Unterrichtsmaterialien Blue Times

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Unterrichtsmaterialien Blue Times
Kunsthalle Wien
Museumsquartier
Blue Times
1/10 2014 – 11/1 2015
Die Ausstellung
Nivea-Blau, Blue Jeans, Squadra Azzurra, Blue Screen, blauer Montag, Blauhelme,
blaue Stunde, Blues, ins Blaue hinein... Blau ist überall: nicht nur in Himmel und Meer,
es ist fester Bestandteil unseres täglichen Lebens. Es findet sich auf der Straße, zu
Hause, in unserer Kleidung, den Produkten, die wir kaufen, den sozialen Medien, über
die wir kommunizieren, den Kunstwerken, die wir betrachten, den Wörtern, die wir
verwenden.
Information für Lehrer/innen
In der Gruppenausstellung Blue Times sind über 30 internationale künstlerische
Positionen vertreten, die sich mit der Verwendung und den Bedeutungen der
Farbe Blau über verschiedene Epochen und Kontexte hinweg befassen. Die
Auseinandersetzung mit der Ikonologie der Farbe Blau schafft einen Querschnitt durch
die Welt der Kunst, der Bilder und Darstellungen.
Eine kurze Geschichte der Farbe Blau
Schon seit einigen Jahrzehnten ist die Farbe Blau die beliebteste Farbe – zumindest
in der sogenannten westlichen Welt. Es ist die am meisten getragene Modefarbe
und erfreut sich ganz allgemein, unabhängig von Geschlecht, sozialer Herkunft
oder kulturellen Hintergrunds, anhaltender Beliebtheit. Aber das war nicht immer so.
Gerade die Farbe Blau hat eine sehr wechselvolle und komplexe Geschichte. Frühe
Felsmalereien zeigen Rot-, Schwarz-, Braun- und Ockertöne, aber kein Blau. In der
Antike waren die Grundfarben Rot, Weiß und Schwarz. Es waren die Farben mit der
stärksten Symbolkraft. Die Farbtrias Rot-Weiß und Schwarz war auch bis ins 12.Jh.
im Christentum bestimmend und verlor ihre Bedeutung erst nach und nach. Abgelöst
wurde sie letztlich durch das von Newton entdeckte Farbspektrum. Die Grundfarben
heißen für uns seitdem Rot, Gelb und Blau.
Aber die Farbe Blau war deshalb nicht unbekannt. Das antike Griechenland kannte
und verwendete Blau. Im antiken Rom wurde die Farbe Blau geschätzt, vor allem das
Blau des Lapislazuli und das Blau des Azurit. Lapislazuli galt schon bei den Römern
neben Purpur als die wertvollste und teuerste Farbe. Sie wurde hauptsächlich aus dem
heutigen Iran und Afghanistan eingeführt. Das weniger kostspielige Azurit kam aus
Armenien und Zypern. Im antiken Rom und im antiken Griechenland konnte die Farbe
Blau aber auch eine eher negative Konnotation haben. Es war für die Römer die Farbe
der „Barbaren“. Im Norden, die der Kelten und Germanen, die die Pflanze Waid zum
Färben ihrer Kleidung nutzten und im Süden, die der Völker des Mittleren und Nahen
Ostens, die schon sehr lange Blau aus Lapislazuli, Azurit oder Indigo (aus Indien,
Ceylon und Sudan) kannten und verwendeten.
Im alten Ägypten hatte Blau eine klar definierte Symbolik: Es war die Farbe der Götter
und die des lebensspendenden Nils. Auch auf die Lebewesen im Nil überträgt sich
diese Leitfarbe. Blaue Fayence-Nilpferde stehen als Grabbeigaben daher für die
Regeneration im Jenseits.
Im europäischen Mittelalter war die Farbe Blau lange Zeit von geringer Bedeutung.
