Die Dewey Decimal Classification - Institut für Bibliothekswissenschaft

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Die Dewey Decimal Classification - Institut für Bibliothekswissenschaft
Humboldt-Universität zu Berlin
Philosophische Fakultät I
Institut für Bibliothekswissenschaft
Proseminar Bestandserschließung WS 2003/04
Dozent: Prof. Dr. Klaus-Peter Mieth
Die Dewey Decimal Classification
Entstehung, Aufbau und Ausblick auf eine Nutzung in deutschen Bibliotheken
eingereicht von
Mirjam Düring
Mirjam Düring
Matr.-Nr.: 183054
Meyerbeerstr. 58
13088 Berlin
[email protected]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
S. 3
Entstehung und Entwicklung
S. 4
Inhalt und Aufbau
S. 6
Das Projekt DDC Deutsch
S. 9
Schwierigkeiten und Aufwand einer Übernahme der DDC
S. 10
Zusammenfassung und Stellungnahme
S. 13
Bibliografie
S. 15
2
Einleitung
Die ständig steigende Zahl an publizierter Information in immer neuen Formen verlangt
besonders von Informations- und Dokumentationseinrichtungen immer präzisere Lösungen
zur Erschließung dieser Informationen und ihrer benutzerfreundlichen Aufbereitung.
Besonders im derzeitigen Zeitalter der Datenbanken und Online-Kataloge ist die Kombination
von verbaler und klassifikatorischer Sacherschließung gefordert, ohne dabei die Verbindung
zu den älteren, vielerorts noch (zumindest zusätzlich) in Verwendung befindlichen,
Zettelkatalogen zu verlieren.
Weltweit ist eine Vielzahl an verschiedenen Klassifikationen im Einsatz. Die Wahl der für
eine Einrichtung passenden Klassifikation ist abhängig von ihrer thematischen und
informationellen Ausrichtung, der Größe und Art der Bestände und nicht zuletzt von
technischen und personellen Voraussetzungen. Auf Seiten der zu wählenden Klassifikation
sind die Einfachheit der Handhabung für den Bibliothekar, die Verständlichkeit für den
Benutzer, die Erweiterungsfähigkeit der Klassifikation durch das Aufkommen neuer
Wissensgebiete und die Einbindung in informationelle Netze mit anderen Einrichtungen von
entscheidender Bedeutung.
In dieser Arbeit soll die Dewey Dezimalklassifikation (DDC) hinsichtlich dieser Punkte näher
beleuchtet werden. Sie ist die weltweit am häufigsten benutzte Klassifikation. Etwa 200.000
Bibliotheken in 135 Ländern erschließen ihre Bestände mit diesem System. Sie liegt derzeit
bereits in der 22. ungekürzten Auflage vor und wurde bisher in 30 Sprachen übersetzt.
Eine deutsche Komplettübersetzung wird im Jahre 2005 erscheinen. Trotz teils heftig
geführter Standardisierungsdebatten und Plänen für die Übernahme von amerikanischen
Formalerschließungsregeln herrscht in Bezug auf die Sacherschließung unter deutschen
Bibliotheken wenig Einigkeit. Die DDC ist in Deutschland und anderen europäischen
Ländern kaum verbreitet, sieht von Großbritannien und von der Verwendung in Bibliografien
ab. Diese Arbeit geht demzufolge auf die historischen Gründe dieser Entwicklung ein und
wagt einen kurzen Ausblick in die Zukunft der Dezimalklassifikation.
3
Entstehung und Entwicklung
Die erste Ausgabe der Dewey Dezimalklassifikation erschien im Jahre 1876. Erarbeitet und
herausgegeben wurde sie von Melvil Dewey. Dewey hatte während seiner Studienzeit am
Amherst College in der Bibliothek gearbeitet und dabei die Idee zur Erstellung einer
Klassifikation gehabt, die alle Bücher zehn Hauptgruppen zuordnete. Diese Hauptgruppen
bezeichnete er mit den arabischen Ziffern 0-9. Sein Grundgedanke dabei war, den Aufbau des
Systems so einfach wie möglich zu halten, da zur damaligen Zeit in den Bibliotheken
größtenteils bibliothekarisch unqualifiziertes Personal beschäftigt war und der Beruf des
Bibliothekars, wie er heute üblich ist, sich noch nicht herausgebildet hatte. Zum anderen
wollte Dewey eine gewisse Universalität seines Systems erreichen, die er durch die
Verwendung der arabischen Ziffern erreicht sah.
Um seine Klassifikation publik zu machen, verschickte Dewey 200 Exemplare an
Bibliotheken im ganzen Land. Kurze Zeit später erschien zudem ein vom
Erziehungsministerium herausgegebener Bericht über die Öffentlichen Bibliotheken in den
Vereinigten Staaten1. Dieser Bericht gab ein Zustandsbild des amerikanischen
Bibliothekswesens der damaligen Zeit ab und wies darüber hinaus auf zukünftige Tendenzen
hin. So veröffentlichte er neben Charles Cutters „Regeln für den Kreuzkatalog“2 auch einen
Teil von Deweys Dezimalklassifikation. Verunsichert durch die Vielzahl der existenten
Klassifikationen (fast jede Bibliothek hatte eine eigene) und unzufrieden mit der
Unzulänglichkeit der meisten davon, begann unter den Bibliothekaren eine heftige
Diskussion. Viele Bibliotheken nutzten statische, unflexible Klassifikationen, bei denen die
Bücher grob nach Themen sortiert und dann in der Reihenfolge ihres Eintreffens in der
Bibliothek aufgestellt wurden. Dies hatte zur Folge, dass die einzelnen Gruppen, je mehr die
Bestände anwuchsen, immer unübersichtlicher wurden und Bücher, die thematisch
zusammengehörten, nicht unbedingt auch zusammen standen. Außerdem waren diese eher
einfach strukturierten Klassifikationen für eine feine inhaltliche Erschließung nicht zu
verwenden. Eine direkte Konfrontation der Vertreter beider Seiten erfolgte 1876 auf der
Bibliothekarskonferenz in Philadelphia3, aus welcher Dewey mit seinen Argumenten als
Gewinner hervorging. In der Folgezeit übernahmen immer mehr Bibliotheken Deweys
System (Amherst hatte zuerst die DDC benutzt) und befanden es in der Praxis für vorteilhaft.
