Die Philippinen
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Die Philippinen
Die Philippinen – wer denkt dabei nicht an traumhaft schöne Strände, Inseln und freundliche Menschen? Vage erinnert man sich aber auch an Meldungen über Fähren, die wegen Überladung sanken oder an Berichte über Konflikte im Süden des riesigen Archipels. Viele Inseln und grosse Unterschiede: Ein Augenschein in Cebu, Bohol, Boracay und Palawan. 74 Oben: Noch sind die Chocolate Text und Fotos: Daniel B. Peterlunger Hills grün - braun sind sie zwei sonnenreiche Monate später, ab April. Unten: Dschungelhonig verkauft am Ufer eines Flusses, der aus dem Regenwald strömt. 76 seaside «In Cebu geben Taxifahrer ungefragt Rückgeld, nicht wie in Manila!» erklärt Eduardo, der Fischverkäufer, stolz. Neben seinem Stand gackern Hühner, Auslegerboote mit Reissäcken an Bord legen ab, um benachbarte Inseln zu beliefern und im Schatten des unübersehbaren Hilton-Hotels übt ein Mann auf der Gitarre Songs der Beach Boys. Das rosarote Hotel überragt alle Gebäude, es ist die Peilmarke für Navigatoren. Als das Hochhaus die Farbe erhielt, die Babykleidern angemessen ist, da «fiel» auch für die armen Nachbarn etwas ab: Einige Verkaufsschuppen aus Sperrholz und Wellblech – es sind zugleich Familienwohnungen – glänzen ebenfalls rosarot. Auch eine Fähre im Hafen. «Ja, die Farbe war sehr billig», bestätigt Fredo, die Deckhand, und fügt schelmisch lächelnd hinzu: «Die Farbkübel waren sozusagen gratis.» Annelyn, 26, betreut die Wassersportgeräte-Vermietung in der Bucht beim Hotel. Die junge Frau kennt ihre Kunden genau: «Russen und Amerikaner mieten Hobie Cats. Koreaner düsen lieber mit Jetskis übers Meer.» Segeln geht hier gut. Meist bläst ein mässiger Ostwind, Strömungen gibts keine, der Gezeiten unterschied ist gering. Das Revier um Cebu wäre ideal für Segelanfänger. Die Insel im Herzen der Region Visayas besitzt einen internationalen Flughafen, Strände und Hotels, und trotzdem lockt sie nicht wirklich zum Verweilen: viel Industrie und Verkehr. Cebu ist jedoch ein ideales Einreiseportal für die Philippinen und ein Sprungbrett zu anderen Inseln des Archipels: Mit dem Schiff erreicht man in anderthalb Stunden die saftig grüne Insel Bohol. Die Fähre Weesam Jet ist nicht wie andere notorisch überladen, da auf ihr nur tatsächlich vorhandene Sitzplätze verkauft werden. Insel Bohol «Hier kann man Kanus und Katamarane mieten, lärmige Jetskis gibts nur wenige, weil die Insel von grossen Korallenriffen umgeben ist», erklärt eine Angestellte des Tourismusbüros im Hafen der Inselhauptstadt Tag bilaran. Hotelresorts vermieten die Wassersportgeräte. Die meisten Unterkünfte liegen am weissen Strand der vorgelagerten Insel Panglo, die durch zwei kurze Dämme mit der Hauptinsel Bohol verbunden ist. Begeistert zählt marina.ch oktober 08 die Tourismus-Dame alle Highlights ihrer Insel auf, das letzte feuert sie mit Ausrufezeichen ab: «Die Chocolate Hills! Da müssen Sie unbedingt hin.» Im Innern der Insel: Noch sind die meisten der wohlgerundeten Hügel grün, doch die Sonne sengt, bald werden sie sich braun verfärben. Dann erklärt sich der Name der eigenartigen Hügellandschaft von selbst. Schweizer mit Schokoladebewusstsein denken unweigerlich an die politisch längst korrekt umbenannten – seis drum! – Mohrenköpfe. Legenden – eine handelt von Titanen, die andere von tragischer Liebe und zu Hügeln geronnenen Tränen – erklären die Entstehung der unvergleichlichen Landschaft. Geologen sehen es nüchtern als das Ergebnis uralter, erodierter Korallenablagerungen und vulkanischer Aktivität. Amila, eine Besucherin aus