Die Diagnose „Rheuma“ war ein harter Schlag für den damals 30

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Die Diagnose „Rheuma“ war ein harter Schlag für den damals 30
Rheuma –
Die Diagnose „Rheuma“ war ein harter Schlag für den
damals 30-jährigen Frank Stollberg. Heute hat er die
Krankheit dank einer wirksamen Therapie im Rheumazentrum
Rhein-Ruhr im Griff. vigo erzählt seine Geschichte und sagt,
wie man trotz Rheuma ein normales Leben führen kann und
weshalb Früherkennung so wichtig ist.
Text: Petra Sperling Fotos: Jürgen Schulzki
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Fragen? AOK Clarimedis : 0800 0 326 326
lle vier bis sechs Monate hat Frank
Stollberg aus Köln einen Termin in
Düsseldorf, im Rheumazentrum
Rhein-Ruhr. Heute trifft er etwas früher im Universitätsgebäude ein und nimmt
für einen Moment im Wartebereich Platz.
Sein Blick fällt dabei automatisch auf die Tür
zum Untersuchungsraum. An ihr hat jemand ein Plakat befestigt. „Rheuma ist
behandelbar“ steht darauf. Frank Stollberg
weiß: Das ist kein leeres Versprechen. Er erkrankte vor sieben Jahren an Rheuma – aber
dank der richtigen Therapie ist seine Krankheit unter Kontrolle. Wenig später wird er
aufgerufen. Ein Routinecheck steht auf dem
Programm. Dr. Christof Iking-Konert aus der
A
RHEUMA M
EDIZIN
und dann?
Derweil verschlimmerte sich sein Zustand.
Beim Routinecheck kontrolliert der Rheumatologe
die Beweglichkeit der Gelenke. Röntgenbilder
helfen, Probleme frühzeitig zu erkennen.
Rheumatologie der Universitätsklinik Düsseldorf kontrolliert die Blutwerte seines
Patienten, erkundigt sich nach Beweglichkeit
und Allgemeinbefinden des jungen Mannes.
An diesem regnerischen Sommertag hat er
eine erfreuliche Nachricht für ihn: „Keine
Auffälligkeiten, alles okay.“
Gar nichts mehr okay hingegen war für
Frank Stollberg, als vor sieben Jahren wie aus
dem Nichts die ersten Probleme auftauchten. „Eines Morgens hatte ich plötzlich
Schmerzen im rechten Arm und konnte ihn
nicht mehr bewegen“, erinnert er sich.
Besorgt ging der damals 30-Jährige zum
Arzt. Doch mit der Diagnose war das so
„Bald schmerzten auch die Knie, die Hüfte,
dann alle großen Gelenke“, beschreibt er.
„Sie waren so angeschwollen und entzündet, dass ich mich kaum noch bewegen
konnte.“ Schließlich brachte – ein halbes
Jahr später – ein Bluttest beim Spezialisten
endlich Klarheit: chronisch-entzündliches
Rheuma, eine sogenannte rheumatoide
Arthritis. Ein riesiger Schock für Frank
Stollberg: „Keiner, weder meine Familie
noch Freunde und Kollegen, konnte das
glauben. Ich war sehr beweglich und
trainiert, habe Kampfsport gemacht, ging
fünfmal die Woche ins Fitnessstudio – und
sollte Rheuma haben? Mit 30? Eine Krankheit, die, so glaubte ich damals, nur Ältere
trifft? Die im Rollstuhl enden kann? Als ich
die Nachricht der Ärzte langsam realisierte,
war es, als zöge mir jemand den Boden
unter den Füßen weg.“
Der Begriff Rheuma bezeichnet keine einzelne Krankheit, sondern über 300 verschiedene Erkrankungen an den Bewegungsorganen. Fast immer haben die Betroffenen
Schmerzen, häufig ist ihre Beweglichkeit
eingeschränkt. Neben zum Teil seltenen Formen differenzieren Mediziner drei große
Gruppen: Bei entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen zerstören fehlgesteuerte Autoimmunprozesse die Knorpel im Gelenk;
degenerative Gelenkerkrankungen oder
Arthrosen entstehen durch Verschleiß oder
Vorschäden; beim Weichteilrheumatismus
sind Gewebestrukturen wie Muskeln, Bindegewebe, Sehnen oder Bänder, aber auch
Haut und Gefäße entzündet.