Dewey arbeitete unterdessen an der 2. Auflage der DDC, welche Schwachpunkte beseitigen
und die Klassifikation weiter ausbauen sollte. Sie erschien im Jahre 1885.
Auch in der Folgezeit sah sich Dewey mit Anfeindungen seitens anderer Bibliothekare
konfrontiert, welche die DDC ihrem Aufbau nach für unlogisch und unzulänglich und
demnach für in der Praxis nicht oder nur eingeschränkt brauchbar hielten. Meist war diese
Kritik auf Eifersüchteleien begründet, welche sich auf den Misserfolg eigener
Klassifikationen, die in dieser Zeit zuhauf aufkamen, zurückführen lassen. Einige Kritik war
jedoch durchaus berechtigt, sodass sich Dewey gleich nach Erscheinen der zweiten Auflage
an die Überarbeitung der nächsten Auflage machte. So erschienen bis zu Deweys Tod im
Jahre 1931 zwölf Auflagen der DDC-Gesamtausgabe und einige Kurzausgaben, die für
kleinere Bibliotheken herausgegeben wurde (und noch werden), deren Bestände keiner
tiefgehend spezialisierten Sacherschließung bedurften. Längst arbeitete Dewey nicht mehr
allein an der Klassifikation. Im Gegenteil, zeitweilig zog er sich fast ganz davon zurück, um
sich anderen Aufgaben zu widmen. Die Herausgeberschaft der DDC lag in den Händen enger
Mitarbeiter Deweys, seit 1911 unterstützt durch das Decimal Classification Advisory
1
Public Libraries in the United States of America / Bureau of Education, 1876
Rules for the Dictionary Catalogue
3
Conference of Librarians, Geburtsstunde der American Library Association
2
4
Committee, welches die durch Spezialisten der einzelnen Fächer erarbeiteten Erweiterungen
der Klassifikation begutachtete und über deren Aufnahme in die DDC entschied.
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erreichte die DDC den Höhepunkt ihrer
Verbreitung in den USA. Fast 85 % der Bibliotheken klassifizierten ihre Bestände nach ihr,
davon 96% der Öffentlichen Bibliotheken und ein Großteil der Collegebibliotheken. Viele der
großen und einflussreichen Bibliotheken jedoch benutzten andere Systeme, besonders die um
die Jahrhundertwende herum eingeführte Library of Congress Classification (LC). Besonders
der Versand von Titeldaten mit der dazugehörigen Klassifikation auf Katalogkarten war ein
Grund für die zunehmende Verbreitung der LC. Da jedoch viele Bibliotheken bereits mit der
DDC arbeiteten und ein Neuklassifizieren der Bestände vielerorts personell und finanziell
unmöglich war, wurde der Ruf nach den DDC-Nummern auf den Katalogkarten der Library
of Congress immer lauter. Nach anfänglichen Uneinigkeiten über die Ausführung dieses
Vorhabens erscheinen seit 1930 auch die DDC-Nummern in den Titeldaten der Library of
Congress und ersparen somit vielen die DDC benutzenden Bibliotheken den
Klassifizierungsaufwand. Daneben ist die Entwicklung der DDC im 20. Jahrhundert vor allem
gekennzeichnet durch ihre Übersetzung in mittlerweile 35 Sprachen4 und die damit
verbundene internationale Ausbreitung5, sowie interne Veränderungen bei der
Herausgeberschaft der Klassifikation. Seit 1953 vereint das Decimal Classification Editorial
Policy Committee Vertreter der American Library Association, der Library of Congress und
von Forest Press6, welche die Überarbeitungen an der DDC gemeinsam überwachen.
1993 wird die DDC als erste Bibliotheksklassifikation von OCLC Forest Press in
elektronischer Form veröffentlicht. Drei Jahre später, 1996, erschien die 21. Auflage
gleichzeitig als Printausgabe und in elektronischer Form. Seit 2002 ist die DDC als
WebDewey und Abridged WebDewey auch online verfügbar. 2003 erschien die 22. Auflage.
Sie soll den Weg für die Einführung der klassifikatorischen Sacherschließung mit der DDC
auch in deutschen Bibliotheken ebenen, und zwar als Druck- und Webversion. Ein erster
Schritt in diese Richtung ist die seit dem aktuellen Jahrgang 2004 eingeführte Gliederung der
Deutschen Nationalbibliografie und des Neuerscheinungsdienstes nach Sachgruppen, die auf
der DDC beruhen.
4
als Erstes erschien im Jahre 1955 die spanische Ausgabe
aktuell wird die DDC von Bibliotheken in 120 Ländern benutzt
6
Forest Press ist seit 1911 offizieller Verleger der DDC; seit 1988 Teil von OCLC
5
5
Inhalt und Aufbau
Eine Klassifikation ist ein System zur Organisation von Wissen. In der DDC erfolgt diese
Organisation durch die Einteilung des gesamten Wissens der Welt in zehn Hauptklassen.
