Leseprobe Kapitel 7

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Aus dem Buch
Roland Waibel/Michael Käppeli: Betriebswirtschaft für Führungskräfte – Die Erfolgslogik
des unternehmerischen Denkens und Handelns.
2. Auflage. ISBN 978-3-03909-178-2, Versus Verlag, Zürich 2009
7
Systemisches Management
«Herr, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom
anderen zu unterscheiden.»
Friedrich Christoph Oetinger
Unternehmerisch denkende und handelnde Führungskräfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie – wie dies im Abschnitt 1.1.2 «Kernaufgaben bzw. -funktionen im Managementprozess» aufgezeigt wurde – Ziele setzen, planen, organisieren, kontrollieren und die Mitarbeitenden führen und entwickeln. Je höher
die Führungsposition, desto mehr haben es Führungskräfte heute oft mit komplexen unternehmerischen Problemstellungen zu tun, in denen vieles mit vielem
dynamisch verknüpft ist und zahlreiche Abhängigkeiten und Zielkonflikte bestehen. Erfolg dürfte sich insbesondere dann einstellen, wenn es einer Führungskraft gelingt, diese Kernaufgaben des Managements mit den Grundsätzen
und Erfolgslogiken wertorientierter Unternehmensführung zu verknüpfen. Dies
bedarf der Fähigkeit, systemorientiert und vernetzt denken und handeln zu können (1.2 «Management im Sinne einer systemorientierten Managementlehre»;
1.3.2 «Vernetztes Denken im Management»). Erfolgreiche Führungskräfte betrachten deshalb unternehmerische Sachverhalte und komplexe Probleme sinnvollerweise als Systeme, d.h. als aus Komponenten aufgebaute Ganzheiten, die
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Kapitel 7 Systemisches Management
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«Systemisches Management»:
Fähigkeit zur ganzheitlichvernetzten und erfolgreichen
Gestaltung von unternehmerischen Systemen
eine innere Ordnung oder Struktur aufweisen und ein bestimmtes äusseres Verhalten zeigen. Ausdruck einer solchen systemischen Sichtweise ist die Erfolgslogik des unternehmerischen Denkens und Handelns, die in den Kapiteln 2 bis
6 schrittweise entwickelt wurde und wie eine Landkarte wesentliche unternehmerische Zusammenhänge und Vernetzungen bildhaft aufzeigt. In diesem
Schlusskapitel geht es nun darum, die Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel zu einem Steuerungsinstrument in Form eines Management-Cockpits für
Führungskräfte zu verdichten. Dieses ist die Grundlage für konkrete Aktionspläne (Massnahmen) und soll Führungskräften dazu dienen, das Unternehmensschiff möglichst erfolgreich durch die stürmische See der Umwelten zu
navigieren. In diesem Sinne wird hier mit «systemischem Management» die
Fähigkeit zur ganzheitlich-vernetzten und erfolgreichen Gestaltung von unternehmerischen Systemen bezeichnet.
7.1 Interpretation der Erfolgslogik: Management-Cockpit
Betriebswirtschaftliche
Zusammenhänge
Lenkbarkeiten (Hebel)
und Ergebnisgrössen
(Indikatoren)
7.1
Ein Blick zurück macht deutlich, dass vier Prozessschritte der Methodik des vernetzten Denkens bereits durchlaufen wurden: In einem ersten Schritt (vgl. Abschnitt 1.3.2.1) ging es darum, ein komplexes Problem abzugrenzen und die relevanten Sichtweisen zu identifizieren. Die in diesem Buch gestellten Ausgangsfragen im Zusammenhang mit der Einführung in unternehmerisches Denken und
Handeln lauteten: Wie lassen sich grundlegende betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und zentrale Erfolgslogiken in ihrer Vernetzung darstellen? Welche
Lenkbarkeiten (Hebel) ergeben sich auf dieser Grundlage für Führungskräfte
und anhand welcher Ergebnisgrössen (Indikatoren) lässt sich der Erfolg der
getroffenen Massnahmen überprüfen? Vernetztes Denken bedeutet im ersten
Schritt auch, die unternehmerische Wirklichkeit aus unterschiedlichen Standpunkten zu erfassen und zu charakterisieren. Dem wurde Rechnung getragen,
indem das gesamte Unternehmenssystem auf der Grundlage zentraler strategischer und umweltbezogener Zusammenhänge (Kapitel 2) schrittweise mit den
Perspektiven der finanziellen, markt-, prozess- und mitarbeiterorientierten Unternehmensführung erweitert wurde (Kapitel 3 bis 6). Dabei wurden auch aus
