Anschreiben Stadtverordnete

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Anschreiben Stadtverordnete
Initiative für eine Kastrationspflicht
für freilaufende Katzen in Kassel
An die Stadtverordneten der Stadt Kassel
sowie den Mitgliedern des Magistrats zur Kenntnis
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesem Schreiben möchten wir uns mit unserem Anliegen, eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht
für freilaufende Katzen in Kassel einzuführen, an Sie wenden und um Ihre Unterstützung bitten. Das Interesse an diesem Thema ist groß, was wir insbesondere bei unserer Unterschriftensammlung in den vergangenen Wochen und Monaten erfahren durften. Wir denken, dass es an der Zeit ist, in Kassel eine Kastrationspflicht einzuführen, wie dies auch viele deutsche Städte und Gemeinden bereits getan haben.
Als nächster Schritt findet, wie Ihnen bekannt, am Donnerstag, 25. April 2013, um 17.00 Uhr im Stadtverordnetensaal eine Sondersitzung des Ausschusses für Recht, Sicherheit, Integration und Gleichstellung
statt, bei dem Experten zu dem Thema Stellung nehmen können. Dass eine kommunale Kastrationspflicht
für Freigänger auch auf Landesebene als bedeutsam gesehen wird, können Sie dem Umstand entnehmen,
dass die Landestierschutzbeauftragte, Frau Dr. Martin, an der Sitzung teilnehmen wird. Wir bedanken uns
bei allen Ausschussmitgliedern, insbesondere bei dem Vorsitzenden Herrn Kortmann, dass sie die Sitzung
ermöglicht haben.
Um zu dokumentieren, dass das Anliegen von großen Teilen der Bevölkerung Kassels getragen wird, werden wir bei dieser Sondersitzung die Unterschriftenlisten überreichen und eine Bürgereingabe einreichen,
mit der die Einführung einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht beschlossen werden soll. Wir bitten
Sie herzlich um Ihre Unterstützung und Zustimmung der Eingabe.
Auf den folgenden Seiten, haben wir einige Fragen und Antworten zusammengestellt, mit denen wir Sie
über unser Anliegen informieren möchten und bedanken uns schon jetzt für Ihr Interesse.
Viele Grüße
Aktion Tier – Menschen für Tiere e.V.
Bund gegen Missbrauch der Tiere, Tierheim Wau-Mau-Insel
CAT-CARE Tierhilfe Kassel e.V.
Ein Heim für Tiere e.V.
Gnadenhof zur Förderung des Tierschutzes Hofgeismar e.V.(Katzenhaus Liebenau)
Guxhagener Tierhilfe
Katzenfreunde Nordhessen e.V.
Tiernothilfe Breuna
Verein Katze und Mensch e. V. (Sitz Lohfelden)
Christine Hesse
Dr. Günther Schnell
Wichtige Fragen & Antworten rund um das Thema Kastrations- und
Kennzeichnungspflicht bei Katzen
Wie viele Katzen leben derzeit eigentlich in Kassel?
Leider gibt es, auch weil es keine Registrierungspflicht gibt, keine gesicherten Zahlen. Wenn man
aber die Gesamtzahlen der Bundesrepublik auf die Einwohner von Kassel bezieht, leben in Kassel
ca. 15.000 Katzen als Haustiere und ca. 2000-3000 verwilderte Katzen.
Wie wirkt sich die unkontrollierte Vermehrung von frei lebenden Katzen aus?
Katzen sind im Alter von 4-6 Monaten geschlechtsreif. Ab diesem Zeitpunkt kann eine Katze 2 x
jährlich durchschnittlich 5 Junge bekommen. Von diesen Zahlen ausgehend ergibt dies bereits
nach 4 Jahren 2200 Nachkommen!!Natürlich überleben nicht alle Katzen. Viele werden überfahren, sterben an diversen Krankheiten oder überleben als Herbstkätzchen den Winter nicht. Durch
in menschlicher Obhut lebende, unkastrierte Freigängerkatzen gelangt jedoch ständig wachsender
Nachschub zu den bereits frei lebenden, verwilderten Populationen. Trotz aller Bemühungen sehr
vieler Tierschützer durch Kastrationsaktionen die Vermehrung der wild lebenden Katzen zu stoppen, ist dies ein aussichtsloses Unterfangen, wenn ständig durch unkastrierte Besitzerkatzen Nachschub herangezüchtet wird. Somit wachsen die Kolonien der verwilderten Hauskatzen ständig an.
