Die Entwicklung des Diakonats im Aargau

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Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
Diakonatskapitel
Die Entwicklung des
Diakonats im Aargau
Impressum
Herausgeber
Diakonatskapitel Aargau
Fotos:
Elisabeth Bardill, Frank Worbs,
reformierter Informationsdienst Aargau (ria)
Layout: filmreif.ch, Seon
Druck: click it AG, Seon
Auflage: 750 Exemplare
Jahrgang:2013
Kontakt
Fachstelle Diakonie der
Reformierten Landeskirche Aargau
Christian Härtli
Telefon 062 838 00 26
Stritengässli 10, 5001 Aarau
E-Mail [email protected]
Titelseite: Ordination 2009 der Sozialdiakoninnen Nadja Deflorin
und Barbara Zobrist durch Hans Peter Mauch, Bildquelle: ria
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
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Inhalt
Vorwort4
Die Anfänge
5
Pfarrermangel6
Ausbildungen und Richtlinien für den Dienst des Gemeindehelfers
6
Entwicklung des Diakonats – Vom Hilfsdienst zum eigenständigen Dienst
8
Der Wandel vom typischen Frauenberuf zum Beruf für Frauen und Männer
10
Diakoniekapitel und Ordination
11
Gemeinsame Ordination von Pfarrerinnen und Pfarrern und
Sozial-Diakonischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (SDM)
13
Diakonischer Dienst und Pfarramt
13
Von der «Motion Brugg» zur Partnerschaftlichen Gemeindeleitung (PGL) –
Der diakonische Dienst auf dem Weg zur Gleichstellung
14
Die Fachstelle Diakonie der Reformierten Landeskirche Aargau
15
Die Stiftung Diakonie-Rappen
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Die Deutschschweizerische Diakonatskonferenz (DDK)
16
Das Kreuz mit der Berufsbezeichnung
17
Reglemente und Richtlinien
18
Zum Schluss: Der rote Faden in der Entwicklung des Diakonats im Aargau
18
Anhang:
Geschichtlicher Kurz-Überblick
Entwicklung der diakonischen Stellen im Aargau
20
22
4
Reformierte Landeskirche Aargau
Vorwort
Die vorliegende Broschüre zur Entwicklung des Diakonats im Aargau zu verfassen gab
uns Gelegenheit in vergangene Zeiten einzutauchen. Zu forschen und nachzulesen, wie’s
früher war und wie sich ein Beruf «von der Pfarrhelferin zum Sozialdiakon» entwickeln
konnte. Wir sind ins Archiv der Reformierten Landeskirche Aargau hinab gestiegen und
haben einen grossen Schatz an Informationen, Berichten und Geschichten gefunden,
vorab in den Jahresberichten seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Und wir haben uns mit
Berufskollegen und -kolleginnen unterhalten und von ihrem Erfahrungsschatz und ihren
Erinnerungen profitieren können.
Nun liegt das Resultat unserer Arbeit vor und wir stellen fest, dass es noch viel mehr
zu erzählen gäbe. Dass wir noch mehr Kolleginnen und Kollegen nach ihren Erfahrungen
hätten befragen, noch mehr nach Zusammenhängen hätten forschen wollen. Aus Zeitgründen mussten wir uns jedoch auf das Wesentliche beschränken.
Wir danken allen, die uns bei unserer Arbeit unterstützt haben. Das Nachforschen hat
uns Freude gemacht. Möge es Dir / Ihnen beim Lesen ebenso ergehen.
Aarau, im August 2013
Ursula Bezzola, pensionierte Gemeindehelferin, Kirchenrätin von 1993 bis 2003
Hans Peter Mauch, Sozialdiakon, Kirchenrat von 1997 bis 2012
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Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
Die Anfänge
Anfangs des 20. Jahrhunderts war der diakonische Auftrag des Evangeliums noch kaum
von Bedeutung. Verkündigung und Unterricht hatten Priorität und waren ausschliesslich
Pfarrern vorbehalten. So erstaunt es nicht, dass kirchliche Mitarbeitende neben dem
Pfarramt noch kein Thema waren. Zwar sind schon früh der Klassenhelfer und die
Kantons­helfer erwähnt, doch diese Hilfsämter wurden von jungen Pfarrern kurz nach
dem Studium ausgeübt, und sie wurden nur während Notzeiten besetzt. Dies, obschon
diakonische Themen wie Fürsorge für die Armen, christliche Vereinstätigkeit oder Förderung des Schulwesens früh formuliert wurden. So fragte ein Synodaler vor dem Ersten
Weltkrieg nach einer sinnvollen «werktätigen Nächstenliebe». Während des Krieges
erwachte der Wunsch, «für die heranwachsende Jugend eine tüchtige Kraft zu finden».
In vielen Gemeinden wurden meist auf Initiative von Kirchgemeinde und Pfarrern
Gemeindeschwestern, oft Diakonissen, angestellt, um eine einfache medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Diese Frauen (Gemeindeschwestern, Gemeindehelferinnen,
Sozialarbeiterinnen) können als Vorläuferinnen der Spitex bezeichnet werden.
Im Generalbericht von 1930 bis 1939 wird beschrieben, dass in einigen Kirchgemeinden­
«Helferkreise im Sinn der Diakonie» am Entstehen sind. «Einige Gemeinden haben
­Gemeindehelferinnen, die dem Pfarrer zur Seite stehen. Dort wo Gemeindeschwestern
sind, auch sogenannte neutrale, können sie eine gute Hilfe sein, wenn sie mit dem Pfarramt zusammenarbeiten.»
Im selben Zeitabschnitt wird betont, dass die Kirchen­
mitglieder sich auch mit der Tat zu Christus bekennen
sollen. Als Tatbekenntnis wird die Hilfsbereitschaft bezeichnet, wie sie während der Zeit der Arbeitslosigkeit
und während des Krieges in Erscheinung getreten ist:
«Dazu braucht es keine Glaubensleute (…), die Bekenner
mit der Tat bilden überall eine kleine Schar, die das ihnen­
in Christus geschenkte Leben in Treue und Geduld zu
leben suchen.» Wichtig ist dem Schreiber jener Zeilen,
dass das Blaue Kreuz und die Heilsarmee in vielen Gemeinden die Tatkräftigen unterstützen.