Jeder Hauptklasse ist unterteilt in weitere zehn Abteilungen, welche wiederum in jeweils zehn
Sektionen gegliedert sind. Die Benennung der Klassen, Abteilungen und Sektionen erfolgt
durch das arabische Ziffernsystem, welches universell anerkannt und damit ebenso einsetzbar
ist. Die Hauptstruktur der DDC setzt sich somit aus diesen drei Ebenen, den sogenannten
summaries, zusammen, wobei die erste und zweite Ebene hauptsächlich Übersichtszwecken
dienen und ihre Überschriften nicht unbedingt mit den Sektionen der dritten Ebene
übereinstimmen.
Die zehn Hauptklassen sind wie folgt eingeteilt:
000 Computer science, information & general works
100 Philosophy & psychology
200 Religion
300 Social sciences
400 Language
500 Science
600 Technology
700 Arts & recreation
800 Literature
900 History & geography
Die Klasse 000 ist die allgemeinste von allen und wird für Werke benutzt, die allgemeiner
Natur sind und sich nicht auf ein bestimmtes Fachgebiet begrenzen lassen, wie z.B.
Enzyklopädien, Zeitungen und allgemeine Nachschlagewerke. Außerdem wird diese Klasse
für Literatur verwendet, die auf den Bereich Wissen und Information spezialisiert ist, wie der
Bereich der Informatik, die Bibliotheks- und Informationswissenschaft und der Journalismus.
Allen anderen Klassen ist ein spezifischer Themenkomplex zugewiesen.
Die Klasse 100 beschäftigt sich mit Philosophie, paranormalen Phänomenen und Psychologie.
Die Klasse 200 beinhaltet die Religionen.
Die Klasse 300 vereint die Sozialwissenschaften. Darin vertreten sind sowohl Soziologie,
Anthropologie, Statistik, Politikwissenschaft und Wirtschaft als auch Recht, Verwaltung,
Bildung, Handel, Kommunikation und Verkehrswesen.
Die Klasse 400 steht für den Bereich der Sprachwissenschaft
Die Klasse 500 beinhaltet die Naturwissenschaften und die Mathematik.
Die Klasse 600 beschäftigt sich mit der Technik, der Medizin und den angewandten
Wissenschaften.
Die Klasse 700 erschließt die Künste. Dazu gehören neben den bildenden und darstellenden
Künsten und der Musik auch Sport und Spiele.
Die Klasse 800 ist für Literatur bestimmt und enthält neben der allgemeinen
Literaturwissenschaft Werke der Prosa, Poesie und Dramatik. Ausnahme hierbei ist die
volkstümliche Literatur, welche in Klasse 300 bei Brauchtum eingeordnet ist.
Die Klasse 900 vereint die großen Bereiche der Geschichte und Geografie. Werke, die
historische Ereignisse oder die historische Entwicklung eines Landes oder einer Region
beinhalten, werden hier eingeordnet. Literatur über die Geschichte bestimmter Themen oder
Gegenstände wird jedoch der für den jeweiligen Sachverhalt zutreffenden Klasse zugeordnet.
6
Da die DDC nach Disziplinen und nicht nach Gegenständen oder Personen aufgeteilt ist, kann
ein Gegenstand aufgrund verschiedener Bedeutungen oder in unterschiedlichen Kontexten
mehreren Klassen gleichzeitig zugeordnet werden. Die Verbindung zwischen den Klassen
wird durch die Verweise (cross-references) im Index hergestellt.
Wie bereits erwähnt repräsentieren arabische Zahlen die einzelnen Klassen der DDC. Die
erste Ziffer in jeder dreiziffrigen Nummer bezeichnet die Hauptklasse. So steht beispielsweise
die 500 für die Naturwissenschaften. Die zweite Ziffer bestimmt die Abteilung. 500 wird für
allgemeine Abhandlungen über Naturwissenschaft gebraucht, 510 für Mathematik, 520 für
Astronomie, 530 für Physik usw. Die dritte Ziffer benennt die Sektion. So beinhaltet 530
allgemeine Abhandlungen zur Physik, 531 die klassische Mechanik, 532 die
Strömungsmechanik, 533 die Pneumatik. Keine Nummer sollte weniger als drei Stellen
haben, nicht besetzte Stellen werden mit einer Null gefüllt.
Nach der dritten Ziffer wird ein Punkt gesetzt. Dieser ist kein Punkt im mathematischen Sinn,
sondern er dient zur Unterbrechung der „Zahlenmonotonie“.
Die DDC wird von Prinzip der Hierarchie bestimmt. Diese wird durch Struktur und Notation
ausgedrückt. Die strukturelle Hierarchie (structural hierarchy) bedeutet, dass alle Teile,
abgesehen von den zehn Hauptklassen, Bestandteil der ihnen übergeordneten Teile sind. Das
entscheidende Konzept hierbei ist, dass alles was für das Ganze gilt automatisch auch für
seine Teile zutrifft (hierarchical force). Einträge, die diesem Konzept unterliegen, treffen
somit auf alle Unterteilungen einer bestimmten Systemstelle zu. Allerdings unterliegen ihm
nicht alle Einträge, so dass dieses Prinzip nicht verallgemeinert werden kann7.
Die Hierarchie der Notationen (notational hierarchy) wird durch die Länge der Notation
ausgedrückt. So sind Notationen denen untergeordnet, die eine Ziffer kürzer sind als sie
selbst, gleichgeordnet denen, die über dieselbe Zifferanzahl verfügen und denen übergeordnet,
welche um eine oder mehrere Ziffern länger sind.
