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www.vda-kultur.de
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
G 3560
47. Jg.
Heft 2/2015
Die
Zeit
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Aus
Kultur & Politik
Schaufenster Europa
Kultur & Begegnung
VDA-Vorsitzender Brähmig zu
Kulturhauptstadt 2015:
Südamerika – Erfolgsfaktor
Gesprächen in Slowenien
Deutsche Spuren in Pilsen
Deutsche Sprache
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Ein Wort vorab
3
Titelfoto: Schuldirektor Eugen Friesen aus
Kultur & Politik
Paratodo in Paraguay (Chaco) mit der nächsten
Generation Austauschschüler
VDA-Vorsitzender Brähmig zu Gast
in Ungarn, der Slowakei und Polen
4–5
Koschyk trifft Moskauer Erzbischof
6
Gremienentagung der Stiftung Verbundenheit in Berlin
6–7
Rumäniens neuer Präsident Klaus Johannis
8–9
WDA-Tagung in Berlin
Kultur & Begegnung
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10–11
Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner in Paraguay 12–15
Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner
in Brasilien und Chile
16
Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner in Argentinien
17
Wege ins Ausland: Besuch der VDA-Partner in Kolumbien
18
Schaufenster Europa
Kulturhauptstadt 2015: Deutsche Spuren in Pilsen
19–24
40 Jahre Städtepartnerschaft Saarbrücken – Tiflis
25–27
Kultur & Geschichte
Die Tragödie der Lusitania
28–29
Kultur & Reisen
Wo Lamas spucken und Vulkane schlafen
30–32
Kultur & Jugendaustausch
Nachrichten aus Pomerode
32–34
Fernweh, Freiheit und ein neues Rollup
35
Verbandsinformationen
Nachrichten aus dem Vorstand
35
Mitwirkende dieser GLOBUS-Ausgabe:
Bodo Bost, Klaus Brähmig MdB, Christine Chiriac,
Roswitha Dahs, Claudia Degenhardt, Birgit Gronwald Bartels,
Dr. Rudolf Kemmerich, Thomas Konhäuser,
Hartmut Koschyk MdB, Erich Lienhart,
Petra Meßbacher, Ilona Mosler-Biadacz, Adelira Pranke Beskow,
Dr. Roswitha Schieb, Katharina Schmitt,
Prof. Dr.-Ing. Heralt Schöne, Ulrich Uhlmann,
Dr. Alexander Vollmert, Regine Wegmann, Albrecht Wolfmeyer
2
Impressum
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Herausgeber:
Verein für Deutsche Kulturbeziehungen
im Ausland e.V. (VDA), gegr. 1881 als
„Allgemeiner Deutscher Schulverein”,
vertreten durch Klaus Brähmig MdB, Vorsitzender.
Der GLOBUS erscheint vierteljährlich in der
VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH
Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin,
Telefon (0 22 41) 2 10 71,
Fax (0 22 41) 2 92 41, E-Post: [email protected],
Internet: www.vda-kultur.de
Redaktion: Petra Meßbacher,
VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH
Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin,
Telefon (0 22 41) 2 10 71,
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Internet: www.vda-kultur.de
Gestaltung und Herstellung: Druckerei Engelhardt GmbH,
D-53819 Neunkirchen, Tel. (0 22 47) 92 00-0,
Fax (0 22 47) 92 00-92, E-Post: [email protected],
www.druckerei-engelhardt.de
Jahresabonnement:
Jahresabonnement 20,– € zzgl. Versandkosten.
Zusätzlicher Einzelbezug
auf Anforderung pro Heft 5,– € zzgl. Versandkosten.
Bankkonto Verlag:
Deutsche Bank AG Bonn,
IBAN: DE21 3807 0059 0051 5098 00;
BIC: DEUTDEDK380.
Auflage: 2600 Exemplare
Mit vollem Namen gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt
die Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte
Manuskripte und Fotos keine Haftung. Rücksendung nur gegen
Rückporto. Abdruck für deutschsprachige Publikationen im Ausland bei Quellenangabe und gegen Belegexemplar gestattet, im
Inland nur mit Genehmigung der Redaktion.
ISSN 0721-0167
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Ein
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Liebe „GLOBUS“ Leser!
wenn in diesen Tagen bereits die ersten
Familien in die Sommerferien und damit in den wohlverdienten Urlaub starten, dann sind auch einige VDA-Austauschschüler darunter, die in Kürze
eine weite Reise zu ihren Gastfamilien
antreten.
