Entwurf Änderungen der Satzung des Gerichtshofs

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Entwurf Änderungen der Satzung des Gerichtshofs
Luxemburg, den 28. März 2011
Herrn Jerzy Buzek
Präsident des Europäischen Parlaments
Rue Wiertz
B-1047 BRÜSSEL
Herr Präsident,
unter Bezugnahme auf Artikel 281 Absatz 2 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 106a Absatz 1 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft unterbreite ich Ihnen in
beiliegendem Entwurf Änderungen der Satzung des Gerichtshofs.
Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen die drei Gerichte, aus denen
der Gerichtshof der Europäischen Union besteht, und bezwecken im
Wesentlichen, die Vorschriften über die Besetzung der Großen Kammer zu ändern
und das Amt eines Vizepräsidenten des Gerichtshofs einzurichten, die Zahl der
Richter des Gerichts zu erhöhen und die Möglichkeit vorzusehen, den
Fachgerichten Richter ad interim beizuordnen.
Den vorgeschlagenen Änderungen ist eine Darstellung der Gründe
beigefügt, auf die hier verwiesen sei.
Diese auch an den Präsidenten des Rates gerichteten Änderungen liegen
in allen Amtssprachen bei.
Eine Aufstellung zur Bewertung der finanziellen
vorgeschlagenen Änderungen folgt so bald wie möglich.
Folgen
der
Mit vorzüglicher Hochachtung
Vassilios SKOURIS
Luxemburg, den 28. März 2011
Herrn János Martonyi
Präsident des Rates der Europäischen Union
175, rue de la Loi
B -1048 BRÜSSEL
Herr Präsident,
unter Bezugnahme auf Artikel 281 Absatz 2 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 106a Absatz 1 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft unterbreite ich Ihnen in
beiliegendem Entwurf Änderungen der Satzung des Gerichtshofs.
Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen die drei Gerichte, aus denen
der Gerichtshof der Europäischen Union besteht, und bezwecken im
Wesentlichen, die Vorschriften über die Besetzung der Großen Kammer zu ändern
und das Amt eines Vizepräsidenten des Gerichtshofs einzurichten, die Zahl der
Richter des Gerichts zu erhöhen und die Möglichkeit vorzusehen, den
Fachgerichten Richter ad interim beizuordnen.
Den vorgeschlagenen Änderungen ist eine Darstellung der Gründe
beigefügt, auf die hier verwiesen sei.
Diese auch an den Präsidenten des Europäischen Parlaments gerichteten
Änderungen liegen in allen Amtssprachen bei.
Eine Aufstellung zur Bewertung der finanziellen
vorgeschlagenen Änderungen folgt so bald wie möglich.
Folgen
der
Mit vorzüglicher Hochachtung
Vassilios SKOURIS
ENTWURF
VON ÄNDERUNGEN DER SATZUNG DES GERICHTSHOFS
DER EUROPÄISCHEN UNION UND IHRES ANHANGS I
Der Gerichtshof unterbreitet dem Unionsgesetzgeber einen Entwurf von
Änderungen der Satzung des Gerichtshofs und ihres Anhangs I 1 . Dieser
einheitliche Text umfasst voneinander unabhängige Vorschläge in
Bezug auf die drei Gerichte, aus denen der Gerichtshof der Europäischen
Union besteht.
I.
Die Vorschläge betreffend den Gerichtshof
Der Gerichtshof ist darum bemüht, das Verfahren für die bei ihm
eingereichten Rechtssachen zu vereinfachen, aber auch seine
Verfahrensordnung der Rechtsprechung und der gängigen Praxis
anzupassen und ihre Lesbarkeit zu verbessern. Er hat deshalb eine
allgemeine Überarbeitung der Verfahrensordnung vorgenommen, die
dem Rat demnächst vorgelegt wird.
Die Vereinfachungsmaßnahmen, die auch die Satzung des Gerichtshofs
berühren, sollen dessen Arbeit effizienter machen und die
Verfahrensdauer weitestmöglich begrenzen. Auch wenn die Lage des
Gerichtshofs gegenwärtig zufriedenstellend ist – z. B. konnte die
durchschnittliche Dauer der Vorabentscheidungsverfahren von 25,5
Monaten im Jahr 2003 auf 16 Monate im Jahr 2010 gesenkt werden –,
ist zu berücksichtigen, dass ein stetiger Anstieg der Zahl der
Rechtssachen insbesondere infolge der Beitritte von 2004 und 2007 und
des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon absehbar ist.
Der Gerichtshof hält es auch für wünschenswert, das Amt eines
Vizepräsidenten des Gerichtshofs einzurichten und die Vorschriften über
die Besetzung der Großen Kammer zu ändern.
Die gegenwärtige Struktur und die Vorschriften über die Funktionsweise
dieses Spruchkörpers – Beteiligung des Präsidenten des Gerichtshofs
und der Präsidenten der Kammern mit fünf Richtern an allen an die
Große Kammer verwiesenen Rechtssachen und Beschlussfähigkeit bei
1
ABl. L 333 vom 9.11.2004, S. 7.
-1-
Anwesenheit von neun Richtern – gehen auf die Änderungen zurück, die
mit dem am 1. Februar 2003 in Kraft getretenen Vertrag von Nizza
eingeführt wurden.
Seitdem hat die Arbeit des Gerichtshofs zahlreiche Änderungen
erfahren: Beitritt von zwölf neuen Mitgliedstaaten, Übergang von zwei
zu drei Kammern mit fünf Richtern im Mai 2004 und zu vier Kammern
mit fünf Richtern im Oktober 2006, Einführung des
Eilvorabentscheidungsverfahrens im März 2008, Einführung des
Überprüfungsverfahrens nach der Errichtung des Gerichts für den
öffentlichen Dienst.
Derzeit ist die Arbeitsbelastung des Präsidenten des Gerichtshofs und
der Präsidenten der Kammern mit fünf Richtern sehr hoch, während die
übrigen Richter vergleichsweise wenig in den an die Große Kammer
verwiesenen Rechtssachen tagen. Die Beteiligung dieser Richter an der
Arbeit der Großen Kammer könnte noch weiter zurückgehen, falls der
Gerichtshof infolge eines Anstiegs der Zahl von Rechtssachen die
Errichtung einer weiteren Kammer mit fünf Richtern beschließen sollte.
Außerdem könnte die systematische Beteiligung der Präsidenten der
Kammern mit fünf Richtern an den an die Große Kammer verwiesenen
Rechtssachen den Eindruck erwecken, dass sie in der Großen Kammer
die Richter ihrer Kammer vertreten, was sich aus der Natur des ihnen
übertragenen Amtes in keiner Weise ergibt. Eine solche Situation könnte
daher als eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Gleichheit der
Richter wahrgenommen werden.
Dieser Vorschlag sieht eine breitere Beteiligung der Richter an den an
die Große Kammer verwiesenen Rechtssachen vor und ermöglicht ihnen
somit, sehr viel häufiger in solchen Sachen zu tagen als gegenwärtig
(fast in jedem zweiten Fall statt in jedem dritten). Dies wird durch die
Änderung der Artikel 16 und 17 der Satzung erreicht, die darin besteht,
die Zahl der Richter, aus denen die Große Kammer besteht, auf 15 zu
erhöhen und nicht mehr die systematische Beteiligung der Präsidenten
der Kammern mit fünf Richtern an den Rechtssachen der Großen
Kammer vorzusehen. Die letztgenannte Änderung hätte außerdem den
Vorteil, den Präsidenten der Kammern mit fünf Richtern zu erlauben,
sich in stärkerem Maße der Führung der Geschäfte ihrer Kammer zu
widmen – was dazu beitragen wird, deren Arbeit noch effizienter zu
machen – und für die harmonische Entwicklung der Rechtsprechung
Sorge zu tragen.
