Der Sentinel-Lymphknoten - Abteilung Nuklearmedizin

Transcrição

Der Sentinel-Lymphknoten - Abteilung Nuklearmedizin
Der Sentinel-Lymphknoten
Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung für Nuklearmedizin
1.
2.
3.
4.
5.
Hintergrund
Mammakarzinom
Andere Tumorentitäten
Probleme und Lösungen
Fazit
1. Hintergrund
Hintergrund
• Der Begriff des Sentinel-Lymphknotens wurde erstmals 1977
von Cabanas im Zusammenhang mit Lymphabstromwegen
beim Peniskarzinom eingeführt.
• Mit Lymphangiographien fand er einen reproduzierbaren
Lymphknoten inguinal an der Mündung zur Vena saphena
magna, der zunächst als generelle Prädilektionsstelle für
Metastasen des Peniskarzinomes galt
• 1992 konnten Morton et al. Nachweisen, dass auch beim
malignen Melanom eine lymphogene Metastasierung in
spezifischen Lymphkntoen beginnt.
Cabanas, RM. Cancer 39:456-66, 1977
Morton, DL et al., Arch Surg 127, 392-9 (1992)
Hintergrund
• Morton et al. definierten den Sentinel-Lymphknoten als den
ersten bzw. vordersten drainierenden Lymphknoten eines
malignen Tumors
• Erste Arbeiten zum Sentinel-Lymphknoten des
Mammakarzinoms stammen von Giuliano et al. und Krag et al.
• Während Giuliano et al. Markierungen intraoperativ mit
Patentblau durchführte, etablierten Krag et al. den Einsatz von
99mTc-Humanalbumin und die Verwendung einer Gammasonde
Giuliano AE, et al. Ann Surg 220: 391-8 (1994)
Krag DN et al., Surg Oncol 2:335-9 (1993)
Hintergrund
• Seit 1998 Evaluation der Sentinel-Lymphknotenszintigraphie
beim Prostatakarzinom
• Evaluation der Methode für weitere Tumore, z.B.
Magenkarzinom, HNO-Tumore, etc.
• Auf der internationalen Konsensuskonferenz in St. Gallen 2003
„Primary Therapy of Early Breast Cancer“ wurde die SentinelLymphknotenszintigraphie vom Panel als diagnostische
Methode bei negativem Sentinel Node anerkannt.
Definition
Der Sentinel-Lymphknoten ist der erste Lymphknoten über den
ein Primärtumor drainiert wird.
Heidenreich P et al. Verfahrensanweisung für die nuklearmedizinische Wächter-Lymphknoten (sentinel lymph
node; SLN) - Diagnostik. in Geworski L et al. Empfehlungen zur Qualitätskontrolle in der Nuklearmedizin.
Schattauer (2003), S. 154-159.
Die szintigraphische Festlegung der SLN geschieht nach
folgenden Kriterien,wobei die Reihenfolge ihrer Wertigkeit
entspricht:
•
•
•
•
Erscheinungszeit
Eigene Bahn(en)
Anatomische Lage zum Tumor
Relativer Uptake
2. Mammakarzinom
Mammakarzinom
Standardindikation
(klinische Routine)
Optionale Indikation
(individuelle
Entscheidung)
Keine Indikation
(außer klinische
Studien)
Kontraindikationen
Unifokales MammaKarzinom ≤2cm
Ausgedehntes DICS
(Mastektomie
erforderlich)
Neoadjuvante
Chemotherapie
Primäre Operation
T2-Tumore1
Sekundäre Operation
nach brusterhaltendem
Eingriff
Multifokale Läsionen
- Schwangerschaft
- Unverträglichkeit
des Tracers (CAVE!
Human-Albumin!)
- Multizentrizität
- Entzündung
- Ausgedehnte
vorherige
Brustoperationen
- Vorangegangene
Operation der Axilla
- Klinische verdächtige
axilläre Lymphknoten2
DICS: Ductales Carzinoma in situ
1: Individuelle Entscheidung nach Risiko für axilläre Beteiligung und persönliche Erfahrung (falsch-negativ-Rate)
2: Ultraschall der Axilla empfohlen, wenn die Lymphknotenstruktur erhalten ist: SLN-Biopsie möglich
Kuehn T et al. A Concept for the Clinical Implementation of Sentinel Lymph Node Biopsy in Patients with Breast
Carcinoma with Special Regard to Quality Assurance. Cancer 2005;103:451–61
Mammakarzinom
Ablauf:
Aufklärung und Einwilligung des Patienten BEVOR der Patient
in der Nuklearmedizin erscheint.
Der Patient muss vom untersuchenden Arzt über den Ablauf
der Untersuchung, die Anzahl der Injektionen, den Gebrauch
eines radioaktiven Tracers, über die Untersuchungszeiten und
die Lagerung aufgeklärt werden.
