So werden aus Hund und Katz Freunde fürs Leben

Transcrição

So werden aus Hund und Katz Freunde fürs Leben
■ tierwelt ■
■ tierwelt ■
So werden aus Hund und Katz Freunde fürs Leben
Wenn zwei sich gegenüberstehen wie
Hund und Katz, dann geht es sprichwörtlich eher um Hiebe als um Liebe. Aber
das muss nicht sein. Ein paar Tipps zur
Vergesellschaftung.
S
icher, es mag Katzenmenschen und Hundemenschen geben, deren Herz nur für
das eine oder nur für das andere Tier
schlägt. Aber meistens sind doch eher praktische Gründe ausschlaggebend für die Anschaffung eines Hundes oder einer Katze: Der
eine braucht vielleicht einen Beschützer, der
andere hat keine Zeit, mehrfach am Tag Gassi zu gehen. So mancher Zweibeiner aber, der
schon Hund oder Katze hat, würde gerne
Zuwachs der anderen Tierart haben, hat aber
grosse Bedenken. Schliesslich jagen Hunde
Katzen und Katzen hassen Hunde, oder etwa
nicht?
Jo und Sammy sind jedenfalls das beste
Beispiel dafür. Jo, der mächtige Kater, bisher
unumschränkter Alleinherrscher über Mensch
und Wohnung, soll nun plötzlich sein Territorium mit dem vier Jahre alten Mischlingsrüden aus dem Tierheim teilen. Für Jo ist es
der erste Hund, mit dem er Bekanntschaft
macht, und ob Sammy Katzen kennt, weiss
man nicht. Das Zusammenleben gestaltet sich
schwierig. Jo hat Angst vor dem lauten Gebell
und der ungestümen Art des Hundes und dieser sieht in dem Kater einen Konkurrenten
um menschliche Zuwendung. Die Besitzer
haben es gut gemeint und wollten dem Hund
ein neues Zuhause geben, aber der Alltag mit
Hund und Katze ist und bleibt schwierig. Ähnliche Erfahrungen haben schon manche Tierbesitzer gemacht.
Vorgeschichte ist wichtig
«Grundsätzlich ist eine Zusammenführung
und Vergesellschaftung von beiden Tierarten
nicht schwierig», sagt Barbara Fehlbaum, Präsidentin des Berufsverbandes diplomierter
Tierpsychologischer Beraterinnen und Berater (Vieta). «Es gilt aber, einige Spielregeln
zu beachten, gut geplant vorzugehen und
die Geduld zu bewahren.» Wenn zum
Beispiel Katzen in ihrer sogenann-
ten Prägephase, die etwa zwischen der zweiten und siebten Lebenswoche liegt, freundlichen Kontakt zu einem Hund hatten, dann
stehen sie auch im weiteren Leben einem
bellenden Tier aufgeschlossen gegenüber.
Und wachsen Hunde und Katzen zusammen auf, dann können daraus auch lebenslang
gute Beziehungen oder sogar Freundschaften
entstehen. «Leider fragen viele Menschen
nicht gründlich nach, bevor sie Katze und
Hund vergesellschaften, oder es ist nichts bekannt über die Vorgeschichte der Katze und
des Hundes», bedauert die Tierpsychologin.
«Wenn dann einfach zwei Tiere zusammengebracht werden und es passieren beim Aufeinandertreffen auch noch Fehler, dann kann
es zu Schwierigkeiten kommen.»
Wie läuft nun aber eine Vergesellschaftung
richtig ab? Barbara Fehlbaum rät, «beide Tiere nur gut vorbereitet zueinander zu lassen».
Dazu gehört, dass der Mensch ihnen viel Zeit
lässt, sich kennenzulernen. So sollen anfangs
die Tiere in getrennten Räumen gehalten werden, und der erste Kontakt kann beispielsweise über einen Geruchsaustausch geschehen. «Man kann ein Handtuch im Fell des
Hundes abreiben und der Katze zum Beschnuppern geben oder umgekehrt dem Hund
das Bettchen der Katze», so der Vorschlag
der Expertin. «Treffen dann die beiden aufeinander, muss die Katze genügend sichere
Rückzugsorte und Fluchtmöglichkeiten haben, um sich jederzeit aus einer Situation
entfernen zu können,
die ihr nicht behagt.»
