Entkleidete Champions

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Entkleidete Champions
Entkleidete Champions
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
Inhalt
Impressum
Vorwort Wilhelm Stratmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Diese Publikation erscheint zur Ausstellung
„Entkleidete Champions – Zur Erotisierung der
Sportbekleidung im 20. Jahrhundert“
3. September – 5. November 2006
Zur Erotisierung der Sportbekleidung Karin Thönnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Städtisches Museum Schloss Rheydt,
Mönchengladbach
Schlossstr. 508
41238 Mönchengladbach
Telefon 0 21 66 / 9 28 90-0
Fax 0 21 66 / 9 28 90-49
Email: [email protected]
www.schlossrheydt.de
Idee: Dr. Wilhelm Stratmann, Direktor
Konzept und Ausführung: Dr. Karin Thönnissen
Koordination und Mitarbeit: Lidia Semenjuk
Ausstellungsaufbau:
Sonja Nanko (M. A.) und Hanna Rasch
sowie das Team des Museums:
Karoline Tschirner
Herbert Drengs
Herbert Fussdell
Dr. Klaus Möhlenkamp
Titelfoto: David Beckham von
www.worldcupblog.com
Layout: faberludens.de
Sportbekleidung und Alltag Sonja Nanko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Die Hüllen der Sportlichen Karin Thönnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Wie kam der Spaßfaktor in die Fitness? Lidia Semenjuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Das Schweißband – Schmuckstück der Sportler Lidia Semenjuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Die Modeschöpferin Coco Chanel Hanna Rasch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Der Monokini Lidia Semenjuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Pilates Lidia Semenjuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Vorwort
Laufbekleidung 1980, Privatfoto
Warum eine Ausstellung über die Erotisierung der Sportmode im Museum Schloss Rheydt?
Zum einen rief die in Mönchengladbach stattfindende Hockeyweltmeisterschaft geradezu
nach einem sportlichen Thema, zum anderen
wollte das Museum aber auch keine einfache
Modenschau präsentieren. Das können andere weitaus besser. Aufgabe eines Museums
ist es dagegen, gesellschaftliche Prozesse,
und ein solcher ist auch die Entwicklung des
Sports und seine immer weiter um sich greifende Kommerzialisierung, zu zeigen und kritisch zu würdigen. Am eigenen Leibe habe
ich diese Entwicklung in den letzten 40 Jahren „hautnah“ verfolgt. So lange betreibe ich
intensiv Sport, davon bestimmt 20 Jahre im
Leis­tungsbereich. Zumindest was die Läuferszene angeht, der in Deutschland bestimmt
die meisten aktiven Sportler angehören, habe
ich die Entwicklung während dieser Zeit sehr
genau beobachten können. Doch begonnen
hat bei mir das Interesse an Sportbekleidung,
wie wohl bei den meisten kleinen Jungs, im
Bereich des Fußballs.
Das erste große Sportereignis, an das ich mich
bewusst zu erinnern vermag, war die Fußballweltmeisterschaft 1966. Ich war damals Torwart in meiner Grundschulmannschaft. Daher
weckte der engliche Torhüter Gordon Banks,
der anders als seine Kollegen in einem hellen
Sweater spielte – die genaue Farbe habe ich
leider wegen der schwarz-weiß Übertragung
nicht herausfinden können – mein besonderes Interesse. Irgendwie gelang es mir, ein
ähnliches Trikot zum Geburtstag geschenkt
zu bekommen. Dies war meine erste Begegnung mit Sportmode. Ich lernte: Auffälliges
Outfit macht interessant und hebt einen von
den anderen ab! Was danach kam, sorgte daher nicht gerade für Begeisterung. Rote Hose,
schwarzes Hemd, die Schuluniform für den
Sportunterricht, dazu noch schlecht geschnitten und von minderer Qualität.
Alles änderte sich, als ich 1976 mit dem Laufen im Eisenbahner-Sportverein Münster begann. Mein erstes Vereinstrikot in den Farben
Grün und Orange, eine Kombination, die vor
drei Jahren von Werder Bremen wiederentdeckt wurde, trug ich mit großem Stolz. Es
war noch aus reiner Baumwolle, doch glücklicherweise liefen wir damals auch nicht mehr
als 10 Kilometer, so dass sich die Belästigung durch den in den Stoff aufgesaugten
Schweiß in Grenzen hielt. In den nächsten
Jahren wurden die Trikots knapper und greller,
Netzhemden kamen in der Laufszene stark in
Mode. Meine noch heute gültige 5000-m-Bestzeit lief ich ganz in Orange und in meinem
ersten Kunstfaseroutfit im Juni 1977. Dann
kam die Bundeswehr und der Rückschritt zum
baumwollenen Trikot mit dem Adler.
Der nächste Fortschritt für uns Läufer war die
Kunstfaserleggings, die durch ihren schweißabweisenden Stoff die langen Läufe im Winter
wesentlich erträglicher machte. Sie löste die
alte baumwollene Trainingshose mit den drei
Streifen ab, die sich langsam zur Prolo­uniform
entwicklete. Auch die Oberteile waren aus
neuartigen Stoffen. Meine Vereinstrikots in
Wilhelm Stratmann
Wettkampf 1977, Gelsenkirchen, Parkstadion
Privatfoto
Regensburg, wohin ich studienbedingt 1980
gezogen war, waren farblich wieder zurückhaltend. In Bayern mag man es wohl doch
lieber konservativ. Da war mein knallrotes
Kempener Trikot aus dem Jahre 1989 schon
wieder auffälliger. Meinen letzten Marathon
habe ich dann 2005 im zitronengelben Shirt
des Mönchengladbacher Marathonteams der
Rheinischen Post absolviert.
Bei uns Männern änderte sich, was das Design angeht, seit den frühen 90er Jahren
nicht mehr so viel. Interessanter waren da
schon die Frauenoutfits. Hier lösten die amerikanischen Laufdiven um die Sprinterinnen
Florence Griffith-Joyner und Marlene Ottey in
den 80er Jahren eine wahre Modewelle aus.
Hatten zuvor muskelgestählte Damen aus
dem Ostblock die Szene beherrscht, betraten
nunmehr sehr weibliche, extrem modebewusst auftretende Frauen die Szene, genau
so schnell oder noch viel schneller, aber für
uns Männer eben viel schöner anzusehen.
Vorwort
Leider stellte sich im Nachhinein heraus, dass
die meisten von ihnen genauso gedopt waren wie die Muskelpakete aus dem Osten. Die
Bekleidung zeichnete sich vor allem dadurch
aus, dass der Bauch ähnlich wie beim Bikini
frei wurde. Auch mit schrillen Accessoires wie
künstlichen Fingernägeln in den Nationalfarben
geizten diese Frauen nicht, auch bei den Männern gab es ähnliche Tendenzen, die sich aber
in der Szene nicht durchsetzten konnten.
Mit dieser Erotisierung der Sportbekleidung
ließen sich die Stars der Szene natürlich viel
besser vermarkten. Der Profi in der Leichtathletik wurde durch diese Entwicklung erst
ermöglicht. Model schlägt Sportsoldatin!
Allerdings fragen sich heute immer mehr
Hobbysportler, ob das noch ihre Welt ist.
Zu einem Bruch kam es in der deutschen
Laufszene durch die Dopingverdächtigungen
um den deutschen Laufstar Dieter Baumann
oder zuletzt mit dem Skandal um Jan Ulrich.
Seitdem läuft man wieder mehr für sich, das
Äußere wird unwichtiger, nur das Ankommen
zählt noch, der Sieg über den eigenen inneren
Schweinehund. Und der lässt sich in einem
sexy Outfit bestimmt nicht überwinden.
Ich danke Frau Dr. Karin Thönnissen, der Kuratorin unserer Ausstellung ganz besonders
für ihren nimmermüden Einsatz bei der Zusammenstellung der Schau. Mit größtem Eifer
hat sie Objekte aus ganz Deutschland zusammengetragen. Tatkräftig unterstützt wurde sie
von unserer Praktikantin Lidia Semenjuk, die
die Arbeit hier im Hause koordinierte. Sehr
hilfreich waren uns auch zwei Museen, die ich
hier ausdrücklich erwähnen möchte. Das Deutsche Sportmuseum in Köln und das Theo­dorZink-Museum in Kaiserslautern. Ohne deren
Bereitschaft, uns großzügig viele Leihgaben
zu vermitteln und zur Verfügung zu stellen,
hätte diese Ausstellung nicht stattfinden
können. Weiterhin bedanke ich mich bei den
zahlreichen Privatsammlern, die ihre Schätze
zur Verfügung gestellt haben und, last but
not least, bei unserer heimischen Borussia,
die durch ihre Leihgaben beweist, dass auch
Fußball durchaus sexy sein kann und Günter
Netzer in seinen 1970er Hot Pants mit dem
nackten David Beckham auf der Einladungskarte in Punkto Attraktivität durchaus mithalten kann.
Wilhelm Stratmann
Männer im Städtischen Schwimmbad, Mönchengladbach, 1910, Postkarte, Stadtarchiv
Mönchengladbach
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
Sportkleidung ist ein relativ junger Bereich
in der Mode. Zwar existieren seit dem 18.
Jahrhundert Vorschläge und Empfehlungen
für eine sportgerechte Kleidung, bei denen
es um Zweckmäßigkeit ging und trotzdem in
der Umsetzung schwierig war. Einerseits verhinderten Moral und Sitte die Umsetzung, andererseits spielten die Kosten für eine zusätzliche Bekleidung bei den meisten Menschen
eine Rolle. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts
kommen indes viele verschiedene Faktoren
zusammen, die neue Grundlagen im Bereich
des Sportes schaffen, für seine Verbreitung
und für seine Vermarktung sorgen, damit
eine Entwicklung anstoßen/forcieren, die in
einem eigenen, inzwischen globalen Wirtschaftszweig mündet.