den verschiedenen Perspektiven heraus die Schlüssel- oder Erfolgsfaktoren des
Systems erarbeitet (vgl. Abschnitt 1.3.2.2) und in Form von Hebeln und Indikatoren ins System integriert (Schritt 2). Schritt 3, der erste Kreislauf (vgl. Abschnitt 1.3.2.3), ist, analog zum betriebswirtschaftlichen Berichtswesen mit den
zentralen drei Ergebnisrechnungen Bilanz, Erfolgsrechnung und Mittelflussrechnung, ein Finanzkreislauf. Er beschreibt den idealtypischen Grundmotor betriebswirtschaftlichen Wirkens, wobei erzielte betriebliche Cashflows in sinn-
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7.1 Interpretation der Erfolgslogik: Management-Cockpit
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Unternehmerische
Erfolgslogik
Qualität
Wertschöpfungsarchitektur
Geschäftsprozessoptimierung
Prozessgeschwindigkeit
Lerneffekte
Produktionsmenge
volle Investitionen und Innovationen fliessen, welche Wettbewerbsvorteile bzw.
Eintrittsbarrieren für die Konkurrenz und hohe eigene Marktanteile generieren
und über operative Cashflows wiederum die flüssigen Mittel des Unternehmens
erhöhen. Mit diesem erneuten Cash-Potenzial für Investitionen und Innovationen
schliesst sich der strategische Grundkreislauf. In Schritt 4 (Netzwerk entwickeln)
wurde in den Kapiteln 3 bis 6 der Grundkreislauf sukzessive um die wichtigsten
Mess- und Steuergrössen der finanziellen, markt-, prozess- und mitarbeiterorientierten Unternehmensführung ergänzt. Abbildung 7-1 zeigt die gesamte unternehmerische Erfolgslogik auf.
Prozessflexibilität
Prozessqualität
Kostenmanagementkompetenz
Kernkompetenzen
Qualität organisat.
Wandelprozesse
Qualität Anreiz- und
Belohnungssysteme
Führungsqualität
Arbeitsproduktivität
Mitarbeitermotivation
Personalentwicklung
Arbeitszufriedenheit
Innovationen
Effizienz
Investitionen
Standortvorteile
Effektivität
Grössenvorteile
Synergien
–
Vorleistungen
–
–
Patente
Qualitätsvorsprung
Kostenvorteile
Wertschöpfung
Kosten
Liquide Mittel
Netzwerkeffekte
Unternehmenskultur
Differenzierungsvorteile
Image
Kundenzufriedenheit
Kapitalbedarf
Eintrittsbarrieren
Unternehmensrisiko
EK
FK
–
–
EKRentabilität
–
Investiertes
Kapital
–
Kapitalkosten
(WACC)
Wertsteigerung
(EVA)
–
Kapitalumschlag
GKRentabilität
Überrendite
–
Umsatzrentabilität
Abbildung 7-1
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Kundengewinnung
Neukunden
Vertriebskanäle
–
KundenKundenBekanntbindung
Staatliche
Geschäftstreue
heit
Regulierungen
Substitutionsausweitung
–
gefahr
MarktMarkenCashflow/Gewinn
Austrittsmacht
wert
Kommunibarrieren
Branchenkation
–
Umsatz
zyklizität
Potenzial
Anteil am
Markt–
BranchenMitbewerber
Kundenbudget
attraktivität
rentabilität
Preise
–
Innovations–
geschwindig–
keit
–
MarktKonkurrenzdruck –
–
wachstum
Marktanteil
–
OpportunitätsVerhandlungsFixkostenAbsatz
kosten
macht
anteil
Lieferanten/
Kunden
Unternehmerische Erfolgslogik
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Kapitel 7 Systemisches Management
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Methodik des
vernetzten Denkens
Lenkungsmöglichkeiten und
-wirkungen einschätzen
Nun geht es im fünften Schritt der Methodik des vernetzten Denkens darum,
das Netzwerk als Ganzes zu interpretieren, wobei ein erster zentraler Interpretationsansatz, die Unterscheidung von Rahmenbedingungen, Hebeln und Indikatoren, bereits geleistet wurde. Aus Sicht von Führungskräften steht nämlich eine
Frage im Vordergrund: Wie reagiert das System auf Veränderungen bzw. Systemeingriffe? Wahrscheinlich die zentrale Funktion des Managements besteht im
Steuern – der Begriff «Management» drückt dies bereits aus. Die Steuerung
bezieht sich in aller Regel darauf, dass Massnahmen getroffen werden, um die
Differenz zwischen einem feststellbaren Ist-Zustand und -Verhalten sowie einem
erwünschten Soll-Zustand (Ziel) zu eliminieren. Dies bedeutet, dass Führungskräfte im Rahmen ihrer Aufgaben Entscheidungen zu treffen haben, welche Eingriffe in das unternehmerische System darstellen und Lenkungswirkungen entfalten. In diesem Zusammenhang stellen sich drei zentrale Fragen (vgl. Abschnitt 1.3.2.5):