Es würde das Amt eines Vizepräsidenten eingerichtet, und dieser würde
wie der Präsident in allen an die Große Kammer verwiesenen
Rechtssachen tagen. Diese ständige Präsenz von zwei Personen,
-2-
einhergehend mit einer häufigeren Teilnahme der übrigen Richter an den
Arbeiten der Großen Kammer, wird ermöglichen, die Kohärenz der
Rechtsprechung dieses Spruchkörpers zu gewährleisten. Außerdem wird
es jedenfalls durch die derzeitigen Vorschriften über die Bestimmung
der Richter möglich sein, die Beteiligung mindestens eines, meistens
zweier Präsidenten der Kammern mit fünf Richtern an jeder an die
Große Kammer verwiesenen Rechtssache sicherzustellen.
Die Zahl von 15 Richtern, aus denen die Große Kammer besteht, wurde
entsprechend der Besetzung gewählt, die für das zur Zufriedenheit
funktionierende Große Plenum vor der durch den Vertrag von Nizza
eingeführten Änderung galt.
Die Vorschriften über die für die Beschlussfähigkeit erforderliche Zahl
von Richtern in der Großen Kammer und im Plenum werden
entsprechend angepasst.
Außer seiner Beteiligung an allen Rechtssachen der Großen Kammer
hätte der Vizepräsident auch die Aufgabe, den Präsidenten des
Gerichtshofs in seiner Amtstätigkeit zu unterstützen. Die mit dem Amt
des Präsidenten verbundene Belastung hat sich nämlich nach den
aufeinanderfolgenden Erweiterungen der Union stark erhöht,
insbesondere, was die Vertretung und die Verwaltung des Gerichtshofs
betrifft. Das gleiche Problem scheint sich bei verschiedenen nationalen
und internationalen Gerichten wie dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte gestellt zu haben, deren Struktur mit der
vorgeschlagenen vergleichbar ist.
Die Änderung von Artikel 20 Absatz 4 betrifft die Verlesung des vom
Berichterstatter vorgelegten Berichts in der mündlichen Verhandlung; in
der Praxis erfolgt diese Verlesung seit etwa 30 Jahren nicht mehr.
Mit der Änderung von Artikel 45 sollen die Entfernungsfristen
abgeschafft werden. Diese Fristen, die ursprünglich der Zeit
entsprachen, die erforderlich war, um dem Gerichtshof Post zu
übermitteln, haben diese Funktion verloren und wurden im Übrigen im
Jahr 2000 harmonisiert und in eine vom Ursprungsort unabhängige
Pauschalfrist von zehn Tagen umgewandelt.
Es wird vorgeschlagen, diese Entfernungsfristen, deren Beibehaltung im
Zeitalter der neuen Technologien immer weniger gerechtfertigt scheint,
abzuschaffen. Dies ermöglicht auch die Vermeidung der bisher
vorkommenden Verwechslungen zwischen den verschiedenen Fristarten,
von denen manche um die Entfernungsfrist verlängert werden und
andere nicht.
-3-
II.
Die Vorschläge betreffend das Gericht
Der Gerichtshof schlägt auch vor, die Zahl der Richter des Gerichts von
27 um zwölf auf 39 zu erhöhen.
Die schwierige Situation für die Rechtssuchenden der Union, die einen
Rechtsstreit vor das Gericht bringen, ist allgemein bekannt. Seit
mehreren Jahren bleibt die Zahl der vom Gericht erledigten
Rechtssachen hinter der Zahl der neu eingehenden Rechtssachen zurück,
so dass die Zahl der anhängigen Rechtssachen ständig wächst. Ende
2010 betrug sie 1 300, während im selben Jahr 527 Rechtssachen vom
Gericht erledigt wurden. Seit 2004 hat sich die durchschnittliche
Verfahrensdauer von 20,9 Monaten (2004) auf 27,2 Monate (2009)
erhöht. Auch wenn sie 2010 auf 24,7 Monate gesenkt wurde, ist zu
berücksichtigen, dass sie bei bestimmten Klagekategorien sehr viel
länger ist. So belief sich die durchschnittliche Dauer der im letzten Jahr
durch Urteil erledigten Rechtssachen auf 42,5 Monate für Beihilfesachen
und auf 56 Monate für die sonstigen Wettbewerbssachen.
In seinem Urteil vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt (C-385/07 P, Slg.
2009, I-6155), hat der Gerichtshof entschieden, dass ein
Wettbewerbsverfahren beim Gericht, das fünf Jahre und zehn Monate
dauert, gegen den Grundsatz einer Gerichtsentscheidung innerhalb
angemessener Frist verstößt, der nicht nur in Artikel 47 Absatz 2 der
Charta der Grundrechte, sondern auch in Artikel 6 Absatz 1 der
Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK) normiert ist. Der letztgenannte Gesichtspunkt
könnte die Europäische Union in einer Zeit, in der über ihren Beitritt zu
dieser Konvention verhandelt wird, in eine heikle Lage bringen.
Die Feststellung der Nichteinhaltung einer angemessenen Frist ist nicht
die Lösung des Problems. Das Problem ist strukturell und hängt mit der
besonderen Komplexität der Rechtssachen zusammen, bei denen eine
Vielzahl tatsächlicher Gegebenheiten berücksichtigt werden muss, wie
es bei den Wettbewerbssachen einschließlich der Beihilfesachen oder
bei den EAGFL-Kontrollsachen 2 der Fall ist. Ungeachtet all seiner
Bemühungen wird es dem Gericht nicht gelingen, die Menge der ihm
2
Es handelt sich um Klagen der Mitgliedstaaten gegen Entscheidungen der
Kommission über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten
des EAGFL, Abteilung Garantie, der EGFL oder des ELER getätigter Ausgaben
von der Finanzierung durch die Europäische Union oder um Klagen von
Unternehmen gegen Entscheidungen der Kommission über die Streichung eines
Zuschusses wegen Unregelmäßigkeiten.
-4-
jedes Jahr unterbreiteten Rechtssachen zu behandeln. Erst recht kann es
die aufgelaufenen Rückstände nicht abbauen.
Das gegenwärtige Anwachsen der Arbeitslast geht zurück auf die
Übertragung der Zuständigkeit, seit 2004 über bestimmte Kategorien
von Klagen der Mitgliedstaaten zu entscheiden 3 , auf den Anstieg der
Streitsachen nach den Beitritten von 2004 und 2007, auf die
Streitsachen, die sich aus der Vertiefung der europäischen Integration
ergeben, die eine Intensivierung und Diversifizierung der Legislativ- und
Regelungstätigkeit der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der
Union zur Folge hat, und auf den Anstieg der Streitsachen über die
Anmeldung von Gemeinschaftsmarken 4 wegen der steigenden Zahl
solcher Anmeldungen.
Neben der Zahl der derzeit anhängigen Rechtssachen ist die absehbare
Entwicklung der vor das Gericht gebrachten Streitsachen zu
berücksichtigen. Im Jahr 2000 waren 787 Rechtssachen anhängig. 2005
belief sich die Zahl auf 1 033, und 2010 waren es 1 300, was einem
Anstieg um 65 % von 2000 bis 2010 entspricht. Zusätzlich zu diesem
bereits existierenden Anstieg wird das Inkrafttreten des Vertrags von
Lissabon zu einer weiteren Steigerung führen. Dieser Vertrag hat
nämlich die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Nichtigkeitsklagen gegen
Rechtsakte mit Verordnungscharakter gemäß Artikel 263 AEUV
gelockert. Außerdem ist das Gericht gemäß Artikel 275 AEUV und
infolge der Aufhebung von Artikel 35 EUV in seiner vor dem Vertrag
von Lissabon geltenden Fassung für die Entscheidung über Klagen in
neuen Bereichen zuständig geworden. Schließlich werden, wie seit dem
1. Dezember 2009 bereits zu beobachten ist, die Kläger und ihre
Vertreter zweifellos die Möglichkeiten nutzen, die sich durch die
Erhebung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in den
Rang von Primärrecht 5 sowie in naher Zukunft durch den Beitritt der
Europäischen Union zur EMRK eröffnen.
