Praxisbeilage 4 | 06

Transcrição

Praxisbeilage 4 | 06
Praxisbeilage 4 | 06
[email protected]
Angriffspower
In der aktuellen Ausgabe des Swiss Volley Magazins möchten wir euch, liebe
Trainerinnen und Trainer, einige wichtige Prinzipien in der Ausbildung des
Angriffs näher bringen. Für die Jugendlichen ist dieses Grundelement zentral:
Der Smash führt in den meisten Fällen
zum direkten Punktgewinn (vergleichbar
mit einem Torschuss im Fussball) und ist
dank seiner athletischen Ausführung
sehr attraktiv.
Es gibt verschiedene Ansichten in der
Entwicklung des Angriffs: Während einige Trainer eine sehr analytische Philosophie bevorzugen (Trennung von Anlauf,
Sprung- und Schlagbewegung), fördern
andere Übungsleiter eine ganzheitlichere
Methode. Sicherlich hängt diese Wahl bis
zu einem bestimmten Grad vom Niveau
der Spielerinnen und Spieler ab. Uns
scheint klar, dass der Angriff möglichst
schnell nach seiner Einführung mit spiel-
nahen Übung trainiert werden sollte,
um den Transfer des Techniklernens in
die Praxis sicher zu stellen. Die Trainerin
muss es also schaffen, die analytischen
Schlüsselpunkte möglichst schnell mit
ganzheitlichen Übungen zu verbinden.
Wir versuchen, euch in dieser Ausgabe
einige Tipps und Erfahrungen zu dieser
Problematik mitzugeben.
Eine genaue Analyse der besten Angreifer und Sprungaufschläger der Welt
zeigt, dass im Spitzenvolleyball zwei
«Grundtechniken» existieren: Die eine
Hälfte führt die Schlagbewegung mit einer markanten Klappbewegung von Unter- und Oberkörper durch, während die
andere Spielergruppe hauptsächlich mit
einer Rotationsbewegung des Oberkörpers arbeitet. Es scheint uns wichtig, dass
diese Tatsache bereits im Jugendtraining
berücksichtigt wird. Und zu guter Letzt
möchten wir euch von der Wichtigkeit
überzeugen, dass die Energie in der
Angriffsausführung hauptsächlich nach
oben und nicht nach vorne zielen muss,
um Schulterverletzungen vorzubeugen
(siehe Seite 18).
Weil auch der Sprungaufschlag eng mit
den Grundsätzen des Angriffs verbunden ist, können diese Prinzipien ebenfalls in der Service-Ausbildung angewendet werden.
Auf der letzten Seite der Praxisbeilage
findet ihr wiederum einen Vorschlag
eines Spielsystems. In dieser Ausgabe
stellen wir das 6-2 vor, eine beliebte Variante eines Spielsystems mit 2 Zuspielern, die zugleich auch Angreifer sind.
Nach dem 6:3 auf Stufe Junioren C ist
das 6:2 die logische Fortsetzung.
Das Redaktionsteam der Praxisbeilage
wünscht euch, liebe Trainerinnen und
Trainer, eine erfolgreiche Meisterschaft.
Praxisbeilage Swiss Volley 4 | 06
Der Angriff
Überblick und Prinzipien der Angriffsausbildung
Vorbereitungsphase
Von der Vorbereitungsphase zum Schlag
• Grundsätzlich hat für den Zuspieler immer der Angrei- • Die Knie und die Hüften führen.
fer Priorität, der am besten aufs Ziel (Feld des Gegners) • Die Energie geht zuerst nach oben.
ausgerichtet ist.
• Die Einführung des 3-Meter-Angriffs soll sehr früh geschehen, weil damit dem Spieler die «Angst» vor dem
Netz genommen wird (siehe Übungssammlung).
• Für Rechtshänder gilt der Anlauf links-rechts-links
mit einem Rhythmus kurz-lang-kurz. Für Linkshänder
rechts-links-rechts. Akustische Hilfen wie «Am-sterdam» können für den Einsteiger eine willkommene
Lernhilfe sein.
• Der erste Schritt ist der so genannte «Orientierungsschritt». Er geht ins Spielfeldinnere, wenn der Pass
kurz ist und ins Spielfeldäussere, wenn der Pass lang
ist. Ausserdem regelt er mit seiner Länge die Tiefe im
Raum (Pass nah oder weit vom Netz).
18
Der Einfluss auf die Schlaggeschwindigkeit
Streckung des Ellbogens und Schnelligkeit des Arms
46 %
Rotation des Schultergelenks
23 %
Rotation oder Heben der Brust
15 %
Verschiebung des Körperschwerpunktes
nach vorne (Nutzung des Raumes)
8 %
Handgelenkeinsatz (in Verbindung mit
dem Vorderarm)
6 %
4 | 06
[email protected]
Einführung Angriff
Übung 1: Ball schlagen
Die Spieler schlagen den Ball aus der Hand an eine Wand.
