Das Ende der Monarchie

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Das Ende der Monarchie
POLITIK
WBH_4 NR.123
Ströbele:
Häftlinge aus
Guantánamo
aufnehmen
Donnerstag, 29. Mai 2008
Japans Pläne
für Afrika
„irreführend”
Das Ende der Monarchie
In Nepals Hauptstadt Kathmandu wird gefeiert.
Während in Asien die ersten Flüchtlinge vor maoistischen Säuberungen im Himalaja auftauchen
Rockstar Bono kritisiert
Premierminister Fukuda
Grünen-Politiker appelliert
an Bundesregierung
Berlin. Der Grünen-Politiker
Hans-Christian Ströbele hat
die Bundesregierung aufgefordert, Guantánamo-Häftlinge
in Deutschland aufzunehmen.
Dabei gehe es um solche Gefangenen, die von US-Behörden als unverdächtig angesehen würden, die aber kein Aufnahmeland fänden. „Mit der
Bereitschaft zur Aufnahme
sollte die Bundesregierung ein
Zeichen setzen auch für andere EU-Staaten, dem Bekenntnis zu den Menschenrechten
Taten folgen zu lassen und an
der Auflösung von Guantánamo mitzuwirken”, sagte Ströbele, der damit am Mittwoch
in Berlin Forderungen von
Amnesty International nach
der Schließung des US-Gefangenenlagers unterstützte.
Derzeit werden noch etwa
270 Terrorverdächtige in Guantánamo festgehalten. USVerteidigungsminister Robert
Gates hatte diese Woche zwar
seinen grundsätzlichen Willen
betont, das Lager zu schließen,
aber von einer Reihe von Problemen gesprochen. So könnten rund 70 Gefangene in ihre
Heimatländer entlassen werden. Aber die Regierungen
wollten sie entweder nicht aufnehmen oder sie möglicherweise nach der Heimkehr entgegen den Wünschen der USA
auf freien Fuß setzen.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung,
Günter Nooke, plädiert schon
seit langem für die Aufnahme
von seit Jahren in Guantánamo inhaftierten Uiguren in
Deutschland. Dabei handelt es
sich um 17 Insassen, die auch
nach Bestätigung von US-Gerichten unschuldig sind. dpa
Bei Veteranen
entschuldigt
Wellington. Die neuseeländische Regierung hat sich bei
den Vietnam-Kriegs-Veteranen des Landes entschuldigt.
Die Truppen seien nach ihrer
Rückkehr unfair behandelt
worden, und ihre Familien seien nicht ausreichend unterstützt worden, erklärte Ministerpräsidentin Helen Clark
vor dem Parlament. Neuseeland hatte 3900 Soldaten nach
Vietnam geschickt. Ums Leben kamen 37 Soldaten, 187
wurden verletzt. Clark hatte in
den 70er Jahren gegen den
rtr
Krieg demonstriert.
Mutmaßlicher
Kriegsverbrecher
Pristina. Die Polizei im Kosovo hat einen mutmaßlichen
Kriegsverbrecher festgenommen. Dem Kosovo-Albaner
Gjelosh Krasniqi werden Verbrechen während des KosovoKriegs 1999 vorgeworfen, wie
die Polizei mitteilte. Der 35Jährige wurde demnach von
einer Sondereinheit der UNPolizei aufgespürt, die nach
Kriegsverbrechern
fahndet.
Der Verdächtige soll 1999 einen Kosovaren verschleppt
und getötet haben und war zur
Fahndung ausgeschrieben. afp
Dritter Flug mit
Hilfsgütern nach China
Freiburg. Caritas international
will am Montag einen dritten
Hilfsgüterflug mit 2500 Zelten
ins Erdbebengebiet nach China schicken. Schwere Nachbeben in der chinesischen Provinz Sechuan, die weitere
Häuser zerstört und erneut
Tausende Menschen obdachlos gemacht haben, machten
dies erforderlich, erklärte das
katholische Hilfswerk am
kna
Mittwoch in Freiburg.