Zu diesen Gruppen von Streitsachen kommt diejenige hinzu, die durch
die Anwendung zahlreicher Verordnungen zur Errichtung von
3
4
5
Beschluss 2004/407/EG, Euratom des Rates vom 26. April 2004 zur Änderung der
Artikel 51 und 54 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs (ABl. L 132
vom 29.4.2004, S. 5).
Nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die
Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78 vom 24.3.2009, S. 1).
Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 EUV in seiner nach dem Vertrag von Lissabon
geltenden Fassung.
-5-
Agenturen der Union entsteht, wobei insbesondere an die REACHVerordnung 6 zu denken ist. Es ist nicht auszuschließen, dass diese
Regelung, die neue und technisch komplexe Fragen aufwirft, nicht zu
einem progressiven und kontinuierlichen, sondern zu einem
unvermittelten und massierten Zustrom von Klagen führen wird.
Einige Maßnahmen wurden bereits erlassen. So wurde im Jahr 2005 das
Gericht für den öffentlichen Dienst geschaffen, um das Gericht von
diesen spezifischen und leicht abtrennbaren Streitsachen zu entlasten.
Wie jedoch der Grafik in Anhang 1 zu entnehmen ist, sind die Schaffung
dieses Fachgerichts nur in den Jahren 2005 und 2006 erkennbar positiv
ausgewirkt. Seit 2007 hat die Zahl der eingegangenen Rechtssachen
wieder steigende Tendenz.
Das Gericht hat eine Reihe interner Maßnahmen erlassen, ob mit
Regelungscharakter, zur Gerichtsorganisation oder zum Einsatz von
Mitteln der Informatik. Gleichwohl und trotz der Schaffung des Gerichts
für den öffentlichen Dienst haben es diese Maßnahmen nicht erlaubt, das
Anwachsen der Rückstände zum Stillstand zu bringen oder gar die
Rückstände abzubauen.
Der Gerichtshof hält eine strukturelle Lösung für dringlich, ohne dass
dies freilich neue interne Maßnahmen ausschließt, über die das Gericht
im Übrigen nachdenkt.
Nach den Verträgen gibt es zwei Reformmöglichkeiten:
Die erste Möglichkeit ist in Artikel 257 Absatz 1 AEUV vorgesehen:
„Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem
ordentlichen Gesetzgebungsverfahren dem Gericht beigeordnete
Fachgerichte bilden, die für Entscheidungen im ersten Rechtszug über
bestimmte Kategorien von Klagen zuständig sind, die auf besonderen
Sachgebieten erhoben werden. Das Europäische Parlament und der Rat
beschließen durch Verordnungen entweder auf Vorschlag der
Kommission nach Anhörung des Gerichtshofs oder auf Antrag des
Gerichtshofs nach Anhörung der Kommission.“ Diese Möglichkeit
bestünde in der Schaffung eines Fachgerichts, das für die Entscheidung
6
Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung
chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für
chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung
der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94
der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien
91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl.
L 396 vom 30.12.2006, S. 1).
-6-
über direkte Klagen auf einem bestimmten Gebiet zuständig wäre. Dafür
wurde das Gebiet des geistigen Eigentums ins Auge gefasst 7 .
Der zweite Weg eröffnet sich über Artikel 19 Absatz 2 Unterabsatz 2
EUV, wo vorgesehen ist, dass „[d]as Gericht … aus mindestens einem
Richter je Mitgliedstaat [besteht]“, und über Artikel 254 Absatz 1
AEUV, nach dem „[d]ie Zahl der Richter des Gerichts … in der Satzung
des Gerichtshofs der Europäischen Union festgelegt [wird]“. Er bestünde
darin, die Zahl der Richter des Gerichts durch eine Änderung von
Artikel 48 der Satzung 8 nach den in Artikel 281 Absatz 2 AEUV
vorgesehenen Modalitäten zu erhöhen.
Nach einer sorgfältigen Abwägung der beiden Optionen ist der
Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erhöhung der Richterzahl
der Schaffung eines Fachgerichts auf dem Gebiet des geistigen
Eigentums deutlich vorzuziehen ist. Die Gründe dafür hängen mit der
Wirksamkeit der vorgeschlagenen Lösung, der Dringlichkeit der Lage,
der Flexibilität der ins Auge gefassten Maßnahme und der Kohärenz des
Unionsrechts zusammen.
Was die Wirksamkeit der Schaffung eines Fachgerichts auf dem Gebiet
des geistigen Eigentums angeht, zeigt die Analyse der Menge der beim
Gericht anhängigen Rechtssachen 9 , dass der Wegfall der
Markenstreitsachen dem Engpass nicht abhelfen würde. Dem
Fachgericht würden immer wieder ähnliche und vergleichsweise rasch
zu erledigende Rechtssachen übertragen, während die komplexen
Rechtssachen (der Großteil der „sonstigen Klagen“) in der Zuständigkeit
des Gerichts blieben. Die Zahl der anhängigen Rechtssachen der
letztgenannten Art steigt aber ständig, und das Gericht benötigt gerade
für ihre Behandlung Unterstützung. Deshalb besteht aller Anlass zu der
Befürchtung, dass eine Übertragung der Markensachen ebenso wie die
Übertragung der dienstrechtlichen Streitigkeiten nur eine kurze
Atempause verschaffen würde. Diese wäre umso kürzer, als die Zahl der
an das Fachgericht übertragenen Rechtssachen ab der Verkündung der
ersten Urteile dieses Gerichts durch den Anstieg der Zahl der
7
8
9
Die Schaffung eines solchen Gerichts ist die Option, die vom Gericht
vorgeschlagen wurde, das sich in den Plenumssitzungen vom 8. April 2008 und
22. April 2009 in diesem Sinne geäußert und diese Wahl in einem dem Präsidenten
des Gerichtshofs am 22. Dezember 2009 übermittelten Dokument bekräftigt hat.
Artikel 48 der Satzung lautet: „Das Gericht besteht aus siebenundzwanzig
Mitgliedern.“
Siehe das Schaubild in Anhang 2.
-7-
Rechtsmittelverfahren vor dem Gericht teilweise neutralisiert würde,
wobei das etwaige Hinzutreten von Vorabentscheidungsverfahren noch
nicht einmal berücksichtigt ist.
Die Erhöhung der Zahl der Richter des Gerichts hat außerdem größere
Vorteile als die Schaffung eines Fachgerichts. Es bedarf nämlich keines
solchen Gerichts, um die durch eine Spezialisierung angestrebte höhere
Produktivität zu erreichen, weil die Spezialisierung auf der Ebene der
Kammern eines Gerichts mit allgemeiner Zuständigkeit erfolgen kann.
Dagegen sind die Risiken einer geringen Zahl von Richtern an einem
Fachgericht zu berücksichtigen, wo das – insbesondere
krankheitsbedingte – Fehlen eines Richters den Geschäftsgang des
Gerichts erheblich erschweren kann. Aus eben diesem Grund ersucht im
Übrigen das Gericht für den öffentlichen Dienst um die Möglichkeit,
unter bestimmten Umständen auf Richter ad interim zurückzugreifen.
Schließlich ist es organisatorisch gesehen leichter, neue Richter in eine
bestehende Organisationsstruktur einzugliedern, als eine neue Struktur
zu schaffen.