In dieser Zeitspanne entstanden im Aargau die ersten
Stellen für Gemeindehelferinnen.­Meist waren es Sozial­
arbeiterinnen, die sich in der Kirche einsetzten. Die erste­
Stelle entstand 1936 in Baden und wurde von Fräulein
Hildegard Riniker besetzt.
Erste Gemeindehelferin im
Aargau: Hildegard Riniker
mit freundlicher Genehmigung
von Elisabeth Bardill
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Reformierte Landeskirche Aargau
Pfarrermangel
In den 1950er Jahren herrschte im Aargau ein eklatanter Pfarrermangel. Während zwischen 1940 und 1949 im Aargau 33 Pfarrerordinationen stattfanden, waren es zwischen
1950 und 1959 nur noch sieben.
Anmerkung: Die erste Frau wurde 1938 ordiniert, durfte aber nur als Pfarrhelferin
amten. Eine der ersten Frauen, die ein selbständiges Pfarramt übernehmen durfte, war
im Jahre­1963 die spätere Kirchenratspräsidentin Silvia Michel in Ammerswil.
Gegen Ende der 50er Jahre kommen die Helferkreise immer mehr ins Bewusstsein.
Neuzuzüger werden aufgesucht, betagte Gemeindeglieder werden besucht und zu den
Altersnachmittagen eingeladen. Manchmal sind auch Kirchenpfleger aktiv. Diese Helfer
und vor allem Helferinnen werden «Brückenköpfe» in die Gemeinde genannt. Viele
Pfarrfrauen organisieren diesen Dienst, denn sie tragen als Nächstbeteiligte die Arbeit
des Pfarrers mit. An der November-Synode 1951 wurde die Motion von Pfr. F. Luchsinger­
aus Seon mit 20 Mitunterzeichnern überwiesen, welche forderte, dass in Kirchgemeinden­
ab 2000 Mitgliedern weitere Pfarrstellen eingerichtet oder Anstellungen von Hilfskräften
vorgenommen werden können. Begründet wurde dies mit dem Wachsen der Bevölkerungs­
zahl im Aargau, weshalb die Arbeitslast der Pfarrer dauernd ansteige.
Im Jahresbericht 1965 wird erwähnt, dass der Pfarrermangel immer drückender, ja
zum Problem wird. Aus Birr wird berichtet, dass die zweite Pfarrstelle seit 1963 nicht
besetzt werden konnte. Als Zwischenlösung wurde der Birrer Gemeindeschreiber Paul
Jäggi, welcher sich aufs Theologiestudium vorbereitete, halbamtlich als Gemeindehelfer
angestellt. Paul Jäggi wurde später Kirchenrat (ab 1980) und von 1987 bis 2002 Kirchenrats­
präsident.
Ausbildungen und Richtlinien
für den Dienst des Gemeindehelfers
Im Jahresbericht 1965 sind 14 Gemeindehelfer-Stellen erwähnt, wovon 5 unbesetzt waren!­
Diese Tatsache bewog den Kirchenrat, sich über die Gemeindehelferausbildung Gedanken zu machen und einen kleinen Ausschuss zu bilden, welcher ein Dokument über den
Dienst des Gemeindehelfers ausarbeiten sollte. Dieses Dokument legte der Kirchenrat
der Synode vor. Diese forderte ihn auf, das Dokument den Dekanaten und den Kirch­
gemeinden vorzulegen und die Anregungen in die Tat umzusetzen. Nun war der Auftrag
geboren, Richtlinien für die Anstellung von Gemeindehelfern auszuarbeiten und Fortbildungen zu organisieren. Neu entstandene oder nicht besetzte Stellen sollten die Kirchgemeinden melden, damit der Kirchenrat diese begutachten konnte. Mit der Schweize-
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
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rischen Evangelischen Bibelschule in Aarau (Heute Theologisch-Diakonisches Seminar),
der Diakonenschule in Greifensee, der Zürcher Aus- und Weiterbildung von kirchlichen
Mitarbeitenden (Akim), der Schule für Diakonie und Gemeindearbeit und den Schulen
für Sozialarbeit wurden ab diesem Zeitpunkt Kontakte gepflegt. Von all diesen Ausbildungs­
möglichkeiten existieren aktuell nur noch das Theologisch-Diakonische Seminar Aarau
als Höhere Fachschule und die Fachhochschulen für Sozialarbeit mit Zusatzausbildung
in Theologie und Gemeindearbeit.
Es war dem Kirchenrat schon damals ein grosses Anliegen, dass der Dienst der
­ emeindehelferinnen und Gemeindehelfer ein eigenständiger Beruf sein sollte. Keine
G
«Pfarrhelferstellung», aber auch keine Pfarrer zweiten Ranges wollte man. Der Gefahr,
dass Pfarrer ohne Universitätsabschluss zum Spielball der Kirchenpflegen werden könnten, wollte man energisch entgegenwirken.
Im Generalbericht der 60er Jahre tauchen erstmals berufsbildklärende Fragestellungen
auf. So wird unter dem Titel «weitere Ämter» aus zwei städtischen Gemeinden folgendes
gesagt:
«Die Gemeindehelferinnen versehen einen wertvollen Dienst. Während sie für die
Gruppenarbeit geschult wurden, zeigt sich, dass unsern Pfarrern die Ausbildung zur
Arbeit im Team fehlt und sie zu Individualisten erzogen worden sind. Die Gemeinde
nimmt den Spezialdienst der Gemeindehelferin noch zu wenig in Anspruch.»
