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www.vda-kultur.de
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
G 3560
47. Jg.
Heft 1/2015
Die
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best Lebens
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Aus
Kultur & Politik
Kultur & Geschichte
Kultur & Sprache
Außenminister Steinmeier:
Vor 70 Jahren: Langsdorff –Kapi-
Charles M. Schulz, Erfinder
Integration von Minderheiten
tän des Panzerschiffs Graf Spee
und Zeichner der „peanuts“
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Ein Wort vorab
3
Titelfoto: Austauschschülerinnen der DS aus Villa Ge-
Kultur & Politik
neral Belgrano in Argentinien bei ihrem Berlin-Besuch im
Bundesaußenminister Steinmeier:
Februar 2015
Integration von Minderheiten hat zentrale Bedeutung
© VDA
4–6
Interview mit der Botschafterin Brasiliens,
I.E. Frau Maria Luiza Ribeiro Viotti:
Deutsche Spuren in Brasilien bis heute erkennbar
7–11
Kultur & Geschichte
Vor 70 Jahren:
Langsdorff – Kapitän des Panzerschiffs Graf Spee
12–13
Das Baltikum und die deutsche Vergangenheit
13–16
Kultur & Reisen
In Norwegen unterwegs – Alesund, Stadt auf drei Inseln 17–19
Kultur und Begegnung
V. Internationales VDA-Chordirigentenseminar
20–21
Impressum
Seit 1990: Deutsch-polnischer Schüleraustausch
mit Comenius-Schule in Duisburg
22–24
Karneval in Oberschlesien –
rheinisches Brauchtum exportiert
24–25
Hilfstransporte nach Rumänien –
mehr als nur Warenlieferung
26–27
Kultur und Sprache
Zwischen Beethoven und Erstem Weltkrieg:
Charles M. Schulz, Erfinder und Zeichner der „peanuts“ 28–33
Eine Stimme für die Deutsche Sprache –
Der Verein Deutsche Sprache stellt sich vor
Kultur & Jugendaustausch
Impressionen von den VDA-Kulturreisen ste
Die beeit
Z es
meinens
Leb
34–35
36–39
Antonella aus Chile – für einige Wochen unser 6. Kind
40
Verbandsinformationen
Mitgliederversammlung des LV Baden-Württemberg
41
Auszeichnung für Julia Herb in Dresden
41
Peter Hucker – feierlich verabschiedet
42
Gastvortrag des VDA an der FH Remagen
42
Mitwirkende dieser GLOBUS-Ausgabe:
Peter Bien, Roswitha Dahs, Claudia Degenhardt,
Prof. Dr. Hartmut Fröschle, Dr. Bernhard und Irmtraud Grimm,
Hermann Grimm, Rudi Hepe, Dr. Holger Klatte,
Thomas Konhäuser, Barbara Loch, Petra Meßbacher,
Ilona Mosler-Biadacz, Susanne Reinhardt,
Wolfgang Reith, I.E. Frau Maria Luiza Ribeiro Viotti,
Dr. Roswitha Schieb, Katharina Schmitt, Prof. Hans-Peter Schurz,
Ulrich Uhlmann, Regine Wegmann
2
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Herausgeber:
Verein für Deutsche Kulturbeziehungen
im Ausland e.V. (VDA), gegr. 1881 als
„Allgemeiner Deutscher Schulverein”,
vertreten durch Klaus Brähmig MdB, Vorsitzender.
Der GLOBUS erscheint vierteljährlich in der
VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH
Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin,
Telefon (0 22 41) 2 10 71,
Fax (0 22 41) 2 92 41, E-Post: [email protected],
Internet: www.vda-kultur.de
Redaktion: Petra Meßbacher,
VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH
Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin,
Telefon (0 22 41) 2 10 71,
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Internet: www.vda-kultur.de
Gestaltung und Herstellung: Druckerei Engelhardt GmbH,
D-53819 Neunkirchen, Tel. (0 22 47) 92 00-0,
Fax (0 22 47) 92 00-92, E-Post: [email protected],
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Jahresabonnement:
Jahresabonnement 20,– €
zzgl. Versandkosten.
Zusätzlicher Einzelbezug
auf Anforderung pro Heft 5,– € zzgl. Versandkosten.
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BIC: DEUTDEDK380.
Mit vollem Namen gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt
die Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte
Manuskripte und Fotos keine Haftung. Rücksendung nur gegen
Rückporto. Abdruck für deutschsprachige Publikationen im Ausland bei Quellenangabe und gegen Belegexemplar gestattet, im
Inland nur mit Genehmigung der Redaktion.
ISSN 0721-0167
vorab...
t
r
o
W
Ein
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Liebe „GLOBUS“ Leser!
in der vergangenen Ausgabe berichteten wir Ihnen darüber berichtet, dass
wir es mit viel Mühe aber großem Erfolg geschafft hatten, alle Gastschüler
aus dem fernen Südamerika und Namibia an willkommen heißende Gastfamilien in Deutschland zu vermitteln. Eine
ganze Reihe von Teilnehmern flog das
erste Mal nach Deutschland und hatte
bislang nur eine theoretische Idee von
dem, was sie hier erwarten würde. Wie
zeitgemäß würde Ihr Deutschlandbild
wohl sein?
Nun, diese Frage stellte sich dann
spätestens bei der Durchführung unserer neuen Kulturreisen, die wir als
VDA erstmals in diesem Jahr unseren
Partnerschulen angeboten haben. Profitiert haben von den neuen Eindrücken vornehmlich Austauschschüler aus
Asunción in Paraguay und Schüler der
Deutschen Schule Los Angeles in Chile,
für die wir eine solche maßgeschneiderte Reise jeweils organisieren durften.
Letztere kamen sogar extra wegen und
für dieser Reise um den halben Erdball
geflogen. Neben dem lange ersehnten
Besuch in Berlin, Führungen im Deutschen Bundestag, den landeseigenen
Botschaften sowie zahlreichen kulturellen highlights – von Amsterdam, Hamburg, Potsdam bis Dresden – besuchte
die paraguayische Reisegruppe sogar
Görlitz, um sich von der deutsch-polnischen Grenzregion einen lebendigen
Eindruck zu verschaffen.
Alle Schüler konnten hörbar einen
enormen Sprung in der Verbesserung
ihrer Sprachkenntnisse machen und
kamen voller Anregungen für den heimischen Sprachunterricht von diesen
bundesweiten Kulturreisen zurück.
Es ist in unseren Augen als VDA ungemein wichtig, praktikable und kulturgeprägte Begegnungsprojekte für
junge Leute zur Anwendung der deutschen Sprache anzubieten, an deren
Erhalt und Pflege im Ausland uns als
VDA aus satzungemäßem Auftrag naturgemäß sehr viel liegt.
Durch die unglaublich rasante Globalisierung von Verbindungen, Netzwerken und persönlichen Kontakten
läßt sich die trügerische Illusion zwar
schnell herstellen, virtuell an jedem
beliebigen Ort der Erde in kürzester
Zeit „ankommen“ zu können, wenn
man es nur wollte! Doch bleibt es
gleichwohl eine Illusion. Nichts ersetzt
den persönlichen Kontakt, kein chatten, kein mailen und nichts ersetzt die
persönliche Anwesenheit vor Ort, um
eine Umgebung, eine Lokalität, um
andere Menschen mit allen Sinnen zu
begreifen und zu verstehen. Der beste
Lehrmeister
für das Erlernen einer
Sprache ist
und bleibt
das „Eintauchen“ unter Muttersprachlern.
Daher kann
der VDA mit seinen neuen „Reisebausteinen“ auf diese Weise dazu beitragen, dass die deutsche Sprache und
vor allem ein zeitgemäßes und aktuelles
Deutschlandbild im Ausland lebendig
bleiben. Auch der VDA selbst darf sich
in gleicher Weise zeitgemäßen und
modernen Prozeßabläufen nicht verschließen. Das Angebot mag ein Weg
sein, der in vielerlei Hinsicht erfolgreich
beschritten werden kann. Das Interesse
unserer Partner im Ausland an Kulturund Bildungsreisen ist jedenfalls uneingeschränkt vorhanden. So liegt es auch
an uns, neue Wege in der interkulturellen Begegnung einzuschlagen.
Mit herzlichem Gruß
VDA-Geschäftsführerin
GLOBUS-Chefredaktion
Wir wünschen
unseren Lesern
in aller Welt
ein frohes
Auftakt für die Austauschschüler der DS Concordia aus Asunción, Paraguay
zu einer 16-tägigen Kulturreise am 24. Januar 2015 im verschneiten Bonn, © P.M.
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Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier:
Integration von Minderheiten hat zentrale Bedeutung
Von Thomas Kohnhäuser
Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier wurde in Hermannstadt / Sibiu in Siebenbürgen zum Ehrenbürger
ernannt, wo der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis, Angehöriger der
deutschen Minderheit, bis Ende 2014
Oberbürgermeister war. Zugegen war
auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk
MdB, der Bundesaußenminister Steinmeier bei seinem Besuch in Rumänien
begleitete.
Bundesaußenminister Steinmeier
hob bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde seine Erinnerungen an den
Jahreswechsel 2006/2007 hervor, den er
in Hermannstadt erlebt hatte. Zu diesem
Zeitpunkt wurde Rumänien Mitglied der
Europäischen Union, und Hermannstadt
wurde zeitgleich europäische Kulturhauptstadt. Die nahe den Südkarpaten
gelegene Kreisstadt Hermannstadt/Sibiu
wurde 1150 unter der ungarischen Krone von deutschen Siedlern gegründet.
Sie entwickelte sich zu einer wichtigen
Handelsmetropole und wurde zum politischen Zentrum der sogenannten Siebenbürger Sachsen.
Am Abend nahmen Bundesaußenminister Steinmeier und Bundesbeauftragter Koschyk an der Festveranstaltung
„25 Jahre Demokratisches Forum der
Deutschen in Rumänien“ teil. Das Forum
ist ein Zusammenschluss der deutschen
Minderheiten in Rumänien. Ehemaliger Vorsitzender des Forums, das auch
im Parlament vertreten ist und welches
beim Reformprozess in Rumänien eine
wichtige Rolle gespielt hat, ist der jetzige
Präsident Klaus Johannis.
Im Rahmen der Festveranstaltung
wurde eine Ausstellung zum 25-jährigen
4
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erhält von der Hermannstädter
Bürgermeisterin Astrid Fudor den symbolischen Stadtschlüssel als äußeres Zeichen
der Ehrenbürger-Würde von Hermannstadt
Bestehen des Demokratischen Forums
der Deutschen in Rumänien eröffnet.
In seiner Rede sprach Bundesaußenminister Steinmeier von der „herausragenden Bedeutung“ der Integration
von Minderheiten. „Minderheiten bereichern die Mehrheit. Sie bereichern mit
ihrer Kultur und ihren Traditionen die
rumänische Gesellschaft“, so Bundesaußenminister Steinmeier. Darüber hinaus
sei die deutsche Minderheit ein „aktiver
Teil des politischen Lebens in Rumänien“. In Rumänien scheine zu funktionieren, „was man sich mit Blick auf die internen Konflikte innerhalb vieler anderer
Gesellschaften wünschen mag“, so Bundesaußenminister Steinmeier.
Für eine „deutsche Identität innerhalb rumänischer Nationalität“ stehe
beispielhaft der neue Staatspräsident
Klaus Johannis, der bis Ende 2014 Oberbürgermeister war. Bundesaußenminister Steinmeier zitierte Staatspräsident
Johannis mit den Worten: „Ich bin rumänischer Staatsbürger, also Rumäne;
und ich bin ethnisch Deutscher. Mein
Deutschtum hat nichts mit der Bundesrepublik als Staat zu tun, sondern mit
der Sprache und der Kultur.“ Als weitere
Beispiele für die „kulturelle Schaffenskraft der eigenen Sprache“ nannte Bundesaußenminister Steinmeier die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, den
Romanautor Eginald Schlattner und den
Musiker Peter Maffay. Bundesaußenminister Steinmeier ermutigte dazu, die
deutsche Sprache in Rumänien weiter zu
fördern. In Rumänien gibt es nach Regierungsangaben rund 80 deutschsprachige Schulen.
In seiner Rede hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auch
dazu aufgerufen, in Deutschland mehr
für die Integration von Minderheiten zu
tun, deren Integration „von herausragender Bedeutung für die Zukunft un-
Kultur & Politik
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Staatspräsident Klaus Johannis bei
der Eröffnung der Ausstellung zum 25-jährigen Bestehen des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien
serer Gesellschaft“ sei. Er spreche dabei
nicht nur über die anerkannten Minderheiten wie die Sinti und Roma, Dänen,
Friesen oder Sorben, sondern auch
über jene Menschen, die erst innerhalb
der letzten Jahrzehnte und Jahre nach
Deutschland gekommen sind. Dem
Umgang mit Minderheiten schrieb er
politisch eine bedeutende Rolle zu. Innenpolitisch sei es bedeutsam, weil nur
eine Nation, die die Vielfalt der Identitäten schütze und in der modernen
Welt einbinde, erfolgreich sein könne.
Außenpolitisch sei es entscheidend,
weil nur Staaten, die die Vielfalt innerhalb ihrer Grenzen schützten, friedlich
mit anderen Nationen zusammenleben könnten, so Bundesaußenminister
Steinmeier.
Den Abschluss des Besuches von
Bundesaußenminister Steinmeier bildete ein Abendessen mit Mitgliedern
der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe sowie mit deutschen
Wirtschaftsvertretern.
Rumänien auf
gutem Weg
Vor seinem Besuch in Hermannstadt/Sibiu führte Bundesaußenminister Steinmeier in der Hauptstadt Bukarest politische Gespräche. In der rumänischen
Hauptstadt traf Bundesaußenminister
Steinmeier zunächst mit Staats­präsident
Klaus Johannis zusammen.
Im Anschluss sprach Steinmeier auch
mit Ministerpräsident Victor Ponta und
Außenminister Bogdan Aurescu. In einer
anschließenden Pressekonferenz beider
Außenminister betonte Steinmeier, dass
die deutsch-rumänischen Beziehungen
in den letzten Jahren „immens gewachsen“ seien und äußerte „große Anerkennung“ für das, was Rumänien „in den
letzten Jahren geleistet hat“. Die rund
350.000 Rumäninnen und Rumänen
in Deutschland gehörten zu den „am
Besten in den Arbeitsmarkt integrierten
Ausländern“, so Steinmeier mit Blick auf
eine aktuelle repräsentative Studie.
Der deutsche Außenminister bestärkte die rumänische Regierung zudem in ihrem politischen Reformkurs in
Bezug auf noch bestehende Defizite bei
Rechtssicherheit und Transparenz. Auf
einen Schengen-Beitritt werde man weiter hinarbeiten, so die Botschaft.
Bundesbeauftragter Hartmut
Koschyk besprach mit Vize-Außenmi-
Bundesbeauftragter
Hartmut Koschyk
bespricht mit
Vize-Außenminister
George Ciamba, der
für die gemeinsame
Regierungskommission beider Länder
für die Angelegenheit der deutschen
Minderheit zuständig
ist, die Schwerpunkte der in diesem
Jahr stattfindenden
Kommissionssitzung
in Temeswar
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Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Mit einem Hubschrauber des rumänischen Innenministeriums gelangte die Steinmeier-Delegation nach Hermannstadt
nister George Ciamba, der für die gemeinsame Regierungskommission beider Länder für die Angelegenheit der
deutschen Minderheit zuständig ist,
die Schwerpunkte der in diesem Jahr
stattfindenden Kommissionssitzung in
Temeswar.
Auch der Ukraine-Konflikt war Thema in den Gesprächen in Bukarest: Mit
Blick auf die nun rund einen Monat
alten Minsker Vereinbarungen sprach
Steinmeier davon, dass jetzt „deutlich
ein Anfang gemacht“ sei: „Wir haben
eine signifikante Reduzierung der Gewalt.“ Die Ausweitung der Befugnisse der OSZE nannte Steinmeier einen
„entscheidenden Beitrag“, dennoch
werde der Konflikt die Politik noch lange beschäftigen.
Neben dem politischen Austausch
bot der Besuch von Außenminister Steinmeier auch die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Beziehungen zu besprechen.
Deutschland ist für Rumänien Handelspartner Nummer eins, und das Land
wickelt ein Fünftel seines Außenhandels
mit der Bundesrepublik ab. Deutsche Unternehmen gehören zu den größten Investoren und Arbeitgebern in Rumänien:
„Deutsche Investoren schätzen Rumänien“, betonte Steinmeier in Bukarest.
Ein Beispiel ist die Deutsche
Bahn-Schenker AG: Gemeinsam mit
dem Vorstandsvorsitzenden Rüdiger
Grube eröffnete Außenminister Steinmeier das „Global Account Shared Service Center“ in Bukarest. Hiermit wird
die Buchhaltung aller europäischer
DB-Standorte außerhalb Deutschlands
in Bukarest konzentriert.
Bundesbeauftragter Hartmut
Koschyk erörterte mit Staatssekretär
Alexandru Nastase von der Stabstelle für ausländische Investitionen beim
rumänischen Ministerpräsident, deren Direktor Viorel Ciocolu und dem
Wirtschaftschaftsattaché der Deutschen Botschaft in Bukarest, Sebastian Gromig, die Unterstützung der
rumänischen Regierung für deutsche
Unternehmensansiedlungen.
Deutsche Unternehmer in Rumänien in der Diskussion mit für Rumänien engagierten Politikern wie
BdV-Präsident Bernd Fabritius MdB (3.v.r.) und dem Hessischen Landtagspräsidenten und
VDA-Verwaltungsratsmitglied Norbert Kartmann MdL (2.v.r)
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Kultur & Politik
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Deutsche Spuren in Brasilien bis heute erkennbar
Interview mit der Botschafterin Brasiliens in Deutschland
handeln, aber so auch zur Überwindung der Vorurteile und Grenzen beitragen, die der vollen Entfaltung ihres Potenzials als Menschen im Wege
stehen.
Von Petra Meßbacher
und Roswitha Dahs
I.E. Frau Maria Luiza Ribeiro Viotti repäsentiert Brasilien seit 2013
Globus: Die Präsidentin Ihres Landes,
Frau Dilma Roussef, wurde soeben für
eine zweite Amtszeit wiedergewählt.
Auch Sie bekleiden ein hohes Amt auf
politischer Ebene. Welche Veränderungen
hat Brasilien durchlebt, bis die Frauenquote in hohen Staatsämtern angekommen ist?
