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www.vda-kultur.de ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND G 3560 47. Jg. Heft 2/2015 Die Zeit e t s e b bens e L s e mein m VDAmit de tausch Aus Kultur & Politik Schaufenster Europa Kultur & Begegnung VDA-Vorsitzender Brähmig zu Kulturhauptstadt 2015: Südamerika – Erfolgsfaktor Gesprächen in Slowenien Deutsche Spuren in Pilsen Deutsche Sprache ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Ein Wort vorab 3 Titelfoto: Schuldirektor Eugen Friesen aus Kultur & Politik Paratodo in Paraguay (Chaco) mit der nächsten Generation Austauschschüler VDA-Vorsitzender Brähmig zu Gast in Ungarn, der Slowakei und Polen 4–5 Koschyk trifft Moskauer Erzbischof 6 Gremienentagung der Stiftung Verbundenheit in Berlin 6–7 Rumäniens neuer Präsident Klaus Johannis 8–9 WDA-Tagung in Berlin Kultur & Begegnung ste Die beeit Z meineenss Leb © PM 10–11 Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner in Paraguay 12–15 Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner in Brasilien und Chile 16 Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner in Argentinien 17 Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner in Kolumbien 18 Schaufenster Europa Kulturhauptstadt 2015: Deutsche Spuren in Pilsen 19–24 40 Jahre Städtepartnerschaft Saarbrücken – Tiflis 25–27 Kultur & Geschichte Die Tragödie der Lusitania 28–29 Kultur & Reisen Wo Lamas spucken und Vulkane schlafen 30–32 Kultur & Jugendaustausch Nachrichten aus Pomerode 32–34 Fernweh, Freiheit und ein neues Rollup 35 Verbandsinformationen Nachrichten aus dem Vorstand 35 Mitwirkende dieser GLOBUS-Ausgabe: Bodo Bost, Klaus Brähmig MdB, Christine Chiriac, Roswitha Dahs, Claudia Degenhardt, Birgit Gronwald Bartels, Dr. Rudolf Kemmerich, Thomas Konhäuser, Hartmut Koschyk MdB, Erich Lienhart, Petra Meßbacher, Ilona Mosler-Biadacz, Adelira Pranke Beskow, Dr. Roswitha Schieb, Katharina Schmitt, Prof. Dr.-Ing. Heralt Schöne, Ulrich Uhlmann, Dr. Alexander Vollmert, Regine Wegmann, Albrecht Wolfmeyer 2 Impressum ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Herausgeber: Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. (VDA), gegr. 1881 als „Allgemeiner Deutscher Schulverein”, vertreten durch Klaus Brähmig MdB, Vorsitzender. Der GLOBUS erscheint vierteljährlich in der VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin, Telefon (0 22 41) 2 10 71, Fax (0 22 41) 2 92 41, E-Post: [email protected], Internet: www.vda-kultur.de Redaktion: Petra Meßbacher, VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin, Telefon (0 22 41) 2 10 71, Fax (0 22 41) 2 92 41, E-Post: [email protected], Internet: www.vda-kultur.de Gestaltung und Herstellung: Druckerei Engelhardt GmbH, D-53819 Neunkirchen, Tel. (0 22 47) 92 00-0, Fax (0 22 47) 92 00-92, E-Post: [email protected], www.druckerei-engelhardt.de Jahresabonnement: Jahresabonnement 20,– € zzgl. Versandkosten. Zusätzlicher Einzelbezug auf Anforderung pro Heft 5,– € zzgl. Versandkosten. Bankkonto Verlag: Deutsche Bank AG Bonn, IBAN: DE21 3807 0059 0051 5098 00; BIC: DEUTDEDK380. Auflage: 2600 Exemplare Mit vollem Namen gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos keine Haftung. Rücksendung nur gegen Rückporto. Abdruck für deutschsprachige Publikationen im Ausland bei Quellenangabe und gegen Belegexemplar gestattet, im Inland nur mit Genehmigung der Redaktion. ISSN 0721-0167 vorab... t r o W Ein ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Liebe „GLOBUS“ Leser! wenn in diesen Tagen bereits die ersten Familien in die Sommerferien und damit in den wohlverdienten Urlaub starten, dann sind auch einige VDA-Austauschschüler darunter, die in Kürze eine weite Reise zu ihren Gastfamilien antreten. Unsere Austauschschüler werden in Namibia, Chile, Argentinien, Brasilien, El Salvador und Paraguay erwartet. Für viele ist diese große Reise nicht nur einmalig, sondern auch erstmalig. Manch‘ einer unserer Austauschschüler unternimmt das erste Mal – und ohne die Eltern – eine Reise nach Übersee. Für den VDA geht damit der zweite Teil der Austauschsaison 2014/2015 zu Ende. Die deutschen Gastschüler besuchen nun im sogenannten „Gegenaustausch“ die Familien ihrer Gastschüler aus dem vergangenen Winterhalbjahr. Doch Verschnaufpause bleibt für die Organisatoren des Austausches nicht, da bereits jetzt schon mit den Vorbereitungen der Vermittlung für Gastschüler im Winterhalbjahr begonnen wurde. Wir erwarten viele Austauschschüler, insbesondere aus Chile, die dort Deutsche Privatschulen besuchen und sehr gerne für einige Wochen in den „deutschen Alltag“ hineinschnuppern möchten. Wenn Sie also Interesse und die Möglichkeit dazu haben, Gastschüler aufzunehmen, so wenden Sie sich bitte an den VDA ! Neben den vielfältigen Aufgaben, die sich durch die Austauschprojekte ergeben, stellen wir zunehmend fest, dass auch die Fort- und Weiterbildung im kultur- und gesellschaftspolitischen Segment für Lehrer der Partnerschulen stark nachgefragt wird. Hauptaufgabe des VDA ist die Pflege der deutschen Sprache und die Unterstützung kultureller Projekte. Im Rahmen dieser Sprachpflege darf man sicherlich vor diesem Thema auch nicht haltmachen. So lag der besondere Focus einer Besuchsreise bei deutschen Partnerschulen in Paraguay im April dieses Jahres auf Gesprächen mit den zuständigen Lehrkräften und verantwortlichen Schuldirektoren. Der Reiseschwerpunkt lag dann für Paraguay auch in der Region Chaco, wo eine Vielzahl von Deutschen Schulen existiert, die in den Siedlungsgebieten der mennonitischen Gemeinden besonders stark nachgefragt werden. Die Schüler wachsen dort in der Regel dreisprachig auf (Deutsch, Plattdeutsch, Spanisch) und verfügen über beste Voraussetzungen für interkulturelle Kom- petenzen im späteren Berufsleben. Es freut uns daher besonders, dass wir den Austausch mit Paraguay künftig verstärken können und dort kompetente und verlässliche Ansprechpartner zum weiteren Aufbau des Schüleraustausches getroffen haben. Der VDA hat ein ausdrückliches Interesse daran, einen Beitrag zur auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik durch die Unterstützung dieser deutschen „Sprachinseln“ zu leisten. Es bleibt daher für den VDA eine besondere Aufgabe, die Verbindungen zu deutschen Gemeinschaften im Ausland aufzubauen und zu pflegen. Helfen Sie uns bei dieser wertvollen Aufgabe, indem Sie den VDA durch Ihre Mitgliedschaft unterstützen oder durch eine Spende wohlwollend fördern. Mit herzlichem Gruß VDA-Geschäftsführerin GLOBUS-Chefredaktion Der VDA sucht ganzjährig Gastfamilien für den Schüleraustausch. Bitte melden Sie sich beim VDA unter: Tel.: 0 22 41 / 21 07 1 www.vda-kultur.de • [email protected] 3 2/2015 Kultur & Politik ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Deutsches Kulturerbe in Ungarn, der Slowakei und Polen von Klaus Brähmig MdB Wie manche unter den Lesern des GLOBUS vielleicht wissen, ist die Pflege des Dialogs mit den deutschen Minderheiten im Ausland ein wichtiger Teil meiner politischen Arbeit im Deutschen Bundestag. So führte mich jüngst eine Reise nach Ungarn, in die Slowakei und nach Polen. Der Besuch des Regionalbüros Westu ngarn der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen in Ödenburg/Sopron war der erste Besuch einer Gruppe deutscher Parlamentarier überhaupt und wurde von den Vertretern der Ungarndeutschen vor Ort sehr positiv aufgenommen. In der Region um Ödenburg, das über ein attraktives historisches Stadtzentrum verfügt, fand zwischen 1850 und 1950 eine massive Reduzierung der deutschen Minderheit von einstmals 97 Prozent der Einwohner auf nur noch drei Prozent statt. Dennoch sind die Ungarndeutschen in Ödenburg vor allem im Wirtschaftsleben erfolgreich engagiert und prägen bis heute vor allem den Weinbau in der Region. Aktuell verfolgt man mit der Übernahme einer Grundschule in die Trägerschaft der Landesselbstverwaltung das Ziel, die Pflege des muttersprachlich deutschen Schulunterrichts sicherzustellen. Beim anschließenden Besuch in der Slowakei standen vor allem Besuche beim Karpartendeutschen Verein im Mittelpunkt. Die Organisation der deutschen Minderheit um den Landesvorsitzenden Dr. Ondrej Pöss verfügt neben einem sehr sehenswerten Museum zur Darstellung ihrer Kulturgeschichte in der Hauptstadt Preßburg/ Bratislava über eine starke Präsenz in der Ostslowakei. Beim Aufenthalt in der Region um die zweitgrößte Stadt 4 Ödenburg/Ungarn: Nach dem Gespräch mit der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen des Landes, Kaschau/Košice, konnte ich die deutsche Minderheit im Dorf Metzenseifen/Medzev besuchen. Nach einem Rundgang durch die von der deutschen Minderheit hervorragend betreute Kirche und einem Besuch in dem vom ehemaligen slowakischen Staatspräsidenten Rudolf Schuster eingerichteteten Heimatmuseum fand ein Zusammentreffen mit Mitgliedern der karpatendeutschen Minderheit im Gemeindezentrum statt. Der Karpatendeutsche Verein verschreibt sich neben der Kulturpflege und der Förderung des muttersprachlichen Unterrichts vor allem auch der Stärkung der wirtschaftlichen Struktur seiner Mitglieder. So werden über die in Kaschau ansässige „Karpatendeutsche Stiftung“ Kredite an karpatendeutsche Kleinunternehmer vergeben, die auf diese Weise zur Schaffung eines aktiven Mittelstandes im Lande beitragen. Der Besuch eines durch dieses Programm geförderten Mineralwasserbrunnens führte den Erfolg dieser Form der Wirtschaftsförderung deutlich vor Augen. Es Gespräch mit der deutschen Minderheit in Metzenseifen, Slowakei Kultur & Politik 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Besuch bei der deutschen Minderheit im Rathaus von Hopgarten, Slowakei existieren bereits Pläne zu einer Erweiterung des Unternehmens. In Preschau/Prešov besuchte ich die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gepflegte Kriegsgräberstätte mit Toten des Zweiten Weltkrieges auf dem städtischen Friedhof. Der Volksbund leistet international eine hervorragende Arbeit, die wichtige Zeichen für Völkerverständigung und Frieden setzt. Neben Metzenseifen ist vor allem das nördlich von Kaschau und Preschau/ Prešov gelegene Hopgarten/Chmel‘nica ein Ort, der bis heute stark von seiner karpatendeutschen Minderheit geprägt wird. Im Rahmen eines abendlichen Zusammentreffens fand ein Dialog mit deutschsprachigen Einwohnern des Ortes statt, den die Kinder der Gemeinschaft durch Gesang und den Vortrag von Gedichten auf Hochdeutsch oder in der regionalen Mundart bereicherten. Auch die heute in der Wojewodschaft Schlesien gelegene historische deutsche Sprachinsel Bielitz-Biala/Bielsko-Biala wurde im Rahmen der Delegationsreise besucht. Ein Zusammentreffen mit Mitgliedern des Deutschen Freundschaftskreises machte deutlich, vor welchen Herausforderungen die deutschen Minderheiten in zahlreichen Regionen Mittelost- und Südosteuro- pas stehen. Durch eine starke Assimilierung an ihre polnische Umgebung ist die deutsche Sprache gegenüber dem Englischen oder Polnischen in den jüngeren Generationen sehr viel weniger weit verbreitet. Dieses erschwert die Erhaltung der sprachlichen deutschen Traditionen in diesem Teil des Beskidenlands. Da Polen eines der wichtigsten Zentren deutscher Minderheiten ist, ist es für mich selbstverständlich, regelmäßig in unserem Nachbarland präsent zu sein und das Gespräch vor Ort zu suchen. Bei einem Besuch in Schlesien und Oberschlesien werde ich daher im Sommer dieses Jahres den Dialog mit den deutschen Minderheiten fortsetzen und darüber in einer der nächsten Ausgaben des GLOBUS berichten. Bis dahin seien Sie herzlich gegrüßt. Kranzniederlegung auf der deutschen Kriegsgräberstätte in Preschau, Slowakei 5 2/2015 Kultur & Politik ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Koschyk trifft Moskauer Erzbischof Brauer bei Evangelischem Kirchentag von Thomas Konhäuser Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, hat beim Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni in Stuttgart den Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland, Dietrich Brauer, getroffen. Als Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland ist Brauer „Geistlicher Leiter” des Bundes der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Russland, der Ukraine, in Kasachstan, Mittelasien und im Südlichen