Privatzoo mit Biss

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Privatzoo mit Biss
Tierisch gut!
Privatzoo mit Biss
Der TerraZoo in Rheinberg ist Reptilienauffangstation und arbeitet als
einer der wenigen in Deutschland kostendeckend
Der Fotograf sitzt kaum zwei Meter von der Klapperschlange entfernt, die zum Zustoßen bereit auf dem
Boden des Terrariums liegt. Bernhard Marschalkowski ist der Schlange noch näher, bleibt aber völlig gelassen:
Erst wenn man sich weiter an das Tier heranbewegt, würde es gefährlich werden. Und er muss es wissen: Er
ist der Kurator des TerraZoos in Rheinberg, der mitunter die giftigsten Schlangen der Welt beherbergt.
Der 47-Jährige dürfte den gefährlichsten Job am ganzen Niederrhein haben. Mit einem Blick auf die Königskobra bemerkt er: „Ein
Kollege aus England hat einmal einen Schulterbiss abgekriegt.
Das war es dann.“ Der Mann verstarb. Also Finger weg von dem
Tier? Der Kurator: „Nein, die Königskobra haben wir schon öfter
für eine dringende tiermedizinische Behandlung mit der Hand
einfangen müssen.“ Dabei wird das Tier zum Angriff animiert,
während ein Mitarbeiter geistesgegenwärtig von hinten zupackt.
Allerdings hat die Sache einen Haken: „Königskobras sind die intelligentesten Schlangen, die merken sich Tricks.“
Dass diese Schlangenart, ebenso wie die Schwarze Mamba, ihre
vermeintlichen Angreifer verfolgt (die Mamba mit bis zu 35 Kilometern pro Stunde), macht die Arbeit mit diesen Tieren gewiss
nicht leichter. Wenn man angegriffen wird, dann gibt es nur
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eins: „Stehen bleiben! Bloß nicht bewegen, sonst ist es vorbei.“
Sicher leichter gesagt als getan. Für den Zoobesucher ist es da
schon viel angenehmer, Rocky, das Teacup-Schwein, zu streicheln – der Eber läuft mit seiner Schweinefamilie frei auf dem
Gelände umher.
Der TerraZoo beherbergt rund 600 Tiere, erhält keinerlei öffentliche Zuschüsse und arbeitet dennoch kostendeckend: „Einer der
ganz wenigen in Deutschland“, so Marschalkowski. Dass sich die
Kommunen mit Zuschüssen zurückhalten, fuchst ihn gewaltig –
schließlich ist der Zoo auch Auffangstation für Reptilien. Marschalkowski wird zu Gefahreneinsätzen in ganz NRW, aber auch
in Hessen und Niedersachsen gerufen. Immer wenn Polizei und
Feuerwehr einem giftigen Reptil gegenüberstehen, geht ein Notruf nach Rheinberg. Und das geschieht gar nicht so selten.
Tierisch gut!
DIE
T
W-
REIHE
Fotos: Hendrik Grzebatzki
In Rheinberg treffen sich Polizeibeamte und Feuerwehrleute zu
Gefahrtierschulungen, in denen das Erkennen von Gefahren im
Vordergrund steht. Der lebensgefährliche Umgang mit den Reptilien bleibt jedoch Experten wie Marschalkowski vorbehalten.
Aber was, wenn er selbst gebissen werden sollte? „Wenn’s uns
erwischt: Zehn Milliliter Adrenalin direkt ins Herz spritzen, und
dann sofort mit dem Rettungshubschrauber in die Düsseldorfer
Uniklinik.“
Bernhard Marschalkowski weiß, wovon er redet, denn der TerraZoo ist auch die Zentralstelle für Notrufe. Von Rheinberg aus
werden Rettungsaktionen organisiert, wird die Lieferung von
Seren aus ganz Deutschland an den Notfallort geleitet. Daher
sind er und seine Kollegen immer erreichbar. 24 Stunden am
Tag, 365 Tage im Jahr.
Nun darf man allerdings nicht denken, dass in dem Zoo – abgesehen von der Schweinefamilie – nur giftige Reptilien leben.
„Ulrich“ etwa ist 6,63 Meter lang und ein Netzpython, wahrscheinlich das größte Exemplar in ganz Deutschland. Doch wer
meint, solch ein Koloss könne niemandem etwas zuleide tun,
den belehrt Marschalkowski eines Besseren: „Das ist die einzige
Schlangenart, die schon Menschen gefressen hat.“ Höchste Zeit
also, die Terrariumtüre wieder zu schließen und sich anderen
Exemplaren zuzuwenden …
Die Nilkrokodile werden hingegen durch sichere Glaswände betrachtet, ebenso wie die zahlreichen anderen Reptilienarten, sei
es nun die gefährliche Speikobra, die ihr Gift auf drei Meter in
die Augen ihres Gegners spritzt, die harmlose heimische Ringelnatter oder Hans-Dieter, der grüne Leguan, beziehungsweise
der extrem seltene weiße Alligator namens Betty. In Kürze sollen auch Pfauen das Gelände bevölkern, und der Wald hinter
dem Zoo wird sich in ein Gehege für Berberaffen verwandeln.
Bernhard Marschalkowski.
gestellt sein. Als gelernter Elektriker will Marschalkowski zudem
die Normalbeleuchtung auf LED umstellen, um die Stromkosten
von jährlich 30 000 Euro zu reduzieren. Inhaber Uwe Ringelhahn
investiert eine Menge Geld in den Standort.
Der TerraZoo vermittelt übrigens auch Tiere aus Beschlagnahmungen, wie die beiden kleinen Beulenkrokodile, die sich im
Wassergraben des Geländes tummeln. Noch sind sie nicht gefährlich, aber sie werden wachsen. Der Kurator und sein Team
aus drei Angestellten, drei Auszubildenden, vier „EQJ-lern“ (Eingangsqualifizierungsjahr) und einem „Bufdi“ (Bundesfreiwilligendienst) werden dafür sorgen, dass die Tiere in die richtigen
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Hände kommen. l
Betreiber Uwe Ringelhahn kaufte den TerraZoo
aus einer Insolvenz heraus und gründete eine
gemeinnützige GmbH als Betreibergesellschaft.
Damit ging für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung.
Ursprünglich wollte er nur eine Auffangstation
für Reptilien gründen. Für die Gefahrtierschulungen wurde eine weitere GmbH gegründet
(GTSZ GmbH), die allerdings sämtliche Gewinne
an die Reptilien-Auffangstationen in München,
Rheinberg und Sontra spendet. Mit der Auffangstation im hessischen Sontra (zuständig für
die Länder Hessen und Thüringen) legte Ringelhahn vor fünf Jahren den Grundstein für seine
Reptilienstationen. Zuvor war er Inhaber einer
Software-Entwicklungsfirma und einer Werbeagentur in Baden-Württemberg.
Die Geieranlage und das Erdmännchengehege sind schon im
Bau, und bis Ende des Jahres soll die Alligatorzuchtanlage fertigJuli/August 2014 • Seite 39