In Anbetracht der Dringlichkeit der Lage ist die rasche Umsetzung der
vorgeschlagenen Lösung für den Gerichtshof ein ganz wesentlicher
Gesichtspunkt. Die Errichtung eines Fachgerichts, die Ernennung der
Richter, die Wahl des Kanzlers und der Erlass einer Verfahrensordnung
würden wahrscheinlich, wie es beim Gericht für den öffentlichen Dienst
der Fall war, eine Verlangsamung bei der Erledigung der Rechtssachen
für ungefähr zwei Jahre nach sich ziehen. Die Ernennung der
zusätzlichen Richter des Gerichts könnte sich dagegen nahezu
umgehend auf die Erledigung der Rechtssachen und damit auf die
Rückstände und die Verfahrensdauer auswirken.
Ein weiterer Vorteil der vorgeschlagenen Lösung liegt in ihrer
Flexibilität und ihrer Reversibilität. Eine relative Schwankung der
verschiedenen Arten von Streitsachen bei ein und demselben Gericht
wirkt sich nicht auf dessen Struktur aus. Das Gericht kann nämlich die
durch den etwaigen Rückgang von Streitsachen aus einem bestimmten
Bereich 10 frei werdende Arbeitskraft für die Erledigung anderer
Rechtssachen einsetzen. Außerdem könnte ein Fachgericht bei Bedarf
immer noch in einem späteren Stadium geschaffen werden, ob auf dem
Gebiet des geistigen Eigentums oder um sektoriellen Entwicklungen der
10
So ist gegenwärtig ein Rückgang der Klagen in Sachen betreffend den öffentlichen
Dienst festzustellen, wobei allerdings die Gründe dafür nicht klar sind und die
Entwicklung deshalb nicht vorhersehbar ist. Selbst auf dem Gebiet des geistigen
Eigentums kann in Anbetracht der sich weiterhin entwickelnden umfangreichen
Rechtsprechung zur Gemeinschaftsmarke eine ähnliche Entwicklung nicht
ausgeschlossen werden.
-8-
Streitsachen Rechnung zu tragen, z. B. auf den von der REACHVerordnung erfassten Gebieten. Dagegen wäre es gewiss schwieriger,
ein neues Gericht nach der Geschäftsaufnahme aufzulösen, als die Zahl
der Richter zu verringern, indem vorgesehen wird, dass bestimmte
Stellen mit Ablauf der Amtszeit wegfallen.
Zu diesen praktischen Erwägungen treten Überlegungen hinzu, die mit
dem Bemühen um die Wahrung der Kohärenz des Unionsrechts
zusammenhängen.
Die
Markenstreitsachen
umfassen
Rechtsstreitigkeiten über die Eintragung von Gemeinschaftsmarken, für
die derzeit das Gericht und im Rechtsmittelverfahren der Gerichtshof
zuständig ist, aber auch Rechtsstreitigkeiten über Markenverletzungen
oder
über
nationale
Marken,
die
im
Rahmen
von
Vorabentscheidungsfragen über die Auslegung der Richtlinien 89/104
und 2008/95 11 vor den Gerichtshof gelangen. Diese Streitsachen
erfordern eine einheitliche Auslegung bestimmter Begriffe, gleich ob
solcher der Verordnung Nr. 207/2009 oder der Richtlinien, und zwar
vorzugsweise durch ein einziges Gericht. Deshalb wurde die Ansicht
geäußert, dass mit einer Übertragung der Klageverfahren betreffend die
Gemeinschaftsmarken an ein Fachgericht eine Zuweisung der
Vorabentscheidungsverfahren in Markensachen an das Gericht
einhergehen sollte.
Abgesehen davon, dass es so für eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung
sechs aufeinanderfolgende Prüfungsebenen geben könnte 12 und dass,
wie vorstehend ausgeführt, die durch den Rückgang der direkten Klagen
bewirkte Entlastung des Gerichts durch einen Anstieg der Zahl der
Rechtsmittel und das Hinzutreten von Vorabentscheidungsverfahren
teilweise neutralisiert würde, wiegen die Vorteile für die Kohärenz der
Rechtsprechung in Markensachen gering in Anbetracht der nachteiligen
Auswirkungen einer solchen Übertragung auf andere Gebiete wie den
Binnenmarkt einschließlich des freien Warenverkehrs oder die für das
Vorabentscheidungsersuchen als solches geltenden Grundsätze, wobei es
sich um eine heikle Materie im Bereich der Abgrenzung der
11
12
Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 40 vom
11.2.1989, S. 1). Diese Richtlinie wurde durch die am 28. November 2008 in Kraft
getretene Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken
(kodifizierte Fassung) (ABl. L 299, S. 25) abgeschafft.
Entscheidung des Prüfers des HABM, Entscheidung über den etwaigen
Widerspruch, Entscheidung der Beschwerdekammer des HABM, Klage beim
Fachgericht, Rechtsmittel beim Gericht, Überprüfung durch den Gerichtshof.
-9-
Zuständigkeiten des Gerichtshofs und der nationalen Gerichte, d. h. der
Zuständigkeiten der EU und der Mitgliedstaaten, handelt.
Zwar ist die Möglichkeit, dem Gericht die Zuständigkeit für
Vorabentscheidungen „in besonderen Sachgebieten“ zu übertragen, in
Artikel
256
Absatz
3
AEUV
vorgesehen,
und
die
Vorabentscheidungsurteile des Gerichts könnten wie seine
Rechtsmittelurteile überprüft werden. Die Überprüfung ist jedoch ein
Ausnahmeverfahren, von dem nur zurückhaltend Gebrauch gemacht
werden soll, wenn das Interesse des Unionsrechts offenkundig über
Mängel des Verfahrens im Hinblick auf die Parteibeteiligung
hinausgeht. Die Überprüfung ist deshalb nur auf der Ebene der großen
Grundsatzfragen das geeignete Mittel zur Gewährleistung der Kohärenz
der Rechtsprechung.
Ein Gebrauch der Möglichkeit, dem Gericht die Behandlung von
Vorabentscheidungsfragen zu übertragen, die eher zur Entlastung des
Gerichtshofs vorgesehen ist, falls er sich in Schwierigkeiten befinden
sollte – was derzeit nicht der Fall ist –, würde somit die Gefahr bergen,
mehr Schwierigkeiten als Vorteile zu schaffen. Abgesehen von den
vorstehend angesprochenen Kohärenzfragen könnte die Verteilung der
Vorabentscheidungsfragen auf den Gerichtshof und das Gericht auch für
Verwirrung bei den Gerichten der Mitgliedstaaten sorgen und sie
insbesondere wegen der mit einer Überprüfung einer Entscheidung des
Gerichts durch den Gerichtshof verbundenen Verfahrensdauer davon
abhalten, Vorabentscheidungsfragen vorzulegen.
Nach alledem hält der Gerichtshof deshalb eine Erhöhung der
Richterzahl am Gericht um mindestens zwölf auf 39 Richter für
erforderlich. Diese Erhöhung würde nämlich nicht nur erlauben, jährlich
eine Zahl von Rechtssachen abzuschließen, die der Zahl neuer
Rechtssachen entspricht (636 im Jahr 2010), sondern auch, den Abbau
der Rückstände des Gerichts in Angriff zu nehmen (1 300 anhängige
Rechtssachen am 31. Dezember 2010, ein großer Teil davon in einem
Verfahrensstadium, das ihre Behandlung erlaubt). Die Personalerhöhung
könnte die Gelegenheit für eine Neuorganisation sein, mit der
ermöglicht wird, die Kategorie der „sonstigen Klagen“, insbesondere die
Klagen in Wettbewerbssachen, bei denen besonders auf die Einhaltung
einer angemessenen Frist geachtet werden muss, vorrangig zu
behandeln.