«Da die erste Gemeindehelferin jetzt die Gemeinde verlässt, waren wir gezwungen,
in Zusammenhang mit der Neubesetzung die Konzeption des Amtes gründlich zu
überlegen. Dabei stellte sich heraus, dass auf der einen Seite die Konzeption des
‹Mädchen für alles› (alles, was niemand kann oder mag) ausscheidet. Aber auf der
anderen Seite ebenso sehr die Konzeption des hochgezüchteten Spezialisten auf einer
sehr schmalen Sparte wegfällt. Wir brauchen Gemeindehelfer, die mit Schwergewicht
in zwei oder drei Sparten mitarbeiten...» (Generalbericht 1960 – 69, Seite 37)
Pfarrer Friedrich Saam, Wettingen, Präsident der Gemeindehelferkommission, führte 1974
eine Umfrage über den Ausbildungsstand, die Tätigkeitsgebiete und die Weiter­bildungs­
wünsche der Gemeindehelfer durch. Die Ergebnisse sollten dann bei der Schaffung einer
Ausbildungsstätte für kirchliche Mitarbeiter berücksichtigt werden. In der Frage der
Grundausbildung von Gemeindehelfern sollte mit dem Diakonenhaus Greifensee und
der Bibelschule Aarau das Gespräch aufgenommen werden. Sie wurden in der Folge als
Ausbildungsorte anerkannt, ebenso wie die Schulen für Sozialarbeit.
Wo die Anstellung einer Gemeindehelferin oder eines Gemeindehelfers vorgesehen
war, überprüfte die Gemeindehelferkommission im Auftrag des Kirchenrates deren
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Reformierte Landeskirche Aargau
Wählbarkeit. Wer keine der anerkannten Ausbildungen abgeschlossen hatte, musste um
eine ausserordentliche Aufnahme in den diakonischen Dienst nachsuchen. Die Kommission forderte dann Weiterbildungen, welche die Wissenslücken füllen sollten. Auf diese
Weise konnten vielfältige Begabungen und Erfahrungen für die Gemeindearbeit fruchtbar
gemacht werden.
Ab 1976 wurden Weiterbildungen in Form von Zweijahreskursen für kirchliche Mit­
arbeiterinnen und Mitarbeiter (WBK) angeboten. Ab 1987 wurden diese durch den dreijährigen Theologiekurs abgelöst.
Mit der Qualität der Ausbildung wuchs bei Gemeindehelferinnen und Gemeindehelfern­
der Wunsch, eigenständig zu arbeiten und die Verantwortung für bestimmte Bereiche zu
übernehmen.
«Kirchlichen Mitarbeitern sollen in den Gemeinden selbständige Arbeitsbereiche
übertragen werden, die ihr eigenes Gepräge bekommen können. Kirchliche Mitarbeiter­
sind nicht Handlanger des Pfarrers, sondern Partner, die in der Lage sind, in ihrem
Bereich selbständige Verantwortung zu übernehmen.»
«Die Theologen sagen es schon lange und es steht auch in der Bibel: Es gibt in der
Kirche verschiedene Begabungen. Man sollte sie so entwickeln, dass sie sich zu verschiedenen Berufen entfalten können. Aber der Weg von dieser theoretischen Erkenntnis­
zur praktischen Verwirklichung ist dornenvoll und lang. In unserer Kirche dominiert
noch weitgehend ein Amtsverständnis, nach dem der Pfarrer, wenn nicht alleiniger, so
doch überlegener Träger der kirchlichen Aktivitäten ist. Ein solches Amtsverständnis,
das auch von vielen kirchlichen Behörden gestützt wird, erschwert es allen Gemeinde­
helferinnen und Gemeindehelfern ausserordentlich, ihren Beruf als etwas Eigen­
ständiges zu verstehen, das man zwar in Zusammenarbeit mit dem Pfarrer, aber nicht
nur als Hilfsarbeit für ihn praktizieren muss.» (Pfr. Friedrich Saam, JB 1976)
Pfr. Friedrich Saam ist vieles zu verdanken, was in den 70er Jahren seinen Anfang nahm
und dabei Schritt für Schritt die Entwicklung möglich machte, welche 1992 / 3 zur Entstehung des Diakoniekapitels und zur Ordination von Diakonischen Mitarbeitenden
führte.
Entwicklung des Diakonats –
Vom Hilfsdienst zum eigenständigen Dienst
«Die Schaffung von neuen Stellen lief zeitlich und aufgabenmässig irgendwie parallel
mit dem Bau von Kirchgemeindehäusern in praktisch allen Kirchgemeinden. Der gemeinsame Nenner für beide Entwicklungen ist wohl das Aufblühen von Gruppen und
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Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
Ordination von Diakonischen
Mitarbeitenden 1997;
Thomas Gautschi, Beat
Urech, Heidi Anneler, Hans
Peter Mauch, Maja Hunziker,
Markus Pletscher (von links)
Bildquelle: ria
Gruppenarbeit in den Gemeinden …», schreibt Pfr. Kurt Walti, Kirchenratssekretär, in
seiner Schrift «Vom Werden und Wirken der Kirche».
Das berufliche Selbstverständnis wächst in den 1980er Jahren zusehends. Dazu
gehören­die Überprüfbarkeit der eigenen Stellung und der Arbeitsmethoden, aber auch
der Austausch untereinander, das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Entspannung als
Ausgleich zum vollgestopften Pflichtenheft und Terminkalender. Manche litten unter
dem Einzelkämpfertum, nicht wenige sind daran gescheitert und mussten den Dienst
quittieren.
Im Jahresbericht 1984 schreibt Ernst Zürcher, Diakon in Neuenhof und Präsident der
Kommission für Gemeindehelferfragen: «Wir sind eine bunt zusammengewürfelte Schar
kirchlicher Mitarbeiter. Das bestätigte unsere Umfrage ‹die Situation der Gemeindehelfer
im Aargau›. Unterschiedliche Ausbildungswege und die weite Palette von Aufgaben in
den einzelnen Gemeinden rufen nach ganz verschiedenen Weiterbildungsmöglichkeiten.
Eines aber haben wir gemeinsam: Den Auftrag zur Mitarbeit in unserer Landeskirche.»