Kaukasus. Koschyk erörterte mit Erzbischof Brauer die aktuelle Lage der evangelischen Kirche in der Russischen Föderation sowie den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Die evangelische Kirche in Russland sowie in Teilen der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion war mit Informationsständen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart vertreten. Erzbischof Brauer wirkte auf verschiedenen Podiumsdiskussionen des Kirchentages mit. Koschyk würdigte die vor kurzem erfolgte Berufung von Erzbischof Brauer in den Rat für religiöse Angelegenheiten beim russischen Präsidenten Putin. Damit, so Koschyk, sei für die evangelische Kirche in Russland eine neue, wichtige Dialogebene mit der russischen Führung einerseits und den anderen Religionsgemeinschaften andererseits entstanden. Koschyk dankte Erzbischof Brauer auch für die gute Zusammenarbeit der evangelischen Kirche Russlands und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetuni- on mit den dort lebenden deutschen Minderheiten, die zum erheblichen Teil evangelischen Glaubens sind. Erzbischof Brauer hat Koschyk ferner seine Bereitschaft zugesagt, an einer Veranstaltung des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten gemeinsam mit Bundesinnenminister de Maizière im Herbst dieses Jahres zum Thema „Heimat, Identität, Glaube“ mitzuwirken. Gemeinsame Sitzung von Rat und Vorstand der „Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“ in Berlin! von Thomas Konhäuser Unter der Leitung des Stiftungsratsvorsitzenden Hartmut Koschyk MdB und des Stiftungsvorsitzenden, Dr. Kay Lindemann, tagte in Berlin Rat und Vorstand der „Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“. An der Sitzung nahmen neben der Bundesgeschäftsführerin des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland und kooptierten Stiftungsvorstandsmitglied, Petra Meßbacher auch die 6 Schatzmeisterin des VDA, Frau Ilona Mosler-Biadacz, teil. Die „Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“ wurde vom saarländischen Unternehmer Dr. jur. Kurt Linster im Jahre 2004 errichtet. Die Stiftung fördert Maßnahmen, die dem Erhalt der deutschen Sprache und Kultur sowie der Völkerverständigung dienen. Es werden unter anderem der Jugend-, Schüler-, und Studentenaustausch gefördert, Kongresse, Vortragsveranstaltungen und Seminare durchgeführt und Kulturprojek- te deutschsprachiger Medien im Ausland gefördert. Auch werden deutsche Schulen und Kindergärten im Ausland finanziell unterstützt und humanitäre Hilfe für bedürftige Deutsche im Ausland geleistet. Die „Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“ kann auf eine erfolgreiche Arbeit zurückblicken: So unterstützt die Stiftung „Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“, beispielsweise die Instandsetzung des Pfarrhauses in Wurmloch in Siebenbürgen, um dieses als Bildungs- und Kultur & Politik 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Begegnungsstätte neu zu beleben. Nach der Instandsetzung dieses kulturellen Kleinods sollen das Pfarrhaus auch verschiedene Institutionen, mit denen die Kirche eng in Verbindung steht, für Fortbildungen nutzen können. So etwa das Deutsche Forum und die Deutschen Schulen aus Mediasch, die „Hermann Oberth“- Schule und das „Stephan Ludwig Roth“- Gymnasium. Im September vergangenen Jahres übergab Stiftungsratsvorsitzender Koschyk in Wurmloch persönlich einen Scheck der Stiftung in Höhe von 10.000 Euro zur Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen. Rat und Vorstand der Stiftung Verbundenheit waren sich bei ihrer gemeinsamen Sitzung einig, die Instandsetzung des Pfarrhauses in Wurmloch auch im Jahr 2015 nachhaltig zu unterstützen. VDA-Bundesgeschäftsführerin Petra Meßbacher und VDA-Schatzmeisterin Ilona Mosler-Biadacz informierten darüber, dass der VDA seinerseits erfolgreich Spendenmittel für dieses Projekt eingeworben hat, und man als VDA ebenfalls einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten wird, die Sanierungsarbeiten zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Als mögliches künftiges Stiftungsprojekt schlug Stifungsratsvorsitzender Koschyk eine Fortentwicklung des Joseph-von-Eichendorff-Erzählwettbewerbs zu einem Liedermacher-Wettbewerb vor, was die Zustimmung von Rat und Vorstand der Stiftung Verbundenheit fand. Unter der Schirmherrschaft des Stiftungsratsvorsitzenden Hartmut Koschyk MdB fand im vergangenen Jahr in der Landesvertretung des Freistaates Sachsen in Berlin die Preisverleihung des Joseph-von-Eichendorff-Erzählwettbewerbs der Stiftung „Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“, der Deutschen Gesellschaft e. V. und des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e. V. statt. Weltweit wurden junge Menschen dazu aufgerufen, sich unter der Titelzeile „Schläft ein Lied Über den Dächern von Berlin: die Mitglieder beider Stiftungsgremien haben sich über die künftige Projektarbeit der Stiftung intensiv ausgetauscht. Die enge Kooperation mit dem VDA erweist sich als Gewinn für beide Partner. V.l.n.r.: Peter Iver Johannsen, Petra Meßbacher, Gerhard Müller, Hartmut Koschyk MdB, Ilona Mosler-Biadacz, Daniel Walther, Dr. Kay Lindemann und Thomas Kropp in allen Dingen“ des bekannten deutschen Dichters der Romantik Joseph von Eichendorff in einer deutschsprachigen Erzählung mit ihrem Umfeld auseinanderzusetzen. Die Erzählung sollte Berührungspunkte zu Deutschland oder zur deutschen Kultur behan- deln. Teilnehmen konnten außerhalb des deutschsprachigen Raums lebende junge Menschen bis 30 Jahre, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Ein Bericht über die Maßnahmen der Stiftung Verbundenheit in den Jahren 2009 bis 2015 ist erhältlich. Unterstützen Sie die Kultur- und Bildungsarbeit des VDA Bank: Deutsche Bank AG Bonn IBAN: DE21 3807 0059 0051 5098 00; BIC: DEUTDEDK380 Steuerrelevante Zuwendungsbestätigungen gerne ab 100,– € Spende auf Anforderung. 7 2/2015 Kultur & Politik ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Chance und Herausforderung zugleich: Tagung über Klaus Johannis‘ Präsidentschaft Von Christine Chiriac Die Wahl von Klaus Johannis zum Staats chef Rumäniens am 16. November 2014 hat international für Aufsehen gesorgt und lässt seither Politiker, Journalisten, Experten und Öffentlichkeit darüber rätseln, wie sich das erste Präsidentenmandat eines Siebenbürger Sachsen auf das Land, die internationalen Beziehungen, die deutsch-rumänische Zusammenarbeit und auch die Zukunft der deutschen Minderheit auswirken wird. Die Frage „Was bedeutet es, dass ein (evangelischer) Deutscher Präsident Rumäniens ist?“ stand im Mittelpunkt einer Tagung, die vom 24. bis 26. April von der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen angeboten wurde. Die interdisziplinäre Veranstaltung war das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen, der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen sowie der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien und weckte auch das Interesse von Teilnehmern ohne biografischen Bezug zu Siebenbürgen. Die Referenten – Vertreter der Politik, Presse und Kirche aus Rumänien und Deutschland – zeichneten als Antwort auf die Titelfrage ein komplexes Bild der politischen Situation Rumäniens, in der Klaus Johannis viele Pluspunkte mitbringt und dabei bedeutende Herausforderungen zu meistern hat. Der Wahlsieg im vergangenen Herbst sei auch ein Ergebnis des steten Engagements der deutschen Minderheit in Staat und Gesellschaft nach 1989, so Hartmut Koschyk, MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Das Demokratische Forum der 8 Die Tagungsteilnehmer vor der eindrucksvollen Kulisse des „Heilgenhof“ in Bad Kissingen Deutschen in Rumänien sei eine emanzipierte Interessenvertretung, die sich sowohl gegenüber der rumänischen Regierung als auch in den Beziehungen zu Deutschland selbstbewusst verhalte und gleichzeitig Verantwortung für das Gemeinwohl und die anderen Minderheiten in Rumänien übernehme. Dieses Wechselspiel zwischen Selbstbewusstsein und Loyalität stehe für eine gelebte europäische Demokratie und sei eine Chance zur Stärkung der deutsch-rumänischen Beziehungen, so Koschyk. Als „günstiges Zeitfenster“ für die Deutschen in Rumänien bezeichnete auch Winfried Ziegler, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt, das Mandat von Klaus Johannis. Die etwas provokative Frage im Titel seines Vortrags - „Sind ‚wir‘ Präsident?“ – verneinte Ziegler vorsichtig. Johannis sei ein „viel zu guter Politiker“, um dieser Formulierung zu verfallen, vielmehr agiere er als „Präsident aller Rumänen“. Doch in Rumänien sei Deutsch „einfach in“, so Ziegler, deshalb bringe der momentane Erfolg eines Siebenbürger Sachsen die einmalige Chance mit sich, „die kleine deutsche Minderheit langfristig zu stabilisieren“. Einen theologischen Blick auf die im Wahlkampf aufeinanderprallenden Mentalitätsunterschiede warf Prof. Dr. Christoph Klein, der emeritierte Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR). Er sprach über die historischen Unterschiede zwischen östlichen und westlichen religiösen Lehren, die sich in Rumänien einerseits in dem fortdauernden Zusammenspiel zwischen Kirche, Staat und Volkstum, andererseits aber in einem neueren Umdenken hin zu Säkularisierung und Sachlichkeit widerspiegeln. Die Hintergründe der Präsidentschaftswahl analysierte aus soziologischer Sicht Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabǎ, Referent für institutionelle Kooperationen der EKR. Er unterstrich den entscheidenden Beitrag der im Ausland lebenden rumänischen Staatsbürger für den Ausgang der Wahl im November. Kultur & Politik 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Die Diaspora sei „im Westlichen Wertekanon einer Zivilgesellschaft sozialisiert“, gut vernetzt, ununterbrochen mit der Heimat verbunden – und somit „eindeutig ein Gewinn und kein Verlust für Rumänien“, so Cosoroabǎ. Auch viele internationale Presseberichte seien nach der Wahl euphorisch über die politische Reife, proeuropäische Haltung und Weltoffenheit der rumänischen Zivilgesellschaft gewesen, hob Robert Schwartz, Leiter der Rumänienredaktion der Deutschen Welle, hervor. In Rumänien jedoch könne man sich nicht auf die Neutralität der klassischen Medien verlassen, außerdem müsse Klaus Johannis weiterhin mit medialen Angriffen u.a. von russischer Seite rechnen. Aufgabe der europäischen Presse sei es nun, „verlässliche Informationen zu präsentieren und mit allen Mitteln des demokratisch erfassten Journalismus jegliche Propaganda zu entzaubern“. Dabei müsse der Präsident selbst für eine professionelle Kommunikation sorgen – denn, wie Historiker und Promotionsstudent Emilian Dranca zusammenfasste, erwarte die rumänische Öffentlichkeit mehr mediale Präsenz und unmittelbare Erklärungen seitens des Staatschefs. Dranca deutete dabei auf die teils kritischen Reaktionen von rumänischen Intellektuellen und Johannis-Unterstützern wie Adrian Papahagi oder Andrei Ples¸u nach den ersten Amtsmonaten des Präsidenten. Einen Überblick über die derzeitigen außenpolitischen Herausforderungen gab Joseph C. Karl, der bis 2014 das Kultur- und Minderheitenreferat der Deutschen Botschaft in Bukarest geleitet hat. Als „Wechsel von Brüchen und Konstanten“ an der Schnittstelle zwischen Interessen von Nachbarländern und Großmächten beschrieb Karl die rumänische Außenpolitik aus historischer Sicht – doch auch heute habe der rumänische Staatschef die schwierige Aufgabe, neben dringenden innenpolitischen Maßnahmen auch sicherheits- Im permanenten Dialog zur Pflege der Deutsch-Rumänischen Beziehungen: Staats präsident Klaus Johnannis und Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB politisch heikle Situationen und Auswirkungen von „exogenen Schocks“ zu meistern, etwa die Ukraine-Krise, die Probleme der Republik Moldau, den Expansionskurs Russlands und die Minderheitenfragen in Serbien und Ungarn. Auch deshalb dürfe man keine „messianischen Hoffnungen“ auf die Präsidentschaft setzen, so das Fazit der abschließenden Podiumsdiskussion. Kultur- und Bildungsreisen für Austauschschüler mit dem VDA Der VDA organisiert maßgeschneiderte Reisen für Deutsche Schulen im Ausland, um ein zeitgemäßes und aktuelles Deutschlandbild vermitteln zu können. Neben dem Erleben der deutschen Sprache bieten