Die Welt wohnt beim SBV

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Die Welt wohnt beim SBV
SBV-BOTE 117
Juni 2009
Liebe Mitglieder, liebe Mieterinnen und Mieter!
in diesem Jahr feiern wir gemeinsam das 60-jährige Bestehen unserer Genossenschaft und blicken dabei
zurück auf eine bewegte Vergangenheit.
Die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges haben ab 1945
mehr als 35.000 Flüchtlinge aus dem Osten nach Flensburg
gebracht. Es herrschte akuter Wohnraummangel. Teilweise
mussten sich bis zu sechs Menschen in einem 15-m²Zimmer arrangieren. Diese Umstände sorgten dafür, dass
sich im Juli 1949 engagierte „Neu-Flensburger“ unter der
Leitung von Willi Sander zusammenschlossen und den
Selbsthilfe-Bauverein gründeten. Der Zusammenschluss zu
einer starken Gemeinschaft half den einzelnen Mitgliedern,
ihr Ziel zu erreichen, eine eigene Wohnung zu beziehen.
In den letzten sechzig Jahren hat sich viel verändert und
jedes Jahrzehnt hatte seine besondere Bedeutung. Eine Vielzahl von Menschen hat in dieser Zeit die Entwicklung des SBV hautnah
miterlebt und geprägt. Mitglieder und Mieter, Vertreter, Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder unserer Genossenschaft erzählen in
dieser Jubiläums-Ausgabe des Boten über ihr Leben im SBV.
Bei allen Veränderungen innerhalb der letzten sechzig Jahre ist unser Satzungsauftrag geblieben, die Mitglieder mit angemessenem
Wohnraum zu versorgen. Wir passen uns deshalb laufend den sich ändernden Wohnbedürfnissen an und sorgen auch in Zukunft
dafür, dass alle Wohnungen den modernsten Standards entsprechen.
Natürlich sind uns nicht nur die Wohnungsstandards wichtig. Uns liegen insbesondere auch das Wohl unserer Mitglieder und ein
gutes Zusammenleben in der Gemeinschaft am Herzen. Ein Grund mehr, in diesem Jahr ausgiebig zu feiern. Mit insgesamt sechs
Festen begehen wir gemeinsam mit Ihnen den 725. Geburtstag der Stadt und den 60. Geburtstag des SBV und schaffen uns so eine
Möglichkeit zusammenzukommen und Gemeinschaft zu leben.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen unserer Sonder-Ausgabe des SBV-Boten anlässlich unseres sechzigsten Geburtstags.
Ihr
Raimund Dankowski
Dirk Göttsche
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I N H A L T
Vorwort des Vorstandes............................................................................................................................................................ 3
Inhalt/Impressum ..................................................................................................................................................................... 4
Vorwort des Aufsichtsrates ....................................................................................................................................................... 7
„Zuerst kommt der Mensch, dann das Geschäftsergebnis“............................................................................................................. 8
Sechs Jahrzehnte SBV ............................................................................................................................................................ 10
SBV-Stiftung Helmut Schumann ................................................................................................................................................ 21
Über diese Menschen spricht man: Prominente beim SBV............................................................................................................ 22
Die Welt wohnt beim SBV........................................................................................................................................................ 24
I M P R E S S U M
Der SBV-Bote ist das Magazin des Selbsthilfe-Bauvereins Flensburg. Er erscheint dreimal jährlich in einer Auflage von 9.000 Stück.
Herausgeber: Selbsthilfe-Bauverein eG · Mürwiker Str. 26 · 24943 Flensburg · Tel. 0461/315 60-0 · www.sbv-flensburg.de
Redaktion: SBV Flensburg · Layout & Satz: The Dude · Titelbild: Lichtbildnerei · C. Schellhaus
Druck: Druckzentrum Harry Jung GmbH & Co. KG · Flensburg
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Mit einem Wohn-Wohlgefühl in das 7. Jahrzehnt
Schritten die verantwortungsvolle
Tätigkeit des Aufsichtsrates mit seinen Vorsitzenden dar:
1949
Die Wahl des ersten Vorsitzenden
Paul Schröter (1949 - 1950) hat
Emil Lucas miterlebt, das letzte noch
lebende Gründungsmitglied. Eine rege
Bautätigkeit begann. Durch starke Willenskraft entwickelte sich in
Flensburg ein neuer Stadtteil.
Aufsichtsratsvorsitzender Peer Oberg
Bekanntlich ist die Betrachtung eines
Rückblickes realistischer und einfacher
darzustellen, als sechzig vor einem liegende Jahre.
Die Gründung unserer Genossenschaft
1949 war aus heutiger Sicht der einzig
richtige Schritt: Menschen, die durch
den Krieg ihre Heimat verloren hatten,
suchten ein neues Zuhause. Das zu verdrängende Schicksal förderte schnell
den genossenschaftlichen Gedanken.
Eine lange Tradition, Erfahrungswerte
und Vorbilder von Genossenschaften
wiesen den Gründungsmitgliedern den
Weg. Trotzdem war die Gründung des
SBV, wie sagt man so schön, ein innovativer, mutiger Schritt.
Das Geschäftsjahr wurde damals
wie heute von den durch die
Vertreterversammlung
bestimmten Aufsichtsratsmitgliedern begleitet. Und so stellt sich in 10-Jahres-
1959
Emil Lucas (1952 - 1959) hatte 1959
dieses Amt inne. Er übernahm es
nach kurzer Zeit von seinem Kollegen,
Herbert Wesseley, (1950 - 1952) im
Jahre 1952.
1969
Anlässlich des 20-jährigen Bestehens
des SBV begrüßte Dr. Ernst Kämpfe
(1959 - 1964) den damaligen
Bundesbauminister Dr. Lauritzen.
Vorgänger des Aufsichtsratsvorsitzenden war Dr. Martin Kob, der das Amt
von 1964 - 1967 bekleidete.
1979
Dem Vorsitzenden Fritz Feiertag
(1972 - 1979) folgte im neuen
Jahrzehnt der Sozialdezernent der
Stadt Flensburg, Klaus Bartnitzke
(1979 - 1992), der auch langjährig nebenamtliches Vorstandsmitglied
war. Zu dieser Zeit wurden keinerlei
Beschlüsse größerer Art gefasst, da
u.a. die Bautätigkeit gering war.
1989
Der Schulmeister und frühere
Stadtpräsident, Artur Thomsen
(1982 - 1995), leitete die Vertreter-
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versammlung. An die einmalige Redekunst und geschliffene
Rhetorik werden sich noch viele
erinnern. Die Aufhebung des Gemeinnützigkeitsgesetzes wurde verkündet und Deutschland feierte die
Wiedervereinigung.
1999
Artur Thomsens Nachfolger war Klaus
Hartwig (1996 - 2008), der auf die ihm
eigene Art der Vertreterversammlung
die Beschlussempfehlungen vorlas. In
seine Amtszeit fielen Kauf und Verkauf
der Wohnungsbaugesellschaft A GmbH
in Büdelsdorf sowie der Ankauf der
WoBau Flensburg.
2009
Noch ist es warm, das Geschäftsjahr
2008, aus dem der Aufsichtsrat der
Vertreterversammlung im Jahr des
60. Geburtstages die erforderlichen
Beschlüsse empfehlen muss. Es sind
vornehmlich die Genehmigung der
Berichte von Aufsichtsrat und Vorstand
und des Jahresabschlusses sowie der
Vorschlag zur Gewinnverwendung, mit
einer seit Jahren üblichen 4%igen
Dividende. Die Entlastung von
Aufsichtsrat und Vorstand schließt
den Reigen der Regularien, die laut
Satzung vorgegeben sind.
