Reinigung im Krankenhaus Was wird erwartet und was wird dafür
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Reinigung im Krankenhaus Was wird erwartet und was wird dafür
Vortrag PD Dr. med. A. Schwarzkopf, Hygienetag Deggendorf, 10.05.16 Reinigung im Krankenhaus Was wird erwartet und was wird dafür (nicht) getan? PD Dr. med. A. Schwarzkopf Das Personal - Kapitel 1 Rechtsgrundlagen der Flächenreinigung und Desinfektion BiostoffV (Gefährdungsbeurteilung) TRBA 250 (Hygieneplan, Schutzmittel, Schutzkleidung) Berufsgenossenschaftliche Veröffentlichungen BGV A1 (Koordinationspflicht bei externen Dienstleistern) BGR 206 „Desinfektionsarbeiten im Gesundheitsdienst“ BGR 208 „Reinigungsarbeiten mit Infektionsgefahr in medizinischen Bereichen“ RKI-Empfehlung „Anforderung der Hygiene an die Reinigung und Desinfektion von Flächen“ Flächenreinigung und Desinfektion Anforderungen an das Personal Personal muss in der Gefährdungsbeurteilung erfasst sein (i. d. R. Schutzstufe 2) Personal muss belehrt und eingewiesen sein (Dokumentation!) Geeignete Schutzmittel (Handschuhe mit Stulpen, ggf. Schürzen, Schutzbrille etc,) sind vom Arbeitgeber zu stellen Personalfluktuation in Risikobereichen (z.B. OP, ITS) minimieren Koordinationspflicht bei externem Dienstleister Hygieneplanelemente für Reinigungspersonal – Teil 1 Arbeitsschutz Einstufung nach TRBA 400 Schutzimpfungen betrieblich/außerbetrieblich Postexpositionsprophylaxe Belehrung nach § 14 BiostoffV Personalhygiene Dienstkleidung Schutzkleidung Händehygiene, Handschuhe Handschuhwechselintervalle Reinigung und Desinfektion - Kapitel 2 – Technisches Desinfektion Keimreduktion deutlich > 99 % Keime werden abgetötet Laborstandards vorgegeben Freiheit von pathogenen Mikroorganismen steht im Vordergrund. © Institut Schwarzkopf GbR 6/15, www.institutschwarzkopf.de Seite 1 Vortrag PD Dr. med. A. Schwarzkopf, Hygienetag Deggendorf, 10.05.16 Reinigung Keimreduktion 50-80 % Keime überleben im Putzwasser und auf Putzutensilien Keine Standardisierung Optik steht im Vordergrund. Reinigung -Aspekte Keimreduktion im Wesentlichen durch Entfernung von Partikeln Risiko der Raumluftbelastung gering Risiko der Umweltbelastung gering Wirtschaftlichkeit im Wesentlichen durch Arbeitszeit und –lohn definiert Qualitätssicherung möglich Anwendungsbeobachtung Abklatschuntersuchungen Fluoreszensmarkierungen Reinigung - Anforderungen Stets saubere Reinigungsgeräte und Utensilien zum Einsatz bringen Farblich getrenntes System: Inventar-Sanitärbecken-Toilette Keimverschleppung aus Bereichen mit höherem Risiko muss organisatorisch verhindert werden „Desinfizierende“ Aufbereitung aller Reinigungsutensilien ist zu fordern, z.B. 90 °C-Wäsche von Mopps und Lappen Wischutensilien trocken lagern Dokumentation? Gezielte Desinfektion ist bei allen zu reinigenden Bereichen mit Kontaminationsrisiko einzustellen. Wenn Desinfektion nicht geht Abreicherung: Mehrfache Reinigung erlaubt eine deutliche Keimreduktion Möbelpolituren können ätherische Öle, z.B. Teebaumöl, enthalten und damit direkt antibakteriell wirken Saure Sanitärreiniger wirken durch ihren niedrigen pH oder durch Chlorfreisetzung Desinfektionsanforderungen (RKI) Risikobewertung gefordert, Desinfektion wo nötig, aber nicht flächendeckend Risikobereiche werden eingeteilt