die Reisen des VDA die einmalige Möglichkeit für Ausstauschschüler aus aller Welt, Geschichte, Kultur und Leben in Deutschland kennen zu lernen. Mehr Informationen: [email protected] 9 2/2015 Kultur & Politik ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND „Qualität braucht Menschen“ Rückblick auf WDA-Tagung mit Symposium 2015 in Berlin Von Albrecht Wolfmeyer Vom 23. bis 26. April 2015 fand in Berlin die Tagung des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen (WDA) statt – das größte jährliche Treffen des Netzwerks der Deutschen Auslandsschulen. Zum Auftakt der Tagung 2015 lud der WDA zu einem Empfang in die Thüringer Landesvertretung ein. Der WDA-Vorstandsvorsitzende Detlef Ernst und Thüringens Ministerin für Bildung, Sport und Kultur, Dr. Petra Klaubert, begrüßten die Gäste aus Berlin und der ganzen Welt: Schulvorstände aus mehr als 50 Ländern, Botschaftsvertreter, Partner aus Politik, Wirtschaft und Bildung sowie die Vorstände und Mitarbeiter des WDA. Partner von morgen Im Rahmen der Tagung findet regelmäßig ein Symposium statt. In diesem Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto „Qualität braucht Menschen“. Die zentralen Themen: Personalmanagement, berufliche Bildung sowie die gesetzliche Förderung. In der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften tauschten sich Schulvertreter, Bundestagsabgeordnete, Vertreter der fördernden Stellen sowie Experten aus Bildung, Kultur und Wirtschaft aus. Zu den Teilnehmern zählten Stephan Steinlein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt und der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Udo Michallik. Ein leistungsfähiges Land benötige ein Netzwerk junger Menschen in aller Welt, betonte Steinlein. „Sie sind Netzwerker für Deutschlands Zukunft“, richtete sich der Diplomat an die Schulvor- 10 WDA-Geschäftsführer Thilo Klingebiel, Thüringens Ministerin für Bildung, Sport und Kultur, Dr. Petra Klaubert, WDA-Vorstandsvorsitzender Detlef Ernst (v.l.) (Foto: WDA/Albrecht Wolfmeyer) stände im Publikum. „Unsere Partner von morgen besuchen heute Deutsche Auslandsschulen.“ An den Schulen entstünden lebenslange Partnerschaften zwischen Deutschland und der Welt. Bundestag befasst sich mit Förderung Andreas Haffner, Leiter Personalwesen Top-Management bei Volkswagen, stellte das globale Mobilitäts-Programm des Autokonzerns vor. „Entsendungen werfen hochkomplexe Fragestellungen auf“, sagte Haffner. „Sie sind die Königsdisziplin der Human Resources.“ Was die Deutschen Auslandsschulen in Sachen Personalmanagement von einem Konzern wie VW lernen können, war das Thema der anschließenden Podiumsdiskussion. Ulla Schmidt MdB, die dem Bundestagsunterausschuss Auswärtige Kulturund Bildungspolitik angehört, kündigte eine Überprüfung des Auslandsschulgesetzes an. Der Haushaltsvorbehalt sei aus dem Gesetz zu streichen, der Inklusionszuschlag zu erhöhen. „Wir müssen 2015 die Grundlagen schaffen für das, was wir ändern wollen“, sagte Schmidt. Gemeinsam mit allen Akteuren des Auslandsschulwesens will sie eine „Road map“ entwickeln, um die wachsenden Herausforderungen der Schulen zu bewältigen. Sie lud den WDA ein, sich in den Prozess zur Evaluation des Auslandsschulgesetzes einzubringen. Anfang Juni findet dazu eine Sitzung im Kultur & Politik 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Bundestagsunterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik statt. Mitgliederversammlung wählt neue Vorstände Auf der WDA-Mitgliederversammlung standen neben Fachthemen wie der Alumniarbeit Vorstandswahlen auf der Tagesordnung. Im Amt bestätigt wurde Peter Raute (Bogotá), der dem WDA-Vorstand seit 2010 angehört. Neu in den Vorstand wählte die Mitgliederversammlung Friederike Gribkowsky (Bukarest) und Nicholas Röhm (Valdivia). Aus dem Vorstand ausgeschieden sind Andreas Rüsch (Pretoria) und Klaus Kundrat (Genua). In seiner Will das Auslandsschulgesetz weiterentwickeln: Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt MdB (Foto: WDA/Florentine Sievers) „Sie sind Netzwerker für Deutschlands Zukunft“: Stephan Steinlein, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes (Foto: WDA/Florentine Sievers) konstituierenden Sitzung wählte der Vorstand erneut Detlef Ernst (Shanghai) zum Vorsitzenden. Seine Stellvertreterin bleibt Martina Spann (Málaga). Neuer Schatzmeister ist Dr. Peter Fornell (Toulouse). Schriftführer ist weiterhin Rudolf Kumbolder (Mexiko-Stadt). Zum Abschluss der Tagung 2015 bot der WDA erstmalig eine „Zukunftskonferenz“ an. Durch die Veranstaltung führte der Organisationsberater Dr. Dietmar Nowottka. In Workshops erarbeiteten die Mitglieder gemeinsam einen Themen- und Maßnahmenkatalog. Die Ergebnisse der Zukunftskonferenz dienen als strategische Grundlage, um die Verbandsarbeit in den kommenden Jahren erfolgreich weiterzuentwickeln. Über den Weltverband Deutscher Auslandsschulen (WDA) Der Weltverband Deutscher Auslandsschulen vertritt die freien, gemeinnützigen Schulträger der Deutschen Auslandsschulen und fasst ihre Einzelstimmen zu einer starken Stimme zusammen. Dazu bündelt er das Wissen der vielen lokalen Experten zu einem globalen Netzwerk. Er unterstützt seine Mitglieder bei ihren Aufgaben und fördert ihre Projekte mit gezielten Dienstleistungen. Der WDA vertritt die gemeinsamen Interessen gegenüber dem Deutschen Bundestag und den fördernden Stellen. Er ist wichtiger Ansprechpartner der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und gestaltet diese zugleich aktiv mit. Mehr erfahren: www.auslandsschulnetz.de/veranstaltungen 11 2/2015 Kultur & Begegnung ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND te Die beeist Z meineenss Leb Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache Besuch der VDA-Partner in Paraguay Von Petra Meßbacher „Wege ins Ausland“ – unter diesem Titel wirbt der VDA nicht nur für seinen internationalen Schüleraustausch hier in Deutschland. Dieses Motto galt auch für die VDA-Geschäftsführerin selbst auf ihrer Reise nach Südamerika zu den Deutschen Partnerschulen. Begleitet wurde sie von Birgit Gronwald Bartels, die durch ihre aktive Unterstützung im Schulmarketing besonderes Engagement mitbrachte. Der Schwerpunkt dieser Reise lag auf dem Besuch der Deutschen Partnerschulen in Paraguay. Zusätzlich wurden aber auch Besuche an der Deutschen Schule in Rio de Janeiro absolviert sowie in El Dorado/ Misiones in Argentinien. Darüber hinaus trafen die VDA-Vertreterinnen auf den neuen Vorsitzenden des DCB (Deutsch-Chilenischer Bund) in Santiago de Chile, Herrn René Focke, und seinen Vorstandskollegen Javier Vernier zu einem Gedankenaustausch im Deutschen Club in Santiago de Chile. Abgerundet wurde die Reise durch den Besuch der Deutschen Schule in Bogotá und einem Besuch beim Deutschen Botschafter in Kolumbien, S.E. Herrn Dr. Günther Knieß. Den Auftakt der Gespräche in Paraguay bildete ein Meeting mit der neuen Direktorin der Deutschen Schule Concordia in Asunción, Frau Karin August de Goertzen, die zusammen mit der Austauschbeauftragten, Frau Susi Warkentin, die Gespräche zur weiteren Intensivierung des Austausches zwischen dem VDA und der Deutschen Schule Concordia führte. Neben dem eigentlichen Austauschprogramm zeigte die Schule sehr großes Interesse an sogenannten „Kultur- 12 Kultur & Begegnung 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND reisen“ im Anschluss an den Austausch für die Schüler selbst, aber auch für die dortigen Lehrkräfte. Hierzu wurden eine Reihe von Ideen und Überlegungen ausgetauscht. Im Anschluss an den Aufenthalt in der paraguayischen Hauptstadt standen vier Tage im Chaco im Norden Paraguays auf dem Plan. Im angestammten Siedlungsgebiet der mennonitischen Gemeinschaften, von denen viele zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg weltweit – insbesondere jedoch aus Kanada, aus Russland und der Ukraine – nach Paraguay auswanderten, war der Gesprächsbedarf sehr hoch, da dort eine Vielzahl von kleineren deutschen Schulen entstanden ist. Die meist vorherrschende Dreisprachigkeit der Schüler ist ein besonderes „Geschenk“, da sie mit einer Leichtigkeit mehrsprachig aufwachsen und damit besondere Voraussetzungen für das Zusammenleben von Kulturen und Nationen mitbringen. Organisiert wurde der Aufenthalt vor Ort vom Direktor des Lehrerkollegs der Deutschen Schule Paratodo, Eugen Friesen, der auch seine Kollegen an den Deutschen Schulen Neufeld und Filadelfia sowie an der Deutschen Schule Lolita Gelegenheit bot, über das Austauschprogramm des VDA einen intensiven Gedankenaustausch zu führen. So war von vorbereiteten Schüler- und Elterntreffen bis hin zu verschiedenen Vorträgen an den einzelnen Schulen eine Vielzahl von Gesprächen möglich, um Fragen zum VDA-Austausch mit Deutschland zu beantworten. Für die im Winter 2015 ankommenden Austauschschüler suchen wir ab sofort dringend Gastfamilien. Beteiligen Sie sich aktiv! Das in Filadelfia ansässige Fortbildungsinstitut für Lehrer in Paraguay wird in Kürze von Eugen Friesen leitend übernommen werden, wozu ihm der VDA viel Erfolg wünscht. 13 2/2015 Kultur & Begegnung ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Schuldirektor Eugen Friesen unterrichtet am Collegio Paratodo eine Klasse in Deutsch, die sich bereits brennend für den Austausch im nächsten Jahr interessiert Schüler der 10. Klasse diskutieren auf Deutsch mit den VDA-Gästen über ihr Deutschlandbild und die Verbundenheit mit der deutschen Sprache Aller Anfang ist schwer – aber nicht für diese Erstklässler: sie wachsen dreisprachig auf und werden für die globalisierte Welt bestens vorbereitet sein 14 Kultur & Begegnung 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Gelebte Partnerschaft – durch das hervorragende Engagement von Susi Warkentin an der Deutschen Schule Concordia wird der VDA seine Präsenz in Paraguay verstärken können Herzlichkeit und Kompetenz erwarteten die Gäste an der Deutschen Schule Concordia in Asunción: Die Schulbeauftragte und Fachschaftsleiterin für Deutsch, Susi Warkentin, organisierte ein Round-TableGespräch mit den Verantwortlichen der Schule und der neuen Direktorin, Karin Görtzen de August zur künftigen Kooperation mit dem VDA Nicht nur die geschäftlich-kulturellen Eindrücke auf dieser Reise waren überwältigend, auch die unterschiedliche Flora und Fauna begeisterte 15 2/2015 Kultur & Begegnung ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND te Die beeist Z meineenss Leb Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache Besuch der VDA-Partner in Brasilien und Chile Rechtzeitig zum 50-jährigen Bestehen der Deutschen Schule Rio de Janeiro in Brasilien trafen sich Schulleitung und VDA-Geschäftsführung zum Gedankenaustausch, Meinungsbildung und Kooperationsgesprächen. Die seit vielen Jahren bestehende Verbindung soll intensiviert und vertieft werden. Regelmäßig sind rund 20 Schüler aus der Deutschen Schule im Austauschprogramm des VDA. Die hohe Nachfrage zeigt das brasilianische Interesse und bestärkt die weitere Zusammenarbeit. Foto oben links; V.l.n.r.: Gisela Manthey, Schuldirektorin Sybille Rohrmann, Petra Meßbacher, Ursula Burkhardt und Schuldirektor Paolo Carvalho. Rechts im Bild: die deutsche Schuldirektorin Sybille Rohrmann. Empfang in der deutschen Schule Thomas Morus in Santiago de Chile 16 Zu einem kompakten Gedankenaustausch trafen sich die Direktorin der Deutschen Schule Thomas Morus in Santiago de Chile, Chile, Sabine Trapp und VDA-Geschäftsführerin Petra Meßbacher. Chile ist der größe Austauschpartner für den VDA und schickt jährlich zwischen 150 und 200 Schüler in den Austausch nach Deutschland. Die besonderen Herausforderungen bei der Suche nach Gastfamilien und die interkulturellen Anforderungen für den Austausch waren die Hauptpunkte der Gespräche. Sabine Trapp (2.v.r.) ist gleichzeitig Austauschbeauftragte der chilenischen Schuldirektorenkonferenz und mit allen Partnerschulen in Chile in gutem Kontakt. Kultur & Begegnung 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache Besuch der VDA-Partner in Argentinien Unweit der weltberühmten Wasserfälle von Iguazu liegt im Dreiländeck zwischen Brasilien, Paraguay und Argentinien das Städtchen Eldorado in der Provinz Misiones. Die dortige Stiftung Wachnitz organisiert seit über 25 Jahren in Kooperation mit dem VDA den Schüleraustausch für verschiedene, kleinere Schulen der Region. Mit großem Elan und Ausdauer hat Gisela Wachnitz (Foto links) in den vergangenen Jahren für eine Vielzahl von Schülern den begehrten Aufenthalt organisiert. Auch deutsche Schüler sollten dem Ruf nach Eldorado folgen, ein Goldschatz wird dort nicht gefunden, dafür aber interessante Einblicke in Kultur und Natur des Dreiländerecks. Lebensader und Risiko zugleich: der Parana, Grenzfluss im Dreiländereck zwischen Argentinien, Brasilien und Paraguay 17 2/2015 Kultur & Begegnung ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache Besuch der VDA-Partner in Kolumbien Nicht nur auf den Spuren Alexander von Humboldts, sondern der Einladung der Deutschen Schule in Bogotá folgend, bildete Kolumbien die letzte Station der Reise. Von den vier großen deutschen Schulen in Kolumbien ist das Colegio Andino die größte Auslandsschule mit unbegrenztem Zustrom von bildungshungrigen Familien. Neben den informativen Gesprächen mit Schuldirektor Jan Fischer und dem Vorsitzenden des Schulträgervereins, Ernst Raute (Bild oben rechts), konnte erfreulicherweise auch ein Gespräch mit dem Deutschen Botschafter in Kolumbien, S. E. Dr. Günther Knieß (Bild unten), geführt werden. Der Weg zu einem Austauschprogramm ist bereitet, wir hoffen auf einen baldigen Start. 