1. Welche der Grössen eignen sich als Hebel, um in das System einzugreifen?
Sind diese direkt lenkbar oder nur indirekt beeinflussbar?
2. Welche der Grössen eignen sich als Indikatoren, um den Erfolg des Handelns
zu messen?
3. Welche der Grössen sind Rahmenbedingungen, die man nicht ändern kann?
Welche dieser Rahmenbedingungen sind im Auge zu behalten?
Erfolgslogik des eigenen
Unternehmens verstehen
Management-Cockpit:
Hebel, Indikatoren,
Rahmenbedingungen
Management heisst, dafür zu sorgen, dass in einem komplexen System die Ziele
mit den verfügbaren Hebeln unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen
erreicht werden. Viel zu oft wird – auch auf den oberen Führungsetagen – über
Dinge diskutiert, die nicht oder kaum veränderbar sind. Mit dem Begriff des systemischen Managements wird hingegen verstanden, dass Führungskräfte dank
fundiertem Verständnis für die Zusammenhänge ihre Ziele zur gewünschten Zeit,
wirksam (effektiv) und mit geringem Aufwand (effizient) erreichen. Dies ist nur
dann möglich, wenn die Führungskräfte die Wirkungen ihrer Handlungen (bzw.
von Rahmenbedingungen) auf die Ziel- und Messgrössen des Unternehmens
richtig abschätzen können. Voraussetzung ist, dass sie «ihr Geschäft verstehen»,
um die Mittel dort einzusetzen, wo aufgrund der Erfolgslogik die stärksten Wirkungen zu erwarten sind. Abbildung 7-2 zeigt die Interpretation des Netzwerks
(Schritt 5), d.h. die gesamte unternehmerische Erfolgslogik samt identifizierten
Hebeln, Indikatoren und Rahmenbedingungen sowie zentralen PIMS-Faktoren
auf.
Die für Führungskräfte besonders relevanten Grössen – Hebel, Indikatoren,
Rahmenbedingungen – können nun in Form eines Management-Cockpits zusammengefasst werden. Abbildung 7-3 stellt, ausgehend von den Rahmenbedingungen, für die Perspektiven der finanziellen, markt-, prozess- und mitarbeiterorientierten Unternehmensführung die in der Erfolgslogik identifizierten Ziel-
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7.1 Interpretation der Erfolgslogik: Management-Cockpit
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Qualität
Wertschöpfungsarchitektur
Geschäftsprozessoptimierung
Prozessgeschwindigkeit
Lerneffekte
Produktionsmenge
Grössenvorteile
–
Prozessflexibilität
Prozessqualität
Kostenmanagementkompetenz
Kernkompetenzen
Vorleistungen
–
PIMS
Wertschöpfung
Führungsqualität
Arbeitsproduktivität
Mitarbeitermotivation
PIMS
Innovationen
Effizienz
PIMS
Arbeitszufriedenheit
PIMS
Investitionen
Standort- PIMS
vorteile Qualitätsvorsprung
–
Kostenvorteile
Kosten
Qualität Anreiz- und
Belohnungssysteme
Personalentwicklung
Effektivität
Synergien
Qualität organisat.