Im Februar 1981 erliess der Kirchenrat erstmals «Richtlinien für den Dienst des
­ emeindehelfers». Angetönt wird darin auch die fehlende Möglichkeit der Aus- und
G
Weiterbildung auf kantonaler und schweizerischer Ebene.
Ein erster kirchenpolitischer Höhepunkt in der Entwicklung des Diakonats war die
Wahl von Ruedi Schlosser in den Kirchenrat am 12. Januar 1983. Ruedi Schlosser war
Gemeindehelfer und seit seiner Anstellung in Oftringen 1965 in verschiedenen kantonalen Kommissionen aktiv. Durch seine Wahl in die Aargauer Exekutive hatte die stetig
wachsende Zahl der Gemeindehelfer plötzlich eine Stimme in der «Regierung», die
seither nicht mehr verstummte. Ihm folgten von 1993 bis 2003 Ursula Bezzola, von 1997
bis 2012 Hans Peter Mauch und ab 2012 Beat Maurer.
10
Reformierte Landeskirche Aargau
Ordination von Diakonischen
Mitarbeitenden 2000:
Andreas Benz, Beat Maurer,
Markus und Barbara Thalinger,
Hans Peter Mauch, Ursula
Bezzola (von links)
Bildquelle: ria
Ausserdem waren von den rund 50 Diakonischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
seit den 1990er Jahren immer 10 bis 12 Mitglieder der Synode. Zum Vergleich: Von den
ca. 150 Pfarrerinnen und Pfarrern sass seit jeher rund ein Drittel in der Synode.
Ein weiterer wichtiger Schritt war in den 90er Jahren der Einsitz des ersten Diakonischen
Mitarbeiters als Arbeitnehmervertreter in die Verwaltungskommission der Pensions­kasse.
Der Wandel vom typischen Frauenberuf
zum Beruf für Frauen und Männer
Es fällt auf, dass bis in die 60er Jahre fast ausschliesslich Gemeindehelferinnen angestellt
wurden. Mag sein, dass sich Frauen damals besser für Hilfsdienste eigneten als Männer.
Auf der anderen Seite waren die ersten Gemeindehelferstellen so schlecht bezahlt, dass
der Lohn nicht reichte, um eine Familie zu ernähren.
So erzählt Elisabeth de Quervain, pensionierte Sozialdiakonin in Zofingen, von einer
Kollegin, die 1945 ihren Kirchenpflegspräsidenten um mehr Lohn bat. Seine Antwort:
«Ja, Fräulein, wenn Sie schon keinen Mann bekommen haben, sollten Sie doch froh sein,
dass Sie bei uns arbeiten dürfen.» Mit ihrem Lohn konnte sie die Miete von zwei Mansarden bezahlen; eine davon brauchte sie für die Arbeit mit Jugendgruppen.
Männer wurden zwar angestellt, zum Beispiel Absolventen der Diakonenschule
Greifen­see, sie versahen jedoch meistens den Sigristendienst und übernahmen daneben
Gemeindehelferaufgaben.
Das änderte sich erst in den 60er Jahren, als immer mehr Vollzeitstellen geschaffen und
besser entlöhnt wurden. Erich Baumann, pensionierter Sozialdiakon in Unter­entfelden,
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Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
ist der Meinung, «dass diese Entwicklung einhergeht mit dem gesellschaftlichen Wandel
in jenen Jahren. Es war die Zeit der Jugendunruhen. Die geschlossenen kirchlichen
Jugend­gruppen, etwa die Junge Kirche, mussten neuen Angeboten für junge Menschen
weichen. Es entstanden offene Gesprächsgruppen, Jugendtreffs, Discos usw.» Für diese
Aufgaben wurden mehrheitlich Männer angestellt.
In jener Zeit übernahmen Gemeindehelferinnen und Gemeindehelfer sehr oft soziale
Pflichten der politischen Gemeinden. Es fehlte überall an Personal für die vielfältigen
neuen Aufgaben.
Die Statistiken im Anhang (Seite 22) zeigen die Entwicklung der Gemeindehelfer­
stellen seit 1996. Generell lässt sich feststellen, dass sich die Anzahl Stellen in den
letzten 17 Jahren bei rund 50 eingependelt hat. 1996 bis 2004 waren deutlich mehr
Männer im diakonischen Dienst als Frauen, seit 2005 halten sich Männer und Frauen in
etwa die Waage. Die Vollzeitstellen werden über die ganze Zeitspanne von deutlich mehr
Männern besetzt, während bei den Teilzeitstellen die Frauen überwiegen.
Diakoniekapitel und Ordination
Die Vertretung von Diakonischen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
Synode und Kirchenrat hat die Entwicklung des Diakonats nachhaltig
beeinflusst. Höhepunkt des Wirkens
von Kirchenrat Ruedi Schlosser war
die Entstehung des Diakoniekapitels
und die Ordination von Diakonischen Mitarbeitenden anfangs der
90er Jahre.
Die Synode stimmte am 24. Juni
1992 in Frick der Schaffung des
Diakoniekapitels (heute Diakonatskapitel) und der Ordination von Dia­
konischen Mitarbeitenden zu. Als
Begründung wurde der Artikel 1 der
«Übereinkunft Sozial-Diakonische
Dienste» der Deutschschweizerischen Landeskirchen angeführt. Diese
Übereinkunft wurde von der Aargau-
Der erste Ausschuss des Diakoniekapitels:
Elisabeth de Quervain, Rebecca Wittwer Grolimund,
Irene Widmer-Huber, Thomas Passerini, Sigwin
Sprenger, Hans Peter Mauch (von links)
aus dem Archiv von Frank Worbs
12
Reformierte Landeskirche Aargau
er Synode bereits früher genehmigt. Darin wird die Gleichwertigkeit des Dienstes am
Wort und des sozial-diakonischen Dienstes festgehalten (siehe auch Seite 17).
