Gesundheitskriterien für Zuchtstuten und Aspekte ihrer

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Gesundheitskriterien für Zuchtstuten und Aspekte ihrer
VERSIS Futtermittel
Gesundheitskriterien für Zuchtstuten
und Aspekte ihrer Vererbung
Lahme Stuten in die Zucht?
Die Sportpferdezucht hat sich zum
heutigen Zeitpunkt weltweit sehr konsolidiert. Das kann man vor allem der
Vereinheitlichung der Zuchtziele, verbunden mit der Expansion der Blutlinien der großen Vererber, die direkt oder
über ihre Nachkommen von fast allen
Zuchtverbänden eingesetzt werden,
verdanken. Dazu kommt die Manifestierung des stets nötigen Blutanteils in
vielen Pedigrees über mehrere Generationen hinweg.
Die Zuchtverbände haben sich mehr
oder weniger geöffnet. Die Vermischung der europäischen „Rassen“ ist weit
vorangeschritten und wirkt sich vor allem dort positiv aus, wo leistungsorientierte Mutterstämme richtig eingesetzt
werden.
Durch den Fortschritt der Zucht entstand in den letzten Jahrzehnten ein internationaler Sportpferdetyp, der durch
seine Qualität im Parcours oder im Viereck viel zur Verfeinerung der Reiterei
beigetragen hat.
Wenn die Vereinheitlichung der internationalen Sportpferdezucht weiter
fortschreitet, wird die Zahl der guten
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Sportpferde noch mehr zunehmen. Für
den Züchter bedeutet dies, vor allem in
Zeiten eines wirtschaftlich schwierigen
Umfeldes und einer großen Anzahl angebotener Pferde auf dem Markt, dass
er die Ansprüche an seine Zuchtstuten
hoch ansetzen muss, um ein konkurrenzfähiges Produkt liefern zu können.
Die Kriterien, auf welche man bei einer
Zuchtstute achten sollte, sind:
ffEigenleistung
ffGesundheit
ffEinstellung und Persönlichkeit
ffRittigkeit
ffExterieur und Bewegungsablauf
ffMutterstamm und Pedigree
In diesem Beitrag werden vor allem einige
Punkte angesprochen, die zum Gesundheitsbild einer guten Zuchtstute gehören.
Besonders zu beachten ist natürlich die
Einordnung von erblichen oder angeborenen Schwächen einerseits und Mängel
durch Aufzucht oder Verschleiß andererseits. Eine über lange Zeit im Sport
erfolgreiche oder durch eine Verletzung
ausgemusterte Stute muss selbstverständlich anders beurteilt werden als eine
kränkelnde Stute ohne Sporterfolge.
Hengste müssen heute für fast alle Körungen medizinisch und röntgenologisch untersucht sein, um zum Decken
zugelassen zu werden. Die erhöhten
Ansprüche an die Gesundheit der
Deckhengste, vor allem das Aussortieren röntgenologisch mangelhafter
Hengste, haben in den letzten Jahren
enorme Verbesserungen gebracht.
Dies gilt insbesondere für Befunde
wie Strahlbeinveränderungen (Hufrolle),
Osteochondrose an Gelenken mit oder
ohne Gelenkchips und Knochenspat.
Die Gesundheit einer Zuchtstute ist allerdings nicht weniger wichtig als die eines
Hengstes. Stuten, welche in jungem Alter und ohne schwere Belastung Lahmheiten, vor allem in Verbindung mit mangelhaften Röntgenbefunden aufzeigen,
gehören nicht in die Zucht. Es ist somit
nicht abwegig auch für Zuchtstuten einen Röntgenstatus zu erstellen. Hierauf
basierend bieten einige Zuchtverbände
einen Gesundheitslabel für Stuten an,
der sehr nützlich für Züchter und Käufer
von Zuchtprodukten ist.
Bei den in letzter Zeit immer häufiger
auftretenden Gelenk-, Sehnen- und Bänderverletzungen ist die Unterscheidung
zwischen erblicher Neigung und Verschleiß nicht immer einfach. Hauptursachen dieser Verletzungen sind sicherlich
Überbelastung durch stetiges Bewegen
auf stereotypen Böden, zu häufige einseitige Belastung im Training, Verzicht
auf Geländegang und unkontrolliertes
Laufenlassen auf zu kleinen Flächen.
Für Zuchtstuten sind dennoch einige,
vor allem vom Exterieur bedingte Mängel
nachteilig, die in der Vererbung eine Rolle spielen können.