Der Gerichtshof betont, dass die Erhöhung der Richterzahl als solche
nicht alle Probleme lösen wird. Mit ihr müssen zwingend eine Reflexion
darüber, wie die Gesamtheit der Mittel des Gerichts – gegebenenfalls im
Wege einer Spezialisierung mancher Kammern und einer dynamischen
Zuweisung der Rechtssachen – am besten genutzt werden kann, und die
- 10 -
Fortsetzung der vom Gericht bereits unternommenen Anstrengungen zur
Produktivitätssteigerung einhergehen.
Der Gerichtshof erlaubt sich, die Dringlichkeit der zu treffenden
Maßnahmen zu unterstreichen.
- 11 -
Anhang 1
650
600
550
500
450
Aide d'État
Concurrence
Fonction publique
Propriété intellectuelle
Autres recours directs
Pourvois
Pourvois sur référé
Procédures particulières
400
81
300
36
24
25
54
40
34
62
151
124
110
42
62
28
2
207
198
207
1
168
37
143
100
110
158
50
158
135
37
128
84
11
18
18
28
40
2000
2001
2002
2003
2004
0
207
197
136
100
178
98
83
100
125
2
79
146
112
200
46
36
250
111
37
35
71
81
44
150
47
52
350
42
56
31
23
1
10
27
27
34
29
2005
2006
2007
87
84
77
2008
2009
2010
Die Analyse dieser Grafik zeigt insbesondere, dass die günstigen
Wirkungen der Schaffung des Gerichts für den öffentlichen Dienst nur
in den Jahren 2005 und 2006 spürbar waren.
- 12 -
Anhang 2
Affaires pendantes devant le Tribunal au 31 décembre
Répartition selon la nature des procédures
1400
Propriété
intellectuelle
Nombre d'affaires
1200
1000
Procédures
particulières
800
Pourvois
600
Fonction
publique
400
200
Autres
recours
0
2005
2006
2007
2008
- 13 -
2009
2010
III.
Die Vorschläge betreffend das Gericht für den öffentlichen
Dienst
Das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union ist mit
sieben Richtern besetzt.
Diese geringe Zahl macht verständlich, dass sein Geschäftsgang
ernstlich beeinträchtigt werden kann, wenn eines seiner Mitglieder aus
gesundheitlichen Gründen dauerhaft an der Ausübung seines Amtes
gehindert ist, ohne dass jedoch Dienstunfähigkeit im Sinne von Artikel
10 der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/EURATOM des Rates
vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den
Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den
Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des
Gerichtshofs und für den Präsidenten, die Mitglieder und den Kanzler
des Gerichts sowie für den Präsidenten, die Mitglieder und den Kanzler
des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union 13
gegeben ist.
Um zu verhindern, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst in eine
schwierige Lage gerät, die geeignet ist, es bei der Wahrnehmung der ihm
übertragenen
Rechtsprechungsaufgabe
zu
behindern,
wird
vorgeschlagen, Artikel 62c der Satzung des Gerichtshofs dahin zu
ändern, dass allgemein die Möglichkeit vorgesehen wird, den
Fachgerichten Richter ad interim beizuordnen.
Nach dem so geänderten Artikel 62c der Satzung erfordert die
eigentliche Beiordnung von Richtern ad interim an das Gericht für den
öffentlichen Dienst ihrerseits eine Änderung des Anhangs I der
Satzung 14 .
Um die Homogenität der Satzung und dieses Anhangs zu wahren, ist es
jedoch angezeigt, die Modalitäten für die Benennung der Richter ad
interim, deren Rechte und Pflichten, die Bedingungen, unter denen sie
ihr Amt ausüben, und die Umstände, unter denen das Amt endet, in einer
gesonderten, auf Artikel 257 AEUV gestützten Verordnung festzulegen,
die so Anhang I der Satzung ergänzen würde. Der Entwurf der
betreffenden Verordnung liegt diesem Änderungsentwurf bei.
13
14
ABl. 187 vom 8.8.1967, S. 1.
ABl. L 333 vom 9.11.2004, S. 7.
- 14 -
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION –
gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere
seinen Artikel 19 Absatz 2 Unterabsatz 2,
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen
Union, insbesondere seine Artikel 254 Absatz 1, 257 Absätze 1 und 2
und 281 Absatz 2,
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Atomgemeinschaft, insbesondere seinen Artikel 106a Absatz 1,
auf Antrag des Gerichtshofs vom ………………,
nach Stellungnahme der Kommission vom ……………………….,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Zur Stärkung der Beteiligung aller Richter an den
Entscheidungen der Großen Kammer des Gerichtshofs ist es
angebracht, die Zahl derjenigen zu erhöhen, die an diesem
Spruchkörper beteiligt sein können, und die systematische
Beteiligung der Präsidenten der Kammern mit fünf Richtern
abzuschaffen.
(2)
Die für die Beschlussfähigkeit erforderliche Zahl von
Richtern in der Großen Kammer und im Plenum ist
entsprechend anzupassen.
- 15 -
(3)
Die starke Zunahme der Aufgaben des Präsidenten des
Gerichtshofs erfordert die Einrichtung des Amtes eines
Vizepräsidenten des Gerichtshofs, der den Präsidenten bei
der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt.
(4)
Die Beibehaltung der Entfernungsfristen erscheint im
Zeitalter der neuen Technologien nicht mehr geboten.
(5)
Infolge der schrittweisen Ausweitung der Zuständigkeiten
des Gerichts seit seiner Errichtung steigt die Zahl der
Rechtssachen, mit denen es befasst ist, ständig.
(6)
Die Zahl der beim Gericht eingehenden Rechtssachen
übersteigt die Zahl der von ihm jährlich erledigten
Rechtssachen, was eine bedeutende Erhöhung der Zahl der
bei ihm anhängigen Rechtssachen und eine Verlängerung der
Verfahrensdauer zur Folge hat.
(7)
Diese Verlängerung erscheint für die Rechtssuchenden
insbesondere im Hinblick auf die sowohl in Artikel 47 der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union als auch in
Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte
und
Grundfreiheiten
genannten
Erfordernisse kaum hinnehmbar.
(8)
Die Lage, in der sich das Gericht befindet, hat strukturelle
Gründe,
die
sowohl
mit
der
Intensivierung
und
Diversifizierung der Legislativ- und Regelungstätigkeit der
Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union
zusammenhängen als auch mit dem Umfang und der
- 16 -
Komplexität der Vorgänge, mit denen das Gericht befasst ist,
und
zwar
insbesondere
in
Wettbewerbs-
und
in
Beihilfesachen.
(9)
Folglich sind die zur Bewältigung dieser Lage gebotenen
Maßnahmen zu erlassen, und die in den Verträgen
vorgesehene Möglichkeit, die Zahl der Richter des Gerichts
zu erhöhen, ist geeignet, binnen kurzer Zeit sowohl die Zahl
der anhängigen Rechtssachen zu verringern als auch die
überlange Dauer der Verfahren vor dem Gericht zu
verkürzen.
(10)
Damit die Fachgerichte zufriedenstellend weiterarbeiten
können, wenn ein Richter fehlt, der, ohne dass er als voll
dienstunfähig
anzusehen
ist,
während
eines
längeren
Zeitraums daran gehindert ist, an der Erledigung der
Rechtssachen teilzunehmen, ist die Möglichkeit vorzusehen,
diesen Gerichten Richter ad interim beizuordnen –
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen
Union wird wie folgt geändert:
1.
Folgender Artikel 9a wird angefügt:
„Die Richter wählen aus ihrer Mitte den Präsidenten und
den Vizepräsidenten des Gerichtshofs für die Dauer von drei
Jahren. Wiederwahl ist zulässig.