Wandelprozesse
Liquide Mittel
Netzwerkeffekte
Patente
Unternehmenskultur
Differenzierungsvorteile
Image
Kundenzufriedenheit
Kapitalbedarf
Eintrittsbarrieren
Unternehmensrisiko
EK
FK
–
–
EKRentabilität
–
Kapitalkosten
(WACC)
Investiertes
Kapital
–
Wertsteigerung
(EVA)
–
Kapitalumschlag
GKRentabilität
PIMS
Überrendite
–
Umsatzrentabilität
Abbildung 7-2
Kundengewinnung
Neukunden
Vertriebskanäle
–
PIMS
KundenBekanntStaatliche
Geschäftstreue
heit
Regulierungen
Substitutionsausweitung
–
gefahr
MarktMarkenCashflow/Gewinn
Austrittsmacht
wert
Kommunibarrieren
Branchenkation
–
Umsatz
zyklizität
Potenzial
Anteil am
Markt–
BranchenMitbewerber
Kundenbudget
attraktivität
rentabilität
Preise
–
Innovations–
geschwindig–
keit
–
Markt- PIMS
Konkurrenzdruck –
–
wachstum
Marktanteil
–
OpportunitätsVerhandlungsPIMS
FixkostenAbsatz
kosten
macht
anteil
Lieferanten/
Kunden
Kundenbindung
Unternehmerische Erfolgslogik mit Hebeln, Indikatoren, Rahmenbedingungen und PIMS-Faktoren
und Messgrössen (Indikatoren) sowie Steuergrössen (Hebel) zusammenfassend
dar. Dies entspricht dem Grundgerüst des Management-Cockpits, basierend auf
den in der unternehmerischen Erfolgslogik dargestellten generellen betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen und Gesetzmässigkeiten. Das ManagementCockpit zeigt, wo Führungskräfte ins System eingreifen können, welche Zielgrössen dabei als Orientierungshilfe dienen und welche Rahmenbedingungen im
Auge zu behalten sind.
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Kapitel 7 Systemisches Management
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Rahmenbedingungen
Marktattraktivität
Konkurrenzdruck
Verhandlungsmacht
der Kunden
Branchenzyklizität
PIMS
Fixkostenanteil
Marktwachstum
Verhandlungsmacht
der Lieferanten
Austrittsbarrieren
Innovationsgeschwindigkeit
Substitutionsgefahr
Opportunitätskosten
Potenzial
Branchenrentabilität
Ziel- und Messgrössen
Steuergrössen
Wertsteigerung (EVA), Gesamtkapitalrentabilität,
Eigenkapitalrentabilität, Umsatzrentabilität
Kapitalstruktur (EK, FK), Unternehmensrisiko,
Investitionen PIMS
Umsatz, Marktanteil PIMS , Anteil am Kundenbudget,
Kundenzufriedenheit, Kundentreue PIMS , Neukunden,
Markenwert, Image
Qualitätsvorsprung PIMS , Vertriebskanäle, Kundengewinnung, Kundenbindung, Geschäftsausweitung,
Kommunikation, Preise, Innovationen PIMS
Effizienz PIMS , Effektivität, Wertschöpfung PIMS
Geschäftsprozessoptimierung, Qualität Wertschöpfungsarchitektur
Unternehmenskultur, Mitarbeitermotivation,
Arbeitszufriedenheit, Arbeitsproduktivität
Qualität organisatorischer Wandelprozesse, Qualität Anreizund Belohnungssysteme, Personalentwicklung, Führungsqualität
Abbildung 7-3
Grundgerüst des Management-Cockpits (Darstellung in Anlehnung an Honegger/Vettiger 2003)
Zentrale PIMS-Faktoren, die empirisch besonders relevante Einflussgrössen
auf den ROI darstellen, sind in der generellen Darstellung in Abbildung 7-3
zusätzlich gekennzeichnet.
Innovationen werden in der Perspektive der marktorientierten Unternehmensführung als Hebel bezeichnet, da durchaus aktive Möglichkeiten zur Leistungsentwicklung bestehen. Die Zusammenhänge in der prozess- und mitarbeiterorientierten Unternehmensführung (Kapitel 5 und 6) haben aber deutlich ge-
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7.2 Systemisches Management: Erfolgslogik, Management-Cockpit, Aktionsplan
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macht, dass Innovationen nicht einfach unternehmerisch verordnet werden
können, sondern durchaus auch den Charakter von Indikatoren haben. In der Erfolgslogik kommt dies durch das Indikator-Symbol und entsprechend dargestellte Zusammenhänge zum Ausdruck: Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens hängt vom Vorhandensein entsprechender Kernkompetenzen ab und die
Innovationsneigung wird stark von der Unternehmenskultur geprägt.