Hygieniker/Hygienebeauftragte legen Maßnahmen fest Utensilien ordnungsgemäß aufbereiten Personalanforderungen: Gute Einweisung, vor allem in Risikobereichen geringe Fluktuation Desinfektion: Grundsätzliches Desinfektion ist nur sinnvoll, wenn regelmäßig durchgeführt (außer anlaßbezogener „gezielter“ Desinfektion) Desinfektion in Intervallen größer 24 Stunden ist in der Regel nicht sinnvoll Bei der laufenden Flächendesinfektion kann die Fläche nach Trocknung wieder genutzt werden Bei der Schlussdesinfektion wie auch bei den anderen Desinfektionen (Haut, Instrumente) ist die vom Hersteller angegebene Einwirkzeit einzuhalten. Die „Remanenz“ beträgt unter Praxisbedingungen kaum mehr als ein paar Stunden © Institut Schwarzkopf GbR 6/15, www.institutschwarzkopf.de Seite 2 Vortrag PD Dr. med. A. Schwarzkopf, Hygienetag Deggendorf, 10.05.16 Desinfektionsmittel-Umgang Konzentrate sind Gefahrstoffe Sicherheitsdatenblätter und Betriebsanweisungen gemäß § 14 GefStoffV Produktinformationen lesen Schutzmittel und Schutzkleidung anwenden Entsorgung Gebrauchsverdünnungen über Abwasser (ATV-DVWK-M) Konzentrate sind Sondermüll (180106*) bzw. nach angegebenen AS zu entsorgen. Betriebsanweisungen nach § 14 GefstoffV müssen aushängen Desinfektionsmittel-Umgang Erregerabhängige Konzentration und Einwirkzeit beachten (Unbehüllte Viren, Mykobakterien) Dosierhilfen oder dezentrales Dosiergerät verwenden (gemäß BAM-Richtlinie) Desinfektionsmittel kalt ansetzen Präparate nicht mischen (Seifenfehler, Unfallgefährdung durch die Entstehung gefährlicher Gase) Ausreichend, aber nicht zu viel ausbringen Wischen, nicht sprühen Nicht nachtrocknen Hygieneplanelemente für Reinigungspersonal – Teil 2 Belehrung nach § 14 GefStoffV Vermeidung von Eigeninitiativen bei der Mittelauswahl Tourenplanung: Welche Zimmer kommen an den Schluss? Farbcode Erreger Manuelle Dosierung (Dosiertabelle) Aufbereitung der Wechselbezüge/Lappen unrein/rein Sonderqualifikation, wenn in die Medizinprodukteaufbereitung eingebunden Wenn Pflegekräfte Hand anlegen - Kapitel 3 Desinfektionshindernisse Fugen „weißes Pflaster“ Nicht laminierte Aushänge Unlackierte Holzflächen Abgeplatzte Beschichtung von Inventar Desinfektionseimer Eimer müssen sauber sein Standzeit nach Befüllen in der Regel 8-12 Stunden Eimer müssen immer geschlossen sein Ein Lappen kehrt niemals in den Eimer zurück Complianceprobleme: Zu kurze Handschuhe Lösung kalt Weite Wege zur Befüllung Tuchspender © Institut Schwarzkopf GbR 6/15, www.institutschwarzkopf.de Seite 3 Vortrag PD Dr. med. A. Schwarzkopf, Hygienetag Deggendorf, 10.05.16 Standzeit nach Befüllen in der Regel 28 Tage Trommeln müssen immer geschlossen sein Cave Temperatur! Wenn mehrfach verwendbar leichte Aufbereitung Indikation Kompatibilität Tuch/Desinfektionsmittel Nässe muss ausreichend sein Aufbereitung mindestens mit heißem Wasser und Alkohol Mikrobiologische Kontrollen Abstand zwischen Deckel und Tuch? Je größer desto besser Maschinelle Aufbereitung: Wo und wie? Aldehyde kritisch wegen Interferenz Mikrobiologische Kontrollen ergeben kaum relevante Kontamination Einmalbeutel? Stehvermögen bei Teilentleerung? Nachfüllpacks mit beigefügten Desinfektionstüchern für die Behälter. Entsorgung? Recycling? Qualitätsprobleme - Kapitel 4 Häufige Fehler bei der Flächenbehandlung Auslassen von