Durch die zunehmende Industrialisierung
wurden bereits ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mehr Waren hergestellt, so dass
die Preise sanken, dazu blieb großen Teilen
der Bevölkerung nach der Deckung der Lebenshaltungskosten noch Geld für sogenannten „Luxus“ übrig. Auch die Maschinen erleichterten die harte körperliche Arbeit, feste
Arbeitszeiten wurden eingeführt, so blieb den
Arbeitern und Angestellten freie Zeit und man
entdeckte neben der körperlichen Ertüchtigung auch die gesellige Komponente des
Sports im Verein.
Als sinnvollen Zeitvertreib hatte die wohlhabende Klasse die sportliche Betätigung bereits schon früher entdeckt. Für das Skifahren
begab man sich in die Berge, Badeurlaub verbrachte man an südlichen Stränden und die
Freizeit zu Hause vor allem mit Tennisspielen.
In diesen Kreisen wurde auch zum ersten Mal
die Forderung nach adäquater Kleidung laut
– der Turnanzug, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts übliche Bekleidung in Form eines
leichten Straßenanzuges aus Leinen, war
praktisch, aber nicht schön und überhaupt
nicht elegant. Auch der folgenden Weiterentwicklung aus Flanell- oder Trikotstoffen1
fehlte das modische Flair. In Deutschland
legte man wenig Wert darauf, man wollte in
den Turnvereinen einer unter vielen sein, und
blieb bei dem Turnanzug treu. Anders in Ame[1] Trikot – Jersey, maschinengestrickt und
ursprünglich für Fischerkleidung und Unterwäsche
benutzt.
rika und England, hier war Sport Zerstreuung
und Vergnügen, dazu Freizeitgestaltung und
dazu fehlte bislang die passende Kleidung.
Begeistert griffen die Modeschöpfer dieses
Thema auf und zeigten in ihren Kollektionen
neben der festlichen und Alltagsmode auch
sportliche Kleidung. Unterstützt wurden sie
dabei durch die Illustrierten und Frauenzeitungen, die saisongemäß die jeweils aktuelle
sportliche Kleidung vorstellen.
Zunächst folgte die Sportmode, früh in Amerika schon sportswear genannt, den Vorgaben
der Alltagsmode in der Form (oft inklusive
Unterwäsche) und berücksichtigte auch die
entsprechenden Bekleidungsregeln der Sportarten. Natürlich nicht immer, wie das Beispiel
des französischen Modeschöpfers Jean Patou
zeigt, der 1926 für den damaligen Tennisstar
Suzanne Lenglen kniekurze seidene Plisseeröcke, ärmellose Oberteile und Stirnbänder
entwarf. Vorgeschrieben war lang: für Rock
und Ärmel, und auf Kopf hatte frau einen Hut
zu tragen (siehe Artikel Schweißband).
Auch Männer widersetzten sich den Regeln,
denn René Lacoste spielte bereits 1925 in
einem kurzärmeligen Hemd, das er später mit
Karin Thönnissen
Badevergnügen um 1910,
Städt. Museum Schloss Rheydt
seinem verbildlichten Spitznamen als Logo
– man nannte ihn Krokodil wegen seines
Kampfgeistes – in Massenproduktion herstellen ließ.
Durch ihren bequemen Schnitt und oft auch
durch die pflegeleichten Materialien, aus denen sie hergestellt wurde, wurde aus Sportmode langsam Freizeitmode, am deutlichsten
ablesbar am Trainingsanzug und an den
Turnschuhen. Beides sah man bis zu den
70er selten auf der Straße, wohl auf Trimmdich Pfaden und in den ersten Sportstudios.
Sportprofis und so mancher Amateur trug
den Trainingsanzug selbstverständlich nach
dem Training und auch schon mal zu Hause als lässige Freizeitkleidung, es war aber
ver­pönt, sich damit in der Öffentlichkeit zu
zeigen, ebenso in Turnschuhen. Bis Joschka
Fischer in ihnen 1985 als hessischer Umweltminister vereidigt wurde.
Sich in Turnschuhen zu zeigen, gilt als lässig;
ein Stirnband zu tragen kennzeichnet den
Yuppie und Sport treiben wird volkstümlich,
manche nennen ihn auch die neue Religion.
Was hart erarbeitet wird, der wohlgeformte,
muskulöse Körper, wird auch gezeigt: die
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
Beinausschnitte der kurzen Hosen werden höher, die Schulterträger schmaler, Ausschnitte
tiefer, Kleidung enger und die Taille wird bloßgelegt. Körperzonen, die die Alltags- und Festmode im Laufe von Jahrhunderten immer wieder vernachlässigt oder betont hat, bis heute.
Geformt durch Schnürung – die Taille
Frauen
und
Mädchen
kämpften seit der Mitte
des 19. Jahrhunderts mit
dem modischen Diktat des
Korsetttragens – nicht nur
beim Turnen. Zwar warnten
Ärzte schon lange vor den
Gefahren der fischbeinernen
Marterinstrumente: Rippenund Leberdurchbohrungen,
Verkrümmungen und Haltlosigkeit des Rückgrats bis
hin zu Fehlgeburten, dennoch schrieb die Mode die
Wespentaille vor und die
musste frau sich erschnüren. Bereits die Mädchen ab
elf, manchmal sogar schon
früher, wurden geschnürt,
damit sich der kindliche Körper schon früh an „Zucht und
Ordnung“ gewöhnte. Bei jeder Bewegung bohrten sich
die Fischbeinstäbchen nachdrücklich in den Körper, und
jegliche sportliche Betätigung
wurde zur Qual. Noch in den
20er Jahren trugen die meisten Frauen unter ihrem Tennisdress ein solches Korsett
und in jeder Tennisgeschichte werden die blutbefleckten
Kleidungsstücke in den weiblichen Umkleideräumen erwähnt. Obwohl die Reformbewegung, einsetzend am
Karin Thönnissen
Gladbacher Velociped-Club, 1910
Stadtarchiv Mönchengladbach
Ende des 19. Jahrhunderts, den Wegfall des
Korsetts auf ihre Fahnen geschrieben hatte, dauerte dies doch noch bis zu den 20er
Jahren des 20. Jahrhunderts. Erst als die Modeschöpfer Kleider entwarfen – führend in
dieser Zeit waren Paul Poiret und Coco Chanel –, die die Taille nicht mehr betont herausstellten, verlor das Korsett endlich an Bedeutung und war fast dreißig Jahre nicht mehr
modisch. Mit dem „New Look“, von Christian
Dior 1947 vorgestellt, trug Frau es wieder,
die neue Linie verlangte nach einer deutlich akzentuierten Taille. In den 60er Jahren
wurde es dann zusammen mit anderer „formender“ Unterwäsche sogar verbrannt, die
Frauen befreiten sich von alten Vorschriften
und Zwängen.
Seit einigen Jahren steht die Taille wieder
im Focus der weiblichen Mode, nun wird sogar ein breiter Streifen nackter Haut gezeigt
– nicht immer zum optischen Genuss des Zuschauers, der sich (relativ) oft wünscht, dass
der Bauchnabel wieder in die Anonymität
zurückkehrt, in der er Jahrhunderte lang verbrachte. Beim Sport wird er in den letzten
Jahren auch gerne gezeigt – von Frauen, die
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
Beach-Volley Ball spielen oder
Leichtathletik betreiben. Ihre Taillen sind wohlgeformt und gelten
als erreichenswertes Ziel – ähnlich wie die gut (durch viel Sport)
geformten Männerkörper.
„Die Verpackung des männlichen Geschlechts“ oder
„Hosen – weiblich“.2
Vor allem im Frauensport ging es
im Kampf um die Hose, dieses „vernünftige“
Kleidungsstück hatte bereits Amelia Bloomer
Mitte des 19. Jahrhunderts für das Radfahren vorgeschlagen. Als unmoralisch wurden
die Bloomers, wie sie prompt hießen, von
der Männerwelt abgelehnt, von den Radfahrerinnen dennoch getragen. Auch in anderen
Sportarten, von Frauen ausgeübt, gewann die
Hose um die Jahrhundertwende an Boden; die
erotisierende Wirkung, die angeblich ein Po,
straff umhüllt vom Stoff, auf die Männerwelt
ausübte, verblasste vor der Leichtigkeit, mit
[2] Titel zweier Publikationen von Gundula Wolters
zum Thema Hose.
der sich nun Radfahren ließ. Auch die weiblichen Waden, die diese Hose frei ließ – bei
den Männern übrigens ohne großes Aufsehen, erregte die Männerwelt.
Kein Wunder, denn der Rocksaum der aktuellen Mode um 1910 war weiterhin bodenlang. So verwundert nicht, dass ein kleiner
Junge noch Anfang des 20. Jahrhunderts erstaunt feststellt, dass, als seine Mutter ohnmächtig zu Boden sinkt, die Mutter ja Füße
hat.
Füße, die die Radfahrerinnen schon längst
zeigen, als sie 1897 in London zum ersten
Sechstagerennen für Damen antraten und
im gleichen Jahr an den DamenweltmeisterKarin Thönnissen
Tenniskleider, 70er Jahre
Deutsches Sportmuseum Köln
schaften in Ostende teilnahmen, in Hosen,
obwohl diese Frage ebenfalls 1897 auf einem
Hosenkongress diskutiert wurde. Mit dem
französischen Modeschöpfer Paul Poiret kam
die Hose in Mode, er stellte 1911 Hosenröcke und -anzüge vor. Spätestens ab da war
dieses praktische Kleidungsstück nicht mehr
exklusiv den Männern vorbehalten und fand
zunächst Eingang in andere Sportarten, wie
u. a. Rudern, Fechten und Ski fahren, die von
den Frauen im Verlauf des 20. Jahrhunderts
erobert wurden.