Dies führt dazu, dass sich Katzenkrankheiten wie FIV, Leukose, Katzenschnupfen und Katzenseuche
rasch ausbreiten. Das mit den Krankheiten verbundene Leid und Elend ist unermesslich, denn eine
hinreichende medizinische Versorgung ist bei diesen nicht zahmen Katzen in freier Wildbahn unmöglich. Natürlich werden alle Krankheiten durch Kontakt zu Freigängerkatzen von Besitzern auch
an diese weitergegeben und gelangen so in unsere Haushalte.
Welche Kosten entstehen dem Tierschutz in Kassel jährlich für die Versorgung von herrenlosen
Katzen?
Allein im Tierheim Wau-Mau-Insel fallen über 250.000 € für die Unterbringung, Versorgung und
vor allen Dingen medizinische Behandlung von Katzen an. Extrem hohe Kosten entstehen vor allen
Dingen durch die Behandlung von verunfallten Katzen. In Kassel sind ferner etliche Tierschutzvereine tätig, hinzu kommen Privatpersonen, die in Eigeninitiative Katzen behandeln und versorgen.
Neben dem kommunalen Zuschuss der Stadt Kassel zu den Kosten des Tierheims wird der größte
Teil durch Spenden gedeckt. Wenn nicht so viele Bürger sich ehrenamtlich engagieren würden,
wären die Kosten natürlich noch um ein Vielfaches höher. Den Zeitaufwand, den es braucht, eine
verwilderte Katze einzufangen und dann entsprechend weiter zu behandeln, zu bezahlen, ist nahezu unmöglich.
Darf man eigentlich Katzen ohne medizinische Indikation kastrieren ?
Kastrationen bei Katzen sind durch §6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TierSchG vom Amputationsverbot ausdrücklich ausgenommen. Hintergrund ist, dass man die unkontrollierte Vermehrung aus Gründen
des Tierschutzes, Naturschutzes und des Jagdschutzes eindämmen muss.
Ist es legitim, den Bürger zu zwingen, seine Katzen kastrieren zu lassen?
Im Prinzip geht es bei der Kastrations- und Kennzeichnungspflicht nur um Katzen mit Freigang.
Diese greifen somit in das öffentliche Leben ein und damit besteht auch ein öffentliches Interesse
bzw. Bedürfnis an einer diesbezüglichen Regelung. Jede unkastrierte Katze mit Freigang tritt in
Sexualkontakt mit frei lebenden Katzen und trägt so zur unkontrollierten Fortpflanzung bei. Diese
verursacht eine zu hohe Populationsdichte und führt so zu einem Anstieg der Infektionsgefahr für
alle Katzen und zu einer Verelendung der frei lebenden Katzenpopulation. Durch eine Überpopulation frei lebender Katzen steigt auch die Infektionsgefahr für weitere Haustiere und deren Halter
und somit für die Allgemeinheit an. Somit liegt Notwendigkeit zum Erlass einer Verordnung zur
Gefahrenabwehr vor.
Werden unsere Katzen nicht irgendwann aussterben, wenn es eine generelle Kastrationspflicht
gibt?
Da die Kastrationspflicht ja nur für Katzen mit Freigang gilt und es kein generelles Zuchtverbot gibt,
wird dies mit Sicherheit nicht passieren.
Welchen Sinn macht eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht?
Eine Kastrationspflicht ohne gleichzeitige Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht wäre sinnlos,
denn es wäre unmöglich, ohne Tierarzt zu kontrollieren, ob eine Katze bereits kastriert ist. Außerdem würde dies auch das Aussetzen von Tieren erschweren.
Ist die Stadt Kassel für die Einführung einer Kastrationspflicht zuständig?
Der Tierschutz ist an sich eine Angelegenheit, für die der Bund im Rahmen der konkurrierenden
Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zuständig ist. In dem Tierschutzgesetz findet sich keine Regelung zur Kastrations- oder Kennzeichnungspflicht, obwohl alle Tierschutzverbände seit
Jahren darauf dringen. Hieraus zu schließen, dass die Kommunen nicht befugt wären, eigene Regelungen zu erlassen, wäre jedoch nicht überzeugend. In der BT- Drucksache 13/7015 vom
21.02.1997 zur Änderung des Tierschutzgesetzes heißt es ausdrücklich: „Aus Gründen des Tierschutzes, aber auch des Naturschutzes, des Jagdschutzes und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kann es erforderlich sein, die unkontrollierte Fortpflanzung von Tieren einzuschränken“. Der
Bundesgesetzgeber gibt also, da es um die öffentliche Sicherheit und Ordnung geht, eine Befugnis
zur Regelung an die Länder und Kommunen weiter. Die Kommune ist also befugt, eine Kastrationsverordnung zu erlassen.