Erst im 12.Jahrhundert stieg sie schnell zu einer Farbe mit hoher Symbolkraft auf. Sie
wird zu einer Farbe des göttlichen Lichts in den Kirchenfenstern von St. Denis und
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Chartres und vielen gotischen Kathedralen. Blau färbt aber ebenso plötzlich auch die
Kleidung Marias in der Malerei, vor allem ihr Mantel erstrahlt in Blau. War die Kleidung
Marias lange Zeit in unterschiedlichen Farben gehalten, zumeist dunkel, der Trauer
entsprechend, wurde sie jetzt Blau wie das Licht, um im Barock wiederum im goldenem
Licht zu erscheinen und im 19.Jh. in jungfräulichem Weiß - Farben im Wechselspiel
theologischer Programmatik.
Information für Lehrer/innen
Die Farbe Blau wurde im 13. und 14.Jh. auch zur aristokratischen Farbe. Das
Azururblau des französischen Königshauses wurde zur Königsfarbe - wie auch in
England und anderen Teilen Europas. Neue Färbetechniken ermöglichten ein helles,
strahlendes Blau, das sich deutlich vom verwaschenen Graublau der Arbeitskleidung
der Bauern abhob.
Rot blieb die Farbe des Kaisers und des Papstes. Rot und Blau sind auch bis ins späte
18.Jh. die bestimmenden Farben und Rot- bzw. Blaufärber eigene Professionen.
Zwischen dem 15. und dem 17.Jh. ist Blau eng mit der Bedeutung der Farbe Schwarz
verknüpft. Schwarz wurde im ausgehenden Mittelalter und in der Zeit der Reformation
zur moralischen Farbe schlechthin (siehe Spanisches Hofzeremoniell und das Tragen
von schwarzer Kleidung). Diese Zuschreibung galt in abgeschwächter Form auch für
Blau. Das Farbige, das Bunte wird zum Zeichen für Luxus und Unmoral.
Über eine Reihe von Zwischenschritten: Farbe des Lichts, Marienfarbe, Königsfarbe,
moralische Farbe wurde die Farbe Blau in Europa immer bedeutender und löste im
18. Jh. Rot und Schwarz als dominierende Farben ab. Blau stand nun für Fortschritt,
Freiheit, aber auch für Träumen und Sehnen, wofür die Blaue Blume als Symbol
der deutschen Romantik besonders prägnant steht. Davor wurde schon Goethes
Romanfigur Werther in seiner in Blau und Gelb gehaltenen Kleidung zur Modeikone der
Zeit.
Eine wichtige Veränderung war durch die leichtere Verfügbarkeit von Indigo und die
Ablöse der Färbung durch Waid gegeben. Indigo wurde nun nicht mehr nur aus Indien
eingeführt, sondern auch aus den Tropenzonen Amerikas, wo Sklaven die Arbeit in den
Plantagen verrichteten. Der Handel mit Indigo war so trotz der langen Seewege lukrativ
und verschaffte den Handelsgesellschaften und Ländern wie Spanien große Gewinne.
Aufklärung, Französische Revolution und Frühromantik waren eng mit der Farbe Blau
verbunden. Interessanterweise verringerte sich die Bedeutung der Farbe Blau während
des 19.Jhs. Einer der Gründe könnte sein, dass Fortschritt, Freiheit und revolutionäre
Träume nur bedingt wahr wurden. Im 19.Jh. trug man wieder Schwarz.
Und heute? Seit ungefähr 100 Jahren ist Blau die verbreitetste Modefarbe und die
Lieblingsfarbe der meisten Europäer_innen und Nordamerikaner_innen. Blau ist
überall, erregt aber kein Aufsehen. Es steht für das Internationale, das Verbindende,
wie UNO, Unesco, Europäische Union. Blau symbolisiert darüber hinaus Ruhe,
Frieden, Sicherheit, Träumen, hat eine melancholische Note, gleichzeitig etwas
Frisches, Offenes, auch Grenzenloses. Vielleicht ist es dieses Nichtfestgelegte, dieses
Nichtfassbare, das Blau so anziehend macht.