Jubel und Unterstützung für die Abschaffung der 240 Jahre alten Monarchie gab es am Mittwoch auf den Straßen Kathmandus.
Von Willi Germund
Bangkok. Eine Spezialeinheit
der ehemals königlichen Armee wurde am Mittwoch zum
Palast in Katmandu beordert,
um den abgesetzten Monarchen Gyanendra zu schützen.
Nepals Maoisten mobilisierten einen Teil ihrer berüchtigten Jugendorganisation, um in
der Hauptstadt des HimalajaStaats das Ende der 240 Jahre
alten Shah-Dynastie zu feiern.
Im Parlament des Landes wurden 601 Abgeordnete der Verfassungsgeben Versammlung
vereidigt. Die größte Gruppierung stellen die Maoisten mit
217 Parlamentariern.
Nepal, mit einem Pro-KopfEinkommen von 350 US-Dollar (etwa 224 Euro) eines der
ärmsten Länder der Welt,
steht am Ende der jahrhundertealten Hindu- Monarchie –
und vor einem ungewissen
Neuanfang. 15 Tage hat König
Gyanendra seit der Abschaffung der Monarchie am Mittwoch noch Zeit, um aus seinem Palast im Stadtzentrum
aus zu ziehen und eine kaum
minder prächtige Privatvilla in
Katmandu zu beziehen.
Die Maoisten, die nach einem zehnjährigen Volkskrieg
die Machtverhältnisse rund
um den Mount Everest auf den
Kopf stellten, versprechen nun
wahre Wunder. Sie wollen eine „revolutionäre Landreform” durchziehen und das
Pro-Kopf-Einkommen innerhalb von zehn Jahren von 350
US-Dollar auf 3000 US-Dollar
gelegt, weil in einem Maoisten-Camp ein Geschäftsmann
zu Tode geprügelt worden war
– eine Erinnerung an das ruchlose „Justiz-System”, das die
Revolutionäre in ihrer Zeit des
Dschungelkampfs praktizierten.
In Thailands Hauptstadt
Bangkok sprechen zudem zunehmend Nepalesen beim
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR)
vor, die vor Säuberungen in
den Provinzen des Landes flie-
Sympathisanten des Königs
– und Skeptiker, die den wachsenden Einfluss der Maoisten
mit Argwohn betrachten –
würden die Streitkräfte gern
als Gegengewicht zu den Maoisten behalten. „Prachanda”,
der Chef der Revolutionäre, ist
immer noch Chef der Maois-
„Furcht vor der
Privatarmee
der Maoisten”
Abgesetzt: Nepals König Gyanendra.
Foto: afp
(etwa 1920 Euro) hochschrauben.
Doch im Land mehren sich
auch die ersten Zeichen, dass
der an einen romantischen
Traum erinnernde Siegeszug
der Maoisten im Himalaja ein
böses Ende finden könnte.
Katmandu wurde Mitte Mai
von einem Generalstreik lahm
hen mussten. Ihnen wird von
den Maoisten vorgeworfen, sie
seien Anhänger des Königs.
Außerdem droht die beabsichtigte Integration der rund
30 000 Mann starken maoistischen Guerillakämpfer in die
90 000 Soldaten umfassende
ehemalige „Königliche Armee” zu platzen. Die Generäle
und Offiziere, die fast alle zu
einer Soldatenkaste gehören,
sperren sich gegen die Aufnahme der Maoisten. Sie seien zu
ideologisiert, lautet ihr Argument.
Foto: afp
haben”, glaubt der nepalesische Journalist Yubaraj Ghimire, „wird es auch Furcht vor
ihnen geben”.
Die Revolutionäre versuchen zumindest, das Misstrauen gegen ihre Herrschaft zu
mildern. Sie gaben ihren Plan,
in der neuen Verfassung einen
mächtigen Präsident zu installieren, auf. Stattdessen soll es
nun in Nepal ein Staatsoberhaupt mit vorwiegend repräsentativen Pflichten und einen
vom Parlament gewählten
Premierminister geben.