I.E. Ribeiro Viotti: Die Entwicklung der
Geschlechterbeziehungen in Brasilien
deckt sich teilweise mit der in anderen
westlich geprägten Ländern, wenngleich ihr historische und kulturelle Besonderheiten sowie soziale Faktoren ein
eigenes Profil verliehen. Ein wichtiger
Schritt zur Emanzipation der Frauen
wurde während der Re-Demokratisierung des Landes getan; die Verfassung
von 1988 brachte zahlreiche Fortschritte in Bezug auf die politischen, aber
auch die sozialen Rechte der Frauen.
Das entschiedene Vorgehen der Frauenbewegung zeitigte bedeutende Verbesserungen, die Eingang in die Verfassung oder spätere Gesetze fanden,
darunter die Gleichheit zwischen den
Geschlechtern, die Regelung nicht­
ehelicher Lebensgemeinschaften, das
Verbot der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, die Verurteilung häuslicher
Gewalt, die Anerkennung der reproduktiven Gesundheit, Rechte und vieles
mehr.
Um die verbleibenden Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen
zu beseitigen und die einschlägigen
Verfassungsbestimmungen umzusetzen, haben die verschiedenen brasilianischen Regierungen diverse Maßnahmen erarbeitet, in deren Mittelpunkt
I.E. Frau Maria Luiza Ribeiro Viotti
Bildung, berufliche Qualifizierung, Gesundheit, Wohnen, Bekämpfung häuslicher Gewalt und die Korrektur der
Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt
stehen. Darüber hinaus sind die politischen Parteien gesetzlich verpflichtet,
30% der Listenplätze bei Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Bürgermeisterwahlen für Frauen zu reservieren. Obwohl der Anteil von Frauen in
gewählten öffentlichen Ämtern in der
Praxis hinter den Zielvorgaben zurückbleibt, sind die Fortschritte nicht von
der Hand zu weisen, wie die Wiederwahl von Präsidentin Dilma Rousseff im
Oktober und die Wahl weiblicher Senatoren, Abgeordneter, Gouverneure und
Bürgermeister belegt.
Bei allen Initiativen der Regierung
sollte man nicht vergessen, dass der
Frauenbewegung eine Schlüsselrolle
in diesem Transformationsprozess zukommt, deren über viele Jahrzehnte
geleistete Arbeit zur gesellschaftlichen
Sensibilisierung für die Probleme der
Frau beigetragen hat. Diese Anstrengungen werden flankiert durch die
tagtäglichen Handlungen der Frauen
selbst, die zwar individuell und privat
Globus: Die große Auswanderungswelle
von Deutschen hat im 19. Jahrhundert
stattgefunden, weil viele Auswanderer
sich bessere wirtschaftliche Gegebenheiten versprachen und einen neuen Start in
Brasilien wagen wollten. Inwieweit haben
sie sich „eingebürgert“ oder sind sie Ausländer geblieben?
I.E. Ribeiro Viotti: Brasilien war in der
zweiten Hälfte des 19. und der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts Ziel Zehntausender Auswanderer, darunter vor
allem Deutsche, Italiener, Portugiesen,
Spanier, Japaner, Syrer und Libanesen.
In jüngerer Zeit kamen verstärkt lateinamerikanische Einwanderer. Die Integration von Zuwanderern war beileibe
kein Selbstläufer und verlief nicht ohne
Irritationen; in Bezug auf die Bildung
der brasilianischen Kultur und Identität kann sie jedoch durchaus als Erfolg
Die Botschafterin zu Besuch
bei Bundespräsident Joachim Gauck
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Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Ihre Excellenz, Maria Luiza Ribeiro Viotti, Botschafterin Brasiliens in Deutschland
(Mitte), begrüßt die VDA-Vorstandsmitglieder Prof. Dr.-Ing. Heralt Schöne (rechts)
und Petra Meßbacher anlässlich des Empfangs zum Nationalfeiertag
am 8. September 2014 in der Botschaft Brasiliens in Berlin
verbucht werden. Brasilien ist eines der
wenigen Länder, in denen bereits im
19. Jahrhundert eine multikulturelle
und multiethnische Gesellschaft entstanden ist, in der die Elemente und die
Vertreter der verschiedenen kulturellen
und ethnischen Gruppen harmonisch
und konstruktiv zusammenleben.
Die deutschen Einwanderer haben
sich ebenso wenig wie andere Gruppen
einfach durch eine bereits bestehende,
gefestigte und dominante Kultur assimilieren lassen. Stattdessen traten sie in
einen regen Austausch mit einer Kultur,
die sich selbst gerade im Aufbruch befand und bereits seit vier Jahrhunderten
europäische, afrikanische und indigene
Einflüsse verarbeitete. Dadurch konnten sie selbst einen bis heute sichtbaren
Beitrag zur reichen und vielfältigen brasilianischen Kultur und zur Identität des
Landes leisten.
Belege für diese Interaktion finden
sich unter anderem in der Alltagsspra-
8
che, die in einigen deutschen Gemeinden in Brasilien gesprochen wird, vor
allem im Süden des Landes: Sie unterscheidet sich vom Hochdeutsch und
ist das Ergebnis der Gegebenheiten in
diesen Gemeinschaften und der steten
Koexistenz mit der portugiesischen
Sprache in einem gemeinsamen und
zugleich kulturell vielfältigen Raum.
Heute sprechen all diese Einwanderer
Portugiesisch und verstehen sich als
Brasilianer, nicht als in Brasilien ansässige Deutsche. Während der letzten
Fußball-WM hat ein Teil von ihnen womöglich Deutschland angefeuert. Ich
bin jedoch überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit auch im Spiel gegen die deutsche Mannschaft hinter
der Seleção stand.
Globus: Die deutsch-brasilianischen
Beziehungen sind politisch, wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftspolitisch breit verankert. Wo sehen Sie
besondere Schwerpunkte für eine intensivere Zusammenarbeit?
I.E. Ribeiro Viotti: In den traditionellen
Bereichen der Zusammenarbeit kann
unsere Partnerschaft auch weiterhin
ausgebaut werden. Im Rahmen der
Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage, die ein wichtiges Forum für Unternehmen und Regierungen darstellen,
wurde vor kurzem ein Dialog über die
Förderung gemeinsamer Projekte von
deutschen und brasilianischen KMUs
aufgenommen, wobei der Schwerpunkt
auf Innovationen liegt. Im kulturellen
Bereich machten das Deutschlandjahr
in Brasilien 2013-2014 und der Auftritt
Brasiliens als Ehrengast der Frankfurter
Buchmesse im Jahr 2013 das wachsende Interesse auf beiden Seiten des
Atlantiks deutlich, das Wissen über die
brasilianische Kultur in Deutschland
zu vertiefen und die deutsche Kultur
in Brasilien bekannter zu machen. Auf
politischer Ebene wurde im Jahr 2013
zusätzlich zum regulären Dialog über
Schlüsselfragen und internationale Krisen durch das enge deutsch-brasilianische Engagement für die Resolution
„Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter“ in der UN-Vollversammlung eine
neue Kommunikationsschiene eröffnet.
Diese Initiative sowie die bei der Sitzung über die Zukunft der Governance
des Internets in São Paulo in der ersten
Jahreshälfte 2014 begonnene Debatte
werden neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Deutschland
und Brasilien eröffnen.
Zusätzlich führte das brasilianische
Engagement für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, die
Erhöhung des Anteils technologisch
anspruchsvoller Ausfuhren sowie die Innovationsförderung zu neuen Entwicklungsprojekten und -programmen, bei
deren Umsetzung sich die Zusammenarbeit mit Deutschland bewährt hat
und als immer bedeutender erweist.
Besondere Erwähnung verdient hierbei
die gemeinsame Arbeit in Bereichen
wie Wissenschaft und Technologie, er-
Kultur & Politik
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Lebenslauf von Botschafterin
MARIA LUIZA RIBEIRO VIOTTI
Geboren in Bela Horizonte, Brasilien,
am 27. März 1954, verheiratet mit Dr.
Eduardo Baumgratz Viotti, ein Sohn
Die Botschafterin in ihrer Funktion als Ständige Vertreterin
Brasiliens bei den Vereinten Nationen
neuerbare Energien und Bildung. Hervorgehoben werden sollte auch die
wichtige Rolle Deutschlands als Ziel
für die Stipendiaten des Programms
„Wissenschaft ohne Grenzen“. Neben
der Stärkung der universitären Lehre
sollen damit auch neue Verbindungen
zwischen den Forschergemeinschaften
beider Ländern geknüpft und die angestrebte Internationalisierung unserer
Universitäten gefördert werden.
Globus: Brasilien ist ein junges Land. 25
% der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt.
Ist das eine große Chance für Brasilien bildungspolitische Wege zu beschreiten, die
vielen jungen Menschen besondere Ausbildungsmöglichkeiten und Perspektiven
geben kann? Wie setzt Ihr Land dies um?
I.E. Ribeiro Viotti: Verschiedenen Studien zufolge schreitet der demografische Wandel auch in Brasilien schnell
voran; im Jahr 2030 werden wir wohl
eine deutlich ungünstigere Alterspyramide haben. Solange das „demografische Fenster“ noch offen ist, müssen
wir daher vermehrt in Bildung und
berufliche Qualifikation investieren,
wie es die brasilianische Regierung ja
bereits tut.
Ein im Jahr 2013 verabschiedetes Gesetz stellt sicher, dass 75 % der
Einnahmen aus den Erdöl-Förderlizenzen in die Bildung fließen und 50
% der Erträge des Sozialfonds für die
Offshore-Bohrungen im sog. „Pré-Sal“
in Bildung und Gesundheit. Diese zusätzlichen Ressourcen ergänzen die
Bemühungen, die Qualität der Bildung von der Vorschule bis zur Universität zu verbessern, beispielsweise
durch EDV-Projekte, Internet-Zugang
an Schulen, Weiterbildung von Lehrern
und Anpassung der Lehrpläne an die
Lebenswirklichkeit der Studierenden.
Darüber hinaus werden bestimmte Sozialleistungen wie Bolsa Familia an die
bedürftigen Familien nur ausbezahlt,
wenn ihre Kinder regelmäßig die Schule besuchen.
In den letzten zehn Jahren ist die
Zahl der Studienplätze an Hochschulen des Bundes deutlich gestiegen.
Mit Unterstützung des Sozialfonds
FIES können Studierende mit niedrigem Einkommen nun auch Studiengänge an privaten Hochschulen
absolvieren. Durch verstärkte Investitionen in die Fortbildung der Lehrkräfte sowie das Programm „Wissenschaft
Seit Juli 2013: Botschafterin der
Föderativen Republik Brasilien in der
Bundesrepublik Deutschland
2007–2013: Ständige Vertreterin der
Föderativen Republik Brasilien bei den
Vereinten Nationen
2010–2011: Leiterin der brasilianischen Delegation im UN-Sicherheitsrat und dessen Vorsitzende im Februar
2011
Leiterin der brasilianischen Delegation
im ECOSOC
Seit 2009: Vorsitzende der UN
Peacebuilding Commission Country
Configuration for Guinea-Bissau
1995: Abschluss des Aufbaulehrgangs
(CAE) der Diplomatenakademie Instituto Rio Branco; Titel der Abschlussarbeit: „Erdgas in den Beziehungen
zwischen Brasilien und Bolivien“
1982: Absolventin des Postgraduierten-Studiengangs in Wirtschaftswissenschaften der Universität von
Brasília
Weitere Stationen der Laufbahn
Abteilungsleiterin Internationale
Organisationen im Außenministerium
(2006–2007)
Abteilungsleiterin Menschenrechte
und Soziale Fragen im Außenministerium (2004–2006)
Gesandte bei der Ständigen Vertretung Brasiliens bei den Vereinten
Nationen, New York (1999–2004)
Leiterin des Südamerikareferats I (Beziehungen zu Argentinien, Uruguay,
Paraguay und Chile) im Außenministerium (1996–1998)
Botschaftsrätin in La Paz, Bolivien
(1993–1995)
Zahlreiche Veröffentlichungen
u.a. „Segurança Coletiva“ (Kollektive
Sicherheit), in „O Globo“, Rio de
Janeiro, 16. Februar 2012;
„Nações Unidas: uma perspectiva de
gênero“, mit Daniella P. Brichta (Die
Vereinten Nationen: eine Gender-Perspektive) in „Mundo Afora. Políticas de
Promoção da Igualdade de Gênero“,
Nr. 7. Brasília, Juni 2011
Auszeichnungen
u.a. Rio-Branco-Orden, Großkreuz,
Brasilien;
Bernando-O’Higgins-Orden,
Großoffizier, Chile
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1/2015
Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Die weltberühmte Christusstatue auf dem Berg
Corcovado in Rio de Janeiro
Deutschlandjahrs in Brasilien oder
der Teilnahme Brasiliens als Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse geplant. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass diese beiden
Großveranstaltungen entscheidend dazu beitragen, größeres
Interesse für das jeweils andere
Land zu wecken. Vor diesem Hintergrund wurden und werden in
Brasilien und Deutschland einige
andere kleinere Initiativen von
großer künstlerischer und kultureller Bedeutung entwickelt, um
durch die Kultur die Freundschaft
zwischen unseren Ländern weiter
zu vertiefen.
Globus: Welche Bedeutung hat Ihrer
Meinung nach neben Englisch das Erlernen der deutschen Sprache für brasilianische Schüler?
I.E. Ribeiro Viotti: Die Kenntnis einer
Sprache ist wesentlich für das Verständnis der zugehörigen Kultur. Wenn
wir unsere Beziehungen auf eine noch
breitere Basis stellen möchten, müssen
wir auch den Deutschunterricht in Brasilien und den Portugiesischunterricht
in Deutschland fördern. Nicht nur,
indem wir den Spracherwerb in Institutionen wie dem Goethe-Institut und
dem VDA selbst unterstützen, sondern
auch durch mehr Austauschprogramme für Studierende und durch Partnerschaften zwischen Schulen und
Universitäten.
Englisch ist in vielerlei Hinsicht die
universellste aller Sprachen. Angesichts
der langjährigen deutsch-brasilianischen Wirtschaftsbeziehungen erhält
Globus: Das Deutschlandjahr in Brasilien das Erlernen der deutschen Sprache
2013/2014 ist gerade zu Ende gegangen jedoch besondere Bedeutung. Immerund wurde mit vielen kulturellen Veran- hin gibt es rund 1.600 deutsche Unstaltungen abgehalten. Wird es weite- ternehmen in Brasilien. Die Förderung
re Aktivitäten geben, um die deutsch-­ des Deutschunterrichts ist daher nicht
brasilianische Freundschaft zu pflegen zuletzt eine Form der Annäherung an
unsere Wurzeln, denn die deutsche Einund auszubauen?
I.E. Ribeiro Viotti: Meines Wissens wanderung im 19. und 20. Jahrhundert
ist für 2015 keine größere Kulturi- ist auch ein Grundbestandteil der brasinitiative von der Dimension eines lianischen Identität.
ohne G
­ renzen“ soll eine solide Hochschulbildung gewährleistet werden,
insbesondere in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Der Mangel
an qualifizierten Arbeitskräften aus
diesen Fachrichtungen erweist sich
immer mehr als Hemmschuh für die
wirtschaftliche Entwicklung und den
technischen Fortschritt. Mit Blick auf
die Bedürfnisse des produzierenden
Gewerbes und nicht zuletzt die soziale
Funktion von Bildung, ist man bestrebt,
das Angebot beruflicher Ausbildungsgänge zu erweitern, sowohl an öffentlichen Berufsschulen als auch im Rahmen des SESC/SENAI-Netzwerks, das
von der Privatwirtschaft getragen wird.
Die deutschen Erfahrungen mit der
„dualen Ausbildung“ können sich in
diesem Zusammenhang als nützlich erweisen, eröffnet sich so doch eine neue
Ebene der bilateralen Zusammenarbeit.
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Globus: Die rasante weltweite Vernetzung nimmt ihren Lauf. Der VDA kooperiert seit vielen Jahren mit Deutschen
Schulen in Brasilien, und die Austausche
erfreuen sich großer Beliebtheit auf beiden Seiten. Sollten nach Ihrer Meinung
diese Austausche intensiviert oder verlängert werden, um den jungen Leuten mehr
brasilianische/ deutsche Kultur zu vermitteln oder die Sprache besser zu lernen?
I.E. Ribeiro Viotti: Der rege Austausch
von Schülern und Studierenden sollte auf jeden Fall gefördert werden.
Schließlich sollte er der starken Präsenz
Deutschlands in Brasilien gerecht werden. Wie gesagt, zahlreiche deutsche
Einwanderer haben Brasilien als ihre
zweite Heimat gewählt und sich vor allem im Süden des Landes niedergelassen. In einigen Gegenden werden dort
die deutsche und portugiesische Sprache praktisch gleichberechtigt nebeneinander benutzt. Man sollte auch die
vielen deutschen Unternehmen nicht
vergessen, die seit über einem Jahrhundert zur Entwicklung der brasilianischen
Wirtschaft beitragen. Auch im kulturellen Bereich nimmt das gegenseitige
Interesse ja stetig zu. Brasilien fördert
durch das bereits erwähnte Programm
„Wissenschaft ohne Grenzen“ den Aufenthalt brasilianischer Studierender
in Deutschland. Seit 2011 haben sich
mehr als 5.700 junge Brasilianer zeitweise an deutschen Universitäten und
Die Welt entdecken –
Die Reise Deines Lebens kann in
Brasilien starten – Ende offen –
mit dem VDA-Jugendaustausch.
Jetzt anmelden zum Austausch
ab Januar 2016 mit der
Deutschen Schule in Rio de Janeiro.
www.vda-kultur.de
[email protected]
www.facebook.com/vda.kultur.1881
Kultur & Politik
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Forschungsinstituten eingeschrieben,
und man hofft, diese Zahl bis 2018 zu
verdoppeln. Es ist daher folgerichtig,
den Austausch in den kommenden Jahren zu verstärken.
Globus: Brasilien war als Ausrichter der
Fußballweltmeisterschaft 2014 „Treffpunkt der Welt“. Auch 2016 wird die
Sportwelt auf Brasilien schauen, denn
dort findet die Olympiade statt. Wie
nutzt Brasilien dieses „Rampenlicht“, und
welche Mittlerfunktionen entstehen dadurch? Wird es einen wirtschaftlichen Aufschwung geben?
I.E. Ribeiro Viotti: Brasilien wird diese
mediale Aufmerksamkeit wie bereits bei
der WM 2014 zu seinem Vorteil nutzen. Das Ergebnis der Partien entsprach
nicht ganz unseren Erwartungen, zumal wir von einer hervorragenden
deutschen Elf einfach überrollt wurden. Allerdings kann sich auch Brasilien
als Gewinner fühlen, weil wir mit den
Besuchern, die nicht müde wurden,
die Gastfreundschaft der Brasilianer zu
loben, auf eine gut organisierte und
sichere Weltmeisterschaft anstoßen
konnten. Die zeitgleiche Veranstaltung
von Partien in verschiedenen Städten
brachte logistische Herausforderungen
mit sich, gab uns aber auch Gelegenheit, der Welt die vielen Gesichter und
Formen einer pluralistischen Gesellschaft und synkretistischen Kultur und
die verschiedenen Landschaften unseres riesigen Landes vorzustellen.
