Messbasierte Systeme mit ArcGIS Survey Analyst

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Messbasierte Systeme mit ArcGIS Survey Analyst
Messbasierte Systeme mit ArcGIS Survey Analyst
Gerhard NAVRATIL und Michael FRANZ
Dieser Beitrag wurde nach Begutachtung durch das Programmkomitee als „reviewed paper“
angenommen.
Zusammenfassung
Es gibt seit etwa 15 Jahren die Idee, in einem geographischen Informationssystem neben
den Koordinaten der Punkte auch die Messdaten zu speichern. Ausgangspunkt damaliger
Überlegungen war der Aufbau eines Mehrzweckkatasters. Im Jahr 2002 präsentierte die
Firma ESRI die ArcGIS-Extension Survey Analyst. Der Survey Analyst ermöglicht die
Integration von Messdaten in traditionelle GIS-Datensätze. Somit ist die Software vorhanden, mit der man messbasierte Systeme aufbauen kann.
Die vorliegende Arbeit zeigt die Ergebnisse einer Untersuchung über die Verwendbarkeit
von Survey Analyst für ein messbasiertes System. Unser Hauptaugenmerk liegt dabei auf
dem Funktionsumfang. Es wird untersucht, ob alle benötigten Funktionen vorhanden sind
bzw. wie schwer es ist, fehlende Funktionen zu implementieren. Untersuchungen hinsichtlich der Performance wurden nicht durchgeführt.
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Warum benötigen wir Messdaten in GIS?
Geographische Informationssysteme (GIS) entwickelten sich in den 60er-Jahren des 20.
Jahrhunderts. Seither gab es große Fortschritte, sowohl beim Funktionsumfang als auch
beim Verständnis der GIS-Theorie. Coppock und Rhind (1991) zeigen die wichtigsten
Schritte auf. Fortschritte schlagen sich auch bei den Anwendungen nieder, die von der
Standortsuche bis zur Lawinenverbauung reichen, vom Liegenschafts- bis zum Fuhrparkmanagement. Oftmals ist das GIS bereits so tief in der Anwendung versteckt, dass der Anwender gar nicht mehr erkennen kann, dass er eigentlich mit einem GIS arbeitet.
Der Aufbau eines GIS ist ein zeit- und kostenintensiver Vorgang. Die Kosten für Hardware,
Software und Daten verhalten sich im Verhältnis 1:10:100 (FRANK 1995). Gerade bei GIS
im öffentlichen Dienst sollte der Betrieb des Systems möglichst zeitig beginnen, um den
Nutzen des Systems deutlich zu machen. In vielen Bereichen ist es jedoch nicht möglich,
mit einem Betrieb zu beginnen, bevor die Datenbasis komplett ist. Am Beispiel von Katastersystemen zeigt BUYONG (1992), dass vor der Einführung eines Katasters herkömmlicher
Ausprägung ein Festpunktfeld geschaffen werden muss. Die Errichtung eines Festpunktfeldes ist auch bei GPS-Einsatz eine sehr kostspielige und langwierige Arbeit. Weitgehender
Verzicht auf Festpunkte könnte daher sowohl die Kosten reduzieren als auch die Zeit bis
zum Beginn der operationellen Nutzung verkürzen.
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Messdaten in GIS steigern auch die Qualität des Datenmaterials. Eine Datenbasis, die durch
Hinzufügen von Messdaten geschaffen wird, gewinnt mit jeder genaueren Messmethode an
Qualität, da die qualitativ höherwertigen Messdaten starken Einfluss auf die Datenbasis
nehmen. Andererseits sinkt die Datenqualität oder bleibt zumindest auf konstantem Niveau,
wenn aus den Messdaten abgeleitete Werte (also zum Beispiel Koordinaten) als unveränderlich ins System integriert werden. Neue Messdaten mit eventuell signifikant höherer
Genauigkeit müssen an die vorgegeben Koordinaten angepasst werden, um im System keine
Widersprüche hervorzurufen. Herkömmliche Katastersysteme stehen vor diesem Problem,
da üblicherweise nur die Grenzpunkte gespeichert werden.