Hebel und Indikatoren, welche grafisch im Bereich des strategischen Grundkreislaufs erscheinen, wurden den korrespondierenden Perspektiven zugeordnet.
Die Gliederung der Tabelle entspricht dem unterstellten kausalen Zusammenhang der Wertgenerierung: Massnahmen der mitarbeiterorientierten Unternehmensführung sind Vorlaufindikatoren für Veränderungen von Prozessvariablen,
welche sich wiederum in den Werten der markt- und finanzorientierten Grössen
niederschlagen.
7.2 Systemisches Management: Erfolgslogik, Management-Cockpit,
Aktionsplan
Systemisches Management:
alle Kernaufgaben im
Managementprozess auf die
unternehmerische Erfolgslogik und das ManagementCockpit abstützen
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7.2
Systemisches Management ist im vorhergehenden Abschnitt definiert worden als
die Fähigkeit von Führungskräften, dank fundiertem Verständnis für die Zusammenhänge ihre Ziele zur gewünschten Zeit, wirksam und mit geringem Aufwand
zu erreichen. Dies setzt dreierlei voraus: das vertiefte Wissen um die Zusammenhänge (Erfolgslogik), das Bestimmen von zweckmässigen Ziel- und Steuergrössen bei gleichzeitiger Beobachtung der kritischen Rahmenbedingungen (Management-Cockpit) sowie die sinnvolle Implementation mittels Massnahmen,
welche auf Zielwerte ausgerichtet sind (Aktionsplan; sechster Schritt der Methodik des vernetzten Denkens).
Systemisches Management in der konkreten strategischen Umsetzung heisst
folglich nichts anderes, als alle Kernaufgaben im Managementprozess (vgl. Abschnitt 1.1.2) auf die unternehmerische Erfolgslogik und das daraus abgeleitete
Management-Cockpit abzustützen. Bestehende Ziel- und Planungssysteme (z.B.
Strategien), Organisationssysteme (z.B. Gestaltung von Prozessen), Controllingund Mitarbeiterführungssysteme haben sich an Erfolgslogik und ManagementCockpit auszurichten: Ziele an den Indikatoren, Massnahmen an den Hebeln.
Externe Einflüsse sind in der Struktur der in der Erfolgslogik und im Management-Cockpit festgehaltenen kritischen Rahmenbedingungen zu beachten. Eine
Strategie ist beispielsweise nichts anderes als eine fundierte Beschreibung von
relevanten Indikatoren und Hebeln, wobei die spezifischen Zusammenhänge der
Erfolgslogik zu beachten sind. Die Gestaltung von Prozessen ist eine ganzheitliche Bündelung von Aufgaben zu Abläufen (Hebel Geschäftsprozessoptimie-
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rung), wobei Prozess- und Kundenziele im Vordergrund stehen (Indikatoren).
Die Führung durch Zielsetzung («Management by Objectives») entspricht der
Konkretisierung und Übertragung von Zielen der Erfolgslogik auf Teams und
Mitarbeitende. Ganzheitliches Controlling mittels einer Balanced Scorecard
bedeutet die Erweiterung finanzieller Controllingkennzahlen um weitere Zielgrössen der Erfolgslogik. Durch eine konsequente Ausrichtung auf Erfolgslogik
und Management-Cockpit werden Managemententscheidungen transparent und
nachvollziehbar. Erfolgslogik und Management-Cockpit sind deshalb nicht nur
Ausgangspunkt für Massnahmen bzw. Aktionspläne, sondern auch für unternehmerische Kommunikations-, Lern- und Feedbackprozesse.
Die bisherigen Ausführungen waren auf generelle betriebswirtschaftliche
Zusammenhänge und Gesetzmässigkeiten ausgerichtet. Die Umsetzung findet
allerdings im konkreten Fall des einzelnen Unternehmens statt. Im Anhang wird
das Zusammenspiel von Erfolgslogik und Management-Cockpit als strategischer
Handlungsrahmen anhand von drei konkreten Praxisbeispielen aufgezeigt.
