Menschen sich sehr nahe lichen Fantasien vom Teeren und Federn entgegen- kommen, profitieren davon auch Parasiten. Nun, so- zutreten und den Erziehungsberechtigten den Schutz lange mir keine Laus über die Leber läuft, kratzt der Privatsphäre in den Kopf zu setzen. Die Kopf- mich das alles nicht. haut, so predigt er den alternativ Behandelnden, ist kein Hort der Erlebnisgastronomie: Olivenöl, Essig, Mayonnaise oder flüssige Butter gehören nicht ins Haar. «Und waschen Sie dem Kantonsarzt nicht den Kopf», brummelt er beruhigend und streicht sich über die Kopfhaut, die plötzlich pruriginös wird. «Er meint es nur gut mit den Merkblättern ...» Deren Qualität unterscheidet sich von Kanton zu Kanton ARS MEDICI 20 ■ 2008