Das globale Dorf kennt aber weiterhin auch andere Farbvorlieben und vor allem andere
Wahrnehmungsmuster: In Japan ist Weiß die meistgenannte Lieblingsfarbe mit einer
weiten Ausdifferenzierung von matt bis glänzend. Hierin liegt auch das eigentliche
Kriterium und weniger in der Farbgebung an sich. In afrikanischen Kulturen kann die
Nuancierung unterschiedlicher Farbtöne weniger wichtig sein, als die Frage, ob es
sich um trockene oder feuchte, weiche oder harte, glatte oder raue, stumme oder laute
Farben handelt.
Wenn wir von Farbe sprechen, dann ist also immer der zeitliche, kulturelle und
gesellschaftliche Kontext wichtig und auch die Frage, welche Färbemittel wo und wann
zur Verfügung standen.
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Was färbt wie Blau / Material Blau – Woraus kann Blau hergestellt werden
„Ägyptisch Blau / Azurit“
Wegen des klaren Farbtons war das „Ägyptisch Blau“, ein Kupfercalciumsilikat,
begehrt, das vermutlich durch Schmelzen von basischem Kupfercarbonat,
Calciumcarbonat und Quarzsand hergestellt wurde. Ebenfalls schon lange als blaues
Pigment war das Cobaltaluminatblau eingesetzt, das erst 1804 als Thenards Blau
wiederentdeckt wurde.
In der Ägyptischen Antike lässt sich auch das Mineral Azurit als Schmuckstein wie als
Farbpigment nachweisen. Als häufige Mineralbildung ist Azurit an vielen Fundorten
anzutreffen. Im Altertum waren vor allem Armenien, Zypern und Andalusien in Spanien
die Hauptlieferanten für Azurit. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war Ungarn die
wichtigste Azurit-Quelle Europas. Spätere Lieferquellen, bis etwa zum Ende des 19.
Jahrhunderts, waren Chessy bei Lyon in Frankreich, Mechernich in der deutschen
Vulkaneifel und die Gruben bei Alghero auf der italienischen Insel Sardinien.
Information für Lehrer/innen
„Färberwaid / Indigo“
Der Färberwaid (Isatis tinctoria L.), Pastel oder Deutsche Indigo ist eine zweijährige
Pflanze aus der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Er stammt aus
Westasien, wurde aber bereits vor vielen Jahrhunderten in Europa als Färberpflanze
kultiviert. Aus dem Färberwaid wurde in Deutschland Indigo (Indigoblau) gewonnen.
Erst an der Luft oxidiert der Farbstoff und wird langsam blau.
Für die Gewinnung des blauen Farbstoffs müssen das farblose Glykosid Indican zum
Oxidieren gebracht werden. Dafür muss es mit Pottasche, Wasser und Urin vermengt
werden. Letzterer wurde v. a. montags nach ausgiebigen Trinkgelagen am Sonntag
produziert. Vom Verarbeitungsprozess leitet sich das Sprichwort vom „blauen Montag“
bzw. „blau machen“ ab.
„Natürliches Ultramarin / Lapislazuli“
Einer der teuersten Farbtöne war bis zum 18. Jh. Blau, für das es zuvor neben
den synthetisch hergestellten Smaltepigmenten nur den seltenen Schmuckstein
Lapislazuli als Rohstoff gab. Letzterer ergibt nach einem arbeitsintensiven Prozess
das Ultramarinblau. Das Mineral Lasurit im Gestein Lapislazuli ist ein komplexes
schwefelhaltiges Aluminiumsilikat, dieses besitzt die blaue Farbe. Das Gestein ist nur
an einer einzigen Fundstelle im Norden Afghanistans in herausragender Qualität - also
mit hohem Lasuritanteil - zu finden. Dieser überaus wertvolle Rohstoff kam über den
Seeweg nach Zentraleuropa. Aus dem gemahlenen Lapislazuli wurde in verschiedenen
Reinigungsverfahren das besonders lichtechte blaue Farbpigment Ultramarinblau
gewonnen. Dazu wurde das zu Pulver zermahlene Mineral in ein Gemisch aus Wachs,
Harz und Öl gebracht, das man anschließend unter Wasser knetete. Dabei löste sich
das blaue Pigment aus der Masse. Seit 1826 kann es künstlich erzeugt werden.