Manila, meint lächelnd: «Die poetische Erklärung gefällt mir besser.» Auf den ursprünglich von Animisten besiedelten Philippinen ist man seit jeher bildhaften Erklärungen zugetan. Und der seit dem 16. Jahrhundert starke Einfluss der katholischen Kolonialisten aus Spanien ist unübersehbar: Kirchen und Kathedralen mit Patina. Die im tropisch-feuchten Klima gealterten Häuser sind gut besucht. Wie etwa die Kirche der unbefleckten Empfängnis, mit grossen Flecken auf der Fassade: Es schimmelt. Doch ihre Lage am Meer ist einzigartig. Der Kirchturm diente Piraten als Ausguck. Ihnen konnten die christlichen Gebote den Wind nicht aus den Segeln nehmen, als sie bis ins letzte Jahrhundert die Gewässer unsicher machten – im von Seglern und Touristen gemiedenen Süden des riesigen philippinischen Archipels tun sie es noch heute. Die Kirchengänger reisen mit liebevoll geschmückten Sammeltaxis an, etwa mit den landesweit verbreiteten oktober 08 marina.ch Jeepneys. Oder mit Tricycles, zu Dreirädern umgebauten Taxi-Motorrädern mit Passagierkabine. Auf Bohol muss jedes dieser Vehikel für die Zulassung eine reli giöse Aufschrift tragen. «Gott ist Liebe» oder «Wir vertrauen auf Jesus» steht da etwa. Ein Fahrer ergänzte mit dem Pinsel: «Für Sicherheit: Bitte lächeln!» Mit solchen Gefährten erreicht man vom Hafen aus innert einer halben Stunde ein Naturschutzgebiet bei Corella. Ein Besuch lohnt sich, wie die Dame im Tourismusbüro warb: «Dort lebt der kleinste Affe der Welt!» In keinem Land Asiens ist der Katholizismus stärker verankert als auf den Philippinen, wo Heiligenbilder sogar Sammeltaxis, Jeepneys, schmücken. Im Reich der Kobolde Bei jedem Schritt auf dem schmalen Dschungelpfad schmatzt Schlamm unter den Schuhen. Es nieselt, warmes Wasser tropft von den Blättern, der Himmel ist bedeckt, das Licht grau. Wir schwitzen, hunderte Moskitos summen. Langsam dringen wir tiefer ins Schutzgebiet der Philippine Tarsier Foundation. «Dort!», flüstert Glenn Ocena, der Projektchef der Stiftung. Aufmerksam betrachtet er einen Busch im Dickicht. Ich sehe nur braune Stängel, Äste und grüne Blätter. Sonst nichts. Glenn hebt langsam die Hand und zeigt auf einen dunklen Punkt in fünfzig Zentimeter Entfernung. Dort klammert sich an einem vertikalen Ast ein Wollknäuel mit grossen Augen und zartgliedrigen Händen und Füssen. Das ist er, der etwas mehr als faustgrosse philippinische Tarsier, der kleinste Affe der Welt, der strenggenommen keiner ist: Tarsiers sind zwar Primaten wie die Affen, doch die als Koboldmaki bekannten Tiere gehören zu einer primitiveren Untergruppe. Sie sollen bereits seit Millionen Jahren im philippinischen Dschungel leben. Jetzt sind sie vom Aussterben bedroht. Die Hauptursache ist, wie so oft, die Zerstörung ihres seaside 77 Boracays bunte Boote Oben: Philippinischer Tarsier der kleinste Primat der Welt Links: Praus - Boracays segelnde Schmetterlinge Unten: Kokosmilch-Lieferant in Boracay sind Touristen auch auf dem Wasser umsorgt Lebensraumes. «Die Bevölkerung ist grösser geworden, der Regenwald wird gerodet und wird kleiner», erklärt Glenn und fügt säuerlich lächelnd hinzu: «Viele Familien, die am Rand unseres Schutzgebietes wohnen, besitzen Hauskatzen – und die lieben die Tarsiers!» Tarsius syrichta, wie das putzige Tierchen korrekt heisst, ist eines der am langsamsten wachsenden Säugetiere. Sein Geburtsgewicht beträgt bloss 23 Gramm. Männchen werden maximal 12,4 Zentimeter hoch und wiegen im Schnitt 134 Gramm, 17 Gramm mehr als Weibchen. Der Tarsier ernährt sich von kleinen Echsen und Vögeln, doch vor allem von Insekten. Er kann den Kopf auf beide Seiten