Predigt über Joh 10, 11: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt

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Predigt über Joh 10, 11: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt
Predigt über Joh 10, 11: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für
die Schafe“
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes erfülle uns und die
Gemeinschaft des Heiligen Geistes verbinde uns. Amen
Einleitung:
Es gibt Bilder, die tun der Seele gut. Diese Bilder lassen mich zur Ruhe kommen,
wenn ich sie vor mir sehe oder wenn ich die Augen schließe und sie mir vorstelle. Zu
diesen Bildern gehört das des Hirten, der seine Schafe weidet. Es stellt sich ein
Glücksgefühl ein, wenn ich bei einem Spaziergang eine Schafherde wahrnehme. Für
einen Moment ist alle Hektik vergessen, wenn ich auf einer Autofahrt zufällig eine
Herde Schafe sehe, die von einem Hirten bewacht am Wegesrand grast. Ich kenne
kein Kind, das nicht auf den Hinweis auf eine Schafherde begeistert nach Hirten und
Herde Ausschau hält.
Das Bild des Hirten wirkt idyllisch und weckt in uns die Sehnsucht nach einem
harmonischen Zusammenleben mit der Natur. Und doch muss das Bild des Hirten,
der seine Herde weidet, noch eine andere Dimension besitzen, damit es der Seele so
gut tun kann. Vielleicht kommen wir diesem Moment näher, wenn wir uns dem
Bibelwort zuwenden, das den Mittelpunkt der heutigen Predigt bildet: Jesus Christus
spricht: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe“ (Joh
10, 11).
1.
In diesem Ich-bin-Wort nennt Jesus sich selbst den guten Hirten. Er behauptet von
sich, wie ein guter Hirte zu sein, der eine Beziehung zu seinen Schafen hat, der sie
sich vertraut gemacht hat. Jesus spricht damit jene Dimension an, die das Bild des
Hirten seit Jahrtausenden so ansprechend macht und es zum Gleichnis erhebt für eine
religiöse Aussage: Gott ist wie ein Hirte, der sich um uns Menschen kümmert wie der
Hirte um seine Herde. Das Bild des Hirten und der Herde rührt so eine Tiefenschicht
unserer Seele an, greift die Sehnsucht auf nach Geborgenheit oder nach einer sicheren
Wegleitung.
Das Bild des Hirten hat diese Kraft, weil der Beruf des Hirten, des nomadisch
herumziehenden Kleinviehbesitzers zu den ältesten Berufs- und Lebensformen der
Menschheit zählt. Es sind wohl die archaischen Seiten dieses Berufes, der ihn so
faszinierend und zugleich für religiöse Aussagen zugänglich macht. So muss ein
Hirte seiner Herde den Weg weisen, er muss die Schafe zusammenhalten, Verlaufene
zurückführen und sie vor Gefahr beschützen. Er muss sie zu den guten Weideplätzen
bringen. Und er spricht den Schafen Mut zu, wenn sie durch finstere Schluchten oder
unwegsames Gelände müssen. Der Hirte zieht mit den Schafen; seine Arbeit ist nicht
getan, wenn die Sonne untergegangen ist. Er muss bei den Schafen bleiben. In
gewisser Weise gibt er sein Leben für seine Schafe. Und so ist es keine Übertreibung,
wenn Jesus von sich sagt: „Ich bin der gute Hirte“.
Wenn Jesus von sich als dem guten Hirten spricht, der sein Leben gibt für seine
Tiere, dann hebt er sich ab von den unguten Hirten, die ihren Beruf nicht als
2
Lebensaufgabe, sondern nur als Broterwerb verstehen. Die Tagelöhner setzen nicht
ihr Leben ein, um die Herde vor Gefahr zu bewahren. Noch schlimmer sind die
falschen Hirten, denen es nicht um das Wohl der Tiere geht, sondern nur um das
eigene Vorwärtskommen. Von diesen falschen Führern ist die Welt voll. Sie bringen
die ihnen Anvertrauten in Gefahr und überlassen sie dann ihrem Schicksal. Diese
falschen Führer erwecken den Anschein, Hirten zu sein. In Wirklichkeit sind die eher
mit Rattenfängern zu vergleichen.