Der Patient muss den Oberkörper vollständig entkleiden.
Mammakarzinom
Notwendige klinische Informationen:
• Anamnese, klinischer Befund, ggf. Ergebnisse
bildgebender Untersuchungen des Lymphsystems,
kürzlich applizierte andere Radiopharmaka
• Lage, Größe und Art des Tumors, uni- oder multifokales
Wachstum
• Ergebnisse vorangegangener Biopsien, Operationen
oder anderweitiger Manipulationen im Tumorbereich
Mammakarzinom
Notwendige klinische Informationen:
• Vorangegangene Therapien (z.B. Strahlentherapie,
Chemotherapie, Hormontherapie etc.)
• Zusätzliche Erkrankungen des betreffenden Organs
und/oder seiner Umgebung, welche den Lymphabstrom
beeinflussen könnten (z.B. Entzündungen, Hämatome,
andere Tumore)
• Schwangerschaft, Laktation
Mammakarzinom
Lagerung:
Der Patient liegt auf dem Rücken auf der Untersuchungsliege,
der Arm der betroffenen Seite wird im 90°-Winkel ab gespreizt.
Unter dem Patienten wird ein 57Co-Flächenphantom so
platziert, dass die Konturen der Axilla der betroffenen Seite
sichtbar werden (optional Markierung der Kontouren mit Hilfe
einer gefüllten Aktivitätsspritze).
Lagerung möglichst wie bei OP!
Mammakarzinom
Radiopharmakon:
99mTc-markierte
Kolloide mit einer Partikelgröße von 20-100 nm
und einem Injektionsvolumen von 0.2-1.0 ml werden verwendet
(Markierung mit hoher spezifischer Aktivität).
Effektive Äquivalentdosis: 0.46 - 0.92 mSv
Spielt die Partikelgröße eine Rolle?
Mammakarzinom
Sato K, et al. Breast Cancer, 2004
Zink-Kolloid 100 nm vs. 700 nm
Kleinere Partikel führen zu einem höheren kolloidalen Uptake
in Sentinel-Lymphknoten. Ältere Patienten zeigen mehr
Sentinel-Lymphknoten. Die Detektionsrate ist gleich.
Marjut H, et al. Nucl Med Comm, 2004
Albu-Res vs. Nanocoll
(<80 nm vs. 200-300 nm)
Die Erfolgsrate scheint bei kleineren Partikeln größer zu sein.
Mirzaei S, et al. Eur J Nucl Med, 2003
SentiScint (100-600 nm)
Große Partikel führen zur Darstellung von nur 1-2 Sentinel
Lymphknoten und erleichtern das intraoperative Auffinden.
Mammakarzinom
• Kleine Partikel (Kolloid < 50 nm):
– Schnelle Migration in den Lymphbahnen
– geringe Retention im Lymphknoten
– Markierung einer großen Anzahl nachgeschalteter LK
• Große Partikel (Kolloid > 300 nm):
– Langsame Migration in den Lymphbahnen
– hohe Retention im Lymphknoten
– Geringe Markierung nachgeschalteter LK
• Nanokolloid (20 nm bis 100 nm):
– Ausreichend schnelle Migration in den Lymphbahnen
– Ausreichend hohe Retention im Lymphknoten
– Meist Markierung 2-5 nachgeschalteter LK
Mammakarzinom
2-Tages-Protokoll
Tumorlokalisation
(Quadrant)
Art der Injektion
Anzahl der
Injektionen
Gesamtaktivität
12 Uhr-9 Uhr
(oben innen, unten innen,
unten außen)
peritumoral und/oder
subdermal, bzw.
subareolär
4
150-250 MBq
9 Uhr-12 Uhr
(oben außen)
subareolär
1
160 MBq
1-Tages-Protokoll
Tumorlokalisation
(Quadrant)
Art der Injektion
Anzahl der
Injektionen
Gesamtaktivität
12 Uhr-9 Uhr
(oben innen, unten innen,
unten außen)
peritumoral und/oder
subdermal, bzw.
subareolär
4
50 MBq
9 Uhr-12 Uhr
(oben außen)
subareolär
1
10-20 MBq
* Bei ausschließlich subdermaler oder subareolärer Injektion ist die Darstellung parasternaler Lymphknoten nicht gewährleistet.
Mammakarzinom
Akquisition:
Dynamische Aufnahmen des Thorax und der ipsilateralen
Axilla von ventral über 10 Minuten (Beginn: Nach Injektion, 40
Frames a 15 sec., Matrix 128x128), danach
Statische Aufnahmen des Thorax und der ipsilateralen Axilla in
2 Ebenen (Wiederholung 3h p.i.) (Aufnahmezeit 180 sec., Matrix
256x256)
Mammakarzinom
Mammakarzinom
Mammakarzinom
Mammakarzinom
Verbesserung der Lokalisation möglich?