Am 29. November 1992 fand in Oberentfelden die erste Ordination und am 11. Januar­
1993 in Windisch die Gründungsversammlung des Diakoniekapitels statt. Als erster
Präsi­dent wurde Sigwin Sprenger, Diakonischer Mitarbeiter in Murgenthal (heute in
Mellingen)­gewählt. Ebenso verabschiedete das Diakoniekapitel an dieser ersten Sitzung
sein Geschäftsreglement. Neben Kirchenrat Ruedi Schlosser war Sigwin Sprenger die
treibende Kraft bei der Schaffung von Strukturen für den Beruf und für die Stellung­der
Diakonischen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter in der Aargauer K
­ irche.
Gemeinsames Pfarr- und
Diakoniekapitel in Reinach 1998;
Ursula Bezzola (unten)
Bildquelle: ria
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
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Gemeinsame Ordination von Pfarrerinnen und Pfarrern und
Sozial-Diakonischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (SDM)
Seit dem 2. Dezember 2001 werden Pfarrerinnen und Pfarrer und SDM in einem gemeinsamen Gottesdienst ordiniert. Jeder Dienst wird mit einem spezifischen Gelübde in
Pflicht genommen.
Mit den unterschiedlichen Gelübdeformeln (für Pfarrerinnen und Pfarrer siehe KO
151/100/66, für SDM siehe KO 151/100/83) werden die Unterschiede hinsichtlich der
Ämter und der Aufgabengebiete klar ausgedrückt. Der gemeinsame Ordinations­
gottesdienst war am Anfang nicht unumstritten. Vor allem Pfarrerinnen und Pfarrer
hatten Bedenken, dass es zu Unklarheiten in den Zuständigkeiten kommen könnte und
die Gemeindeglieder den Unterschied zwischen Pfarramt und Diakonischem Dienst
nicht mehr wahrnehmen würden. Inzwischen sind die Ordinationsfeiern zu einem Highlight im Jahresablauf geworden.
Diakonischer Dienst und Pfarramt
Die Schaffung des Diakoniekapitels und die Ordination waren einerseits der Abschluss
einer jahrelangen Suche nach dem Berufsverständnis und der rechtlichen Stellung der
Diakonischen Mitarbeitenden, andererseits waren sie erst der Anfang in einem Prozess
des Zusammenwachsens. 2001 schreibt Anna Luchsinger bezüglich der Situation in den
Deutschschweizer Kirchen im Annex der Reformierten Presse Nr. 39 / 2001: «Die bunte
Vielfalt der SDM ist der Prüfstein, ob es gelingt, ein eigenständiges Profil zu entwickeln,
ohne auseinanderzufallen. Der Wandel ist nicht abgeschlossen. Er zeigt aber Wirkung.
Gerade die Theologinnen und Theologen nehmen ihn wahr. Ihre (theologische, rechtliche, finanzielle) Stellung ist zwar nach wie vor die bessere. Ohne sie wird es nie gehen,
ohne SDM sehr wohl. Trotzdem fühlen sie sich verunsichert.»
«Wozu noch Pfarrpersonen?» fragt denn auch Pfarrerin Katharina Fuhrer im gleichen
Heft der Reformierten Presse (Annex Nr. 39/2001). «Im Zuge der zunehmenden Bedeutung
der Diakonie ist das Berufsbild der Pfarrerinnen und Pfarrer immer diffuser geworden.­
In der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau hat die Pfarrerschaft
deshalb ein Berufsbild erarbeitet.»
Diese Aussagen zeigen, dass das zunehmende Selbstbewusstsein der SDM im Aargau,
und wohl auch in den übrigen Kantonalkirchen, nicht einfach hingenommen wurde.
Und schon gar nicht kritiklos. Kritik gab es auch in den eigenen Reihen. Den Einen war
es zu viel «Aufhebens», sie wollten alles belassen, wie es war. Den Andern ging die
Abgrenzung zur Pfarrerschaft zu wenig weit.
14
Reformierte Landeskirche Aargau
Von der «Motion Brugg» zur Partnerschaftlichen
Gemeinde­leitung (PGL) – Der diakonische Dienst auf
dem Weg zur Gleichstellung
An der Synode vom 24. November 1993 reichten die Synodalen der Kirchgemeinde
Brugg eine Motion mit folgendem Wortlaut ein: «Der Kirchenrat unterbreitet der Synode
eine Vorlage, in der die Mitgliedschaft in der Kirchenpflege so angepasst ist, dass auch
die Diakonischen MitarbeiterInnen das Stimmrecht in der Kirchenpflege haben. Begründung: An der Synodesitzung vom 24. Juni 1992 wurde eine Vorlage genehmigt, die eine
Ordination der Diakonischen MitarbeiterInnen sowie deren Aufnahme in die Dekanatskapitel vorsieht. Ausserdem wurde das Kapitel für diese MitarbeiterInnen in die Kirchen­
ordnung aufgenommen. All diese Bemühungen gehen in die Richtung einer bedeutungsmässigen Gleichstellung der PfarrerInnen und der Diakonischen MitarbeiterInnen. ­Diese
Bestrebung, die in manchen Kirchgemeinden in der Aufgabenteilung sichtbar wird, muss
unterstützt und weitergeführt werden. Als eine solche Weiterführung ist diese Motion
zu verstehen. Dank ihrer Aufwertung tragen die Diakonischen Mitarbeiterinnen auch
mehr an der Verantwortung mit. Es ist somit stossend, dass sie diese nicht mit ihrem
Stimmrecht in der Kirchenpflege wahrnehmen können.»
Die Motion wurde nicht überwiesen, die Diskussion über das Ämterverständnis aber
war lanciert.
Kirchenratspräsident Pfarrer Paul Jäggi legte­
Ende 1996 ein vielbeachtetes und heute­noch
aktuelles Papier «zum Miteinander der Dienste» vor. «Alle drei Dienste, derjenige der Verkündigung und der Sakramente, der­jenige der
Leitung und derjenige der Diakonie, machen
zusammen das eine Amt der Gemeinde,­in der
Nachfolge Jesu Christi seinem Evangelium zu
dienen und das Amt der Versöhnung zu predigen, aus. Von jedem der drei Dienste aus gibt
Pfr. Paul Jäggi
Bildquelle: ria
es den Zugang zum ganzen einen Amt.