Ganz anders Jesus. Er ist ein Hirte, dem seine Herde wichtiger ist als sein eigenes
Leben. „Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe“ – wenn das von einem Hirten
gesagt werden kann, dann von ihm. Jesus Christus ist der gute Hirte.
2.
Das Bild des Hirten tut der Seele gut, weil es eine archaische Berufs- und
Lebensform aufgreift. Im Alten Testament ist noch eine Ahnung davon vorhanden,
dass die Vorfahren der Israeliten lange Zeit als nomadisierende Hirten mit ihren
Herden herumzogen, bis sie endlich im gelobten Land sesshaft wurden. Dem
Nomadenfürsten Abraham offenbarte sich Gott als mitgehender Gott, der nicht an
einen kultischen Ort gebunden war. In den Erzählungen über König David wird
darauf verwiesen, dass er vom Hirtenjunge zum König wurde. In der
Weihnachtsgeschichte sind es Hirten, die als erste dem neugeborenen Jesuskind
huldigten und ihm Geschenke brachten. Es ist sicher kein Zufall, dass Hirten in
diesen Erzählungen eine wichtige Rolle bekamen. Ein Hirtenjunge wird König,
Hirten beschenken an Weihnachten das neugeborene Jesuskind. Hirten werden in
diesen Erzählungen wie eine Chiffre benutzt. Sie sind arm und wenige geachtet und
doch besitzt der Beruf des Hirten eine religiöse Dimension, die ihn zum Symbol für
Gott werden lässt.
3.
Der Blick auf eine am Rande weidende Schafherde lässt mich innehalten. Für einen
Moment werde ich herausgerissen aus meiner Welt. Das Bild des Hirten, der seine
Herde weidet, scheint aus einer anderen Zeit zu stammen, steht im Kontrast zur Welt,
wie ich sie heute wahrnehme.
Und so stellt sich mir die Frage, ob es denn heute überhaupt noch angemessen ist, das
Bild des Hirten zu gebrauchen, um über Gott zu sprechen. Der Hirte, der seine Schafe
leitet, ihnen den Weg weist – ist das ein adäquates Bild für Gott. Steckt dahinter nicht
ein unangemessen autoritäres Gottesbild? Wollen wir Heutigen denn überhaupt
geleitet werden? Oder lieben wir nicht vielmehr unsere Selbständigkeit und Freiheit.
Wir wollen alles andere als Herdenvieh sein, verstehen uns als Individualisten und
höchstens sekundär als Angehörige einer Gruppe.
Und vor allem, wird nicht durch jeden Terroreinsatz, jedes sinnlose Leid die
Vorstellung von Gott als einem guten Hirten radikal in Frage gestellt? Wo ist Gott –
so muss man unwillkürlich fragen, wenn man die Bilder der Anschläge in Madrid
sieht.
Von Gott als dem guten Hirten zu sprechen, ist das deshalb nicht genauso überholt
wie der Beruf des Hirten, der kaum mehr in unsere Zeit passt?
3
In dem Bibelwort, der den Mittelpunkt dieser Predigt bildet, spricht Jesus Christus
von sich selbst: „Ich bin der gute Hirte.“ Und er fügt sofort an: „Der gute Hirte lässt
sein Leben für die Schafe.“ Es ist ganz und gar nicht autoritär, wenn Jesus diesen
Aspekt des Hirtenberufs in den Vordergrund stellt, dass der Hirte im Notfall sogar
sein Leben wagt, um seine Schafe vor wilden Tieren zu retten. Wenn Jesus von sich
sagt, er sei der gute Hirte, dann versteht er sich weniger als Anführer einer Herde,
sondern viel mehr als einer, der die Herde beschützt. Er will in erster Linie bewahren.
Er bringt seine Herde nicht in Gefahr, wie die falschen Hirten. Im Gegenteil, er gibt
selbst sein Leben hin.
Schluss:
Und so ist es nicht überholt das Bild vom Hirten. Vielleicht passt es in unsere Zeit
sogar besser, als wir zunächst meinen, entwickeln wir Heutigen uns doch mehr und
mehr zu Menschen mit einer nomadischen Lebensweise. Es ist längst allgemein
üblich, nach der Schulzeit oder zum Studium in eine andere Stadt zu ziehen, einen
Beruf zu ergreifen, wo auch immer er angeboten wird. Von Zeit zu Zeit brechen viele
von uns ihre Zelte ab, um sie an einem anderen Ort oder mit anderen Menschen
wieder aufzuschlagen. Heimat ist nicht mehr der eine vertraute Ort, an dem man
geboren wurde und die Kindheit verbrachte. Zu Heimat kann jeder Ort werden – für
eine begrenzte Zeit. Unsere heutige Lebensweise hat sich in gewisser Weise an die
des Hirten mit seiner Herde angepasst.