Mit der Hose fällt eine wichtige Bastion in
der männlichen Mode, jahrhundertelang war
sie in unserem Kulturkreis, ein ausschließlich
dem Mann vorbehaltenes Kleidungsstück gewesen. Mit der Hose rückt der weibliche Unterkörper wieder stärker und auf eine neue
andere Art in den Focus der Mode. Nahezu
negiert wurde er durch den Reifrock, dann
wieder rückseitig extrem betont durch den
„Cul de paris“, ein mehrfach im Verlauf von
Jahrhunderten in der Mode auftauchendes
dickes Polster bzw. ein kleines Gestell auf der
Rückseite des weiblichen Körpers. Noch zwischen 1882 und 1888 trugen die Damen das
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
Polster in sehr voluminöser Ausführung und
erhielten dadurch eine Silhouette, wie sie fast
100 Jahre später Grace Jones auf den Fotos
von Jean-Paul Goude zeigt.
Da die sportlichen Frauen – vor allem die
Radfahrerinnen – es ablehnten, weite Hosen
zu tragen, gerieten auch die Beine ins Blickfeld; sie waren ebenfalls jahrhundertelang
unter weiten und langen Röcken verborgen
gewesen. Nun zeigte frau Bein, beim Radfahren immerhin mit schwarzen Strümpfen bedeckt – wie übrigens auch noch lange Zeit
beim Baden und beim Tennis.
Lange verdeckt – das Bein.
Auch beim Tennis zeigte frau Bein, entsprechend der Empfehlung des Freiherrn Robert
von Ficard zur Tenniskleidung: „Sie sei einfach und leicht, nicht zu eng und nicht zu
lang“.3 So knapp die Vorgaben bei der weiblichen Kleidung waren, so umfangreich und
[3] Heiner Gillmeister, Tennis kam schon früh in
Mode – Zur Geschichte der Tenniskleidung, in:
Sportswear, Ausstellungskatalog Deutsches Textilmuseum Krefeld, 1992, S. 75.
detailliert fielen sie für die Männer aus, für
Freizeitspieler reichte durchaus ein Alltagsanzug, für den sportlichen Wettkämpfer jedoch
sollte es die Flanellhose und das Flanellhemd
sein. Lange diskutierte er auch die Vorzüge
der neuartigen Trikotkleidung und empfahl
eine Reihe von Accessoires wie Tennisgürtel,
spezielle Kopfbedeckungen und der industriell hergestellte Schuh – und auf eines sei unbedingt zu verzichten – auf die Hosenträger.
Natürlich gab es nationale Unterschiede, in
England hielten sich wohl Männer und Frauen
Karin Thönnissen
oben: Badevergnügen auf Juist, 1907
Städt. Museum Schloss Rheydt
unten: Herrenbadehemd, spätes 19. Jahrhundert,
Replik, Museum der Badekultur Zülpich
an diese Vorgabe, die Französinnen dagegen
waren stets à la mode und Amerika brach alle
Regeln, als 1905 eine Amerikanerin in einem
deutlich kürzeren Rock und mit hochgerollten
Ärmeln einen englischen Court betrat.
Bis heute tragen die Tennisspielerinnen einen
Rock, wenn auch inzwischen extrem kurz. Offensichtlich werden hier immer noch die alten
Vorschriften befolgt, wonach gilt, Rock für die
Frau, Hose für den Mann und selbst die phantasievollen Outfits einer Serena Williams sind
eine Ausnahme geblieben.
Nochmals Bein.
Bis 1830 badeten die Pariser in der Seine
nackt, dann wurde dieses verboten. Nun trugen die Frauen über ihrem corset de bain,
Pluderhosen und eine Art knielange Tunika,
dazu lange schwarze Strümpfe und eine Badehaube. Keuschheit triumphierte hier über
Schönheit und in satirischen Bulletins hieß
es sogleich: „Ja, es ist das größte Opfer,
das eine Frau überhaupt irgendeiner Tugend
bringen kann – es ist das Opfer der Schönheit. Sieht man sie in ihren Badeanzügen,
so möchte man an eine Herde schäbiger
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
schwarzer Affen denken, die am Strande herumspringen. Da sie nun einmal gezwungen
sind, inmitten der Männer zu baden, haben
sie den genialen Schachzug erdacht, sich mit
einer Schutzwolke der Hässlichkeit zu umgeben“.4 Diese Mode hielt jedoch nicht lange
an, schon wurden die Röcke kürzer, die Hosen enger bis sie ganz wegfielen oder mit
der Tunika zu einem Einteiler verschmolzen.
Eine ähnliche Verwandlung machte auch die
Herrenbadekleidung mit, vom leichten Sommeranzug Ende des 19. Jahrhunderts bis hin
zum Einteiler zu Beginn des 20. Jahrhunderts,
den Mutige in Rot-weiß trugen, während die
älteren einen dunklen Uniton bevorzugten.
Allmählich kam auch mehr Schwung ins Baden, man ging nicht mehr ausschließlich der
Gesundheit wegen ins Wasser, sondern auch
um sich sportlich zu messen. Bereits 1926
schwamm Gertrude Ederle als erste Frau
durch den Kanal, in einem Einteiler, durchaus
ähnlich dem Männerbadeanzug.
[4] Zitiert nach Hermann Schreiber, Sittengeschichte der Badewanne, München 1968, S.74.
10
Dr. Karin Thönnissen
Badevergnügen um 1930, Privatsammlung
In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts regte
sich niemand mehr auf, wenn die Damen zusammen mit den Männern badeten, der weiter oben bereits erwähnte Einteiler hatte sich
durchgesetzt und zeigte erste modische Varianten. Die Frauen trugen ihn gern mit angeschnittenem Bein und einem kleinen Taillenbetonen Gürtel, bei den Männern dominierten
große, tiefe Ausschnitte am Hals, Rücken und
an den Armen und manch mutiger Mann trug
längst eine kurze Hose. Wasser machte den
Stoffen noch viel aus und ließ sie durchsichtig
werden; dazu hing die Badekleidung schwer
wie ein Sack am Körper – bei Männern wie bei
Frauen. Und mancher Mann verließ das Wasser ohne Hose. In Atlanta waren in den 30er
Jahren Badehosen für Männer verboten, man
wollte den Frauen den Blick auf eine dicht behaarte Gorillabrust ersparen.
Die Haut
Mittlerweile galt gebräunte Haut als schön
und löste damit das Schönheitsideal „Blasse Haut“ ab. Diese war jahrhundertelang ein
Kennzeichen der herrschenden Klasse. Blass
sein bedeutete, dass man nicht körperlich
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
und vor allem nicht im Freien arbeiten musste. Nun charakterisierte blasse Haut die Büromaus und den Angestellten, der seine Tage
im Büro verbrachte und das so lange, dass
keine Zeit für Freizeit und Sonnenbad blieb.
Auch die Reformbewegung um die Jahrhundertwende hatte das ihre zur gesunden Bräune beigetragen – die Reformer empfahlen das
„Lichtbad“. Wind und Sonne sollten therapeutisch auf den Körper wirken. Dazu trug
11
man aber höchstens einen Schurz – besser
war allerdings schurzlos.
Bräune erwarb man sich auch auf Reisen,
durch ausgedehnte Aufenthalte am Meer
oder im Gebirge. Da die meisten Menschen
für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten,
blieb dies ein Luxus für die Reichen – und die
Bräune des 20. Jahrhunderts ein sichtbares
Zeichen der Oberschicht oder des „Gesundheitsapostels“. Erst durch die Sonnenstudios
Karin Thönnissen
Kolorierte Daguerrotypie von 1860
ist eine Demokratie eingetreten – scheinbar,
denn ein Kenner kann zwischen künstlicher
und natürlicher Bräune unterscheiden. Nicht
umsonst werden die Sonnenbänke auch
„Assi-Toaster“ genannt. Die heutige Diskussion über Umweltveränderung und Klimaerwärmung lässt inzwischen die natürliche Bräune
fraglich werden, die Tendenz geht wieder hin
zum blassen Teint. Und dann signalisiert sein
Träger, dass er verantwortungsvoll mit seinem Gesicht umgeht, beim Körper ist dieses
neue Bewusstsein aber noch nicht angekommen.
Die Haut zu Markte tragen oder
Der nackte Mann
Spätestens seit der Coca-Cola-Werbung weiß
man nun, dass auch die glatte Männerbrust
sexy wirkt. Aber schon Jahrhunderte vorher
wurde der nackte Männerkörper in der Kunst
thematisiert. Die Standbilder der Götter und
Heroen der Griechen zeigen immer den unbekleideten männlichen Körper. Nacktheit
war das Attribut der Götter – für die männlichen wie auch die weiblichen. Die Kirche
verdammte die Nackheit als heidnisch und
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
in der päpstlichen Kunstsammlungen wurden
die Marmorstandbilder mit Schleiern oder
Feigenblättern versehen, genauso wie die
Figuren des gerade fertiggestellten Deckenfreskos der Sixtinischen Kapelle (1508-1512)
wieder „angezogen“ wurden. Besonders das
19. Jahrhundert, auch das „Viktorianische“
nach der englischen Königin Viktoria genannt,
war ein sehr körperfeindliches. Die Kleidung
hüllte und engte alle von Kopf bis Fuß ein.
Nackte Haut gab es nur in der Kunst und die
war oft nicht für jedermann zugänglich und
nicht jeder konnte sie sich leisten. Leisten
konnte man sich dann eher Fotografien und
die eindeutig erotischen wurden als Kunst
deklariert.5 Eine ganze Reihe von männlichen
und weiblichen Fotografen setzte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts künstlerisch mit der
Nacktheit auseinander, die Fotografien wurden nicht nur in Zeitschriften gedruckt sondern auch in Ausstellungen gezeigt.6
In der Werbung hatte der sparsam bekleidete
oder auch ganz nackte weibliche Körper lange eine Rolle gespielt, erst in den 70er Jahren
des 20. Jahrhunderts ließen nun auch Männer die letzten Hüllen fallen. Der französische
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Modeschöpfer Yves Saint Laurent warb als erster im Adamskostüm für sein neues Parfum.