Jeder der drei Dienste trägt die Aspekte der anderen in sich. Und wenn das so ist für den
Dienst selber, so ist es natürlich auch so für die einzelnen berufenen Trägerinnen und
Träger des Dienstes. Diese Ganzheit des einen Amtes in seinen verschiedenen DiensteAusbildungen kann nur dort von der G
­ emeinde als glaubhaft wahrgenommen werden,
wo die Trägerinnen und Träger der Dienste ihrer inneren Berufung gemäss denken, reden,
handeln und leben und eine echte Partnerschaft leben. Das ist ein hoher Anspruch. Doch
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
15
billiger zu haben ist die Berufung durch die Gemeinde in einen solchen Dienst nicht,
wenn denn nicht die Gemeinde schweren Schaden nehmen soll.»
Die Mitverantwortung in der Gemeindeleitung bedingte die Volkswahl der Diakonischen Mitarbeitenden. Die Synode fasste im Jahr 2000 Grundsatzentscheide zur Partnerschaftlichen Gemeindeleitung, welche aufgrund von Befragungen des Projektes «Kirche
2002» (Zukunftsprojekt der Landeskirche Aargau) entwickelt wurden. Im Juni 2001
stimmte sie dann der Volkswahl und dem Stimmrecht für die Diakonischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu.
Wie sich zeigen sollte, war es mit den Beschlüssen der Synode und dem Erlassen von
Reglementen nicht getan. Nun begann erst die eigentliche «Arbeit», wie sie jede Partnerschaft erfordert.
«Leitung will gelernt sein», schreibt Pfr. Paul Jäggi im Annex zur Reformierten Presse­
Nr. 39 / 2001. Und weiter: «Allerdings ist die Gabe der Leitung nicht einfach jedem ge­
geben. Sie muss geschult, geübt und reflektiert werden. Und dies von allen: ob die
Mitglieder der Kirchenpflege aus weltlichen oder kirchlichen Berufen kommen.»
Der Kirchenrat legte in der Folge besonderen Wert auf die Schulung von Mitgliedern
der Kirchenpflegen in den reformierten Aargauer Kirchgemeinden.
Dass Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone auch in die Dekanatsleitungen gewählt
werden können, ist ein weiterer logischer Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung der
Dienste.
Die Partnerschaftliche Gemeindeleitung gibt immer wieder und immer noch Anlass
zu Diskussionen. Sie ist ein anspruchsvolles, aber zukunftsweisendes Modell.
Die Fachstelle Diakonie der
Reformierten Landeskirche Aargau
Schon im Jahr 1986 bewilligte die Synode eine neue Stelle zur Wahrnehmung vielfältiger
diakonischer Aufgaben auf kantonaler Ebene. Noch im Jahr zuvor war der Antrag des
Kirchenrates zurückgewiesen worden. Die Synode verlangte klarere Strukturen und Aufgabenbeschriebe für die neue Stelle. Vor allem aber musste die Abgrenzung zur diakonischen Arbeit in den Gemeinden geklärt werden.
Seit ihrem Bestehen nimmt die Fachstelle Diakonie vielfältige Aufgaben wahr: zum
einen mit diakonischen Projekten auf kantonaler Ebene und zum andern mit der Begleitung und Befähigung von Diakonischen Mitarbeitenden und Freiwilligen im Dienst der
Kirchgemeinden.
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Reformierte Landeskirche Aargau
Die Stiftung Diakonie-Rappen
«Manchmal ist praktische Hilfe die beste Seelsorge: wenn jemand eine unverhoffte Rechnung
nicht bezahlen kann, wenn jemand unverschuldet in die Misere gerät», schrieb Pfr. Martin
Kuse, Möriken, zum 10-jährigen Jubiläum der Stiftung Diakonie-Rappen. Im Herbst 1996
nahm der Diakonie-Rappen seine Tätigkeit auf. Er wurde von drei Mitgliedern­des Diakoniekapitels (Ursula Bezzola, Heidi Neeser und Sigwin Sprenger) gegründet, nach wieder­
holten Diskussionen, wie Menschen in Not geholfen werden könnte. Das Diakoniekapitel­
wollte mit dem Diakonie-Rappen ein Zeichen der Solidarität mit Not Leidenden setzen.
Heute, nach fast 20-jähriger Tätigkeit, darf festgestellt werden, dass dies gelungen ist!
Die Stiftung Diakonie-Rappen hat seit ihrem Bestehen bis Ende 2012 1’074 Gesuche um
finanzielle Unterstützung bewilligt und einen Gesamtbetrag von rund 650’000 Fr. auszahlen können. Die Mittel dazu werden von Einzelpersonen, von Kirchgemeinden und
von der Reformierten und der Römisch-Katholischen Landeskirche gespendet.
Die Deutschschweizerische Diakonatskonferenz (DDK)
Wie die reformierte Aargauer Kirche waren auch die übrigen deutschschweizerischen
Kantonalkirchen aufgefordert, den Diakonat zu klären, seine Entwicklung zu reflektieren
und ihm seinen Platz unter den Diensten der Kirche zuzuweisen.
Auf Initiative von Pfr. Walter Vonarburg, Leiter der Diakonenschule Greifensee,
Pfr. Dr. Marc E. Kohler, Dozent für Diakonie an der Diakonenschule, und Pfr. Kurt Walti,
Sekretär der Aargauer Landeskirche, schlossen sich die deutschschweizerischen reformierten Landeskirchen zusammen und schufen 1991 mit der «Übereinkunft Sozial-­
Diakonische Dienste» die Grundlage für die «gegenseitige Anerkennung des sozial-­
diakonischen Dienstes und die Schaffung gemeinsamer Voraussetzungen für die gegenseitige Zulassung von Sozialdiakonischen Mitarbeitenden (SDM) in den Kirchendienst.»