Da ist es gut, wenn man um einen Hirten weiß, der uns beschützt und zugleich mit
uns geht von Ort zu Ort. Vielleicht lenkt er ja auf geheimnisvolle Weise unsere
Schritte, bewahrt uns an Leib und Seele und führt uns auf rechter Straße. Ein solches
Bild vom guten Hirten tut der Seele gut.
Amen
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ORGELVORSPIEL
BITTE UM DEN HEILIGEN GEIST EG 124, 1-2
BEGRÜSSUNG
Votum
Sonntag Okuli, dem dritten Sonntag in der Passionszeit. „Meine Augen sehen stets
auf den Herrn“ – diese Worte geben dem Sonntag Okuli seinen Namen. In gewisser
Weise werde ich in der Predigt auf den Aspekt des Sehens eingehen. Im Mittelpunkt
aber wird das Jesus-Wort aus Joh 10 stehen: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte
lässt sein Leben für die Schafe“, mit dem die Predigtreihe über die Ich-bin-Worte
Jesu fortgesetzt wird.
EINGANGSLIED EG 602: Du hast gesagt: „Ich bin der Weg“
PSALM 23:
Gott sorgt für mich wie ein Hirte,
niemals bin ich verlassen.
Gott befreit mich von der Lebensangst
und erlaubt mir ein Dasein ohne Hast,
Er stärkt meine Seele und zeigt mir den guten Weg.
Er will für mich Gott sein.
Auch in dunklen Zeiten habe ich keine Angst vor dem Letzten,
denn du – Gott – bist bei mir,
deine Gegenwart und dein Geleit geben mir Schutz.
Du lässt mich teilhaben an der Fülle des Lebens,
obwohl es Gründe gibt, verzweifelt zu sein.
In den dunklen Stunden bist du mir nahe und tröstest mich.
Du empfängst mich zärtlich
Und nimmst mich überschwänglich auf.
Ich lebe im Vertrauen auf deine Güte und dein Erbarmen
und setze meine Hoffnung auf dich.
Gott sorgt für mich wie ein Hirte,
niemals bin ich verlassen.
Lasst uns Gott dafür preisen:
G: Ehr sei dem Vater
KYRIE
In Christus begegnet uns der gute Hirte.
Er wendet sich uns zu
und hilft uns zum Leben.
Wir aber übersehen ihn, gehen an ihm vorbei
und versäumen unser Leben.
Deshalb bitten wir Gott um Erbarmen:
G: Herre, Gott, erbarme dich
5
GLORIA
Christus hält uns die Treue.
Er gibt sein Leben für uns
und schenkt uns Leben, das kein Tod zerbricht.
Und niemand wird uns aus seiner Hand reißen.
Darum loben wir Gott und singen:
G: Ehre sei Gott in der Höhe
TAGESGEBET
Gott, unser Vater, du hast uns deinen Sohn gesandt:
Jesus Christus, den guten Hirten,
der uns sammelt,
der uns den Weg weist,
der uns schützt in Gefahr.
Wir bitten dich: Gib uns deinen Geist,
dass wir die Stimme des guten Hirten erkennen
und ihm folgen auf dem Weg in das ewige Leben.
G: Amen
SCHRIFTLESUNG (Joh 10, 11-16 + 27-30)
GLAUBENSBEKENNTNIS
ANSAGEN VON KLINGELBEUTEL UND KOLLEKTE
Der Klingelbeutel, der beim folgenden Lied eingesammelt wird, ist bestimmt für die
Einrichtung Franka (Sie wissen darüber viel besser Bescheid als ich. Deshalb bitte ich
Sie, selbst zwei bis drei Sätze über Franka zu formulieren).
Die Kollekte am Ausgang ist bestimmt für das Evangelische Fröbelseminar in der
Hugo-Preuß-Straße.