Die Mitverantwortung wird sich
fortsetzen. Große Projekte, wie der
Bau von Servicehäusern und die
Veränderung von „Fruerlund“, werden
vom Aufsichtsrat begleitet. Das trägt
auch in Zukunft zu einem sicheren
Zuhause für unsere Mitglieder bei.
Peer Oberg
Aufsichtsratsvorsitzender
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„Zuerst kommt der Mensch, dann das
Geschäftsergebnis“
Anlässlich unseres 60. Geburtstags blickt Raimund Dankowski zurück auf neun erfolgreiche Jahre als Vorsitzender unserer
Genossenschaft.
Vorstandsvorsitzender Raimund Dankowski
In seiner sechzigjährigen Geschichte
hat der SBV viel erlebt – und sein
Gesicht hat sich im Laufe der Zeit
immer wieder verändert. Von einer
kleinen Genossenschaft, deren
Mitglieder das vordringliche Ziel hatten zu bauen und sich eine neue
Heimat zu erschaffen, wurde der
Bauverein unter Helmut Schumann zu
einem Wirtschaftsunternehmen mit
sozialer Ausrichtung. Die Mitarbeiter
kümmerten sich nicht nur um die
Wohnungsvermietung. Sie engagierten sich auch persönlich für die
Mitglieder, für Senioren, Familien,
für funktionierende Nachbarschaften.
Dabei gingen sie zugleich mit der
Zeit: moderne Büroorganisation, vernetzte Zusammenarbeit und der Blick
über rein wohnungswirtschaftliche
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Fragen hinaus in die Region prägten
die Arbeit.
Als „hochattraktive Genossenschaft“
lernte der Unternehmensberater
Raimund Dankowski die SBV Flensburg
eG in den 90er Jahren kennen. Kurze
Zeit später, Dankowski war inzwischen selbst in der Geschäftsführung
einer Kieler Wohnungsbaugesell-
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schaft, machte ihm Helmut Schumann
ein Angebot mit Folgen: „Willst Du
Dich nicht in Flensburg um meine
Nachfolge bewerben?“ „Das war für
mich so spannend, dass ich mich
nach kurzer Bedenkzeit und einigen
Gesprächsrunden mit dem SBVAufsichtsrat entschied, den Posten
in Kiel aufzugeben.“ Eine sehr gute
Entscheidung sei das gewesen, sagt
der Betriebswirt heute.
Mit dem Jahrtausendwechsel kam
also auch der Wechsel an der SBVSpitze und Raimund Dankowski führte das Unternehmen in der geübten
genossenschaftlichen Tradition fort:
„Zuerst kommt der Mensch, dann das
Geschäftsergebnis“, sagte er am Tag
seiner Amtseinführung. Dass ein solcher Idealismus, gepaart mit wirtschaftlicher Kompetenz zu viel beachteten Unternehmenserfolgen führen
kann, zeigte sich kurz darauf. Mit dem
„Servicehaus Sandberg“ stieß der SBV
in mehrfacher Hinsicht ein besonderes
und besonders erfolgreiches Projekt
an. Das Millionenvorhaben wurde
gemeinsam mit dem Flensburger
Arbeiter-Bauverein (FAB) und der
Arbeiterwohlfahrt (AWO) verwirklicht. Alle drei Unternehmen stellten
Eigeninteressen hinten an und zogen
an einem Strang, um ein Novum nach
Flensburg zu bringen: Das lebenslange
Wohnen in der eigenen Wohnung –
selbst bei höchster Pflegebedürftigkeit.
Als Modellprojekt des Landes erfuhr
das Servicehaus viel Aufmerksamkeit
und sorgte für regelmäßige Besuche
verschiedener Landespolitiker.
Vom Servicehauskonzept überzeugt
zeigte sich auch jemand anderes: die
Stadt Flensburg und insbesondere die
kommunale Wohnungsbaugesellschaft
WoBau. Ihr Chef Dirk Göttsche und
Raimund Dankowski waren sich einig,
dass der gemeinsame Bau eines zweiten Servicehauses ein ideales Projekt
zur Bebauung des ehemaligen PHGeländes sei. So entstand – wiederum landesweit viel beachtet und
wiederum in Zusammenarbeit mit der
AWO – das „Servicehaus Fruerlund“;
ein Kooperationsprojekt mit langfristigen Folgen. Die harmonische
Zusammenarbeit zwischen WoBau und
SBV mündete in ein mutiges Projekt.
Beide Unternehmen machten sich auf
den „Flensburger Weg“, der zu einer
in dieser Größenordnung bundesweit
einmaligen Privatisierung der kommunalen Flensburger Wohnungsbestände
führte: Die SBV Flensburg eG kaufte
die WoBau und beide Unternehmen
verschmolzen zu einer neuen
Genossenschaft – dem großen SBV,
so wie er heute besteht, mit flensburgweit ca. 7.100 Wohnungen, rund
5.500 Mitgliedern und knapp 90
Mitarbeitern.
Auch in diesem Zusammenhang
bewahrten die Unternehmensverantwortlichen – Raimund Dankowski und
Dirk Göttsche – ihre sozialen Ideale.
Auf beiden Seiten musste kein Kollege
gehen. Heute führen sie zusammen
als Vorstände die Genossenschaft,
den größten Wohnungsanbieter in
Flensburg.
Mit großen, mutigen Projekten hat
Raimund Dankowski dem SBV in den
vergangenen neun Jahren sein eigenes, markantes Profil gegeben. Dabei
ist er seinen Worten am Tage der
Amtseinführung treu geblieben. „Der
Mensch steht im Mittelpunkt. Erst
dann kommt das Geschäftsergebnis.“
Allerdings können sich die Bilanzen
bei allem sozialen Engagement sehen
lassen: Das Jahr 2007 schloss der
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SBV mit dem besten jemals erzielten
Ergebnis ab. Große Erfolge, die der SBVVorstandsvorsitzende aber nicht allein
für sich verbuchen will. „Erfolgreich
ist man immer nur im Team“, sagt
er mit Blick auf die Mitarbeiter und
auf die guten Vernetzungen zwischen
Genossenschaft, Politik, Handwerk,
Dienstleistern, Kreditinstituten und
nicht zuletzt der Wohnungswirtschaft.
„Der SBV erfährt viel Unterstützung.
Unsere Ideen können wir umsetzen,
weil der Draht zwischen den verschiedenen Akteuren, die man dafür
braucht, in Flensburg besonders gut
ist.“ Das sei im Land übrigens ein
inzwischen viel beachtetes Phänomen.
Gute Voraussetzungen also, um mit
Kooperationswillen und zielorientiertem Handeln das nächste Großprojekt
umzusetzen: Bis ins Jahr 2014 wird
der Stadtteil Fruerlund, die Keimzelle
der Genossenschaft, unter dem Motto
„Wohnen für Generationen“ ein völlig
neues, modernes Gesicht erhalten.
Angestoßen hat das Projekt – wen
wundert‘s – Raimund Dankowski. Dass
daneben auf dem Friesischen Berg ein
weiteres Servicehaus entsteht, und
dass auch dieses Haus wieder ein
Projekt von SBV und AWO ist, ist beinahe schon eine Selbstverständlichkeit
im Genossenschaftsalltag.
Welche Ziele hat der Vorstandsvorsitzende noch für die Zukunft?