Unsere Austauschschüler werden in
Namibia, Chile, Argentinien, Brasilien,
El Salvador und Paraguay erwartet. Für
viele ist diese große Reise nicht nur einmalig, sondern auch erstmalig. Manch‘
einer unserer Austauschschüler unternimmt das erste Mal – und ohne die
Eltern – eine Reise nach Übersee.
Für den VDA geht damit der zweite
Teil der Austauschsaison 2014/2015 zu
Ende. Die deutschen Gastschüler besuchen nun im sogenannten „Gegenaustausch“ die Familien ihrer Gastschüler
aus dem vergangenen Winterhalbjahr.
Doch Verschnaufpause bleibt für die
Organisatoren des Austausches nicht,
da bereits jetzt schon mit den Vorbereitungen der Vermittlung für Gastschüler
im Winterhalbjahr begonnen wurde.
Wir erwarten viele Austauschschüler,
insbesondere aus Chile, die dort Deutsche Privatschulen besuchen und
sehr gerne für einige Wochen in den
„deutschen Alltag“ hineinschnuppern
möchten.
Wenn Sie also Interesse und die Möglichkeit dazu haben, Gastschüler aufzunehmen, so wenden Sie sich bitte an
den VDA !
Neben den vielfältigen Aufgaben,
die sich durch die Austauschprojekte
ergeben, stellen wir zunehmend fest,
dass auch die Fort- und Weiterbildung
im kultur- und gesellschaftspolitischen
Segment für Lehrer der Partnerschulen
stark nachgefragt wird.
Hauptaufgabe des VDA ist die Pflege
der deutschen Sprache und die Unterstützung kultureller Projekte. Im Rahmen dieser Sprachpflege darf man sicherlich vor diesem Thema auch nicht
haltmachen. So lag der besondere Focus einer Besuchsreise bei deutschen
Partnerschulen in Paraguay im April
dieses Jahres auf Gesprächen mit den
zuständigen Lehrkräften und verantwortlichen Schuldirektoren. Der Reiseschwerpunkt lag dann für Paraguay
auch in der Region Chaco, wo eine
Vielzahl von Deutschen Schulen existiert, die in den Siedlungsgebieten der
mennonitischen Gemeinden besonders
stark nachgefragt werden.
Die Schüler wachsen dort in der Regel
dreisprachig auf (Deutsch, Plattdeutsch,
Spanisch) und verfügen über beste Voraussetzungen für interkulturelle Kom-
petenzen
im späteren
Berufsleben.
Es freut
uns daher
besonders,
dass wir den
Austausch
mit Paraguay
künftig verstärken können und dort kompetente
und verlässliche Ansprechpartner zum
weiteren Aufbau des Schüleraustausches getroffen haben.
Der VDA hat ein ausdrückliches Interesse daran, einen Beitrag zur auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik durch die Unterstützung dieser deutschen „Sprachinseln“ zu leisten. Es bleibt daher für den
VDA eine besondere Aufgabe, die Verbindungen zu deutschen Gemeinschaften
im Ausland aufzubauen und zu pflegen.
Helfen Sie uns bei dieser wertvollen Aufgabe, indem Sie den VDA durch Ihre Mitgliedschaft unterstützen oder durch eine
Spende wohlwollend fördern.
Mit herzlichem Gruß
VDA-Geschäftsführerin
GLOBUS-Chefredaktion
Der VDA sucht ganzjährig Gastfamilien
für den Schüleraustausch.
Bitte melden Sie sich beim VDA unter:
Tel.: 0 22 41 / 21 07 1
www.vda-kultur.de • [email protected]
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2/2015
Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Deutsches Kulturerbe in Ungarn, der Slowakei und Polen
von Klaus Brähmig MdB
Wie manche unter den Lesern des
GLOBUS vielleicht wissen, ist die Pflege
des Dialogs mit den deutschen Minderheiten im Ausland ein wichtiger Teil
meiner politischen Arbeit im Deutschen
Bundestag. So führte mich jüngst eine
Reise nach Ungarn, in die Slowakei und
nach Polen.