Der Vizepräsident steht dem Präsidenten des Gerichtshofs
zur Seite. Er vertritt ihn, wenn dieser verhindert oder sein
Amt unbesetzt ist, oder auf dessen Aufforderung.“
- 17 -
2.
Artikel 16 Absatz 2 erhält folgende Fassung:
„Die Große Kammer ist mit fünfzehn Richtern besetzt. Den
Vorsitz führt der Präsident des Gerichtshofs. Der Großen
Kammer gehören außerdem der Vizepräsident und weitere
Richter, die nach Maßgabe der Verfahrensordnung ernannt
werden, an.“
3.
Artikel 17 Absätze 3 und 4 erhält folgende Fassung:
„Die Entscheidungen der Großen Kammer sind nur dann
gültig, wenn elf Richter anwesend sind.
Die vom Plenum getroffenen Entscheidungen des
Gerichtshofs sind nur dann gültig, wenn siebzehn Richter
anwesend sind.“
4.
Artikel 20 Absatz 4 erhält folgende Fassung:
„Das mündliche Verfahren umfasst die Anhörung der
Bevollmächtigten, Beistände und Anwälte und der
Schlussanträge des Generalanwalts durch den Gerichtshof
sowie gegebenenfalls die Vernehmung von Zeugen und
Sachverständigen.“
5.
Artikel 39 Absatz 2 erhält folgende Fassung:
„Bei Verhinderung des Präsidenten wird dieser durch den
Vizepräsidenten oder einen anderen Richter nach Maßgabe
der Verfahrensordnung vertreten.“
6.
Artikel 45 Absatz 1 wird aufgehoben.
7.
In Artikel 48 wird die Zahl „siebenundzwanzig“ durch die
Zahl „neununddreißig“ ersetzt.
8.
Artikel 62c wird durch folgenden Absatz ergänzt:
„Das Parlament und der Rat können gemäß dem in Artikel
257 AEUV bezeichneten Verfahren den Fachgerichten
Richter ad interim beiordnen, um das Fehlen von Richtern
auszugleichen, die, ohne dass sie als voll dienstunfähig
anzusehen sind, dauerhaft daran gehindert sind, an der
Erledigung der Rechtssachen teilzunehmen. In diesem Fall
legen das Parlament und der Rat die Voraussetzungen, unter
- 18 -
denen die Richter ad interim ernannt werden, deren Rechte
und Pflichten, die Modalitäten ihrer Amtsausübung und die
Umstände, unter denen das Amt endet, fest.“
Artikel 2
In Anhang I des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der
Europäischen Union wird Artikel 2, dessen derzeitiger Wortlaut zu
Absatz 1 wird, durch folgenden Absatz 2 ergänzt:
„(2) Den in Absatz 1 Unterabsatz 1 genannten Richtern werden
Richter ad interim beigeordnet, um Richter zu ersetzen, die, ohne
dass sie als voll dienstunfähig anzusehen sind, dauerhaft daran
gehindert sind, an der Erledigung der Rechtssachen teilzunehmen.“
Artikel 3
1.
Die Nummern 1, 2, 3 und 5 von Artikel 1 treten mit der
ersten teilweisen Neubesetzung im Sinne des Artikels 9 des
Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen
Union nach der Veröffentlichung dieser Verordnung im Amtsblatt
der Europäischen Union in Kraft.
2.
Die Nummern 4, 6, 7 und 8 von Artikel 1 sowie Artikel 2
treten am ersten Tag des Monats, der auf den Monat der
Veröffentlichung dieser Verordnung im Amtsblatt der Europäischen
Union folgt, in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt
unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu … am …
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident
- 19 -
ENTWURF EINER VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN
PARLAMENTS UND DES RATES ÜBER RICHTER
AD INTERIM DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN
DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION
Begründung
Gemäß Art. 62c Abs. 2 des Protokolls über die Satzung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Satzung) und
Art. 2 Abs. 2 des Anhangs I der Satzung 1 , wie sie in einem
gesonderten Vorschlag zur Änderung der Satzung und ihres Anhangs
enthalten sind, legt der vorliegende Entwurf die Modalitäten der
Benennung von Richtern ad interim des Gerichts für den öffentlichen
Dienst der Europäischen Union, ihre Rechte und Pflichten sowie die
Bedingungen für die Ausübung und die Beendigung ihrer
Amtstätigkeit fest.
Es erscheint in diesem Zusammenhang angezeigt, dass der Rat der
Europäischen Union auf Vorschlag des Präsidenten des Gerichtshofs
drei Richter ad interim am Gericht für den öffentlichen Dienst ernennt.
Die Richter ad interim sollten aus dem Kreis der ehemaligen Mitglieder
des Gerichtshofs, des Gerichts und des Gerichts für den öffentlichen
Dienst berufen werden. Denkbar wäre auch gewesen, sie unter den
Bewerbern auszuwählen, die in die vom Auswahlausschuss nach Art. 3
Abs. 4 des Anhangs I der Satzung erstellte Liste aufgenommen, vom Rat
aber nicht zu Richtern ernannt wurden. Diese Lösung hat jedoch
Nachteile. Eine vorübergehende Verwendung ist nämlich nur dann
effektiv, wenn die ernannten Personen ihre Tätigkeit als Richter am
Gericht für den öffentlichen Dienst sofort aufnehmen können, um ab
ihrer Ernennung einsatzbereit zu sein. Außerdem sind die in die Liste
des Auswahlausschusses aufgenommenen Bewerber, die nicht ernannt
wurden, normalerweise beruflich gebunden und damit nicht so
verfügbar, wie dies der Bedarf des Gerichts für den öffentlichen Dienst
erfordern würde.
Das Verfahren der tatsächlichen Benennung der Richter ad interim auf
der Grundlage der vom Rat erstellten Liste sollte möglichst einfach
sein, um zu gewährleisten, dass die vorübergehende Verwendung
flexibel und effektiv ist.
1
ABl. L 333 vom 9.11.2004, S. 7.
Im Einzelnen soll das Gericht für den öffentlichen Dienst, wenn es
feststellt, dass ein Richter aus gesundheitlichen Gründen an der
Erledigung der Rechtssachen gehindert ist oder sein wird, dass diese
Verhinderung mindestens drei Monate dauert oder voraussichtlich
dauern wird und dass der betreffende Richter nicht voll dienstunfähig
ist im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 422/67/EWG,
Nr. 5/67/Euratom des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der
Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission
sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den
Kanzler des Gerichtshofs und für den Präsidenten, die Mitglieder und
den Kanzler des Gerichts sowie für den Präsidenten, die Mitglieder
und den Kanzler des Gerichts für den öffentlichen Dienst der
Europäischen Union 2 (im Folgenden: Verordnung Nr. 422/67/EWG
und Nr. 5/67/EURATOM), beschließen können, einen Richter ad
interim einzusetzen; in diesem Fall wäre es Sache des Präsidenten des
Gerichts, diesen auf der Grundlage der vom Rat erstellten Liste
tatsächlich in das Amt zu berufen.
Der Richter ad interim würde die Rechtsprechungstätigkeit des
verhinderten Richters zumindest teilweise übernehmen. Er würde also
dessen Akten in den vom Präsidenten des Gerichts für den
öffentlichen Dienst bestimmten Rechtssachen übernehmen und seinen
Platz bei der Verteilung neuer Rechtssachen einnehmen.
Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der in das Amt berufenen
Richter ad interim wären durch Art. 257 Abs. 4 AEUV sowie durch
den Verweis auf die Art. 2 bis 6 und 18 der Satzung gewährleistet, wie
dies in Art. 5 des Anhangs I der Satzung für die hauptamtlichen
Richter des Gerichts für den öffentlichen Dienst vorgesehen ist.