„Ich wünsche mir, dass wir unseren
SBV in guter genossenschaftlicher
Tradition weiterführen“, sagt er. „Dass
in Fruerlund ein toller, neuer Stadtteil
entsteht und dass wir auch stadtweit
dazu beitragen können, das Leben
lebenswert zu erhalten – mit unserem
Engagement im Klimapakt etwa oder
kulturellen und sozialen Projekten, die
allen Flensburgern zugute kommen.“
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Sechs Jahrzehnte SBV
In 60 Jahren Selbsthilfe-Bauverein haben viele Menschen in unserer Genossenschaft ein Zuhause gefunden und alle haben
ihre ganz eigene Geschichte. Hier erzählen wir die Geschichten von fünf Mitgliedern, die dem SBV im Abstand von je zehn
Jahren beigetreten sind.
1949 – Gründungsversammlung am 21. Juli
Emil Lucas: Gründungsmitglied des SBV
Als Emil Lucas 1948 aus britischer
Kriegsgefangenschaft nach Flensburg
kam, lebten er und seine Frau Ruth,
die 1945 aus Pommern geflohen war,
zur Untermiete in der Jürgensgaarder
Straße. Wie viele Neu-Flensburger,
beschäftigte auch Familie Lucas
besonders ein Thema: „Wie und wann
bekommen wir endlich eine eigene
Wohnung?“
Schließlich machte im Juli 1949 auf dem
Finanzamt Flensburg, der Dienststelle
von Emil Lucas, das Gerücht die
Runde, es gäbe da jemanden, der eine
Wohnungsbaugenossenschaft gründen
wollte. Am 21. Juli sollte es soweit
sein. „Ein schöner Sommertag war
es“, erinnert sich Emil Lucas, an dem
er nach Absprache mit seiner Frau in
den Saal Sanssouci ging, um an der angekündigten Gründungsversammlung
Eintrittsbescheinigung in die Genossenschaft von 1950
teilzunehmen. Besonders vorbereitet
war er nicht und er wusste nur wenig
über Wohnungsbaugenossenschaften.
Was er gehört hatte war, dass offensichtlich nur Heimatvertriebene angesprochen waren: Vielleicht war das
ja die Möglichkeit, die Erfüllung ihres
Wohnungswunsches zu beschleunigen.
Der Saal war gut gefüllt, aber wie
viele Menschen tatsächlich anwesend
waren, daran kann sich Emil Lucas
heute nicht mehr erinnern. Es mochten 50 oder 100 Personen gewesen
sein, die gebannt den Ausführungen
des Mannes folgten, der im Stile eines
Alleinunterhalters die Versammlung
leitete und jeder Frage Rede und
Antwort stand. Willi Sander, so hieß
der Mann, informierte über die rechtlichen Grundlagen zur Gründung einer
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Wohnungsbaugenossenschaft, sprach
aber auch offen über Hindernisse und
Schwierigkeiten, die man dieser möglichen Genossenschaft bezüglich der
Genehmigung und Zulassung entgegenbrachte.
Vielleicht war es der Hinweis darauf, öffentliche Finanzierungsmittel
durch den Einsatz jeder erdenklichen
Selbsthilfe und durch eigene Arbeit
bestmöglich nutzen zu wollen, es
war jedenfalls schon zu vorgerückter Stunde, so erinnert sich Emil
Lucas, als ein Teil der Anwesenden den
Saal verließ. Übrig blieben 36 aktive
Heimatvertriebene, die den „SelbsthilfeBauverein“ als Genossenschaft gründeten.
Die Besetzung des Vorstandes stand
bereits fest, es fehlten noch die not-
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wendigen Aufsichtsratsmitglieder. Und
ehe er sich versah, waren Emil Lucas
und andere Kollegen des Finanzamts
Mitglieder des Aufsichtsrates. Personaldebatten gab es keine und so
wählte man den Steuerbeamten Paul
Schröter zum ersten Aufsichtsratsvorsitzenden.
Müde und etwas erschöpft machte
sich der damals 35-jährige um 1.30
Uhr des nächsten Tages auf den Weg
nach Hause. Wann und wie er zu einer
eigenen Wohnung kommen sollte,
wusste er aber eigentlich immer noch
nicht. Ihm war noch in Erinnerung,
dass bei der Vergabe der ersten 200
Wohnungen, Beamte nicht berücksichtigt werden sollten. Ein Umstand,
der ihn zutiefst beunruhigte. War nun
alles umsonst gewesen, sein Amt
als Aufsichtsratsmitglied nichts wert?
Auf energisches Nachfragen bei Willi
Sander hatte dieser immer nur geant-
wortet: „Macht Euch keine Gedanken,
ich mache das schon.“ Und Willi
Sander hielt sein Versprechen: Emil
und Ruth Lucas bezogen im Mai 1951
ihre eigene Wohnung im Mühlenholz.
Am 1. Juli 2009 wird Emil Lucas 95
Jahre alt und interessiert sich noch
immer für das Geschehen in unserer
Genossenschaft.
1949
Am 21. Juli 1949 findet im Sanssouci die Gründungsversammlung des SBV statt. Der SBV hat zu diesem Zeitpunkt
36 Mitglieder. Mit Eintragung in das Genossenschaftsregister beim Amtsgericht Flensburg am 26. Januar 1950 wird
das erste Geschäftsjahr eingeläutet.
1959
Die Bebauung der Siedlung Fruerlund mit 1150 Wohnungen wird fertiggestellt und die erste Gemeinschafteinrichtung,
die Wäscherei im Mühlenhof, eröffnet.
Der SBV hat 1766 Mitglieder.
1969
Die Fernwärmeversorgung des 1968 in Betrieb genommenen Heizkraftwerkes in der Travestraße wird ausgeweitet.
In den Siedlungsgebieten Fruerlund und Fruerlundholz ist damit die Zeit der Ofenheizung vorbei.
Wir zählen 2383 Mitglieder.
1979
Erstmalig finden keine Neubautätigkeiten statt. Aufgabenschwerpunkt der letzten Jahre ist die Modernisierung von
Küchen, Bädern und Wärmeversorgung.
Wir sind 2866 Mitglieder.
1989
Das Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands ist auch das Jahr, in dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz
aufgehoben wird: Wir agieren ab sofort auf dem freien Markt.
3151 Menschen sind Mitglied beim SBV.
1999
Das Zeitalter des Internet ist angebrochen und wir sind ab sofort per E-Mail zu erreichen. 3174 Mitglieder feiern
„ein halbes Jahrhundert SBV“.
Wir sehen weiterhin optimistisch in die Zukunft. Nach dem erfolgreichen Zusammenschluss mit der WoBau Flensburg
vor drei Jahren sind nun 5.584 Mitglieder „Stark in der Gemeinschaft“.
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1949 – Das Quittungsbuch
Familie Klimschöfki beim Nachmittags-Kaffee in ihrer Wohnung in der
Travestraße.
Inge Klimschöfki stammt aus dem
Gebiet des ehemaligen Pommern und
hat sich nach dem Krieg in Flensburg
niedergelassen. Zwar verfügte sie
über einen ‚Flüchtlingsausweis A‘,
der sie in das Vergabeverfahren für
Wohnungsneubauten brachte, nach
dem gültigen Punktsystem war die
Zuweisung einer Wohnung aber
nicht möglich. Deshalb wohnte Inge
Klimschöfki nach ihrer Hochzeit 1957
mit ihrem Mann Herbert in einem
Zimmer in der Friesischen Straße 29.
Als 1958 die erste Tochter geboren
wurde, wurde es eng und es musste
unbedingt eine Wohnung her. So wurde
Das Quittungsbuch von Inge Klimschöfki.
Inge Klimschöfki vor 50 Jahren Mitglied
und bekam 1961 in der Fruerlundlücke
eine kleine Dachgeschosswohnung
zugewiesen. „Wir haben uns gefühlt
wie Könige“, berichtet Inge Klimschöfki.