Ich weiß nicht, ob man hier von einer Mittlerfunktion im politisch-diplomatischen Sinne sprechen kann, aber
die brasilianische Erfahrung des harmonischen und konstruktiven Zusammenlebens vieler Kulturen und Ethnien
ist aus meiner Sicht eine universale Botschaft, vor allem in dieser Zeit, da die
Ausweitung von Konflikten, von denen
viele einen ethnischen, religiösen oder
kulturellen Hintergrund besitzen, weltweit den Frieden und die Sicherheit
bedrohen. So wie die Weltmeisterschaft
2014 ein Event gegen alle Formen der
Diskriminierung war, können die Olympischen Spiele im Jahr 2016 Gelegenheit bieten, diese und andere Botschaften in die Welt zu tragen.
Unabhängig von den Einnahmen, die
die großen Sportevents dem Tourismus
– und indirekt anderen Wirtschaftsbranchen – einbringen, wurde ihre Wirkung
als Katalysator für Infrastrukturinvestitionen während der Vorbereitungsphase
der Weltmeisterschaft deutlich, vor allem
in der städtischen Mobilität und Sportinfrastruktur. Hier sollte man nicht vergessen, dass diese Investitionen dauerhafter
Natur sind; die erzielten Verbesserungen
bleiben zum Nutzen der gesamten Bevölkerung erhalten.
Globus: Wie wir Ihrer Vita entnehmen
konnten, haben Sie viele interessante Ämter bekleidet, u.a. waren Sie Abteilungsleiterin für Menschenrechte und Soziale
Fragen im Brasilianischen Außenministerium. Die Menschenrechte wurden in der
ehemaligen DDR oftmals mit Füßen getreten. Wie haben Sie die Feierlichkeiten
anlässlich des 25. Jahrestages zum Fall
der Berliner Mauer erlebt?
I.E. Ribeiro Viotti: Dieses Datum ist für
Deutschland ohne Zweifel von großer
Bedeutung, um das Ende von mehr als
einem Vierteljahrhundert der Teilung zu
feiern. Aber – und hier besitzt der Mauerfall eine symbolische Konnotation und
universelle Strahlkraft – man feiert hier
auch das erste in einer ganzen Kette von
Ereignissen, die zum Ende des Kalten
Krieges und zum Zusammenbruch der
autoritären Regimes in der UdSSR und
Osteuropa führte. Ich glaube, dass die
deutsche wie die universellen Dimensionen dieses Tages ihren Ausdruck in
der Auflösung der „Lichtgrenze“ in der
Nacht vom 9. November fanden. Und
die menschliche Seite dieser historischen
Ereignisse wurde noch anschaulicher in
der Freude und Begeisterung, die diese
Feierlichkeiten kennzeichneten.
Ich sehe es als glückliche Fügung,
dass der 25. Jahrestag des Mauerfalls in
einem Moment begangen wird, da das
Die Brasilianische Botschaft in Berlin
Gespenst einer neuen Teilung in Europa umgeht. Die Ereignisse, die dem
Niederreißen dieser Schranken vorausgingen und es begleiteten, machen uns
den Wert der Verhandlungen und der
Diplomatie, der strategischen Mäßigung und Geduld besonders deutlich.
Auch der hundertste Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges gemahnt
uns an die Unverzichtbarkeit von Diplomatie und Dialog, indem er uns die
Konsequenzen ihres Scheiterns vor Augen führt. Dieses Primat von Diplomatie und integrativem Dialog ist traditionell einer der wichtigsten Grundsätze
der brasilianischen Außenpolitik und
bringt uns Deutschland, in dessen Außenpolitik diesen Prinzipien ebenfalls
eine zentrale Bedeutung zukommt,
noch näher. Ich hoffe, dass diese Botschaft die Parteien der Konflikte in der
Ukraine und andernorts erreichen wird,
die den internationalen Frieden und
die Sicherheit bedrohen, wie der israelisch-palästinensische Konflikt und die
Krise in Syrien.
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Kultur & Geschichte
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Weltweite Langsdorff-Anerkennung
70 Jahre nach Kriegsende zollen Freunde und ehemalige Gegner Respekt
Von Rudi Hepe
Als sich im Dezember 2014 das als
Schlacht am Rio de la Plata bekannte
Seegefecht zwischen dem deutschen
Panzerschiff Admiral Graf Spee und
dem britischen Geschwader, zusammengesetzt aus den Schlachtschiffen
Exeter, Achilles und Ajax, zum 75. Mal
jährte, gab es verschiedene Gedächtnisfeiern. Herauszustellen ist die große, Nationalitäten übergreifende Beteiligung an denselben. Eine Gruppe
Spee-Freunde aus Deutschland, Österreich und Neuseeland war eigens nach
Montevideo/Uruguay und Buenos Aires/Argentinien angereist.
In Montevideo fanden Gedächtnisfeiern auf dem Friedhof Norte sowie auf
dem Britischen Friedhof mit dem britischen Botschafter, Ben Lyster-Binns,
dem deutschen Botschafter, Dr. Heinz
Peters, und in Vertretung Neuseelands
Commodore Fred Keating (zweiter
Mann in Washington) statt. Eine Gedenkplakette wurde von uruguayischen
Marinetauchern an der Graf Spee in der
Tiefe des Rio de la Plata angebracht.
Es gab einen ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Anglikanischen Kirche mit Botschafter Dr. Heinz Peters,
Botschafter Lyster-Binns und Neuseelands-Honorarkonsul Ricardo Shaw,
ebenso eine themenbezogene Ausstellung im Marine-Museum, bei der auch
Neuseelands Botschafter Hayden Montgomery anwesend war.
Zahlreiches Publikum nahm an der
zentralen Gedenkstunde an Langsdorffs
letzter Ruhestätte auf dem Deutschen
Friedhof in Buenos Aires teil, die vom
argentinischen General Heinrich Dick
(Sohn eines Spee-Besatzungsmitgliedes) und in Anwesenheit von Heinz
Berger (ehemaliges Besatzungsmitglied
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Die Ortschaft Ajax/ON benannte eine Straße nach Kapitän zur See Hans Langsdorff
in Anwesenheit seiner Tochter, Dr. Inge Nedden (Foto: RN)
der Graf Spee) geleitet wurde. Im Namen von Langsdorff’s Tochter gedachte ihr Gatte, Dr. Rüdiger Nedden, der
damaligen Momente, die er mit einem
Gedenken an die Opfer des Zweiten
Weltkrieges, an die Soldaten aller Länder, an die Zivilisten, an die Opfer des
Holocaust und an die Opfer von Vertreibung und Verfolgung beendete.
Es gab Kranzniederlegungen seitens
der Familie Nedden-Langsdorff sowie
der Bordkameradschaft Graf Spee und
seitens Heather Wellington und Glenn
Douglas Fullam als Anteilnahme der
Kinder und Enkelkinder der HMNZS
Achilles-Besatzungsmitglieder. Drei
Poppy-Kränze wurden niedergelegt
durch den britischen Militärattaché
Andy Hancock, seine Gattin Angie (für
die Irish Seamen‘s Relatives Association)
und den ehemaligen Royal Navy-Flieger Ronald Scott.
An Langsdorffs letzter Ruhestätte in Buenos Aires. V.l.n.r.: Glenn Douglas Fullam
(Neuseeland), Oberst Michael Bringmann (Deutschland), Dr. Inge Nedden-Langsdorff, Dr. Rüdiger Nedden, Angie Hancock (Irland), Ronald Scott (Royal Navy) und
Kapitän zur See Andy Hancock (Großbritannien) sowie weitere Personen am
75. Jahrestag der Schlacht (Foto: Manfred Engler)
Kultur & Geschichte
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Neuseelands Commodore Fred Keating,
zweiter Mann in Washington, zusammen
mit Deutschlands Botschafter Dr. Heinz
Peters bei der Gedenkstunde auf dem
Britischen Friedhof in Montevideo
(Foto: RN)
Gemeinsam begab man sich anschließend zum Britischen Friedhof,
wo – ebenfalls mit Poppykranz-Niederlegungen und einem Blumengebinde
von deutscher Seite – der auf britischer
Seite Gefallenen gedacht wurde. Militärattaché Andy Hancock sprach vom
neuen Geist, der heutzutage dazu
führe, gemeinsam der damaligen Seeschlacht zu gedenken, die übrigens die
einzige gewesen sei, die während des
Zweiten Weltkriegs im Südatlantik ausgetragen wurde. Die Buenos Aires Scottish Guard begleitete mit ihren Dudelsackpfeifern die Zeremonie.
Erwähnt sei noch, dass der in
Schottland geborene, später nach Kanada übersiedelte Schriftsteller Joseph
Gilbey in seinem Buch „Langsdorff
of the Graf Spee, Prince of Honor“
die hohe Wertschätzung herausstellte, die Langsdorff weltweit, auch bei
seinen damaligen Gegnern, genießt.
Ein gut dokumentiertes Buch zu den
damaligen Ereignissen und objektiv
geschrieben.
Ebenfalls in Kanada, in der Ortschaft
Ajax/Ontario (nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und nach einem der
britischen Kriegsschiffe des Flottengeschwaders benannt), wurde schon
2007 in Anwesenheit von Langsdorffs
Tochter, Dr. Inge Nedden, eine Straße
in „Langsdorff Drive“ benannt.
Das Baltikum und die deutsche Vergangenheit
Eine Zeitreise in die deutsch-baltische Geschichte
Von Dr. Bernhard und Irmtraud Grimm
Mit viel Enthusiasmus und Neugier starteten wir im Sommer 2014 eine Rund­
reise durch Schweden. Mit der Fähre
ging es weiter nach Estland. Von dort
fuhren wir in Etappen über Lettland,
Litauen (Memelland) und Polen zurück
nach Deutschland.
Die alte deutsche Hansestadt
Reval (heute: Tallinn)
In Tallinn, das bis 1918 amtlich Reval hieß, treffen wir auf deutsche
Stadtsilhouette von Tallinn (deutsch Reval), Blick vom Hafen. Von Links: St. Nikolai;
russische Newski-Kathedrale, St. Marien-Dom, St. Olai
Spuren in der Gebäudearchitektur,
in den Wappen und Grabmälern von
baltendeutschen Adligen im Dom und
in den Kirchen sowie in den Häusern
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1/2015
Kultur & Geschichte
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
der Kaufleute und der Handwerker.
Die informativen Erläuterungstafeln für
Touristen sind in ganz Estland zumeist
zweisprachig in Estnisch und Englisch
geschrieben. In deutscher Sprache findet man sie selten. Immerhin sind die
Personennamen – so auch diejenigen
der Baltendeutschen – in den Infotexten entsprechend der Nationalität des
Bürgers mit vollem Vor- und Nachnamen zitiert. Dies ist in anderen Ländern
nicht selbstverständlich, sind doch die
deutschen Vor- und Nachnamen in
Lettland, Litauen und Polen sehr oft
der jeweiligen Nationalsprache „angepasst“. Eine kleine deutsche Restminderheit besteht in Tallinn. Zweimal
im Monat gibt es in der schwedischen
Michaelskirche deutsche Gottesdienste. Ein Kirchenaufseher aus Schweden
führte uns durch die neu renovierte Kirche, die in sowjetischer Zeit als Sporthalle genutzt wurde.
Bischofsburg und Kurort an
der Ostsee
die Kurtradition in Estland. Er entdeckte
die Heilwirkung des Ostseeschlamms.
Die russische Oberschicht kam wegen
des milden Klimas hierher. Auch der
russische Komponist Pjotr Tschaikovski
besuchte diesen Ort.
Riga, die Perle an der Ostsee
In Riga, der Hauptstadt von Lettland,
nehmen wir am sonntäglichen, evangelischen Gottesdienst in deutscher
Sprache im Kapitelsaal des Doms, teil.
Der „Auslandspfarrer“ in Riga wird von
der Evangelischen Kirche Deutschlands
(EKD) eingesetzt. Der aus Baden-Württemberg stammende Pastor Markus
Schoch gestaltete einen schönen Gottesdienst für die etwa 50 Besucher.
Die eingefundenen „Deutschen“ sind
Baltendeutsche, Russlanddeutsche
aus der früheren Sowjetunion sowie
lettische oder russische Ehepartner
dieser Deutschen und nicht zuletzt
die Touristen. Im Anschluss an den
In Haapsalu (Hapsal) im Westen von
Estland besichtigen wir die Bischofsburg, einst das politische und geistige
Zentrum des Bistums Ösel-Wiek. Die Bischöfe trugen meist deutsche Namen,
wie das Museum in der Burg verrät. Wir
flanieren zum Kurviertel der Stadt an
der Ostsee. Der reich verzierte Kursaal
(Kuursaal) aus Holz von 1898 kündet
von der Bedeutung Hapsals als Kurort.
Hier gründete der baltendeutsche Arzt
Karl Abraham Hunnius (1797–1851)
das erste Kurbad und errichtete damit
Bischofsburg in Haapsalu (Hapsal)
14
Begegnung in Riga.
Ein lettisches Mädchen in Tracht
Unterhaltung beim Kirchenkaffee
im Dom zu Riga
Gottesdienst unterhalten wir uns beim
„Kirchenkaffee“.
Herr Helmut Brechtel ist ehrenamtlicher Domaufseher in Riga und bietet
uns einen sehr interessanten Stadtrundgang an. So erleben wir eine lockere
Stadtführung durch Riga, bei der wir
auffällig oft von Einheimischen begrüßt
werden. Seit vielen Jahren verbringt
Helmut den Sommer in Lettland. Seine Vorfahren stammen von hier
und das ist der Grund, weshalb
es den junggebliebenen Rentner, der im Großraum Hannover wohnt, hierher zieht. Riga
ist seine Liebe, hier praktiziert
er das lebendige Miteinander
der Kulturen. Herr Brechtel verständigt sich in deutscher Sprache, spricht auch ein bisschen
Englisch und Lettisch. „Viele
Letten verstehen gut Deutsch,
können es aber nicht sprechen.
So klappt die Verständigung
gut“, sagt er uns. Während wir
durch die Stadt schlendern,
bekommen wir immer wieder
seine persönliche Ausstrahlung
zu spüren. Letten winken uns
zu, grüßen auf Deutsch, zwei
Blechbläsermusikanten spielen deutsche Volkslieder wie:
„Ännchen von Tharau“ und
„Im tiefsten Wiesengrunde“.
Ein Mann verkauft uns für eine
Spende Karten mit den schöns-
Kultur & Geschichte
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
ten Jugendstilbauten der Stadt. In den
Kirchen kennen viele der Aufseher „unseren Helmut“. Sie alle wissen, dass
Helmut mit Touristen unterwegs ist und
ihnen etwas vom Herzen dieser Stadt
nahebringt. Das ist ihm voll gelungen,
wofür wir ihm sehr dankbar sind.
Deutscher Verein in Šilutė
(Heydekrug) im früheren
Memelland
Wir reisen weiter nach Litauen ins frühere Memelland. Das Memelland ist
der nördlich der Memel gelegene Teil
des früheren Ostpreußens, der infolge des Versailler Vertrags (1919) nach
einer dreijährigen Verwaltung durch
Frankreich im Jahr 1923 von Litauen annektiert wurde. Wir nehmen
die Landstraße von Šilalė nach Šilutė (deutsch: Heydekrug). Gleich nach
der früheren deutsch/russischen bzw.
deutsch/litauischen Grenze ändert sich
der Baustil. Fest gebaute Ziegelhäuser
oft mit Rundbogenfenstern, Jugendstilhäuser flankieren die Straßen in Heydekrug. Dort wohnen wir im Haus „Heide“ des Deutschen Vereins.
Der Deutsche Verein in Heydekrug wurde im Jahr 1992 gegründet.
Damals zählte der Verein etwa 1200
Mitglieder, derzeit sind es noch etwa
400, so die Vorsitzende Gerlinda Stunguriene. Der Deutsche Verein beklagt
die fehlende Unterstützung durch
Deutschland seit dem EU-Beitritt Litauens im Jahr 2004, aber auch durch
Litauen, das sich für deutsche Vereine
nicht verantwortlich fühlt. Die Argumente der litauischen Seite verweisen
auf die in Deutschland lebenden gut
situierten Memelländer. Der starke
Rückgang der Vereinsmitglieder liegt
vor allem am Wegsterben der „Erlebnisgeneration“. Nachwuchs ist rar,
weil die jüngere Generation im Ausland Arbeit findet oder sich mehr als
Litauer betrachtet. „Die deutsche Kultur im Memelland hat einen schweren
Stand“, sagt uns Gerlinda. „Die Älte-
Eindruck vom Sommerfest 2014 des Deutschen Vereins in Siluté (Heydekrug),
Foto: Indre Vaikuviene
ren müssen mit der Jugend mangels
Verständigung oft litauisch sprechen“.
Gerlinda spricht die zweisprachig
litauisch-englische Infotafel im alten
Evangelischen Friedhof an. Dieser wurde während der Sowjetzeit zerstört.
Wir vermissen hier die deutsche Erläuterung auf der Infotafel. Wir waren bei
mehreren Institutionen im Memelland
wie Touristinformation, Stadtverwaltung, Bibliothek und wurden freundlich
zumeist auf Englisch beraten.
Das im Jahr 2001 mit Hilfe von
Spendern aus Deutschland und des Rotary Clubs eingeweihte Denkmal für Dr.
Hugo Scheu (1845–1937) steht neben
seinem früheren Gutshof. Scheu war
ein bedeutender Förderer der Stadt,
stellte Grundstücke für den Bau der
Schule und der Kirche zur Verfügung.
Sein Interesse galt insbesondere der litauischen Sprache sowie der Kultur und
dem Brauchtum. Scheu zu Ehren ist
zwar eine Straße gewidmet, allerdings
in der litauischen Benennung Sojaus.
Da Scheu aus einer deutschen Familie
stammte, finden wir es schade, dass
nicht der deutsche Name im Straßenschild vorkommt.
Wir fahren ins Memeldelta nach
Rusne (Ruß) an die Stelle, wo sich der
Memelarm Russ vor der Mündung ins
Das Dr. Hugo Scheu-Denkmal erinnert an den bekannten Mäzen und Heimatforscher.