„Kobalt für Porzellane“
Kobaltoxid (Co3O4) und Kobaltcarbonat (CoCO3) werden für die blaue Malerei auf
Porzellanen verwendet.
„Berliner Blau / Preußisch Blau“
Das erste industriell hergestellte anorganische Pigment war Berliner Blau im Jahr 1704,
das Verwendung im Tapetendruck fand sich aber auch großer Beliebtheit bei den
Produzenten von japanischen Farbholzschnitten (ukiyo-e, 19. Jh.) erfreute. Dieses Blau
kommt nicht in der Natur vor.
„International Klein Blue (I.K.B.)“
Der französische Künstler Yves Klein erarbeitete gemeinsam mit einer befreundeten
Architektin und einem Apotheker das „International Klein Blue“. Hierfür ist weniger
der Farbstoff als das Bindemittel ausschlaggebend. Die betörende Strahlkraft des
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reinen Pigments, seine Materialität wollte Klein erhalten und erfand 1955 mit Hilfe
einer befreundeten Architektin und des Farbenhändlers Edouard Adam ein neues
Bindemittel, das die Leuchtkraft der Farbpigmente nicht einschränkt. Diese Mischung
aus Ethanol, Ethylacetat und dem Harz Rhodopas, letzteres normalerweise als Fixativ
verwendet, lässt das Pigment wie in unvermischtem Zustand auf der Leinwand wirken.
Einige ausgewählte Künstler_innen und Kunstwerke aus der Ausstellung
Information für Lehrer/innen
Irma Blank
Eigenschriften. Pagina A-31 (1970)
Radical Writings, Schrift-Atem-Bild 18-1-93 (1993)
Irma Blank (*1934) wurde in Deutschland geboren und lebt und arbeitet seit 1955 in
Italien. Seit den 1960er Jahren arbeitet sie in großen Zyklen, die sie Eigenschriften,
Transcrizioni, Radical Writings, Avant-testo, Hyper-Text und Global Writings nennt. Ihr
Thema ist das Schreiben, das Setzen von Zeichen, die Öffnung eines Textes hin zum
Schriftbild. Die Struktur von Texten beibehaltend, löst sie die Worte und damit deren
Bedeutung in fließende abstrakte Zeichenfolgen auf, wie in dem in blauen Pastell
ausgeführtem Eigenschriften. Pagina A-31 aus dem Jahr 1970. In Arbeiten aus dem
Zyklus Radical Writings erfolgt das Setzen von Zeichen direkt im Fluss ihres Atmens
Schrift-Atem-Bild 18-1-93 – Irma Blank:“I try to resolve existence in writing, to grasp
the rhythm and breath of the world, through the only instrument of writing that recalls
origins, beyond all meaning. I have released writing from its enslavement to meaning; I
have given it an autonomous dignity. Meaning. Being.”
Derek Jarman
Blue (1993)
Derek Jarman (1942–1996) war ein britischer Künstler und Filmregisseur. Nach
Anfängen in der Malerei wandte sich Jarman 1970 dem Film zu. Neben Kurzfilmen
entstanden u. a. die Spielfilme Jubilee (1977), Caravaggio (1986), Edward II (1991)
und Wittgenstein (1993). In seinen Filmen reflektierte Jarman Kunst und Geschichte,
thematisierte Homosexualität und setzte sich kritisch mit den gesellschaftlichen
Bedingungen in England unter der Regierung Thatcher auseinander. In den1980erJahren führte Jarman auch Regie bei Musikvideos für The Smiths und den Pet Shop
Boys (It‘s a Sin).1986 wurde bei Derek Jarman AIDS diagnostiziert. Neben dem
Filmen wandte er sich ab diesem Zeitpunkt wieder der Malerei zu und verfasste
autobiographische Bücher u. a. Chroma - Ein Buch der Farben (1995).