Das Quittungsbuch, in dem der SBV
per Stempel und Unterschrift die
Einzahlung ihrer Miete quittierte, hat
sie noch heute in ihrer sorgsam angelegten SBV-Akte.
1966 kam die zweite Tochter und
Klimschöfkis zogen wieder um. In
der Fruerlundlücke 7 fanden sie im
Erdgeschoss auf 53 m² ihr neues
Zuhause. 1969 kam es hier zu einem
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kleinen Unglück: In der Wohnung über
ihnen, hatte die Nachbarin tagsüber
die Waschmaschine laufen lassen und
ein Defekt verwandelte das Haus in
einen Wasserfall. Aus Wassersäcken
an der tapezierten Decke ergoss
sich das Wasser in die Wohnung
der Klimschöfkis und lief durch die
Hohlblocksteine bis in den Keller. Aber
auch dieses Malheur überstand die
Familie gemeinsam.
1981 zogen Klimschöfkis ein letztes
mal um in das erste Obergeschoss der
Travestraße 30. Hier wohnen sie noch
heute und fühlen sich sehr wohl.
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1969 – Das Pech der Bachmanns und der 1. Juni
Bachmanns mit Kind nicht willkommen.
Dann las Hannelore Bachmann eines
Tages in der Zeitung von Bauabsichten
des SBV. Sie wurde 1969 Mitglied
und ausgerüstet mit Flüchtlingsausweis A und Wohnberechtigungsschein
unterschrieb sie im April 1971
einen Mietvertrag für die Wohnung
Eiderstraße 54.
Vertreterin Hannelore Bachmann ist aktives Mitglied unserer Genossenschaft
Hannelore Bachmann wurde 1941 in
Belgard (Pommern) geboren und ist
in Achtrup aufgewachsen. Die gelernte Bürokauffrau arbeitete in einem
Baugeschäft in Niebüll und träumte
vom Leben in einer großen Stadt.
Kurzerhand fuhr sie deshalb eines
Tages nach Kiel und bewarb sich
noch vom Bahnhof aus telefonisch
auf Stellenanzeigen aus den Kieler
Nachrichten. Gleich das erste Telefonat
war erfolgreich und bescherte ihr einen
Anstellungsvertrag bei einer bundesweit bekannten Firma in Kiel.
1,5-Zimmer-Wohnung für 80 DM
Miete. Das Datum 1. Juni hat für
Hannelore Bachmann eine besondere
Bedeutung: An diesem Datum wurde
sie getauft, hat geheiratet, bezog die
erste Wohnung und beging an einem
1. Juni ihren größten Fehler: Familie
Bachmann verließ Kiel und zog zu einer
„Nenntante“ nach Großenwiehe in der
Hoffnung, das Haus zu übernehmen.
Bedauerlicherweise wurden sie von
der richtigen Verwandtschaft jedoch
aus dem Haus vertrieben und „flohen“
nach Nübelfeld bei Steinbergkirche.
Der Kieler Bahnhof scheint Hannelore
Bachmann Glück zu bringen: Seit langer
Zeit pflegte sie eine Brieffreundschaft
mit einem Schwaben, der sie auch
persönlich kennen lernen wollte. Am
Ende seiner Bundeswehrzeit holte sie
„ihren Schwaben“ am Kieler Bahnhof
ab und fand Liebe auf den ersten Blick.
Am 1. Juni 1963 wurde geheiratet.
Die Tochter kam zur Welt und noch im
selben Jahr bezog Familie Bachmann
in Kiel-Russee eine teilmöblierte
Immer noch von „Fluchtgedanken“
beseelt, zogen Bachmanns 1967
nach Flensburg und hatten in der
Glücksburger Straße zunächst wieder
Pech. Die Wohnung war feucht und
ihre Tochter begann zu kränkeln.
Die Bachmanns wollten endlich einmal
ankommen und suchten eine „anständige“ Wohnung. Aber die Wohnungssuche
gestaltete sich äußerst schwierig.
Bei fast allen „Privaten“ waren die
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Der Einzug in die Wohnung erfolgte
am 2. November 1971. Allerdings
gab es noch kein WC, keinen Strom,
kein Treppenhaus und durch ihr
Wohnzimmer liefen regelmäßig Handwerker, um den Balkon fertig zu stellen. Der SBV kam den Bachmanns
jedoch entgegen und erließ ihnen eine
halbe Miete als Entschädigung.
Die Familie vergrößerte sich wieder
und zog um in die Travestraße 36
in eine Wohnung mit zwei kleinen
Kinderzimmern. Seit 1997 lebt Familie
Bachmann in der Eiderstraße 32.
Nach Modernisierungsarbeiten und
der Verglasung des Balkons fühlen sie
sich noch wohler in ihrem Heim.
Hannelore Bachmann ist Vertreterin
in unserer Genossenschaft und nimmt
dieses Amt mit aller Leidenschaft
wahr. Sie wehrt sich vehement gegen
das Vorurteil, Vertreter seien nur
spargelessende Mitglieder, die sich
einmal im Jahr den Bauch voll schlagen
und sonst Nichts zu sagen haben. Am
Beispiel einer, aufgrund ihrer Initiative
gedeckelten Sandkiste, macht sie deutlich, dass Vertreter sogar ins „operative Geschäft“ eingreifen können.
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1979 – Ein HSV-Fan in Fruerlund
Dieter Mikolajewicz ist waschechter Fruerlunder.
Dieter Mikolajewicz ist nach dem frühen
krankheitsbedingten Tod seiner Eltern
bei den Großeltern in der Travestraße
aufgewachsen. Er ist waschechter
Fruerlunder und ging natürlich auch im
Stadtteil zur Schule.
Nach dem Grundwehrdienst und der
Hochzeit mit seiner Frau Ursula lebte
Familie Mikolajewicz zunächst am
Friedenshügel. Als die Familie wuchs,
bezog sie 1983 eine Wohnung in der
Travestraße. Doch die Geburt des
Hier wohnt ein eingefleischter Anhänger des Hamburger Sportvereins.
zweiten Sohns bewog die Familie zum
Umzug in eine große Wohnung in die
Eiderstraße 49.
Heute denkt Dieter Mikolajewicz,
Marktleiter und Fachmann für
Teppichböden, über eine Veränderung
nach, aber seine Frau will bleiben.
Er fühlt sich wohl beim SBV, nur
der Container-Standplatz vor dem
Küchenfenster kann ihn richtig ärgern.
Dass „Hinz und Kunz“ meinen, sie
könnten hier eben mal im Vorbeigehen
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ihren Müll loswerden, kann Mikolajewicz
nicht verstehen.
Bei einem Rundgang durch die
Wohnung öffnet Dieter Mikolajewicz
die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Man
sieht sofort: Hier wohnt ein echter
HSV-Fan. Nur im Moment kann er sich
über seine Lieblings-Fußballmannschaft
nicht so richtig freuen: Der HSV hat in
jüngster Vergangenheit alle wichtigen
Spiele verloren. Aber das wird wieder,
da ist sich Mikolajewicz sicher.
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1989 – Die Göbels vom Prenzlauer Berg
Flensburg hatte ganze Arbeit geleistet
und bei der Tischlerei Lund für den
gelernten Tischler Lothar Göbel eine
Arbeitsstelle erbeten. Sie war beim
SBV vorstellig geworden und hatte die
Ankunft der Göbels angekündigt. Nach
sechs Wochen Untermiete bei Frau
Maaß aus dem Oderstieg klappte es
mit der Wohnung und Lothar Göbel
war in Lohn und Brot.
Lothar Göbel entspannt beim Lesen.