Die Idee des messbasierten Systems entwickelte sich in den späten 80er-Jahren des 20.
Jahrhunderts (BUYONG & FRANK 1989; BUYONG, KUHN et al. 1991), wird aber immer noch
weiterentwickelt und getestet (HINTZ, WAHL et al. 1996; GOODCHILD 1999). Ein Problem,
das jedoch immer noch existiert, ist die fehlende Softwarelösung. Nach JOFFE (2003) gibt es
mit der ArcGIS-Extension Survey Analyst nun die entsprechende Software:
With ArcGIS Survey Analyst, the quest is over: these tools are now available
to surveyors and GIS analysts alike. As a result, the government agency’s
GIS map base can now be built as a measurement-based multipurpose cadastre, and existing GIS map bases can gradually be transformed into this
much desired data model. (JOFFE 2003)
Unser Ziel ist es nun, diese Aussage zu überprüfen. Dazu haben wir einen Ausschnitt der
digitalen Katastralmappe benutzt, um Messdaten zu simulieren. Diese Messdaten wurden in
ArcGIS eingespielt und anschließend wurde überprüft, ob alle notwendigen Funktionen
vorhanden sind oder zumindest in akzeptablen Zeiträumen hinzugefügt werden können.
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Messbasierte Systeme
Daten in Informationssystemen basieren auf Beobachtungen. Beobachtungen sind Zufallsprozesse und liefern daher bei jeder Wiederholung ein leicht unterschiedliches Ergebnis. Im
Allgemeinen nehmen wir an, dass die Verteilung der Ergebnisse einer Normalverteilung
folgt und wir somit das Ergebnis durch Angabe von Mittelwert und Standardabweichung
charakterisieren können. Da die erhaltenen Beobachtungswerte oftmals verwendet werden,
um andere Werte (zum Beispiel Koordinaten) zu bestimmen, sind auch diese Werte mit
einer Standardabweichung behaftet. Hinzu kommt noch, dass durch die oftmals gemeinsame
Bestimmung von Werten (zum Beispiel der Bestimmung von x- und y-Koordinate aus Strecke und orientierter Richtung) Abhängigkeiten (Korrelationen) zwischen den berechneten
Werten entstehen. Im Allgemeinen werden die genauen Werte für die Standardabweichung
der abgeleiteten Größen und die Abhängigkeiten zwischen ihnen ignoriert und höchstens ein
Maximalwert für die Standardabweichung des Datensatzes angegeben.
Bei den Beobachtungen selbst ist es oftmals möglich, die Standardabweichung für eine umfangreiche Gruppe von Beobachtungen über wenige Parameter zu beschreiben. Streckenmessungen mit einem Wild DI1600 beispielsweise haben eine (theoretische) Standardabweichung von 3 mm + 2 ppm. Über die Anwendung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
(NIEMEIER 2002, 46ff.) oder nach Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate
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(NIEMEIER 2002, 108ff.) erhält man daraus sowohl die Standardabweichung und andere
Qualitätsangaben für die abgeleiteten Größen als auch die Abhängigkeiten zwischen solchen
Größen.
Bei einem messbasierten System werden nun diese ursprünglichen Beobachtungen im System gespeichert. Überlegungen bezüglich dafür notwendigen Algorithmen wurden bereits zu
Beginn der 1980er-Jahre angestellt (BARTELME, HOFMANN-WELLENHOF et al. 1980). Koordinaten und andere Größen werden in messbasierten Systemen bei Bedarf aus den Messdaten abgeleitet, Qualitätsangaben erhält man ebenso aus den Messdaten. Der Vorteil dieser
Vorgangsweise ist, dass bei Hinzufügen neuer Messungen einerseits die Anzahl der überschüssigen Beobachtungen steigt (und damit auch die Wahrscheinlichkeit dafür, eventuell
vorhandene Fehler aufzudecken) und andererseits die Qualität des Datensatzes durch Hinzufügen genauerer Beobachtungen steigt, da solche Beobachtungen bei der Auswertung auch
ein hohes Gewicht bekommen.