18 a p o r u ter E s n e f u Scha Schaufenster Europa 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Pilsen: Deutsche Spuren in der Kulturhauptstadt Europas 2015 Von Dr. Roswitha Schieb Bei der Vorstellung Pilsens als Kulturhauptstadt Europas 2015 im Roten Rathaus zu Berlin, veranstaltet vom Deutschen Kulturforum östliches Europa, betonten alle Redner immer wieder, dass Pilsen viel mehr zu bieten habe als Bier und Škoda. Dessen ungeachtet, bekam der tschechische Botschafter zu seiner Begrüßung am Rednerpult ein Glas Pilsener gereicht, was er mit den Worten kommentierte, in Pilsen gebe es nicht nur Bier, sondern auch Sekt und Schnäpse, Kirchen, jüdische Zeugnisse, eine sehr lebendige Theaterszene und die gute Pilsener Regionalküche mit böhmischen Knödeln, Ente, Schweinsbraten, Sauerbraten, Sauerkraut und Kollatschen. Schließlich fiel er sich selbst ins Wort und beendete seine kulinarische Schwelgerei mit dem Spruch „Hunger ist sowieso nur ein umgezogener Durst“. Kein Zweifel – Pilsen birgt viele Schätze und Überraschungen. Im Programm der Kulturhauptstadt 2015 gibt sich die Stadt gleichzeitig bodenständig und international: so soll als eines der wichtigsten Kulturhauptstadtprojekte das leerstehende Areal der Brauerei Svĕtovar in eine Kulturfabrik umgestaltet werden und die ehemalige Škoda-Werkshalle in einen Wallfahrtsort für Design verwandelt, Bayerische Kulturtage wechseln sich ab mit Tagen der japanischen Kultur, das Fest anlässlich der Befreiung Pilsens durch die US-Armee vor siebzig Jahren steht neben einer Ausstellung zum Schicksal tschechischer Immigranten in Neuseeland, das Roma-Festival Khamoro folgt auf eine Ausstellung von Porträts Pilsener Einwohner und von Pilsener Familienfotos, die von einem französischen Kurator ausgewählt wurden, und ein reichhaltiges Zirkus-, Theater-, Musik-Programm wechselt sich ab mit Ausstellungen und Konzerten zum Thema „Barock in Westböhmen“. Frühe deutsche Einflüsse Da Pilsen seit seiner Gründung im Mittelalter an den wichtigen Straßen zwischen Prag und Nürnberg und in Richtung Lausitz und Schlesien lag, spiegeln sich verschiedene Einflüsse dieser Regionen auch in der Architektur wider. Angefangen von gotischen Kirchen mit raffinierten Netz- und Sternrippengewölben und der Pilsener Madonna als Beispiel des Schönen Stils über Bauwerke der Renaissance, in der sich italienische und böhmische Einflüsse mischen, zeigen sich auch an den profanen und Die „Schöne Madonna“ von 1385 in der St. Bartholomäus-Kathedrale entstand in enger Verbindung mit der höfischen Kunst Peter Parlers sakralen Gebäuden des Barock, des Klassizismus und Historismus bis hin zu den architektonischen Perlen der Moderne, dass immer wieder sowohl tschechische als auch deutsche bzw. österreichische und auch italienische Baumeister in Pilsen beschäftigt waren. Auch die digitale Stadtbibliothek Pilsen, Pilsna Digitalis, die ab Mai 2015 im Netz steht, weist bei ihren mehr als 150.000 Seiten digitalisiertem Kulturgut aus und über Pilsen mehrsprachige, also lateinische, deutsche und tschechische Zeugnisse der Vergangenheit der Stadt auf, seien es Bücher oder Zeitschriften, Adressbücher, Schulberichte, Theaterplakate und auch historisches Fotomaterial. Dabei sind tschechische und deutsche Zeugnisse ungefähr gleich stark vertreten. Das erste Buch auf Tschechisch, das überhaupt gedruckt wurde, erschien 1468 in Pilsen. 1534 dann kam in Pilsen die erste gedruckte tschechisch-deutsche „Konversations-Unterweisung“ heraus, die wegen der regen Handelsbeziehungen zu Nürnberg notwendig wurde. Bereits seit dem Mittelalter existierte in Pilsen eine deutsche Minderheit, die über viele Jahrhunderte hinweg das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Stadt mitgestaltete und deren Spuren auch heute noch zu finden sind. So entstand die Pilsener Madonna in der St. Bartholomäus-Kathedrale in enger Verbindung mit der höfischen Kunst von Peter Parler, der die Burg und den Veitsdom in Prag errichtete. Maßgeblich beteiligt am Bau der Pilsener Kathedrale war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts der aus Eichstätt stammende Baumeister Erhard Bauer, der sich als Steinmetz- und Stadtbaumeister von Eger einen Namen machte. Nicht nur, dass der römisch-deutsche Kaiser und König von Böhmen, Ungarn 19 2/2015 Schaufenster Europa ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND und Kroatien, Rudolf II., seinen Sitz 1599 wegen der in Prag wütenden Pest für ein Jahr nach Pilsen verlegte und in zwei Gebäuden nahe dem Rathaus wohnte, auch Wallenstein war in einem heute noch existenten Haus am Pilsener Ring 1634 mit seinem Gefolge einquartiert, bevor er nach Eger aufbrach, wo er ermordet wurde. Ein großer Teil der Wallenstein-Trilogie Friedrich Schillers spielt in Pilsen. Heute befinden sich in diesem Haus, dem sogenannten Europahaus, ausländische Kulturinstitute, so auch der Lesesaal des Goethe-Instituts und die Österreich-Bibliothek. Nach dem Dreißigjährigen Krieg verfasste Johann Tanner eine bedeutende Chronik der Stadt Pilsen unter dem lateinischen Titel Historia urbis Pilsnae. Viele Künstler und Baumeister mit deutschen oder eingedeutschten Namen arbeiteten in Pilsen, so Christian Widmann, der 1680/81 die Pestsäule auf dem Ring errichtete, so Franz Julius Lux, der westböhmische Maler des Rokoko, der 1696 den Hauptaltar des Franziskanerklosters malte, so der Pilsener Baumeister Simon Michael Schell, der um 1800 nicht nur die klassizistische Fassade vom Haus zum weißen Die Pestsäule von 1680/81, errichtet zum Dank für die Verschonung Pilsens von der Pest, ist von einer vergoldeten Nachbildung der Pilsener Madonna bekrönt 20 Löwen gestaltete, sondern auch das aufgehobene Dominikanerinnenkloster als Prämonstratenser-Gymnasium und Philosophisches Institut umbaute. Seit 1809 war an diesem Prämonstratenser-Gymnasium der Universalgelehrte Josef Stanislaus Zauper tätig, der 1850 in Pilsen starb. Er war Lehrer Bedř ich Smetanas und Bewunderer und Freund Goethes. Als österreichischer Professor und gelehrter Prämonstratensermönch verfasste er poetische Erzählungen, eine deutsche, theoretisch-praktische Poetik, aus Goethes Werken entwickelt, die Schrift Pilsens alte Chronik (1835) und Studien über Goethe. Aus Zaupers häufigen Treffen mit Goethe in den böhmischen Bädern entwickelte sich ein Briefwechsel zwischen den beiden. Deutsche Spuren im 19. Jahrhundert Im Jahr 1832 wurde das erste steinerne Theatergebäude in Pilsen von deutschen Bürgern errichtet. Es befand sich in der Goethe-Straße und bestand bis 1977. Ein weiteres Bauwerk, das barocke Gerlach-Haus in der Nähe des Rings, ist nach dem ab 1839 dort wohnenden Pilsener Komponisten, Musikund Tanzlehrer Josef Gerlach benannt. 1864 gehörten 4304 Einwohner zur deutschen Minderheit und 19769 zur tschechischen. Das heißt, dass zu dieser Zeit der Anteil der Pilsener mit deutscher Umgangssprache bei knapp 18 Prozent lag. Es gab mehrere deutsche Schulen aller Bildungsniveaus, welche auch von Bürgern aus dem Egerland westlich von Pilsen besucht wurden. In der Oesterreichischen National-Encyklopädie von 1836 heißt es über den Pilsener Kreis, dass er aus 15 Städten, 14 Marktflecken und 663 Dörfern bestehe, deren Einwohner fast durchgehend Deutsch sprechen, jedenfalls sei dieser Kreis größtenteils von Deutschen bewohnt. Das weltberühmte Pilsener Bier entwickelte der aus Bayern stammende Braumeister Josef Groll, der ein helles Lagerbier, das später Pilsener Urquell getauft wurde, braute. Das Tor zur Pilsener Brauerei im Stil der Neorenaissance stammt vom Pilsener Architekten Emanuel Klotz aus dem Jahr 1892. Der Architekt der Großen Synagoge von 1893 in Pilsen, Rudolf Stech, knüpft mit seinem neoromanischen Gebäude mit Elementen des maurischen Stils an Bauten des Architekten Max Fleischer aus Wien an, der viele Synagogen errichtete. Die Synagoge von Pilsen gilt als die drittgrößte der Erde, ohne dass die jüdische Gemeinde ungewöhnlich groß gewesen wäre; eher war ihr ein ausgeprägtes Repräsentationsbestreben eigen. Auch das Haus zum roten Herzen am Ring wurde 1894 von Rudolf Stech, dem Pilsener Architekten der Neorenaissance, erbaut. Weitere Häuser am Ring, das Haus zum goldenen Schiff und das Nachbarhaus, stammen von einem österreichischen Architekten aus Wien, Ludwig Tremmel, der ebenfalls ein Vertreter des Historismus war und bis 1918 in Pilsen als Lehrer der Staatsgewerbeschule und Chefarchitekt der Škoda-Werke arbeitete. Zur Zeit der k.u.k. -Monarchie, vor allem vor und während des Ersten Weltkriegs, müssen diese Werke übrigens als mit die wichtigste Waffenschmiede Europas angesehen werden. 1883 wurde Oskar Baum in Pilsen geboren, Angehöriger des Prager Kreises, der in regem Briefwechsel mit Franz Kafka stand. In der Zeit des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gab es im Rahmen der immer stärker werdenden nationalen Bestrebungen und Spannungen in Pilsen neben dem Deutschen Gymnasium, der Deutschen Handelsschule, dem Deutschen Haus, in dem sich u. a. der Männergesangsverein der Beschäftigten der Škoda-Werke traf, mit dem Deutschen Theater und der Deutschen Turnhalle auf der tschechischen Seite etliche Vereinsgebäude, darunter auch die Sokolov-Turnhalle. So konnten sich Schaufenster Europa 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND die verschiedenen Bevölkerungsteile Pilsens in separaten Turnhallen ertüchtigen. Umbrüche im 20. Jahrhundert Ab 1918 gehörte Pilsen zur neugegründeten Tschechoslowakischen Republik. Jetzt wurde das moderne Bauen derart populär, dass sogar ein Wolkenkratzer entstand. Doch auch in dieser Zeit, zwischen 1928 und 1932, gab es keine Berührungsängste mit nicht-tschechischen Architekten. So gestaltete der aus Brünn stammende und aus Wien kommende berühmte Adolf Loos, dessen Frau Pilsenerin war, mehrere sehr elegante Inneneinrichtungen in Pilsen, die auch noch erhalten sind, so die zweite und dritte Etage des Weiner-Hauses am Ring, sowie mehrere Privatwohnungen, so das Interieur des Ehepaaars Vogel, Das zeitlos-elegante Interieur des Ehepaars Vogel entstand zwischen 1928 und 1930 nach Entwürfen des Architekten Adolf Loos für Hugo Semler oder für das Ehepaar Brummel. Während der Zeit der deutschen Okkupation in der NS-Zeit wurden von 3200 im Jahr 1938 in Pilsen lebenden Juden im Jahr 1942 3000 Menschen nach Theresienstadt und in weitere Konzentrationslager deportiert. Heute hat die jüdische Gemeinde nur wenige Mitglieder. Die Befreiung von der deutschen Okkupation geschah durch die US-Armee am 6. Mai 1945, woran im Sozialismus verboten war zu erinnern. Die offizielle Website der Stadt Pilsen 2015 erwähnt für das Jahr 1945 nur die Befreiung der Stadt durch die Amerikaner, mit keinem Wort aber die darauffolgende Vertreibung der Deutschen, in Tschechien „odsun“, zu Deutsch „Abschiebung“ genannt. Wird dieses Kapitel der Stadtgeschichte ausgeblendet? Bei näherem Hinsehen finden sich in dem ganzen bunten Kulturhauptstadtreigen etliche instruktive und auch sehr originelle