Ein weiteres Argument für eine Zuständigkeit der Stadt Kassel findet sich in §1 Satz 2 TierSchG, der
es jedermann verbietet, einem Tier Schmerzen und Leiden zuzufügen. Unter §17 wird dies sogar
unter Strafe gestellt. Das Unterlassen des Tierhalters, seine Freigängerkatze kastrieren zu lassen,
ist ein gefährliches Vorvorhalten (sog. Ingerenz) für das Leid der frei lebenden Katzen, welches
eine Garantenstellung des Katzenhalters und daraus resultierend eine Kastrationspflicht der eigenen Katze begründen kann.
Welche Erfahrungen gibt es mit einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht auf kommunaler
Ebene?
Die Stadt Paderborn hat im September 2008 als bundesweit erste Kommune eine Kastrations- und
Kennzeichnungspflicht eingeführt. Dieses sog. „Paderborner Modell“, über das auch bei der Anhörung am 25. April berichtet werden wird, hat bundesweit große Beachtung gefunden. Seitdem sind
über 170 Städte und Kommunen dem Beispiel Paderborns gefolgt, die meisten in Niedersachsen
und Nordrhein-Westfalen. In Hessen hat als bislang einzige Gemeinde die Stadt Hessisch Lichtenau
eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht eingeführt. Kassel wäre also nicht die erste Kommune
in Hessen, von Seiten der Hessischen Tierschutzbeauftragten erhofft man sich jedoch eine Signalwirkung für andere hessische Gemeinden.
In welcher Form lässt sich eine Unterstützung bedürftiger Bürger bei der Kastration und Kennzeichnung von Katzen realisieren?
Hierbei gibt es leider ein Problem und zwar die GOT (Gebührenordnung für Tierärzte). Diese
schreibt bundesweit Gebührensätze für alle Tierärzte vor. Es ist keinem Tierarzt erlaubt, von diesen Sätzen abzuweichen. Bei einer Berechnung nach GOT fallen bei der Kastration von Katzen ca.
90-120 € pro Katze an.
Für das Stadtgebiet Kassel konnten wir jedoch mit dem Vorstand der Hessischen Tierärztekammer
eine Sonderregelung vereinbaren, nach der es Tierärzten erlaubt wird, einen Teil des Honorars
wieder direkt an einen Tierschutzverein zu spenden, der dafür eine Spendenquittung ausstellen
kann. Dieser Betrag könnte den betreffenden Tierhaltern wieder zugute kommen. Auch sind die
Tierschutzvereine bereit, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Andere Städte, z.B. Göttingen, haben mit diesen und ähnlichen Finanzierungsmöglichkeiten gute Erfahrungen gemacht.
Wie lässt sich die Umsetzung der Verordnung kontrollieren?
Es ist nicht vorgesehen, flächendeckende Überprüfungen von Seiten der Stadt vorzunehmen. Im
Rahmen der ohnehin stattfindenden Kontrollen kann die Einhaltung der Kastrations- und Kennzeichnungspflicht überprüft werden. Sinnvoll wäre es, in einer Übergangszeit keine Bußgelder zu
verhängen, sondern zunächst nur auf die Verpflichtung hinzuweisen und die Tierhalter umfassend
zu informieren. Die Stadt Paderborn ist so verfahren und hat gute Erfahrungen gemacht, über die
bei der Anhörung berichtet werden wird.
Wie würde die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht in Kassel technisch umgesetzt?
Es würde einer Ergänzung der Kasseler Gefahrenabwehrverordnung (in § 3) vorgenommen, die
wie folgt lauten könnte:
(8) Katzenhalter/innen, die ihrer Katze Zugang ins Freie gewähren, haben diese zuvor von
einem Tierarzt kastrieren und mittels Tätowierung oder Mikrochip kennzeichnen und registrieren zu lassen. Dies gilt nicht für weniger als 5 Monate alte Katzen. Als Katzenhalter/in im
vorstehenden Sinne gilt auch, wer freilaufenden Katzen regelmäßig Futter zur Verfügung
stellt.
(9) Für die Zucht von Rassekatzen können auf Antrag Ausnahmen von der Kastrationspflicht
zugelassen werden, sofern eine Kontrolle und Versorgung der Nachzucht glaubhaft dargelegt wird.
Die dort enthaltene Definition des Katzenhalters trägt dem Umstand Rechnung, dass Katzen sehr
individuelle Lebewesen sind, die sich ab und an auch neue Halter suchen. Dass viele Katzenhalter
ihre Tiere dadurch bekommen haben, dass diese eines Tages vor der Türe standen, ist bekannt.
Die Formulierung, die ähnlich erstmals in Paderborn verwandt wurde, hat sich in anderen Kommunen bewährt. Auch Hessisch Lichtenau hat eine solche Klausel in seine Satzung aufgenommen.