Blue, der zwölfte und letzte Film Derek Jarmans, zeigt über die gesamten 70 Minuten
nur die Farbe Blau. Auf der Tonspur sind die Stimmen von Derek Jarman, Tilda Swinton
und zwei weiteren Schauspieler/innen zu hören. Der Text entspricht weitgehend dem
Abschnitt Ins Blaue aus dem Buch Chroma. In sehr persönlicher Weise spricht Jarman
über den Verlust des Augenlichts, die Schwierigkeiten mit seiner Krankheit zu leben
und über Kindheitserinnerungen. In offener Folge reihen sich so Tagebucheinträge,
soziale Kommentare, poetische Gedanken, Diskurse zu Politik und Homosexualität, ein
Zitat von Ficino, ein Haiku von Busoi und ästhetische Exkurse aneinander.
Das Buch Chroma beginnt mit folgenden Zeilen: „Zusammengerollt in dem Topf Gold
am Ende des Regenbogens, träume ich von Farbe. Vom International Blue des Malers
Yves Klein. Von Blues und entferntem Gesang.“
Yves Klein
Monochrome Bleu (1961)
Bekannt wurde der Franzose Yves Klein (1928–1962), dessen Schaffenszeit kaum acht
Jahre umfasste, vor allem durch seine monochromen, blauen Bilder. Fast ein Jahr war
Yves Klein auf der Suche nach dem perfekten Blau, bevor er 1957 in der Mailänder
Galleria Apollinaire erstmals elf augenscheinlich identische Bilder ausstellen konnte.
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Information für Lehrer/innen
Als IKB – International Klein Blue – ist es trotz des sich hartnäckig haltenden Gerüchts
niemals patentiert worden.
Von Beginn an war Yves Klein von der Monochromie begeistert: „Ich glaube, in
Zukunft wird man nur noch Bilder mit einer einzigen Farbe malen, Bilder, die zugleich
nichts anderes als Farbe zeigen. Ich will damit sagen, es wird keine Zeichnung, keine
Linie, keine Form mehr geben, nur mehr Einfarbigkeit, die schön gleichmäßig auf der
Leinwand verteilt ist...“
So mag es auch nicht verwundern, dass das erste Werk des 18jährigen der Himmel
selbst gewesen war, den er 1946 im Beisein von Freunden signierte und zu seinem
ersten, immateriellen Kunstwerk erklärte. Das Blau der Basilika von Assisi und
der Himmel, Symbole für das Immaterielle und Unendliche, waren Ausgangs- wie
Referenzpunkte von Kleins Schaffen. Die Jahre zwischen 1960 und 1962, dem
Todesjahr des Künstlers, beherrschte die Farbtrilogie IKB – Rosa – Gold: Monopink
und Monogold schlossen sich mit IKB zu einer Farbtrias, wobei Monopink als Abdruck
eines fleischlichen „Augenblickszustands“ interpretiert wird, und Gold für das Göttliche
steht.
Goshka Macuga
The Nature of the Beast (2009)
Die in Warschau geborene Künstlerin Goshka Macuga (*1967) fiel bereits bei der
letzten dOCUMENTA 13 (2012) in Kassel durch einen großformatigen Teppich auf.
In der Ausstellung Blue Times ist eine ebenso beeindruckend fotorealistische Arbeit
aufgenommen worden. Macuga zeigt die Tapisserie, die im Jahr 1955 nach dem
berühmten Anti-Kriegsbild Guernica von Pablo Picasso angefertigt worden ist. Die
Tapisserie wurde 24 Jahre lang direkt vor dem Sitzungssaal des UN-Sicherheitsrates
im Hauptgebäude der UNO in New York aufgehängt. Die blaue Fahne des
Sicherheitsrates wurde im Hintergrund platziert. Für Goshka Macugas Ausstellung in
der Whitechapel Gallery in London (5. April 2009–4. April 2010) wurde die Tapisserie
erstmals wieder abgenommen und nach Großbritannien entliehen. Die polnische
Künstlerin thematisierte die Kontroverse um das Gemälde Picassos, denn 1939 war
das Original in der Whitechapel Gallery ausgestellt worden. Macuga rekonstruierte in
London den Saal der UN und ließ vor Picassos Werk Schulgruppen diskutieren.