Bezugnahmen auf den deutschen bzw. österreichischen Anteil der Pilsener Stadtgeschichte, die auch die Vertreibung der Deutschen 1945 einschließt. Tschechische Studenten und Schüler auf Spurensuche So ist seit Ende Februar 2015 in Pilsen die Ausstellung „(Un)sichtbare Loyalität“ zu sehen, eine Ausstellung mit aufschlussreichem, historischem Bildmaterial, so über das Verhältnis der Stadtbevölkerung zu Kaiser Franz Joseph I., über das enge Zusammenleben von Österreichern, Deutschen und Tschechen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, zum Beispiel gespiegelt in deutschen und tschechischen Theaterplakaten, oder über die Entfernung von k.u.k. -Hoheitszeichen nach 1918. Unter dem Titel „Eine unsichtbare Loyalität? Österreicher, Deutsche und Tschechen in der Kultur der böhmischen Länder des 19. Jahrhunderts“ gab es im Februar 2015 dazu eine wissenschaftliche Tagung, in der das Zugehörigkeitsgefühl, das die Einwohner der böhmischen Länder gegenüber der Habsburgerdynastie hegten, analysiert wurde. Dabei kamen Loyalitäten gegenüber der tschechischen bzw. der böhmischen Kultur und gegenüber den übernationalen Institutionen der k.u.k. -Monarchie mit Hinblick auf Kirche, Heer und Schulwesen zur Sprache. Auch die Positionen derer, die es ablehnten, loyale Haltungen einzunehmen, wurden dabei beleuchtet. Von erstaunlicher Offenheit und investigativer Neugierde ist das Internetprojekt Spurensuche in der Pilsener Stadtgeschichte geprägt. Dieses Projekt wird von Schülern eines Pilsener Gymnasiums unter Leitung von Antonín Kolář durchgeführt. Es beruht auf einer Sammlung von Bildern und Gedanken, die wunde Punkte der Pilsener Geschichte berühren. So zeigt beispielsweise ein Foto einen Ausschnitt zum Thema Große Geschichte: Man sieht fröhliche Menschen, tschechische Pilsener, bei der Befreiung Pilsens am 6. Mai 1945 durch die Amerikaner. Wenn dann aber das ganze Bild gezeigt wird, erzählt es in verstörender Weise sozusagen eine kleine Geschichte: Denn vor den jubelnden Menschen liegt ein Toter mit nacktem Oberkörper, vermutlich ein Deutscher oder ein Kollaborateur, um den sich keiner schert. Dem Lehrer und seinen Schülern geht es um vergessene Namen, vergessene Schicksale, vergessene Empfindungen und Geschichten. In diesem Projekt suchen sie gemeinsam nach symbolischen Bildern in der Stadt und werden fündig. Sie finden Einschusslöcher an Gebäuden, die bei deren Restaurierung erhalten bleiben. Sie entdecken ein skurriles Foto von 1945, auf dem ein Scharfschütze auf dem Dach der Synagoge sitzt, um von dort auf US-Soldaten zu zielen, und sich dabei hinter den auf dem Dach angebrachten Gesetzestafeln verschanzt, auf denen auf Hebräisch „Du sollst nicht töten“ zu lesen ist. Dann begeben sie sich auf die Suche nach jüdischen Spuren. Věra Kohn, sozusagen die Pilsener Anne Frank, schrieb mit 12 Jahren zwischen 1941 und 1942 ein Tagebuch auf Tschechisch über ihre Gefühle während der NS-Okkupation in Pilsen. Dann wurde sie nach Theresienstadt deportiert und in Izbica, im von der deutschen Wehrmacht besetzten Polen, ermordet. 65 Jahre lang war das Tagebuch versteckt und tauchte vor 21 2/2015 Schaufenster Europa ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND berg kommentiert: Grünberg, 1939 in Pilsen geboren, wurde mit seiner Mutter 1946 aus der Tschechoslowakei verbannt und verlor seine Heimat. Das mag vielleicht traurig für ihn gewesen sein, so Kolář , aber wäre er ohne Vertreibung nach Deutschland Nobelpreisträger geworden? Hätte er sonst so gute Chancen gehabt? Diese Frage muss offen bleiben. In jedem Fall begeben sich die Schüler mit UnvoreinDie Große Synagoge in Pilsen, im neuromanischen Stil mit mau- g e n o m m e n h e i t , rischen Schmuckelementen erbaut, ist dank ihrer guten Akustik N e u g i e r d e u n d Entdeckerlust auf heute ein beliebter Konzertsaal die Suche nach vergessenen, verwenigen Jahren auf. Im Garten der Erin- schwiegenen, unbequemen und traurinerungen, der sich bei der zweiten Syn- gen Wahrheiten ihrer Stadt. agoge von Pilsen befindet, werden Steine aus dem Fluss abgelegt, Steine, auf Kreativer Bezug zur denen Namen von Pilsener Juden, die Vergangenheit die NS-Zeit nicht überlebt haben, stehen, so auch der Name von Věra Kohn. Mit einer sehr originellen Idee, nicht Die Schüler interessieren sich auch nur die frühere Mehrsprachigkeit Pilfür den tschechischen Widerstand sens, sondern auch die heutigen gegen die Nazi-Okkupation, so für Verständigungsprobleme der Nachdie beiden Fallschirmspringer Jan Ku- barn miteinander widerzuspiegeln, biš und Josef Gabč ík, die Reinhard wartet das Theater A Basta auf. JunHeydrich ermordeten. Sie landeten in ge Schauspieler persiflieren in einer Pilsen und versteckten sich in einem Pil- künstlichen Mischung aus Tschechisch sener Haus. und Deutsch, dem sogenannten Auch die Vertreibung der Deut- Tscheutsch, diese Sprachbarriere. So schen wird in diesem Projekt nicht aus- stecken zwei Schauspieler Rücken an gespart. Der Projektleiter Antonín Kolář Rücken in einem T-Shirt. Mal spricht sieht an einer Stelle die Vertreibung der eine des vierbeinigen und vierarder Deutschen sogar als Chance an, migen Wesens auf Deutsch zum Publiwenn er die Biographie des späteren kum, dann, nachdem sie sich unbeholPhysik-Nobelpreisträgers Peter Grün- fen umgedreht haben, fährt der andere 22 auf Tschechisch fort, wobei eine Dolmetscherin hilft, das Sprachknäuel zu entwirren. In dieser künstlichen Sprache, dem Tscheutsch, werden auch Stadtführungen angeboten. Die Teilnehmer dieser Führungen lernen die Stadt und die Wörter der jeweils anderen Sprache dadurch kennen, dass sie in zwei- und gemischtsprachigen Gruppen Aufgaben gestellt bekommen, deren Lösungen sie mit der Stadt vertraut machen sollen. Ein weiteres Angebot an Stadtführungen, das auch nach Ende des Kulturhauptstadtjahrs in Pilsen erhalten bleiben soll, bewegt sich „auf österreichischen Spuren durch Pilsen“, ein Angebot, das vom Österreichischen Kulturforum Prag gefördert wird. Hier entwickelten fünf junge Leute aus Pilsen einen Stadtrundgang mit besonderem Fokus auf das beachtliche österreichische Erbe der Stadt. Diese Spaziergänge sowohl in tschechischer als auch in deutscher Sprache wenden sich ebenso an die einheimischen Bürger Pilsens als auch an interessierte deutschsprachige Besucher der Stadt, denen die gemeinsame österreichisch-tschechische Geschichte anhand von wichtigen historischen Ereignissen und bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt anschaulich gemacht werden sollen – beispielsweise anhand des zu Ehren von Kaiser Franz Joseph I. in Pilsen exklusiv gebrauten Pilsner Kaiserquell (Plzeňský císařský pramen). Detektivische Suche Auch außerhalb Pilsens stoßen die deutschen und österreichischen Anteile der Stadtgeschichte Pilsens auf Interesse. So gab es in Ústí nad Labem (Aussig) im März 2015 ein Seminar zum Thema Deutsche Spuren in Pilsen, gefolgt von einer Exkursion nach Pilsen im Mai 2015. Die Referate der Studenten beschäftigen sich mit sehr detailreichen Themen und bohren sich geradezu Schaufenster Europa 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Literatur: –Frantinšek Frýda, Jan Mergl: Pilsen/ Plzeň. Ein kunstgeschichtlicher Rundgang durch die westböhmische Metropole, Regensburg 2015 –Tobias Weger: Pilsen/Plzeň. Kleine Stadtgeschichte, Regensburg 2015 –Pilsen 2015 – Kulturhauptstadt Europas. Programm 1. Teil: Region Open Up! Plzeň 2014 –Pilsen 2015 – Kulturhauptstadt Europas. Programmübersicht. 2. Buch, Plzeň 2014 Das repräsentative Jubiläums-Tor zur Pilsener-Urquell-Brauerei im Stil der Neorenaissance gilt als ein Schmuckstück der historistischen Architektur Pilsens. Fotos 1 bis 5 von Radovan Kodera, Pilsen, Rechte: Deutsches Kulturforum östliches Europa akribisch in die Schicht der deutschen Vergangenheit hinein. Da wird die Geschichte der Pilsener Bierbrauereien und der Restaurants auf deutsche Hintergründe, auf deutsche Speisekarten und deutschsprachige Bedienungen hin abgeklopft, oder es wird der Tatsache, dass der Firmengründer der Škoda-Werke in Chemnitz studiert hat, Beachtung geschenkt. Die Philosophische Fakultät der Pilsener Universität wird auf das deutschsprachige Studienangebot sowie das Angebot deutschsprachiger Literatur aus der Pilsner Region hin untersucht, und deutschsprachige Künstler in Pilsen vom Erbauer der Kathedrale im Mittelalter bis hin zum Architekten Adolf Loos und dem später nach Neuseeland ausgewanderten Maler Gottfried Lindauer werden fokussiert. Die Studenten fragen auch danach, was man als Besucher im Westböhmischen Museum zum Thema der Stadtentstehung, zur Verleihung des Stadtrechts, zur ehemaligen deutschsprachigen Bevölkerung und ihrer Vertreibung nach 1945 erfahren kann. Auf ihren Stadterkundungen legen sie besonderes Augenmerk darauf, was an deutschen Spuren geblieben und was verschwunden ist, fast detektivisch spüren sie deutsche Namen in Straßenbezeichnungen und an Häusern in Pilsen auf oder finden alte Hoch- wasserstandsmarken, auf denen „ … Meter über der Adria“ zu lesen ist, sie erforschen die Umwandlung des früheren Deutschen Mädchen-Lyzeums ins heutige Konservatorium, entdecken frühere Kasernen für k. u. k. -Regimenter, zweisprachige, noch erhaltene Aufschriften aus dem Zweiten Weltkrieg „Zum öffentlichen Luftschutzraum/ K veř ejnému protileteckému krytu“ oder vor einem Friedhof ein Feldkreuz mit deutscher Inschrift. Die Studenten fragen auch nach jüdischen Spuren in Pilsen, nach der Synagoge, nach jüdischer Musik im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms, aber auch nach der Sokolov-Turnhalle. Hier war der Sammelplatz der Judentransporte im Februar 1942. Und schließlich untersuchen die Studenten auch das Kulturhauptstadtprogramm auf aktuelle deutsche Spuren, sie fragen nach der Präsenz der deutschen Partnerstädte Pilsens, stoßen – Regensburg ist eine Partnerstadt Pilsens – auf die Bayerischen Tage im April 2015 mit Literatur, Musik, Gastronomie und Handwerk sowie auf die Ausstellung über München. Leuchtende Kunstmetropole. Und sie forschen im Marionetten-Museum nach den in Pilsen begründeten berühmten Figuren Spejbl und Hurvínek, forschen nach auch deutschsprachigen Tourneen und richten sogar ihr Augenmerk auf den – wie sie meinen – deutschsprachigen Ursprung des Namens Spejbl. 23 2/2015 Schaufenster Europa ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Das Ende der deutschen Geschichte in Böhmen: neue Ansätze Eine besonders eindrucksvolle Idee im Programm der Kulturhauptstadt ist das Projekt „Verfallene und gefährdete Kirchen“. Da seit der Vertreibung der Deutschen nach 1945 ein Großteil der Kirchen – es sind 122 allein in der Diözese Pilsen – nicht mehr gebraucht wurden, sind sie bis heute dem Verfall preisgegeben. Nicht nur, dass jetzt ein neuer Pilgerweg etwa zwanzig halbverfallene, sakrale Orte miteinander verbindet und damit ins Bewusstsein rücken soll, - in der St. Georgskirche in Luková trifft der Besucher auf eine Art Geister-Installation. Dort sitzen im ramponierten Kircheninneren auf abgeschabten Bänken etwa dreißig gespenstische Figuren, lazarushaft mit weißen Binden und Tüchern umwickelt und die Köpfe verhüllt. 34 Studenten von der Fakultät für Design und Kunst waren als Modelle mit Tüchern und Gips überzogen worden und konnten erst, als diese Hüllen getrocknet waren, aus ihren Kokons schlüpfen, die nun die Kirche bevölkern. Der junge Künstler Jakub Hadrava, der Schöpfer dieses sehr wirkungsvollen Arrangements, äußert sich zum Gehalt seines Kunstwerks, das den Titel Gläubige trägt: „Die Figuren stellen die Geister der Sudetendeutschen dar, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Luková lebten und jeden Sonntag zum Beten in die Kirche kamen.