Ein Jahr später folgte ihm Burt Reynolds mit
Eigenwerbung, er ließ sich für die Zeitschrift
„Cosmopolitan“ abbilden, die das Foto in
[5] Wilhelm von Gloeden (1856-1931) fotografierte
auf Sizilien Jugendliche vor antiken Ruinen und
romantischen Landschaftsprospekten. Er veröffentlichte1893 seineAufnahmen in der englischen
Kunstzeitschrift „The Studio“ und beteiligte sich ab
1905 mit großem Erfolg am Postkartengeschäft.
[6] Das Aktfoto – Ansichten vom Körper im foto­
grafischen Zeitalter, Münchener Stadtmuseum 1985.
Karin Thönnissen
oben: Yves Saint Laurent in seiner Parfum­
werbung 1971
unten: Cool Water, Parfumwerbung der Firma
Davidoff, um 1980
einem herausklappbaren Poster erscheinen
ließ.
Nun entdeckte auch die kommerzielle Werbung den männlichen Körper als Werbemittel,
vor allem bei Parfüm und Getränken wurde
und wird er eingesetzt. Man erinnere sich an
die Coca-Cola-Werbung, die einen arbeitenden Mann bei der Arbeit und bei seiner Pause
zeigt. Der arbeitende Mann, ein Fensterputzer, trägt lediglich Jeans und bei seinem Anblick gerät die weibliche Bürobesatzung aus
dem Häuschen und die anwesenden Männer
ins Grübeln.
Der Mann wird hier, wie auch bei den anderen
Werbekampagnen als erotisches Wesen dargestellt, er wirbt mit seinem Aussehen und
mit seinem gutgeformten Körper im übertragenen Sinne auch für sich. Diesen wohlgeformten muskulösen Körper erhält er natürlich
nur durch sportliche Aktivität, und gleichzeitig verbindet sich damit eine Reihe von positiven Eigenschaften, wie zuverlässig, energiegeladen, leistungsbereit und disziplinert.
„Der Körper, und zwar der durchtrainierte,
muskulöse und ästhetische Körper ist so zu
einem Wert, zu einem Status geworden.“7
Zur Erotisierung der Sportbekleidung im 20. Jahrhundert
13
Galt der muskulöse Körper noch Anfang des
20. Jahrhunderts als Zeichen für harte körperliche Arbeit und als Arbeitswerkzeug, so ist
er heute ein Beleg für strukturierte sportliche
Freizeitkultur. Er bedeutet Kraft, Gesundheit
und ist attraktiv; so setzt der Mann des 21.
Jahrhunderts ihn bei seiner Werbung um die
Frau ein. Es zählt nicht mehr allein: „mein
Haus, mein Auto, mein Boot“, sondern auch
das Aussehen. Dafür wird eine Menge Zeit investiert oder wie es eine Lifestyle-Zeitschrift
von heute formuliert, man setzt eben Prioritäten. Schießlich schläft die Konkurrenz nicht
und nicht jede/r kann sich einen Personal
Trainer leisten, der sagt: „gib mir einen Körper für zehn Tage, Tag und Nacht, ich forme
dir eine Elfe oder einen Adonis“.8
[7] Bernd Wedemeyer, Körperkult als Lebenskonzept – Bodybuilding und Fitneßboom, in: Höher,
Weiter, Schneller ... Eine Geschichte des Sports,
hrsg. Von Hans Sarkowicz, suhrkamp taschenbuch
2937,1999, S. 411.
[8] Zeitschrift „Fit for fun“, Juli 2006, S. 10.
Karin Thönnissen
Turnverein Eintracht beim Treffen 1869 in Aachen, links Abbildung von Friedrich Ludwig „Turnvater“ Jahn mit dem Motto: „frisch-fromm-fröhlich-frei“.
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Stadtarchiv Mönchengladbach
Sportbekleidung und Alltag
Das Tragen von Kleidung ist ein grundlegender
Bestandteil unseres Lebens. Kleidungsstücke
umgeben uns täglich, sie beanspruchen einen
Teil unserer Zeit und Aufmerksamkeit durch
Kauf oder Pflege. Die Kleiderwahl sagt viel
darüber aus, wie wir uns selbst definieren
und welche Wirkung wir nach außen tragen
möchten.
Kleidung ist also ein grundlegendes Merkmal
für unseren Alltag und kann somit auch als
ein Zeichen für tiefgreifende Veränderungen
gelesen werden. Beispielsweise zeigen sich
gesamtgesellschaftliche Umbrüche innerhalb
der Bekleidung. Als im Zuge der Industrialisierung neben der Arbeitswelt auch eine Sphäre
der Freizeit entstand, beeinflusste dies Mode
und Kleidung nachhaltig. Für die Freizeit entstanden neue Kleidungsstücke oder bekannte
Kleidung erfuhr einen Funktionswandel, wie
beispielsweise die Jeans. (Sie entwickelte sich
von der Arbeiterhose zur Hose für den alltäglichen Bedarf über alle Altersgrenzen hinweg.)
Neue freizeitliche Aktivitäten zogen die Entwicklung neuer Kleidungsstücke nach sich.
Beispielhaft lässt sich dies anhand des Sports
nachvollziehen.
Sonja Nanko
Die Funktion aller Kleidungsstücke war bis
vor einigen Jahrzehnten noch klar definiert.
Je nach gesellschaftlicher Position und Tageszeit wurden die Kleider gewechselt: die
Bekleidung für den Alltag unterschied sich
von der Garderobe für offizielle Anlässe. Diese strikte Trennung von Arbeits-, Alltags- und
Repräsentationskleidung korrespondierte mit
der festen Einteilung des Tages.
Auch die gesellschaftlichen Schranken
spielten bei der Bekleidung eine Rolle. In
Bezug auf den Sport bedeutete dies lange, dass die Schicklichkeit gewahrt werden
musste. Es herrschte ein Dresscode, der sich
im Verlauf der Entwicklungen im Sportbereich
änderte. Diesen Wandel zeigt besonders die
weibliche Sportkleidung auf. Kurze beinfreie
Kleidungsstücke für Frauen riefen um die
Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert noch
Entrüstungsstürme hervor. Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte setzten sich kurze Hosen
oder Röcke durch: immer weniger Stoff bedeckte den sportiven Körper.
Die Sportbekleidung entwickelte sich auch
in dem Maße, wie sich die Sportarten ausdifferenzierten. Neue Stoffe brachten Innova15
Foto: adidas / Stella McCartney
Links: Fußballtrikots mit Werbung, um 2000
(Repliken von David Beckham Shirts, Nr. 9 und
23), Fan-Projekt Mönchengladbach
Rechts: Herrenbadeshorts für Sommer 2007
Firma HOM
tionen bei der Sportbekleidung hervor, die
vor allem Verbesserung der Funktionalität
anstrebten. Im Vordergrund standen dabei
mehr Bewegungsfreiheit durch neue Schnitte
und neue Stoffe.
In den letzten Jahrzehnten löst sich die Sportmode zunehmend aus ihrer ursprünglichen
Funktion und geht in den täglichen Gebrauch
über. Längst nutzt man beispielsweise Jacken
aus dem Outdoorbereich oder Turnschuhe
nicht mehr nur zum Sport. Zunehmend verschieben sich die Grenzen zwischen Freizeitund Arbeitsbereich und den dazugehörigen
Dresscodes; die Sportmode erobert weite
Bereiche des Alltags. Das Tragen von SportSportbekleidung und Alltag
bekleidung allein sagt nichts mehr über die
tatsächliche sportliche Betätigung aus, sondern verweist auf die „Sportlichkeit“ des Trägers. Dieses zeigt auch auf einen erhöhten
Prestigewert von Sportbekleidung und den
zugehörigen Accessoires, die die Träger mit
entsprechenden Attributen wie eben Sportlichkeit und Jugendlichkeit ausstatten.
Gleichzeitig erfährt die Sportbekleidung eine
Ästhetisierung. Das Design wird körperbetonter und die Farben folgen aktuellen Modetrends. Somit tritt die Sportmode in Konkurrenz zur Konfektionskleidung. Mit dieser
Entwicklung tritt das Design mindestens
gleichberechtigt neben die Funktionalität der
Kleider.
Anhand der Sportbekleidung lassen sich
auch andere Prozesse aufzeigen, welche anhand der Schlagworte „Schönheitsideal“und
„Körperlichkeit“ nachzuvollziehen sind. In der
sportiven Kleidung schlägt sich zum Beispiel
der Wandel des Schönheitsideals in den letzten Jahrzehnten nieder.
In den 1950er Jahren dominierte die sinnliche
Weiblichkeit, die mit entsprechenden Formen vor allem von Marilyn Monroe oder Gina
16
Lollobrigida verkörpert wurde. Ein Jahrzehnt
später stellte Twiggy den völlig konträren
neuen Frauentypus dar: jugendlich und „spindeldürr“. Twiggy löste einen wahren Schlankheitskult aus, der sich bis in die heutige Zeit
abzeichnet. Allerdings wurde dieser in den
1980er Jahren durch neue Sportarten wie
Fitness, Aerobic und Bodybuilding in andere
Bahnen gelenkt. Der muskulös durchtrainierte
Sonja Nanko
Auf der Suche nach der Traumfigur
Ingram Photo
Körper war nun die Grundvoraussetzung, um
dem Schönheitsideal zu entsprechen. In der
Gegenwart haben wir uns von den Schönheitsidealen der letzten Jahrzehnte nicht weit
entfernt. Die Begriffe „schlank“ und „muskulös“ beschreiben noch immer das aktuelle
Ideal. Unterschiede zeigen allerdings die Bilder von Frauen und Männern auf.