Patientennahen Bereichen (auch Telefon, Lichtleiste etc.) Reinigung ausschließlich statt Desinfektion Toiletten von innen nach außen gereinigt Beschädigte Oberflächen Nachwischen bei desinfizierten Flächen (feucht oder trocken) Arbeitskleidung, Schutzkleidung Schmuck Nicht staubbindende Verfahren eingesetzt Kein sporozides Desinfektionsmittel vorgehalten Schlussdesinfektion: Vorhänge und Fensterbrett ignoriert Hygienebeauftragte - Aufgaben Leistungsverzeichnis bei Bedarf einsehen Stationsleitungen prüfen Reinigungsleistung mit (z.B. im Rahmen des QM) Ausgabe von Anweisungen bei Isolierungen und Ausbrüchen Reinigungs- und Desinfektionsplan aktuell halten (daher inneres Meldewesen bei Neuanschaffungen wichtig!) Ausschreibung: Was ist zu beachten? Qualifikation der Objektleitung Desinfektor m/w Hauswirtschaftsleitung m/w Hygienebeauftragte m/w Gebäudereiniger(meister) m/w Bereiche Eigen- und Fremdpersonal klar abgegrenzt? Kalkulierte Leistungszahlen (Quadratmeter pro Stunde) Schutzkleidung und Ausbruchsmanagement © Institut Schwarzkopf GbR 6/15, www.institutschwarzkopf.de Seite 4 Vortrag PD Dr. med. A. Schwarzkopf, Hygienetag Deggendorf, 10.05.16 Reinigungs- und Desinfektionsintervalle entsprechend der Risikobewertung Schulungen/Schulungsunterlagen Von Validierung und Bündeln - Kapitel 5 Bundles = Bündel – Was ist das? Die Bündelstrategie kombiniert erprobte (evidenzbasierte) Verfahren Evidenz meint: Du tust das Richtige Qualitätsmanagement meint: Tue es immer richtig, jede(r), jederzeit, an jedem Ort mit Qualitätsmanagement Bündelstrategie meint also: Tue das Richtige richtig! Nach W. Merkens, Bremen 2015 Wie entsteht hygienisches Handeln? Analyse der Vorgaben (KRINKO, TRBA 250) Analyse der Literatur Risikobewertung Ist-Erfassung Ist/Soll-Abgleich Erstellung eines Standards (oder Aktualisierung) Verabschiedung des Standards Implementation des Standards Automatisierung des Handelns Warum Automatismus? Das menschliche Gehirn Bearbeitet pro Sekunde 4 Gigabite, von denen 2 kb unser Bewusstsein sind Kommuniziert elektrisch und biochemisch mit dem gesamten Organismus, erteilt Befehle und bewertet das Feedback Sorgt für die Befriedigung seiner Bedürfnisse Hauptaktivität des Gehirns erzeugt das Gehirn selbst für sich selbst (Simuli) Tätigkeiten des Gehirns, welche Stabilität und Konstanz erforderdern, benötigen viel mehr Energie als chaotisches selbstorganisierendes Mitfließen Dies erklärt die komplexe nicht lineare Logik des Gehirns Simuli stellen Kreativitätspotential, aber auch gewisse Fehlerquote Unser Gehirn arbeitet überwiegend mit im prozeduralen Gedächtnis gespeicherten Abläufen, ca. 80 -90 % des Alltags einer erfahrenen Kraft sind simple Reiz-Assoziations-Reaktionsketten Erst korrekt gespeicherte Prozesse sichern den Ablauf auch bei Stress und Ablenkung Hierzu gehört auch die korrekte Vernetzung von Reiz-Reaktionsmustern © Institut Schwarzkopf GbR 6/15, www.institutschwarzkopf.de Seite 5 Vortrag PD Dr. med. A. Schwarzkopf, Hygienetag Deggendorf, 10.05.16 Positive Verstärkung sichert Prozesserinnerung und -aufruf Bündelstrategie Aus mehreren Hygienemaßnahmen wird ein „Bündel“ gepackt Zusammenfassung in einer leicht nachvollziehbaren, übersichtlichen Arbeitsanweisung Mittels Checkliste wird die Abarbeitung der einzelnen Schritte dokumentiert Durch wiederholte Schulung und konsequente Erfassung wird Compliance hergestellt Patient und Keimlast Umgebungsbelastung Infect Control Hosp Epidemiol. 