Bsp.: 600 Technology (Applied sciences)
630 Agriculture and related technologies
636 Animal husbandry
636.7 Dogs
636.8 Cats
In diesem Beispiel sind „Hunde“ und „Katzen“ spezifischer, und damit untergeordnet, als das
ihnen übergeordnete „Haustiere“. Untereinander jedoch sind die beiden Begriffe
gleichgestellt, was die gleiche Länge ihrer Notation anzeigt.
In einigen Fällen, wenn es nicht möglich oder vorteilhaft ist, die Hierarchie durch die
Notationen auszudrücken, werden andere Mittel verwendet. Spezielle Überschriften und
Einträge weisen auf Beziehungen zwischen Sachverhalten, welche die Notationshierarchie
verletzen, hin. So werden zum Beispiel Doppelüberschriften (dual headings) angewandt,
wenn ein untergeordneter Sachverhalt Hauptbestandteil des ihm übergeordneten Themas ist;
das übergeordnete Thema und der untergeordnete Sachverhalt haben dann beide dieselbe
Nummer (z.B. 599.9 Hominidae Homo sapiens). Ein „siehe auch - Verweis“ führt den
Klassifizierer zu Unterteilungen eines Themas außerhalb der Notationshierarchie. Zentrierte
Einträge8 (centered entries) bilden eine gravierende Abweichung von der Notationshierarchie.
Ein zentrierter Eintrag wird benutzt, um eine Anzahl von Nummern, die zusammen eine
thematische Einheit bilden, für die jedoch in der Notationshierarchie keine Stelle vorgesehen
ist, anzuzeigen und strukturell miteinander in eine Beziehung zu setzen. Zentrierte Einträge
sind in der DDC typografisch durch das Symbol > gekennzeichnet.
7
zur Präzisierung empfiehlt sich die Lektüre der Einleitung der DDC bei Punkt 7.10
werden so bezeichnet, weil ihre Überschriften und Nummern zentriert auf der Mitte des Blattes abgebildet
werden
8
7
In der DDC sind noch eine Reihe anderer Ausnahmeregelungen enthalten, auf die alle
einzugehen, an dieser Stelle zu weit führen würde.
Ein weiteres, sehr wichtiges Mittel für die Bildung der DDC-Notationen sind die sogenannten
Hilfstafeln (tables). Die DDC kennt sechs dieser Hilfstafeln:
T1 Standard Subdivisions
T2 Geographic Areas, Historical Periods, Persons
T3 Subdivisions for the Arts, for Individual Literatures, for Specific
Literary Forms
T3A Subdivisions for Works by or about Individual Authors
T3B Subdivisions for Works by or about More than One Author
T3C Notation to Be Added Where Instructed in Table 3B, 700.4,
791.4, 808 – 809
T4 Subdivisions of Individual Languages and Language Families
T5 Ethnic and National Groups
T6 Languages
Die Zahlen der Hilfstabellen werden niemals alleine sondern immer nur in Verbindung mit
den Zahlen aus den Haupttafeln (schedules). Die Notationen der Hilfstafel 1 können an alle
Ziffern angehängt werden (es sei denn, es ist ausdrücklich das Gegenteil angegeben), während
die Notationen der Hilfstafeln 2-6 nur dort verwendet werden dürfen, wo dies explizit
gestattet wird.
Die DDC bietet also zwei grundsätzliche Möglichkeiten in der Notationsvergabe zum
Ausdruck von (teilweise sehr komplexen) Sachverhalten: zum einen die Kombination von
Notationen aus den Haupttafeln untereinander, zum anderen durch Anfügen von Notationen
aus den Hilfstafeln.
Da die Notationen durch Hinzufügen weiterer Anhängezahlen immer weiter unterteilt werden
können, entstehen häufig sehr lange Zahlenkombinationen, wobei die Hauptklassen durch den
gesetzten Punkt nach der dritten Stelle noch ersichtlich und nachvollziehbar sind, die
nachfolgenden Ziffern durch teilweise utopische Längen von 20 Stellen nach dem Punkt, den
Betrachter leicht den Überblick verlieren lassen. Dabei gilt: je länger die Notation, desto
spezifischer der Sachverhalt.
Bsp.9: Außenhandel mit Dienstleistungen von Rouen in den Jahren 1950-1990
DDC-Notation: 382.450009442509045
382.4
5
0009
4425
09
045
Basisnotation für Außenhandel
Anhängezahl für Dienstleistungen aus 380.145
Standardschlüssel für Geographika aus Hilfstafel 1
Anhängezahl für Rouen aus Hilfstafel 2
Standardschlüssel für historische Sachverhalte
Anhängezahl für das späte 20. Jahrhundert aus Hilfstafel 1
Für eine detailliertere Einführung in die Benutzung der DDC sei auf die Einleitung der
aktuellen 22. Auflage verwiesen, welche man auch online nachlesen kann10.
9
vgl.: Hennecke, Joachim: Sacherschließung nach den RSWK und nach DDC –
www.uibk.ac.at/sci-org/voeb/kofsept.html
10
Introduction to DDC22 - www.oclc.org/dewey/versions/ddc22print/intro.pdf
8
Das Projekt DDC Deutsch
Im Zuge um die Bemühungen zur internationalen Standardisierung im Informationswesen
wird in Deutschland neben der Einführung des amerikanischen Regelwerks zur
Formalerschließung AACR2 auch heftig über die Übernahme der Dewey Decimal
Classification als Mittel zur klassifikatorischen Sacherschließung diskutiert.
Die erste Voraussetzung dafür wurde durch das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
geförderte Projekt zur Übersetzung der DDC ins Deutsche geschaffen, welche noch in diesem
Jahr in der bereits im Englischen vorliegenden 22. Auflage der DDC erscheinen soll.