Das Schönheitsideal für Männer bleibt relativ
stabil. Der ausgeformte Körper verschärft sich
allerdings hin zum so genannten „Waschbrettbauch“; die klar definierte Bauchmuskulatur und ein komplett trainierter Körper bestimmen das Männerbild. Das weibliche Ideal
vereint zwei Tendenzen in sich. Die trainierte
und definierte Form des Männer zeigt sich
auch bei den Frauen. Gleichzeitig sollen sie
jedoch auch über „weibliche Formen“ verfügen. Verfolgt man die öffentliche und besonders die mediale Diskussion um Schönheit
und Lifestyle, zeigt sich eine Steigerung der
Situation. Zur Erreichung des Ideals werden
vermehrt die Möglichkeiten der ästhetischplastischen Chirurgie von Frauen und auch
von Männern in Anspruch genommen.
Allen Wunschvorstellungen von Körper und
Sportbekleidung und Alltag
Aussehen ist die Jugendlichkeit als Grund­vo­r­­­aussetzung gemein. Dadurch tritt vor allem
der jung aussehende Körper ins Zentrum der
Aufmerksamkeit. Einher geht dies mit dem
Leitbild von Jugendlichkeit bis ins hohe Alter,
die sich nur durch immerwährende Sportlichkeit und entsprechenden Lebenswandel annähernd erreichen und erhalten lässt. Dieser
Vorgang nennt sich „Versportung“: die sportliche Lebenshaltung bestimmt weitgehend
17
das Freizeit- und somit auch das Kleidungsverhalten. Mit einer trainierten und gut aussehenden Erscheinung wird weiterhin oftmals
Erfolg, Glück und Gesundheit assoziiert. Als
Zeichen dieser Entwicklung zeigt gerade die
Sportbekleidung den Wandel von Schönheit
und den Wechsel von Reife zu Jugend auf. Da
Sportkleidung gekonnt die entsprechenden
Werte transportiert, erklärt sich auch aus dieser Perspektive die Ausbreitung der sportiven
Sonja Nanko
Sportbikini der Firma adidas, 2000
Museum der Badekultur Zülpich
Sport und Mode am Beispiel adidas®
adidas wurde von dem gelernten Bäcker
Adolf (Adi) Dassler (1900 – 1978) zusammen
mit seinem Bruder Rudolf in den 20er
Jahren des 20. Jahrhunderts gegründet und
stattete schon vor dem Zweiten Weltkrieg
Sportler mit speziellen Sportschuhen aus. Die
Olympischen Spiele 1936 in Berlin machten
die „Dassler-Schuhe“ international bekannt;
in ihnen gewann James (Jesse) Owens vier
Goldmedaillen. Nach dem Zweiten Weltkrieg
trennten sich die beiden Brüder, Rudolf
gründete Puma und Adolf adidas. 1949
ließ Adolf die berühmten drei Streifen als
Handelsmarke eintragen. In den 60er Jahren
kam Sportbekleidung auf den Markt. Gut
zehn Jahre nach dem Tod des Gründers
wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt und kaufte Ende der 90er Jahre
die Firmengruppe Salomon dazu.
Im Jahr 2000 fragten verschiedene Designer
bei adidas an, daraus entwickelte sich
eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Yohji
Yamamoto (ab 2001) und Stella McCartney
(2004).
18
Karin Thönnissen
Die Marke adidas umfasst heute drei
Bereiche: adidas Sport Performance mit
Stella Mc Cartney (führende Technologien
= neue Materialien), adidas Sport Style mit
Yohji Yamamoto (Verbindung von Sport und
Design) und adidas Sport Heritage (adidas
Originale)
Yohji Yamamoto entwarf zunächst Schuh­
kollektionen für Frauen, ab 2002 auch für Männer
und stellte im gleichen Jahr die erste „Sport Style
Y-3“ in Paris vor. Im September 2006 wird die
inzwischen neunte Kollektion Frühjahr/Sommer
2007 in New York gezeigt werden.
Stella McCartney arbeitet seit 2004 für die
Firma adidas. Sie entwirft ausschließlich für
Frauen sportliche Mode für die Bereiche Gymnastik,
Laufsport, Schwimmen und Tennis. 2006 stellte sie
ihre erste Wintersport-Kollektion für Skiläuferinnen
vor und inzwischen wurde ihre Zusammenarbeit
mit adidas bis 2010 verlängert.
adidas
19
Karin Thönnissen
Im Spitzensport entscheiden oft nur Millisekunden über den ersten oder zweiten Platz.
Großen Anteil hat dabei nicht nur die Kondition des Athleten, sondern auch seine Kleidung. Trugen die Sportler zu Beginn des 20.
Jahrhunderts und noch weit davor normale
Alltagskleidung, erfuhr ihre Kleidung im Verlauf des 20. Jahrhunderts grundlegende Änderungen. Immer kürzer und enger wurde die
Tennishose, das Turnhemd und der Badeanzug. Neue Materialien wurden erfunden und
eingesetzt: Elastikgarn zu dehnbaren Stoffen
verwebt, aus künstlichen Fasern schweißabsorbierende und -transportierende Gewebe hergestellt. Funktionalität, Bequemlichkeit und der so genannte „Wohlfühlaspekt“
spielten und spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle, ebenso wie die Verarbeitung von
modischen Einflüssen aus der Alltagsmode.
Heute ist es ein wechselseitiger Austausch
geworden, die Mode übernimmt nicht nur
gewisse Materialien wie Mikrofaser und Fleecestoff, sondern auch Formen wie die Radlerhose und knappe Beach-Volley-Ball-Tops.
Oft weiß man nicht, ob man nun ein topmodisches Kleidungsstück vor sich hat oder
Die Hüllen der Sportlichen
einen höchst funktionalen Sportdress. Da
es inzwischen über 260 Sportarten gibt, die
frau/man allein oder gemeinsam ausüben und
dabei noch auswählen können, an welchem
Ort auf der Erde und zu welcher Tages- und
Nachtzeit die sportliche Aktivität stattfindet,
trifft man die Sportiven immer und überall. An
der Kleidung sind sie dabei nicht zu erkennen
(es gibt auch Ausnahmen) dafür meist aber
am wohlgeformten und gebräunten Körper.
Und der wird auch gezeigt. Und oftmals ist
er nicht so wohlgeformt wie der Körper von
David Beckham, der sich für die Kamera ganz
auszog und sich dann aber nur von der Seite
her fotografieren ließ. Ohne Sport.
Ein Blick zurück
Sportlich waren schon die alten Griechen, Homer beschrieb die sportlichen Wettkämpfe, die
zu Ehren der Götter abgehalten wurden. Auf
antiken Vasen sind sie abgebildet: Männer,
die um die Wette laufen, miteinander ringen
und Faustkämpfe austragen. Nackt, ohne ein
Stück Stoff auf dem Körper, bekleidet nur mit
einer Schicht dickflüssigen wohlriechendem
Öl. Sowohl die Athleten (die Wettkämpfer)
20
Diskuswerfer, 450 v. Chr., Museo Nazionale Romano, Rom
Die Hüllen der Sportlichen
Karin Thönnissen
Der Wagenlenker, 478-474 v.Chr. ,
Museum zu Delphi
wie die Palästriten (die Freizeitsportler) trugen diese einheitliche Kleidung, seit – so wird
erzählt, ein Läufer um 720 vor Christus beim
Wettlauf seinen bis dahin üblichen Schurz
verlor. Da er siegte, war man überzeugt, dass
Kleidung bei sportlichen Wettkämpfen nur
hinderlich war.1 Die Kleiderlosigkeit galt nicht
für alle Sportarten, beim Reiten trugen die
Jockeys schon mal einen kurzen Chiton, während die knöchellange Version beim Wagenrennen angelegt wurde und hier, wegen der
hohen Verletzungsgefahr fast immer.
Für Frauen und Mädchen gab es andere Regeln, zum einen war der Frauensport auf wenige Orte in Griechenland, u. a. Sparta, beschränkt, zum anderen galt für Frauen und
Mädchen das Gebot der Keuschheit. Nur
Sklavinnen zeigten sich völlig nackt, da sie
Unpersonen waren und keine Rechte besaßen. Selbst im freizügigen Sparta, wo die
Athletinnen als gymnai (= nackt) beschrieben
werden, gab es offensichtlich eine minimale Bekleidung, denn gymnai kann auch mit
„fast ganz entblößt“ übersetzt werden. Auf
den wenigen erhaltenen Abbildungen tragen
die Sportlerinnen kurze knappe Shorts, wie
übrigens auch die Artistinnen. Eine weitere
weibliche Sportbekleidung war das kurze Gewand, wie eine Marmorstatue in Rom zeigt.
Durch die reiche Fältlung hatte der Rock die
notwendige Weite für sportliche Übungen;
gehalten wurde das Kleid durch einen breiten
Stoffgürtel unterhalb des Busen sowie durch
einen Knoten auf der linken Schulter, dabei
blieben beide Arme und die rechte Brust unbedeckt.
Auch die Römer kannten den sportlichen
Wettkampf zu Ehren der Götter und ließen
die Gladiatoren in großen Arenen antreten.
Um 300 vor Christus trat der heidnisch-religiöse Charakter in den Hintergrund, „Brot und
Spiele“ so hieß die Losung der römischen
Kaiser, mit der das Volk zufrieden gestellt
[1] Man nimmt an, dass die Nacktheit des
männlichen Sportlers ein Ausnahmestatus war
und Magie und Kult mit eine Rolle spielten. Das
Nacktsein einer Person war sonst nur in der Kunst
erlaubt, Götter und Heroen wurden unbekleidet
dargestellt und dadurch in eine transzendentale
Sphäre gesetzt, die nichts mit dem Irdischen
gemein hatte. Siehe dazu auch Norbert Himmelmann, Herrscher und Athlet. Die Bronzen vom
Ouirinal in: Ausstellungskatalog Bonn 1989.