Art. 3 des Entwurfs impliziert, dass die Richter ad interim nur
Rechtsprechungstätigkeiten im eigentlichen Sinne ausüben können
und keinen Anspruch auf Mitwirkung bei der Verwaltung des Gerichts
für den öffentlichen Dienst oder der Wahl des Präsidenten des
Gerichts und der Kammerpräsidenten haben sollen. Er bedeutet ferner,
dass sie keinen Anspruch auf Unterstützung durch einen persönlichen
Mitarbeiterstab haben sollen.
Weiter sind die Bezüge der in das Amt berufenen Richter ad interim
zu regeln. Es wird vorgeschlagen, dies in Art. 4 des Entwurfs zu tun,
um die Einheitlichkeit der Stellung der Richter ad interim zu wahren.
2
ABl. 187 vom 8.8. 1967, S. 1.
2
Art. 4 Abs. 1 des Entwurfs sieht vor, dass die Richter ad interim –
unter der Aufsicht des Präsidenten des Gerichts für den öffentlichen
Dienst – für jeden tatsächlich geleisteten Arbeitstag Anspruch auf eine
Vergütung von einem Dreißigstel des monatlichen Grundgehalts
haben sollen, das den Richtern nach Art. 21c Abs. 2 der Verordnung
Nr. 422/67/EWG und Nr. 5/67/EURATOM zusteht. Diese Art der
Berechnung der Bezüge der Richter ad interim entspricht Art. 12
Abs. 1 der Entschließung CM/Res(2009)5 des Ministerkomitees des
Europarats vom 23. September 2009 über die Stellung und die
Dienstbedingungen der Richter am Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte und des Menschenrechtskommissars.
Für ihre in Ausübung ihrer Amtstätigkeit unternommenen Reisen nach
Luxemburg sollen die Richter ad interim auch Anspruch auf
Erstattung ihrer Fahrt- und Hotelkosten sowie auf Zahlung eines
Tagegelds haben. Von der Erstattung der Hotelkosten und des
Tagegelds soll jedoch erforderlichenfalls abgesehen werden können.
Aus Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 des Entwurfs ergibt sich ferner, dass das
in Art. 8 der Verordnung Nr. 422/67/EWG und Nr. 5/67/EURATOM
vorgesehene Ruhegehalt einer Kappung unterliegen soll, soweit es zu
einer Kumulierung mit den soeben angesprochenen Bezügen käme.
Vorbild dieser Regelung ist Art. 7 Abs. 3 der genannten Verordnung.
Außerdem wäre letztere Vorschrift anzuwenden, wenn einem
ehemaligen Mitglied des Gerichtshofs der Europäischen Union, das
die Tätigkeit eines Richters ad interim ausübt, Übergangsgeld gezahlt
würde.
Schließlich wird in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 4 des Entwurfs im
Hinblick auf Art. 11 der Verordnung Nr. 422/67/EWG und
Nr. 5/67/EURATOM, in dem geregelt ist, in welchen Fällen
ehemalige Mitglieder, sofern sie keine Erwerbstätigkeit ausüben, die
für Beamte geltende Regelung der sozialen Sicherheit in Anspruch
nehmen können, klargestellt, dass die Tätigkeit eines Richters ad
interim insoweit nicht berücksichtigt werden soll.
In Art. 5 des Entwurfs ist geregelt, unter welchen Umständen das Amt
eines Richters ad interim endet. Dies wäre abgesehen vom Todesfall
zum einen der Fall, wenn er zurücktritt oder wenn entschieden wird,
ihn seines Amtes zu entheben, weil er die erforderlichen
Voraussetzungen nicht mehr erfüllt oder den sich aus seinem Amt
ergebenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommt (Art. 5 und 6 der
Satzung), und zum anderen, wenn die Verhinderung des Richters, den
er vertritt, endet. Im Interesse einer geordneten Rechtspflege sollte ein
Richter ad interim grundsätzlich bis zum Abschluss der Rechtssachen,
in denen er getagt hat, im Amt bleiben. In diesem Zusammenhang ist
3
darauf hinzuweisen, dass das Gericht insbesondere in diesem Fall den
Umfang der Leistungen des Betroffenen entsprechend neu festlegen
können sollte.
Aus der vorstehenden Aufzählung ergibt sich im Gegenschluss, dass
der Ablauf der Gültigkeitsdauer der vom Rat erstellten Liste der
Richter ad interim keine Auswirkungen auf die Ausübung der
Amtstätigkeit der Richter ad interim haben sollte, die vom Präsidenten
des Gerichts von der Liste berufen wurden, wie sie zum Zeitpunkt
ihrer Benennung galt. Diese Richter würden daher weiterhin die ihnen
bereits zugewiesenen Vorgänge bearbeiten.
Darüber hinaus soll der Name eines Richters ad interim, der
verstorben oder zurückgetreten oder seines Amtes enthoben worden
ist, in der Liste gestrichen werden. Diese Liste wäre dann für ihre noch
verbleibende Gültigkeitsdauer zu ergänzen.
Da mit diesem Entwurf dem Gericht für den öffentlichen Dienst eine
gelegentliche, möglichst kosteneffiziente Unterstützung gewährt
werden soll, sind schließlich zusammenfassend die Maßnahmen
aufzuführen, die seine budgetären Auswirkungen begrenzen sollten:
–
Erstens soll der Einsatz von Richtern ad interim auf Fälle
beschränkt werden, in denen
-
ein Richter des Gerichts aus gesundheitlichen Gründen an
der Erledigung von Rechtssachen verhindert ist,
-
diese Verhinderung mindestens drei Monate dauert,
-
der verhinderte Richter nicht voll dienstunfähig im Sinne des
Art. 10 der Verordnung Nr. 422/67/EWG und
Nr. 5/67/EURATOM ist;
–
zweitens sollen sich die Bezüge der Richter ad interim nach den
unter der Aufsicht des Präsidenten des Gerichts für den
öffentlichen Dienst tatsächlich geleisteten Arbeitstagen richten;
–
drittens soll die Kappungsregelung des Art. 7 Abs. 3 der
Verordnung Nr. 422/67/EWG und Nr. 5/67/EURATOM
Anwendung finden;
–
viertens ist bei einer Kumulierung der Bezüge der Richter ad
interim und des Ruhegehalts eines ehemaligen Mitglieds des
Gerichtshofs der Europäischen Union eine vergleichbare
Kappungsregelung vorgesehen.
4
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION –
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen
Union, insbesondere auf Artikel 257,
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 106a,
gestützt auf das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der
Europäischen Union, insbesondere auf ihren Artikel 62c und auf
Artikel 2 Absatz 2 ihres Anhangs I,
auf Antrag des Gerichtshofs,
nach Stellungnahme der Europäischen Kommission,
nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Es empfiehlt sich gemäß Artikel 62c Absatz 2 der Satzung
und Artikel 2 Absatz 2 ihres Anhangs I die Modalitäten der
Benennung von Richtern ad interim des Gerichts für den
öffentlichen Dienst der Europäischen Union, ihre Rechte
und Pflichten, die Bedingungen für die Ausübung ihres
Amtes und die Umstände, unter denen dieses Amt endet,
festzulegen.
5
(2)
Die Richter ad interim sollten aus einem Kreis von
Personen ausgewählt werden, die die Amtstätigkeit eines
Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst sofort
ausüben können. Dies kann durch die Benennung von
ehemaligen Mitgliedern des Gerichtshofs, des Gerichts und
des Gerichts für den öffentlichen Dienst gewährleistet
werden.