7.3 Abschliessende Erkenntnis zur Machbarkeit durch Führung
Herausforderungen
der konkreten
Umsetzungsrealität
7.3
Systemisches Management ist ein permanenter Prozess, welcher der Lenkung
eines Schiffes in Abhängigkeit von Wind und Wetter gleicht. Je früher Abweichungen vom Zielkurs erkannt werden, desto mehr Zeit bleibt für das Einleiten
von Gegenmassnahmen. Einmal getroffene Entscheidungen mit den entsprechenden Massnahmen auf die Steuergrössen müssen deshalb laufend mit Blick
auf die festgestellten kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Zielund Messgrössen beurteilt werden. Unter Umständen müssen sowohl Massnahmen als auch Ziele flexibel angepasst werden können. Mit anderen Worten wird
die Zielerfüllung überwacht und bei einer Zielabweichung wird mittels geeigneter Handlungen in das System eingegriffen oder aber die Zielsetzungen (d.h. die
Soll-Werte) werden neu gesetzt.
Allerdings kommt es oft anders als man denkt, wie die mit beunruhigender
Regelmässigkeit auftretenden unternehmerischen Krisen und Konkurse zeigen.
Auch ein fundiertes Verständnis der Erfolgslogik des unternehmerischen Denkens und Handelns und des Management-Cockpits vermögen nicht vor Fehleinschätzungen und Missgriffen zu schützen. Das unternehmerische System mit seinen interagierenden Untersystemen ist zu umfassend und zu vernetzt, als dass
eine Landkarte (Erfolgslogik) bzw. ein strategisches Steuerinstrument (Management-Cockpit) ausreichen würde, die mit strategischer Führung verbundene
Komplexität beherrschbar und kausal voraussagbar zu machen. Verschiedene
Herausforderungen stellen sich in der konkreten Umsetzungsrealität:
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7.3 Abschliessende Erkenntnis zur Machbarkeit durch Führung
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Zusätzliche Kosten
Nebenwirkungen
Spezifische unternehmerische Zusammenhänge
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Aus Zielen abgeleitete Massnahmen sind erstens in aller Regel mit zusätzlichen Kosten verbunden. Diese fallen sofort an, während oft erst in Zukunft
deutlich wird, ob die erhofften Ergebnisse auch tatsächlich eintreten. Es muss
sich noch herausstellen, ob die mit dem Aktionsplan verbundenen positiven
Erwartungen realisiert werden können. Nicht immer trifft ein, dass die Erträge
die vorgängig erbrachten Aufwendungen übersteigen.
Zweitens zeigt das Management-Cockpit eine Mehrzahl von Ziel- und Steuergrössen, wobei nicht zwischen allen Zielharmonie herrscht: Erfolg auf einem
Gebiet kann womöglich nur zu Lasten der Leistung an anderer Stelle erreicht
werden. Höhere Absätze sind oft mittels Preissenkungen zu erreichen, wobei
der Umsatz nicht notwendigerweise gesteigert werden kann. Produktionsmenge und Absatz lassen sich erhöhen, aber diese Leistungssteigerungen können vielleicht nur mit stärker standardisierten Produkten und niedrigeren Margen erreicht werden. In dem Masse, wie Unternehmen ihre Prozessqualität
steigern und die Prozessgeschwindigkeit erhöhen, vermindert sich die Notwendigkeit, Kontrollen durchzuführen und verspätete Auslieferungen vorzunehmen. Diese Aufgaben überflüssig zu machen, bedeutet indes auch, dass die
bisher damit betrauten Mitarbeiter nicht mehr benötigt werden. Entlassungen
sind in aller Regel aufgrund auftretender Ängste und Unsicherheiten im Unternehmen eine Gefahr für die Mitarbeitermotivation und können die Unternehmenskultur beeinträchtigen. Diese Beispiele zeigen auf, dass die Faktoren
vernetzt sind und oft unsichtbare Verbindungen bestehen, die auf den ersten
Blick nicht zu sehen sind. Zwar zeigt die Erfolgslogik die Vernetzungen übersichtlich auf. Diese sind aber nicht statisch, sondern dynamisch: Wo immer
eingegriffen wird, ergeben sich Wirkungen, diese pflanzen sich fort und wirken vielleicht auf Umwegen und über Nebenwirkungen, jedenfalls oft anders
als ursprünglich geplant, zurück.