Grundsätzlich hält die Übereinkunft fest:
Art. 1: «Anerkennung des sozial-diakonischen Dienstes – Die Mitgliedkirchen der
DDK anerkennen den Dienst am Wort und den sozial-diakonischen Dienst als gleichwertige­
kirchliche Dienste.»
Art. 4: «Verpflichtungen der Mitgliedkirchen – Die Mitgliedkirchen verpflichten sich,
Fragen bezüglich Ausbildung und beruflicher Stellung der Sozial-Diakonischen Mit­
arbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam anzugehen und auf dem Weg der Konsens­
bildung Lösungen zu erarbeiten.»
Dieser «Weg der Konsensbildung» ist ein schwieriger und komplizierter. So wie die
Bedürfnisse und Anforderungen an die SDM in den einzelnen Kirchgemeinden unter-
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
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schiedlich sind, sind sie es auch in den einzelnen Kantonalkirchen. Dass es trotzdem
gelungen ist, eine ganze Reihe von verbindlichen Vereinbarungen zu treffen, darf als
grosser Erfolg gewertet werden.
Die DDK verabschiedete 1996 Mindestanforderungen an die Ausbildung von SDM.
Diese wurden im Jahr 2007 überarbeitet und auf den neusten Stand gebracht. Weiter
wurden Richtlinien für die Weiterbildung und ein Reglement für die ausserordentliche
Zulassung von SDM erlassen.
Mit der Übereinkunft «Sozial-Diakonische Dienste» und den daraus resultierenden
Regelungen ist ein ganz wesentlicher Fortschritt in Bezug auf die Anerkennung des
diako­nischen Dienstes und die Stellung der SDM in den reformierten Deutschschweizer
Kirchen erzielt worden. Die SDM haben sich inzwischen in fast allen Landeskirchen
in Diakonatskapiteln zusammengeschlossen und sich eine eigene Berufsidentität geschaffen.
Das Kreuz mit der Berufsbezeichnung
Ein deutliches Zeichen der Suche nach einem eigenständigen Berufsverständnis sind
die im Laufe der Jahre oft veränderten Berufsbezeichnungen.
Die ersten im diakonischen Dienst der Kirchgemeinden Stehenden wurden Pfarr­
helferinnen genannt. Ihre Aufgabe war es in erster Linie, den Pfarrer zu entlasten.
Später nannte man sie Gemeindehelferinnen und Gemeindehelfer. Damit waren sie
immer noch «Helfende», aber nun in erster Linie für die Kirchgemeinden.
Um das Helfer-Image loszuwerden, nannten sie sich später Diakonische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Als im Rahmen der DDK die Diskussion über die Kantonsgrenzen hinausführte, kam
die Bezeichnung «Sozial» dazu. Es waren in erster Linie die Berner und die Zürcher
Kirche, die diesen Zusatz forderten. In ihren städtischen Kirchgemeinden arbeiten mehr
als anderswo Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die eigentliche Beratungsstellen
für Menschen mit vielfältigen sozialen Problemen führen. Von nun an galt die Bezeichnung «Sozial-Diakonischer Mitarbeiter», resp. «Mitarbeiterin».
Auch die Bezeichnung Mitarbeiterin oder Mitarbeiter musste weichen. Es stellte sich
zu oft die Frage «Mitarbeiterin oder Mitarbeiter von wem?»
Die DDK erklärte am 20. November 2008 Sozialdiakon und Sozialdiakonin zum neuen­
Berufstitel. Diese Bezeichnung gilt bis auf weiteres auch für alle wählbaren Sozial­
diakoninnen und Sozialdiakone in den Kirchgemeinden und der Landeskirche im Aargau.
18
Reformierte Landeskirche Aargau
In dieser Arbeit wurden die in den jeweiligen Zeitspannen gültigen respektive üblichen
Berufs­bezeichnungen übernommen, was logischerweise zu einem kleinen Durcheinander­
führt und das «Kreuz» mit der Berufsbezeichnung illustriert.
Reglemente und Richtlinien
1978 verabschiedete die Synode als erstes in einer Reihe von Reglementen das Reglement
betreffend Weiterbildung hauptamtlicher kirchlicher Mitarbeiter.
Im Februar 1981 folgten die Richtlinien für den Dienst des Gemeindehelfers (Revision­
im Jahre 1997).
Das Reglement für die Minimalbesoldungen der Diakonischen Mitarbeitenden wurde
in einem ersten Anlauf im November 1995 von der Synode zurückgewiesen, ein Jahr
später aber dann doch verabschiedet.
Der Übernahme von Entschädigungen für Praktika von Diakonischen Mitarbeitenden
durch die Reformierte Landeskirche wurde 1999 von der Synode zugestimmt.
2001 wurden die Änderungen der Kirchenordnung betreffend die Partnerschaftliche
Gemeindeleitung (PGL) von der Synode angenommen.
2002 verabschiedete die Synode das Reglement über die Ordinierten Dienste.
2005 folgte das Dienst- und Lohnreglement für die Ordinierten Dienste (DLD), welches
seit dem 1.1.2007 in Kraft ist.
Zum Schluss: Der rote Faden in der Entwicklung
des Diakonats im Aargau
Was mit dem Pfarrermangel und dem Ruf nach Hilfskräften für die Arbeit in den Kirchgemeinden begann und zum eigenständigen Diakonat führte, ist eine fast 100 Jahre alte
Geschichte. Durch diese Geschichte zieht sich ein roter Faden, der von Verantwortung,
von Wertschätzung und von Liebe zur Kirche geprägt ist.
Es wurden im Laufe der Jahre viele Weichen gestellt. Wichtige Entscheide wurden
von Kirchenrat und Synode immer wieder im Sinne eines eigenständigen Diakonats
gefällt. Als man realisierte, dass auch Hilfskräfte für ihren Dienst ausgebildet werden
mussten, wurden Kurse und Lehrgänge geschaffen und angeboten. Mit zunehmender
Selbständigkeit des diakonischen Dienstes wurden Richtlinien und später Reglemente
notwendig. Als die Ansprüche an Ausbildung und Berufserfahrung immer grösser wurden, wurde auch der Ruf nach Gleichstellung mit den Pfarrerinnen und Pfarrern lauter.
