Bee Seavers Artikel b

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Bee Seavers Artikel b
Frühlingskonzert
der DIG Kiel am 26. März 2010 in Postfeld
mit Bee Seavers (Santoor)
Ein persönlicher Rückblick
Zuletzt war Bee Seavers – heute in Hamburg und bis vor wenigen Jahren in Sri
Lanka und Indien lebend – als Exponent klassischer (nord-)indischer Musik 1993
in der Kieler „Pumpe“ und vor 12 Jahren im Kieler Schloss zu hören. Nun
gastierte er in einer recht ungewöhnlichen instrumentalen Kombination: als
Meister der Santoor zusammen mit seinem hervorragenden Rhythmus-Partner,
dem Tablavirtuosen Sandeep Popatkar
aus Mumbai. Für die beiden Musiker nicht
weniger
außergewöhnlich
war
der
Veranstaltungsort, sind sie doch eher an
ein größeres, aber auch anonymeres
Publikum gewöhnt: ein Privathaus auf dem
Land
mitten
in
Schleswig-Holstein,
welches die Vorsitzende der Kieler
Deutsch-Indischen Gesellschaft, Gudrun
Wittig-Srivastav, in Postfeld als Gastgeberin zur Verfügung gestellt hatte.
Das dortige Konzert, das auch mit einem Buffet mitgebrachter köstlicher
indischer Genüsse verbunden war, umfasste zwei längere Stücke von je etwa
fünfzehn Minuten, den „Dawn of the Valleys“ sowie das dem einstigen Guru
Seavers’, Shiv Kumar Sharma, gewidmete und von einer volkstümlichen Melodie
in Kaschmir ausgehende „Kashmiri Folktune“. Der Musiker, Sohn eines
amerikanischen Vaters und Komponisten und einer deutschen Mutter, begeisterte
sich im Bombay der 80-iger Jahre für die Santoor, ein Instrument, welches
persischen Ursprungs ist, sich später insbesondere in Kaschmir verbreitete und
sich aus seiner ausschließlichen Rolle der Begleitung von Gesang
als Soloinstrument „emanzipierte“ und damit auch künstlerisch erheblich weiterentwickelte.
Auf Bee Seavers Lehrjahre folgten sehr bald
viele öffentliche Auftritte vor zahlreichem
indischem und deutschem Publikum.
Nicht nur die konzertante Darbietung vor
den etwa 30 Besuchern, auch zahlreiche
Fragen aus dem Publikum schufen eine
gleichermaßen
konzentrierte
und
aufgelockerte Atmosphäre, die beide
Musiker sichtlich genossen. Bee Seavers
erläuterte sein mit Klöppeln angeschlagenes Instrument von 110 Saiten (drei
Saiten für jeden Ton), welches man auf Deutsch etwas grob als Hackbrett und in
Ungarn als Cimbel bezeichnet.
Auf klassische Weise entwickelte das Spiel
den betreffenden Raga, zunächst noch aus
einer undifferenzierten Phase heraus, dem
„Alap“ mit seiner ganz bestimmten
Tonleiter. Dann kam das rhythmische
Element zunächst allein in der Santoor
hinzu, bevor sich der musikalische Prozess
im
Duo
mit
drei
klangfarblich
differenzierten Trommeln der Tabla (deren
Rhythmen sich in äußerst schnell
gesprochenen Klangsilben virtuos fassen
ließen) bis hin zum ekstatischen Höhepunkt steigerte, zu einer Art „unio mystica“
der beiden Spieler.
Sandeep Popatkar begleitete den Raga Kaunsi Khanra, ein rhythmischer Zirkel in
Rupaktaal von sieben Schlägen, gefolgt von Teentaal mit 16 zyklisch geordneten
Schlägen. Nach einer Pause spielten die Musiker eine Komposition von Bee
Seavers, das Light Classical Stück „Dawn of the Valleys“, ein rhythmischer Zirkel
von 14 Schlägen. Die für Europäer schwer zu erfassende musikalische Struktur
wurde ebenfalls informativ erläutert.
Der in seinen Anfangsjahren noch am Cello in klassisch westlicher Musik
ausgebildete und später anlässlich eines Konzerts in Bombay „konvertierte“ Bee
Seavers bekannte sich im weiteren Verlauf des Abends zu zwei weiteren
Leidenschaften, dem Kochen und dem Schreiben. Er las aus seinem gerade auf
deutsch erschienenen und vermutlich bald als Skript für eine Filmvorlage
dienenden Roman „Blaue Ameisen schlafen nicht“ (zu erwerben für 24 Euro) zwei
Passagen, die den aufmerksamen Zuhörer einmal in die bilderreich beschriebene
Welt indischer Art des Argumentierens und Diskutierens und ein andermal in die
gesellschaftliche Bedeutsamkeit des Essens hineinziehen, beide Stränge
verwoben in die Hauptgeschichte zum Bollywood der 50er Jahre in der
Filmmetropole Bombay und im Punjab.
Enno Neuendorf