Am 4. Februar 2003 wurde das berühmte Motiv auf Wunsch der Vereinigten Staaten
mit der blauen Fahne verhüllt. Grund dafür war die Sitzung am Folgetag, auf der der
Außenminister der USA, Colin Powell, beweisen wollte, dass der Irak unter der Führung
von Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzen würde. Damit sollte die
Zustimmung der Weltöffentlichkeit zum Irak-Krieg erzielt werden.
Andreas Schäfer, ein Kommentator der Berliner Zeitung, fasste das Verhältnis zu
dem Werk treffend zusammen: „Wovon zeugt diese kleine Szene aus der großen
Wirklichkeit? Zeugt sie vom Altbekannten – von der Schwachheit der Kunst, ihrem
Narren- und Luxusdasein? Die Politik, das Kapital, die öffentliche Moral, sie schmücken
sich mit ihr und veredeln ihre Räume und Absichten – aber nur solange und wie es
ihnen beliebt. Oder zeugt sie nicht ganz im Gegenteil von der Kraft, die von Bildern
ausgehen kann, und vor der man offensichtlich Angst hat?“ (Berliner Zeitung, Bild
gegen Bild, 7. Februar 2003)
Jonathan Monk
The World in Workwear (2011)
Der britische Künstler Jonathan Monk (* Leicester 1969, lebt in Berlin) wurde mit
der Aneignung von Werken der Konzeptkunst und des Minimalismus bekannt. Er
bekennt sich dazu, dass es nahezu unmöglich wäre, originell zu sein, stattdessen
baut er in seinen Arbeiten eine Vielzahl an Referenzen ein. The World in Workwear
ist ein 15,6 x 19,75 Meter großes „Stoffgemälde“, das die Landkarte der Welt aus
europäischer Perspektive wiedergibt. Monk stellte die Kontinente und Meere aus
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verschiedenen Arbeitskleidungen her. Es finden sich Blaumänner, Blue Jeans, um die
Weiten der Ozeane zu symbolisieren, und vor allem orange und leuchtend gelbe, mit
reflektierenden Sicherheitsstreifen versehene Gewänder für die einzelnen Nationen.
Einerseits bezieht sich Monk damit auf die berühmten Landkarten von Alighiero e
Boetti (1940–1994), andererseits konzentriert sich der Brite nun nicht mehr auf die
Flaggen und Grenzziehungen (v. a. deren Veränderungen in der 2. Hälfte des 20. Jhs)
sondern auf die Frage wie die Arbeitswelt im 21. Jh. durch Uniformierung, Vorschriften
und die Globalisierung geprägt ist.
Information für Lehrer/innen
Otto Neurath
Gesellschaftsgliederung in Wien, Bildstatistik (1920er Jahre)
Otto Neurath (1882–1945) gilt als Begründer der Bildstatistik ISOTYPE (International
System Of Typographic Picture Education) - ein Visualisierungssystem, das komplexe
Zusammenhänge durch einfache Piktogramme zur Darstellung bringt. Die Ausstellung
Blue Times zeigt mit Gesellschaftsgliederung in Wien ein frühes Beispiel einer
Bildstatistik von Otto Neurath.
Neurath war Ökonom, Sozialreformer und Mitglied des philosophischen „Wiener
Kreises“, gemeinsam mit Moritz Schlick, Hans Hahn und Rudolf Carnap. Im Jahr
1924 gründete Otto Neurath das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Wien
und entwickelte dort zusammen mit dem Grafiker Gerd Arntz die „Wiener Methode
der Bildstatistik“ zur Darstellung statistischer Zusammenhänge. Zehn Jahr später,
1934, floh Neurath vor der Verfolgung durch das Dollfuß-Regime nach Holland und
entwickelte die Bildstatistik weiter zur ISOTYPE. 1940–1945 lebte Otto Neurath nach
erneuter Emigration in England und gründete 1941 das Isotype-Institute in Oxford.
