thomas Gräßle Friederike Ott Suse Wächter tine

Transcrição

thomas Gräßle Friederike Ott Suse Wächter tine
Ein namenlos bleibender Ich-Erzähler kommt, gerufen
durch den eindringlich flehenden Brief seines Jugendfreundes Roderick Usher, zu dessen gespenstischem,
sich aus einem schwarzen
sumpfigen Teich
erhebenden Anwesen, dem Hause
Usher. Der Hausherr hat sich stark verändert, ist
nervlich angespannt, überreizt und hypersensibel,
nur einige besondere Töne von Saiteninstrumenten
erfüllen ihn nicht mit Entsetzen. Als letzter Abkömmling
eines alten Adelsgeschlechts sieht er seinem Ende
entgegen. Seine scheinbar schwindsüchtige, an kataleptischen Anfällen leidende Schwester Madeline
taucht kurz auf, um einige Zeit später für tot erklärt
und hinter dicken Eisentüren in
der Familiengruft, einem ehemaligen
Burgverlies, begraben zu werden.
Schlaflosigkeit, Grauen und nervliche
Angegriffenheit
steigern sich bis hin zu einer Sturmnacht einige Tage später, in der die Ablenkung durch gemeinsame Lektüre nicht
mehr hilft:
Die unheimlichen Geräusche im Haus nehmen zu und Roderick gesteht, seine Schwester lebendig begraben
zu haben,
seit Tagen schon ihre Geräusche
und Befreiungsversuche zu vernehmen. Plötzlich taucht Lady Madeline blutüberströmt in der Tür auf, fällt ihrem Bruder sterbend
in die Arme und reißt den Geschockten mit
in den
Tod. Der Ich-Erzähler flieht
und
sieht
das Haus auseinanderbrechen
und im sumpfigen, schwarzen Teich
versinken.
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ZUR PERSON (Mein Name ist Poe)
Edgar Allan Poe (1809-1849) schrieb für Zeitungen, arbeitete als Kompilator und Übersetzer,
verfasste Artikel, Rezensionen und Erzählungen. Seine berühmteste Kurzgeschichte „The Fall
of the House of Usher“ erschien 1839 im „Burton’s Gentleman‘s Magazine“ und 1840 überarbeitet
in der Sammlung „Tales of the Grotesque and Arabesque“. Sie birgt Motive, die sich durch
Poes
gesamtes Œuvre ziehen, in seinem Zentrum steht: der Tod.
„Der Tod als Thema ist an sich nicht originell, er ereilt jeden. Man
muss
also
durch andere Mittel, durch Eigentümlichkeiten der Handlung oder des
Tons, eine
entsprechende Wirkung zu erzeugen suchen.
Als Dichter habe ich die Anforderung der
Originalität vor Augen.“ (E. A. Poe)
Poe war bemüht, den Tod originell in
Szene zu
setzen: Ein personifizierter roter Tod
rafft eine tanzende Ballgesellschaft dahin; Menschen werden lebendig begraben; eine Leiche bäumt sich
auf und identifiziert ihren Mörder; ein entlaufener Orang-Utan tötet und verstümmelt gleichsam versehentlich zwei Frauen; das Herz eines Ermordeten pocht so laut, dass sich der seiner Sache sichere
Täter doch noch verrät … Dieses Bild von Poe als Raben-Vater gruslig-grausiger Kriminal- und Horrorliteratur trügt insofern, als der Tod in Poes Leben und Werk beileibe nicht nur mit Schock und Schrecken
einhergeht, sondern vor allem mit Schwermut, Melancholie und tiefer Trauer. In seiner „Philosophie
des dichterischen Schaffens“, in der er sein erfolgreichstes Gedicht „Der Rabe“ analysiert, fragt er:
„‚Was ist von allen wehmutvollen Gegenständen, nach der allgemeinen Ansicht der Menschen, der wehmutvollste?‘ – ‚Der Tod,‘ lautete selbstverständlich die Antwort. ‚Und wann,‘ fragte ich,
‚ist dieser
wehmutvollste aller Gegenstände am poetischsten?‘ Nach dem vorhin schon ausführlicher
Entwickelten verstand sich hier die Antwort gleichfalls von selbst: – ‚Wenn er am
nächsten mit
der Schönheit in Verbindung steht; der Tod eines schönen Weibes ist unzweifelhaft der poetischste
Gegenstand von der Welt – und eben so sehr steht es außer Zweifel, dass die Lippen eines Geliebten,
der sie verloren, sich vor allen andern für solch einen Gegenstand eignen.‘“ (E. A. Poe)
Edgar Allan Poe weiß, wovon er schreibt. Mit knapp vier Jahren verliert er seine Mutter, eine Schauspielerin. Schwindsucht. Von einer wohlhabenden Familie adoptiert, als junger Mann vom Stiefvater
aber zurückgewiesen, bettelt er in pathetischen Briefen um Geld, Anerkennung, Verständnis. Mit
27 Jahren heiratet er seine nur dreizehnjährige Cousine Virginia. Bei ihr und ihrer Mutter, Maria
Clemm, verspürt er ein Gefühl von Geborgenheit – in allerdings prekären Umständen. Virginia
erleidet beim Singen einen Blutsturz, hat Tuberkulose und stirbt im Alter von nur 24 Jahren. Poe selbst,
der arme Poet, ist gerade einmal 40, als er unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt.
„Das Leben Edgar Poes ist eine klägliche Tragödie, und das Schreckliche ihres Ausgangs wird
durch das Triviale noch gesteigert.“ (Charles Baudelaire).
ZUR performance (Mein Name ist Wächter)
Die Berliner Puppenspielerin und Regisseurin Suse Wächter verwebt in ihrer Inszenierung die Geschichte und Figurenkonstellation aus dem Hause Usher mit Motiven aus Poes Leben und Werk: „Die Glocken“
läuten zum Begräbnis, „Der Rabe“ ruft sein „Nevermore“ und „Der Eroberer Wurm“ wartet auf Nachschub, derweil die Herren das „Gespräch mit einer Mumie“ pflegen und über Komposition und Inneneinrichtung philosophieren. Lady Madeline wird „Lebendig begraben“ – aber womöglich ist bereits das
Leben im traditionsreichen Anwesen, das Festhalten an überkommenen Werten, das Korsett der Frau,
das Erdrücktsein von der Vergangenheit eine Art Lebendigbegrabensein ...
Die Geister der Geschichte bitten zum Totentanz mit Puppe, und Künstler, die unser Bild von Poe beeinflusst haben, bekommen eine Stimme: Claude Debussy präsentiert seine unvollendete Oper „La chute
de la maison Usher“ und Hollywood-Regisseur Roger Corman spricht über seine B-Movies. Am entscheidendsten für Poes Rezeption und Ruhm war sicherlich Charles Baudelaire, glühender Verehrer, Übersetzer und Kommentator von Poes Werken. Er durchleuchtete
ihn, mitleidsvoll, bis auf die Knochen:
„Das grausame Schicksal hatte
Poe die klassische Physiognomie des hungerleidenden Poeten verliehen. Schon als
junger Mann war er von Entbehrungen abgemagert – zum
Skelett.“(Charles Baudelaire)
ER
stall
Thomas Gräßle
Friederike Ott
Roderick Usher
Madeline Usher
Tänzer
Martin Bayer, Raul Dinescu-Broos,
Andreas Ebert, Giuseppe Fiore,
Markus Gruber, Steffen Hofmann,
Lukas Hugo
Puppenanimation
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ZUM PLOT (Mein Name ist Usher)