um fast 180 Grad drehen. Wie eine Kreuzung aus ET mit einem Gremlin sähe er aus, steht in einem Reise führer. Stimmt. Das Tier diente auch als Vorlage für die Figur Yoda im Film «Star Wars». Besucher werden, bevor sie mit einem Führer in die umzäunte Schutzzone aufbrechen dürfen, über die Tarsiers informiert und auf strenge, aber sinnvolle Regeln verpflichtet: Man darf weder rauchen noch essen, nicht mehr laut sprechen und sich den Tieren nur langsam nähern. Sie zu berühren und mit Blitz zu fotografieren ist untersagt. Ein Rundgang dauert ein bis zwei Stunden und kostet vier Franken, Spenden sind willkommen. 78 seaside marina.ch oktober 08 Boracay. Ein Wort, eine Insel, ein Klang, der seit den Siebzigerjahren – Hippie-Zeit – mit schneeweissem Strand und Beschaulichkeit lockt. Der Strand ist weiss wie Puderzucker, das warme Meer türkis-transparent. Anstelle einfacher Hippie-Hütten findet man heute über die ganze Insel verteilt luxuriöse Resorts. Die Vielzahl an Shops, Restaurants und Discos bedient jeden Geschmack. Es herrscht emsiges Treiben: Fliegende Händler bieten freundlich unaufdringlich von der Sonnenbrille bis zum grillierten Würstchen alles an, was man am Strand zum Überleben braucht. Aber das Beste liegt vor dem Strand: Die Praus, elegante Auslegerboote mit Segel. Mit ihnen kann man für ein paar Franken in den Sonnenuntergang segeln. Die farbenfrohen Segelboote, die ursprünglich Waren und Menschen von einer Insel zur andern transportierten, wurden auch zum Fischen benutzt. Heute werden damit hauptsächlich Touristen «gefischt». Skipper Toni, 43, Vater zweier Kinder, lebt davon. Am liebsten sind ihm Kunden aus Europa und den USA, weil die richtig segeln wollen, anders als Gruppenreisende aus Korea, die bloss ein Stündchen buchen. Ich will mit ihm die Insel Boracay – 16 Kilometer lang, an der schmalsten Stelle zwei Kilometer breit – umrunden, doch Skipper Toni ist strikte dagegen: «Wenn der Wind von Nordwest nach Nordost dreht, so wie heute, sind die Wellen am Nordkap zu hoch.» Er hat Recht. Kurz vor dem Kap, bei fünf Windstärken, wachsen die Wellen zu stattlicher Höhe heran. Wir fallen ab. Geräuschlos ziehen wir einen schnellen Strich ins klare Wasser. Das Grossegel von 24 m2 und die Fock mit 8 m2 entfalten ihre Wirkung. Sie bestehen aus gewobenen Plastikbahnen, wie sie auch für Reissäcke verwendet werden. Nur vier Monate halten die Segel, ein Satz kostet 55 Franken, ein Boot zirka 2000 Franken – je nach Länge. Es gibt drei Klassen zwischen 25 bis 30 Fuss. Und es gibt ein Holzproblem: Auf Boracay ist Holz rar. Also beschafft man es auf der Nachbarinsel Panay mit dem kleinen Flugplatz, dem Einfallstor zu Boracay, das man per Boot innert Minuten erreicht – hinüberschwimmen ginge auch. Doch seit auf Panay der Holzschlag streng kontrolliert ist, holen sich die Bootsbauer ihr Baumaterial von der weiter nördlich gelegenen Insel Carabao. Klassische Problemverlagerung – wie dagegen angehen? Tonis Antwort: «Ich brauche ein Schiff, um meine Familie zu ernähren.» Wir zischen über Türkiswasser und passieren einen Strandabschnitt, der wie ein Open-Air-Warenlager aussieht. Toni: «Die Bucht für Hardware!» Hier trifft das Baumaterial ein, das in Hotels verwandelt wird, die bald jedes Fleckchen der Insel besetzen. Doch jetzt hat die Umweltbehörde erneut einen Baustopp verfügt, weil der letzte missachtet wurde. Die Insel ist ziemlich voll. Auf dem Wasser ist es am schönsten. Das wissen oktober 08 marina.ch marina.ch Ralligweg 10 3012 Bern Tel. 031 301 00 31 [email protected] www.marina-online.ch Tel. Abodienst: 031 300 63 43 leiden unter der monatelangen