“ An dieser Stelle erschließt sich der Impetus aufgeschlossener Vertreter einer jungen Generation von Intellektuellen und Künstlern in Tschechien, auf das lange tabuisierte Thema der Vertreibung von knapp drei Millionen Deutschen aus Tschechien um 1945 zu reagieren – und zwar in origineller Weise. An dieser Stelle sei auch noch beispielhaft auf zwei weitere künstlerische Annäherungen verwiesen, die sich mit diesem Thema produktiv auseinandersetzen. So zeigt die tschechische 24 Mit der Land-Art-Installation „Gläubige“ in Luková soll an die traurigen Folgen der Vertreibung der deutschen Bevölkerungsteile erinnert werden. Foto: Tanja Krombach, Rechte: Deutsches Kulturforum östliches Europa Gruppe Antikomplex in ihrem Buch „Das verschwundene Sudetenland“ Postkarten von Dörfern und Städtchen aus der Zeit vor 1945, als diese Regionen noch deutsch besiedelt waren, und vergleicht sie mit heutigen Fotos, die aus genau derselben Perspektive aufgenommen sind. Die Veränderungen sind manchmal verwirrend, existieren doch auf etlichen zeitgenössischen Fotos die Orte nicht mehr oder kaum noch, sondern werden von Wald, von der Natur überwachsen und zurückerobert. Und der junge Fotokünstler Lukáš Houdek stellt in seinem Fotozyklus The Art of Killing die Vertreibung der Deutschen und Gewaltverbrechen in dem Zusammenhang mit Barbiepup- pen in Uniformen und historischer Kleidung nach, deren grausame Handlungen er in schwarz-weiß-Fotos festhält – mit verstörender Wirkung. Die maskenhaften Puppengesichter sollen die kollektive Tabuisierung dieses Themas in der tschechischen Bevölkerung versinnbildlichen. Das große Interesse vieler junger Tschechen an einer historischen Spurensuche unterhalb der sichtbaren Oberfläche führt zu einer Aneignung und Eingemeindung der ganzen, neu entdeckten, nicht mehr verschwiegenen, nicht ausgeblendeten Geschichte ihrer Stadt und ihrer Region, die in der originellen Anverwandlung ihresgleichen sucht. Schaufenster Europa 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND 40 Jahre Städtepartnerschaft Saarbrücken – Tbilissi Von Bodo Bost Die älteste deutsch-sowjetische Städte partnerschaft zwischen Saarbrücken und Tiflis hat auch den in Georgien verbliebenen Kaukasusdeutschen genutzt. Ein Pionier dieser Freundschaft war Gert Hummel (1933-2004), ein Freund des VDA, der in Georgien unvergessen ist. Als am 22. März 1975 mitten im Kalten Krieg im historischen Sitzungssaal des Tbilisser Rathauses der erste offizielle Freundschaftsvertrag zwischen einer westdeutschen Stadt und einer Stadt der ehemaligen Sowjetrepublik geschlossen wurde, war dies fast eine Sensation. Die an diesem Tag von dem Saarbrücker Oberbürgermeister Oskar Lafontaine und seinem Tbilisser Amtskollegen Bachwan Lobshanidze besiegelte Städtepartnerschaft zwischen Saarbrücken und der georgischen Hauptstadt Tbilissi, blickte damals jedoch schon auf mehr als 10 Jahre Vorgeschichte zurück. Seine Wurzeln hat die nun seit 40 Jahren währende Freundschaft in der Kultur. Hermann Wedekind (19101998), der neue Intendant des Saarbrücker Stadttheaters, war 1960 aus Basel gekommen, um die Saarbrücker Bühne zu einem „Theater der Welt“ zu machen. Nach „Schweizer Theatertagen“ und einer „Deutsch-Französischen Theaterwoche“ folgten 1968 die „Russischen Theatertage“. Schon vor der Unterzeichnung der „Moskauer Verträge“ 1970 hatte sich bereits unter Bundeskanzler Kiesinger der Eiserne Vorhang für die Kunst einen Spaltbreit geöffnet. Die Gegeneinladung in die Sowjetunion erreichte den leidenschaftlichen Künstler 1972. Zusätzlich zum Pflichtprogramm in Moskau und Leningrad durfte Wedekind sich eine Stadt aussuchen, die er besuchen würde. Intuitiv und spontan bat er um das wärmste Land der Sowjetunion – man schickte ihn nach Georgien. In Tbilissi fand der Opernregisseur zahlreiche Seelenverwandte. „Nicht die Menschen sangen, es sang aus ihnen!“, sagte er. Am 13. Januar 1973 fand im Saarbrücker Theater die Premiere der georgischen Oper „Daissi“ statt. Zur Premiere von Wagners „Lohengrin“ in Tbilissi (März 1973) reisten der saarländische Kultusminister Werner Scherer und der Saarbrücker Bürgermeister Edmund Haßdenteufel, begleitet von einer großen Delegation Saarbrücker Bürgerinnen und Bürger, nach Georgien. Erste Verhandlungen mit der Tbilisser Stadtverwaltung über eine Städtepartnerschaft wurden geführt. Es folgte die legendäre „Georgische Woche“ von Mai bis Juni 1974 in Saarbrücken. Nun waren auch die politischen Weichen für das Zustandekommen des Freundschaftsvertrages gestellt. Wichtige Wegbereiter im Hintergrund waren die bereits 1955 gegründete „Gesellschaft BRD – UdSSR“ mit ihrem sehr agilen Vorsitzenden Luitwin Bies und die „West – Ost –Freundschaftsgesellschaft“, die das ihrige taten, um die komplizierten politischen Wege zu ebnen. Gert Hummel (1933-2004) Pionier der deutschgeorgischen Freundschaft und Sammler der Georgiendeutschen Aus der zunächst nur kulturellen Zusammenarbeit zwischen den beiden Städten wurde nach der Wende eine Landespartnerschaft zwischen dem Saarland und dem unabhängigen Staat Georgien. Als erstes begannen jetzt die Gert Hummel (1933-2004) Studenten die Partnerschaft mit Leben zu erfüllen Für die georgischen Studenten kümmerte sich an der Universität des Saarlandes der ev. Theologieprofessor Gert Hummel (1933-2004), der aus Sindelfingen im Schwäbischen stammte und wusste, dass ein Teil seiner Vorfahren, die vor 200 Jahren eigentlich nach Palästina auswandern wollten, um als Chiliasten die Wiederkunft des Reiches Gottes zu erwarten, im Kaukasus hängen geblieben waren. Dort hatten vorwiegend Schwaben und Elsässer die Orte Elisabethtal, Petersdorf, Annenfeld bei Tiflis und die Ortschaften Helenendorf und Katharinenfeld etwas weiter entfernt im heutigen Aserbeidschan gegründet. Bei seinen regelmäßigen Reisen nach Georgien konnte Gert Hummel die letzten Reste dieser versprengten Georgiendeutschen, die 1941 nach Zentralasien deportiert worden waren, die zumeist in Mischehen lebten, sammeln. Als Georgien 1991 unabhängig wurde, fanden 25 2/2015 Schaufenster Europa ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Gedächtnisplakette auf dem deutschen Friedhof in Tiflis sich etwa 1500 Menschen deutscher Abstammung in der „Assoziation der Deutschen Georgiens“ (Einung) zusammen. Als diese dann die Bitte an den Theologieprofessor herantrugen, sich der Wiedergeburt ihrer Kirche und ihrer Kultur zu widmen, wartete Gert Hummel nur noch den Beginn seiner Pensionierung ab und begann seinen letzten Lebensabschnitt als einfacher Pfarrer und Sammler der letzten Georgiendeutschen. Vorher hatte er sich bereits im Saarland auch den dort zu Beginn der 1990er Jahre sehr zahlreich ankommenden Russlanddeutschen gewidmet, unter denen immer auch eine Reihe Kaukasusdeutsche waren. Bei dieser Integrationsarbeit hatte Prof. Hummel auch einige Male mit dem VDA-Saar und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt. Ab 1993 ging Gert Hummel dann ganz nach Georgien, wurde Gemeindepfarrer und schließlich erster Bischof der neugegründeten deutschen evangelischen Kirche im Kaukasus. Durch seine ehemaligen Studenten, von denen jetzt einige hohe Positionen in den georgischen Ministerien eingenommen hatten, gelang es ihm auch, trotz abweisender Einstellung der georgisch-gregorianischen Kirche, ein neues evangelisches Kirchenzentrum mit einem architektonisch eindrucksvollen Äußeren, die „Versöhnungskirche“, vorwiegend mit eigenen Mitteln zu errichten, dort wo früher der deutsche Friedhof war. Die alte, in der Unterstadt gelegene deutsche evangelische Kirche hatten deutsche Kriegsgefangene nach dem Kriege abreissen müssen. An ihrer Stelle wurde eine Metro Station errichtet. Mitten in seiner Aufbauarbeit, zu der auch das Sammeln der Gemeinden in den Außenstationen, in den ehemaligen deutschen Siedlungen Bolnisi, dem ehemaligen Katharinenfeld und Elisabethtal, das heutige Assureti, gehörten, wurde Gert Hummel durch den Tod im Jahre 2004 hinweggerissen. Seine Frau Christiane ist jedoch in Georgien geblieben und führt heute als Leiterin der Diakonieeinrichtungen das Werk ihres Mannes, der in der Gemeinde unvergessen ist, fort, auch mit Hilfe von vielen Förderern und einer Stiftung, die ihren Sitz in St. Ingbert im Saarland hat. Prof. Hummel war ein Glücksfall für die deutsch-georgische Freundschaft, von der im Endeffekt auch die Georgiendeutschen profitiert haben. In kaum einem Land der ehemaligen Sowjetunion ging der Wiederaufbau der alten einheimischen deutschen Sprache und Kultur und des Kirchengutes so klug, gezielt und so erfolgreich vonstatten wie in Georgien, wo erst durch die Zusammenarbeit von einheimischen Deutschen, einheimischen Behörden und mit dem Engagement vieler bundesdeutscher und europäischer Helfer im wahrsten Sinne neues Leben auf Friedhöfen entstanden ist. Im letzten Jahr hat erstmals eine junge Luxemburgerin, Laila Goepel, ein freiwilliges soziales Jahr in der Diakonie der deutschen evangelischen Gemeinde gemacht. „Schengen“ in Georgien Denkmal Bolnisi 26 Georgien liegt zwar an der Peripherie Europas, aber der Wunsch, zu Europa zu gehören, ist an vielen Zeichen vor allem in Tiflis zu spüren. Nachdem Schaufenster Europa 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND EU-Bürger seit November 2014 kein Visum mehr für Georgien oder Armenien brauchen und in großer Zahl visumfrei VDA als Touristen in den Kaukasus strömen, hat sich in Georgien eine gewisse Verbitterung breit gemacht, dass man selbst immer noch ein nur sehr schwer zu erhaltendes Schengen-Visum braucht, um in die EU einzureisen. Aus diesem Grund haben einige der Schengen-Frustierten VDA-Schüleraustausch Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Brasilien, El Salvador, Namibia, Russland Gastfamilie werden: besuchen 2. Anmeldebogen „Gastfamilie“ ausfüllen und mit Familienfoto an den VDA senden 3. Vorstellung eines Gastschülers abwarten VDA Zum Gegenaustausch ins Ausland verreisen: 1. VDA Internetseite 1. Anmeldebogen VDA DA 4. Austauschschüler kontaktieren und empfangen! Werden Sie Gastfamilie und erleben Sie eine neue Kultur! Interessierte Schüler-/innen und Familien erhalten beim VDA-Jugendreferat Informationen zur Anmeldung und den Kosten! Wir beraten Sie gerne! Plakat_Vier_Schritte_4.indd 1 und -Enttäuschten beschlossen, ihre oft jahrelangen Wartezeiten auf ein Schengen-Visum in einer Kneipe oder einem Restaurant in Tiflis zu verbringen, denen man den Namen „Schengen“ gegeben hat. Dort kann man sich mit einer großen Auswahl europäischer Biere und Moselwein den Frust über die EU herunterspülen. Kein Zweifel, der Ort Schengen, an dem saarländisch-lothringischen-luxemburgischen Dreiländereck, ist heute bekannter als Saarbrücken, obwohl es in Tiflis auch einen Saarbrücker Platz und in Saarbrücken einen Tifliser Platz gibt. „Gegenaustausch“ ausfüllen und an den VDA senden 2. Termin auswählen: Juni – August oder Juli – September 3. Infos abwarten 4. Koffer packen und die Welt entdecken! Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. • VDA-Jugendreferat Kölnstraße 76 • 53757 Sankt Augustin Telefon (02241) 21735 • Fax: (02241) 29241 E-Mail: [email protected] Internet: www.vda-kultur.de 27.08.13 10:40 27 2/2015 Kultur & Geschichte ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Die Tragödie der Lusitania Von Dr. Rudolf Kemmerich Die deutsch-amerikanischen Beziehungen In der Zeitschrift „Globus“, 45. Jg. Heft 4/2013 erschien ein Aufsatz unter der Überschrift Mehr als Wurst, Fraktur und Bier: Deutsche Spuren in New York. Als Verfasserin zeichnete Roswitha Schieb Der Aufsatz ist lesenswert. Die Autorin schreibt unter anderem, dass sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen verschlechtert hätten, als am 07.05.1915 das britische Passagierschiff Lusitania von einem deutschen U-Boot torpediert worden ist. Ferner ist in der Unterschrift zu einer antideutschen Karikatur zu lesen: „Auf der von der deutschen Marine versenkten Lusitania befanden sich viele Adlige und andere hochstehende Persönlichkeiten, …“ Diese Äußerungen klingen so, als ob Deutschland schuld daran gewesen wäre, dass sich das deutsch-amerikanische Verhältnis verschlechtert hat. In Wahrheit aber liegt die Schuld an anderer Stelle. Bau und Ausrüstung der Lusitania 1903 schloss die britische Admiralität mit der Schifffahrtsgesellschaft Cunard Steamship Company einen Geheimvertrag: Die Firma verpflichtete sich, zwei große Passagierschiffe für die Verwendung im Kriege zu bauen. Die Admiralität übernahm sämtliche Kosten. Ferner verpflichtete sich die Firma, ihre gesamte Flotte bei Kriegsausbruch der Royal Navy zu unterstellen. (1) 1906 wurde die Lusitania in Belfast gebaut. 