Familie Göbel lebte bis 1989 im Stadtteil
Prenzlauer Berg in Ostberlin. Von der
kommunalen Wohnungsverwaltung
hatten sie eine 54 m² große Wohnung
bekommen und zahlten dafür gerade
einmal 54 Mark. In dieser Beziehung
war die Welt in Ordnung, aber sonst?
nommen und machte sich von dort
aus im Wartburg auf den langen Weg
durch die Republik in den Norden
nach Flensburg. Hier kamen sie am
15. November 1989 an.
Warum Flensburg? Ganz einfach:
Eine Cousine mit Namen Maaß aus
Im Juni 1989 besuchte der sowjetische
Staats- und Parteichef Gorbatschow
Deutschland und sagte bei seinem
Abschied: „Die Mauer kann wieder verschwinden, wenn die Voraussetzungen
entfallen, die sie hervorgebracht
haben.“
Im gleichen Jahr fuhren die Göbels
vom Prenzlauer Berg in den „Urlaub“
nach Tschechien. Ihre Wohnung mit
samt Einrichtung ließen sie zurück,
genauso wie ihre geliebte Datscha.
Nur die 12-jährige Tochter begleitete
ihre Eltern. Der 18-jährige Sohn wollte
die „Urlaubsreise“ nicht mitmachen.
Die Familie wurde in Passberg in
Bayern in einem Auffanglager aufge-
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Inzwischen ist Lothar Göbel als
Hausmeister tätig und bereitet sich
langsam auf seinen Ruhestand vor.
Seine Wohnung und das Umfeld im
Mühlenholz gefallen ihm. Er möchte
auf jeden Fall bleiben. Dass sich mit
dem Projekt „Fruerlund – Wohnen für
Generationen“ bald einiges verändert,
findet er gut. Er hat sich bereits für
eine der neuen Wohnungen vormerken
lassen. Die Göbels vom Prenzlauer
Berg sind rundum zufrieden und mit
dem SBV sowieso.
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1999 – Tschernachowsk
Reinhold Kriszat aus dem Hestoft 3.
Reinhold Kriszat ist in Insterburg
in Ostpreussen, dem heutigen
Tschernachowsk geboren. Die rund
42.000 Einwohner zählende Stadt
gehört zum früheren Königsberg.
Mit 17 Jahren wurde Reinhold Kriszat
noch über den Volkssturm in die
Ereignisse des zweiten Weltkrieges
einbezogen und geriet bei Kriegsende
in amerikanische Gefangenschaft
im sächsischen Plauen. Nachdem
er bald darauf in die französische
Gefangenschaft nach Limburg an der
Lahn verlegt wurde, erlebte er dort
die Kapitulation und wurde im August
1945 aus der Gefangenschaft entlassen.
Er reiste ziellos durch Deutschland
und ließ sich zunächst bei München
nieder. Dort fand er eine Anstellung
beim Arbeitsamt und wurde Beamter.
Über die Stationen Lüneburg und
Kiel wurde der Finanzbeamte 1978
nach Flensburg versetzt. Im selben
Jahr bezog das Ehepaar Kriszat im
Hestoft 3 eine Neubauwohnung.
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Dieser Eingang des Hauses Hestoft
1-3 gehörte damals nicht dem SBV,
weshalb eine Mitgliedschaft zu diesem
Zeitpunkt nicht notwendig war. Nach
dem Ableben der privaten Vermieter
kaufte der SBV das Haus und Reinhold
Kriszat wurde freiwillig Mitglied.
Das Ehepaar Kriszat hat zwei erwachse Kinder und lebt seit nun mittlerweile
31 Jahren in diesem Haus, in dem es
eine intakte Hausgemeinschaft gibt.
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2009 – Stark in der Gemeinschaft
Vorstand Dirk Göttsche ist zufrieden über die Entwicklungen des SBV.
Insgesamt 33.000 Mietwohnungen
gibt es in Flensburg. Wir vom SBV
haben mit unseren 7.100 Wohnungen
einen Anteil von 21,5 % am Gesamtmietwohnungsbestand.
Im Jahr 2006 haben wir die Chance
genutzt, unseren Wohnungsbestand
um 4.800 Wohnungen zu erweitern, indem wir die kommunalen
Wohnungsbestände der WoBau
Flensburg GmbH gekauft haben. Deren
Häuser und Wohnungen gehören heute
zu unserem genossenschaftlichen
Vermögen und damit allen Mitgliedern
zu gleichen Teilen. Das Risiko, diese
Flensburger Gebäude an renditeorientierte Investoren zu verlieren, ist
damit ausgeschlossen. Wir werden
dafür sorgen, dass alle Wohnungen
einen modernen Wohnungsstandard
erhalten und dass das Wohnumfeld
und die Gemeinschaft unter Nachbarn
sich positiv entwickeln können. Auch in
unserem neuen, großen SBV stehen
der Zusammenhalt der Mitglieder und
die Förderung der Nachbarschaften im
Vordergrund.
Im Rückblick auf die letzten drei Jahre
zeigt es sich, dass es von Seiten
der Ratsversammlung und der Stadt
Flensburg eine gute Entscheidung war,
die Wohnungsbestände an den SBV
als langfristigen Bestandshalter zu
veräußern.
Die gute Zusammenarbeit sowie
die partnerschaftlich angegangenen
Projekte bestätigen dieses eindrucksvoll. Derzeit wird in enger Abstimmung
mit der Stadt der Stadtumbau im
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Bereich Mürwik und Fruerlund entwickelt und es entsteht ein drittes
Servicehaus auf dem Friesischen Berg.
Die Zusammenarbeit zwischen der
Stadtverwaltung, insbesondere des
Stadtplanungsamtes, dem Sozialamt
und unserer Genossenschaft laufen
vertrauenswürdig und partnerschaftlich.
Auch zukünftig stehen für uns die
Interessen unserer Mitglieder im
Vordergrund. Die Erträge, die wir aus
dem Genossenschaftsvermögen erarbeiten, investieren wir in genossenschaftliche Projekte.
Der SBV ist eine große, wirtschaftlich
gesunde Wohnungsgenossenschaft,
die positiv in die Zukunft blickt.
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SBV-Stiftung Helmut Schumann
Die Betreuung von Sucht- und
Demenzkranken, Schuldenberatung
und Erledigung von Behördengängen
beispielsweise schufen inhaltlich neue
Beziehungen zwischen Mieter und
Vermieter.
Helmut Schumann – Namensgeber und Mitglied des Stiftungsvorstandes. Foto: Beeke
Die gemeinnützige SBV-Stiftung Helmut
Schumann unterstützt Maßnahmen,
Projekte und Veranstaltungen, im
Sinne von Helmut Schumann - dem
langjährigen Vorstandsvorsitzenden
und Direktor der Genossenschaft für Menschen mit unterschiedlichen
nationalen, kulturellen und sozialen
Hintergründen.
Die Stiftung unterstützt Vorhaben,
die die individuellen Bildungschancen
von Kindern verbessern und fördert Projekte, die kulturelles, wissenschaftliches und sozialpolitisches Engagement bei Kindern und
Jugendlichen anregen. Sie setzt sich
für Toleranz und Völkerverständigung
ein und fördert daher den unmittelbaren Kontakt zwischen Menschen unter-
schiedlicher Nationen und Kulturen
durch Begegnungen und Erlebnisse
miteinander. Die überwiegend soziale
Ausrichtung ist Ausdruck der Würdigung aller Aktivitäten und Initiativen,
die Helmut Schumann während seiner
Dienstzeit als Vorstandsvorsitzender
zu verantworten hatte.
