Schulpflicht bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf

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Schulpflicht bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht und Kultus
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 80327 München
An die Regierungen SG 40, 41 und 44
An die Staatlichen Schulämter
An die Volksschulen zur sonderpädagogischen
Förderung
Per OWA
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IV.9-5 S 8322-4.88 729
München, 18.09.2007
Telefon: 089 2186 2572
Name: RDin Götz
Schulpflicht
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf
ergeben sich immer wieder Fragen zur Dauer und Erfüllung der Schulpflicht, die nachfolgend dargestellt werden sollen:
Im Grundsatz dauert die Schulpflicht nach Art. 35 Abs. 2 des Bayerischen
Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) 12 Jahre,
wobei sich die Schulpflicht nach Abs. 3 in die Vollzeitschulpflicht und die
Berufsschulpflicht gliedert. Die Schulpflicht wird nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1
BayEUG durch den Besuch einer Pflichtschule, d.h. an einer Volksschule,
Berufsschule, Volksschule zur sonderpädagogischen Förderung, Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung und Schule für Kranke erfüllt.
Hinsichtlich der Erfüllung der Schulpflicht an weiterführenden Schulen, an
Ergänzungsschulen und an außerbayerischen Schulen wird auf Art. 36
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 2 BayEUG verwiesen.
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Telefax: 089 2186 2800
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Der freiwillige Besuch eines weiteren Schuljahres an der Volksschule bzw.
der Volksschule zur sonderpädagogischen Förderung nach Art. 38 bzw.
Art. 41 Abs. 5 BayEUG bedeutet, dass zwar einerseits die Berufsschulpflicht ruht, die Schülerinnen und Schüler also nicht die Berufsschule besuchen müssen, andererseits zählen diese Schulbesuchsjahre im Rahmen
der Schulpflicht nach Art. 35 Abs. 2 und Art. 41 Abs. 4 BayEUG. Dies kann
dazu führen, dass u.U. durch Wiederholen einer Jahrgangsstufe zusammen
mit dem freiwilligen Besuch der Volksschule bzw. der Volksschule zur sonderpädagogischen Förderung die Schulpflicht bereits mit Abschluss oder
Entlassung aus der Volksschule bzw. Volksschule zur sonderpädagogischen Förderung nach 12 Schulbesuchsjahren endet. Sollte die Schülerin
oder der Schüler danach ein Ausbildungsverhältnis eingehen, besteht Berufsschulpflicht nach Art. 39 Abs. 2 BayEUG bzw. nach Art. 41 Abs. 6 i.V.m.
Art. 39 Abs. 2 BayEUG für die Zeit des Ausbildungsverhältnisses, maximal
jedoch bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Die Frage der Anrechnung der Jahre an der Volksschule auf den Besuch der Berufsschule wird
daher nur bei denjenigen Jugendlichen relevant, die keinen Ausbildungsvertrag bekommen; diese besuchen insgesamt 12 Jahre die Schule und
nicht länger.
Folgende Besonderheiten bestehen im Bereich der Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung:
1. Für Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen der sonderpädagogischen Diagnose- und Förderklassen nach Art. 20 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a BayEUG die Jahrgangsstufe 1A besuchen, endet die Vollzeitschulpflicht nach 10 Schuljahren (Art. 41 Abs. 4 BayEUG). Die Jahrgangsstufe 1A ist nur in den Förderschwerpunkten Sehen und Hören
verpflichtend, soweit nicht im Einzelfall ein Überspringen dieser Jahrgangsstufe in Betracht kommt (§ 12 Abs. 2 Satz 2 der Schulordnung für
die Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung - VSO-F). Im übrigen ist stets individuell zu prüfen, ob die Schülerin bzw. der Schüler
ein solches zusätzliches Schulbesuchsjahr benötigt (Art. 20 Abs. 4 Satz
1 Nr. 1 Buchst. a BayEUG, § 12 Abs. 2 Satz 1 VSO-F). Die Jahrgangs-
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stufe 1A ist ein spezielles Angebot der individuellen Förderung, das es
nur im Bereich der Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung
gibt und sich bewährt hat. Nach dem Besuch der Jahrgangsstufe 1A
wechseln die Schülerinnen und Schüler in die Jahrgangsstufe 2. Daran
schließen sich die Jahrgangsstufen 3 bis 9 an, so dass auch diese
Schülerinnen und Schüler nach der 9. Jahrgangsstufe ihre Vollzeitschulpflicht erfüllt haben. Sie durchlaufen alle Jahrgangsstufen der
Volksschule und erhalten dadurch ihre Chance auf einen Hauptschulabschluss, qualifizierenden Hauptschulabschluss oder ggf. Mittleren Bildungsabschluss. Dies gilt auch für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die von der Förderschule zwischenzeitlich an die allgemeine Schule gewechselt haben.