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1/2015
Kultur & Geschichte
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Die Hohe Düne auf der Kurischen Nehrung in Nida (Nidden)
Kurische Haff in weitere Flussarme aufteilt. Die mit dem EU-Logo versehenen
Erläuterungstafeln zum Memeldelta
sind leider nur in Litauisch verfasst. Die
Tafeln enthalten Auszüge von alten
Reichskarten. Auch hier vermissen wir
eine deutsche Übersetzung. Schade,
werden solche Projekte zum großen
Teil aus Deutschland mitfinanziert.
Am nächsten Tag entscheiden wir
uns für eine Tagesfahrt zur Kurischen
Nehrung mit seiner berühmten Dünenlandschaft. Die „Forelle“ bringt uns in
anderthalb Stunden von Uostadvaris
(Kuwertshof) durch die Memelmündung über das Kurische Haff nach Nida
(Nidden). Eine zweistündige Wanderung führt uns über die 73 m hohe
Hohe Düne, eine der größten Dünen
Europas, durch den Kiefernwald der Kurischen Nehrung zur Ostseeküste. Über
den neuen Friedhof von Nidden gehen
wir zurück ins Dorf zum Thomas MannHaus und zur Evangelischen Kirche. Im
alten Friedhof bei der Kirche finden wir
alte und jüngere Grabdenkmäler mit
deutscher Beschriftung. Einige kurische
Grabtafeln sind ebenfalls noch vorhanden. Die Kirche von 1888 ist außen wie
innen gut erhalten. Ein aus Deutschland von der EKD eingesetzter Pfarrer
betreut im Sommer die Gemeinde (Einheimische und Urlauber):
16
Wir besuchen in Heydekrug Martha
J., eine typische Ostpreußin, die der
Autor bei einer früheren Reise im Jahr
1992 kennengelernt hat. In ihrer ostpreußischen Mundart erzählt sie von
der Zukunftslosigkeit der Deutschen
im Memelland. Den ostpreußischen
Dialekt sprechen nur noch die über
Achtzigjährigen. Die evangelischen
Gottesdienste in der Stadtkirche werden durchweg in Litauisch abgehalten, so Martha J.. Nur bei besonderen Anlässen, z.B. bei Besuch aus der
Partnerstadt in Deutschland, wird in
Deutsch übersetzt. Dabei sind die meisten evangelischen Christen in Šilutė
Deutsche oder sogenannte Deutschstämmige. Insgesamt wird Marthas An-
sicht zufolge viel zu wenig für den Erhalt der deutschen Kultur und Sprache
im Memelland getan.
Weiter berichtet Martha über ihre
Odyssee, der Flucht ins „Reich“ und
der Rückkehr ins Memelland. Evakuiert wurden die Memelländer durch
Deutschland im Herbst 1944. Ihre
Familie hielt sich in mehreren Lagern
in Deutschland und Österreich auf
und ließ sich nach Kriegsende in der
Nähe von Hersbruck bei Nürnberg
nieder. Martha hatte als Jugendliche
schon begonnen, sich dort einzuleben, bis im Jahr 1947 eine sowjetische
Kommission in Ansbach zur Rückkehr
ins Memelland mit dem Versprechen
auf Nahrung, Arbeit und Wohnung
aufrief. Schon bei der Rückreise im
Güterwaggon ahnte die Familie, dass
diese Versprechungen nicht eingehalten werden. Die Familie J. war in Šilute˙ ohne Hilfestellung auf sich allein
gestellt, zumal die Häuser und Wohnungen schon von Litauern und der
sowjetischen Besatzung belegt waren.
In ihrer früher deutschen Heimatstadt waren sie nun als große Minderheit vielen Schikanen ausgesetzt. Die
Deutschen mussten damit zurechtkommen, und jeder für sich einen
Weg zum Leben finden.
Mit vielen, reichen Reiseeindrücken,
und schönen zwischenmenschlichen
Begegnungen im Gepäck kehrten wir
über Polen zurück nach Deutschland.
Martha J. aus der „Erlebnisgeneration“ spricht noch den ostpreußischen Dialekt,
neben Irmtraud Grimm
1/2015
Kultur & Reise
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Mit Hurtigruten in Norwegen unterwegs:
Alesund – Stadt auf drei Inseln
Norwegen-Fan Wilhelm II. schickte nach dem großen Stadtbrand 1904
vier Hilfsschiffe ins „Venedig des Nordens“
der Küstenorte, der unzähligen Inseln.
Da werden Autos und Fischkisten ebenso verladen wie Fernsehgeräte und Futtermittel. Da geht es zum Arzt in die
nächste Stadt, zum Campingurlaub
oder einfach an Bord, um den Küsten-Express mitzuerleben.
Von Ulrich Uhlmann
„Hurtigruten ist wie eine Reise durchs
Wunderland“. Arne Carlson, Bootsführer
in Alesund.
Norwegen in seiner ganzen Vielfalt,
im schnellen Wechsel der Jahreszeiten
zu erleben, so wie es Kaiser Wilhelm II.
mit seiner Jacht „Hohenzollern“ schon
seit 1889 tat – bei Hurtigruten ist das
kein Problem. In zwölf Tagen bringt
der Schnelldampfer – unterwegs werden 34 Häfen angelaufen – die Gäste
von Bergen nach Kirkenes im hohen
Norden unweit der russischen Grenze
und zurück nach Süden. Dabei sind die
Fahrzeiten so gelegt, dass sich auf der
Rückfahrt die Landschaften tags erleben lassen, die auf der Hinfahrt nachts
„verschlafen“ werden.
In sechs Tagen zum Nordkap
Auf den fast 2.000 Kilometern bis zum
Nordkap wechselt Stunde für Stunde
das Bild. Anfangs im Süden bewaldete
Hänge mit fruchtbaren Küstenstreifen,
wird die Natur zunehmend karger und
unnahbarer. Der Baumbestand geht
weiter zurück, bis auf schroffen, hunderte Meter hohen Granitrücken nur
noch kümmerliche Moose und Gräser
wachsen. Fjorde schlängeln sich kilometerweit ins Land. Wasserfälle stürzen
in die Tiefe. Und an anderer Stelle Inseln und Inselchen mit bunt gestrichenen Holzhäusern dicht am Meer.
Am 2. Juli 1893 schlug die Geburtsstunde von Hurtigruten. Erstmals wurde ein wöchentlicher Linienverkehr
nach festem Fahrplan ganzjährig zwischen Trondheim (später ab Bergen)
und Hammerfest eingerichtet. Damit
Kaisers Geschenk
Touristen-Trubel am Hurtigruten-Anleger
in Alesund
war der Grundstein für die wirtschaftliche Erschließung Nordnorwegens, der
Finnmark, gelegt. Auch heute noch sichert die Postdampferlinie bis Kirkenes
mit ihren elf Schiffen die Versorgung
Anlaufpunkt am zweiten Tag ist Alesund – die Stadt auf drei Inseln. Eine
besondere Attraktion haben die 45.000
Einwohner im „Venedig des Nordens“,
für die sie keinen Finger krumm machen mussten. Die Rede ist vom fast
200 Meter hohen „Hausberg“ namens
Aksla, den die Natur mitten in den
Ort hinein gesetzt hat. Eine herrliche
Aussicht über Stadt, Meer und Gebirge belohnt den beschwerlichen 418
Stufen-Aufstieg.
Ein kurzer Blick in die Stadtchronik, die den Kreis zu Kaiser Wilhelm
schließt: Wie allerorts im Land bestand
Blick auf Alesund – das „Venedig des Nordens“ © U. Uhlmann
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Kultur & Reise
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Historische Fassaden direkt am Hafen von Alesund
auch Alesund in der Vergangenheit aus
Holzhäusern, denn Holz war billiger
Baustoff. Am 22./23. Januar 1904 kam
es dann – wie überall früher oder später
– zum großen Stadtbrand. Eine umgefallene Petroleumlampe in einer Margarinefabrik war die Ursache; Sturm
kam hinzu. 850 Häuser brannten ab.
Nur wenige blieben verschont. 10.000
Einwohner wurden obdachlos. Die
vierzehn Knastbrüder, die man gegen
Ehrenwort aus dem Stadt-Gefängnis
entließ, fanden sich schon am nächsten
Tag alle wieder ein – Hunger ist schlimmer als Heimweh. Seitdem durften auf
Beschluss der Stadtväter in Alesund nur
noch Steinbauten mit Schieferdach errichtet werden.
Reisetipps:
Reiseliteratur: Kreuzfahrt-Guide
„Hurtigruten“, Edition Maritim, 19,90
€; Reise-Taschenbuch „Hurtigruten“, DumontReiseverlag, 16,99 €;
„Hurtigruten – Zeit für das Beste“,
Bruckmann Verlag, 14,95 €; Merian
live „Norwegen mit dem Postschiff“,
Travel House Media, 12,99 €.
Überall Jugendstil: Auch mit deutsch-kaiserlicher Hilfe wurde Alesund
nach dem großen Stadtbrand von 1904 wieder aufgebaut
18
Informationen/Buchung: Bei allen
Reisebüros und bei Hurtigruten
GmbH, Burchardstr. 14,
20095 Hamburg; Tel. 040/37693-0;
www. Hurtigruten.de,
[email protected].
Kultur & Reise
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Schiffsausflug ab Alesund in den spektakulären Geirangerfjord – einer der Höhepunkte auf der Hurtigrouten
Als Kaiser Wilhelm II. – er bereiste Norwegen bis 1914 insgesamt 23
mal – von der Brandkatastrophe erfuhr,
ordnete er sofort aus seinem Privatvermögen Hilfslieferungen an. Vier Schiffe
gingen aus Bremerhaven und Hamburg
mit Handwerkern, Medikamenten, Lebensmitteln, Kleidung und Baumaterial
auf die Reise. Nach der Entladung dienten sie als Notunterkünfte. Auch die
beiden großen deutschen Reedereien
HAPAG und Norddeutscher Lloyd beteiligten sich an der Solidaritätsaktion.
Stadt des Jugendstils
Innerhalb von drei Jahren wurde Alesund, wiederum auch mit deutscher
Unterstützung, neu errichtet. Junge Architekten machten sich ans Werk und
schufen ein einzigartiges städtebauliches Denkmal des Jugendstils.
Die deutsche Hilfe ist bis heute in
Alesund nicht in Vergessenheit geraten.
Eine Straße und ein Ausflugsdampfer
tragen den kaiserlichen Namen und
auch ein Denkmal erinnert an Wilhelm
II.. Und in den Souvenirläden stapeln
sich Tassen und Postkarten mit hochwohlgeborenem Konterfei.
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1/2015
Kultur & Begegnung
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
V. Internationales VDA-Chordirigentenseminar
für Zentralamerika 2015 in Managua (Nicaragua)
Von Prof. Hans-Peter Schurz
Vom 1. – 8. Februar 2015 fand das diesjährige VDA-Dirigentenseminar wieder
in der Hauptstadt Nicaraguas statt.
Veranstalter war wie im Vorjahr
neben dem VDA das Nationaltheater
„Ruben Dario“ in Managua, dessen Generaldirektor, Herr Ramon Rodriguez,
die vielfältigen Vorbereitungen im professionellem Stil organisierte und leitete. Für unser 5. VDA-Seminar war auch
wieder Herr Gregorio Fonsecca als Koordinator zuständig, der wie schon im
Vorjahr eine reibungslose Veranstaltung
garantierte.
Von den 51 eingeschriebenen Teilnehmern aus Nicaragua, Costa Rica, El
Salvador und Kolumbien, schälten sich
22 besonders engagierte und musikalisch leistungsstarke Teilnehmer heraus,
die die gewonnen Erkenntnisse der behandelten Themen
l Stimmbildung
l Chormethodik
l Dirigiertechnik
l Stilkunde (Renaissance, Barock, Romantik, Moderne)
in den Seminarproben anhand von Liederarbeitungen praktisch anwendeten.
Alle aktiven Dirigenten bestritten
auch als Chor das öffentliche Abschluss-
Edgar Sopon (El Salvador) probt
einen Titel des deutschen Komponisten
Erasmus Widmann
20
Die Teilnehmer des VDA-Dirigentenseminars bei der Probe
konzert im Nationaltheater Managua.
Die davon besten aktiven Seminaristen
dirigierten in dieser abschließenden
Seminar-Präsentation die erarbeiteten
Werke.
Alle anderen Teilnehmer waren als
Hospitanten eingeschrieben.
In zahlreichen Gesprächen und Diskussionsrunden mit dem Veranstalter
und den Teilnehmern wurde immer
wieder die hervorragende Qualität und
die uneingeschränkte Notwendigkeit
des Seminars für die zentralamerikanische Region betont.
Insofern war es ein richtiger Hinweis
und eine wichtige Entscheidung des
damaligen deutschen Botschafters in
El Salvador, dieses VDA-Seminar in der
Region rotieren zu lassen, damit alle
Länder von dieser speziellen VDA-Fortbildung profitieren und sich der Multiplikatorenstamm weiter vergrößern
kann.
Im Mittelpunkt unserer fachlichen
Gespräche standen heute Übungen zur
Qualifizierung der Chorstimme, der unterschiedlichen stilistischen Idealklänge
sowie das Dirigieren als grundlegendes
Handwerk für die Erarbeitung einer
überzeugenden Interpretation von Werken aus verschiedenen Musikepochen.
Außerdem wurden in zahlreichen
Gesprächen über die deutsche Chorszene, die Pflege des deutschen Liedguts
sowie der Alten Meister Deutschlands
und Europas diskutiert. Somit fand ein
reger Gedankenaustausch über die jeweiligen Chortraditionen statt, gilt er
doch auch als praktisches Beispiel für
den lebendigen deutschen Kulturaustausch mit Zentralamerika.
Stets aufgeschlossen und mit großer Neugier haben sich die Teilnehmer
mit der Chorliteratur deutscher Komponisten aus der Renaissance (Erasmus
Widmann), Barock (Georg Friedrich
Händel), Romantik (Johannes Brahms)
und Musik des 20. Jahrhunderts (Hugo
Distler) und deren musikalischen Besonderheiten beschäftigt.
Wie im Vorjahr bestand auch ein
Kontakt zur deutschen Schule in Managua, aus der mir wie 2014 eine sprachlich hervorragende Absolventin als Dolmetscherin zur Verfügung stand.
In Vorgesprächen und in der Abschlussberatung kam vom Veranstalter
und von allen Teilnehmern des diesjäh-
Kultur & Begegnung
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Internationale VDA-Dirigentenseminare an Musikhochschulen
und Kulturinstitutionen bis 2015
Die Teilnehmer des Lehrgangs und Seminarleiter Prof. Hans-Peter Schurz, VDA
(Bildmitte), bedanken sich nach dem Abschlusskonzert 2015
im Nationaltheater „Ruben Dario“ beim Publikum
rigen Seminars die herzliche Bitte an
den VDA, dieses Zentralamerika-Seminar wie in den Vorjahren weiterhin mit
dem bekannten Finanzsatz zu unterstützen und nicht einschlafen zu lassen.
Ich unterstütze diese eindringliche
Bitte aller nationalen Veranstalter und
Teilnehmer, ist doch dieses Seminar nur
noch die einzige Fortbildung des VDA
auf dem Gebiet der Chormusik.
Diese jahrzehntelange Präsenz des
VDA in der weltweiten Chorleiter-Fortbildung, sollte der Verein niemals aufgeben, verlöre er doch gerade auf diesem Gebiet weltweit mehr und mehr
seinen überaus anerkannten internationalen Ruf.
Deshalb ist auch im Anhang zu
lesen, wie der VDA weltweit und umfassend die musikalische Freizeitbeschäftigung deutscher Auswanderer
unterstützt und dadurch die deutsche
Chormusik weltweit bekannt macht
und verbreiten hilft.
Im Rahmen meiner VDA-Tätigkeit in
Zentralamerika hatte ich ein Gespräch
mit dem Musikdekan der National-Universität in Costa Rica, Frau Dr. Carmen
Mendez, die sehr gern als nächster
nationaler Veranstalter das VI. Internationale Chordirigentenseminar für Zen-
tralamerika im Januar/Februar 2016 in
Costa Rica übernehmen, veranstalten
und mitfinanzieren möchte.
Daher bitte ich den VDA-Vorstand
sehr dringend, dieses freudige und engagierte Entgegenkommen der National-Universität von Costa Rica nicht zu
enttäuschen und die inzwischen überall
bekannte und gern besuchte VDA-Fortbildung wieder ungekürzt ideell wie finanziell zu unterstützen.
1994
Kasachstan, Namibia
1995
Russland, Brasilien
1996
Russland, Australien
1997 Russland, Brasilien, Paraguay
1998
Russland, Namibia
1999
Russland, Argentinien,
Australien
2000
Ukraine, Argentinien,
Paraguay
2001
Paraguay, Australien
2002Brasilien
2003Chile
2004Brasilien
2005
Brasilien, Chile
2006
Australien, Brasilien
2007
Brasilien, Chile
2008
Brasilien, Paraguay
2009
Chile, Brasilien
2010
Paraguay, Argentinien,
Brasilien, El Salvador
2011
Chile, Paraguay
2012
El Salvador, Ukraine
2013 El Salvador, Chile, Paraguay
2014Nicaragua
2015Nicaragua
Mir hat meine spezielle VDA-Tätigkeit in Managua wieder sehr viel Freude
bereitet, und ich stehe dem VDA auch
wieder für zukünftige Projekte sehr
gern zur Verfügung.
Gabriela Silva (Nicaragua) dirigiert im Abschlusskonzert einen Titel
des deutschen Komponisten Johannes Brahms © H.P. Schurz
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Kultur & Begegnung
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Deutsch-polnischer Schüleraustausch seit 1990
Eine Duisburger Schule mit vorbildhaftem Engagement
Von Wolfgang Reith
Die Comenius-Schule in Duisburg war
zumindest in dieser deutschen Großstadt die erste Schule überhaupt, die
nach der politischen Wende der Jahre
1989/90 eine Partnerschaft mit einer
Schule in Polen abschloss. Aber auch
landesweit dürfte die nunmehr 25 Jahre
währende Partnerschaft eine der ersten
überhaupt zwischen den beiden Ländern gewesen sein, und schon 1995
war sie der Bezirksregierung Düsseldorf in ihren „Empfehlungen für den
Schüleraustausch mit den Staaten Mittel- und Osteuropas“ eine besondere
Erwähnung wert: In anschaulicher Weise wurde ein Besuch an der polnischen
Partnerschule geschildert, der weiteren
Schulpartnerschaften als Vorbild dienen
sollte. Immer noch sind die Beziehungen lebendig, und inzwischen haben
fast 40 offizielle Austauschbesuche
stattgefunden, nicht mitgerechnet die
vielen privaten Begegnungen, die oft
zwischendurch noch erfolgten.