Der Besuch des Regionalbüros
West­u ngarn der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen in Ödenburg/Sopron war der erste Besuch einer Gruppe deutscher Parlamentarier
überhaupt und wurde von den Vertretern der Ungarndeutschen vor Ort sehr
positiv aufgenommen. In der Region
um Ödenburg, das über ein attraktives
historisches Stadtzentrum verfügt, fand
zwischen 1850 und 1950 eine massive
Reduzierung der deutschen Minderheit
von einstmals 97 Prozent der Einwohner auf nur noch drei Prozent statt.
Dennoch sind die Ungarndeutschen in
Ödenburg vor allem im Wirtschaftsleben erfolgreich engagiert und prägen
bis heute vor allem den Weinbau in der
Region. Aktuell verfolgt man mit der
Übernahme einer Grundschule in die
Trägerschaft der Landesselbstverwaltung das Ziel, die Pflege des muttersprachlich deutschen Schulunterrichts
sicherzustellen.
Beim anschließenden Besuch in
der Slowakei standen vor allem Besuche beim Karpartendeutschen Verein
im Mittelpunkt. Die Organisation der
deutschen Minderheit um den Landesvorsitzenden Dr. Ondrej Pöss verfügt
neben einem sehr sehenswerten Museum zur Darstellung ihrer Kulturgeschichte in der Hauptstadt Preßburg/
Bratislava über eine starke Präsenz in
der Ostslowakei. Beim Aufenthalt in
der Region um die zweitgrößte Stadt
4
Ödenburg/Ungarn: Nach dem Gespräch mit der Landesselbstverwaltung
der Ungarndeutschen
des Landes, Kaschau/Košice, konnte
ich die deutsche Minderheit im Dorf
Metzenseifen/Medzev besuchen. Nach
einem Rundgang durch die von der
deutschen Minderheit hervorragend
betreute Kirche und einem Besuch in
dem vom ehemaligen slowakischen
Staatspräsidenten Rudolf Schuster eingerichteteten Heimatmuseum fand ein
Zusammentreffen mit Mitgliedern der
karpatendeutschen Minderheit im Gemeindezentrum statt.
Der Karpatendeutsche Verein verschreibt sich neben der Kulturpflege
und der Förderung des muttersprachlichen Unterrichts vor allem auch der
Stärkung der wirtschaftlichen Struktur
seiner Mitglieder.
So werden über die in Kaschau ansässige „Karpatendeutsche Stiftung“
Kredite an karpatendeutsche Kleinunternehmer vergeben, die auf diese Weise zur Schaffung eines aktiven
Mittelstandes im Lande beitragen. Der
Besuch eines durch dieses Programm
geförderten Mineralwasserbrunnens
führte den Erfolg dieser Form der Wirtschaftsförderung deutlich vor Augen. Es
Gespräch mit der deutschen Minderheit in Metzenseifen, Slowakei
Kultur & Politik
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Besuch bei der deutschen Minderheit im Rathaus von Hopgarten, Slowakei
existieren bereits Pläne zu einer Erweiterung des Unternehmens.
In Preschau/Prešov besuchte ich die
vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gepflegte Kriegsgräberstätte
mit Toten des Zweiten Weltkrieges auf
dem städtischen Friedhof. Der Volksbund leistet international eine hervorragende Arbeit, die wichtige Zeichen für
Völkerverständigung und Frieden setzt.
Neben Metzenseifen ist vor allem das
nördlich von Kaschau und Preschau/
Prešov gelegene Hopgarten/Chmel‘nica ein Ort, der bis heute stark von
seiner karpatendeutschen Minderheit
geprägt wird. Im Rahmen eines abendlichen Zusammentreffens fand ein Dialog mit deutschsprachigen Einwohnern des Ortes statt, den die Kinder
der Gemeinschaft durch Gesang und
den Vortrag von Gedichten auf Hochdeutsch oder in der regionalen Mundart bereicherten.
Auch die heute in der Wojewodschaft Schlesien gelegene historische
deutsche Sprachinsel Bielitz-Biala/Bielsko-Biala wurde im Rahmen der Delegationsreise besucht. Ein Zusammentreffen mit Mitgliedern des Deutschen
Freundschaftskreises machte deutlich,
vor welchen Herausforderungen die
deutschen Minderheiten in zahlreichen
Regionen Mittelost- und Südosteuro-
pas stehen. Durch eine starke Assimilierung an ihre polnische Umgebung
ist die deutsche Sprache gegenüber
dem Englischen oder Polnischen in den
jüngeren Generationen sehr viel weniger weit verbreitet. Dieses erschwert
die Erhaltung der sprachlichen deutschen Traditionen in diesem Teil des
Beskidenlands.