Federführend in Deutschland ist dabei das sogenannte Projekt DDC Deutsch, ein
Gemeinschaftswerk Der Deutschen Bibliothek, der Bayerischen Staatsbibliothek und der
Fachhochschule Köln. Das Ziel des Projektes wurde in den Förderantrag an die DFG wie folgt
formuliert:
„Einführung der DDC durch Erstellung einer deutschen Ausgabe der Dewey Decimal
Classification und Aufbau einer DDC-Normdatenbank zur Erschließung in der Deutschen
Nationalbibliographie und zur Entwicklung von DDC-basierten Retrievalmöglichkeiten.
Deutsche und europäische Themen und Sachverhalte sollen dabei in der
Klassifikationsstruktur und als Registereintragungen besonders berücksichtigt werden, um
damit die Voraussetzungen für die Erschließung mit DDC in den deutschsprachigen Ländern
und die Nutzung von DDC-erschlossenen Fremddaten weltweit zu schaffen. Für die Nutzung
der DDC soll eine Normdatei DDC Deutsch aufgebaut werden, in der die für die Vergabe von
DDC-Notationen erforderlichen elektronischen Tools prototypisch entwickelt werden und die
allen Anwendern in den deutschen Universitätsbibliotheken zugänglich sein wird. Beispielhaft
für die Nutzung der DDC soll der OPAC Der Deutschen Bibliothek mit Retrieval- und
Browsingmöglichkeiten über DDC-Notationen und die verbalen Benennungen der DDC
ausgestattet werden.“11
Mit diesem Antrag soll verschiedenen, neueren Entwicklungen im nationalen und
internationalen Bibliotheks- und Informationswesen Rechnung getragen werden, wie zum
Beispiel der Tatsache, dass bereits jetzt durch die Übernahme von Fremddaten etwa von der
Library of Congress oder der British Library, DDC-Notationen in deutsche OPACs Einzug
gehalten haben, diese in der Regel jedoch nicht zum Retrieval genutzt werden können, da eine
Suche nach diesen Notationen meist nicht möglich ist. Zum anderen soll die Verbreitung von
deutscher Literatur in den englischsprachigen bzw. anderen DDC-benutzenden Ländern
gefördert werden, da diese Literatur im Moment in deren OPACs weder durch die (nicht
vorhandenen) DDC-Notationen noch durch (ebenfalls zum Teil fehlende und wenn
vorhanden, dann deutschsprachige) verbale Erschließungselemente (sprich: Schlagwörter)
recherchiert werden können, sodass sich die Recherchemöglichkeiten in der Regel auf eine
Stichwortsuche beschränken, was bei fremdsprachiger Literatur häufig Probleme mit sich
bringt. Des Weiteren basieren eine Reihe von europäischen Projekten zur Erschließung von
Webressourcen und zum Aufbau digitaler Bibliotheken auf der DDC12. Voraussetzung für
eine anzustrebende deutsche Beteiligung an diesen Projekten wäre die Verwendung der DDC
für deutsche Ressourcen.
Dem Antrag an die DFG vorausgegangen war eine Machbarkeitsstudie13, in der sowohl die
Voraussetzungen zur Realisierung des Vorhabens als auch die Chancen für eine Einführung
des Systems im Rahmen der geplanten Zielsetzung analysiert worden waren.
11
vgl. Gödert, Winfried: Projekt DDC Deutsch. In: Informatiospraxis, 53 (2002) 395-400
zu nennen sind hier beispielsweise die Projekte: CORC, DESIRE, CARMEN, EELS, SOSIG, Renardus
13
Einführung und Nutzung der Dewey Decimal Classification (DDC) im deutschen Sprachraum / vorgelegt
von der Arbeitsgruppe Klassifikatorische Erschließung im Auftrag der Konferenz für Regelwerksfragen.
Frankfurt am Main: Die Deutsche Bibliothek, 2000. 75 S.
12
9
Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass trotz einiger Schwierigkeiten bei Übersetzung und
Anpassung an deutsche Bedürfnisse/Verhältnisse eine Einführung der DDC in Deutschland
bzw. im deutschen Sprachraum unbedingt anzustreben sei.
Schwierigkeiten und Aufwand einer Übernahme der DDC
Das erste Problem ist die Übersetzung der DDC ins Deutsche. Sie wird derzeit erstellt von
einer Übersetzergruppe an der Fachhochschule Köln in enger Zusammenarbeit mit
Fachlektoren für einzelne spezialisierte Fächer der regionalen Bibliotheksverbünde14.
Bei der Erstellung von fremdsprachigen Übersetzungen stellt sich immer die Frage, in
welchem Maße der Originalausgabe wortwörtlich zu folgen ist und wo den Besonderheiten
der jeweiligen Sprache durch Abweichungen Rechnung getragen werden können.
Im Falle der DDC Deutsch soll eine möglichst enge Anlehnung an das Original erreicht
werden. Zwar erscheint es oft sinnvoll, Sachverhalte, die spezifisch für den angloamerikanischen Raum sind, durch andere, auf Deutschland bzw. Mitteleuropa zutreffende, zu
ersetzen, jedoch führt ein solches Vorgehen zu erheblichen Problemen bei der
Fremddatenübernahme, was eines der Hauptziele einer Übernahme der DDC in Frage stellen
würde. Freiheiten in der Übersetzung können dort gegeben werden, wo die Inhalte der
jeweiligen Klassen der DDC nicht anders definiert werden und die Struktur und Bedeutung
der Notationen mit der Originalausgabe grundsätzlich übereinstimmt.