Begonnen hatte alles bereits im
September 1988, als der damalige
Sportlehrer (und spätere Schulleiter)
an der Skoła Podstawowa im. Tadeusza
Kościuszki in Racot, einem Ortsteil der
Kleinstadt Kościan (südlich von Posen/
Poznan´), zu Besuch bei Verwandten
in Duisburg weilte und zufällig beim
Vorbeifahren auf die dortige Comenius-Schule aufmerksam wurde. Der
über dem Eingang des Gebäudes angebrachte Name der Schule erweckte
nämlich bei ihm Assoziationen an Leszno, Nachbarstadt von Koś cian und
damals noch Hauptstadt der gleichnamigen Wojewodschaft, wo dermaleinst der berühmte Pädagoge Comenius gelebt hatte und wo ihm zu Ehren
deshalb noch heute eine Schule diesen
22
Auf dem Schulhof in Duisburg (Mai 2001)
Namen trägt. Der polnische Lehrer, der
damals wegen seiner Verwandten in
Deutschland schon relativ gut Deutsch
sprach, begab sich daraufhin in das
Gebäude der Comenius-Schule, wo
er auf den Schulleiter traf, dem er im
Gespräch eine Partnerschaft mit seiner
Schule in Racot vorschlug.
Obwohl seinerzeit noch die Kommunisten in Polen herrschten, zeichneten sich doch schon erste Aufweichungs- und Liberalisierungstendenzen
ab, die eine künftige Schulpartnerschaft
einfacher und unbürokratischer erhoffen ließen. So sprach sich das Lehrerkollegium der Comenius-Schule Anfang
1989 zunächst vorbehaltlich der weiteren politischen Entwicklung in Polen für
die Partnerschaft aus, und als im Herbst
desselben Jahres das Regime in Warschau die Macht abgab, um demokratischen Reformen den Weg zu ebnen,
war der Durchbruch geschafft: Zu Beginn des Jahres 1990 reiste der Schulleiter der Comenius-Schule zu einem ersten Informationsbesuch nach Racot, in
Gastgeber und Gäste vor dem Neubau der Schule in Racot (Mai 2006)
Kultur & Begegnung
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
dessen Verlauf ein Partnerschaftsvertrag
zwischen beiden Schulen unterzeichnet wurde, nachdem zuvor die Schulaufsichtsbehörden in Deutschland und
Polen ihre Zustimmung dazu erteilt
hatten. Im März 1990 erfolgte der Gegenbesuch der polnischen Seite in Duisburg, bestehend aus der Schulrätin,
dem Schulleiter, dem Sportlehrer, der
die Partnerschaft angestoßen hatte, sowie einem Vertreter der Gemeinde Kościan, und im Beisein des Schulrates und
des gesamten Lehrerkollegiums wurde
hier nun das offizielle Partnerschaftsabkommen unterschrieben.
Noch im Mai desselben Jahres fuhr
eine erste Gruppe von Schülern und
Lehrern der Comenius-Schule nach Polen (die Einladung dazu war bereits am
29. September 1989 ausgesprochen
worden), und im September 1990 erfolgte – zur 80-Jahr-Feier der Comenius-Schule – der Gegenbesuch aus Racot. Inzwischen sind daraus fast vierzig
Begegnungen geworden, was für eine
dauerhafte Partnerschaft spricht, aus
der inzwischen längst eine zum Teil feste Freundschaft geworden ist.
Deutsch – wichtigste
Fremdsprache
Mit dem Beginn der Partnerschaft wurde der Deutsch-Unterricht an der Schule in Racot intensiviert, und bald schon
ersetzte er vollständig den Unterricht in
Russisch. Auch heute noch ist Deutsch –
vor Englisch – an der Schule die wichtigste Fremdsprache, denn die Grenze
zum Nachbarland Deutschland ist nicht
weit entfernt, und außerdem gibt es
immer noch zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden
Seiten, denn das Gebiet (die ehemalige Provinz Posen) war bis 1919 Teil
des Deutschen Reiches, und so gab es
zumindest in den Anfängen der partnerschaftlichen Beziehungen noch etliche
ältere Menschen in der Gegend, die als
Kinder eine deutsche Schule besucht
hatten. Nach 25 Jahren Partnerschaft
Vor dem Schloss in Racot (Mai 2004)
sind aber inzwischen viele Jahrgänge
von Schülern auf polnischer Seite herangewachsen, die sich in der deutschen
Sprache relativ gut verständigen können. Eine der ersten Austauschschülerinnen, die nach ihrem Schulabschluss
Germanistik studierte, lehrt heute sogar
selbst Deutsch an ihrer alten Schule. Im
übrigen wird in den Beziehungen beider Schulen großer Wert auf sportliche
Kontakte gelegt, wird doch die Schule
in Racot schon seit vielen Jahren vom
Nationalen Olympischen Komitee Polens finanziell gefördert, und seit 1992
sind jeweils einige Schüler und Lehrer
der Schule als Zuschauer zu allen Olympischen Sommer- und Winterspielen
gereist, wobei auch schon Schüler der
Duisburger Partnerschule mitgefahren
sind. Bei allen Austauschbegegnungen
nehmen die Schüler zwar am jeweiligen
Unterrichtsgeschehen teil, doch werden darüber hinaus auch gemeinsame
Exkursionen und Besichtigungen in die
nähere und gelegentlich auch weitere
Umgebung unternommen. Erfreulich:
Die lokale Presse berichtet hüben und
drüben stets über die aktuellen Besuche.
Nach der polnischen Schulreform
im Jahre 2000 wurden die bisherigen
Unterzeichnung des deutsch-polnischen Partnerschaftsvertrages 2005
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Kultur & Begegnung
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Volksschulen in Grundschulen (Jahrgänge 1 bis 6) und Mittelschulen („Gimnazjum“, Jahrgänge 7 bis 9) geteilt (die
Jahrgänge 10 bis 12 bilden die Oberschule, das „Lyzeum“). Die Grundschule in Racot behielt das alte, noch aus
deutscher Zeit (vor 1919) stammende
Gebäude, für die Mittelschule wurde Anfang September 2001 ein neues
Gebäude eingeweiht, das modernsten
pädagogischen Anforderungen gerecht
wird. Die Schule erhielt zudem den
Namen „Polnische Olympia-Oberschule Racot“ („Gimnazjum im. Polskich
Olimpijczyków w Racocie“). Nach der
Trennung in die beiden Schulen musste
auch das Partnerschaftsverhältnis neu
geregelt werden: Die Comenius-Schule
in Duisburg (der polnischen Mittelschule entsprechend) unterhält seither eine
Partnerschaft mit der entsprechenden
Mittelschule in Racot, also dem „Gim-
nazjum“ (nicht zu verwechseln mit
dem deutschen Gymnasium), und im
September 2005 wurde der revidierte
Partnerschaftsvertrag von beiden Schulleitern und dem stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Duisburg vor Ort
feierlich unterzeichnet.
Der frühere Sportlehrer der polnischen Schule, der sich schon in den
1980er Jahren in der demokratischen
Solidarność-Bewegung betätigt hatte,
wurde Anfang der neunziger Jahre – als
viele Kräfte aus der kommunistischen
Ära ihre Ämter verloren – neuer Schulleiter, und er war eine der treibenden
Kräfte der Partnerschaft. Im September
2005 wurde er auf der Liste der Liberalen Bürgerplattform (PO) ins Parlament
in Warschau gewählt (wiedergewählt
bei den folgenden beiden Wahlen), was
sicherlich auch als Würdigung und Anerkennung seiner Rolle bei der Verstän-
digung im Verhältnis zwischen deutschen und polnischen Schülern und
Jugendlichen gesehen werden darf.
Das zehnjährige Bestehen der Partnerschaft zwischen beiden Schulen
wurde im Jahre 2000 mit großem Aufwand und im Beisein vieler Honoratioren aus dem politischen und kulturellen Leben Polens in Racot gefeiert. Das
fünfzehnjährige Partnerschaftsjubiläum
fand 2005 im Rahmen einer ausgiebigen Feier und eines Schulfestes in
Duisburg statt, und der zwanzigste
„Geburtstag“ der Beziehungen wurde 2010 zuerst in Polen und anschließend im Rahmen der 100-Jahr-Feier der
Comenius-Schule (1910–2010) noch
einmal in Duisburg begangen. Nun
freut man sich auf beiden Seiten auf
das Vierteljahrhundert, das im Frühjahr
2015 ansteht.
Karneval bei Pro Liberis Silesiae
Rheinisches Brauchtum exportiert – Rathaussturm in Oberschlesien
Von Barbara Loch
Es ist schon bereits zur Tradition geworden, dass der Rosenmontag ein richtiger Karnevalstag bei den Kindern der
Schulen und der Kindergärten des Vereins Pro Liberis Silesiae geworden ist.
Schüler aus Raschau haben zuerst
einen bunten Umzug durch die Straßen
von Raschau veranstaltet, danach haben die Kinder mit Gesang und Musik
das Gemeindeamt in Tarnau besucht.
Der Bürgermeister der Gemeinde, Herr
Krzysztof Mutz, hat den Kindern quasi
pro forma die „Regierungsmacht“ der
Gemeinde überreicht – mindestens für
den Rest der Karnevalszeit. Es war für
die Kinder ein besonders schönes Erlebnis, da sie alle Referatsbüros besichtigen durften und dabei natürlich auch
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Kultur & Begegnung
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Rathausstürmung – Schlüsselübergabe an die neuen „Machthaber“
alle Schreibtische und PC geschmückt
haben.
Der Kindergarten und die Schule in
Goslawitz haben sich am Rosenmontag
in eine echte, wunderschöne Märchenlandschaft verwandelt mit vielen Prinzessinnen, Prinzen, Rotkäppchen, einen
Wolf, Rittern, Rapunzel, Froschkönig,
auch viele andere Gestalten der Brüder Grimm waren zu Gast . Es gab viele
Proben und auch ein Happy End, denn
„Gesundes Essen“ für Kinder
alle bekamen ihre Preise und unendlich
viel Schokolade. Es hat sich gelohnt,
im Schlaraffenland Karneval zu feiern.
Natürlich haben die wunderschön verkleideten Kinder die Stadt und das Gemeindeamt in Guttentag besucht, um
auch dort die lustige und ausgelassene
Karnevalsstimmung zu verbreiten.
Auch die Schüler aus Oppeln waren schön verkleidet und haben während eines kleinen Umzugs einige
Alaaf in Schlesien, © Barbara Loch
„Gute Fee“ mit guter Idee
DFK-Vertreter besucht und ihnen süße
Geschenke überreicht. Die Freude der
Menschen am närrischen Treiben war
sehr groß.
Nachmittags wurden in den Schulen und Kindergärten Karnevalspartys für die Kinder vorbereitet. Im
Programm standen außer Tanz z.B.
Modenschau, Arbeit an Märchenstationen sowie eine süßes Buffet voller
Schokolade und Obst – ein Paradies für
unsere Kinder.
Der Verein Pro Liberis Silesiae ist
bemüht, die schöne Karnevalstradition
des Rosenmontags in Oberschlesien
zu pflegen, vor allem, weil die Kinder
dabei einen enormen Spaß haben und
sich bereits jetzt schon auf den Rosenmontag 2016 freuen!
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Kultur & Begegnung
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Hilfstransporte nach Rumänien – mehr als nur Warenlieferung
Ein Rückblick auf 25 Jahre humanitäre Hilfe aus Deutschland
Von Hermann Grimm
Am 25. Januar 1990 brach ich mit fünf
7,5 Tonnern und einem Kleinbus im
Verbund eines großen Hilfskonvois der
Johanniterunfallhilfe Nürnberg nach
Siebenbürgen auf. Mit Blaulicht fuhren
wir durch Budapest und übernachteten
an der ungarischen Grenze. In einer
Stadt (es war Brad) machten wir Halt
und waren sofort von zahllosen Kindern
umringt. Als sie unsere Orangen und
Mandarinen mit der Schale verspeisten,
hatten wir unseren ersten bleibenden
Eindruck von der Lage in Rumänien.
Gegen Mittag erreichten wir Hermannstadt und sahen zunächst zerschossene
und ausgebrannte Hausdächer an der
Ausfallstraße nach Bukarest.
Mein Mitorganisator, der Missionar
und Pfarrer Horst Gerber aus meiner
fränkischen Nachbargemeinde Ammelbruch und meine weiteren 15 Begleiter,
trennten uns von der Johannitermannschaft und steuerten Kleinscheuern an,
das mir aus zwei Reisen 1984 und 1989
vertraut war.
Ziel war das Pfarrhaus, denn das
Pfarrerehepaar Hans-Dietrich und
Anna Schullerus kannte ich. Wir wurden auf Privathäuser verteilt und waren zwei Tage in diesem wunderschönen Dorf, in dem meine Frau und ich
im September 1984 eine siebenbürgische Trachtenhochzeit erleben durften. Gerber und ich waren Gäste des
Pfarrers. Bananen, Orangen, Mandarinen und die vielen Lebensmittelpakete sowie die Kleiderspenden aus
den evangelischen Kirchengemeinden
meines Heimatbereiches waren mit
Hilfe des Kirchenvorstandes und von
Anna Schullerus, der örtlichen Beauftragten des Revolutionsrates, schnell
abgeladen.
26
Blick über die Dächer von Stolzenburg/Slimnic, ©P.M.
Dann zogen wir nach Hermannstadt
und sahen das ausgebrannte Securitate-Gebäude und brennende Papierhaufen. Eine Filmrolle habe ich als Andenken noch heute. Zusammenkünfte mit
der Dorfbevölkerung brachten meine
jungen Franken und die Siebenbürger
Sachsen zusammen. Eine spontane
Begegnung auf dem Hermannstädter
Pfarrhof sollte mein künftiges Leben
tragen. Pfarrer Gerber und ich stießen
dort auf Wolfgang Rehner junior, den
ich im Mai 1989 in Sächsisch-Regen
kennen lernte. Wir sprachen ihn an,
was er denn hier mache. Er sagte voller
Freude: Ich melde den landwirtschaftlichen Verein von Kerz an. Auf Nachfrage
erfuhr ich, dass Kerz, der Traum eines
siebenbürgischen Dorfes am Karpatenfuß, nur 40 km östlich von Hermannstadt liegt.
Der nächste Konvoi ging dann bereits dorthin und viele weitere folgten.
Eine jahrzehntelange Verbindung zu
Kerz und seinen wunderbaren Menschen wie Kathi und Dani Roth sollte
beginnen.
Nächste Station war Mortesdorf,
denn hier lebten Gertraud, Paul, Gerd,
Johannes und Heike Sattler. Paul war
dort Pfarrer, und wir hatten diesen
„Macher“ als jungen Studenten am
28. August 1984 in Bistritz kennen gelernt – der Beginn einer bis heute bestehenden Freundschaft. Sattlers sind
die Paten meines Sohnes Andreas, der
1991 geboren wurde, und sie leben
heute 12 km von mir entfernt. Das rein
sächsische Dorf gefiel uns Franken, und
auch hier wurde viel abgeladen und
zusammen gesessen. Heute leben hier
wie auch in Kleinscheuern keine Handvoll Sachsen. Die klapprige Holzbrücke
nach Mortesdorf, die wir um Mitternacht überquerten, blieb uns staunend
in Erinnerung.
Von Mortesdorf ging es nach Norden nach Deutsch-Zepling bei Sächsisch-Regen, dem Heimatdorf meines
mittlerweile verstorbenen Schwiegervaters. Dieses riesige Dorf – in Kreuzform
angelegt – ist mittlerweile mein zweites
Heimatdorf. Damals lebten noch nahezu 200 Deutsche im Ort – heute sind
es noch 50 evangelische Gemeindemitglieder. Die lachenden und weinenden
Menschen sind uns noch immer gegenwärtig, und auch das Singen deutscher
Volkslieder im großen Pfarrhaus hat bei
uns bleibende Erinnerung hinterlassen. Auch hier waren wir privat untergebracht: Horst Gerber und ich beim
Kultur & Begegnung
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
schon verstorbenen Kurator Andreas
Schmidt und zwei Konvoiteilnehmer
beim rumänisch-orthodoxen Pfarrer.
Am übernächsten Tag fuhren wir
nach Neumarkt in das Universitätsklinikum. Eiskalte Operationssäle sind mir
in Erinnerung geblieben. Wir trafen
uns dort wieder mit den Johannitern
und fuhren geschlossen nach Franken
zurück.
Dieser erste Konvoi hat bei unserer
Mannschaft tiefe Spuren hinterlassen,
und eine Verbundenheit zu den Menschen nach Siebenbürgen bzw. Rumänien ist entstanden. Ich habe weitere
49 Konvois aufgestellt, geleitet und
nach Rumänien gebracht.
Das Leprakrankenhaus im Donaudelta, die vielen Kinderheime, neue
Orte wie Kerz, Scharosch bei Fogarasch, Neustadt bei Kronstadt, Marpod,
Tartlau, Alwinz, Michelsberg, Sächsisch-Reen, Birk, Botsch, Weilau und
Lechnitz kamen in den Jahren dazu,
und wir blieben ihnen treu. Kulturelle Begegnungen in Franken fanden
statt, eine Blaskapelle und die Euro-
pashowtanzgarde Wassertrüdingen
reisten nach Siebenbürgen.
Treue und liebe Weggefährten wie
Pfarrer Hans Orendi, Pfarrer Bruno
Fröhlich, Paul-Jürgen Porr, Beatrice Ungar, Ernst Bachmann, Berthold Köber,
Wolfgang Rehner, Willi Meitert, Eckehard Zaig (erster deutscher Bürgermeister in Rumänien in Tekendorf bei
Bistritz) und Paul Philippi standen und
stehen mir bei und haben uns ge- und
ertragen.
Auch das Altenheim wie auch das
Taubstummenkinderheim in Hermannstadt waren und sind uns wichtige Orte
der Begegnung. Klaus Johannis haben
wir als jungen Lehrer und Bürgermeister kennengelernt und in unsere Konvoiarbeit eingebunden. Wir freuen uns
riesig, dass er gerade jetzt zum rumänischen Staatsoberhaupt gewählt wurde,
und wir können sehen, was sich gerade
in Hermannstadt in den letzten 14 Jahren zum Besten verändert hat.
Wir blicken jetzt in Gerolfingen im
Gasthaus Lotter, dem Stamm- und Ausgangslokal jedes Konvois aus dem Hes-
Historische Bausubstanz
wartet auf Erneuerung
Burgruine in der ländlichen Umgebung von Hermanstadt/Sibiu
selbergraum, auf 25 Jahre Konvoiarbeit
zurück und können dankbar und glücklich Bilanz ziehen. „Wir sind hier auch
zu Hause“ sagt mein 22-jähriger Sohn
Andreas. Die Eltern und Großeltern seiner siebenbürgischen Lebensgefährtin
stammen aus Kleinschelken.