28 Der großbritannische Transatlantikdampfer Lusitania während einer seiner Probefahrten 1907. Zu diesem Zeitpunkt trug die Verschanzung des obersten Rumpfdecks einen weißen Anstrich. Dieser wurde nach der Indienststellung durch die Cunard-Reederei gemäß deren Farbvorgaben schwarz gestrichen Sie war mit 30 400 BRT = Bruttoregistertonnen (Titanic 28 000 BRT) seinerzeit das größte und schnellste Schiff auf allen Meeren. Das Geheimabkommen mit der Cunard Company erlaubte der britischen Admiralität unter ihrem damaligen Chef, dem Ersten Lord Winston Churchill, geheime Laderäume für Waffen und Munition in das Schiff einzubauen. (2) 1913 wurde die Lusitania in den Trockendocks von Liverpool nachgerüstet: Die Aufbauten und Seitenwände wurden mit Panzerplatten gegen Beschuss verstärkt, Pulvermagazine und Granathalterungen wurden angebracht und zwölf 15-Zentimeter-Schnellfeuergeschütze aufgestellt. Die Geschütze waren gegen Sicht von außen sorgfältig getarnt, konnten aber mit wenigen Handgriffen einsatzbereit gemacht werden. Als Begründung für die kriegsmäßige Ausrüstung des Dampfers gab Churchill an, er habe keinen Zweifel, dass es in Kürze einen Krieg gegen Deutschland geben werde. Man rechne mit dem Kriegsausbruch im September 1914. (3) 1913 wurde die Lusitania zusammen mit 40 anderen Schiffen in die Liste der britischen Hilfskreuzer aufgenommen. Die Lusitania war also ab 1913 kein Passagierschiff mehr, sondern ein Kriegsschiff. Das war auch der deutschen Admiralität bekannt. Verhängnisvolle „Jagdmunition“ Als die Lusitania im Mai 1915 den Hafen von New York verließ, hatte sie 5468 Kisten Gewehrpatronen, 4200 Kisten Patronen für Handfeuerwaffen, 1248 Kästen mit 7,5-Zentimeter-Granaten, 18 Kisten Zünder und 1150 Kisten Schwarzpulver an Bord, insgesamt fast 170 Tonnen Kriegsmaterial für die britische Armee. (4) Da die Ausfuhr von Kriegsmaterial aus den USA damals noch offiziell verboten war – nach außen waren die USA zu diesem Zeitpunkt noch neutral -, wurden die Pa tronen als „Jagdmunition“ durch den amerikanischen Ausfuhrzoll geschmuggelt. Die Ausfuhr von Jagdmunition war erlaubt! Dem US-Präsidenten Wilson ist die Ladeliste der Lusitania vorgelegt worden. Ihm war also bekannt, was die Lusitiana an Kriegsmaterial geladen Kultur & Geschichte 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND hatte. Doch Wilson reagierte nicht, die Ladeliste verschwand in einem Archiv, die Aussagen der Überlebenden wurden vernichtet. (5) Die US-Regierung war damals längst nicht mehr neutral, sondern unterstützte England mit riesigen Mengen an Waffen und Munition. Bis 1917 hatten die Hilfslieferungen einen Wert von mehr als 1,5 Milliarden Dollar erreicht. (5) Der Regierung des Deutschen Reiches war bekannt, dass die Lusitania als Hilfskreuzer für die britische Admiralität unterwegs war. Ebenfalls war ihr bekannt, dass die Lusitania in jenem Mai 1915 Munition zugeladen hatte. Literatur: (1) Warncke Xaver, Verhängnisvolle Jagdmunition, ZUERST 5/2015; 52 (2) Denson John V., A Century of War, Ludwig von Mises Institute, 2008 (3) Warncke, Xaver, Verhängnisvolle Kriegsmunition, ZUERST 5/2015; 52 (4) Simpson Colin, The Lusitania, 1972, deutsch als Die Lusitania, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1973 (5) Stevenson William, A Man Called Intrepid, New York, Ballantine Books, 1974 (6) Denson John V., wie (2) (7) Denson John V., wie (2) (8) Der Spiegel, Nr. 49, 1982, S. 178 - 181 (9) Robson Terrence, Die Lusitania sollte die USA in den Krieg ziehen, Kanada-Kurier, 06.09.1990 Der Untergang der Lusitania Die deutsche Regierung hatte im Februar 1915 alle Gewässer rings um Großbritannien und Irland zum Kriegsgebiet erklärt. In diesem Gebiet werde jedes feindliche Schiff ohne Warnung versenkt. Diese Maßnahme und der deutsche U-Bootkrieg waren die deutschen Antworten auf die britische Seeblockade, die zur Hungersnot in Deutschland geführt hatte. Nach internationalem Kriegsrecht kam der Hilfskreuzer als Ziel für einen U-Boot-Angriff in Frage. Der deutsche Botschafter in den USA warnte daher mit Anzeigen in 50 amerikanischen Zeitungen vor einer Reise auf der Lusitania. Als der Dampfer am 07.05.1915 unter der Südküste Irlands in Richtung Liverpool fuhr, erhielt die Juno, das begleitende Kriegsschiff, von der britischen Admiralität unter Sir Winston Churchill die Anweisung, ihren Auftrag zu beenden. (6) Die Lusitania fuhr also jetzt ohne Begleitschutz gegen U-Boote alleine weiter. Kapitän Turner, der Schiffsführer, wurde über diese Maßnahme nicht unterrichtet. Ebenso wenig erfuhr er, dass das deutsche Unterseeboot U20 genau auf seinem Kurs lag. Der britische Admiralsstab aber kannte diese Gefahr sehr wohl. Statt einer Kursänderung erhielt Turner Farbzeichnung des Speisesaales der 1. Klasse aus einer zeitgenössischen Cunard-Broschüre. Die enorme Höhe des Raumes ist hier gut erkennbar den Befehl, die Geschwindigkeit seines Schiffes zu drosseln und den bisher gefahrenen Zickzackkurs aufzugeben. (7) Damit wurde die Lusitania zur leichten Beute von U20. Das Torpedo traf den Hilfskreuzer mittschiffs auf der Steuerbordseite. Eine Explosion brach aus. Die Überlebenden berichteten übereinstimmend, dass kurz darauf eine zweite, viel stärkere Explosion eingetreten sei. Das konnte nur die Explosion der Munition gewesen sein, die im Bauch des Schiffes eingelagert war. Die Lusitania sank binnen 18 Minuten. Unter den 1198 Todesopfern befanden sich 128 Amerikaner. (7) Spätere Nachforschungen Taucher des britischen Spezialschiffes Archimedes entdeckten 1982 auf der Backbordseite des Lusitania-Wracks ein vierzehn Meter großes Loch mit nach außen ragenden Zacken der Stahlwand. Dieses Loch kann nicht von einem Torpedo, sondern nur von einer gewaltigen Explosion im Schiffsinneren verursacht worden sein. (8) Ferner wurden Reste der Munition gefunden. Der kanadische Historiker Terrence Robson fasst das Ergebnis seiner jahrelangen Forschungen zum Untergang der Lusitania folgendermaßen zusammen: „Die Lusitania ist von der britischen Regierung als Köder für die Deutschen benutzt worden. Die Versenkung ist von der britischen Regierung provoziert worden, um die Deutschen als Kriegsverbrecher zu brandmarken. Die öffentliche Meinung in den USA war bis zu diesem Zeitpunkt neutral zum Krieg in Europa eingestellt. Die Mehrheit der Amerikaner war nicht bereit, zur Rettung des britischen Empire in den Krieg zu ziehen. Der Untergang der Lusitania mit dem Tod amerikanischer Staatsbürger gab den Meinungsmachern die Gelegenheit, die Amerikaner auf Kriegsbegeisterung einzustimmen.“ (9) Am 06. April 1917 erklärten die USA dem Deutschen Reich den Krieg, ohne von diesem bedroht oder angegriffen worden zu sein. Der damalige britische Marineminister Sir Winston Churchill hatte sein Ziel erreicht. Die Vernichtung von 1198 Menschenleben spielte keine Rolle mehr. 29 2/2015 Kultur & Reisen ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Wo Lamas spucken und Vulkane schlafen In Chiles Norden auf den Spuren der Aymara-Indianer Von Ulrich Uhlmann Führt der Weg übers Gebirge, nimm ein altes Maultier. Vielleicht kann es dich nicht tragen, aber es kennt den Weg. (chilenisches Sprichwort) Wir haben eine charmantere Lösung gefunden und heuern für die nächsten Tage die sachkundige 45jährige Estela – sie hat wie ihr Ehemann am Goethe-Institut und bei einem „Alemania“-Aufenthalt die deutsche Sprache erlernt – als Guide für die Touren ins Hochgebirge dicht an der peruanisch-bolivianischen Grenze an. Was heißt übrigens dicht an der Grenze? In Chile sind hundert, zweihundert Autokilometer auf Schotterpisten nur ein Katzensprung; Berge zählen erst ab tausend Meter; der Temperaturunterschied bis zu 30 Grad zwischen Tag und Nacht in den hochgelegenen Indigena-Dörfern ist normales, für uns allerdings gewöhnungsbedürftiges Alltagsleben. Wie in einer Bilderbuchwelt spiegelt sich der „schlafende“ Vulkan Parinacota (6.348 m) im Wasser des Lago Chungará, einem der höchstgelegenen Seen der Erde Stadt gelegen, mit einem fantastischen Rundumblick über Meer und Wüstenlandschaft. Getränke oder einen Imbiss aber suchen wir dort oben auf weiter Fläche vergebens. Der aufkeimende Tourismus aus dem Ausland hat in Arica bisher kaum Spuren hinterlassen. und fußhohes, sprödes Ichugras. Kaum vorstellbar, wie einst die spanischen Eroberer dieses unwirtliche Andenland durchquerten. Es graust uns vor einer Autopanne... Gustave Eiffel in Arica Atacama – eine Mondlandschaft Los geht die Reise in Arica, der 200.000 Einwohner-Stadt, die bis 1880 zu Peru gehörte. Im Salpeterkrieg fiel sie an Chile. Geblieben aus dieser Zeit ist u. a. die Kathedrale San Marcos und das alte Zollgebäude, die dereinst im Atelier Gustave Eiffels in Paris entworfen wurden. Auch sehenswert der einstige Bahnhof, von dem ab 1913 der Zug ins bolivianische La Paz keuchte. Heute steht nostalgisch eine Dampflok mit Zahnrädern für die steilen Andenpässe auf dem Bahnhofsvorplatz – Aufschrift „1924, Maschinenfabrik Esslingen“. Und dann gibt es noch den Morro, den „Hausberg“, rund 120 Meter über der Die mögliche Höhenkrankheit der Anden wirft ihre Schatten voraus. Guide Estela fordert häufiges Trinken und warnt uns vor hastigen Bewegungen – nur keine unnötigen Anstrengungen. Und ja die Sonnencreme nicht vergessen, Faktor 50. Schließlich werden auf dem Markt noch Kokablätter ergattert, denn Kokatee hilft gegen Müdigkeit und Kälte – nicht aber gegen Impotenz, wie oft behauptet. Nun sind wir unterwegs zum Alti plano. Wie eine Mondlandschaft wirken die Ausläufer der Atacamawüste. Sand und Geröll kilometerweit, gelegentlich einige wenige Kandelaber-Kakteen In der Ferne locken im Nationalpark Lauca die mit ewigem Schnee bedeckten Sechstausender. Besonders beeindruckend der „schlafende“ Vulkan Parinacota. Wie in einer Bilderbuchwelt spiegelt er sich im Lago Chungará wider, mit 4.517 Metern einer der höchstgelegenen Seen der Erde. Neugierige Alpakas und Lamas löschen an einem der wenigen Wässerchen im benachbarten Hochmoor ihren Durst. Doch Vorsicht, raunt Estela – kommt der Besucher den langhalsigen Lamas gar zu nahe, kann er durchaus mit einem übelriechenden „Spucke-Warnschuss“ Bekanntschaft machen. Guide Estela empfiehlt uns eine Tour an den Salar de Surire, einen der größten Salzseen Chiles in über 4.000 30 Flamingos am Salzsee Kultur & Reisen 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Metern Höhe. Mitten im Nichts taucht die weiß-glitzernde Fläche auf, unterbrochen von offenen Wasserstellen. Unzählige Flamingos stelzen langbeinig in Ufernähe herum. Vikunjas, zierlich anzusehen und verwandt mit den Lamas, schlecken am Salz, und am tiefblauen Himmel kreist ein einsamer Kondor. Und oh Wunder – dicht neben dem Anfahrtsweg ein Souvenirstand mit Alpakapullovern, Decken und Täschchen. Sobald wir ankommen, herrscht hektische Betriebsamkeit. Der wettergegerbte Aymara-Indianer breitet schnell das Gewebte aus, preist die Waren an. Dann zeigt er uns den Weg nach Polloquere. Schwefelbad bei 60 Grad Polloquere – in den Reiseführern als eine der Attraktionen Nordchiles beschrieben. Bis zu 60 Grad sind die dampfenden, schwefelhaltigen Thermalquellen heiß. Mit Blick auf die umliegende Bergkulisse hinterlassen sie einmalige Eindrücke. Nur für den Besucher ist wenig gesorgt. Wackelige Picknicktische laden kaum zum Verweilen ein. Und ein Schilfdach zum Schutz vor der Hochgebirgssonne ist weit und breit nicht zu sehen. Also weiter nach Aymara-Indianerin auf der Plaza von Socorama, einem Andendorf mit 80 Bewohnern Cristian Heinsen, Geschäftsführer der Altiplano-Stiftung mit deutschen Wurzeln, zeigt Farb- und Materialproben der restaurierten Adobebauten kurzem Bad, bevor der Sonnenstich zuschlägt. Zu Gast bei Indianern Wir besuchen Belén, von den Spaniern 1625 als Betlehem gegründet – ein Aymara-Dorf oben in der Hochebene des Altiplano. In der Ortsmitte eine baumbestandene Plaza, blumenbunte Rabatten um einen Glockenturm unweit der kleinen Kirche, kopfsteingepflasterte Gassen mit farbig gestrichenen Adobe-Lehmziegelhäusern. Ein halbes Hundert Menschen lebten hier recht und schlecht mit kärglichem Einkommen. Ihre Kinder sind längst auf der Suche nach Lohn und Brot in der nächsten Stadt. Die Indianerfamilien warten unterdessen auf Touristen, die sich nur selten einfinden. Dabei ist alles für den „Besucheransturm“ bereit. Mit Hilfe der Altiplano-Stiftung, ansässig in Arica, wurden u. a. Adobehäuser renoviert, eine Krankenstation eingerichtet und Übernachtungsmöglichkeiten im traditionellen Stil für Gäste geschaffen. Von Hamburg nach Chile Wir sprechen darüber mit Cristian Heinsen, dem Geschäftsführer der Foundation, dessen Großvater übrigens in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aus Hamburg nach Chile Reisetipps Reiseliteratur: „Chile und die Osterinsel“, Reise Know-How Verlag, 24,90 €; „Chile/Osterinsel“, Mairdumont, 11,99 €; „Polyglott on tour Chile“, Travel House Media, 11,99 €. Informationen: Botschaft der Republik Chile, Wirtschaftsabteilung/ProChile, Mohrenstr. 