Über die zusätzliche Aufnahme von Registereinträgen und Ergänzungen, die den
Suchstrategien der Benutzer entgegenkommen (etwa durch Berücksichtigung der in der
jeweiligen Wissenschaftssprache üblichen Termini), hinaus ist hier eine flexiblere
Verwendung der DDC-Struktur in den einzelnen Fächern möglich. Dies gilt insbesondere
auch im Zusammenhang mit Expansionen, die eine weitergehende Differenzierung an den
Stellen ermöglichen, wo die Besonderheiten des jeweiligen Landes oder der
Sprachgemeinschaft zusätzliche Notationsstellen erfordern, um der Terminologie wie auch
dem zu erwartenden Literaturanfall Rechnung zu tragen. Auf Expansionen kann man da nicht
verzichten, wo zum Beispiel in der Geschichte, bei Verwaltung und Recht oder im
Bildungssystem wichtige Themen in der englischen Originalausgabe der DDC
unberücksichtigt blieben oder innerhalb umfassenderer Klassen untergeordnet und deshalb
nicht gezielt auffindbar sind. Solche Expansionen verändern jedoch nicht die Grundstruktur
der DDC, da sie nur über das Einziehen einer weiteren Ebene unterhalb einer schon
existierenden Klasse erfolgen und bei der Recherche durch Trunkieren leicht wieder mit der
Notation dieser Klasse auffindbar werden. Für die Nutzung von Fremddaten und den
internationalen Datenaustausch sind sie daher nicht hinderlich, auch wenn ihre Existenz
natürlich bestimmte Routinen bei den Suchstrategien notwendig macht.
Auf der thematischen Ebene sind vor allem in den Fächern Probleme zu erwarten, die in
großem Umfang besonders landesspezifische Eigenheiten aufweisen, besonders im Bereich
der Rechtswissenschaft15. Das Rechtssystem gilt ebenso wie die Verwaltung und das
Bildungswesen als so stark von den jeweiligen nationalen Besonderheiten geprägt, dass hier
die Unterschiede zwischen amerikanischer und deutscher Betrachtungs- und Ausdruckweise
besonders gravierend ins Auge fallen. Auch die Zusammenfassungen sehr verschiedenartiger
Teilbereiche (typisch dafür 343 Military, tax, trade, industrial law) in einer Klasse sind aus
deutscher Sicht ungewöhnlich; andere für Deutschland wichtige Aspekte mit hohem
14
für eine detaillierte Beschreibung des Übersetzungsvorgangs siehe:
www.ifla.org/IV/ifla69/papers/137g-Heiner-Freiling.pdf
15
ein kritischer Beitrag dazu: Knudsen, Holger: Brauchen wir die DDC? In: Bibliotheksdienst 33 (1999),
S. 454-461.
10
Literaturaufkommen wie das Recht der Europäischen Union sind noch unzureichend
differenziert.
Weiterhin problematisch für eine Verwendung der DDC in deutschen Bibliotheken sind die
Bereiche Theologie, Politik und Geschichte. Die ist mit der Tatsache zu erklären, dass diese
Gebiete, im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, sehr landesspezifisch geprägt sind.
In der Theologie betrifft dies beispielsweise die Feingliederung der kirchlichen
Organisationen mit der ausführlichen Berücksichtigung des US-amerikanisch geprägten
Freikirchen- und Sektenwesens wie auch die detaillierte Untergliederung der englischen
Bibelausgaben bei völligem Fehlen von Stellen etwa für die Lutherbibel. Auch für deutsche
Verhältnisse sehr wichtige und unbedingt zu berücksichtigende Sucheinstiege in den
Registern (z.B. Abendmahl, Eucharistie, Trinitätslehre) wurden bei der Analyse der
Adaptionsfähigkeit der DDC von der Expertengruppe der DB bemängelt.
Noch tiefergehend zeigen sich die Diskrepanzen in Politik und Geschichte. Am
augenscheinigsten sind dabei die unzureichende Untergliederung für europäische Themen und
historisch zweifelhaft erscheinende Zuordnungen bestimmter Sachverhalte (vgl. u.a.
Frankenreich zu Frankreich, Ritterorden zur Kirchengeschichte). Andere Themen werden zu
undifferenziert betrachtet dem Bereich der Politik zugeordnet, die nach deutschem
Verständnis eher in andere Gebiete wie den Recht oder der Soziologie gehören. Und
schließlich sind für deutsches Literaturaufkommen wichtige Gesichtspunkte des Regierungsund Parteiensystems ungenügend erschlossen.
Die Dominanz des anglo-amerikanischen Weltbildes im Klassifikationsschema der DDC
gehörte zu den von Anfang an gegen die DDC erhobenen Vorwürfen. Im Zuge der sich immer
weiter ausbreitenden internationalen Nutzung der DDC wurde von Seiten der Herausgeber die
Bemühungen verstärkt, die Fixierung auf US-amerikanische Themen zurückzusetzen und
mehr Raum für außeramerikanische Themen zu schaffen. So sind besonders bei der im Jahr
2003 erschienenen 22. englischen DDC-Ausgabe größere Veränderungen in den Bereichen
Religionswissenschaften (starke Erweiterung der Notationen für nichtchristliche Religionen),
Ethnologie und Sprachen zu bemerken.