Mit Johann Ivanoff, dem Sekretär
des Kreises, Vorsitzenden des Roten
Kreuzes und stellvertretenden Forumsvorsitzenden von Dâmbovita haben wir einen rührigen Großcousin in
Rumänien.
Siebenbürgen/Rumänien ist auf
einem guten Weg, den wir gerne
begleiten.
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Kultur & Sprache
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Zwischen Beethoven und Erstem Weltkrieg:
Deutsche Spuren in der weltberühmten amerikanischen Comicserie
„Peanuts“ von Charles M. Schulz
Von Dr. Roswitha Schieb
Wer kennt nicht den ewigen Pechvogel
Charlie Brown und seinen geistreichen
Hund Snoopy? Und wer die Comics nie
direkt gelesen hat, kann dennoch der
ubiquitären Kommerzialisierung dieser
Figuren auf Taschen, Schuhen, Kissen,
T-Shirts gar nicht entgehen. Niemand,
dem die witzigen Comicstrips vertraut
sind, würde daran zweifeln, dass es
sich um genuin amerikanische Figuren
handelt. Denn die Peanuts spielen mit
Hingabe Baseball, begehen Halloween,
Thanksgiving und den Valentinstag,
schwärmen für Junkfood, besuchen die
Sonntagsschule, verbringen die Sommerferien in Ferienlagern und sind sogar schon seit den sechziger Jahren von
der psychologischen Ratgebermentalität affiziiert, als in Deutschland die flächendeckende Beschäftigung mit der
eigenen Psyche noch unbekannt oder
sogar verpönt war.
Im Februar 2015 jährt sich der Todestag des weltbekannten und enorm
erfolgreichen Comiczeichners Charles
M. Schulz zum fünfzehnten Mal. 1922
in Saint Paul und Minnesota im Mittleren Westen der USA aufgewachsen,
starb er siebenundsiebzigjährig im Jahr
2000 in Santa Rosa in Kalifornien, kurz
nachdem er sich vom Comiczeichnen
zurückgezogen hatte. Er selbst schätzte
seine Leserschaft auf mehr als Zweihundertmillionen Menschen. Mit seiner berühmten Comicserie „Peanuts“ schuf er
unsterbliche Kinder- und Tierfiguren, ja
-charaktere, die in einem festgefügten
Kosmos gemeinsam, das heißt mit- und
gegeneinander Abenteuer erleben, die
ihre Ängste, Vorlieben, Schrullen und
Phantasien ausleben, die auftrumpfen
28
und scheitern, sich ärgern und austricksen, sich beneiden, sich hassen und
sich verlieben. Der Witz dieser Comics
entzündet sich daran, wie stark, unerwartet und abgründig die Figuren sich
aneinander reiben. In liebenswürdiger
Weise, ohne jemals grob verletzend
zu sein, zeichnet Schulz dennoch illusionslos das ganze Haifischbecken der
Kindheit. Schulz selber hatte fünf Kinder, deren Unverblümtheiten, Ängste,
Freuden, Gemeinheiten und kindliche
Logik seine Zeichnungen inspirierten.
Gleichzeitig läßt sich diese Kinderwelt
lesen als Allegorie der Erwachsenenwelt. Das erklärt auch den Erfolg, die
Popularität seiner Figuren, die im Gewand, in der charmanten Maske der
vermeintlich kindlichen Harmlosigkeit
alle Emotionen transportieren, die auch
Erwachsene bewegen. Die Palette der
Peanuts-Verehrer reichte von Pablo Picasso über verschiedene Präsidenten
der USA bis hin zum großen Soziologen
und Philosophen Max Horkheimer, der
mit Theodor W. Adorno zusammenarbeitete. Es gab viele amerikanische Soldaten in Vietnam, die sich Snoopy, den
witzigen, schlauen, phantasiebegabten
Hund, auf ihre Helme malten, und zwar
nicht nur als eine amerikanische Ikone, sondern als einen antiheroischen
Helden, dessen utopisches Moment
darin bestand, alle Verwerfungen, alle
Zumutungen des heißen und des kalten Kriegs in einem Lächeln auflösen
zu können. Astronauten von Apollo 10
nannten ihre Kapsel „Charlie Brown“
und die Mondlandefähre „Snoopy“.
Der Hund Snoopy, der ein großer Rollenspieler ist und unablässig in wechselnde Identitäten schlüpft, imaginiert
sich in den sechziger Jahren als As­
tronaut auf den Mond und ruft erfreut
aus: „Ich bin auf dem Mond! Geschafft!
Der erste Beagle auf dem Mond! Ich
habe die Russen geschlagen .. Ich habe
alle geschlagen .. Sogar die blöde Katze
aus meiner Nachbarschaft!!“
Die Welt der Peanuts
Genau: die Nachbarschaft ist der
Schauplatz aller Episoden, in denen
Charles M. Schulz seit den 1950er
Jahren bis ins Jahr 2000, also etwa ein
halbes Jahrhundert lang, seine Helden
agieren lässt. Um nur die wichtigsten Figuren zu nennen, die mit ihren
unverwechselbaren Eigenheiten quasi leitmotivisch den Peanuts-Kosmos
durchziehen: der bereits erwähnte
Charlie Brown, ewiger Pechvogel und
Verlierer, der einen schwachen, einen
„wishy-washy“ Charakter hat und an
Depressionen leidet, dessen Schwester Sally aber sehr aufgeweckt ist. Sein
Hund, der Beagle Snoopy, ein extrem
phantasiebegabtes Wesen, kann sich
in seinem imaginierten Rollenspiel unablässig vom Astronauten in ein Krokodil, vom wilden Berglöwen in den
Fliegerhelden des Ersten Weltkriegs,
von Beethoven in einen Geier, vom
Fremdenlegionär in einen Schriftsteller
verwandeln und katapultiert sich so in
Snoopy verwandelt sich in eine Beethoven-Büste. Quelle: Charles M. Schulz:
Here Comes Snoopy. London 1975
Kultur & Sprache
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
andere Welten. Befreundet ist er mit
dem kleinen Vögelchen Woodstock, das
ironischerweise nach dem berühmten
Rockfestival 1969 benannt ist. In der
Nähe wohnen die Geschwister Lucy
und Linus van Pelt. Linus ist hyperintelligent, sensibel, von Ängsten geplagt
– gerne schleppt er seine Schmusedecke mit sich herum – und weniger
lebensklug als ein genialer Künstler,
Schriftgelehrter und Intellektueller,
dem alles zufliegt. Die ältere Schwester
Lucy hingegen hat Haare auf den Zähnen, lässt sich nicht die Butter vom Brot
nehmen, kann sehr zänkisch und gemein sein und betreibt eine kleine Ratgeber-Bude, in der sie psychologische
Hilfe anbietet, aber nie gewährt. Die
einzige Schwachstelle der sonst sehr
emanzipierten Lucy besteht in ihrer unglücklichen Liebe zum Nachbarsjungen
Schroeder, der unablässig auf seinem
kleinen Spielzeugklavier spielt und ein
großer Verehrer von Beethoven ist.
Um diese Zentralfiguren lagern sich
noch weitere Figuren, so der Schmutzmagnet Pigpen, Franklin, ein farbiger
Junge, die zerstreute Peppermint Patty,
eigentlich Patricia Reichardt, die ebenso wie ihre bebrillte Freundin Marcy
unerlöst in Charlie Brown verliebt ist,
der davon nicht nur nichts merkt, sondern selbst unglücklich in das kleine
rothaarige Mädchen verliebt ist, das
aber niemals als Figur erscheint. Denn
Charles M. Schulz‘ Kunst ist auch eine
Kunst der minimalistischen Reduktion
und des Weglassens. Er verzichtet auf
ablenkendes Beiwerk.
Politikern und Wissenschaftlern auf.
Eine ganz und gar amerikanische Comicserie also?
Ganz so einfach, so eindimensional
ist es nicht. Denn es findet sich in den
„Peanuts“ eine kleine, aber starke deutsche Unterströmung, es finden sich
quasi leitmotivisch Bezüge auf deutsche Geschichte, deutsche Sprache und
Kultur, die doppelt kodiert sind – einmal negativ, einmal positiv. Wichtig zu
wissen ist, dass Charles M. Schulz‘ Vater
ein Deutscher war, der aus Stendal in
der Altmark stammte. Schulz‘ Mutter
war Norwegerin. Der Vater arbeitete
dann im Mittleren Westen als Friseur
und lebt weiter im Vater der Comicfigur Charlie Brown, der ebenfalls Friseur
ist, eine sympathisch-kleinbürgerliche
Figur. Das aber erfährt der Leser nur
aus den Erzählungen Charlie Browns,
denn Erwachsene tauchen – das ist ein
bewusstes Stilmittel von Charles M.
Schulz, dem Meister des Weglassens, –
nie als gezeichnete Figuren in den Comics auf.
1943 wurde Charles M. Schulz als
Soldat eingezogen und nach Frankreich, nach Deutschland und nach Österreich geschickt, wo er 1945 unter
anderem an der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau beteiligt war.
An dieser Stelle erschließt sich der
Spagat, dem Schulz ausgesetzt war:
auf der einen Seite der positiv konnotierte, aus Deutschland stammende
Vater, auf der anderen Seite die persönliche, sicherlich traumatisierende
Konfrontation des jungen Mannes mit
den Gräueln des Zweiten Weltkriegs
und der deutschen Geschichte. Und
in sehr unterschwelliger, maskierter
Weise taucht genau dieser Spagat in
den Comics auf. Auf der Negativ-Seite
steht die jüngere deutsche Geschichte.
Schulz lässt in seinen Zeichnungen aber
Eine rein amerikanische Serie?
Seit Mitte der 1950er Jahre dienten die
Peanuts als Maskottchen der intelligenten und einflussreichen Schichten Amerikas. Ihre Abenteuer wurden in fast allen Universitätszeitungen und in mehr
als tausend Tageszeitungen in laufender
Folge abgedruckt. Viele ihrer witzigen
Aussprüche pointierten und lockerten
öffentliche Reden von amerikanischen
Snoopy als Fliegerheld im Ersten Weltkrieg wird vom Roten Baron gejagt, der Snoopys
„Sopwith Camel“ zerschießt. Quelle: Charles M. Schulz: Here Comes The April Fool.
New York 1992
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Kultur & Sprache
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
kaum den Zweiten Weltkrieg vorkommen, was ihm vermutlich als zu plump,
zu direkt, zu realitätshaltig, zu nah vorgekommen wäre, sondern er transponiert das Kriegsgeschehen in den Ersten
Weltkrieg.
Die Jagd nach dem
Roten Baron
Leitmotivisch zugeschrieben wird diese Rolle Snoopy, der in seinen imaginären Maskeraden immer wieder als
Fliegerheld aus dem Ersten Weltkrieg
auftaucht, der den Roten Baron, realer Kampfname für Manfred von
Richthofen, jagt. Snoopy selbst sitzt
dabei immer auf seiner Hundehütte,
die sich in diesem Spiel für ihn in ein
Kampfflugzeug der Marke „Sopwith
Camel“ verwandelt , während er versucht, den Roten Baron in seiner „Fokker“ abzuschießen. „Sopwith ­Camel“
nannte sich übrigens in Anlehnung an
Snoopys Hundehütte 1966 eine damals
populäre amerikanische Musik-Band.
Manchmal wird Snoopy selbst abgeschossen bzw. seine Hütte imaginär
zersiebt. Snoopy katapultiert sich in
seiner spielerischen Vorstellung auf die
Schlachtfelder und Schützengräben
der Westfront in Frankreich, er fliegt
über Pont-à-Mousson und macht aus
über zweitausend Metern Höhe Fotografien von den französischen bzw.
amerikanisch besetzten sowie von den
feindlichen deutschen Stellungen, er
fliegt über Verdun, hofft, bei Bar-leDuc einen deutschen Gotha-Bomber
in die Falle zu locken, er eilt durch das
Niemandsland des Frontverlaufs, stolpert durch Schützengräben, hält Lucy
in ihrer psychotherapeutischen Bude
für eine amerikanische Armeekrankenschwester, die von Übersee nach Europa gekommen ist und mit der er eine
Affäre anfangen möchte, ist manchmal
auf der Suche nach französischen Mädchen, die er auf Französisch anzusprechen versucht, wobei er vor Aufregung
einmal sein französisches Wörterbuch
30
verschluckt, und sitzt als ausgebrannter, einsamer Wolf in der Gastwirtschaft
hinter den feindlichen Linien.
Sogar als deutscher Soldat taucht
Snoopy einmal auf, mit einer Pickelhaube und einem Schnurrbart verkleidet.
Als undercover-Agent begibt er sich
so hinter die feindlichen Linien und
versucht zur schlauen Tarnung, mit einem deutschen Wörterbuch Deutsch
zu lernen: „Excuse me, please .. are you
German? Entschuldigen Sie bitte, ...
sind Sie Deutscher?“ Aber die Sprache
des Feindes ist nicht zu lernen, denn
als Snoopy aus seinem Wörterbuch einige deutsche Präpositionen und Konjunktionen vorliest, kippt er erschöpft
um und sagt: „I surrender“. Im imaginierten Kosmos des Ersten Weltkriegs
kann sich Schulz, da er selbst in dieses
historische, weiter zurückliegende und
damit abstraktere Ereignis nicht mehr
persönlich involviert war, freier und
leichter bewegen. Die eigene Kriegserfahrung des Zweiten Weltkriegs in
Frankreich und Deutschland spart er
so gut wie ganz aus, bis auf wenige
Sequenzen, in denen Snoopy in einer
Uniformjacke des Zweiten Weltkriegs
den „Veteran‘s day“ feiert.
Die Leerstelle des Zweiten
Weltkriegs
Doch einen versteckten Hinweis auf
die Schrecken des Zweiten Weltkriegs gibt es. Er taucht auf im Namen der Nachbarskatze von Snoopy,
die er hasst und fürchtet, die nie im
Bild gezeigt wird und die den Namen „World War II“ trägt. Es werden
nicht nur immer wieder die Resultate
ihrer Zerstörungswucht gezeigt – sie
zerfetzt Tennisschläger, Stangen, Baseballhandschuhe, Hundefutterdosen
– , sondern sie durchzieht die Comics
Snoopy studiert hinter den feindlichen Linien sein deutsches Wörterbuch und kapituliert vor der Komplexität der Sprache. Quelle: Charles M. Schulz: Here Comes The
April Fool. New York 1992
Kultur & Sprache
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Ü und Au:
Die deutsche Sprache als
Schrecken und Witz
Die Nachbarskatze namens World War II taucht nur in den Hohlformen ihrer zerstörerischen Prankenschläge auf. Quelle: Charles M. Schulz: The Cheshire Beagle.
New York 1994
mit der Hohlform ihrer Tatzenschläge, die sie in Snoopys Hütte gräbt.
Der Schrecken von „World War II“ ist
so übermächtig, dass er nur in der
Negativform seiner zerstörerischen
Tatzenschläge aufscheinen darf. So
hinterlässt die gemeingefährliche
Katze als Ausdruck ihrer destruktiven
Grundhaltung einen Stern, einen Haken, um all diejenigen zu bezeichnen,
die sie hasst, zu Neujahr die Jahreszahl des neuen Jahres, ein Schneekristall, zu Weihnachten einen Weihnachtsbaum, ihre Pranke oder eine
Geburtstagstorte. Manchmal lässt sie
durch ihren Schlag von Snoopys Hütte bloß noch eine halbe Hütte oder
nur einen Strich, eine dürre Ruine,
auf der er kaum noch sitzen kann,
übrig. Patrick Bahners schreibt dazu:
die „Nachbarskatze, die nie etwas von
sich sehen lässt außer dem Loch, das
sie mit schöner Regelmäßigkeit in die
Hundehütte reißt, könnte Schulz als
Wappentier dienen: An der Pranke erkennt man den Löwen.“ Man könnte
noch weiter gehen und sagen, dass in
und mit diesem Loch unmerklich all
der Schrecken des Zweiten Weltkriegs
gebannt werden soll. Manchmal
nimmt Snoopy den direkten Kampf
mit der Katze „World War II“ auf und
kehrt vollständig zerstört, zerzaust,
verwundet, zerschunden zurück.
Manchmal fällt ein Gegenstand aus
Versehen auf das Nachbargrundstück.
Snoopy, der aus lauter Angst keine
Möglichkeit sieht, ihn zurückzuholen,
sagt nur lakonisch: „Ich warte, bis
sie [World War II] an Altersschwäche
stirbt, und während alle beim Begräbnis sind, laufe ich schnell rüber und
hole das Ding.“ Das ist Charles M.
Schulz‘ Art, dem Zweiten Weltkrieg
zu begegnen: indem er jede Form von
Heroismus unterläuft.
Aber zurück zu den explizit deutschen
Spuren. Wie bereits gezeigt, ist die
deutsche Sprache als sehr komplizierte
Sprache des Feindes nicht gut angesehen. Selbst der deutsche Umlaut „ü“
kann Entsetzen auslösen. So wird das
Vögelchen Woodstock, das manchmal
verschiedene Pfeifgeräusche ausprobiert, hier „churp“, von Snoopy aufgefordert: „Try it with an Umlaut.“ Aber
auf das prompte „chürp“ hin reagiert
Snoopy ganz entgeistert: „forget the
Umlaut.“ Möglicherweise ist diese kurze Episode eine Anspielung auf eine
Szene in Billy Wilders Film „A foreign
Affair“ von 1948, in der eine amerikanische Militärbeauftragte beim Buchstabieren des Namens der Nazigeliebten
Erika von Schlütow fragt: „with an Umlaut?“ Nach der Bejahung ihrer Frage
verdreht sie derart entsetzt die Augen,
als sei ein deutscher Umlaut, ein kleines
„ü“, schon Beweis genug für die Verstrickung ins Naziregime.