Varianten:
• Ball auf Wandmarkierung schlagen
• abwechselnd zu zweit
• gegen Wand – Auto-Verteidigung – Ball fangen (Fortgeschrittene direkt)
Übung 2: Standsmash
Die Spielerinnen werfen sich den Ball mit beiden Händen
an und schlagen ihn möglichst präzise zum Partner.
Varianten:
• Partnerin wirft den Ball an
• über das Netz (Netzhöhe darf auch variiert werden)
Übung 3: Autosmash
Die Spieler werfen sich den Ball mit beiden Händen an
und schlagen ihn im Sprung über das Netz ins gegnerische Feld.
Varianten:
• auf Ziele schlagen (in die Angriffszone oder auf Matten)
• nach Eigenpass Smash im Sprung über das Netz ins gegnerische Feld
• Distanz zum Netz variieren (1 Meter bis 3 Meter)
4 | 06
19
Praxisbeilage Swiss Volley 4 | 06
Der Angriff
Technik-Knotenpunkte
Gürtel verbinden
Gürtel trennen
© FIVB
© FIVB
Sind Beckengürtel und Schultergürtel beim Angriff parallel, nennen wir das «Gürtel verbinden».
Sind Beckengürtel und Schultergürtel beim Angriff versetzt, nennen wir das «Gürtel trennen».
Spieler, die beim Angriff die Gürtel verbinden (linkes Bild),
führen die Schlagbewegung mit einer markanten Klappbewegung des Unter- und Oberkörpers aus. Ihr Ellbogen geht
bei der Schlagvorbereitung schnell nach oben. Die Rotation des Oberkörpers ist nur gering wahrzunehmen. Spieler,
die beim Angriff die Gürtel trennen (rechtes Bild), brauchen für die Schlagbewegung eine ausgeprägte Rotation
des Oberkörpers. Ihr Ellbogen bleibt lange hinten-unten
und wird erst kurz vor der Schlagbewegung nach oben geworfen. Die Vorbereitung des linken Arms (für Rechtshänder) ist dabei sehr wichtig, da damit die Rotation verstärkt
werden kann. Für alle Spielerinnen und Spielern ist eine
dieser beiden Bewegungen natürlicher als die andere
(hängt mit den Muskelketten zusammen). Wir bitten alle
Trainerinnen und Trainer, durch Beobachtung und Rückfragen diese Vorlieben der Spielerinnen zu entdecken. Mit
natürlichem Techniklernen kann bereits im Jugendalter
viel Zeit gewonnen und das Verletzungsrisiko minimiert
werden. Wird der Spieler jedoch in ein vorgefasstes Technikschema gezwungen, das nicht seiner Bewegungsart
entspricht, kann diese natürliche Stärke nur zu einem Teil
ausgenutzt werden.
Übungssammlung
Übung 4: Anlaufrhythmus
Mit Hilfe von Bodenmarkierungen üben die Spielerinnen den ZweiSchrittanlauf. RechtshänderInnen: links – rechts / links; schräger Anlauf zum Netz Pos. 3 und 4, senkrechter Anlauf zum Netz Pos. 2.
Varianten:
• verschiedene Anlaufrichtungen, -positionen bzw. -distanzen
• Orientierungsschritt auf eine Langbank oder ein Kastenoberteil
hinauf
linker Fuss
Langbank /Kastenoberteil
rechter Fuss
Übung 5: Tennisbälle werfen
Nach dem Anlauf und Absprung werfen die SpielerInnen einen
Tennisball in das gegnerische Feld.
Varianten:
• verschiedene Anlaufrichtungen bzw. -positionen
• auf Ziele werfen (in die Angriffszone oder auf Matten)
• Tennisball beim Start in der linken Hand (Rechtshänder), beim
Orientierungsschritt wird der Tennisball hinter dem Rücken in die
rechte Hand übergeben, dann mit der rechten Hand geworfen
20
Laufweg
Ballweg
Matte
4 | 06
[email protected]
Übung 6: kurz angeworfene Bälle
Der Trainer wirft den Angreiferinnen den Ball in die Schlagbewegung
hinein (über und nicht vor die Spielerin, Absprung vor dem Anwurf).
Die Spielerinnen springen mindestens 1 Meter vom Netz weg ab.
Varianten:
• verschiedene Angriffstechniken: Drehschläge bzw. Schläge über
die Schulter einsetzen
• auf Ziele schlagen
Laufweg
Ballweg
Laufweg
Strumpf
Ballweg
Laufweg
Ballweg
Übung 7: gehaltener Ball
Zwei Spieler stehen je auf einem Schwedenkasten und halten einen
Ball in einem Strumpf. Die Angreifer laufen an, springen ab und
schlagen den gehaltenen Ball.