Da Polen eines der wichtigsten
Zentren deutscher Minderheiten ist,
ist es für mich selbstverständlich, regelmäßig in unserem Nachbarland
präsent zu sein und das Gespräch vor
Ort zu suchen. Bei einem Besuch in
Schlesien und Oberschlesien werde ich
daher im Sommer dieses Jahres den
Dialog mit den deutschen Minderheiten fortsetzen und darüber in einer
der nächsten Ausgaben des GLOBUS
berichten.
Bis dahin seien Sie herzlich gegrüßt.
Kranzniederlegung auf der deutschen Kriegsgräberstätte in Preschau, Slowakei
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Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Koschyk trifft Moskauer Erzbischof Brauer
bei Evangelischem Kirchentag
von Thomas Konhäuser
Der Beauftragte der Bundesregierung
für Aussiedlerfragen und nationale
Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB,
hat beim Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni in Stuttgart den Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Russland, Dietrich Brauer,
getroffen.
Als Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland ist Brauer
„Geistlicher Leiter” des Bundes der
Evangelisch-Lutherischen Kirchen in
Russland, der Ukraine, in Kasachstan,
Mittelasien und im Südlichen Kaukasus.
Koschyk erörterte mit Erzbischof Brauer
die aktuelle Lage der evangelischen Kirche in der Russischen Föderation sowie
den Nachfolgestaaten der ehemaligen
Sowjetunion. Die evangelische Kirche
in Russland sowie in Teilen der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion war mit Informationsständen beim
Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart
vertreten.
Erzbischof
Brauer wirkte auf
verschiedenen Podiumsdiskussionen
des Kirchentages mit. Koschyk
würdigte die vor
kurzem erfolgte Berufung von
Erzbischof Brauer
in den Rat für religiöse Angelegenheiten beim russischen Präsidenten
Putin. Damit, so Koschyk, sei für die
evangelische Kirche in Russland eine
neue, wichtige Dialogebene mit der
russischen Führung einerseits und den
anderen Religionsgemeinschaften andererseits entstanden. Koschyk dankte Erzbischof Brauer auch für die gute
Zusammenarbeit der evangelischen
Kirche Russlands und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetuni-
on mit den dort lebenden deutschen
Minderheiten, die zum erheblichen
Teil evangelischen Glaubens sind.
Erzbischof Brauer hat Koschyk ferner seine Bereitschaft zugesagt, an
einer Veranstaltung des Beauftragten
der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten gemeinsam mit Bundesinnenminister de
Maizière im Herbst dieses Jahres zum
Thema „Heimat, Identität, Glaube“
mitzuwirken.
Gemeinsame Sitzung von Rat und Vorstand der „Stiftung
Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“ in Berlin!
von Thomas Konhäuser
Unter der Leitung des Stiftungsratsvorsitzenden Hartmut Koschyk MdB und
des Stiftungsvorsitzenden, Dr. Kay Lindemann, tagte in Berlin Rat und Vorstand der „Stiftung Verbundenheit mit
den Deutschen im Ausland“. An der
Sitzung nahmen neben der Bundesgeschäftsführerin des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland
und kooptierten Stiftungsvorstandsmitglied, Petra Meßbacher auch die
6
Schatzmeisterin des VDA, Frau Ilona
Mosler-Biadacz, teil.
Die „Stiftung Verbundenheit mit
den Deutschen im Ausland“ wurde
vom saarländischen Unternehmer Dr.
jur. Kurt Linster im Jahre 2004 errichtet. Die Stiftung fördert Maßnahmen,
die dem Erhalt der deutschen Sprache
und Kultur sowie der Völkerverständigung dienen. Es werden unter anderem der Jugend-, Schüler-, und Studentenaustausch gefördert, Kongresse,
Vortragsveranstaltungen und Seminare durchgeführt und Kulturprojek-
te deutschsprachiger Medien im Ausland gefördert. Auch werden deutsche
Schulen und Kindergärten im Ausland
finanziell unterstützt und humanitäre
Hilfe für bedürftige Deutsche im Ausland geleistet.
Die „Stiftung Verbundenheit mit
den Deutschen im Ausland“ kann auf
eine erfolgreiche Arbeit zurückblicken:
So unterstützt die Stiftung „Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“,
beispielsweise die Instandsetzung des
Pfarrhauses in Wurmloch in Siebenbürgen, um dieses als Bildungs- und
Kultur & Politik
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Begegnungsstätte neu zu beleben.