Staat im Gebirge
Mächtig: KP-Chef Kamal Dahal,
genannt „Prachanda”. Foto: afp
tenmilizen”, die zur Zeit in
UN-überwachten
Lagern
kampieren. Doch das Mandat
der Vereinten Nationen läuft
im Juli aus und es scheint, dass
die großen Nachbarn Indien
und China sich gegen eine
Verlängerung des UN-Mandats sperren wollen. „Solange
die Maoisten eine Privatarmee
Der Staat Nepal (147 181
Quadratkilometer, zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen
hat 34 078 Quadratkilometer)
liegt an der Südflanke des
mittleren Himalaja und zählt
etwa 25 Millionen Einwohner.
In der Hauptstadt Kathmandu
leben etwas über eine Millionen Bürger. Die überwiegende Mehrheit der Nepalesen
sind Hindus (etwa 80 Prozent), 15 Prozent Buddhisten,
3 Prozent Moslems, 2 Prozent Christen. Gegründet
wurde das Königreich 1768;
Nepal war nie Kolonie.
„Wir müssen auf der Hut sein”
Europa sollte weiter gehende Anstrengungen unternehmen, um die Terror-Gefahr abzuwenden,
sagt der Anti-Terror-Beauftragte der EU, Gilles de Kerchove, im WAZ-Interview
Über die Terror-Gefahr in Europa, über Strategien und
Konzepte gegen die zunehmende Radikalisierung junger
Muslime und über eine gemeinsame Sicherheitspolitik
der Europäischen Union äußerte sich der Anti-Terror-Beauftragte der EU, Gilles de
Kerchove, in einem Interview,
das die WAZ-Korrespondentinnen Katrin Teschner und
Svetlana Jovanovska mit ihm
in Brüssel führten.
Vor einigen Tagen wurden Islamisten in Marokko verhaftet, die Anschläge auf EU-Institutionen in Brüssel geplant
hatten. Auch die europäische
Polizeibehörde Europol hat
kürzlich vor einer steigenden
Terror-Gefahr in Europa gewarnt. Ist die Lage wirklich
so dramatisch?
Gilles de Kerchove: Wenn wir
uns die Entwicklung des letzten Jahres anschauen, gibt es
schon Grund zur Sorge. Islamisten planten Anschläge in
Deutschland, in den Niederlanden gab es Festnahmen, in
Dänemark, Barcelona ist
ebenfalls nur knapp einer Anschlagsserie entgangen.
Viele dieser Terroristen haben Verbindungen nach Pakistan.
Gleichzeitig waren Terroristen in Nordafrika aktiv, die mit
El Kaida in Verbindung gebracht werden. In Algier kam
es zu Anschlägen, die Rallye
Dakar musste abgesagt werden, weil es massive Drohungen gegen die Teilnehmer gab.
Dazu kommt die Radikalisierung junger Leute in Europa –
wir müssen also auf der Hut
sein.
Gilles de Kerchove: Tatsächlich müssen wir unseren Blick
stärker auf Nordafrika und besonders auf einige Ländern der
Sahel-Zone richten – Mali,
Mauretanien, möglicherweise
Niger. In Westafrika, besonders in Guinea-Bissau, blüht
der Drogen- und Waffenhandel. Im islamischen Maghreb
gibt es Trainings-Camps für
Terroristen. Wir müssen mit
diesen Ländern zusammenarbeiten, ihnen wirtschaftlich
helfen. Sie müssen in Bildung
investieren, um einer Radikalisierung vorzubeugen. Wir
brauchen Experten für diese
Regionen.
Gilles des Kerchove.
Foto: College of Europe
Wird Nordafrika zum neuen
Sprungbrett für Terroristen
nach Europa?
Die Europäische Union hat
also bislang zu wenig unternommen, um die Terror-Gefahr einzudämmen?
Gilles de Kerchove: Nein, es
hat viele Anstrengungen gegeben. Aber wir müssen noch
mehr tun, etwa um die Radikalisierung junger Leute in Europa zu stoppen. Wir müssen
über Integration von Muslimen in unseren Gemeinden
diskutieren und die moderaten
Kräfte in der muslimischen
Welt stärken.