Dort
werden
Erzieherinnen,
Heilpädagogen
und
Sozialassistenten ausgebildet, die nach ihrer Ausbildung überwiegend in kirchlichen
und diakonischen Einrichtungen arbeiten.
LIED EG 616: Auf der Spur des Hirten
PREDIGT
LIED EG 274: Der Herr ist mein getreuer Hirt
ABKÜNDIGUNGEN
6
FÜRBITTEN
Lasst uns beten zu Gott, der uns nahe ist in Jesus Christus, dem guten Hirten:
Für alle, die gerne glauben möchten,
sich aber schwer tun angesichts der Finsternis der Welt,
dass sie die Spuren des göttlichen Lichts erkennen
und Hoffnung schöpfen aus Gottes Lebensbotschaft.
Wir rufen: Herr, erhöre uns.
Für alle, die gerne glauben möchten,
sich aber quälen mit ihren Zweifeln,
dass sie nicht aufhören zu fragen und zu suchen,
für die Skeptischen, dass sie sich nicht täuschen und bedrücken lassen
von denen, die auf alles eine Antwort wissen.
Wir rufen: Herr, erhöre uns.
Für alle, die verfolgt werden von den Schatten ihrer Schuld,
dass sie Mut schöpfen aus der Kraft der Vergebung;
für alle, die verzweifeln angesichts des Leides in dieser Welt,
dass sie deinen Wegen trotz allem vertrauen.
Wir rufen: Herr, erhöre uns.
Für die Menschen, denen das Leben sinnlos erscheint,
die es wegwerfen wollen oder es vergeuden,
dass sie Menschen finden, die ihnen die Freude am Leben wiedergeben
und die ihnen zum Vorbild werden.
Wir rufen: Herr, erhöre uns.
Für die Menschen, die um einen geliebten Menschen trauern,
der ihnen genommen wurde,
dass sie Kraft finden für ihre Trauer und dass sie getröstet werden
mitten in ihrem Schmerz.
Wir rufen: Herr, erhöre uns.
Für die Opfer der Terroranschläge von Madrid und alle, die um sie trauern.
Nimm die Opfer auf in deinen Frieden
und schenke den Trauernden Trost und Halt in ihrer Verzweiflung.
Und wehre allen, die ihre politischen Ziele auf menschenverachtende Weise durch
Blutvergießen durchsetzen wollen.
Wir rufen: Herr, erhöre uns.
STILLE
VATERUNSER
SCHLUSSLIED EG 370, 11-12
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ANSAGEN
Wir laden Sie herzlich ein zu einer Fülle von Veranstaltungen:
- am kommenden Sonntag wird die Predigtreihe zu den Ich-bin-Worten Jesu
fortgesetzt. Pfarrerin Thies-Lomb wird über Joh 8 sprechen: „Ich bin das Licht
der Welt“.
- Außerdem laden wir ein zum Kleinkindergottesdienst, der am kommenden
Sonntag um 11.30 Uhr im Chorraum der Christuskirche stattfindet
- Herzliche Einladung auch zu der ökumenischen Bibelwoche, die von Morgen,
Montag bis Mittwoch jeweils um 19.00 Uhr in unserem Gemeindepavillon
stattfindet (Handzettel liegen aus)
- Außerdem wollen wir auf die Aufführung des Passionsoratoriums „Das
Sühnopfer des neuen Bundes“ von Carl Loewe einladen, das die Kantorei
zusammen mit Vox Humana sowie Musikern und Sängern vom Staatsorchester
am Samstag den 20. März um 16.00 Uhr aufführt. Der Eintritt beträgt 10,00
Euro, für Schüler und Studenten 5.00 Euro.
- Und schließlich wollen wir für die Aufführung der Leipziger Spielgemeinde
einladen, die am Dienstag, den 30. März ein Theaterstück über Martin Luther
aufführt, nicht wie im Gemeindebrief angekündigt am 27. April. Die
Aufführung beginnt um 19.00 Uhr im Gemeindehaus in der
Rammelsbergstraße 21. Handzettel liegen am Ausgang aus.
Außerdem sind sie im Anschluss an diesen Gottesdienst herzlich eingeladen, zu einer
Tasse Tee oder Kaffe unter der Empore und zum Predigtnachgespräch, das im
Chorraum stattfindet.
SEGEN
ORGELNACHSPIEL