Entsprechend dieser Bandbreite äußern
sich rheumatische Erkrankungen extrem
vielfältig, so dass ihnen der Status einer
Volkskrankheit sicher ist: Etwa 20 Millionen
Bundesbürger sind dauerhaft betroffen –
und bei weitem nicht nur Ältere: „An
entzündlichem Rheuma, an dem fast zwei
Millionen Menschen hierzulande leiden,
erkranken die meisten zwischen ihrem
30. und 40. Lebensjahr; auch Kinder und
Jugendliche kann es treffen“, korrigiert
Dr. Iking-Konert vom Rheumazentrum
Rhein-Ruhr das Klischee. „Ebenso ist es
möglich, dass eine Arthrose durch Fehlbelastungen, Fehlstellungen oder Stoffwechselstörungen schon bei Jüngeren auftritt.“
„Wir können
Rheuma heute
gut behandeln“
Zum Glück
haben sich
die Therapie-Aussichten in den
letzten Jahren deutlich
verbessert. „Rheuma ist zwar nicht heilbar“,
konstatiert der Düsseldorfer Rheumatologe
nach der Routineuntersuchung seines
Kölner Patienten. „Aber wir können es inzwischen gut behandeln. So wie bei Frank
Stollberg erzielen wir bei 50 bis 70 Prozent
der an entzündlichem Rheuma Erkrankten
im Wesentlichen Beschwerdefreiheit – ein
gutes Ergebnis.“ Das Fundament einer
Behandlung, die individuell auf den Patienten abgestimmt ist, stellen spezielle
Ihr persönlicher Rheuma-Check
TEST
eine Sache. „Weder mein Hausarzt noch
andere Ärzte konnten sich die Beschwerden
erklären“, erzählt der Kaufmann. „Untersuchungen und Tests brachten keine brauchbaren Ergebnisse. Auch Überlegungen, ob
ein Zeckenbiss oder ein Parasitenbefall nach
einer Asienreise, die ich kurz vorher unternommen hatte, die Auslöser sein könnten,
führten zu nichts. Rheuma wurde zwar
diskutiert, der Gedanke aber wieder verworfen. Ich erschien den Ärzten viel zu aktiv und
fit und in meiner Familie gab es auch keine
derartigen Probleme.“
Wer klären möchte, ob bei ihm Anzeichen
für entzündliches Rheuma vorliegen, kann
im Internet einen Test machen. Dabei
handelt es sich um ein Angebot des Rheumazentrums Rhein-Ruhr. Es richtet sich an
Leute, die seit mindestens sechs Wochen
Beschwerden haben, die von Rheuma herrühren könnten. Achtung: Die Auswertung
liefert nur eine Einschätzung und ersetzt
keinesfalls die Diagnose eines Mediziners.
A www.rheuma-check.de
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M E D I Z I N RHEUMA
Doch ein Knackpunkt bleibt: die Diagnose.
Zwar verfügen Mediziner über gute Analyseverfahren, um Entzündungshinweise im
Blut aufzuspüren. Moderne bildgebende
Verfahren wie Röntgen oder Kernspintomographie geben Aufschluss über den Zustand
des Bewegungsapparates. Trotzdem ist es
oft kompliziert, Rheuma auszumachen.
„Schmerzen und Funktionsstörungen in den
Gelenken können schlagartig einsetzen, aber
auch langsam beginnen und sich allmählich
steigern“, weiß Dr. Christof Iking-Konert.
„Häufig sind die Symptome anfangs untypisch oder wenig ausgeprägt.Viele Patien-
„Rheuma-Bus“ kommt
ten kommen daher
leitet. Um Rheumapatienten
erst relativ spät in
schneller zu erkennen, bieten
die Praxis. Und der
die Mediziner hier seit 2005
Anlässlich des Weltrheumatages
Arzt hat die schwieeine „Frühdiagnosesprecham 12. Oktober 2007 tourt ein
rige Aufgabe, beginstunde“ an. Ein zentrales
Bus durch rheinische Städte, um
nendes Rheuma von
Instrument ist der Rheumaüber die Krankheit aufzuklären.
vorübergehenden
Check, ein umfassender
Mehr darüber: Awww.rheumaAlltagsbeschwerden
Fragebogen. Niedergelassene
ist-behandelbar.org
zu unterscheiden.“
Mediziner, die bei einem
Diese Problematik
Patienten die Krankheit verschlägt sich in der Statistik nieder: Im Schnitt muten, können das ausgefüllte Formular ins
vergehen vom Auftreten erster Symptome Zentrum schicken und erhalten nach spätesbis zur Diagnosestellung etwa 18 Monate.
tens fünf Arbeitstagen eine Rückmeldung.