Die Hüllen der Sportlichen
21
Karin Thönnissen
Ritterrüstung aus der Waffenhalle im
Städtischen Museum Schloss Reydt
wurde. Die normale römische Kleidung war
zu stoffreich, das sie zu den Wettkämpfen
getragen werden konnte. Über die – für die
Oberschicht – knöchellange Tunika lag die
Toga, dazu je nach Jahreszeit und Stand ein
Mantel. Regionale und nationale Eigenheiten
veränderten die Gewänder, auch der modische Einfluss sorgte für Variationen, aber
zu Wettkämpfen waren sie nicht tragbar. Hier
blieb die spärliche Bekleidung nahezu gleich:
die Gladiatoren trugen einen Leibgurt und
– wie man sich in dem Film „Ben Hur“ vergewissern konnte – waren die Wagenlenker
bei den beliebten Wagenrennen in eine feste
Schutzkleidung aus Leder gehüllt.
Es waren bezahlte Sportler, die hier antraten
oder Sklaven und Gefangene, die um ihr Leben kämpften. Alle anderen schauten zu, fast
so wie heute. Immerhin gab es noch die von
den Griechen übernommenen Olympischen
Spiele; manchmal mit zweifelhaften Erfolgen,
denkt man den Sieg Neros beim Wagenrennen. Mit dem Verbot von Kaiser Theodosius
396, in dem die Spiele einen zu heidnischen
Charakter hatten, erlosch für 1 500 Jahre das
olympische Feuer.
Die Hüllen der Sportlichen
Im Mittelalter besann man sich
wieder auf den Körper, den die
Kirche weiterhin als sündiges
Gefäß für die unsterbliche Seele verdammte und mit Hilfe der
Kleidung zu negieren suchte.
Gleichwohl untersagte die Kirche
nicht das körperliche Training
der Ritter, die sich für die grausamen und harten Kämpfe von
Mann zu Mann um Besitz und
Ehre fit machten. In den friedlichen Turnierspielen wurde die Kondition und vor allem
die körperliche Geschmeidigkeit vorgeführt.
Das Spiel der Muskeln ließ sich dabei nicht
verfolgen, denn die eisernen Rüstungen waren blickdicht. Auch der Bürger griff zu den Waffen, denn
es galt inzwischen den eigenen Besitz und
auch die Stadt zu schützen. Hier übte man in
Gemeinschaften aus denen sich später Schützenbruderschaften entwickelten. Daneben
fanden auch zivile Wettkämpfe während der
Volksfeste und Jahrmärkte statt, bei denen es
viel Ruhm und sogar Preise gab. Artisten und
Gaukler waren die ersten Profis, die mit ih22
ren Kunststücken, den weitesten
Weitsprung oder den höchsten
Hochsprung, Geld verdienten.2
Beim Training und bei den Wettkämpfen wurde die normale
Alltagskleidung getragen, eine
Kleidung, die vom Ende des 11.
Jahrhunderts bis fast zur Mitte
des 14. Jahrhunderts bei beiden
Geschlechtern in der Form ähnlich
war: Hemdartig mit langem Ärmel
und Gürtel für die Frau, Kniekurz mit Hose für
den Mann. Der Körper war, ob männlich oder
weiblich, vollkommen bedeckt, sozusagen
von den Zehenspitzen bis zum Kinn und blieb
es auch lange Zeit. Bei den Wettkämpfen und
auch bei den sehr beliebten Ballspielen, die
[2] Einer der berühmtesten war Archangelo Tuccaro,
der ein Lehrbuch verfasste: „Trois dialogues de
l’exercise de sauter et voltiger en l’air“. Bis in das
20. Jahrhundert hinein diente es als Lehrbuch für
Sprungübungen. Siehe dazu: Arnd Krüger, Vom
Ritual zum Rekord – Auf dem Weg zur Sportleis­
tungsgesellschaft, in: Schneller, Höher, Weiter.
Eine Geschichte des Sports, hrsg. von Hans Sarkowicz, suhrkamp taschenbuch 2937,1999, S.88.
Karin Thönnissen
Turnunterricht der Jungen auf dem Schulhof,
1905, Stadtarchiv Mönchengladbach
ab dem 16. Jahrhundert in Mode kamen und
mit denen sich die Oberschicht vergnügte,
legte der Mann seine Oberbekleidung ab und
spielte im Hemd.
Mit der Aufklärung bekam die körperliche
Übung wieder einen neuen Wert. Neben der
geistigen Bildung stand die Ertüchtigung des
Körpers frei nach der Devise: „mens sana in
corpore sano – nur im gesunden Körper kann
ein gesunder Geist stecken“. Bereits Ende
des 18. Jahrhunderts erschien „Gymnastik
für die Jugend“ von Johann Friedrich GutsMuth (1759-1839), er empfahl die Übungen
in locker sitzenden Hemden und wadenlangen Hosen, die Jacke wurde ausgezogen,
denn der Körper sollte sich nicht überhitzen.
Laufen, Springen, Balancieren und Klettern
gehörten zur Leibeserziehung der Knaben,
die Mädchen dagegen lernten Tanzen, den
anmutigen Gang und absolvierten täglich einen einstündigen Marsch – in ihrer normalen
Alltagskleidung. In der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts war dies durchaus möglich, die
jungen Mädchen trugen eine wadenlange Tunika mit einer noch längeren Hose darunter.
Neben dieser pädagogischen Gymnastik,
Die Hüllen der Sportlichen
man könnte durchaus schon „Schulsport“
sagen, gab es die athletische Gymnastik um
für Wettkämpfe die notwendige Kondition
zu bekommen; zur Erhaltung der Gesundheit
wurde medizinische Gymnastik erteilt und als
eine frühe Form des Wehrsports die kriegerische Gymnastik.
Mit Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), dem
„Turnvater Jahn“ erhielt die Leibeserziehung
23
eine zusätzliche Ausrichtung. Einerseits abgestimmt auf die körperliche Ertüchtigung,
sollte andererseits der Sport die Menschen
in Vereinen zusammenführen und der Nationalgedanke gepflegt werden. Auch Jahn
plädierte für eine einheitliche Turnkleidung,
die aus einem weitgeschnittenen Hemd mit
offenen Kragen und langen Ärmel, einer weiten wadenlangen Hose ohne engen Bund und
Karin Thönnissen
Mädchen beim Turnunterricht auf dem Schulhof, 1905, Stadtarchiv Mönchengladbach
Gymnasium Marienschule, Schülerinnen in der
Turnhalle, 1912, Stadtarchiv Mönchengladbach
gegen die Erhitzung nach dem Sport: „Ein
Deutscher Rock, der hinten zu ist und vorn zu
geht“.3 Durch die politische Ausrichtung – die
Turner forderten die Einheit Deutschland auf
republikanischer Grundlage – verzögerte sich
die Einführung des Turnens als festes Fach in
den Schulen um mehr als zwanzig Jahre. Als
es dann 1860 in den Volksschulen als Pflicht[3] Zitiert nach Roland Naul, Zur Geschichte der
Schulturnkleidung: Von Leinenhemd und Wäscherock, deutschen Turnhosen und amerikanischen
Trikots, in: Sportswear, Ausstellungskatalog
Deutsches Textilmuseum Krefeld, 1992, S. 19.
Die Hüllen der Sportlichen
fach in den Unterrichtsplan eingefügt wurde,
interessierte das Thema Kleidung zunächst
nicht. Die „Leibesübungen“ waren Freiübungen für Arme und Beine; Laufen, Springen
und Spielen nicht mehr erlaubt – Turnen war
nicht nur in der Schule langweilig. Es reihte sich Übung um Übung aneinander, man
durfte sich nicht austoben und Turnen stand
strikt unter dem Motto: Körperertüchtigung
und nicht Wettkampf.
Anders in England, wo der moderne Sport
seine Anfänge hat, hier wurde sozusagen
auch der Begriff dazu erfunden. Zwar hieß es
24
schon im Mittelalter disportare, was mit „sich
vergnügen“ oder „sich zerstreuen“ übersetzt
werden kann und daraus entwickelte sich
das Hauptwort „desport“. Das bezeichnete „Zerstreuung“, „Erholung“ und auch das
„Vergnügen“, das der Adel an den tonangebenden französischen Höfen suchte. In England kürzte man das Wort zu „sport“ und so
kam es auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts
nach Deutschland. Hier verstand man unter
Sport in erster Linie Turnen und das wurde
nahezu ausschließlich in Vereinen ausgeübt
und an Schulen unterrichtet.
Karin Thönnissen
Die männliche Jugend der Turnabteilung des
Sport- und Turnvereins Wanlo 03, 1968
Stadtarchiv Mönchengladbach
Boxsport um 1920, Privatsammlung
Erst Ende des 19. Jahrhunderts übernahm
man auch auf dem Kontinent englische Sportarten, Spielregeln und Kleidungsvorschläge.
In England trug der Sportler Trikothemd und
eine Hose aus Flannell oder auch Trikot. Nach
langen Diskussionen in den deutschen Vereinen siegte das Argument Bequemlichkeit und
ab da war dann Turn- und Sportkleidung aus
diesen Stoffen erlaubt – für den Mann. Für
Frauen und Mädchen war sie weiterhin verboten, was alles über ihre optische Wirkung
aussagt.
Über dieses Verbot setzten sich die Sportlerinnen hinweg, sie wählten die bequeme Kleidung, die Bewegung zuließ und Bewegung,
vor allem die schnelle, bedeutete Sieg. Siegen war im Sport wichtig – nicht beim Turnen – Siegen hieß der oder auch die Beste
zu sein, Leistung erbracht zu haben und sich
gegen die Konkurrenz durchgesetzt zu haben.
Das Training des Körpers, der verschiedenen
Muskeln wurde nun systematisch betrieben,
Die Hüllen der Sportlichen
Minuten in Sekunden unterteilt – heute sind
es inzwischen 10tel Sekunden – und auch der
Kleidung wurde und wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt.4
Innerhalb der Kleidungsvorschriften, die
die Sport-Verbände aufstellt haben, bewegt
man sich relativ locker, vor allem wenn Modeschöpfer kreativ einschreiten oder sich
die Stars selber schöpferisch betätigen wie
beispielsweise Serena Williams. Auch neue
Materialien trugen zur Formveränderung bei,
so wie die Erfindung formstabiler Gewebe zu
hautengen Hosen und anliegenden Trikots
führte.