Exterieurmängel werden heutzutage differenzierter beurteilt als früher. Es geht
nicht um Korrektheit als Selbstzweck,
sondern darum, dass das Exterieur an
erster Stelle zweckmäßig und belastungsfähig sein muss. Das Exterieur soll
also vor allem keine gesundheitsgefährdenden Schwachpunkte aufweisen. Zu
den leicht vererblichen Schwachpunk-
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zehenenge Stellung
rückbiegige Vorhand
(„geschliffenes Vorderbein“)
offenes Sprunggelenk mit
durchtrittiger Hinterhand
ten gehören zum Beispiel zehenenge, zu
steile oder rückbiegige Vorhand, durchtrittige Fesseln und eine offene oder
schlecht gewinkelte, schwache Hinterhand.
ligkeit für chronische Atemwegsprobleme oder Kehlkopfpfeifen können
vererblich sein und den kommerziellen Wert eines Zuchtproduktes beeinträchtigen. Zu dieser Thematik gibt
es wenig Studien und auch keine genauen Statistiken. Man muss sich
deswegen vor allem auf Erfahrungswerte stützen.
Zum Gesundheitsbild einer Zuchtstute
gehören des weiteren natürlich ihre
Muttereigenschaften und ihre Fruchtbarkeit. Um diese zu optimieren sollte darauf geachtet werden, eventuelle
„Altlasten“ abzustellen oder zu lindern,
welche eine Stute aus einer langen,
anstrengenden Sportkarriere mitbringen kann (z.B. Magengeschwüre, Gelenkentzündungen, usw). Auch ist zu
bemerken, dass ältere Zuchtstuten, vor
allem wenn sie schon mehrere Fohlen
haben, verstärkt unter einer Demineralisierung der Zähne leiden, welche
Zahnwurzelfrakturen und Ausfallen der
Backenzähne zur Folge hat. Vor allem
bei schlechter Futterverwertung und
Schwierigkeiten beim Fressen ist Zahnpflege auch bei Zuchtstuten wichtig.
Eine stark zehenenge Stellung neigt zu
Überbelastung der seitlichen Huf- und
Fesselbänder. Die rückbiegige Vorhand mit unterstehendem Vorderbein
belastet vor allem die Beugesehnen und
das Unterstützungsband. Durchtrittige
Fesseln mit offen gewinkelten Sprunggelenken führen oft zu Schäden an den
Fesselträgern und Gleichbeinen. Viele
andere Exterieurmängel sind oft zwar
angeboren, deshalb aber nicht erblich.
Hierzu gehören vor allem Schiefstellungen, welche durch die Lage des Fötus
im Mutterleib zu erklären sind. Diese
verbessern sich oft mit dem Wachstum.
Qualität, Form und Größe der Hufe
scheinen sehr vererblich. Dies ist für den
Züchter einer von vielen Gründen, sich
den ausgewählten Hengst vor der Anpaarung genau anzusehen um eventuelle Schwächen seiner Stute nicht noch
zu betonen, sondern auszugleichen. Die
in der heutigen Zeit sehr einfach gewordene oberflächliche Betrachtung mittels
Videos oder Internetseiten ist vielleicht
nicht immer ausreichend zur gewissenhaften Wahl einer Anpaarung.
Andere Mängel und ihre f
Tendenz zur Vererbung
Manchmal verharmloste Gesundheitsstörungen, wie z.B. Koppen, Anfäl-
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Zur Untugend des Koppens ist zu
sagen, dass die Neigung hierzu mit
Sicherheit erblich ist. Praktische Erfahrungen zeigen, dass vor allem die
Väter und Mutterväter das Koppen
vererben. Dies ist ein Beweis dafür,
dass die genetische Prädisposition
eine genauso wichtige Rolle spielt wie
das Angewöhnen durch Langweile
oder Stress. Eine Tendenz zur Vererbung kann man auch bei der chronisch obstruktiven Bronchitis (früher
Dämpfigkeit) beobachten, obwohl
hierbei natürlich Haltung und Hygiene
der Pferde die vorrangige Rolle spielen.
Die Größe einer Stute lässt nicht unbedingt auf die Größe und den Rahmen ihrer Nachzucht schließen. Zu
kleinrahmige Stuten mit zu wenig
Galopp, aber auch übergroße, disproportionierte Stuten mit Schwächen
im Exterieur sind bedenklich für die
Zucht. Letztere neigen oft zu besonderen Problemen wie Lymphoedemen (dicke Beine), Kehlkopfpfeifen,
Shivering usw. Diese Mängel sind wiederum vererblich und können hinderlich sein.
Da es immer noch viele Unklarheiten
über die Vererbung mancher Krankheiten oder Mängel gibt, obliegt es dem
Züchter im Einzelfall über die Zuchttauglichkeit einer Stute zu entscheiden.
Jedenfalls ist auch aus gesundheitlicher Sicht der Einsatz von sporterprobten Stuten aus leistungsbezogenen,
konsolidierten Stämmen der sicherste
Weg zur erfolgreichen Zucht.
Gesunderhaltung über lange Zeit, also
Dauerhaftigkeit und Härte, sind jedenfalls wertvolle Merkmale einer guten
Zuchtstute.
In einem nächsten Beitrag werden
wir genauer auf die gynäkologischen
Aspekte der Gesundheit bei Zuchtstuten eingehen.
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