(3)
In Anbetracht der Umstände, unter denen die Richter ad
interim benannt werden sollen, muss die Regelung mit der
erforderlichen Flexibilität versehen werden. Zu diesem
Zweck sollte dem Rat die Aufgabe zukommen, eine Liste
von drei Personen zu erstellen, die als Richter ad interim
benannt werden können. Muss ein aus gesundheitlichen
Gründen verhinderter Richter vorübergehend ersetzt
werden, würde das Gericht für den öffentlichen Dienst die
Entscheidung treffen, einen Richter ad interim einzusetzen.
Zur Durchführung dieser Entscheidung würde der
Präsident des Gerichts für den öffentlichen Dienst eine der
Personen, die in der vom Rat erstellten Liste aufgeführt
sind, in das Amt berufen.
(4)
Zu regeln ist auch, wie die Richter ad interim vergütet
werden und wie sich ihre Amtstätigkeit und diese
Vergütung auf die Amtsbezüge auswirken, die sie als
ehemalige Mitglieder des Gerichtshofs der Europäischen
Union erhalten.
(5)
Schließlich sollte geregelt werden, wann das Amt der
Richter ad interim endet.
6
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
In dieser Verordnung
–
wird das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der
Europäischen Union als „Satzung“ bezeichnet;
–
bezeichnet der Ausdruck „Gericht für den öffentlichen
Dienst“ das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen
Union;
–
wird die Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/Euratom
des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge
für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für
den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler
des Gerichtshofs und für den Präsidenten, die Mitglieder und den
Kanzler des Gerichts sowie für den Präsidenten, die Mitglieder
und den Kanzler des Gerichts für den öffentlichen Dienst der
Europäischen Union 3 als „Verordnung Nr. 422/67/EWG und Nr.
5/67/EURATOM“ bezeichnet;
–
bezeichnet der Ausdruck „Präsident des Gerichts“ den
Präsidenten des Gerichts für den öffentlichen Dienst der
Europäischen Union.
3
ABl. 187 vom 8.8.1967, S. 1.
7
Artikel 2
(1)
Auf Vorschlag des Präsidenten des Gerichtshofs erstellt
der Rat der Europäischen Union, der einstimmig beschließt, eine
Liste von drei Richtern ad interim im Sinne des Artikels 62c
Absatz 2 der Satzung.
Die Richter ad interim werden aus dem Kreis der ehemaligen
Mitglieder des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgewählt,
die sich zur Verfügung des Gerichts für den öffentlichen Dienst
halten können.
Die Richter ad interim werden für die Dauer von vier Jahren
ernannt; Wiederernennung ist zulässig.
(2)
Das Gericht für den öffentlichen Dienst kann entscheiden,
einen Richter ad interim einzusetzen, wenn es feststellt, dass ein
Richter aus gesundheitlichen Gründen an der Erledigung der
Rechtssachen
Verhinderung
verhindert
mindestens
ist
oder
drei
sein
wird,
Monate
dass
dauert
diese
oder
voraussichtlich dauern wird, und es der Ansicht ist, dass dieser
Richter gleichwohl nicht voll dienstunfähig ist.
Zur Durchführung der in Unterabsatz 1 genannten Entscheidung
beruft der Präsident des Gerichts einen Richter ad interim im
Sinne von Absatz 1 Unterabsatz 1 in das Amt. Er setzt den
Präsidenten des Gerichtshofs davon in Kenntnis.
8
Greift
das
Gericht
für
den
öffentlichen
Dienst
einer
vorhersehbaren Verhinderung vor, kann der Richter ad interim
das Amt erst antreten und an der Erledigung von Rechtssachen
erst mitwirken, wenn der zu ersetzende Richter tatsächlich
verhindert ist.
(3)
Die Artikel 2 bis 6 und 18 der Satzung finden auf die
Richter ad interim Anwendung. Der Eid nach Artikel 2 der
Satzung wird beim ersten Amtsantritt geleistet.
Artikel 3
Die in das Amt berufenen Richter ad interim üben die
Richterbefugnisse
nur
im
Rahmen
der
Behandlung
der
Rechtssachen aus, deren Erledigung ihnen zugewiesen wird.
Sie stützen sich auf die Dienststellen des Gerichts für den
öffentlichen Dienst.
Artikel 4
(1)
Für jeden vom Präsidenten des Gerichts ordnungsgemäß
festgestellten Arbeitstag, an dem sie ihre Amtstätigkeit ausüben,
erhalten die Richter ad interim eine Vergütung, die einem
Dreißigstel des monatlichen Grundgehalts entspricht, das nach
Artikel 21c Absatz 2 der Verordnung Nr. 422/67/EWG und
Nr. 5/67/EURATOM den Richtern zusteht.
9
Artikel 6 [oder Artikel 6 Buchstaben a und b] der Verordnung
Nr. 422/67/EWG und Nr. 5/67/EURATOM findet Anwendung auf
Richter ad interim, die sich zur Ausübung ihrer Amtstätigkeit an
einen Ort außerhalb ihres Wohnorts begeben müssen.
(2)
in
Die Bezüge nach Absatz 1 Unterabsatz 1 werden von dem
Artikel
8
der
Nr. 5/67/EURATOM
Verordnung
Nr.
vorgesehenen
422/67/EWG
Ruhegehalt
in
und
Abzug
gebracht, soweit sie zuzüglich dieses Ruhegehalts vor Abzug der
Steuer die Beträge übersteigen, die der Richter ad interim in
Ausübung seines Amtes als Mitglied des Gerichtshofs der
Europäischen Union erhalten hat. Die Bezüge nach Absatz 1
werden auch bei der Anwendung des Artikels 7 Absatz 3 der
genannten Verordnung berücksichtigt.
Die vorübergehende Verwendung verleiht keinen Anspruch auf
Übergangsgeld und Ruhegehalt nach den Artikeln 7 und 8 der
Verordnung Nr. 422/67/EWG und Nr. 5/67/EURATOM.
Artikel
19
der
Verordnung
Nr.
422/67/EWG
und
Nr. 5/67/EURATOM findet auf die Bezüge nach Absatz 1
Unterabsatz 1 Anwendung.
Die im Statut der Beamten der Europäischen Union vorgesehene
Regelung der sozialen Sicherheit gilt nicht für die Richter ad
interim in dieser Eigenschaft. Die Ausübung des Amtes eines
Richters ad interim gilt nicht als Erwerbstätigkeit im Sinne des
Artikels 11
der
Verordnung
Nr.
422/67/EWG
und
Nr. 5/67/EURATOM.
10
(3)
Die Bezüge nach Absatz 1 Unterabsatz 1 unterliegen der
Besteuerung nach der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS)
Nr. 260/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung der
Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer
zugunsten der Europäischen Union.
Artikel 5
Das Amt eines Richters ad interim endet und sein Name wird in
der Liste nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 1 gestrichen, wenn
er stirbt oder zurücktritt oder wenn unter den Voraussetzungen
des Artikels 6 Absätze 1 und 2 der Satzung entschieden wird, ihn
seines Amtes zu entheben.
Das Amt eines Richters ad interim endet mit dem Ende der
Verhinderung des Richters, den er ersetzt. Das Gericht für den
öffentlichen Dienst kann jedoch beschließen, einen Richter ad
interim bis zum Abschluss der Rechtssachen, in denen er getagt
hat, im Amt zu belassen.
Ein Richter ad interim, dessen Name in der Liste nach Artikel 2
Absatz 1 gestrichen wird, wird nach dem dort vorgesehenen
Verfahren für die verbleibende Gültigkeitsdauer der Liste ersetzt.
Artikel 6
Diese Verordnung tritt am ersten Tag des Monats nach ihrer
Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
11
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt
unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu … am …
Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates
Der Präsident
Der Präsident
12

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