Im Kampf um den Sieg geht heute die Tendenz
in einigen Sportarten wieder hin zu mehr Körperdeckung – nicht aus ästhetischen Gründen,
sondern aus praktischen Erwägungen wie bei
den langen Fußballhosen. Durch die neue
Länge und den oftmals zusätzlichen „Radlerhosen“ darunter schützen sie die Muskeln.
Im Schwimmsport trägt man heute sogar den
Ganzkörper-Anzug mit knöchellangen Hosen
und langen Ärmeln, gefertigt aus einem neuartigen Material, das die Haifischhaut mit ihren winzigen Hautzähnchen imitiert. Spezielle
25
[4] Ausführlich zu den einzelnen Aspekten und
zur Sportkleidung der verschiedenen Sportarten
in: Sportswear, Ausstellungskatalog Deutsches
Textilmuseum Krefeld, 1992.
Karin Thönnissen
Fast-Skin-Anzug der Marke Speedo, 2003
Deutsches Sportmuseum Köln
Triathletin beim TriathlonWorldcup in Hamburg, 2006
Stoffzonen, sogenanntes „Gripper-Gewebe“,
sind an den inneren Unterarmen eingesetzt
und lässt den Schwimmer das Wasser besser
spüren. Besonders gefertigte Nähte, „Superstretch-Nähte“, unterstützen dabei die Muskelbewegungen der Schwimmer. Ein Blick auf
den wohlgeformten Körper bleibt dem Zuschauer durch diesen Anzug nicht verwehrt,
es entgeht ihm aber das Muskelspiel und körperspezifische Details.
lich zu einer gern getragenen Freizeitkleidung.
Nochmals ein Zitat aus
einer Studie: 93 % aller
Franzosen konsumieren
Sportartikel, aber nur
65 % treiben Sport.7
Sport heute: eine gigantische Industrie und
enormes wirtschaftliches Potential steht dahinter, bei den Profis wie auch bei den Freizeitsportlern. 20,9 Millionen Deutsche trieben
aktiv Sport, so eine Studie des VDF im Jahre
2000, 16,5 davon eine fitnessorientierte Sportart.5 Sechs Jahre später ist Deutschland das
Schlusslicht, in sechs europäischen Ländern
betätigt sich inzwischen jeder zweite regelmäßig sportlich. Dennoch ist Deutschland mit Abstand der größte Markt für Textilien, Hartware
und Zubehör, 2005 wurden 1,5 Mrd. Euro umgesetzt und die Umsätze steigen weiter.6
Bekleidung spielt dabei eine wichtige Rolle,
fast für jede Sportartart gibt es die passende
Die Hüllen der Sportlichen
[5] Siehe dazu: Heribert
Klein, Wer fit werden will,
muss wissen: Sport und
Turnen füllt Gräber und
Urnen, Artikel in der FAZ,
15. 11. 2000.
Kleidung. Perfekt in der Form, strapazierfähig, bequem und funktional muss sie sich bei
jedem Wetter und in jeder Situation beweisen, ihr modischer Faktor macht sie zusätz26
[6] Kornelia Scholz, Design
fürs Draußen-Sein, in: TM
Fashion Trendmagazin,
Nr. 9, Juli 2006, S. 94-96.
[7] Norbert Wild, sportswear – Sport und Mode:
une affaire à suivre, in: Ausstellungskatalog Sportdesign – zwischen Style und Engineering, Museum
für Gestaltung, Zürich 2004, S. 77-84.
Karin Thönnissen
In den Fitnessstudios findet man heute reichlich Kurse wie Yoga, Pilates, Tai Chi, Bauchtanz, Aroha oder Tae Bo. Doch wie kam es
zum Umbruch zwischen der Zeit, als Sport
funktionell der Körperkräftigung oder dem
Wettkampf diente und der heutigen Fitness,
bei der Entspannung und Spaß das Training
bestimmen?
Diese Entwicklung geht ursprünglich auf den
amerikanischen Arzt Dr. med. Kenneth H. Cooper zurück. In den 1960er-Jahren spezialisierte
sich dieser auf die Entwicklung von Trainingsformen, welche eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Körpers gewährleisteten. Cooper entwickelte damals ein Übungsprogramm
für NASA-Astronauten, bei dem die aeroben
Ausdauersportarten Laufen, Schwimmen, Rad
fahren und verschiedene Ballspiele in den
Vordergrund gerückt wurden. Cooper stellte
das aerobe Ausdauertraining als Grundlage
eines jeden Trainingsprogramms vor und ihm
gelang damit die Popularisierung des Fitnesssports in Amerika.
Zum weltweiten Durchbruch verhalf vor allem
die Schauspielerin Jane Fonda im Jahre 1982.
Foto: Ingram Photo
Wie kam der Spaßfaktor in die Fitness?
Sie propagierte den Aerobic-Sport weltweit
und vermarktete ihr eigens entwickeltes
Gymnastikprogramm durch Videos und das
Workoutbuch: „I feel good“. Coopers Konzept wurde auch von anderen Fitnessanhängern übernommen und schlicht als ‚Workout‘
bezeichnet. Der Begriff ‚Aerobic‘ setzte sich
dann gleichzeitig mit der Ausbreitung des
Konzeptes durch.
Das neuartige Fitnesstraining fand in Gruppen statt und wurde meist von moderner Musik begleitet. Die einzelnen Übungen waren
eine Mischung aus traditioneller Gymnastik
und freiem Tanz. Dabei gab ein Trainer die
Übungen vor und diente als Motivator für die
Teilnehmer.
1988 wurde erstmals Kritik an diesem Fitnesstraining geäußert, man diskutierte daraufhin
zunehmend über die Schädlichkeit von Aerobic wegen falscher Trainingsmethoden. Doch
nach einem kurzzeitigen Einbruch der Aerobic-Bewegung entstanden Anfang der 1990er
Jahre neue Formen von Aerobic mit stärkerem
medizinischen und sportwissenschaftlichen
Hintergrund.
27
Auch die Stars wagten sich wieder an den
Sport, mit Erfolg. Model und Schauspielerin
Carmen Electra verlieh dem Aerobic-Konzept
noch ein wenig Würze indem sie es zu Aerobic-Striptease umfunktionierte.
Bis heute ist die Gruppensportart Aerobic in
jedem Fitnessstudio anzutreffen und wurde
zunehmend weiterentwickelt, sodass sich
mittlerweile eine Vielzahl von Möglichkeiten
bietet, Sport als unterhaltsame, abwechslungsreiche und entspannende Freizeitbeschäftigung zu betreiben.
Lidia Semenjuk
Das Schweißband – Schmuckstück der Sportler
Der ursprüngliche Zweck der an Stirn und
Handgelenken getragenen Bänder lag im
sportlichen Bereich und war rein funktionell.
Sie dienten dazu den Schweiß des Sportlers
aufzusaugen und Schweißbänder an den
Handgelenken hielten zusätzlich das Blut
am Puls warm, ohne dass der Sportler ein
langärmliges Oberteil tragen musste, welches
das Schwitzen gefördert hätte. Doch vor allem
durch den Aerobic-Trend der 1980er Jahre entwickelte sich das Schweißband zunächst im
sportlichen Bereich zu einem unverzichtbaren
Utensil. Stars vermarketen ihre Aerobic-Videos, in denen sie im perfekten Aerobic-Outfit mit farblich passenden Schweißbändern
auftraten und diesen Trend unter ihren Fans
verbreiteten. Auch bei Läufern wurden die
praktischen Schweißbänder beliebt. Für den
endgültigen Durchbruch sorgte Tennis –Ass
Björn Borg mit seinem gestreiften Stirnband
und das Tanzoutfit der
Hauptdarstellerin Jennifer Beals im Film
„Flashdance“. Dadurch gewann der modische
Aspekt gewann immer mehr an Bedeutung.
Historisch war das Stirnband als modisches
Accessoire jedoch schon lange bekannt. Frühe
Kulturen gebrauchten solche Bänder bereits
als rituellen Kopfschmuck. Es galt vor allem
als ein besonderes, herrschaftliches Symbol
für die Götterwelt und von den menschlichen
Herrschern wurde es in besonderer Funktion
getragen, vor allem als Diadem oder Krone.
Im Jahre 1924 zog ein Stirnband die Aufmerksamkeit der Zuschauer von Wimbledon
auf sich. Die Tennisspielerin Suzanne Lenglen trug, statt des damals üblichen Hutes,
bloß ein Stirnband zum Spiel. Dies verstieß
sowohl gegen die Kleiderordnung als auch
gegen die Etikette der 20er Jahre. Das Band
wurde auf Fotos damals aufwendig zu einem
Hut retouchiert.
In der Hippiezeit erlebte das modische Stirnband seine Hochblüte, es wurde zum Leitsymbol des Lebensstils von Freiheit und
Lässigkeit. Und auch in den 80er Jahre war
das Stirnband sicherlich der Ausdruck eines
Lebensgefühls in der Musikwelt. Die besten
Beispiele dafür sind die Musiker Nena, Donovan und Jimmy Hendrix. Aber auch im Sport
wurde man aufmerksam auf Tennis-Ass Björn
Borg mit seinem gestreiften Stirnband.
Mittlerweile können Stirnbänder auch soziale
28
Aufgaben erfüllen, indem Sportler zum lebenden Werbeplakat für ihre Sponsoren oder
auch Spendenaufrufe werden.
Auch das Schweißband am Handgelenk
liegt am Puls der Zeit. Vor kurzem schaffte
es auch den Sprung in die Modewelt des
Durchschnittsbürgers. Vor ein paar Jahren
breiteten sich die Schweißbänder in allen
möglichen Farben und mit den unterschiedlichsten Motiven an den Handgelenken der
Menschen aus und wurden nicht mehr nur
beim Fitnesstraining, sondern auch als modisches Accessoire in der Freizeit getragen.