Er stand für den Bau der ersten
Wohnungen, die Behinderten den
Zugang und das Leben in diesen
Wohnungen erleichterte. Er stellte
den Seniorinnen und Senioren verschiedene Tagesstätten zur Verfügung
und bot Suchtkranken die Gelegenheit
zur Kommunikation im Zuge ihrer
Therapie. Mit der Einstellung eines
Sozialarbeiters beschritt er neue Wege
der Mieter- und Mitgliederbetreuung.
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Die finanzielle Beteiligung an der
Beschäftigung eines Streetworkers
bei einer Kirchengemeinde unterstrich die Bedeutung, die Helmut
Schumann Jugendlichen und Heranwachsenden bei der Bewältigung ihrer
„Alltagsprobleme“ beimaß.
Als er 2001 aus Altersgründen auf
eigenen Wunsch seinen „Chefsessel“
räumte, kam seinem Nachfolger
Raimund Dankowski die Idee, mit Hilfe
einer Stiftung das soziale Engagement
von Helmut Schumann auf festem
finanziellen Fundament weiter leben
zu lassen.
Die finanzielle Ausstattung der
Stiftung erlaubt es, auch dank vieler privater Spenden, jährlich eine
Reihe von Maßnahmen, Projekten
und Veranstaltungen zu fördern, in
Einzelfällen bedürftigen Menschen zu
helfen und einen Beitrag zur Lebenshilfe
zu leisten.
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Über diese Menschen spricht man:
Prominente beim SBV
Foto: dpa
Foto: Europäisches Parlament
Beim SBV leben besondere Menschen und manche sind sogar weit über Flensburgs Grenzen hinaus bekannt. Hier stellen wir
Ihnen ein paar prominente Menschen vor, die Mitglied unserer Genossenschaft waren oder sind.
Klaus Hänsch, Dr. phil, Politiker, *15. Dezember 1938
beendete seine Schulzeit 1959 mit dem Abitur in Flensburg und absolvierte anschließend bis 1960 seinen Wehrdienst. Nach einem Studium
der Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie in Köln und Paris
promovierte er zum Dr. phil. Ab 1968 schrieb er zudem als Redakteur
für politische Fachzeitschriften. Seine politische Laufbahn führte Hänsch
1979 in das Europäische Parlament. In den Jahren 1994 und 1999
trat er bei den Europawahlen als Spitzenkandidat der SPD an. Ein
Höhepunkt seines Werdegangs war 1994 die Wahl zum Präsidenten
des Europäischen Parlamentes. Ein Amt, das er bis 1997 innehatte.
Klaus Hänsch ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und des „Mérite
Européen“. Der Europa-Politik bleibt er weiterhin treu. Mehr über ihn im
Internet unter: www.klaus-haensch.de.
Wladimir Klitschko, Dr. phil, Boxer, *25. März 1976
Klitschko wurde als Sohn eines Offiziers in der Ukraine geboren.
Wie sein älterer Bruder Vitali studierte er in seinem Heimatland
Sportwissenschaften und Philosophie. 2001 promovierte er zum Doktor
der Sportwissenschaften. Er begann schon mit 14 Jahren seine Karriere
als Boxer. Nachdem er die ersten Titel-Kämpfe in den 90er Jahren
gewonnen hatte – Klitschko wurde 1993 Junioreneuropameister und
1994 Zweiter bei den Weltmeisterschaften der Junioren – steckte der
junge Sportler viele Niederlagen ein, bis sein großer Durchbruch kam.
Als Boxer unter Promoter Klaus-Peter Kohl im Hamburger Box-Stall
Universum besiegte er 1999 mit einem souveränen technischen K.O.
seinen Kollegen Axel Schulz und wurde Europameister. Im Oktober 2000
holte sich Klitschko schließlich den Titel „Weltmeister der WBO“. Heute
ist der Hobby-Zauberer als „Dr. Steelhammer“ eine feste Größe der BoxSzene.
Was kaum einer weiß: Zu Beginn der Boxbundesligasaison 1996/97
stieg der heutige Olympiasieger im Schwergewicht für den Flensburger
Boxbundesligisten BC Flensburg in den Ring und wurde so von Kohl
entdeckt. Mehr über Klitschko in Flensburg finden Sie im Internet unter
www.erlebe-flensburg.de
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Foto: Raake
Foto: picture alliance/Jazzarchiv
Foto: dpa – Report
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Heinz Adler, ehemaliger Oberbürgermeister Flensburgs
*1912 - † 23. Juli 1990
Nach dem Abitur studierte Adler Rechtswissenschaften in Breslau und
Heidelberg – und nebenher Kompositionslehre, Bühnenregie sowie Gesangsund Schauspielkunst. Ab1944 arbeitete das Multitalent als Rechtsanwalt
in Breslau. Nach seiner Flucht ließ er sich zunächst als Rechtsanwalt
und Notar in Oldenburg in Holstein nieder, bevor er Karriere als Politiker
machte. Als Landtagsabgeordneter der SPD saß er rund 20 Jahre dem
Justiz-Ausschuss vor und leitete verschiedene Untersuchungsausschüsse.
Daneben gehörte Adler dem Verwaltungsrat des Nordwestdeutschen
Rundfunks sowie dem Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks an.
Von Mai 1963 bis zu seiner Pensionierung 1977 wirkte der Träger des
Großen Bundesverdienstkreuzes als Oberbürgermeister von Flensburg.
Kim Alexander Frank, Sänger *24. Mai 1982
Mit vier Mitschülern der Flensburger Kurt-Tucholsky-Schule (ehemals
Kooperative Gesamtschule Adelby) gründete Frank die Band „Echt“, die
1998 ihr erstes Album herausbrachte. Ein Jahr später gelang den jungen
Talenten mit den Titeln „Du trägst keine Liebe in dir“ und „Weinst Du?“
der bundesweite Durchbruch. Dann blieb der Erfolg aus. Die Band trennte
sich 2002. Frank verdient sein Geld heute als Fotograf, Schauspieler und
Musiker. Er arbeitete unter anderem mit den Regisseuren Detlev Buck
und Leander Haußmann zusammen und entwickelte gemeinsame Projekte
mit den Sportfreunden Stiller, Bernd Begemann und Marlon.
Lothar Hay, Innenminister in Schleswig-Holstein,
ehemaliger Stadtpräsident Flensburgs *29. Mai 1950
1970 machte Lothar Hay in Flensburg Abitur. Noch im selben Jahr
trat er in die SPD ein und begann neben seinem Lehramtsstudium an
der PH seine politische Karriere. Er arbeitete zunächst als Lehrer an
verschiedenen Hauptschulen im Kreis Schleswig-Flensburg, gehörte
bald der Flensburger Ratsversammlung an und war von 1986 bis 1992
Stadtpräsident der Stadt Flensburg. Seit 1992 ist Hay Mitglied des
Landtages von Schleswig-Holstein, daneben Vorsitzender des heute
fusionierten ADS-Grenzfriedensbundes. Im Januar 2008 wurde Hay als
Nachfolger von Ralf Stegner zum Innenminister in Schleswig-Holstein
ernannt. Er ist Aufsichtsratsmitglied (Aktionäre) der HSH Nordbank.
Das Foto zeigt Hay vor dem vom SBV gebauten Haus, in dem der
Innenminister lange Zeit lebte.
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Die Welt wohnt beim SBV
Beim SBV steht der Mensch im Mittelpunkt. Mitglieder aus aller Welt treffen sich in unserer Genossenschaft. Einige stellen
wir an dieser Stelle vor:
Hanne Hinrichsen aus Dänemark
große Rolle. Sie hat sich darüber
gefreut, wie sich Deutschland in seiner
Beziehung zur Nationalflagge während
der Fußball-WM verändert hat. Dass
sie sich nur als Dänin fühlt, verneint
sie. Flensburg hat nach ihrer Meinung
eine Sonderstellung. Hier bist du halb
Dänin und halb Deutsche oder umgekehrt, sagt sie, und das ist gut so.