42, 10117 Berlin; Tel. 030/7262035; [email protected], www.chile.travel. Flug Frankfurt-Madrid-Santiago de Chile-Arica mit LAN (Frankfurt-Santiago mit Boeing 787 Dreamliner, modernste Ausstattung). Die LATAM Airlines Group fliegt 135 Destinationen in 24 Ländern, vor allem in Südamerika und den USA, an; Tel. LAN 0800/6270976. Übernachtung Nordchile: Hotel Panamericana Arica in Arica; Hotel Qantatit in Putre (3.650 Meter hoch gelegen, bestens geeignet zur Höhenakklimatisierung). 31 2/2015 Kultur & Reisen ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND auswanderte. Heinsen erzählt von seinem Traum, wertvolles Kulturgut im Altiplano für die Nachwelt zu erhalten. Verfallene Kirchen und kulturgeschichtlich wertvolle Gebäude sollen in ihren ursprünglichen Zustand versetzt, die Lebensbedingungen der Aymara-Indianer verbessert, Volkskunst und Handwerk gefördert werden. Der Altiplano inmitten der Anden – eine Wunderwelt und Abenteuer zugleich. Nur wenig erschlossen wartet die Region um Arica im Norden Chiles mit ihrer Wüstenlandschaft, mit pittoresken Dörfern, mit Salzseen, heißen Quellen und Lagunen, mit schneebedeckten Gipfeln und Vulkanen, mit ihrer Tierwelt und den freundlichen Bewohnern auf ihre behutsame touristische Entdeckung. Die von der Altiplano-Stiftung restaurierte Kirche von Parinacota im Lauca-Nationalpark Nachricht aus Pomerode, Brasilien Von Adelira Pranke Beskow Amerika war einmal der Traum von Freiheit und Erfolg vieler Menschen aus verschieden Ländern. Dazu gehörte auch Brasilien. Es wurde von Portugal kolonisiert, deshalb ist die offizielle Landessprache Portugiesisch. Von der Fläche her ist es das grösste Land Südamerikas. Es umfasst die Fläche von 8.515.767 km2. Das Land ist vielseitig, verschieden und unterschiedlich im positiven und negativen Sinn. Es leben dort viele ethnische Gruppen aus aller Welt, auch verschiedene deutschsprachige Gruppen, unter ihnen Pommern. Weil die Pommern in vielen Orten die Minderheit waren, haben sie dort ihre Kultur, Tradition und Sprache nicht bewahrt. Nur in drei Siedlungsgebieten waren die Pommern die Mehrheit und da blieb die Kultur, Tradition und Sprache erhalten. Es sind Santa Maria de Jetibá 32 und Umgebung im Bundesstaat Espirito Santo, São Lourenço do Sul und Arroio do Padre und Canguçú im Bundesstaat Rio Grande do Sul und Pomerode und Umgebung im Bundesstaat Santa Catarina. In diesen Orten wird immer noch das pommersche Platt gesprochen. Im Bundesstaat Espirito Santo wird Plattdütsch in einigen öffentlichen Schulen unterrichtet und in Rio Grande do Sul und Santa Catarina wird in vielen privaten und öffentlichen Schulen Hochdeutsch unterrichtet. Die ersten deutschen Einwanderer kamen im Jahr 1824 in São Leopoldo – Rio Grande do Sul an, im Jahr 1850 in Blumenau und 1863 in Pomerode. Pomerode, eine kleine Stadt mit ungefähr 28.000 Einwohnern, hat sich am 21. Januar 1959 von Blumenau emanzipiert. Pomerode – „Die deutscheste Stadt Brasiliens“ so lautet der touristische Slogan. Die Pommern- und Deutschabstämmigen, die in Pomerode leben, sind froh und stolz auf ihre Stadt und pflegen die Kultur, Traditionen und Sprachen (pommersches Platt und Hochdeutsch). 90% der Bevölkerung haben pommersche oder deutsche Vorfahren. Zur Zeit leben in Pomerode Kultur & Jugendaustausch 2/2015 ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Schon der Ortseingang verweist auf die deutschen Wurzeln viele Menschen, die aus anderen Bundesstaaten zugewandert sind und es kommen immer weitere dazu. Es sind sogar einige aus Haiti dazu gekommen. Diese Einwanderung kommt deshalb, weil Pomerode sich stark industrialisiert hat. In Pomerode sind auch vier deutsche Industriewerke – Netzsch do Brasil, Bosch-Rexroth, Weiku und DTV. In Pomerode feiert man seit 1984 jährlich im Januar das Pommernfest. Es dauert elf Tage lang. Es gibt auch das Gastronomische Festival, das Kinderfest, das Winterfest, das Adventsfest und das Osterfest. Zur Zeit gewinnt der Tourismus immer mehr an Bedeutung für die Einnahmen der Stadt. Bei den Festen und Festivals werden die deutschen Bräuche und Traditionen gepflegt, und so bleiben sie erhalten. Damit die deutsche Sprache in Pomerode erhalten bleibt, wird in acht öffentlichen Schulen und in zwei Privatschulen Deutsch unterrichtet. Zwei der öffentlichen Schulen sind bilinguale Schulen. Da werden die Kinder in der portugiesischen und deutschen Sprache alphabetisiert und ab der zweiten Klasse können die Eltern und Kinder wählen, ob sie weiterhin an zehn Stunden Deutsch ausser dem Pflichtunterricht teilnehmen wollen. Im Jahr 1863 kamen die ersten Einwanderer. Es waren neun Familien und schon im Jahr 1870 wurde die erste Schule gegründet unter dem Namen “Deutsche Schule”” von Testo Central. Testo Central ist ein Stadtteil von Pomerode. Der erste Lehrer war Hermann Draeger. Er war ein Bauer, aber da keine ausgebildeten Lehrer vorhanden waren, musste jemand den Kindern das Lesen und das Rechnen beibringen. Im Jahre 1887 kam Hermann Rahn aus Deutschland. Er war ein ausgebildeter Pädago- ge. Im Jahre 1959 bekam die Schule den Namen “Escola Básica Municipal Olavo Bilac”, den sie noch heute trägt. Heutzutage ist es eine grosse Schule. Es gibt 18 Klassenräume, fünf davon sind nur für den Deutschunterricht, eine Bibliothek, zwei Lehrerzimmer, zwei Räume für Erziehungspädagoginnen, zwei Räume für Kinder, die Lernschwierigkeiten oder Lernstörungen haben, ein Speisesaal, eine Küche, weil die Kinder warmes Essen an der Schule bekommen, ein Informatikraum, eine Sporthalle, ein Sportplatz, ein Park, ein Spielplatz, ein grosser Schulhof… An der Schule Olavo Bilac arbeiten 59 Personen und lernen 745 Kinder. 350 Kinder haben zwölf Deutschstunden pro Woche. Es sind die, die am bilingualen Projekt teilnehmen. Alle Kinder von der Vorschule bis zur neunten Klasse lernen Deutsch als Fremdsprache. In Pomerode gibt es acht Schulen, die von der Vorschule bis zur neunten Klasse unterrichten. Es sind insgesamt 3204 Schüler. Alle haben Deutsch als Fremdsprache. Ausser der Olavo Bilac Schule gibt es auch die Schule Amadeu 33 2/2015 Kultur & Jugendaustausch ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND da Luz, an der das bilinguale Projekt stattfindet. An der Schule Olavo Bilac wird auch das Projekt Nord-Süd von ASA-Engagement Global – http://www. asa-programm.de/teilnahme/projekt- detail/projekt/freihandel_und_migration_im_schulunterricht/ durchgeführt, in diesem Jahr unter dem Thema: Freihandel und Migration im Schulunterricht. In diesem Projekt tauschen Schülergruppen von der Olavo Schule und Schülergruppen von zwei Schulen in Greifswald und eine Schule in Stettin über die Plattform Global Campus 21 – Chat der Welten und andere Medien aus. Adelira Pranke Beskow ist Deutschlehrerin an der Schule Olavo Bilac in Pomerode V.l.n.r.: Ana Cristina Kamchen Buettgen, Direktorin der Schule; Adelira Pranke Beskow, Deutschlehrerin; VDA-Vorstandsmitglied Prof. Dr.-Ing. Heralt Schöne mit Ehefrau Yvonne Olivier 34 Sie ist im Bundesstaat Rio Grande do Sul geboren im Bezirk Santa Cruz do Sul. Zu Hause und im Dorf sprachen alle Leute Dialekt, eine Mischung von pommersch Platt, Hunsrück, Portugiesisch und Hochdeutsch. Aber Hochdeutsch hat sie in der Evangelischen Lutherischen Kirche gelernt. Die Gottesdienste, der Religionsunterricht, die Versammlungen, Jugendkreis und Chor – alles war auf Deutsch. Im Dorf als Kind ging sie nur bis zum 4. Schuljahr in die Schule, weil es nicht mehr Klassen gab. Als sie 19 Jahre alt war, entschloss sie sich zu lernen und zu studieren. Dann ging sie auf ein Internat einer Sinodenschule und nach dem Schulabschluss an die Universität Vale do Rio dos Sinos in São Leopoldo. Dort machte sie die Ausbildung für Portugiesische Literatur und DAF-Lehrerin. Sie bereiste schon Deutschland und einige andere Länder Europas. 1994 und 2001 hat sie an einer Fortbildung für DAF-Lehrer teilgenommen, 2005 hat sie zusammen mit ihrem Mann eine selbstgestaltete Studienreise unternommen und war 2012 erneut als Touristin in Deutschland. 2/2015 Kultur & Jugendaustausch ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Fernweh, Freiheit & ein neues VDA - „Roll UP“ Von Regine Wegmann Während Traumschiffe am Ostkai in Kiel anlegten, hat der VDA nicht unweit vom Hafen in der „Kieler Gelehrten Schule“ sein Schüleraustauschprogramm vorgestellt. Pünktlich zur Jugendbildungsmesse am 6. Juni stand das neue „Roll Up“ bereit. Ein unter Federspannung stehendes Banner wird aus dem Display hochgerollt und durch einen Stützstab fixiert. Das Banner – einfach wie ein Rollo herausziehen – aufspannen und fertig! In Nullkommanichts aufgestellt . Mit einem Blick auf das Banner, im Design mit schönen „VDA- Blautönen“, konnten interessierte Schüler, Eltern und Lehrer mehr über das abwechslungsreiche VDA- Austauschprogramm erfahren. Die Mischung macht‘s! Mit den Austauschländern Argentinien, Brasilien, Chile, El Salvador, Namibia und Paraguay sorgt der VDA für kulturelle Vielfalt und stieß auf großes Interesse bei den Kieler Messebesuchern. Bemerkenswert war, dass Schüler/ innen schon im jungen Alter, mit 10-12 Jahren mit leuchtenden und begeisterten Augen viele gezielte Fragen zum Schüleraustausch stellten. Sie träumen von einer Reise ins Ausland, mal weiter weg als Frankreich oder Spanien, wie e t s e b e i D eit Z es n i me ens b e L es bei üblichen Schulprojekten angeboten wird. Die Jungen und Mädchen finden es aufregend, mal eine Schuluniform tragen zu dürfen, wie es z. B. im Austauschland Namibia der Fall ist. Für sie stehen Begriffe wie „Fernweh“ und „Freiheit“ im Vordergrund. Erwiesenermaßen verbessern sich nach der Rückkehr aus dem Ausland die Schulleistungen, und es gibt einen großen Schub in der Persönlichkeitsentwicklung. Daher unterstützen Eltern ihre Kinder und ermutigen sie, an einem Schüleraustausch teilzunehmen und finden besonders das VDA Programm attraktiv. Kein Unterrichtsausfall, keine lästigen Anträge auf Schulbefreiung, weil der Austausch in den deutschen Schulsommerferien stattfindet, und man kennt in der Regel schon lange vor der Reise ins Ausland seinen Austauschpartner, weil man diesen ja schon als Gastfamilie vorher aufgenommen hat. Da kann man als Eltern sein Kind ganz beruhigt mit dem VDA in die Ferne ziehen lassen. Nachrichten aus dem Vorstand: Zu einem Stafettenwechsel kam es innerhalb des VDA-Vorstandes im April diesen Jahres. Der langjährige und sehr verdienstvolle Schatzmeister Gerhard Müller (Wolfenbüttel) hat sein Amt nach mehr als 20 Jahren als Schatzmeister des VDA an seine neue Vorstandskollegin Ilona Mosler-Biadacz (Bonn) übergeben. Der Vorstand folgte seiner Bitte einstimmig und dankte ihm für seine großartige Unterstützung über diesen langen Zeitraum. Selbstverständlich bleibt Gerhard Müller VDA-Vorstandsmitglied und wirkt als Geschäftsführer der VDA Verlags-GmbH weiter im Geschehen mit. Er steht seiner Nachfolgerin zudem mit Rat und Tat in den vielfältigen und umfangreichen Aufgaben, die der VDA bei seiner Kultur- und Bildungsarbeit zu bewältigen hat, weiterhin zur Verfügung. 35 Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. (VDA) Kölnstraße 76 D-53757 St. Augustin G 3560 Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt Der VDA ist die lebendige Brücke zu den Deutschen in aller Welt. Er unterstützt die Millionen Auslandsdeutschen bei der Bewahrung der deutschen Kultur und Muttersprache und hält die kulturelle und geistige Verbindung zu ihnen aufrecht. AUTORENSUCHE ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND Der GLOBUS lebt von der Vielfalt der Beiträge. Wir suchen Autoren und Mitwirkende, die gerne zum Thema „Deutsche in der Welt“ schreiben und ihre Meinungen und Erfahrungen mit uns teilen möchten. Neugierig geworden? Schreiben Sie uns unter: [email protected]