Heute ist das Schweißband am Handgelenk
noch immer nicht aus der Mode gekommen.
Internetseiten wie www.schweissband.com
bieten eine enorme Auswahl an modischen
Schweißbändern.
Und auch das Stirnband feiert sein Revival in
der Modewelt. Stilikonen wie Sienna Miller,
Nicole Richie oder auch Paris Hilton beweisen, dass das Trend-Accessoire der Hippiezeit
durchaus salonfähig ist.
Lidia Semenjuk
Die Modeschöpferin Coco Chanel
Gabrielle Chanel wurde am 19.08.1883 als
zweite uneheliche Tochter von Albert Chanel und der Jeanne Devolle geboren. Nach
dem Tod der Mutter 1895 erlernte sie im
Waisenhaus den Beruf der Näherin und war
mit 20 Jahren Angestellte in einem Aussteuerund Babyartikelgeschäft. In ihrer Freizeit trat
sie als Sängerin auf und dabei erhielt den
Spitznamen Coco.
Der Pariser Industriellensohn Etienne Balsan
führte sie in die Gesellschaft ein; sie waren
vier Jahre ein Paar. Durch seine finanzielle
Unterstützung konnte C. Chanel 1910 ein Hutatelier in Paris eröffnen. Nach der Trennung
von Balsan eröffnete sie 1911 mit Hilfe ihres
neuen Partners, Bergwerksbesitzer Arthur Capel, ihr erstes Modehaus in Paris und 1913
eine Boutique im Seebad Deauville. Bereits
1915 besaß sie Modesalons in Paris und Biarritz. Ein Jahr später konnte sie die Schulden bei Capel begleichen. 1936 beschäftigte
Coco Chanel 4 000 Angestellte und war mit
Künstlern wie Pablo Picasso und Politikern
wie dem britischen Premierminister Winston Churchill befreundet. Zur Zeit des Nationalsozialismus überzeugte sie ihr damaliger
Partner Dincklage, Sonderbeauftragter des
Reichspropagandaministeriums in Frankreich,
Churchill zu Gesprächen mit den Deutschen
über das Kriegsende zu überreden, doch die
Aktion scheiterte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als Kollaborateurin verhaftet und ging ins Schweizer Exil. Nach Paris
zurückgekehrt, eröffnete sie 1954 ein neues
Geschäft. Die Presse verhöhnte ihre neue Kollektion, doch ein Jahr später begann mit dem
Lob des „Life“-Magazins der Siegeszug des
Chanel-Kostüms. Am 10. 1. 1971 starb Coco
Chanel mit 87 Jahren.
Die Modeschöpferin hat auf dem Gebiet
der Mode Großes geleistet. Sie hat für die
Abschaffung des Korsetts gesorgt und den
Frauen das „kleine Schwarze“ hinterlassen,
ein schlichtes schwarzes, aber raffiniert geschnittenes Kleid, in dem frau zu verschiedenen vielen Anlässen gut angezogen war.
Sie sorgte für weitere Freiheiten durch auf
damals skandalöse Länge, d. h. knapp unterhalb des Knies, gekürzte Röcke, gestrickte
Badeanzüge, die auf Oberschenkellänge endeten und unter denen Shorts hervorblickten,
das Chanel-Kostüm aus Tweedstoff, Hosen
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Links: Ein zweiteiliges Modell, wie es Coco Chanel 1914 am Strand von Deauville trug,
rechts: Zweiteiliger Damenbadeanzug 1870,
Beide Anzüge sind Repliken
Museum der Badekultur Zülpich
für Frauen oder den Twinset. 1921 entwickelte sie außerdem das erste Parfum aus
synthetischen Komponenten, Chanel N°5.
Doch sie hinterließ den Frauen ebenfalls Lebensratschläge, sagte z. B.: „Wenn man ohne
Flügel geboren wurde, darf man sie nicht am
Wachsen hindern“.
Hanna Rasch
Der Monokini
Im Jahre 1964 wagte der Modemacher Rudi
Gernreich einen damals schockierenden Vorstoß in der Modewelt. Er kreierte den Monokini, eine gewagte Badehose mit zwei langen
Trägern, doch nicht für Männer, sondern für
Frauen. Dabei bedeckten die Träger recht
wenig, weshalb die Kreation auch „Busenfrei“ genannt wurde. Diese Einblicke riefen
bei einigen Begeisterung, bei den meisten
jedoch Empörung hervor, sodass der Trend
allmählich wieder verschwand. In den letzten
Jahren wurde der Monokini von zahlreichen
Designern wiederentdeckt. Doch bis zum Entblößen der Brust geht man heute nicht mehr,
die Models zeigen sich nicht im geringsten so
freiherzig wie die der 60er Jahre. Der Monokini zeigt heute raffiniert mehr Haut als der
Badeanzug, doch der Trend geht wieder zur
Verhüllung, wenn man an die knappen Bikinis der 90er Jahre denkt.
Links: Damenbadeanzug aus schwarzem
Elastikstoff, Mitte 60er Jahre
rechts: Monokini aus türkisfarbenem
Elastikstoff, 1964
Museum der Badekultur Zülpich
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Lidia Semenjuk
Verbinden Sie Pilates mit Mönchengladbach?
Etliche Menschen in Amerika, und vor allem
immer mehr Stars, betreiben Pilates um sich
fit und jung zu halten. Dazu gehören Berühmtheiten wie Sharon Stone, Brad Pitt, Jodie Foster und Madonna.
Aber wie viele von ihnen kennen wohl
Mönchengladbach? – Doch genau dort findet
das Körpertraining seinen Ursprung. Und zwar
am Anfang des 20. Jahrhunderts bei Joseph
Hubertus Pilates. Der Namensgeber und Erfinder des aktuellen Fitness-Trends wurde im
Jahre 1880 in Mönchengladbach geboren.
Joseph Pilates verbrachte seine Kindheit
damit, seinen durch Asthma und Rachitis
geschwächten Körper mit den unterschiedlichsten Trainingsmethoden zu stärken. Er ließ
kaum eine Sportart aus, von Boxen über Skifahren, Ringen, Gymnastik bis zum Tauchen.
Zusätzlich beschäftigte er sich damals schon
mit Yoga und fernöstlichen Kampfsportarten.
Diese sollten sein späteres Trainingskonzept
entscheidend prägen, da sie, wie das spätere
Pilates-Training, die Einheit von Körper und
Geist voraussetzten.
Eine Art Ausformung erhielt das Trainingskonzept während Joseph Pilates Zeit im In-
ternierungslager im Ersten Weltkrieg. Pilates
erprobte dort seine Lehre, indem er für seine Mithäftlinge ein Training mit Bettfedern
entwickelte. Dieser Methode sind auch noch
aktuelle Trainingsgeräte für Pilates nachempfunden. Sein Konzept eines ganzheitlichen
Körpertrainings nannte er selbst ‚Contrology‘.
Im Jahre 1912 eröffnete er gemeinsam mit
seiner Frau Clara in New York das erste Pilates-Studio, welches selbst nach seinem Tod
1967 noch immer weitergeführt wird.
Heutzutage ist Pilates ein ausgeformtes
Ganzkörpertraining, welches verschiedene
Elemente aus Yoga, Akrobatik und Ballett
enthält. Pilates ist ein Wechselspiel aus Dehnung und gleichzeitiger Kräftigung der Muskulatur. Das Programm dient vorrangig der
allgemeinen Kräftigung des Körpers und ist
eine Trainingsform für die unterschiedlichsten
Altersstufen und Fitnesslevel. Zudem ist es
durchaus vielseitig, für das Training auf der
Matte existieren rund 500 Übungen, die
durch Zusatzgeräte wie Roller oder Bälle erweiterbar sind.
Noch heute lebt ein Teil der Familie Pilates
in Mönchengladbach, darunter der Großneffe
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des berühmten Körpertrainers, Wolfgang Pilates. Und auch das traditionelle Trainingsprogramm ist aktueller denn je, in Amerika gibt
es neuerdings das Angebot des ‚Portable Pilates‘, ein Pilates-Programm für das Handy.
Schließlich ist laut Joseph Pilates „körperliche
Fitness die erste Voraussetzung zum Glück“.
Auf der offiziellen Seite des New Yorker Pilates-Studios www.pilates-studio.com findet
man Informationen über das Pilates-Konzept.
Die Seite www.contrology.de bietet eine Übersicht von Pilates-Studios in Deutschland.
Abb. folgende Seite:
Treffen der Turn- und Sportlehrer des Bezirks Düsseldorf vor dem Rathaus Abteiberg,
Mönchengladbach, 1897. Mit Pfeil gekennzeichnet
ist Heinrich Friedrich Pilates, dessen Sohn Hubert
Josef der Begründer der Pilatesbewegung ist.
Stadtarchiv Mönchengladbach
Lidia Semenjuk
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Leihgeber
Bergneustadt, Albrecht Nanko
Berlin, Manfred Berger
Berlin, haeberlein & mauerer,
agentur für public relations
Chemnitz, Schlossbergmuseum Chemnitz
Düsseldorf, Maria Sichelschmidt
Gau-Algesheim, Rheinhessisches Fahrrad-Museum
Walter Fries
Herzogenaurach, adidas
Kronach, Firma Otto Schwab
Kaiserslautern, Karl Mildenberger
Kaiserslautern,Theodor-Zink-Museum
Köln, Deutsches Sportmuseum in Köln
Krefeld, Harald Wiegand
Mönchengladbach, Borussia Archiv
Mönchengladbach, Deutscher Hockey-Bund
Mönchengladbach, Fan-Projekt
Mönchengladbach, Stadtarchiv Mönchengladbach
Mönchengladbach, Wolfgang Quednau
Ramstadt, Petra Reischmann
Schifferstadt, Jürgen Fouquet
Wiesbaden, hd...s agentur für presse und
öffentlichkeitsarbeit für die Firma HOM
Zülpich, Museum für Badekultur
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