Hanne Hinrichsen aus Dänemark lebt mit ihrer Familie beim SBV.
Kolding ist eine dänische Hafenstadt am
Koldingfjord in der Region Syddanmark.
Die siebtgrößte Stadt Dänemarks ist
mit ihren rund 55.000 Einwohnern ein
Knotenpunkt des Nord-Süd und OstWest-Verkehrs durch Dänemark und
Nordeuropa. Trotzdem: Kolding hat
sich den besonderen Charme eines
Handelsstädtchens aus dem zwölften
Jahrhundert bewahrt.
Aus dieser Stadt stammt Hanne
Hinrichsen. 1954 geboren, verbrachte sie hier ihre Kindheit, ging
in Sonderburg zur Schule und machte
ihre Lehre bei einer Metallwarenfirma
in Flensburg. Hier lernte sie ihren
Mann kennen. Inzwischen ist sie seit
dreißig Jahren mit Jens Hinrichsen
verheiratet.
Ihre Beziehung zu ihrem Heimatland
Dänemark verrät nicht nur der Blick
in die rot-weiße Küche oder auf die
Jahresteller an der Wand. Auch die
Einrichtung im Wohnzimmer mit vielen
Einzelstücken und den Ledersitzmöbeln
vermittelt den Eindruck skandinavischer Wohnkultur.
Mit dem SBV hat sie gute Erfahrungen
gemacht. Irgendwann hat sie ihre Mutter
in Dänemark angerufen und erzählt, wie
schön sie in Flensburg wohnt. Im Zuge
einer Familienzusammenführung hat
sie ihre Mutter nach Flensburg in die
Travestraße geholt. Früher, meint sie,
als der SBV noch kleiner war, hat sich
alles etwas persönlicher angefühlt:
Man kannte fast jeden. Aber konkrete
Nachteile durch die Vergrößerung der
Genossenschaft gibt es ihrer Meinung
nach nicht.
Nationalstolz ist etwas, was man von
den Dänen lernen kann, sagt Hanne
Hinrichsen. Dabei spielen Gelassenheit,
Lockerheit und Selbstbewusstsein eine
Tillykke med 60-års fødselsdagen!
Hanne Hinrichsen wünscht: „Alles Gute zum 60. Geburtstag SBV“
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SBV-BOTE 117
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Shahen Sali Hassan aus dem Irak
Von Bekannten hatte sie von Flensburg
gehört und nach einem kurzen Besuch
in der Fördestadt, stand für sie der
Wohnortwechsel fest. Besonders
die Ruhe, das gemütliche Flair der
Innenstadt und die Sauberkeit hatten es ihr angetan. Zum SBV kam
sie zufällig. Ein Freund wohnte im
Siedlungsgebiet Fruerlund und half ihr
bei der Wohnungssuche, indem er sie
einfach zum SBV schickte.
Shahen Sali Hassan mit ihrer Tochter Melek.
Shahen Sali Hassan wurde 1982
in Suleymania im Norden des Iraks
geboren. Sie wohnt heute in der
Ostlandstraße im ersten Obergeschoss
zusammen mit ihrer dreijährigen
Tochter Melek, was übersetzt soviel
heißt wie „Engel“.
Der Irak gehört zum Orient. Dort
wurde 1784 die Stadt Suleymania von
einem kurdischen Fürsten gegründet.
Heute ist sie als kulturelles und wirtschaftliches Zentrum die Hauptstadt
der autonomen Region Kurdistan,
mit ca. 800 000 Einwohnern, einem
internationalen Flughafen und einer
Universität.
Die damals fünfköpfige Familie Sali
Hassan verließ Suleymania 1993.
Die Reise ging über die Türkei nach
Greifswald, wo Vater Sali Hassan als
gelernter Gärtner Arbeit fand. 1999
machte sich die Familie erneut auf
den Weg. Wegen der beruflichen
Veränderung des Familienoberhauptes
war Hannover die nächste Station
von Shahen Sali Hassan. Dort ging
sie zur Schule und machte ihren
Hauptschulabschluss. Heute spricht
sie neben Arabisch und Kurdisch einwandfrei Deutsch.
Inzwischen hat Frau Sali Hassan die
Wohnung in der Ostlandstraße gekündigt und sich für eine Wohnung mit
Balkon beworben. Natürlich will sie
beim SBV bleiben, sagt sie, denn
sie ist mit dem SBV sehr zufrieden.
Und sie will sich in Flensburg ihren
Berufswunsch erfüllen: Nachdem sie
inzwischen im Kindergarten, in der
Kinderpflege und in einem Seniorenheim
mit Hilfe eines jeweiligen Praktikums in
die Arbeitswelt hinein geschnuppert
hat, steht fest, sie möchte Erzieherin
werden. Für eine entsprechende
Ausbildung hat sie sich beworben und
hofft, dass es bald losgeht.
Inzwischen allein erziehende Mutter,
verließ Shahen Sali Hassan Hannover.
„Alles Gute zum 60. Geburtstag SBV“. Dieser Glückwunsch auf Arabisch stammt von Shahen Sali Hassan.
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SBV-BOTE 117
Juni 2009
Vitalish Nyamor Bbege aus Uganda
Chaos“, wurde 1961 Vitalish Nyamor
Bbege geboren. Vater und Mutter
stammen beide aus Kenia. Bis zu
seinem 17. Geburtstag lebte der
Junge bei seiner Familie in einfachen
Verhältnissen.
Boxen war damals Volkssport. Viele
Jugendliche versprachen sich durch
die Hinwendung zu dieser Sportart eine
Verbesserung ihrer Lebenssituation.
Also begann Nyamor Bbege mit zehn
Jahren zu boxen. Schnell stellte sich
heraus, dass er ein absolutes Talent war.
Mit 13 Jahren war er Juniorenmeister,
mit 15 Jahren Anfängermeister. Als
„Senior“ gewann er 1979 bei den Ostund Zentral Afrika-Meisterschaften die
Silbermedaille.
Vitalish Nyamor Bbege mit seinen Box-Trophäen.
Uganda - Winston Churchill nannte das afrikanische Land einst „Die
Perle Afrikas“. Dschungel, Kraterseen,
die Quelle des Nils und der größte
See Afrikas, der Lake Victoria mit
seinen kleinen Inseln verbinden sich
zu einzigartigen Landschaften und
Nationalparks.
Hier in Uganda, genauer gesagt in
Kampala, der „Stadt des organisierten
Mit dem Sturz des Diktators Idi Amin
brach in Uganda Anfang der 80er
Jahre der Bürgerkrieg aus. Zu dieser
Zeit war Nyamor Bbege zusammen
mit seinem Bruder mit der ugandischen Nationalstaffel im Trainingslager
für eine Europa-Tour. Als die Brüder
erfuhren, dass die Eltern nach Kenia
geflohen waren, setzte sich Vitalish
zunächst nach Finnland ab. Auf
Umwegen gelangten beide Geschwister
später nach Flensburg und landeten
beim Boxclub Sparta Flensburg. Im
Dunstkreis des bekannten Gastwirtes
Erwin Pophal stiegen die „schwarzen
Perlen“ mit der Amateur-Boxstaffel in
die erste Bundesliga auf. Dort machte
Nyamor Bbege seinen besten Kampf
gegen den Deutschen Meister Zielonka
von Bayer Leverkusen, den er deutlich
nach Punkten bezwang. Von 1981
bis 1988 war er Landesmeister in
Schleswig-Holstein und 1988 dritter
bei den Deutschen Meisterschaften
im Halbmittelgewicht bis 71 kg. Von
seinen 209 Amateurkämpfen hat er
158 gewonnen.