1997 Sep;18(9):622-7. 38 MRSA-Patienten, 350 Flächenuntersuchungen Besiedelte: 69 % der untersuchten Flächen kontaminiert Infizierte: 73 % der untersuchten Flächen kontaminiert Personal: Kleidung kontaminiert nach 65 % der Pflegemaßnahmen, 42 % Handschuhkontaminationen nach Kontakt mit der Patientenumgebung Betten, Bettzeug, Tische, Blutdruckmanschetten, Boden am häufigsten kontaminiert Die Rolle des Reinigungsdienstes in der Infektionsprävention Die Patientennahe Umgebung ist eine Quelle für nosokomiale Kolonisation und Infektionen Im Ausbruchsfall muss bei bestimmten Erregern (Noroviren, Clostridium difficile z.B.) die Desinfektionslösung manuell korrekt angesetzt werden. Kolonisierende und infizierende (vor allem multiresistente) Erreger verlangen genau wie hochkontagiöse Erreger absolut präzises Arbeiten bei laufender und abschließender Desinfektion. Lösung: Validierung der Desinfektion? Die Validierung der Desinfektion umfasst: Das Konzentrations-Einwirkzeitsverhältnis Dies auch Erreger-bezogen Die Temperaturabhängige Wirkung Die Materialabhängige Wirkung Die Wirkung in Abhängigkeit von zusätzlicher Belastung Anwendungsbebachtungen im Sinne einer Punkt-Prävalenz-Studie. Sie umfasst nicht das Alltagsverhalten. Somit stellt sie keine Lösung für das angesprochene Problem da! Bündelstrategie für den Reinigungsdienst? Analyse der Vorgaben (KRINKO, TRBA 250, BGV A1, BGR 208, 205, GefStoffV, TRGS 525), Analyse der Literatur: Stabilität der Erreger, Risikobewertung (Bereichsbezogen, für Reinigungspersonal): PSA Ist-Erfassung (Was passiert im Ernstfall, Kommunikation!) Ist/Soll-Abgleich (z.B. Anwendungsbeobachtungen, Aufbereitung Reinigungsutensilien, Bestückung Reinigungswagen, Entsorgung gebrauchte Putzutensilien) Erstellung eines Standards (oder Aktualisierung) Verabschiedung des Standards Implementation des Standards (Schulen, Schulen, Schulen…) © Institut Schwarzkopf GbR 6/15, www.institutschwarzkopf.de Seite 6 Vortrag PD Dr. med. A. Schwarzkopf, Hygienetag Deggendorf, 10.05.16 Automatisierung des Handelns Zu regeln oder zur dokumentation Alltag: Arbeitskleidung, Schutzkleidung Koordination Pflege-Hauswirschaft Meldung bei Störfällen H2O2-Verneblung bei MRE Ausbruch: Korrektes Ansetzen der Lösung Vorgegebene PSA Checkliste laufende Desinfektion Checkliste Entisolierung/Schlussdesinfektion Checkliste Aufbereitung Reinigungsutensilien Fazit Die Ressourcenbereitstellung für den Reinigungsdienst ist immer noch defizitär. Die Bedeutung des Reinigungsdienstes wird nach wie vor unterschätzt. Die Arbeit des Reinigungsdienstes erfährt größte Aufmerksamkeit bei den Patienten Die Koordination Pflege-Reinigungsdienst bedarf vor allem im Ausbruchsfalle einer Optimierung Die Validierung von Reinigungs- und Desinfektionsverfahren gleicht genauso wenig den Faktor Mensch aus wie die bei Medizinprodukteaufbereitung Das Gehirn muss mit ins Boot – eine Indikation für die Bündelstrategie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kongresse Seminare Krankenhaushygiene Industriehygiene Sachverständigenbüro Laborleistungen Support-Verlag © Institut Schwarzkopf GbR 6/15, www.institutschwarzkopf.de Seite 7