In einigen Mitgliedsländern
laufen interessante Integrations-Modelle – warum tauschen wir nicht die besten Beispiele aus?
Auf der anderen Seite müssen wir uns auch besser auf
mögliche Anschläge vorbereiten. Die EU-Staaten haben
sich dazu verpflichtet, nach
Naturkatastrophen oder terroristischen Anschlägen mit
allen Mitteln, auch mit dem
Militär, zu helfen. Darauf sollten wir uns jetzt vorbereiten.
Yokohama. Der irische Rockstar und Dritte-Welt-Aktivist
Bono hat Japans angekündigte
Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afrika kritisiert.
„Es ist irreführend, eine Verdopplung der Entwicklungshilfe anzukündigen und dann
die Hoffnung von Aids- Leidenden zu zerstören, die feststellen, dass sie nicht in die
Verdopplung von Hilfe eingeschlossen sind”, sagte Bono
am Mittwoch am Rande der
internationalen TICAD-Konferenz zur Entwicklung Afrikas in der japanischen Hafenstadt Yokohama.
Bono reagierte damit auf eine Rede des japanischen Ministerpräsidenten Yasuo Fukuda zum Auftakt der Konferenz. Fukuda hatte erklärt, Japan wolle mit der zusätzlichen
Hilfe unter anderem die Infrastruktur in Afrika verbessern.
Zudem will die Regierung japanische Unternehmen zu
mehr Investitionen in Afrika
ermuntern.
Es sei möglich, „gut gemeinte Rhetorik in kapitalkräftige
Taten” umzusetzen. „Aber
wenn nicht, wird ein zynischer
Eindruck übrig bleiben”, sagte
Bono. Er werde den japanischen Regierungschef Fukuda
auffordern, tatsächlich Japans
gesamte Entwicklungshilfe an
Afrika zu verdoppeln, sagte
dpa
Bono.
Regierung
befragt Basken
Vitoria. Die Regierung des spanischen Baskenlands hat weitere Details ihres umstrittenen
„Unabhängigkeitsplans” vorgelegt. Wie der baskische Ministerpräsident Juan José Ibarretxe mitteilte, will die Regierung am 25. Oktober eine
„Volksbefragung” im Baskenland organisieren. Dabei sollen die Basken abstimmen, ob
die politische Parteien Verhandlungen über die „Selbstbestimmung” des Baskenlands
aufnehmen sollen. Madrid betrachtet eine solche Befragung
dpa
als verfassungswidrig.
Bauern streiken
in Argentinien
Buenos Aires. Die argentinischen Bauernverbände haben
ihren Streik gegen höhere Exportsteuern am Mittwoch zum
dritten Mal seit Beginn der
Kampfmaßnahmen vor elf
Wochen wieder aufgenommen. Die Regierung der peronistischen Präsidentin Cristina Kirchner hatte die Gespräche zuvor abgebrochen und
ihre Gerechtigkeitspartei PJ
den Bauern Umsturzabsichten
dpa
vorgeworfen.
Frankreich öffnet
Arbeitsmarkt
Warschau. Frankreich wird
seinen Arbeitsmarkt für Arbeitskräfte aus Polen am 1. Juli
völlig öffnen. Das kündigte der
französische Präsident Nicolas Sarkozy nach einem Treffen mit seinem polnischen
Kollegen Lech Kaczynski am
Mittwoch in Warschau an. Er
könne Europa nicht aufbauen,
ohne solche Entscheidungen
zu treffen, sagte Sarkozy. dpa
Protest gegen
steigende Dieselpreise
Sofia. In Bulgarien haben Spediteure am Mittwoch gegen die
nach ihrer Meinung überhöhten Preise für Diesel protestiert. Sie verlangten von der
Regierung eine Teilrückzahlung der Verbrauchssteuer auf
Diesel. Die Spediteure blockierten mit rund 100 Lkw den
Verkehr auf der Ringautobahn
um die Hauptstadt Sofia. dpa