Was den personellen und zeitlichen Aufwand im Falle der Einführung betrifft, so wurden von
der DB bisher eher vage Schätzungen abgegeben, die auf Erfahrungen der Library of
Congress, der British Library und der Bibliothèque Nationale beruhen. So pendelt
beispielsweise der ermittelte Zeitraum für die Einarbeitung eines Klassifizierers in die DDC
zwischen drei und neun Monaten. Dabei werden neben dem Besuch von
Weiterbildungsveranstaltungen auch größeres Engagement im Eigenstudium sowie das
personalintensive Überprüfen der Notationsvergabe durch einen erfahrenen DDCKlassifizierer in den ersten sechs Monaten mit eingeschlossen. Die Deutsche Bibliothek geht
in ihrer Studie davon aus, dass die Hauptlast der Einführung bei ihr und in den großen
Verbünden liegt, da dort ein Großteil der Titeldaten erstellt wird, welche dann als Fremddaten
ohne eigene Bearbeitung (bis auf die Lokaldaten) übernommen werden können. Hinzu kommt
die erwartete große Anzahl an ausländischen Titeldaten, welche mit kleineren Anpassungen in
der Formalerschließung ebenfalls ohne größeren Aufwand übernommen werden könnten. Ein
weiteres Argument seitens Der Deutschen Bibliothek für geringe, zu erbringende
Arbeitsleistungen durch die einzelnen (kleineren oder mittleren) Bibliotheken ist der
Umstand, dass die DDC zunächst nur als zusätzlichen Instrument der Sacherschließung,
jedoch nicht als Aufstellungssystem in den Bibliotheken vorgesehen ist. Das würde bedeuten,
dass in den OPACs lediglich ein zusätzliches Feld für die DDC-Notation vorhanden wäre,
welches jedoch, sollte die betreffende Bibliothek keine Verwendung dafür haben, auch
ungenutzt bleiben und eventuell aus der OPAC-Anzeige herausgenommen werden kann.
Im Bereich der zu erwartenden Kosten sind die Angaben der Machbarkeitsstudie der DDC
ebenfalls nicht sehr konkret. Während in einer vergleichbaren Studie zur Einführung des
amerikanischen Formalkatalogisierungsregelwerkes AACR2 Beispielrechnungen angestellt
11
und Kosten-Nutzen-Punkte vergeben werden, fehlen diese Überlegungen für die DDC völlig.
Sicher einkalkulierbar sind die Lizenzgebühren für WebDewey, die von jeder
Anwenderbibliothek jährlich an den Verlag OCLC entrichtet werden müssen und welche
zurzeit zwischen 300$ und 500$ liegen und sich nach Art der Bibliothek und ihrer
Zugehörigkeit zu OCLC richten, bzw. die Kosten für die Printausgabe, welche im Laufe des
kommenden Jahres 2005 beim Saur-Verlag erscheinen soll. Des Weiteren ist mit höheren
Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen und erhöhten Personalbedarf, zumindest in der
Anfangszeit nach der Einführung, zu rechnen. Hinzu kommen gegebenenfalls Gebühren für
ausländische Titeldienste, erhöhte Bedürfnisse im EDV-Bereich und Aufwendungen für die
Pflege der deutschen Ausgabe und diesbezügliche internationale Projekte für eine
Weiterentwicklung der DDC im Allgemeinen (Kooperation mit OCLC, Abgleich mit anderen
europäischen Ausgaben etc.).
Da um die Einführung der DDC für die Sacherschließung im deutschen Bibliothekswesen ein
heftiger Streit entbrannt ist, sollen hier nun abschließend noch einmal die Vor- und Nachteile
der Dewey Decimal Classification im Überblick dargestellt werden:
Vorteile:
- internationale Verbreitung; die DDC ist die weltweit am meisten genutzte
Klassifikation in Bibliotheken, in Bibliografien und bei der Erschließung des Internets
- laufende Aktualisierung
- gute elektronische Nutzbarkeit (vgl. WebDewey)
- gute OPAC-Eignung
- mögliche Verbindung z.B. mit der RVK und anderen regionalen Klassifikationen
durch Konkordanzen
Nachteile:
- inhaltliche Schwächen in einigen Gruppen sowie die Amerika-Zentrierung bei vielen
Themen
- unübersichtliche Notationen; viele Ausnahmeregelungen, die die Verwendung für
Bibliothekar und Nutzer schwierig machen
- zweifelhafte Akzeptanz bei den potentiellen Anwenderbibliotheken
- ungewisse finanzielle und personelle Aufwendungen
12
Zusammenfassung und Stellungnahme
Die Dewey Decimal Classification ist eine Universalklassifikation, deren Aufbau auf einer
streng hierarchischen Gliederung des Wissens in Haupt- und sich immer weiter verzweigende
Unterklassen beruht. Neben der Möglichkeit der Erschließung bis hin zu feinsten
thematischen Unterscheidungen, besteht der große Vorteil der DDC in ihrer internationalen
Anwendbarkeit und Anwendung. Der Terminus Universalklassifikation bezieht sich in ihrem
Fall also nicht nur auf ihre inhaltlichen Aspekte, sondern auch auf ihre geografische
Verbreitung.
Neben der 1876 erschienenen englischen Originalausgabe liegen inzwischen Übersetzungen
in über 30 weitere Sprachen vor. Die erste deutsche Übersetzung der Gesamtausgabe wird
voraussichtlich 2005 erscheinen. Damit hat Die Deutsche Bibliothek, allen Kritikern zum
Trotz, den ersten Schritt hin zu einer Nutzung der DDC im deutschen Sprachraum getan.
Vorangegangen war diesem Projekt eine Machbarkeitsstudie, die ebenfalls unter der Leitung
der Deutschen Bibliothek in Zusammenarbeit mit Vertretern großer deutscher
Bibliotheksverbünde entstanden ist. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Einführung
der DDC im deutschen Sprachraum unbedingt zu befürworten sei. Zwar sieht auch sie einige
Schwierigkeiten bei der Adaption an das deutsche Bibliothekswesen, welche jedoch, im
Hinblick auf den Nutzen der DDC, zu vernachlässigen seien. So sei auch die starke
Amerikafixierung der DDC kein Argument gegen sie, da dies in anderen Ländern zu keinen
Problemen geführt hätte. So mag mit einigem Zynismus betrachtet das Argument der
internationalen Akzeptanz der DDC wohl zum Teil auch daran liegen, dass viele
Anwenderländer nur unzureichend über die bibliothekarischen Strukturen geschweige denn
eine für eigene Klassifikationsprojekte gerüstete Nationalbibliothek verfügen (z.B. Tunesien,
Island etc.).