Messbasierte Systeme benötigen Funktionen, die in einem herkömmlichen System nicht
notwendig sind. Das System muss in der Lage sein,
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Messdaten zu speichern und mit Punkten in der Topografie zu verknüpfen,
überbestimmte Gleichungssysteme zu lösen,
zu entscheiden, wie weit der Einfluss einer neu eingeführten Beobachtung reicht.
ArcGIS und Survey Analyst
Die 1969 gegründete Firma ESRI entwickelt GIS-Software. Die beiden Produkte ArcInfo
und ArcView wurden in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts zu ArcGIS vereinigt. ArcGIS gibt es in den Ausbaustufen ArcView, ArcEditor und ArcInfo mit unterschiedlichem
Funktionsumfang und unterschiedlicher Zielgruppe.
Das offene Konzept von ArcGIS ermöglicht die Einbindung zusätzlicher Module, so genannter Extensions. Eines dieser Module ist der Survey Analyst, der Speicherung, Analyse
und Darstellung von Messdaten ermöglicht (Abbildung 1). Entwickelt wurde dieses Modul
von Leica Geosystems, einer Firma, die seit vielen Jahren erfolgreich im Gebiet der Messtechnik tätig ist.
Das Einlesen von Messdaten erfolgt durch Importfunktionen, die standardmäßig einige
wichtige Formate (z.B. GSI8/16, Geodimeter, SDR, TDS, TDS Raw) lesen können. Es ist
möglich, eigene Importfilter für spezielle Formate zu schreiben. Messdaten können im Survey Explorer bei der Berechnung der Neupunktskoordinaten kontrolliert werden. Bei der
Ausgleichung von Messdaten können Genauigkeitsmaße für Streckenmessungen, horizontale und vertikale Richtungen, Standpunkts- und Zielpunktszentrierung sowie Instrumentenund Zielhöhe angegeben werden. Diese Werte definieren die Standardabweichung für die
berechneten Koordinaten, wobei zu jedem Punkt die entsprechende Kovarianzmatrix abgespeichert wird. Vergabe von unterschiedlichen Standardabweichungen für Beobachtungsgruppen ist leider nicht vorgesehen.
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Abb. 1:
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Messdaten im Editor und im Kartenfenster
Die Auswertung der Messdaten erfolgt mithilfe von Berechnungsprogrammen, die das übliche Spektrum (Polaraufnahme, Bogenschnitt, Polygonzug etc.) abdecken. Zusätzlich ist es
möglich, Messdaten nach der Methode der kleinsten Quadrate auszugleichen.
Die berechneten Punkte können mit topologischen Objekten (Grundstücksgrenzen, Trassierungselementen etc.) verbunden werden. Die notwendige Verknüpfungs-Funktion arbeitet
entweder manuell oder über einen Snap-Radius (Abbildung 2). Die Eckpunkte des ausgewählten Objektes sind Zielpunkte der Messungen. Es ist ersichtlich, welche Punkte bei den
Messungen angezielt wurden. Die Angabe eines Snap-Radius verknüpft die Zielpunkte der
Messungen mit den Punkten der Topologie. Mit der Funktion ‚Update Feature Vertices’
kann die Topologie dann nachgeführt werden.
Abb. 2:
Verknüpfung von Messdaten mit der Topologie
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Nicht vorhandene Funktionen können vom Anwender eingefügt werden, da ArcGIS mit
jeder COM-fähige Programmiersprache erweiterbar ist. Zugriff ist auf alle wesentlichen
Operationen und Datensätze möglich. Das gilt auch für den Survey Analyst. Es ist möglich,
die Oberfläche des Survey Analyst komplett neu zu gestalten und an die Erfordernisse des
Users anzupassen. Damit ist es auch möglich, eventuell fehlende Operationen nachträglich
einzufügen. Der Aufwand hängt dabei von der Art der Änderung ab.
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Test-Szenario
Für den Test wurde die Katastralgemeinde Ebergassing verwendet. Die Daten wurden vom
Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als DXF-Datei zur Verfügung gestellt. Die
Gemeinde hat eine Größe von etwa 7 km2. Das Ortsgebiet setzt sich aus vielen kleinen Flächen zusammen, während die umliegenden Gebiete aus großen Flächen bestehen.