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
19
Der rote Faden führt dann logischerweise zur Gründung des Diakonatskapitels, der Ordi­
nation und der Partnerschaftlichen Gemeindeleitung.
Die Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone sind eine bunt zusammengewürfelte Schar
geblieben, sie sind jedoch eigenständig und selbstbewusst geworden. Ihre Aufgaben­
bereiche und Pflichtenhefte sind vielfältig und zeugen von lebendigen Kirchgemeinden.
Pfr. Dr. Paul Kleiner, Rektor des Theologisch-Diakonischen Seminars Aarau, sagt in
einem Interview im Mai 2013: «Wir erleben ja bereits heute, dass viele Kirchgemeinden
und christliche Institutionen Schwierigkeiten haben, alle offenen Stellen zu besetzen.
Dieser Trend könnte sich verstärken. Konkret bedeutet dies, dass Sozialdiakoninnen und
Sozialdiakonen viele anspruchsvolle, faszinierende und erfüllende Arbeitsfelder offenstehen». (mein TDS, Mai 2013 / 08, Seite 13)
Die Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone in der Aargauer Kirche haben viel erreicht
im Laufe der Jahre. Im Vergleich mit anderen Kantonalkirchen ist ihre Stellung heute
eine privilegierte und verantwortungsvolle.
Freuen wir uns darüber!
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Reformierte Landeskirche Aargau
Geschichtlicher Kurz-Überblick
1936 Erstmalige Anstellung einer Gemeindehelferin in Baden
1978
Weiterbildungsreglement (Gleichstellung der Gemeindehelfer)
1981
Richtlinien für den Dienst des Gemeindehelfers (Februar)
1983
Erstmals Vertretung der Gemeindehelfer im Kirchenrat
1986
Schaffung der Fachstelle Diakonie
Ca. 1990 Erstmals Vertretung der Gemeindehelfer in der Synode
Erstmals Einsitz eines Gemeindehelfers in der Verwaltungskommission
der Synode
1991Deutschschweizerische Übereinkunft zur gegenseitigen Anerkennung des
Diakonischen Dienstes wird an der Junisynode gut geheissen.
Artikel 1: Die Partnerkirchen anerkennen den theologischen Dienst und den
Diakonischen Dienst als gleichwertige berufliche Tätigkeit.
1992 Schaffung des Diakoniekapitels (am 24. Juni stimmte die Synode zu)
1992Erste Ordination von Diakonischen Mitarbeitenden in Oberentfelden am
29. November
Claudio Casutt, Christian Kopp, Elisabeth de Quervain, Oskar Saxer, Sigwin
Sprenger, Rudolf Wernli, Irene Widmer-Huber, Rebecca Wittwer Grolimund
1993
Gründung des Diakoniekapitels am 11. Januar in Windisch
In den Ausschuss wurden gewählt: Präsident Sigwin Sprenger
Mitglieder: Rebecca Wittwer Grolimund, Hans Peter Mauch, Heidi Neeser,
Thomas Passerini, Rudolf Wernli, Irene Widmer-Huber
1993
Motion Brugg, betreffend Stimmrecht für DM in KP wird nicht überwiesen
1995
Minimalbesoldungen DM zurückgewiesen (November)
1996Reglement für Minimalbesoldungen DM wird angenommen
(ebenso die für die Katechetinnen)
1996
Gründung der Stiftung Diakonie-Rappen
1998
Synode stimmt der Öffentlichkeitskampagne Diakonie zu (November)
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
2000
21
Synode fällt Grundsatzentscheide zur Partnerschaftlichen Gemeindeleitung
2001
Partnerschaftliche Gemeindeleitung wird von der Synode angenommen (Juni)
Diakonische Mitarbeitende erhalten Volkswahl und Stimmrecht in
Kirchenpflegen
2001Erstmalige Ordination von Diakonischen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern sowie Pfarrerinnen und Pfarrern in einem gemeinsamem
Gottesdienst in Oftringen
2002
Synode stimmt den Grundsätzen für das Reglement Ordinierte Dienste zu
2004Der Übernahme von Praktikumsentschädigungen für Praktikas von
Diakonischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird definitiv zugestimmt
2005Nach einer langen Diskussion und vielen zumeist abgelehnten Anträgen
von Synodalen verabschiedet die Synode mit kleinen Änderungen das
Dienst- und Lohnreglement für die ordinierten Dienste (DLD). In Kraft seit
1. Januar 2007
2008Die Deutschschweizerische Diakonatskonferenz erklärt am 20. November
in Aarau Sozialdiakon und Sozialdiakonin zum neuen Berufstitel
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Reformierte Landeskirche Aargau
Entwicklung der diakonischen Stellen im Aargau
Statistik 1996 bis 2013
Vollzeitstellen ab 80 %
Teilzeitstellen unter 80 % Total
Jahr
Total MännerFrauen Total MännerFrauenMännerFrauen
Total
1996
312110145 9261945
1997
2822 6 18 6 12281846
1998
2318 5 261313311849
1999
2722 5 20 7 13291847
2000
1814 4 382117352156
2001
3024 6 281018342458
2002
2822 6 281018322456
2003
2721 6 291118322456
2004
2822 6 26 9 17312354
2005
2520 5 29 8 21282654
2006
2517 8 251015272350
2007
2215 7 22 7 15222244
2008
2215 7 23 7 16222345
2009
1916 2 26 8 18242044
2010
2115 6 241014252045
2011
2216 6 26 8 18242448
2012
2116 5 301020262551
Ursula Bezzola, 3. Juni 2013
Die Entwicklung des Diakonats im Aargau
Vollzeitstellen 1996 bis 2012
23
Männer / Frauen
30
25
20
15
10
5
0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Teilzeitstellen 1996 bis 2012
25
20
15
10
5
0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
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Reformierte Landeskirche Aargau
Stritengässli 10, 5001 Aarau
Telefon 062 838 00 10
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