Eine Verkürzung der 10jährigen Schulpflicht beim Besuch der Jahrgangsstufe 1A ist nur im Fall des Überspringens nach § 43 Abs. 10
VSO-F bzw. § 27 Abs. 9 VSO möglich. Dafür bedarf es neben eines Antrags der Erziehungsberechtigten vor allem einer besonderen Befähigung, die es erwarten lässt, dass die Schülerin oder der Schüler nach
der individuellen Reife und Leistungsfähigkeit den Anforderungen gewachsen ist. Die Entscheidung über ein Überspringen einer Jahrgangsstufe trifft die Schulleiterin bzw. der Schulleiter. Das Überspringen einer
Jahrgangsstufe ist erfahrungsgemäß die absolute Ausnahme. Dies gilt
umso mehr bei Schülerinnen und Schülern an Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung insbesondere im Förderschwerpunkt Lernen.
Hat eine Schülerin bzw. ein Schüler solche herausragenden Leistungen
im vergangenen Schulbesuchsjahr erbracht, ist die Überweisung an eine Regelschule (ggf. in einer Kooperationsklasse) nachhaltig zu prüfen.
Nicht zulässig ist es, aus Gründen der Klassenbildung, aus allgemeinen
Erwägungen heraus oder sonstigen Gründen die Schülerinnen und
Schüler regelmäßig, d.h. ohne individuelle Bedarfsprüfung, die Jahrgangsstufe 1A besuchen zu lassen und sie dann entsprechend gruppenweise direkt in die Jahrgangsstufe 3 oder nach der Jahrgangsstufe 2
in die Jahrgangsstufe 4 „springen“ zu lassen. Außer der Möglichkeit ei-
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nes individuellen Überspringens gibt es keine Möglichkeit, die Vollzeitschulpflicht - seien es 9 oder 10 Schulbesuchsjahre - zu verkürzen.
2. Bei Schülerinnen und Schüler, die das Förderzentrum, Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (Art. 20 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1c) besuchen, endet die Vollzeitschulpflicht nach 12 Schuljahren (Art. 41 Abs. 4 BayEUG); sie besuchen die Berufsschulstufe (früher Werkstufe) des Förderzentrums. Hat eine Schülerin oder ein Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ihre
bzw. seine Vollzeitschulpflicht bereits an einer anderen Pflichtschule erfüllt (z.B. im Rahmen der aktiven Teilnahme an der allgemeinen Schule)
und besucht er oder sie später das Förderzentrum, Förderschwerpunkt
geistige Entwicklung, so lebt die Vollzeitschulpflicht nicht wieder auf. Die
Schülerinnen und Schüler erfüllen vielmehr ihre bereits entstandene Berufsschulpflicht an dem Förderzentrum als Volksschule zur sonderpädagogischen Förderung (siehe Art. 41 Abs. 6 Satz 4 BayEUG). Die Berufsschulstufe erfüllt die Aufgaben der Berufsschule für Schülerinnen
und Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (Art. 20
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayEUG).
Das Staatsministerium plant im Rahmen der Änderung der Schulordnung für die Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung den
bislang an der allgemeinen Schule aktiv teilnehmenden Schülerinnen
und Schülern Rechnung zu tragen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Wittmann
Ministerialdirigent