Da der österreichische Kataster in Form von Koordinaten geführt wird und somit keine
Messdaten zur Verfügung stehen, mussten die für den Test notwendigen Messdaten simuliert werden. Es wurde dabei eine überbestimmte, polare Aufnahme zugrunde gelegt, um
genügend Daten für eine Ausgleichung zu haben. Die Standpunkte wurden händisch entlang
den Straßen digitalisiert und durch gerechnete Messdaten miteinander verknüpft. Abstände
zwischen den Standpunkten im Ortsgebiet wurden kleiner gewählt als Freiland. Für die
gesamte Gemeinde erhielten wir auf diese Weise 870 Standpunkte. Von jedem dieser
Punkte wurden Messdaten zu den vier nächstgelegenen Standpunkten gerechnet, um eine
automatische Berechnung der Messdaten zu ermöglichen. Probleme der Sichtbarkeit wurden dabei vernachlässigt, um die Aufgabe einfach zu halten. Diese Methode lehnt sich stark
an die gängige Praxis in der Katastervermessung (BOSSE 1985) an, die seit Jahrzehnten
bewährt ist. Das Ergebnis dieses Vorgangs war für das Festpunktnetz eine Anzahl von jeweils etwa 3.500 Distanz- und Richtungsmessungen. Die Bestimmung der annähernd
10.000 Grenzpunkte benötigt dann noch weitere 40.000 Beobachtungen. In Summe wurden
also etwa 47.000 Beobachtungen bestimmt und es gibt etwa 22.000 unbekannte Parameter
(Koordinaten- und Orientierungsunbekannte).
Der für den Test verwendete Rechner war ein 2,4 GHz Pentium IV mit 1GB RAM unter
Windows 2000. Die verwendete Datenbank war Microsoft Access. MS Access hat einige
Beschränkungen, die die Verwendung für GIS problematisch erscheinen lassen. Beispielsweise ist die Größe der Datenbanken auf 2 GB beschränkt. Trotzdem wurde die Datenbank
verwendet, da sie in fast allen größeren Organisationseinheiten zur Verfügung steht und
unser Testgebiet nur einen kleinen Datensatz umfasst.
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Ergebnisse des Tests
Der Test wurde in mehreren Schritten durchgeführt. Zunächst wurden die Messdaten in das
System eingespielt. Anschließend wurden aus den Messdaten Koordinaten berechnet. Die
bestimmten Punkte wurden dann mit der aus der DXF-Datei gewonnenen Topologie verknüpft. Abschließend wurden neue, nicht ins System passende Messdaten eingefügt, um die
Veränderung des Datenbestandes im Laufe der Zeit zu testen.
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5.1 Einlesen der Messdaten
Das Einfügen der Messdaten erfolgte mit dem GSI16-Format. Die Koordinaten der 870
Standpunkte wurden in die Datenbank eingefügt, wobei diese Koordinaten entweder einer
Ausgleichung entstammen oder als Näherungswerte für eine Ausgleichung verwendet werden können. Danach wurden die Messungen importiert. Der Survey Analyst verknüpfte die
Messungen mit den jeweils dazugehörigen Standpunkten. Zusätzlich wurden automatisch
Näherungslösungen für die Zielpunkte bestimmt. Somit war sofort eine Anzeige der Messungen im Kartenfenster möglich. Probleme gibt es beim Einlesen von Messdaten keine.
Selbst bei GSI16-Dateien in maximaler Länge (9.999 Zeilen) funktioniert der Import problemlos. Die Datenbank Access war ebenfalls fähig, alle Daten zu speichern.
5.2 Berechnung der Koordinaten
Die Berechnung der Koordinaten erfordert einige Voraussetzungen. Es müssen die vom
Vermesser gewählten Punktbestimmungsmethoden (Polygonzug, Vorwärtsschnitt, Polarpunktbestimmung etc.) berechenbar sein. Außerdem muss es möglich sein, eine Ausgleichung nach der Methode der kleinsten Quadrate durchzuführen. Eine robuste Schätzung
würde eine Grobfehlersuche erleichtern.