Variante:
• mit Bodenmarkierungen
Kasten
Übung 8: lang angeworfene Bälle
Der Trainer wirft den Ball auf die Position 4. Die Angreifer schlagen
diesen Ball im höchsten Punkt.
Varianten:
• Erleichterung: den Ball im höchsten Punkt mit beiden Händen
fangen (Timing)
• verschiedene Techniken (Drehschlag, Schlag über die Schulter)
• Würfe auf Pos. 2
• Angriff gegen Block
Matten
Übung 9: Block – Anlauf – Smash
1 Trainerservice auf Annahmespielerin
Block – Anlauf holen
2 Annahme auf Zuspielerin
3 Zuspiel auf Pos. 4
4 Angriff
3
1
Varianten:
• Angriffsposition 3 und 2
• verschiedene Techniken (Drehschlag, Schlag über die Schulter)
• Angriff gegen Block oder auf Ziele
2
4
Ballweg
Laufweg
Übung 10: Angriffs-Verteidigungsspiel
Das Volleyballfeld ist mit Klebband unterteilt. Auf der Position 4 wird
gegen einen Einerblock diagonal angegriffen. Nach der Feldverteidigung der Spielerinnen auf den Positionen 5 und 4 erfolgt ein Gegenangriff auf der Position 4.
Varianten:
• Erleichterung: Angriff mit Sprungpass
• die ersten zwei Netzüberquerungen erfolgen «miteinander», anschliessend wird gegeneinander gespielt
4 | 06
2
3
1
5
Laufweg
4
Ballweg
21
Der Angriff
Praxisbeilage Swiss Volley 4 | 06
Spielsystem 6-2
In der letzten Ausgabe (03-2006) haben wir euch das
Spielsystem 6-3 vorgestellt, das hauptsächlich im Junioren C Bereich angewandt wird. Heute entwickeln wir
diese Überlegungen weiter und gehen zum Spielsystem
6-2 über, das statt mit drei nur noch mit zwei Zuspielern
gespielt wird. Dieses System empfehlen wir allen Junioren
B Teams, je nach Niveau auch Junioren A Mannschaften.
Die zwei Zuspieler werden mit der vorliegenden Variante
in den Angriff einbezogen, was eine zu frühe Spezialisierung verhindert. Ausserdem sind, weil die Zuspieler
immer Hinterfeldspieler sind, immer drei Angreifer verfügbar. Das erschwert die Arbeit der gegnerischen Verteidigung und ist im Sinne des modernen Volleyballs, wo
die ganze Breite des Netzes (9m) ausgenützt wird.
Zuspieler auf Position 1/4 (hinten rechts)
Zuspieler
Angreifer
Verteidigung gegen Pos. 4
Der Verteidiger auf Pos. 6 verschiebt sich
immer diagonal zum Angreifer oder auf die
Grundaufstellung
Jeder Zuspieler ist während drei Positionen für
das Zu­spiel verantwortlich. Hier auf Position 1.
Annahme und Angriff
Immer mindestens vier Angreifer (3× vorne / 1× 3m. Pos. 6) sollen integriert sein
Linie. Die Netzspieler sind für den 3-MeterRaum verantwortlich
Zuspieler auf Position 3/6 (hinten Mitte)
Zuspieler
Angreifer
Verteidigung gegen Pos. 3
Der Verteidiger auf Pos. 6 passt seine Position dem Block an. Die Netzspieler sind für
den 3–Meter–Raum verantwortlich
Grundaufstellung
Jeder Zuspieler ist während drei Positionen für
das Zu­spiel verantwortlich. Hier auf Position 6.
Annahme und Angriff
Immer mindestens vier Angreifer (3× vorne / 1× 3m. Pos. 6) sollen integriert sein
Zuspieler auf Position 2/5 (hinten links)
Zuspieler
Angreifer
Verteidigung gegen Pos. 2
Der Verteidiger auf Pos. 6 verschiebt sich
diagonal zum Angreifer oder auf die Linie.
Die Netzspieler sind für den 3–Meter–Raum
verantwortlich
Grundaufstellung
Jeder Zuspieler ist während drei Positionen für
das Zu­spiel verantwortlich. Hier auf Position 5.
Annahme und Angriff
Immer mindestens vier Angreifer (3× vorne / 1× 3m. Pos. 6) sollen integriert sein
Impressum
Redaktion
Übungssammlung
Layout und Fotos
Email
22
Philipp Schütz
Bertrand Théraulaz
Markus Lutziger
Philipp Reinmann
[email protected]
4 | 06