Nach seiner Boxkarriere jobbte Nyamor
Bbege als Gärtner bei verschiedenen
Firmen in Flensburg. Mit dem verdienten Geld baute er seinen Eltern
das erste Backsteinhaus in dem 500Seelendorf Seme in Kenia. Befragt
nach dem größten Unterschied beim
Wohnen in Kenia und Flensburg lacht
er schelmisch und meint, dass man in
dem Dorf Strom- und Heizkosten nicht
kennt. Ernst wird er bei der Frage,
was für ihn mit Rückblick auf seine
zeitweise turbulente Vergangenheit der
Begriff Heimat bedeutet. Er sagt wörtlich: „Mit dem Wort Heimat kann ich
nichts anfangen, aber mein Zuhause
ist der SBV.“
nkwagaliza amazalibwa 60 amalungi
Der Glückwunsch von Herrn Bbege zum 60. Geburtstag in Luganda
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SBV-BOTE 117
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Familie Novoselov aus Russland
Familie Novoselov: Alexey, Nikolaij und Natalja
Im Westen Sibiriens liegt die Stadt
Kemerowo. Mit ihren rund 520.000
Einwohnern ist sie die Hauptstadt
des Gebietes Kemerowo. Sie hat
einen Flughafen mit internationaler
Anbindung und eine bereits in den
40er Jahren in Betrieb genommene Straßenbahn. Mit Moskau verbindet Kemerowo eine Zweigstrecke
der Transsibirischen Eisenbahn. In
Kemerowo wurde Natalja Novoselov
als Natalja Ebel geboren, bevor ihre
Eltern den Wohnsitz aus beruflichen
Gründen nach Bijsk verlegten.
Bijsk wurde 1709 als militärische
Festung gegründet und behielt bis
in die Mitte des 19. Jahrhunderts
seine primär militärische Bedeutung.
Im 19. Jahrhundert wurde der Ort zur
Industriestadt. Eine Schnapsbrennerei,
Sägemühlen, Webereien und metallverarbeitende Betriebe prägen das
Stadtbild bis heute. Hier wurde Alexey
Novoselov geboren und hier lernten
sich die späteren Eheleute auch kennen. Und das kam so: Aus politischen
Gründen wurden Deutschrussen von
der Regierung grundsätzlich in Sibirien
„untergebracht“. So auch die Eltern
von Alexey. In der Schule lernten sich
die Jugendlichen kennen und verloren
sich seitdem nicht mehr aus den
Augen.
ihrem Alexey; was dieser 2001 mit
der Heirat seiner langjährigen Freundin
in Kaliningrad belohnte. Der zivile
Hubschrauberpilot und Vater von Natalja
Novoselov war inzwischen zu Opa Ebel
nach Kappeln „geflogen“ und rief seine
Tochter zur Familienzusammenführung.
Also reisten die jungen Novoselovs
ins schleswig-holsteinische Kappeln.
Dann kam die typische deutsche
Frage, für die es keine russische
Übersetzung gibt: „Watt nu?“ Beide
mussten Arbeit und eine Wohnung finden. Natalja hatte in Russland sieben
Semester Heizungs-, Lüftungs- und
Sanitärtechnik studiert und bewarb
sich um einen Ausbildungsplatz in
einem Ingenieurbüro in Flensburg. Da
ist sie heute als technische Zeichnerin
beschäftigt. Alexey fand als ITSpezialist einen Arbeitsplatz bei einer
Druckerei in Glücksburg. Die Wohnung
fanden sie in der Travestraße. Heute
leben sie hier zu dritt mit ihrem Sohn
Nikolaj, dem unumstrittenen FamilienMittelpunkt. Er wird zweisprachig aufwachsen, da sind sich die Novoselovs
einig. Uropa Ebel ist das nur recht.
Als die Familie Novoselov nach
Glasnost und Perestroika von Bijsk
nach Kaliningrad verzog, folgte Natalja
Сердечные поздравления к 60-ому дню рождения SBV
Die Novoselovs gratulieren in russisch zum 60sten Geburtstag
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Familie Kösgeroglu aus der Türkei
schen ist auch dieser Nebenzweig
der Kösgeroglus angewachsen. Sohn
Orcun (11) sowie die Töchter Tugce (9)
und Sudenac (5) bringen viel Leben in
die „Bude“, die heute in der Apenrader
Straße zu finden ist und die man nach
den üblichen Bräuchen in der Türkei
nur ohne Schuhe betreten darf.
Familie Kösgeroglu in ihrem Wohnzimmer
Kayseri ist die Hauptstadt der
gleichnamigen
Provinz
Kayseri
in Kappadokien in der Türkei. Die
Stadt hat 1,3 Mio. Einwohner und
ist eine der wenigen Großstädte der
Türkei, deren Einwohnerzahl seit
Jahrzehnten stabil bleibt. Kayseri ist
eines der wichtigsten Industrie- und
Handelszentren des Landes mit einem
internationalen Flughafen und zentralen Eisenbahnanbindungen.
In Kayseri wohnte die neunköpfige
Familie Kösgeroglu. Mitte der siebziger
Jahre verließ Vater Kösgeroglu seine
Familie in Richtung München, um dort
sein Glück als Gastarbeiter zu suchen.
Wenngleich es mit der Arbeit klappte,
blieb ihm ein Wunsch versagt: Er fand
keine passende Wohnung für seine
große Familie. Mit ein paar Freunden
machte er sich daraufhin auf den Weg
nach Flensburg. Er fand schnell bei
der Flensburger Schiffbaugesellschaft
einen Arbeitsplatz und in der Harrisleer
Straße eine passende Wohnung. 1977
ließ er die Familie nachkommen – mit
dabei der damals dreijährige Ercan
Kösgeroglu.
Er wuchs in Flensburg auf, ging zur
Schule und spielte mit seinen Brüdern
in allen wichtigen Fußballvereinen in
Flensburg und Harrislee. Der Name
„Kösgeroglu“ war bald ein Begriff in
der Flensburger Fußballszene.
Die Frage nach der Hausgemeinschaft
beantwortet Ercan zögerlich. Man
komme gut miteinander aus, meint er.
Draußen könnten aber seiner Meinung
nach mehr Spielgeräte für Kinder stehen. Dies sei keine Forderung sondern
lediglich ein Wunsch, betont er ausdrücklich. Für seine Frau wünscht er
sich die Modernisierung der Küche,
wie es in anderen Wohnungen bereits
geschehen ist. Auf dem Bild hat sich
übrigens jemand eingeschlichen, der
nicht zur Familie gehört. Es ist Ilayda
(links) die Freundin der Töchter aus
einer Nachbarsfamilie. Der Sohn der
hier eigentlich auch sitzen sollte, ist
vom Vater gerade zum Sport weggebracht worden. Die Frage nach der
Sportart ist hier wohl völlig überflüssig
- Fußball natürlich.
Ercan nabelte sich von seiner Familie
ab und wurde Mitglied beim SBV. Er
mietete sich eine Wohnung in der
Duburger Straße, fand Arbeit bei der
Firma Danfoss und war dadurch in der
Lage, eine eigene Familie zu ernähren.
1996 heiratete er Selma und inzwi-
60. Doğum günün kutlu olsun!
Geburtstagsglückwünsche auf türkisch von Familie Kösgeroglu
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