Otto Neurath war Zeit seines Lebens stark in der Volks- und Arbeiterbildung engagiert
und entwickelte daraus auch seine bildpädagogische Methode. Heute kennen wir
vor allem die einzelnen Zeichen, aus denen die Vermittlungsbilder zusammengesetzt
waren und die bei Neurath nur vermittlungssystematisch zur Darstellung
unterschiedlichster Sachverhalte gedacht waren. Als Piktogramme sind sie nun
allgegenwärtig und haben sich als Massenkommunikationsmittel etabliert.
Raed Yassin
China (2012)
Der Libanese Raed Yassin (* Beirut 1979) ist Musiker und bildender Künstler. Seine
bevorzugten Themen sind das kollektive Gedächtnis, die Konsumkultur und die
Massenproduktion. Mit der in der Wiener Kunsthalle ausgestellten Serie von sieben
Porzellanvasen im chinesischen Stil reagiert der Beiruter auf die Globalisierung und
die Folgen des Bürgerkriegs (1975–1990). Der Künstler malte eine Geschichte des
Bürgerkriegs auf die Porzellanvasen, um einerseits über das schwierige Vermitteln von
Geschichte an sich zu reflektieren und andererseits die chinesische Wirtschaftsmacht
zu demonstrieren. Die Vasen wurden in Jingdezhen, dem traditionellen Zentrum der
Porzellanproduktion in China, hergestellt und sind daher Teil der Massenproduktion.
Großformatige Vasen aus China, billig produziert und importiert, finden sich in vielen
Wohnungen im Libanon. Gleichzeitig erzählen ihre Bilder die Kriegsgeschichte des
Landes und bewahren die Tradition der Blau-Weißen-Porzellanmalerei.
Porzellan wird bis zum heutigen Tag als „weißes Gold“ bezeichnet und ist ein Symbol
für Luxus. Erste chinesische Porzellane kamen 1461 als Herrschergeschenke an
den Dogen von Venedig nach Europa. Alchimisten versuchten das Geheimnis des
glasig glänzenden und durchscheinenden Materials zu ergründen. Der Blau-WeißStil dürfte bereits im 8. Jahrhundert entwickelt worden sein und erfreute sich in der
Ming-Dynastie (1368–1644) außergewöhnlicher Beliebtheit. Die blaue Farbe wurde aus
Cobaltoxid und Wasser hergestellt und unter der Glasur aufgetragen.
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Blue Times
Lawrence Weiner
Out of the Blue (1999)
Green as Well as Blue as Well as Red (1976)
Lawrence Weiner (* New York 1941) ist mit Sol LeWitt und Joseph Kosuth einer der
Begründer der Konzeptkunst. Weiners zentrales Medium ist die Sprache. Schon die
verbalisierte Idee ist Werk, die Erfahrung der Umsetzung kann jeder/jedem zukommen.
Im Jahr 1968 verfasste Weiner die „declaration of Intent“, die seinen Kunstbegriff klar
zum Ausdruck bringt: „(1) The artist may construct the work. (2) The work may be
fabricated. (3) The work need not be built. [Each beeing equal and consistent with the
intent of the artist, the decision as to condition rests with the receiver upon the occasion
of receivership.]“
Eine Arbeit Weiners ist seit 1991 im öffentlichen Raum in Wien präsent. Am Flakturm
im Esterhazypark, 1060, steht weithin sichtbar der Schriftzug: ZERSCHMETTERT IN
STÜCKE (IN DER STILLE DER NACHT) / SMASHED TO PIECES (IN THE STILL OF
THE NIGHT).
Lawrence Weiner verweist immer wieder darauf, dass es ihm um die Bedeutung der
verwendeten Worte geht, die Materialitäten, die gemeint sind, die Beziehungen und
Zusammenhänge, die in Worten ausgedrückt und dargestellt werden: „I am interested
in what the words mean. I am not interested in the fact that they are words...I hope
that the vast majority will read the words for their meaning and that they will place that
meaning within the sculptural context of their parameters and how they get through the
world.“
Das gilt auch für die Arbeit Out of the Blue, die in der Ausstellung Blue Times zu sehen
ist: Out of the Blue, 4 Worte in Großbuchstaben, in himmelblauer Farbe, „aus heiterem
Himmel“, plötzlich also, irgendetwas geschieht, kann geschehen, sofort, jetzt, oder ist
geschehen und wir erinnern, etwas realisiert sich während des Lesens.