Kritiker bezweifeln dagegen die Objektivität dieser Studie, da diese von der Deutschen
Bibliothek selbst und nicht von einer unabhängigen Instanz erstellt wurde.
Globalisierung ist eines der großen Themen unserer Zeit, welches alle Bereiche des Lebens
umfasst und auch vor dem deutschen Bibliotheks- und Dokumentationswesen nicht halt
macht. Selbstverständlich ist es auch für deutsche Bibliotheken und andere
Informationseinrichtungen zwingend notwendig, den Dialog zu suchen und internationale
Kooperationen anzustreben, um das System der Vernetzung und Vermittlung von Information
zu optimieren. Allerdings darf dies nicht zu einem Selbstzweck werden, durch welchen unter
Umständen die einzig relevante „Bezugsgröße“, nämlich der Nutzer, aus den Augen verloren
wird.
Ist es also gerechtfertigt, so viel Personal, Arbeit, Zeit und Geld für ein solches (und andere16)
Projekt aufzuwenden, wenn vielerorts, verursacht durch die allgegenwärtigen Sparzwänge,
nicht einmal die grundlegendsten Voraussetzungen für eine vernünftige, kundenorientierte
Bibliotheksarbeit gewährleistet werden können?
Ich bin gerne bereit, zu glauben, dass die DDC in Zukunft einen großen Beitrag zur
weltweiten Erschließung von Informationsressourcen leisten kann. Unbestritten mag es auch
schon zum heutigen Zeitpunkt für Bibliotheken mit größeren Beständen an ausländischer
Literatur hilfreich sein, die Titeldaten dafür inklusive den DDC-Notationen in Form von
Fremdkatalogisaten aus dem Ausland nutzen zu können. Und nicht zuletzt ist es ein
prestigeträchtiges Projekt, das dem deutschen Bibliothekswesen (und vor allem Der
Deutschen Bibliothek) international zu der gesteigerten Aufmerksamkeit verhelfen kann, die
es (sie) sich so sehr wünscht.
16
Vgl. die Debatte um die Einführung der AACR2 als Regelwerk für die Formalerschließung
13
Was die alltägliche Arbeit für und mit dem Nutzer betrifft, bezweifle ich, dass die Einführung
der DDC größere Vorteile bringt. Die „Zwangsbeglückung“ des ohnehin schon indirekt durch
genügend praxisferne Regelwerke gequälten Bibliotheks- und/oder OPAC-Nutzers hätte
meines Erachtens nur zur Folge, dass viel Geld vergeudet wird, welches an anderen Stellen
dringend benötigt wird (z.B. zum Ankauf aktueller Literatur in manchen
Universitätsbibliotheken). Ich glaube nicht, dass einem Benutzer, der in einem OPAC nach
Informationen sucht, noch zusätzliche Kategorien mit kryptischen Zeichen, zusätzlich zu den
ohnehin schon manchmal völlig unübersichtlichen Titelaufnahmen, zuzumuten sind. Das gilt
im Übrigen auch für den durchschnittlichen Bibliothekar an der Auskunftstheke, der in aller
Regel während seiner Arbeitszeit mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat.
Ein wenig hat man im deutschen Bibliothekswesen immer den Eindruck, dass die Schaffung
von möglichst komplizierten Regelwerken dazu da ist, größtmögliche Verwirrung bei den
Benutzern zu stiften, um damit dem Beruf des Bibliothekars auch weiterhin im bisherigen
Sinne seine Daseinsberechtigung zu geben und ihn damit vor allzu großen (und vielleicht
sinnvollen?) Veränderungen zu schützen.
Der Nutzer jedenfalls sieht in den meisten Fällen nichts davon; der direkte Nutzen hält sich
für ihn stark in Grenzen. Untersuchungen der Recherchegewohnheiten von
Bibliotheksbenutzern in den OPACs (z.B. an der Uni Tübingen) haben ergeben, dass die
angebotenen komplexen Suchmöglichkeiten schon jetzt größtenteils gar nicht genutzt werden.
Meiner Meinung nach sollte den Bibliotheksbenutzern geholfen werden, bereits bestehenden
Möglichkeiten besser zu nutzen, anstatt immer neue hinzukommen zu lassen. Man sollte ihn
persönlich beraten (dies ist in Zeiten immer knapper werdenden Personals fast unmöglich,
aber es gibt noch Ausnahmen), man sollte ihn freundlich behandeln (auch das ist leider in
vielen Einrichtungen weit entfernt von der Realität) und in einer Sprache mit ihm sprechen,
die er versteht. Bibliotheken sollten so aufgebaut und eingerichtet werden, dass sie auch ohne
aufwändige Nutzerschulungen nutzbar sind. Vor allen Dingen müssen die Einarbeitungszeiten
für Medien verkürzt werden. Was nützt die beste DDC-Notation, wenn das Buch ein halbes
Jahr im Geschäftsgang unterwegs ist? Bibliotheken sind Dienstleistungsbetriebe und wir
sollten endlich anfangen, auch danach zu handeln. Damit kann man dann vielleicht keine
wissenschaftliche Karriere machen, aber man wäre ein guter Bibliothekar oder eine gute
Bibliothekarin.
14
Bibliografie
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15