Ein anderes Beispiel: Als Charlie
Brown ein einziges Mal in seinem Verlierer-Leben eine Bowling-Trophäe gewinnt und mit der kleinen Statuette in
der Hand freudestrahlend zu Lucy läuft,
Bild 5: Snoopy rät Woodstock, das Pfeifen
mit einem deutschen Umlaut zu versuchen, ihn dann aber schnell wieder zu
vergessen. Quelle: Here comes the April
Fool. New York 1992
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Kultur & Sprache
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
er ganz klein war, bekam er von seinen
Eltern zu Weihnachten eine Beethovenstatue, ein neues Beethoven-Sweatshirt,
einen Beethoven-Kugelschreiber, eine
zwölfbändige Beethoven-Biographie
in Comic-Form und einen Jahresvorrat
an Beethoven-Kaugummi. Später fährt
er dann aber mit seinen Eltern auf einer Europareise nach Bonn am Rhein
und zeigt nach seiner Rückkehr Fotos
vom Beethovenhaus und von einer
Beethovenstatue, vor denen er selbst,
Schroeder, glücklich lächelnd zu sehen
ist, während Lucy sich nur dafür interessiert, ob diese Fotos später viel Geld
wert sein werden. Aber Schroeder lässt
sich in seinem heiligen Kult von Lucy
nicht stören, die keinerlei GeschichtsBeethovens Geburtstagsfeier zwischen Ergriffenheit durch deutsche Klänge und ameri- bewusstsein besitzt und von ihrer rein
neuzeitlichen amerikanischen Logik
kanischem Banausentum. Quelle: Charles M. Schulz: There‘s A Vulture Outside.
ausgeht: „Beethoven war gar nicht so
New York 1991
groß. Er hatte keine Freunde.“ „Was
um sie ihr zu zeigen, liest sie sich die feierlich Beethovens Geburtstag. Zu meinst du damit?“ „Du hast nie über
Worte auf dem Sockel der kleinen Fi- diesem Anlass wird Torte gegessen und ihn gelesen, dass er Golf gespielt hat,
gur durch und lacht ihn wegen eines Beethovenmusik gespielt, gerne das Fi- nicht wahr? Wenn er so viele FreunDruckfehlers aus. Denn dort steht nicht nale von Beethovens 9. Symphonie mit de hatte, warum spielte er dann nicht
„für Charlie Brown“ sondern „für Char- deutschen Einsprengseln:„oh Freunde, mit ihnen Golf? Menschen sind keine
lie Braun“, woraufhin Charlie Brown re- nicht diese Töne“, die im Chor mitge- Freunde, bis sie nicht zusammen Golf
gespielt haben. Und hast Du jemals von
signiert und verzweifelt in seine übliche sungen werden.
Lucy, Repräsentantin amerikani- Beethoven gehört, dass er mit seinen
Depression verfällt.
schen Banausentums, treten bei dieser Freunden Golf gespielt hat? Nein, hast
feierlichen Zeremonie sogar Tränen in Du nicht“.
Beethoven und Schroeder
Und fragt weiter: „Warum denkst
die Augen, was sie nach einer der FeiDoch diesen negativen Konnotatio- ern aber nicht an der ignoranten Fra- du, dass Beethoven besser war als Elnen der deutschen Sprache und Ge- ge hindert: „Who was Beethoven?“ ton John?“. Zwar möchte sie ein Buch
schichte steht die deutsche Musik, vor Vor einer anderen Feier zu Beethovens über Beethoven schreiben, um sich bei
allem Beethoven, positiv gegenüber. Geburtstag verkündet sie, dass sie ihm Schroeder einzuschmeicheln, aber auch
Glühender Verehrer Beethovens ist ein eine Geburtstagskarte schicken möch- hier triumphiert das Banausentum,
kleiner Junge mit dem deutschen Na- te und ist erleichtert zu erfahren, dass denn sie bringt ein paar „Verbesserunmen Schroeder (ohne Umlaut!), der er schon tot ist, denn nun habe sie gen“ an: statt Klavier spielt Beethoven
unablässig auf seinem Spielzeugklavier zwanzig Cent Porto gespart. Ein ande- bei ihr E-Gitarre, statt Magenschmerzen
Beethovensonaten spielt. In diesem res Mal schenkt sie Schroeder zu Bee- hat er einen Tennisarm, sie lässt Beet­
leitmotivischen Strang wird die lose thovens Geburtstag eine Beethoven-­ hoven zusammen mit Phyllis George,
mit Deutschland assoziierte E-Musik, Lunchbox mit den Worten, dass laut der Miss America von 1971, zu Abend
E-Kultur gegen die rein amerikanische der Erzählung des Verkäufers Beetho- essen und ihn zu Lincolns InauguraU-Musik, U-Kultur witzig gegeneinan- ven genau so eine Lunchbox benutzte, tionsball Klavier spielen. Sie schenkt
der geführt. Schroeder besitzt riesige als er in einem Park saß und „all diese Schroeder eine angebliche Beet­hovenBeethovenporträts und Mengen von Strauss-Walzer schrieb“. Schroeder da- Büste, die aber eigentlich George Wa­
Beethovenbüsten, er übt auf seinem gegen ist ein erklärter Gegner der all- shington darstellt, woraufhin sie zugibt:
Klavier ausdauernd die Sonate Nr. gemeinen Kommerzialisierung, die sich „Ich kann nie den einen Komponisten
11 Opus 22, und er begeht jährlich auch auf Beethoven erstreckt. Bloß als vom anderen unterscheiden.“ Dann
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Kultur & Sprache
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
schenkt sie ihm eine zweite Beethovenstatue, die aber wiederum George
Washington zeigt. Ihr Kommentar lautet nur: „Ja, sie sehen sich sehr ähnlich.
Meinst du, sie könnten verwandt gewesen sein?“ Sie besprüht Schroeder
und sein Klavier mit einem Spray, das
ihn mit einer Wolke aus Beethovenmusik einhüllt. In der Schule schlägt sie
anlässlich von Beethovens Geburtstag
einen allgemeinen schulfreien Tag vor
mit der auftrumpfenden Begründung:
„Beethoven never supported Hitler!“
Schroeder hingegen bleibt untangiert,
er ist höchstens hin und wieder von der
Unbildung und Lucys fehlendem Gefühl entnervt: „Es ist dir egal, ob er Magenschmerzen hatte und dass er nicht
hören konnte!“ „Du hast dich nie darum gekümmert, dass die Komtess ihn
abgewiesen hat oder dass Therese den
Baron statt seiner geheiratet hat oder
dass Lobkowitz aufgehört hat, seine
Rente zu zahlen.“ Auf Snoopy, den Rollenspieler und Imitator, der es schafft,
eine heroische Beethoven-Büste nachzuahmen, reagiert Schroeder derart
entsetzt, als wäre ihm eine Blasphemie
widerfahren. Am liebsten ist Schroeder
allein mit seinem Klavier, wo er mit Hingabe seine Beethoven-Passion pflegen
kann. Die geht sogar so weit, dass er,
bei einem Baseballspiel verletzt und gefragt wird, ob er noch spielen könne,
in voller Baseball-Montur nach Hause
rennt, eine komplizierte Beethoven-Sonate spielt, um diese Frage, mit der eigentlich Baseball und nicht das Klavier
gemeint war, zu beantworten.
Als Charlie Browns Schwester Sally geboren wird, bedauert Schroeder,
dass sie nicht in einem anderen, besseren Krankenhaus geboren wurde, denn
dort hätte sie „alle neun Beet­hovenSymphonien umsonst bekommen“. In
Identifikation mit seinem Helden unternimmt Schroeder einen Spaziergang,
eben weil auch Beethoven lange Spaziergänge über Land liebte, auf denen
er sich von den angenehmen Geräuschen des Landlebens inspirieren ließ,
resümiert aber niedergeschlagen, nachdem Lucys Gebrüll nach einem Ball
ihn aus seinen Beethoven-Träumereien
gerissen hat: „Beethoven had it nice“.
Und einmal wird Schroeder durch seine Beethoven-Rezeption sogar krank.
Er liegt im Bett und erzählt: „Ich hörte
Beethovens dritte Symphonie ... im 2.
Satz ist eine wunderschöne Passage ...
sehr schön ... immer, wenn ich sie höre,
bekomme ich Gänsehaut ... so bekam
ich eine Erkältung.“ Neben Beethoven
spielt Schroeder auch Mendelssohn,
hört die 4. Symphonie von Brahms
auf einer Schallplatte und besitzt eine
kleine Spieldose mit Toccata und Fuge
d-moll von Bach, während Lucy nur
eine „Rock-a-bye-Baby“-Spieldose ihr
Eigen nennt.
Die Weisheit des Witzes
Das Deutsche, wie es sich bei den „Pea­
nuts“ von Charles M. Schulz zeigt, ist
ambivalent. Es ist untergründig präsent, es bricht unter einer amerikanischen Oberfläche hervor, es lässt sich
nicht ganz verdrängen und ist bei
Schulz doppelt kodiert. Es ist einmal
Angesichts der Polyphonie von Schroeders Musikbox wirft Lucy ihre Musikbox,
der sie vorher nur drei Töne entlockte,
weg. Quelle: Charles M. Schulz: Very
Funny, Charlie Brown. New York 1969
Literatur:
– Klassiker der Comic-Literatur,
Band 2, Peanuts. Einleitung: Patrick
Bahners. Milano 2005.
– Charles M. Schulz: Snoopy oder:
Dein Hund ist auf dem Mond,
Charlie Braun! Götzenhain 1971.
– Ders.: Here Comes The April Fool.
New York 1992.
Teil seiner eigenen Herkunft, die ihm
fremd ist, die aber doch immer wieder
auftauchen kann und vor allem durch
Beethoven stark mit Kultur verknüpft
ist. Zum anderen ist es als Feind von
Amerika mit dem Zweiten Weltkrieg
verbunden, den Schulz in den Ersten
Weltkrieg transponiert. Die „Peanuts“
sind keine harmlosen Comics. Im Gewand niedlicher Kinderfiguren transportieren sie viele Gebrochenheiten
nicht nur des individuellen, sondern
auch des kollektiven Lebens. Oder, wie
Patrick Bahners es ausdrückt: „Heil ist
die Welt nicht, die Charles M. Schulz
aus Privatestem geschöpft und in die
Öffentlichkeit gestellt hat. Hinter jedem
Wurf, jedem Fang, jedem Treffer steckt
eine Kränkung, ein Komplex, ein Verlust. Mit einem guten Erwachen darf
der Träumer nicht rechnen.“ (Fazbuch,
S. 12)
Als Kanadas Premierminister 1969
die USA besuchte, betonte er augenzwinkernd als eine der großen Gemeinsamkeiten beider Staaten die „Liebe
zu Snoopy“ – um dann in der durch
Humor aufgelockerten Stimmung sein
Publikum umso deutlicher auch auf
die Unterschiede zwischen den beiden
nordamerikanischen Nationen hinweisen zu können. Gerade in den heutigen Zeiten, wo wegen Karikaturen
Menschen ermordet werden, kommt
einer sehr dezenten, charmanten und
manchmal geradezu philosophischen
Comicserie fast eine vorbildhafte Bedeutung zu. Denn es ist eine Serie, die
sogar einmal die Kraft hatte, die Spannungen zwischen zwei Staaten durch
die Weisheit des Witzes zu mildern.
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1/2015
Kultur & Sprache
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Buchbesprechung „Edelsteine“
In diesem Buch erwartet Sie eine ungeheure Fülle großer Texte in deutscher Sprache. Anregend kommentiert und verständlich erklärt. Ein Lesevergnügen mit garantierten Aha-Erlebnissen. 107 Begegnungen u.a.
mit einem gotischen Bischof, einer Magdeburger Nonne, einem Arzt aus der Schweiz, einem Weimarer
Minister, zwei Göttinger Wissenschaftlern, einigen Komponisten, den Erfindern des Automobils und des
Elektronenrechners, einem Staatsgründer aus Wien, zwei Psychotherapeuten, einem Rundfunkreporter,
der in 90 Minuten ein Land veränderte, einem Bielefelder Liedermacher und einem Knollennasenzeichner.
EDELSTEINE
107 Sternstunden deutscher Sprache
Von Nibelungen bis Einstein, Mozart und Loriot
IFB Verlag Deutsche Sprache
ISBN 978-3-942-409-31-5, 25 €
Eine Stimme für die deutsche Sprache
Gemeinsame Anstrengungen des VDS und des VDA
Von Dr. Holger Klatte,
Geschäftsführer des Vereins
Deutsche Sprache e.V.
Auf einer Reise nach Berlin saß ich neulich in einem Café in Berlin-Neukölln,
Californian Breakfast Slam hieß der Laden. Nette Einrichtung, aufmerksamer
Service. Ohne Zögern fragte mich die
Bedienung in akzentfreiem Englisch
nach meinem Bestellwunsch. Ich erklärte, dass ich zwar nicht aus Berlin
sei, aber sie trotzdem Deutsch mit mir
sprechen könne. Sie könne das nicht,
erklärte mir die Kellnerin zu meiner
Verwunderung. Und es sei in ihrem
Café üblich, auf Englisch bedient zu
werden; auch die Menükarten und
die Gerichte gebe es nur in englischer
Sprache.
Solche Erlebnisse seien in Berlin keine Seltenheit, habe ich später erfahren.
Viele Geschäfte und die Gastronomie
seien nicht nur auf ein englischsprachiges Publikum ausgerichtet. Teilweise könnten die Mitarbeiter gar kein
Deutsch mehr. „Ob diese Leute denn
ansonsten ohne Deutsch klarkämen“,
frage ich. „Klar“, lautete die Antwort,
34
„Berlin zieht eben viele Leute aus dem
Ausland an.“
In der deutschen Hauptstadt hat
sich eine Bevölkerungsschicht entwickelt, die einen großen Teil des jungen
und kreativen Bildes von der deutschen
Hauptstadt vermittelt. Diese Schicht
verzichtet auf die deutsche Sprache.
Sogar in der Schule! In Internationalen
Schulen Berlins ist Englisch die Unterrichtssprache in den meisten Fächern.
Der Berliner Senat hat deswegen zu Beginn des Jahres eine Deutschpflicht für
diese Schulen eingeführt und die entsprechende Verordnung verschärft. Die
Erlebnisse in Berlin machen deutlich,
dass die Stellung der deutschen Sprache durchaus zweifelhaft ist.
In vielen Situationen im Alltag
wird die deutsche Sprache
überflüssig
Niemand könnte dem Café-Betreiber
in Neukölln vorschreiben, dass die Getränkekarte in deutscher Sprache vorliegen muss. Zwar gibt es einige Gesetze, die die „Amtssprache Deutsch“
vorschreiben: die Abgabenordnung,
das Verwaltungsverfahrensgesetz und
das Gerichtsverfassungsgesetz. Aber
in vielen Situationen im Alltag wird
Der Tag der deutschen Sprache wird
nicht nur in Deutschland, sondern auch
im Ausland gefeiert. Hier von Studenten
an der Doon-Universität in der
nordindischen Stadt Dehadrun
die deutsche Sprache in Deutschland
zunehmend überflüssig. So kann laut
einer Verordnung z.B. die Kennzeichnung von Lebensmitteln auch in einer
anderen leicht verständlichen Sprache erfolgen. Sogar vor Gericht ist das
Kultur & Sprache
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Deutsche heute nicht mehr sicher. Ein
Vorschlag mehrerer Bundesländer, Englisch als Verhandlungssprache bei Handelskammern einzuführen, liegt derzeit
zur Beratung im Bundestag.
1997 ist der Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS) angetreten, um etwas
gegen die Übermacht des Englischen
zu tun. Erklärtes Ziel seiner heute
36.000 Mitglieder ist es, die deutsche
Sprache als eigenständige Kultursprache zu fördern. Dafür muss er sich
zwangsläufig mit dem Englischen beschäftigen. Viele der über 30 Arbeitsgruppen im VDS tun das. So erarbeitet
der VDS jährlich eine aktuelle Wörterliste, die den Einfluss von Anglizismen
in der deutschen Alltagssprache dokumentiert. Dieser „Anglizismen-INDEX“
zählt derzeit 7.520 Einträge und schlägt
dafür deutsche Entsprechungen vor.
Das weltweite Netz der
deutschen Sprache
Bekannt ist der VDS für seine Auszeichnungen, die er für sprachliche Leistungen (oder Fehlleistungen) verleiht.
Gemeinsam mit der Baden-Badener
Eberhard-Schöck-Stiftung verleiht der
VDS den Kulturpreis Deutsche Sprache,
zu dessen Preisträgern Udo Lindenberg,
Loriot und Cornelia Funke gehören,
also Persönlichkeiten, die sich auf besondere Weise um die deutsche Sprache verdient gemacht haben. Jährlich
wählen seine Mitglieder den „Sprachpanscher des Jahres“, ein Schmähpreis für Personen, Unternehmen oder
Behörden, die sich mit sprachlichen
Fehlleistungen hervorgetan oder der
Bedeutung der deutschen Sprache geschadet haben. Diese „Auszeichnung“
erhielt 2014 Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, weil sie
ihre Rede auf der Sicherheitskonferenz
in München komplett auf Englisch gehalten hat, obwohl Dolmetscher zur
Verfügung standen. Damit dokumentierte von der Leyen zum wiederholten
Mal die Einschätzung vieler deutscher
Deutsch ins Grundgesetz: 2010 übergaben VDS und VDA eine Petition dafür mit über
46.000 Unterschriften an den Deutschen Bundestag.
© Deutscher Bundestag/Lichtblick/Achim Melde
Politiker, dass die deutsche Sprache international entbehrlich ist.
Der VDS wendet sich auch an
Menschen in anderen Ländern, die
Deutsch als Fremdsprache lernen
oder lehren oder die als Angehörige
einer deutschsprachigen Minderheit
Deutsch sprechen. Sein Leitspruch lautet: „Das weltweite Netz der deutschen
Sprache“. Oft hören wir gerade von
Deutschlehrern und Studenten Klagen
darüber, dass die deutsche Sprache an
Stellenwert verliert, im Ausland immer
weniger Nachfrage findet und die zuständigen Stellen in Deutschland, also
die auswärtige Kulturpolitik und Wirtschaftsvertreter, zu wenig dagegen
tun. Für die derzeit rund 15 Millionen
Schüler und Studenten des Deutschen
als Fremdsprache weltweit bedeutet es
nämlich handfest Nachteile, wenn sie
ihre Deutschkenntnisse später im Berufsleben nicht anwenden können. Und
die Lehrer sehen ihre Berufsgrundlage
schwinden, wenn die Bedeutung der
deutschen Sprache sinkt. Der VDS fördert zudem Projekte im Ausland, z.B.
Sprachstipendien, Bibliotheken oder
Radiosender.
Der VDS beschäftigt sich also mit
der Entwicklung und mit dem Status
der deutschen Sprache und will die
Diskussion darüber befördern. Er ist mit
seinen Themen regelmäßig in den Medien zu finden, besonders am Tag der
deutschen Sprache, jeweils am 2. Samstag im September. Diesen Feiertag hat
der VDS 2001 eingerichtet. Vor allem
die Regionalvertreter nutzen diesen Tag
für Informationsstände, Vortragsveranstaltungen oder Wettbewerbe, um auf
die Ziele und die Arbeit des VDS aufmerksam zu machen. Sie kommen dabei in den Fußgängerzonen oder auf
Veranstaltungen mit vielen Menschen
ins Gespräch, denen eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der
Entwicklung des Deutschen und ihrer
Stellung in unserer Gesellschaft auffällt.