Der Survey Analyst bietet alle notwendigen Berechnungsarten an. Der Survey Analyst stellt
die Funktionen in Form von selbsterklärenden Icons dar. Abbildung 3 zeigt alle vorhandenen Icons. Wichtig für ein messbasiertes System ist vor allem das mittlere Icon in der letzten Reihe, die Ausgleichung. Leider fehlt eine robuste Schätzung.
Abb. 3:
Möglichkeiten der Punktbestimmung mit dem Survey Analyst
Leider traten Probleme mit der Performance auf. Weder das User-Interface noch das Ausgleichungsmodul sind für derart große Datenmengen optimiert. Beim User-Interface muss
einerseits für eine Ausgleichung jeder Netzpunkt separat angegeben werden. Das Hinzufügen neuer Netzpunkte dauert umso länger, je mehr Netzpunkte bereits ausgewählt sind. Das
erste Problem kann durch Schreiben einer kleinen Funktion gelöst werden, die Standpunkte
nach beliebigen Kriterien (Punktenummern, Koordinatenbereiche etc.) auswählt und in
einen Datensatz für eine Ausgleichung schreibt. Das zweite Problem kommt wahrscheinlich
daher, dass bei der Entwicklung des Moduls nicht mit so großen Datenmengen gerechnet
wurde. Hier ist möglicherweise eine Anpassung des Programmdesigns notwendig.
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Größere Probleme verursacht jedoch die Ausgleichung selbst. ArcGIS war nicht in der
Lage, Ergebnisse einer Gesamtausgleichung in einem akzeptablen Zeitraum zu liefern. Ein
Test mit einer geodätischen Software zeigt auch den Grund dafür. Der Test wurde auf dem
selben Rechner durchgeführt. Die verwendete Software war das Geodäsie-Paket Geosi, das
als Speziallösung gegenüber einem Produkt wie ArcGIS im Vorteil ist. Trotzdem benötigte
Geosi für die Ausgleichung der Standpunkte ohne Einbeziehung der Detailpunkte über 24
Stunden Rechenzeit. Die Datenmenge, die von ArcGIS hätte bearbeitet werden müssen war
zehnmal so groß. Dasselbe trifft auch auf die Anzahl der Unbekannten zu. Da der Rechenaufwand bei einer Ausgleichung jedoch mit dem Quadrat der Anzahl der Unbekannten
zunimmt, ist die Aufgabe nur dann zu lösen, wenn der verwendete Algorithmus speziell auf
große Datenmengen zugeschnitten ist. Das dürfte nicht der Fall sein. Detailversuche haben
jedoch gezeigt, dass der Survey Analyst problemlos in der Lage ist, kleinere Ausschnitte zu
bearbeiten.
5.3 Verknüpfung mit der Topologie
Zur Verknüpfung der gemessenen Punkte mit der Topologie steht eine einfache, aber effektive Funktion zur Verfügung. Über den Snap-Radius wurde der eingespielte Datensatz mit
dem original Polygonlayer von Ebergassing verknüpft. Falls die Distanz zwischen zwei
Punkten kleiner als der Snap-Radius ist, muss die Zuordnung händisch erfolgen, was durch
den Survey Analyst mit einer Liste von Problemstellen und automatischem Zoom zur entsprechenden Position unterstützt wird.
5.4 Einfügen neuer Messungen
Ein beim Survey Analyst leider nicht umgesetzter Aspekt messbasierter Systeme ist die
lokale Ausgleichung. Die Grundüberlegung der lokalen Ausgleichung ist folgende: Jede
Messung in einem geodätischen Netz hat eine Auswirkung auf ihre Umgebung. Die Auswirkung nimmt mit zunehmender Entfernung von der neuen Beobachtung ab. Man kann nun
die Entfernung abschätzen, ab welcher der Einfluss der neu hinzugefügten Beobachtungen
zu vernachlässigen ist (BUYONG & KUHN 1992). Wenn man nun zu einem bereits ausgeglichenen geodätischen Netz eine neue Beobachtung hinzufügt, so erhält man einen Einflussbereich für diese Beobachtung. Eine Ausgleichung der Beobachtungen innerhalb dieses
Bereiches liefert dasselbe Ergebnis wie eine Ausgleichung aller vorhandenen Messdaten.