Suse Wächter +
Tine Hagemann
der untergang des
hauses usher
nach Motiven von Edgar allan poe
Regie + Puppen
Bühne + Licht
Kostüme
Musik
Video
Dramaturgie
Suse wächter
Martin miotk
Andy besuch
jan faszbender
Timothee ingen-housz
stefan bläske
Regieassistenz Martina Gredler
Bühnenbildassistenz Bärbel Kober
Kostümassistenz Marina Felix
Regiehospitanz Johanna Hensing
BühnenbildPraktikum Lena Burger
Kostümhospitanz Hanna Rode
Inspizienz Emilia Holzer, Wolfgang Strauß
InspizienzSoufflage
Emilia Holzer,
Thomas
Wolfgang
Rathmann
Strauß
Soufflage Thomas Rathmann
Bühnenmeister Klaus Kreitmayr, Alexander Al Akkam
BELEUCHTUNGSMEISTER Martin Feichtner
Stellwerk Oliver Gnaiger
Videotechnik Susanne Wiedner
TON David Jäkel
Requisite Barbara Hecht, Maximilian Keller, Anna Wiesler
Maske Greta Bastir, Babett Wagner
Garderobe Jacqueline Bühler, Julia Stegmair
LEITUNG STATISTERIE Hanna-Sophie Welker
RESIDENZTHEATER Spielzeit 2012/2013 Musiknachweis Komposition von Jan Faszbender sowie folgende Musik:
Claude Debussy: La chute de la maison Usher / Bob Dylan: Death is not the end / Michael Jackson: Thriller / John Lennon: Mother / Rolling Stones: Lady Jane
Textnachweis Die Inszenierung nutzt Auszüge aus Poes Texten nach Übersetzungen von Theodor Etzel und eigenen: Der Eroberer Wurm, Der Untergang des Hauses Usher,
Lebendig begraben, Der Rabe, Die Philosophie der Wohnungseinrichtung, Gespräch mit einer Mumie, Die Glocken, Die Methode der Komposition,
sowie Selbstzeugnisse und Briefe Poes. Außerdem: Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/Briefe. Vom Sozialismus zum Supranaturalismus.
Edgar Allan Poe (Hg. v. Friedhelm Kemp und Claude Pichois), München (Carl Hanser Verlag) 1983 / Marcel Proust: À la recherche du temps perdu. Le temps retrouvé. 1927
Roger Corman im Gespräch: „Hau ab, so schnell du kannst!“ DIE ZEIT 31.12.2008, S. 43 REDAKTION Stefan Bläske FOTOS Thomas Dashuber, Matthias Horn
GESTALTUNG Herburg Weiland, München DRUCKEREI Weber Offset HERAUSGEBER Bayerisches Staatsschauspiel Max-Joseph-Platz 1, 80539 München
INTENDANT Martin Kušej GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR Holger von Berg TECHNISCHER DIREKTOR Thomas Bautenbacher KOSTÜMDIREKTORIN Elisabeth Rauner
KÜNSTLERISCHER DIREKTOR Roland Spohr CHEFDRAMATURG Sebastian Huber PRESSE- U. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Sabine Rüter TECHNIK Klaus Hammer, Natascha Nouak WERKSTÄTTEN
Michael Brousek AUSSTATTUNG Anneliese Neudecker BELEUCHTUNG/VIDEO Tobias Löffler TON Michael Gottfried REQUISITE Dirk Meisterjahn PRODUKTIONSLEITUNG KOSTÜM Enke Burghardt
DAMENSCHNEIDEREI Gabriele Behne, Petra Noack HERRENSCHNEIDEREI Carsten Zeitler, Aaron Schilling MASKE Andreas Mouth GARDEROBE Cornelia Faltenbacher SCHREINEREI Stefan Baumgartner
SCHLOSSEREI Ferdinand Kout MALERSAAL Achim Paggen TAPEZIERWERKSTATT Peter Sowada HYDRAULIK Karl Daiberl GALERIE Christian Unger TRANSPORT Harald Pfähler BÜHNENREINIGUNG Adriana Elia
Der Untergang des
hauses usher
Kein Mensch hat
sich je in so kurzer Zeit
so schrecklich
ver ändert wie ich
mar
stall