Und diese Menschen sind dankbar dafür, dass es eine Einrichtung gibt, die
auf Fehlentwicklungen hinweist, z.B.
darauf, dass immer mehr Unternehmen
Englisch zur Arbeitssprache machen,
dass Deutsch in den EU-Behörden diskriminiert wird, oder dass das Deutsche
als Sprache der Naturwissenschaften
kaum noch vorkommt.
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1/2015
Kultur & Sprache
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Die deutsche Sprache gehört
ins Grundgesetz
Es wird in Deutschland heute viel über
Sprachentwicklung und die Zukunft der
deutschen Sprache diskutiert – daran
hat sicherlich auch der VDS einen gewissen Anteil. So fordert der VDS seit
Jahren, die deutsche Sprache gesetzlich
besserzustellen und im Grundgesetz
festzuschreiben. Ein entsprechender
Zusatz im Grundgesetz wäre noch lange kein Sprachgesetz, wie es die Franzosen haben. Zunächst einmal würde
die Sprachgemeinschaft ein Zeichen
dafür setzen, dass ihr das Ansehen der
deutschen Sprache wichtig ist.
Die größte Stärke des VDS ist sein
regionales Netzwerk von Freiwilligen,
die die VDS-Themen und -ziele bekanntmachen und vertreten. Viele der
derzeit 148 Regionalleiter in Deutschland und im Ausland sorgen in ihren
Heimatstädten und Ländern für ein
reges Vereinsleben rund um die deutsche Sprache. Den meisten Mitgliedern
reicht es aber auch, den Verein mit ihrem jährlichen Beitrag zu unterstützen.
Der wichtigste Beweggrund für sie ist
ihre Sorge darüber, die deutsche Sprache könnte ihre Stellung als Mittel der
Integration, der Identifikation und des
kulturellen Ausdrucks verlieren. Diesen
Eindruck bekommen sie täglich vermittelt, z.B. in der Sprache von Werbebotschaften, in der Berichterstattung über
die Einrichtungen der EU oder wenn
sie in einem Berliner Café auf Englisch bedient werden. Im VDS finden
sie zu diesen Fragen Ansprechpartner
und eine Interessenvertretung für die
Sprachgemeinschaft.
Deutsche Schule Los Angeles (Chile) auf Deutschlandtour
Impressionen der 12-tägigen Kulturreise 2015
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Kultur & Jugendaustausch
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
VDA-Kulturreise für die
Deutsche Schule in
Los Angeles, Chile
46 Schüler und Schülerinnen der Deutschen
Schule in Los Angeles besuchten mit vier
Begleitern des VDA und des Lehrerkollegiums ausgewählte kulturelle und touristische
Highlights in Deutschland. Vom 16. bis 26.
Februar 2015 reisten die Jugendlichen durch
die gesamt Republik.
Zu den Programmpunkten
gehörten zum Beispiel:
• Haus der Geschichte, Bonn
• Kölner Dom, Köln
• Meyer Werft, Papenburg
• Altstadt von Emden
• Freilichtmuseum, Cloppenburg
• Auswandererhaus, Bremerhaven
• Hansestadt Hamburg
• Berlin mit Bundestag usw.
• Schloss Sanssouci, Potsdam
• Frauenkirche, Dresden
• Point Alpha Stiftung, Geisa
• Altstadt Fulda
Der Reise ging eine fast halbjährige Planung vorraus und der VDA hofft, damit
den Beginn einer Reihe von Kulturreisen für
Austauschschüler des VDA aus aller Herren
Länder initiiert zu haben. Besonderen Dank
gilt es dem Direktor der DS Los Angeles,
Herrn Uwe Schotte, auszusprechen. Weitere
Reisen sind bereits wieder in Vorbereitung.
37
1/2015
Kultur & Jugendaustausch
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Pilotprojekt mit der Deutschen
Schule Villa General Belgrano
Erstmals konnte der VDA eine Zusammenarbeit
mit der DS Villa General Belgrano in Argentinien
starten. Die sechs Austauschschülerinnen besuchten
Deutschland von Anfang Dezember 2014 bis Anfang Februar 2015. Zum Abschluss des Aufenthalts
bei den deutschen Gastfamilien organisterte der
VDA eine kleine Deutschlandreise rund um Berlin,
um die gewonnenen Eindrücke zu vertiefen. In
Berlin traf die argentinische Gruppe dann vor dem
Deutschen Bundestag unerwartet auf die chilenische VDA-Reisegruppe. Unser besonderer Dank gilt
Herrn Professor Dr. Tim Sander aus Villa G. Belgrano, der als Koordinator an der DS maßgebend an
der Vorbereitung der Reise mitgewirkt hat.
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Kultur- und Bildungsreisen für
Austauschschüler mit dem VDA
Der VDA organisiert maßgeschneiderte Reisen für
Deutsche Schulen im Ausland um ein zeitgemäßes
und aktuelles Deutschlandbild vermitteln zu können.
Neben dem Erleben der deutschen Sprache bieten
die Reisen des VDA die einmalige Möglichkeit für
Ausstauschschüler aus aller Welt, Geschichte, Kultur
und Leben in Deutschland kennen zu lernen.
Mehr Informationen:
[email protected]
Kultur & Jugendaustausch
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Deutsche Schule Concordia aus Asunción/Paraguay
unterwegs in den Benelux-Ländern und Deutschland
Eindrücke einer 16-tägigen VDA-Kulturreise 2015
Zum ersten Mal:
Deutsche Schule Concordia
aus Asunción auf Kulturreise
15 Schüler und Schülerinnen der Deutschen Schule
in Asunción machten sich vom 24. Januar bis 8.
Februar 2015 auf den Weg durch Deutschland und
die Benelux-Staaten. Begleitet wurde die Gruppe
von den VDA-Mitarbeiterinnen Katharina Schmitt
und Claudia Degenhardt. Zu den besonderen
Stationen gehörten:
• Haus der Geschichte, Bonn
• Kölner Dom, Köln
• Europäisches Parlament, Brüssel
• Altstadt von Amsterdam
• Meyer Werft, Papenburg
• Hansestadt Hamburg
• Lübeck/Ostsee
• Brandenburgisches Landgestüt Neustadt/Dosse
• Berlin mit Bundestag usw.
• Schloss Sanssouci, Potsdam
• Frauenkirche, Dresden • Porzellanmanufaktur
Meißen • Dom, Erfurt • Point Alpha Stiftung, Geisa
• Altstadt Fulda
Unser besonderer Dank gilt unserer Gesprächspartnerin Susanne Warkentin an der DS Concordia.
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1/2015
Kultur & Jugendaustausch
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Antonella aus Chile – für einige Wochen unser 6. Kind
Aus dem Blickwinkel einer Gastmutter
Von Susanne Reinhart
Die Ankunft von Antonella in Würzburg hat super geklappt. Wir konnten
sie vom Bahnhof abholen und haben
sie durch den vorherigen Kontakt über
Facebook etc. gleich erkannt. Antonella kam mit zu uns nach Hause und
hat sich gleich sehr offen in einem sehr
guten Deutsch mit uns unterhalten. Sie
hat viel von ihrer Familie, ihrem Land,
ihrer Schulbildung und ihrer Herkunft
erzählt. Wir sind gleich mit ihr zum
Einkaufen gegangen, um zu sehen,
was sie gerne mag. Schnell haben wir
aber zuhause festgestellt, das Antonella
alles probiert und isst. Wir waren sehr
begeistert, denn bei unseren eigenen
Kindern ist das nicht ganz so.
Wir sind eine Patchwork-Familie mit
fünf Kindern. Die drei Großen sind schon
außer Haus, besuchen uns aber recht oft.
Zuhause ist noch Nele mit 15 Jahren und
Luca mit neun Jahren. Antonella wurde
bei uns in der Familie sehr herzlich aufgenommen. Sie ging mit Nele in die
zehnte Klasse der Walther-Rathenau-Realschule in die Talentklasse. Nele belegt
hier zwei Zweige: Spanisch und Wirtschaft. Für Nele war es natürlich sehr förderlich, dass Antonella´s Muttersprache
Spanisch ist. Antonella wurde auch sehr
schnell in die Klassengemeinschaft aufgenommen und integriert. Antonella hat
sich sehr rege am Sport, im Spanischunterricht und Biologie beteiligt.
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Fränkische Gastfreundschaft in Würzburg für Antonella aus Chile
Mit Schülern und Freunden aus der
Schule ist Antonella sehr oft auf die
Eisbahn gegangen. Die Mädchen sind
begeistere Eishockey Fans, so dass wir
bis nach Nürnberg zu Spielen gefahren
sind. Auch andere Austauschschüler aus
Chile, die hier in Schweinfurt untergebracht waren, haben Antonella öfter
mal abgeholt und sind mit ihr in die
Stadt zum Shoppen oder ins Schwimmbad gegangen.
Nele und Antonella machen gerne
in ihrer Freizeit rhythmische Sportgymnastik, und so sind die Mädchen einmal
pro Woche bei uns im Sportverein zum
Training gegangen.
Als in der Rhön endlich Schnee gefallen ist, sind wir auch mit Antonella
zum Schlittenfahren gegangen. Antonella kann zwar Ski fahren, aber sie ist
zum ersten Mal bei uns Schlitten gefahren, und das fand sie ganz toll. Wir hatten riesig Spaß mit ihr.
Irgendwann einmal ist Antonella
auch mit in die Familie zu Neles Papa
(weil wir ja eine Patchwork-Familie
sind) gegangen, wo sie einen Teil der
Ferien verbracht haben. Auch hier
hat sich Antonella ganz schnell und
unkompliziert in das Familienleben
integriert.
Zuhause haben wir natürlich auch
mit unseren Kindern gemeinsam Weihnachten gefeiert. Antonella hat mit
uns den Weihnachtsbaum geschmückt
und hat uns auch chilenische Weihnachtslieder vorgesungen. Durch Skype haben wir dann auch ihre Familie
kennen gelernt, weil man sich ja „frohe
Weihnachten“ wünschen wollte. Es ist
eine sehr nette Freundschaft entstanden, und Nele freut sich schon sehr, im
Sommer nach Chile zu reisen.
Also, für unsere Familie war dieser
Austausch eine wunderbare, schöne
Erfahrung, die wir nicht mehr missen
möchten. Antonella ist uns so sehr ans
Herz gewachsen, dass wir sie richtig
vermissen. Auch der Abschied war sehr
tränenreich.
Hiermit möchten wir uns auch noch
einmal beim VDA bedanken, dass alles
so reibungslos geklappt hat. Auch für
den netten Telefonkontakt, den wir von
Anfang an mit allen Mitarbeitern des
VDA hatten. Alles, was uns über den
Austausch mitgeteilt wurde, hat sich
auch so ergeben.
VDA-Verbandsinformationen
MGV des VDALandesverbandes BadenWürttemberg am 22.11.2014
in Stuttgart
In seinem Rechenschaftsbericht der letzten vier Jahre informierte Herr Prof. Dr.
Fröschle über die großzügigen Spenden
der Mitglieder des LV Baden-Württemberg sowohl zur Unterstützung deutschkanadischer kultureller Projekte als auch
für die Deutschen in Namibia (VDA Kalender) und einen Baptistenpriester in
Sibirien (Globus-Abonnement). Der VDA
Baden-Württemberg hält enge Kontakte zu anderen Landesverbänden, u.a.
zu Rheinland-Pfalz, dessen Vorsitzender
Martin Schmidt einen Vortrag hielt und
bei der Auflösung von Dr. Zellers Bibliothek mithalf. Weiterhin berichtete Herr
Professor Fröschle über die Mitgliedschaft in der „Deutschen Weltallianz“.
Außerdem erläuterte der Vorsitzende
die regen Aktivitäten des Arbeitskreises in Stuttgart, der in vier Jahren 23
Veranstaltungen, 20 Vorträge sowie
drei Filmabende durchgeführt hat. Die
Mitgliederzahl ist leider auch im LV Baden-Württemberg rückläufig, so zählt
dieser noch 82 Mitglieder.
Der Schatzmeister, Herr Lehmann,
erläuterte die Finanzlage des Landesverbandes und unterstrich, dass die
Haushaltslage erfreulich sei. Auch der
Kassenprüfer gab eine positive Beurteilung. Der Vorstand wurde daraufhin
einstimmig entlastet.
Herr Fichtner löste eine lebhafte
Diskussion über die deutschen Schulen in Oberschlesien aus, und es wurde
vorgeschlagen, eine Reise dorthin zu
organisieren. Mit einem Rundschreiben
sollen Interessenten geworben werden.
Der neu gewählte Vorstand setzt sich
wie folgt zusammen: Prof. Dr. H. Fröschle (Vorsitzender), Herr B. Fichtner
(GF und stellv. Vors.), Herr P. Goetz
(Schatzmeister), Dr. Kemmerich (Leiter des Stuttgarter AK), Frau Apfelbach-Kartmann, Postversand: Herr Lehmann, Herr Melchior (Beisitzer).
1/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Auszeichnung für
Aussiedlerbetreuerin
VDA-Landesvorsitzender Peter Bien mit Julia Herb beim Neujahrsempfang des MP
Beim Neujahrsempfang des sächsischen
Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich ist
die Russlanddeutsche Julia Herb für ihr
ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet worden. Der Regierungschef
hatte am 14. Januar 2015 rund 1.000
Personen aus Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft zu einem Empfang ins
Dresdner Albertinum eingeladen, der
unter dem Motto „Aus aller Welt – zu
Hause in Sachsen“ stand. Während der
Veranstaltung zeichnete Tillich sechs
Ehrenamtliche, die sich für die Integration von Aussiedlern und Ausländern
einsetzen, mit der Ehrenamtsurkunde
des Freistaates Sachsen aus. „Sie alle
leisten einen wichtigen Dienst für das
Gemeinwohl. Sie alle tun Sachsen gut“,
sagte der Ministerpräsident.
Julia Herb kam 1996 aus Estland
nach Dresden. Sie engagiert sich in der
Landsmannschaft der Deutschen aus
Russland – seit einigen Jahren als Vorsitzende des Dresdner Ortsverbandes. Mit
ihren Mitstreitern berät sie Spätaussiedler, organisiert Deutschkurse, Begegnungsabende und Kinderprojekte und
betreut eine „Perlengruppe“, die filigrane Handarbeiten anfertigt. Außerdem
ist sie Leiterin des Chores „Silberklang“,
der mit einem bunten Repertoire an
Volks- und Heimatliedern viele Veranstaltungen bereichert.
Zu den ersten Gratulanten gehörte
der Vorsitzende des VDA-Landesverbandes Sachsen, Peter Bien, der Julia Herb
ermutigte, ihr Engagement für die Aussiedler fortzusetzen.
Unterstützen Sie die Kultur- und
Bildungsarbeit des VDA
Bank: Deutsche Bank AG Bonn
IBAN: DE21 3807 0059 0051 5098 00;
BIC: DEUTDEDK380
Steuerrelevante Zuwendungsbestätigungen gerne ab
100,– € Spende auf Anforderung.
41
1/2015
VDA-Verbandsinformationen
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
In der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin haben am 4. Februar 2015 der Ehrenvorsitzende des Vereins für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA), Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, der VDA-Bundesvorsitzender Klaus Brähmig MdB, der VDA-Verwaltungsratsvorsitzende Peter Iver Johannsen, VDA-Bundesgeschäftsführerin Petra Meßbacher und weitere Mitglieder des VDA-Bundesvorstandes, dem langjährigen VDA-Vorstandsmitglied und
Verwaltungsratmitglied Herrn Peter Hucker für seinen über zwei Jahrzehnte andauernden Einsatz für den VDA gedankt.
Von links nach rechts: Dr. Thomas Darsow mit Gattin (VDA Vorstand), Petra Meßbacher (GF), Klaus Brähmig MdB (VDA-Bundesvors.), Ehepaar Hucker, Hartmut Koschyk MdB (Ehrenvors. und langjähriger VDA-Bundesvorsitzender), Dr. Tammo Luther (VDA-Vorstand), Peter-Iver Johannsen (VWRat-Vorsitzender), Ilona Mosler-Biadacz (VDA-Vorstand) und Gerhard Müller (VDA-Vorstand)
Marktpräsenz durch Social
Media?
Claudia Degenhardt (VDA) und
Kathrin Krake (rechts)
42
„Herausforderungen beim Wandel vom
offline-Status zum online-Status für alteingesessene Verbände am Beispiel für
den Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA e.V.)“, dies war
das Thema des zweiten Gastvortrages der VDA-Geschäftsführerin Petra
Meßbacher am 18. Februar 2015 als
Gastdozentin der Fachhochschule des
Rhein-Ahr-Campus in Remagen. Im
Zuge des BA-Studiums wurden durch
die Studenten zahlreiche Vorschläge
in Workshops erarbeitet. Die Lehrbeauftragte Kathrin Krake begleitete den
Prozeß.
1/2015
Platzhalter
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Stewardess?
Flugbegleiter?
Gastgeber!
Rund um die
Welt, rund um die
Uhr ein Ziel: Sie
Damit jedes Ticket eine Einladung ist.
Damit Sie sich „Willkommen an Bord
von Lufthansa“ fühlen. Damit Sie sich
auch in 10.000 Metern Höhe wie zu
Hause fühlen. Dafür geben wir rund
um die Uhr, rund um die Welt unser
Bestes – und Ihnen das Gefühl, nicht
nur ein Passagier zu sein, sondern
ein ganz besonderer Gast.
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G 3560
Verein für Deutsche Kulturbeziehungen
im Ausland e.V. (VDA)
Kölnstraße 76
D-53757 St. Augustin
Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt
Der VDA ist die lebendige Brücke zu den
Deutschen in aller Welt. Er unterstützt die
Millionen Auslandsdeutschen bei der
Bewahrung der deutschen Kultur und
Muttersprache und hält die kulturelle und
geistige Verbindung zu ihnen aufrecht.
SONDERPREIS
Kirchenwehrburgen
im südlichen Siebenbürgen
Kirchenwehrburgen
im südlichen Siebenbürgen
lautet der Titel
des VDA-Kalenders 2015
Format 24 cm x 24 cm
Die 13 Kunstdruckblätter des
Kalenders 2015 zeigen eine
kleine Auswahl von Kirchenburgen in unterschiedlichen
Erhaltungszuständen.
VDA
2015
Preis: 8,– € inkl. MwSt.,
zzgl. Verpackung und Porto.
Bei Abnahme von zehn Stück ein
Freiexemplar.
Auch den Kalender 2015 können
Sie für deutsche Einrichtungen
in aller Welt spenden.
Der Versand erfolgt über den VDA.
Bestellungen:
VDA – Verlags- und Vertriebs GmbH
Könstraße 76 • D-53757 Sankt Augustin
Tel: (02241) 21071 • Fax: (02241) 29241
[email protected]