Die Adaptionsformen an einem Beispiel Die holländische
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Die Adaptionsformen an einem Beispiel Die holländische
Die Adaptionsformen an einem Beispiel Die holländische Originalausgabe von „Oleg oder die belagerte Stadt“ erschien 1966. Jaap ter Haar beschreibt in seinem Werk das Leben des 12-jährigen Oleg, der mit seiner kranken Mutter im besetzten Leningrad zu Zeiten des 2. Weltkrieges lebt und alle Facetten des Krieges erlebt. Während die Jugendliteratur in den 50er-Jahren kaum Bezug auf die NS-Zeit nimmt, erlebt sie ab den späten 60ern einen Wandel: Krieg und Zeitgeschichte werden nicht mehr von den Jugendlichen ferngehalten. Dies steigert sich bis hin zur Enttabuisierung jeglichen Themas in den 68ern und zu zahlreichen Werken auch außerhalb Deutschlands in den 70er-Jahren, in denen die NS-Thematik aus kindlicher Sicht behandelt wird (vgl. Wild 2002), wie es auch beim vorliegenden Werk vorzufinden ist. Adaption bezeichnet die Anpassung von literarischen Texten an ihre Adressaten. Gansel (2001) unterscheidet dabei sechs verschiedene Adaptionsformen. Bei der stofflichen Adaption handelt es sich um die Thematik eines Werkes, das am jugendlichen Rezipienten orientiert ist und dessen Erfahrungswelt betrifft. Hier wären u.a. Trennungsängste und Erwachsenwerden, aber auch Zivilcourage, Krieg, Hass und moralische Konflikte (vgl. Cloer 1988) zu nennen. In Bezug auf die mediale Adaption, also den Gestaltungs-prinzipien des Werkes, lassen sich die unterschiedlichen Schriftarten und das farbige Cover, welches den Protagonisten zeigt und die Identifikation erleichtert, anführen. Die formale Adaption legt Wert darauf, den „kognitiven Fähigkeiten der Leser“ (Gansel 2001) zu entsprechen. Ein auktorialer Erzähler vermittelt die Geschehnisse rund um die Haupt- und Identifikationsfigur Oleg, die sich in einer Spanne von etwa zwei Monaten ereignen. Es gibt ein paar kurze Rückblenden, Traumsequenzen und Reflexionsphasen (vgl. Cloer 1988), die aber den Haupthandlungsstrang nicht verkomplizieren, sondern hilfreich ergänzen. Die Geschichte ist dabei unterteilt in zwanzig Kapitel. Zusätzlich zur formalen Adaption wird von der sprachlich-stilistischen Adaption gesprochen. Hier weist das Buch einfache Satzkonstruktionen mit Nebensätzen, eine anschauliche und leicht zugängliche Erzählweise sowie eine Vielzahl von Dialogen auf. Perspektivenwechsel, Zeitsprünge oder Leseranreden kommen nicht vor. Analysiert man die thematische Adaption, erkennt man als „Botschaft des Textes“, dass Menschen ihre Vorurteile überdenken sollten, aber auch Kinder Verantwortung tragen und sich von vorgegeben Denkmustern lösen können. Daneben spielen die Aspekte der Freundschaft und Hilfsbereitschaft eine zentrale Rolle. Letztlich ist das Buch ein „Plädoyer für den Pazifismus“ (vgl. Cloer 1988). Der Protagonist selbst spielt in ter Haars Roman die Wertungsinstanz, nach der die axiologische Adaption fragt. Er hinterfragt die Entscheidungen anderer. Ebenso ändert sich seine Einstellung gegenüber dem Krieg während der fortschreitenden Geschichte, was in den zahlreichen Reflexionsphasen ersichtlich wird. Somit kann der Jugendliche seine Wertungen frei wiedergeben, ohne von Erwachsenen beeinflusst zu sein. Literaturverzeichnis: - Cloer, E. (Hrsg.) (1988): Das Dritte Reich im Jugendbuch. Zwanzig neue Jugendbuchanalysen. Basel: Beltz Grüne Reihe, S. 184-194 - Gansel, C. (2001): Moderne Kinder- und Jugendliteratur. Berlin: Cornelsen Scriptor, 2. Aufl., S. 1416 - ter Haar, J. (2003): Oleg oder die belagerte Stadt. München: dtv junior, 17. Aufl. - Wild, R. (Hrsg.) (2002): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. Stuttgart: J.B. Metzler, 2. Aufl., S. 334-337