Drittens können spezifische unternehmerische Zusammenhänge von den in
der Erfolgslogik postulierten Wirkungsgefügen abweichen. Zwar stützt sich
die Erfolgslogik auf generelle betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und
Gesetzmässigkeiten ab, aber in der unternehmerischen Wirklichkeit können
beispielsweise zusätzliche Einflussfaktoren eine Rolle spielen. Wirkungszusammenhänge der Erfolgslogik sind zwar grundsätzlich plausibel, sie allein
können aber nicht garantieren, dass sich der Erfolg einstellt. Verbesserte Qualität, Effizienz und mehr Innovationen nutzen dem Unternehmen nur, wenn sie
zu höherem Umsatz und Marktanteil, niedrigeren Kosten oder höheren Gewinnen führen. Wenn sich über Hebel initiierte Massnahmen zur Verbesserung letztlich nicht auch in finanziellen Ergebnissen niederschlagen, sollten
Führungskräfte die Erfolgslogik als Basis ihrer Strategie reflektieren. Möglicherweise sind Anpassungen an den spezifischen Fall notwendig.
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Kapitel 7 Systemisches Management
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Dominanz der nicht lenkbaren Rahmenbedingungen
Gefahr der Übersteuerung
Bescheidenheit als
Schlüsselqualifikation
Viertens stehen Führungskräften in vielen komplexen Situationen bloss relativ
schwache Hebel zur Verfügung, welche nur beeinflussbar, aber nicht direkt
lenkbar sind. Hingegen sind in solchen Situationen die Einflüsse der Rahmenbedingungen (wie beispielsweise Konkurrenzdruck, Verhandlungsmacht von
Kunden und Lieferanten, Marktwachstum oder Innovationsgeschwindigkeit)
auf die erfolgsrelevanten Zielgrössen oft stark. Manchmal sind Massnahmen
gut auf Hebel und Indikatoren abgestimmt und werden sinnvoll implementiert,
aber die Dominanz der nicht lenkbaren Rahmenbedingungen ist zu gross.
Als zusätzliche Herausforderung kommt dazu, dass gerade Führungskräfte oft
zur Selbstüberschätzung neigen. Die Macht, das System verändern zu dürfen,
und der Glaube, es durchschaut zu haben und beherrschen zu können, führen zu
einem Verhalten, welches durch Fehleinschätzungen, Übersteuerungen und
Missverstehen der Rückkoppelungen geprägt ist. Manager sind vielfach Machertypen: In komplexen Entscheidungssituationen überschätzen sie die eigenen
Lenkungsmöglichkeiten und unterschätzen die Auswirkungen anderer Faktoren.
Deshalb und zum Schluss: Richtig verstandenes systemisches Management
ist mit Bescheidenheit bezüglich Erkenntnis und Machbarkeit verbunden, so wie
dies das einleitende Gelassenheitsgebet von Friedrich Christoph Oetinger
(1702–1782) ausdrückt. Es mag erstaunen, in Bescheidenheit eine Schlüsselqualifikation der erfolgreichen Führungskraft zu sehen. Die oben dargestellten
Herausforderungen im Managementalltag machen allerdings deutlich, dass Führungskräfte nur schon durch die komplexen Umstände immer wieder an ihre
Grenzen geführt werden. Bescheidenheit und realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten sind Indikatoren für reife Persönlichkeiten, die sich von
Vornherein der eigenen Begrenztheit und Fehlbarkeit bewusst sind und gelernt
haben, diese anzunehmen und konstruktiv damit umzugehen.
7.4 Weiterführende Literatur
7.4
Dörner, D. (2005). Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen.
Hamburg: Rowohlt.
Drucker, P. (1998). Die Praxis des Managements. Ein Leitfaden für die Führungsaufgaben in der
modernen Wirtschaft. Düsseldorf: Econ.
Gomez, P. & Probst, G. (1999). Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens. Vernetzt denken,
unternehmerisch handeln, persönlich überzeugen (3. Auflage). Bern: Haupt.
Honegger, J. & Vettiger, H. (2003). Ganzheitliches Management in der Praxis. Zürich: Versus Verlag.
Kaplan, R.S. & Norton, D.P. (2004). Strategy Maps. Der Weg von immateriellen Werten zum
materiellen Erfolg. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Ulrich, H. (2001). Systemorientiertes Management. Gesammeltes Werk in 5 Bänden. Bern: Haupt.
Vester, F. (2002). Die Kunst, vernetzt zu denken. Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit
Komplexität. München: dtv.

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