Information für Lehrer/innen
Materialsammlung für verschiedene Unterrichtsfächer:
Bildnerische Erziehung
Blau in der Kunstgeschichte, Färbemittel, Färben, Farbenkreis
Blau in der Kleidung, Modegeschichte
Deutsch
Gedichte zur Farbe Blau (siehe Gedichtbände auf der Literaturliste), Romantik, Die
Leiden des jungen Werther (Goethe), Blau in Lied- und Songtexten
Psychologie / Philosophie
Farbpsychologie; Das Thema der Farbe in der Philosophie
Musikerziehung
Geschichte des Blues, Blue Notes, Blau in Lied- u. Songtexten
(fächerübergreifend mit Deutsch, Englisch, Lebende Fremdsprache)
Geografie und Wirtschaftskunde
Europäische Union, Uno
Waid versus Indigo – Protektionismus und Handelskriege im 18.Jh.
Stadtspaziergang – Was ist alles Blau in unserer Umwelt?
Lebende Fremdsprache
Wie wird der Begriff „Blau“ in der jeweiligen Fremdsprache verwendet?
In welchem Kontext taucht er auf? z. B. Wortfamilien, Metaphern, Redewendungen
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Literaturliste
Blaue Gedichte, Stuttgart: Reclam 2001
Bruns, Margarete, Das Rätsel Farbe. Materie und Mythos, Stuttgart: Reclam 1997
/2012
Davis, Francis: The History of the Blues: The Roots, the Music, the People, Da Capo
Press 2003
Die blaue Blume. Gedichte der Romantik, Stuttgart: Reclam 2013
Diehl, Edgar: Farbzeiten: wie Farben auf Menschen wirken; sozialgeschichtliche
Erfahrungen mit Farben, Klein Jasedow: Drachen-Verl. 2011
Gage, John: Die Sprache der Farben : Bedeutungswandel der Farbe in der
bildenden Kunst, Ravensburg: Ravensburger Buchverl. 1999
Gercke, Hans [Hg.]: Blau: Farbe der Ferne (Ausst.-Kat. Heidelberger Kunstverein,
2.3.–13.5.1990), Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 1990
Jarman, Derek: Chroma. Ein Buch der Farben, Berlin: Merve 1995
Pastoureau, Michel: Blau: die Geschichte einer Farbe, Berlin: Wagenbach 2013
Schuth, Dietmar: Die Farbe Blau: Versuch einer Charakteristik, Münster: Lit 1995
Stromer, Klaus; Fischer, Ernst-Peter: Die Natur der Farbe, Köln: DuMont 2006
Information für Lehrer/innen
Theroux, Alexander: Anleitungen eine Farbe zu lesen. Blau, Hamburg: Europ
Verlagsanstalt 1998
Welsch, Norbert; Liebmann, Claus Chr.: Farben: Natur, Technik, Kunst. Heidelberg,
Berlin: Spektrum, Akadem. Verl. 2003
Filmliste
Cameron, James: Avatar, 2009 (FSK 12)
Godard, Jean Luc: Pierrot le fou, 1965 (FSK 16)
Jarman, Derek: Blue, 1993 (FSK 12)
Kechiche, Abdellatif: Blau ist eine warme Farbe, 2013 (FSK 16)
Kieslowski, Krzysztof: Drei Farben: Blau, 1993 (FSK 12)
Oukropec, Petr: Der Blaue Tiger, 2011 (7-11 Jahre)
Scorsese, Martin: Martin Scorsese Presents the Blues: A Musical Journey, 2003.
(7 Filme - Regie jeweils von Martin Scorsese, Wim Wenders, Richard Pearce,
Charles Burnett, Marc Levin, Mike Figgis und Clint Eastwood - zeigen z. T. auch
rares historisches Material)
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