Prinzipiell unterscheidet sich die lokale Ausgleichung also nur durch die gewählten Beobachtungen von einer Ausgleichung aller vorhandenen Beobachtungen. Zur Auswahl der
Beobachtungen muss man eine Pufferzone anlegen und alle Beobachtungen, die zumindest
entweder Stand- oder Zielpunkte innerhalb des Puffers liegen, sollen an der Ausgleichung
teilnehmen. Dieser Vorgang ist leicht mathematisch zu beschreiben und daher programmierbar. Somit sollte es kein Problem sein, die Funktion in den Survey Analyst zu integrieren.
Eine oft vorkommende Aufgabe ist das Einbinden neuer Messungen in bestehende Datensätze. An einem einfachen Beispiel wird jetzt demonstriert, wie dieser Prozess im Survey
Analyst umgesetzt werden kann. Abbildung 4a zeigt das Ergebnis einer lokalen Ausgleichung, die manuell durchgeführt wurde, indem die Messungen von vier Standpunkten ausgewählt wurden. Anschließend wurde die Topologie mit den Ergebnissen der Vermessung
verknüpft (Abbildung 4b).
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a
Abb. 4:
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b
Ergebnis der Ausgleichung (a) und korrigierte Topologie (b)
Zusätzlich zu den vorhandenen Messungen gibt es noch Längenmessungen zwischen den
beiden Flächen. Abbildung 5 zeigt die hinzugefügten Strecken als dicke Linien. Das Problem dabei ist, dass der Survey Analyst zwar den Einsatz von Elementen aus der konstruktiven Geometrie ermöglicht, es aber keine Möglichkeit gibt, Maßbandmessungen direkt als
solche einzugeben. Elemente der Konstruktiven Geometrie haben keine Genauigkeitsangabe. Daher werden sie als exakt angesehen und bei einer Ausgleichung nicht verändert. Es
sollte für das Ausgleichungspaket keine Schwierigkeit darstellen, Maßbandmessungen als
Messungen mit einer bestimmten Genauigkeit einzufügen. Auch hier ist also nur die Benutzerschnittstelle abzuändern, sodass die Eingabe solcher Messungen möglich wird.
Die letzten Schritte sind die lokale Ausgleichung und das Nachführen der Topologie. Die
lokale Ausgleichung wird wieder durch explizite Angabe der zu verwendenden Standpunkte
simuliert. Das Ergebnis ist eine ausgeglichene Lösung für die Koordinaten der Grenzpunkte,
wobei die eingegebenen Maßbandmessungen absolut erfüllt sind. Abbildung 5 zeigt das
Ergebnis dieses Schrittes.
Abb. 5:
Ergebnis mit nachgeführter Topologie
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Zusammenfassung und Ausblick
Es hat sich gezeigt, dass der Survey Analyst beinahe alle Voraussetzungen für die Schaffung eines messbasierten Systems enthält. Einige kleine Funktionen sind nicht vorhanden.
Diese können jedoch über die vorhandene Programmierschnittstelle ergänzt werden. Vor
allem das Fehlen von Maßbandmessungen muss behoben werden, aber auch die Routine
zum Einfügen von Punkten in eine Ausgleichung sollten noch etwas überarbeitet werden.
Trotz allem ist der Schritt in Richtung messbasiertes System wichtig.
Im Zuge der Tests hat sich auch gezeigt, dass selbst bei leistungsfähigen Computersystemen
spezielle Algorithmen für große Datenmenge notwendig sind. Das verwendete Ausgleichungsmodul ist anscheinend nicht für große Datenmengen optimiert und benötigt zu lange
für eine großräumige Anwendung messbasierter Systeme. Dabei ist jedoch auch zu beachten, dass es sich um eine neu entwickelte Extension handelt, die ursprünglich für kleinere
Aufgaben (Baustelle, Teilungsplan) gedacht war. Bei solchen Aufgaben sind die fehlenden
Funktionen nicht notwendig und der Survey Analyst daher sinnvoll einsetzbar. Wenn das
Modul jedoch tatsächlich für messbasierte Katastersysteme verwendet werden soll, müsste
am Ausgleichungsmodul noch gefeilt werden.