Das Wichtigste aber ist,
dass Tierhal-
ter viel Geduld aufbringen. Denn zu Beginn
kann es sehr wohl zu beeindruckenden und
lautstarken Drohungen kommen. «Solange
die Katze nur faucht, der Hund bellt, es aber
nicht zu ernsthaften Auseinandersetzungen
kommt, rate ich, nicht einzugreifen», sagt die
Expertin und weist darauf hin, dass auch auf
Bauernhöfen meistens Hunde und Katzen
leben und sich miteinander arrangieren.
Die Eigenarten der Tiere beachten
Was sind die grössten Fehler, die Tierbesitzer
bei der Vergesellschaftung machen können?
«Der Halter sollte nicht, auch nicht unabsichtlich, die Angst eines Tiers noch verstärken,
indem er lobt und beschwichtigt», sagt Fehlbaum. Und auch die häufig angewandte Methode, die Katze im Transportkorb dem Hund
vor die Nase zu stellen, damit dieser die Mitbewohnerin in Ruhe beschnüffeln kann, hält
sie für falsch. «Die Katze ist einer von ihr als
bedrohlich empfundenen Lage hilflos ausgeliefert und kann nicht fliehen», erklärt die
Tierpsychologin. Besser ist es, für beide
gleichzeitig entspannte und positive Situationen zu schaffen, etwa beim Fressen.
Das heisst aber nicht, dass beide Tiere nebeneinander aus ihren Näpfen fressen sollen.
«Hunde sind eher Schlinger und meist schneller mit dem Fressen fertig», sagt Fehlbaum.
Ein Hund würde dann wahrscheinlich an den
Napf der Katze gehen und es käme zu Auseinandersetzungen. Sicher geht, wer die Katze an einem gewohnten erhöhten Ort und den
Hund unten füttert, damit es gar nicht erst zu
Konflikten kommen kann.
Überhaupt sollten die Tierbesitzer eindeutige Regeln schaffen und diese auch wirklich
durchsetzen. Beispielsweise, welcher Platz
wem vorbehalten ist. Manche Katzen schlafen
mit ihrem Menschen im Bett oder haben ihren
Lieblingsplatz auf dem Sofa. Bei Hunden ist
das oft weniger erwünscht. Dann soll diese
Regel auch konsequent angewendet werden.
«Hunde haben auch ein vollkommen anderes
Sozialverhalten als Katzen», sagt die Vieta-Präsidentin. «Ein Hund braucht und will
eine klare Position im Zusammenleben mit
dem
Menschen
und ebenso
klare Ansagen, was er darf und was nicht.
Eine Katze tickt da völlig anders, weil sie kein
Rudeltier ist.»
Die Signale des anderen
Was ist denn eigentlich mit der oft gehörten
These, Hunde und Katzen würden sich deshalb nicht verstehen, weil einer die «Sprache»
des anderen unterschiedlich deutet? Etwa das
Wedeln mit dem Schwanz, das, je nachdem
ob Hund oder Katze, etwas vollkommen Gegenteiliges ausdrückt – Freude beim einen,
Verärgerung und Angespanntheit bei der anderen. «Sicher kann
es anfangs zu
Missverständnissen kommen,
aber die Tiere
lernen im Laufe
des Zusammen-
lebens schon die Signale des Mitbewohners
kennen und verstehen», sagt Barbara Fehlbaum. Das sei unabhängig von Rasse oder der
Grösse eines Hundes. Ob Labrador und Siamese oder Golden Retriever und Europäisch-Kurzhaar – auch ein Jagdhund, der neu
in die Familie kommt und dort auf die samtpfötige Regentin trifft, kann lernen, Regeln
zu beachten.
Oftmals hat im Haus die Katze die bessere
Ausgangsposition. Gewitzte Katzen schleichen sich an und können blitzschnell den
Hund ärgern, um sich dann gerne in der Höhe
wieder in Sicherheit zu bringen. Das sieht
draussen anders aus: Wenn dort Hund und
Katze aufeinandertreffen, kann es sein, dass
die Katze in Panik gerät und zu fliehen versucht. Dies aber setzt bei einem Hund den
Jagdtrieb in Gang und er wird hinterhersetzen. Und auch wenn der familiäre Burgfrieden eingehalten wird, heisst das noch lange
nicht, dass ein katzenerfahrener Hund ausserhalb seines Zuhauses jede Samtpfote mag
oder ignoriert, die seinen Weg kreuzt.
Gabriele Müller
Schauen Sie sich ein Video dazu an
www.tierwelt.ch/freunde
Bild: © photodeti / 123rf.com
Und sie können doch
zusammen: Hund und
Katze.
14
TIERWELT / 40, 1. oktober 2015
TIERWELT / 40, 1. oktober 2015
15