Van der Ploeg IMC et al., World J Surg, 2008
Review SPECT/CT
4 Studien mit insgesamt 449 Patienten wurden eingeschlossen.
2 Studien mit T0-2N0M0 mit 74 bzw. 80 MBq 99mTc-rhenium und
-nanocolloid
1 Studie mit übergewichtigen Patienten und 74 MBq 99mTcrhenium Kolloid
1 Studie mit Patienten bei denen kein Sentinel gefunden worden
war oder der Sentinel in atypischer Lokalisation lag mit 120 MBq
99mTc-Nanocolloid
Mammakarzinom
Der Zugewinn der SPECT/CT ist schwer abzuschätzen, da
verschiedene Methoden angewendet wurden und die Patienten
sehr selektiert waren.
SPECT/CT verbessert die präoperative Lymphszintigraphie und
hat das Potential als klinische Routine etabliert zu werden, was zu
einem besseren Staging bei Patienten mit Mammakarzinom führt.
Aber: höhere Kosten und längere Untersuchungszeiten, da es
zusätzlich zur konventionellen Diagnostik eingesetzt wird. Der
Vorteil der SPECT/CT wird vor allem bei problematischen Fällen
ausgenutzt
3. Andere Tumorentitäten
Andere Tumorentitäten
•
•
•
•
•
•
•
•
Malignes Melanom
Peniskarzinom
Prostatakarzinom
Harnblasenkarzinom
Hodentumore
Vulvakarzinom
HNO-Tumore
Schilddrüsenkarzinom
Malignes Melanom
• Indikation:
• Kutanes Melanom, Tumordicke nach Breslow >1mm
(unabhängig vom Invasionsgrad nach Clark)
Klinisch kein Hinweis auf Metastasen
• Injektion von jeweils 50 MBq 99mTc-Nanokolloid am
Resektionsrand bzw. am Tumorrand, intradermal in 2
Fraktionen mit jeweils 0,05-0,2 ml Volumen
• Aufnahmeprotokoll wie beim Mammakarzinom, Patient wird
jedoch bereits bei der Injektion unter der Kamera gelagert
• Wahrscheinlich deutlicher Nutzen der SPECT/CT (z.B.
illiakale Lymhknoten/Eröffung des Peritoneums)
Malignes Melanom
Malignes Melanom
Malignes Melanom
Peniskarzinom/Prostatakarzinom
• Peniskarzinom:
• Am Vortag der Operation: nach Lokalanästhesie peritumorale
intradermale Injektion (4x) von 60-80 MBq 99mTc-Nanokolloid
mit 0,2 ml Volumen
• Aufnahmeprotokoll wie beim Malignen Melanom
• Prostatakarzinom:
• Am Vortag der Operation: unter sonographischer Kontrolle
kapselnahe intraprostatische Injektion (1-3) von 200-300 MBq
99mTc-Nanokolloid mit 0,2 ml Volumen
• Aufnahmen nach 2 h p.i. ohne Bleiabdeckung der Prostata, ggf.
Fusion bei Einsatz von SPECT hilfreich
Harnblasenkarzinom/Hodentumore
• Harnblasenkarzinom:
• Bisher nur 1-Tages-Protokoll veröffentlicht
• In Narkose Injektion von 70 MBq 99mTc-Nanokolloid in 1 ml
Volumen mit 1 ml Methylenblau vermischt, um den Tumor in
den Detrusormuskel
• Keine Bildgebung, aus dem Präparat werden die radioaktiven
Lymphknoten entfernt und getrennt histologisch aufgearbeitet
• Stand: Pilotstudie
• Hodentumore:
• Bislang nur in Japan, Pilotstudie
Vulvakarzinom/HNO-Tumore
• Vulvakarzinom:
• Injektion von jeweils 50 MBq 99mTc-Nanokolloid am
Resektionsrand bzw. am Tumorrand, intradermal in 2
Fraktionen mit jeweils 0,05-0,2 ml Volumen
• Aufnahmeprotokoll wie beim Malignen Melanom
• HNO-Tumore:
• Injektion von jeweils 40-100 MBq 99mTc-Nanokolloid
intramukosal bzw. peritumoral in 3-4 Fraktionen mit jeweils
0,05-0,2 ml Volumen, danach ausspülen der Mundhöhle
• Aufnahmeprotokoll wie beim Malignen Melanom
Schilddrüsenkarzinom
Raijmakers PGHM et al., World J Surg (2008)
Meta-Analyse
• Meta-Analyse mit 14 eingeschlossenen Studien mit insgesamt
457 Patienten
• 10 Studien (N=329 Pat.) mit Methylenblau
• 4 Studien (N= 128 Pat.) mit 99mTc-Nanokolloid
• Gepoolte Sentinel-Detektion:
• Methylenblau:
83%
• 99mTc-Nanokolloid: 96%
• Injektion von 0,1-0,2 ml 99mTc-Nanokolloid mit 6,15 und 20 MBq
(intratumoral, dynamische und statische Aufnahmen)
• Injektion von 0,3 ml 99mTc-Nanokolloid mit 120 MBq
(peritumoral, ultraschallkontrolliert, statische Aufnahmen)
4. Probleme und
Lösungen
Probleme und Lösungen
• Problem: In den frühen Aufnahmen (bis 10 min. p.i., z.T. bis 30
min. p.i.) findet sich beim Mammakarzinom kein SentinelLymphknoten, während in den Aufnahmen bis 3h p.i. in der
Regel mehrere Lymphknoten dargestellt werden können.