Trennung von der Familie. Und ein weiterer Punkt ist für die in den Tropen Aufgewachsenen schwierig, wie mir Maschinen ingenieur Eddy aus Manila, der an Bord eines Schiffes in der Antarktis unterwegs war, erklärte: «Pinguine sind ja ganz lustig, aber es ist saukalt dort. Ich gehe lieber in Port Stanley auf den Falklands shoppen, da sind die Geschäfte anständig geheizt.» infobox Reisezeit: Dezember bis Mai, danach je nach Region ausgeprägte Regenzeit. Anreise: Singapore Airlines fliegt als einzige Airline zwei Mal täglich von Zürich nach Singapur und mit der Tochtergesellschaft Silkair ab Singapur direkt nach Cebu. www.singaporeair.ch. – Visum wird bei Ankunft erteilt. Nach Boracay: Ab Cebu oder Manila via Caticlan auf Boracays Nachbarinsel Panay. Nach Palawan, El Nido: Ab Manila mit der Fluglinie der Resortbetreiber. Anbieter: Die Reise wurde unterstützt von Singapore Airlines, der Insel Palawan Philippine Tourism Authority und Tourasia, 8304 Wallisellen. Keine Heizung brauchts in Palawan. Alles, was man sich von Inseln und Stränden in den Tropen erträumen kann – auf Palawan wird es Wirklichkeit. Am Nordwestzipfel der 425 Kilometer langen, dünnbesiedelten Hauptinsel liegt im Bacuit Archipel das Meeresschutzgebiet El Nido mit 45 steilen Kalksteininseln. Einige besitzen kleine, traumhafte Strände: Palmen, schneeweisser Sand, glasklares Wasser, das die ganze Farbskala von Türkis bis Tintenblau durchläuft. Und die Strände sind menschenleer. Wer nicht auf eigenem Kiel anreist – und wer tut das schon? – erreicht die fantastischen Inseln mit einem Boot eines Hotels innert Minuten. In zwei Buchten benachbarter Inseln eingebettet liegen die Resorts «Miniloc» und «Lagen» mit luxuriösen Häusern, die auf Stelzen in der smaragdfarbenen Lagune stehen. Hier muss man bloss anmelden, wonach einem der Sinn steht: Katamaran-Segeln? «Wir bringen sie auf die Insel dort drüben, wo der Hobie-Cat am Strand bereit steht», sagt eine Angestellte dienstbefliessen. Kajak? Dazu ist die märchenhafte Lagune einer anderen Nachbarinsel geeignet. Tauchen, Schnorcheln, Klettern, ein kleines Trekking zum Sonnenaufgang – für jeden Wunsch gibts die geeignete Insel. Palawan, diese Region allein ist eine Reise ins Reich der siebentausend Inseln wert. Weitere Informationen: www.tourasia.ch, www.philtourism.com www.tarsierfoundation.org, www.manilayachtclub.org HONGKONG P a c i f i c O c e a n Im Bacuit Archipel, Palawan – ein ganz normaler Strand, von denen es Dutzende gibt… und ganz normale Fröhlichkeit. Luzón a MANILA Samar h Boracay Cebu C (SAIGON) Mindoro in T.P. HO CHI MINH a h e t S u S o Palawan © www.kohlikarto.ch Brunei Mindanao Celebes Sea B o r n e o 80 seaside 10057 Bohol Palau Is. auch jene Segler, die jeweils im Februar an der ManilaBoracay-Regatta teilnehmen. Gestartet wird das 200Meilen-Rennen immer mittwochs in Manila, die Siegesfeier findet am Samstag in Boracay statt. Dieses Jahr gelang Frank Pong aus Hongkong auf «Jelik» mit 19 Stunden und 6 Sekunden ein neuer Rekord. Auf den anderen 25 Yachten – ein zahlenmässiger Teilnehmerrekord – segelten mehrheitlich Einheimische. Philippinos sind gute und geschätzte Seeleute. Auf Frachtern und Kreuzfahrtschiffen stellen sie zusammen mit philippinischen Servicemitarbeitern meist den grössten Anteil der multinationalen Crews. Dank ihnen fliesst viel Geld ins von hoher Arbeitslosigkeit geplagte Inselreich. Doch die Arbeit auf den Weltmeeren ist hart, die Philippinos marina.ch oktober 08 oktober 08 marina.ch marina.ch Ralligweg 10 3012 Bern Tel. 031 301 00 31 [email protected] www.marina-online.ch Tel. Abodienst: 031 300 63 43