Erhärtet sich ihr Verdacht, bekommt der
Grund genug für die Düsseldorfer Rheuma- Patient nach Rücksprache mit den Mitarbeitologen, sich für eine bessere Früherken- tern des Zentrums innerhalb von zwei
nung zu engagieren – zumal gerade die Wochen einen Termin in der Rheumaersten drei Monate nach Auftreten der Ambulanz. „Auf diese Weise können wir vier
Beschwerden entscheidend sind. „Wir wis- von fünf Patienten filtern und die Zeit zwisen: Bei der rheumatoiden Arthritis gibt es schen den ersten Symptomen und dem
in dieser Phase ein sogenanntes ‚Fenster der ersten Kontakt zu einem Facharzt deutlich
Hoffnung’, in dem sich mit Medikamenten verringern“, so Rheumatologe Schneider.
verhindern lässt, dass Gelenke geschädigt
werden, der Betroffene Schmerzen hat und Darüber hinaus hat sich das Team der Aufseine Beweglichkeit verliert“, erklärt Prof. Dr. klärung verschrieben. „Wir können natürMatthias Schneider, der das Rheumazentrum lich nur die Patienten rechtzeitig finden und
TIPP
Rheuma-Medikamente dar. Weitere Bausteine können ergänzend hinzukommen.
„Krankengymnastik erhält die Beweglichkeit. Methoden wie Ergotherapie zeigen den
Betroffenen, wie sie sich gelenkschonend
verhalten“, erläutert Dr. Iking-Konert.
„Auch alternative Behandlungsformen wie
Akupunktur oder eine bestimmte Art der
Ernährung beeinflussen eine rheumatische
Erkrankung möglicherweise positiv, allerdings gibt es dazu wenig gesicherte Daten.“
Ein Bluttest gibt Hinweise auf rheumatische Entzündungen. An einem Kissen
übt Stollberg, sich Arzneien zu spritzen.
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behandeln, die sich bei einem Arzt oder bei
uns melden“, betont Prof. Schneider. „Dazu
müssen die Menschen sensibilisiert sein und
typische Rheuma-Symptome kennen. Wer
zum Beispiel länger als sechs Wochen an mindestens drei Gelenken
Probleme wie Steifigkeit am Morgen
oder Schmerzen hat, sollte das nicht
abtun oder selbst mit Medikamenten
hantieren, sondern zum Arzt
gehen. Diese Aufmerksamkeit sich
selbst gegenüber
ist umso wichtiger, da derzeit
keine Strategien
bekannt
sind,
wie sich die
Krankheit vermeiden ließe.“
Dr. Christof Iking-Konert, Rheumatologe
„Häufig
sind die
ersten
Symptome untypisch
für Rheuma“
Frank Stollberg hatte trotz der Diagnose Glück.
Zwar ist auch seine Krankengeschichte von
diversen Arztterminen und Untersuchungen
bis hin zu Krankenhausaufenthalten gekennzeichnet. Doch seine Gelenke
hatten zum Zeitpunkt der Diagnose noch keinen irreparablen
Schaden genommen und die
Basistherapie, die er seit Anfang
2006 im Rheumazentrum
Rhein-Ruhr durchführt, wirkt
gut. Allerdings musste der
37-Jährige wie viele andere Betroffene leidvoll erfahren, wie
stark Rheuma das ganze Leben
verändert. „Der rasche körperliche Verfall und die ungewissen
Aussichten haben mich damals
psychisch enorm belastet, auch
die Trennung von meiner Frau
fiel in diese Zeit“, erzählt er.
„Und die Angst vor einem Rückschlag ist da. Aber ich habe
gelernt, mit der Krankheit umzugehen. Ich lebe bewusster und
vorsichtig, achte auf mich, bewege mich viel, esse gesund.“
Noch etwas hat Frank Stollberg
gelernt: Es kann jeden treffen.
„Kürzlich klagte ein jüngerer
Arbeitskollege über Schmerzen
im Arm. Ich wurde sofort hellhörig und habe ihn zum Arzt geschickt. Man darf entsprechende
Symptome nicht auf die leichte
Schulter nehmen – und wer
rechtzeitig handelt, kann sich
viel Leid ersparen.“ V
k
Weitere Infos: www.vigo-online.de
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