Generell lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass ein Einsatz in großflächigen Anwendungen mit hoher Datendichte noch nicht möglich ist. Einige Kritikpunkte schränken momentan den sinnvollen Einsatz ein. Wichtige Details wie unterschiedliche Messgenauigkeiten oder Maßbandmessungen sind noch nicht integriert. Bei Aufgaben mit begrenzten Datenmengen kann das Paket aber sinnvoll verwendet werden. Beispielsweise könnte ArcGIS
mit dem Survey Analyst beim Bau eines Staudammes im gesamten Prozess, von der Planung bis hin zur Bauwerksüberwachung, verwendet werden. Es können auch Überwachungsmessungen in den Datenbestand aufgenommen und die Deformationsanalyse in ArcGIS durchgeführt werden. Hierbei könnte man mit impliziter Hypothesenformulierung arbeiten (NIEMEIER 1985). In solchen Projekten könnte der Survey Analyst gute Dienste bei
Datensicherung und Dokumentation leisten.
Danksagung
Diese Arbeit wurde im Rahmen des EU-Projektes ReviGIS durchgeführt. Die Firma SynerGIS hat die Arbeit mit Tipps und Hintergrundinformationen unterstützt. Besonderer Dank
gilt dem BEV für die kostenlose Bereitstellung der digitalen Katastralmappe.
Literatur
BARTELME, N., HOFMANN-WELLENHOF, B. & P. MEISSL (1980): Empfohlene Algorithmen
zur Programmierung geodätischer Rechenaufgaben, Bd. III. Zugriff auf eine Meßdatendatei. Mitteilungen der geodätischen Institute der Technischen Universität Graz, Folge
37. Graz
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BOSSE, W. (1985): Die Praxis der Katastervermessungen. dbv-Verlag für die technische
Universität Graz, Graz
BUYONG, T. (1992): Measurement-based multi-purpose cadastral systems. NCGIA. University of Maine, Orono
BUYONG, T. & A. U. FRANK (1989): Measurement-Based Multipurpose Cadastre.
ACSM/ASPRS Annual Convention, Baltimore, MD, April 2-7, 1989
BUYONG, T. & W. KUHN (1992): Local Adjustment for Measurement-Based Cadastral
Systems. In: Journal of Surveying Engineering and Land Information Systems, 52(1),
25-33
BUYONG, T., KUHN, W. & A. U. FRANK (1991): A Conceptual Model of MeasurementBased Multipurpose Cadastral Systems. In: Journal of the Urban and Regional Information Systems Association (URISA), 3(2), 35-49
COPPOCK, J. T. & D. W. RHIND (1991): The history of GIS. In: Maguire, D. J., Goodchild
M. F. & D. W. Rhind (Eds.): Geographical Information Systems – principles and applications, 1, 21-43. Longman Scientific & Technical, Essex
FRANK, A. U. (1995): The Economics of Geographic Information. Geographic Information
Systems. Materials for a Post-Graduate Course, 3, 745-801. A. U. Frank. Vienna, Department of Geoinformation, TU Vienna
GOODCHILD, M. F. (1999): Measurement-Based GIS. International Symposium on Spatial
Data Quality, Hong Kong, Department of Land Surveying and Geo-Informatics. Hong
Kong Polytechnic University
HINTZ, R. J., WAHL, J. L., WURM, K. & D. MCKAY (1996): Geographic Measurement
Management: An Operational Measurement-Based Land Information System.
ASPRS/ACSM Annual Convention, Baltimore, MD
JOFFE, B. (2003): Survey Analyst: A Dream Come True. In: ArcNews, 25
NIEMEIER, W. (1985): Deformationsanalyse. Geodätische Netze in Landes- und Ingenieurvermessung II, 559-623. Konrad Wittwer Verlag, Stuttgart
NIEMEIER, W. (2002): Ausgleichungsrechnung. Eine Einführung für Studierende und
Praktiker des Vermessungs- und Geoinformationswesens. De Gruyter, Berlin