• Lösung: Keine! Hier sollte darauf aufmerksam gemacht
werden, dass formal der Sentinel-Lymphknoten nicht
identifiziert werden kann. Die wahrscheinlichsten SentinelLymphknoten sollten allerdings markiert werden.
• Vorschlag: Nach den frühen Aufnahmen sollte der Patient bis
zu den späten Aufnahmen mit Wärme (Wärmflasche) und
Massage, den Lymphabfluss anregen (CAVE! Verbrühung!)
Probleme und Lösungen
• Problem: Injektion des Radiopharmakons nach Stanze der
Mamma mit konsekutivem Hämatom/Serom.
• Lösung: Ggf. vorsichtig aspirieren. Sollte seröse Flüssigkeit
aspirierbar sein, Injektion ggf. subareolär durchführen!
• Erklärung: Wird das Radiopharmakon in ein Serom bzw. in die
Nähe eines Seromes injiziert, so verhindert der hohe
interstitielle Druck ein Abfließen über die Lymphgefäße
Probleme und Lösungen
• Problem: Bei subareolärer und subdermaler Injektion des
Radiopharmakons stellen sich evtl. parasternale Lymphknoten
nicht dar.
• Lösung: Keine!
• Erklärung: 90-95% der Lymphknotenmetastasen des
Mammakarzinoms werden axillär gefunden. V.a. im Rahmen
peritumoraler Injektionen kommt es in 10%-40% zur
Anreicherung parasternaler Lymphknoten unabhängig von der
Lokalisation des Tumors. Eine Entfernung evtl. in der
Szintigrafie anreichernder parasternaler Lymphknoten wird
nach aktueller Datenlage wegen geringer therapeutischer
Relevanz und hoher Morbidität (Pneumothorax, Blutung aus
Arteria Mammaria interna etc.) überwiegend nicht empfohlen.
Probleme und Lösungen
• Problem: Identifikation von cubitalen sowie poplietalen
Sentinel-Lymphknoten des Malignen Melanomes (Gefahr von
In-Transit-Metastasen!) bei Benutzung eines Flächenphantoms
• Lösung: Grundsätzlich Anfertigung von Aufnahmen cubital
und politeal OHNE Flächenphantom und aus dorsaler bzw.
cubitaler Sicht!
• Erklärung: Cubitale und polpliteale Lymphknoten können z.B.
durch den Knochen und/oder das Phantom überlagert werden!
• Ein „Landmarking“ mit z.B. 99mTc-DPD ist obsolet!!!
Probleme und Lösungen
Probleme und Lösungen
• Problem: Injektion in der Ferse beim Malignen Melanom. Die
Hornhautdicke verhindert einen Abfluss, bzw. macht eine
Injektion z.T. unmöglich.
• Lösung: Rücksprache mit dem Operateur! Ggf. Injektion in der
nächstgelegenen „weichen“ Haut!
• Erklärung: Injektionen in derbe Hautareale können durch den
starken interstitiellen Druck zu einem Austreten des
Radiopharmakons (CAVE! Kontamination!) führen. Injektion mit
Hilfe einer MTRA durchführen, die nach der Injektion und vor
dem herausziehen der Nadel aus dem Gewebe mit einem
Tupfer kräftig drückt!
5. Fazit
Fazit
• Die Sentinel-Lymphknotenszintigraphie ist eine sehr sensitive
Methode, die zu einer deutlichen Senkung der Komorbidität bei
Mammakarzinom- und Malignen Melanom-Operationen beiträgt
• Der Nutzen bezüglich der Verbesserung des
Langzeitüberlebens mit Hilfe der Sentinel-Lymphknotenbiopsie
ist bislang nicht ausreichend belegt
• Wichtig ist vor allen Dingen die interdisziplinäre
Zusammenarbeit und der enge Kontakt zu den
Operateuren!