Nach der Instandsetzung dieses kulturellen Kleinods sollen das Pfarrhaus
auch verschiedene Institutionen, mit
denen die Kirche eng in Verbindung
steht, für Fortbildungen nutzen können. So etwa das Deutsche Forum und
die Deutschen Schulen aus Mediasch,
die „Hermann Oberth“- Schule und
das „Stephan Ludwig Roth“- Gymnasium. Im September vergangenen
Jahres übergab Stiftungsratsvorsitzender Koschyk in Wurmloch persönlich
einen Scheck der Stiftung in Höhe
von 10.000 Euro zur Fortsetzung der
Sanierungsmaßnahmen.
Rat und Vorstand der Stiftung Verbundenheit waren sich bei ihrer gemeinsamen Sitzung einig, die Instandsetzung des Pfarrhauses in Wurmloch
auch im Jahr 2015 nachhaltig zu unterstützen. VDA-Bundesgeschäftsführerin
Petra Meßbacher und VDA-Schatzmeisterin Ilona Mosler-Biadacz informierten
darüber, dass der VDA seinerseits erfolgreich Spendenmittel für dieses Projekt eingeworben hat, und man als VDA
ebenfalls einen nachhaltigen Beitrag
dazu leisten wird, die Sanierungsarbeiten zu einem erfolgreichen Abschluss
zu bringen. Als mögliches künftiges
Stiftungsprojekt schlug Stifungsratsvorsitzender Koschyk eine Fortentwicklung
des Joseph-von-Eichendorff-Erzählwettbewerbs zu einem Liedermacher-Wettbewerb vor, was die Zustimmung von
Rat und Vorstand der Stiftung Verbundenheit fand.
Unter der Schirmherrschaft des Stiftungsratsvorsitzenden Hartmut Koschyk
MdB fand im vergangenen Jahr in der
Landesvertretung des Freistaates Sachsen in Berlin die Preisverleihung des
Joseph-von-Eichendorff-Erzählwettbewerbs der Stiftung „Verbundenheit mit
den Deutschen im Ausland“, der Deutschen Gesellschaft e. V. und des Vereins
für Deutsche Kulturbeziehungen im
Ausland e. V. statt. Weltweit wurden
junge Menschen dazu aufgerufen, sich
unter der Titelzeile „Schläft ein Lied
Über den Dächern von Berlin: die Mitglieder beider Stiftungsgremien haben sich über
die künftige Projektarbeit der Stiftung intensiv ausgetauscht. Die enge Kooperation mit
dem VDA erweist sich als Gewinn für beide Partner.
V.l.n.r.: Peter Iver Johannsen, Petra Meßbacher, Gerhard Müller, Hartmut Koschyk MdB,
Ilona Mosler-Biadacz, Daniel Walther, Dr. Kay Lindemann und Thomas Kropp
in allen Dingen“ des bekannten deutschen Dichters der Romantik Joseph
von Eichendorff in einer deutschsprachigen Erzählung mit ihrem Umfeld
auseinanderzusetzen. Die Erzählung
sollte Berührungspunkte zu Deutschland oder zur deutschen Kultur behan-
deln. Teilnehmen konnten außerhalb
des deutschsprachigen Raums lebende
junge Menschen bis 30 Jahre, die nicht
die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Ein Bericht über die Maßnahmen
der Stiftung Verbundenheit in den Jahren 2009 bis 2015 ist erhältlich.
Unterstützen Sie die Kultur- und
Bildungsarbeit des VDA
Bank: Deutsche Bank AG Bonn
IBAN: DE21 3807 0059 0051 5098 00;
BIC: DEUTDEDK380
Steuerrelevante Zuwendungsbestätigungen gerne ab 100,– €
Spende auf Anforderung.
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2/2015
Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Chance und Herausforderung zugleich:
Tagung über Klaus Johannis‘ Präsidentschaft
Von Christine Chiriac
Die Wahl von Klaus Johannis zum Staats­
chef Rumäniens am 16. November
2014 hat international für Aufsehen
gesorgt und lässt seither Politiker, Journalisten, Experten und Öffentlichkeit
darüber rätseln, wie sich das erste Präsidentenmandat eines Siebenbürger
Sachsen auf das Land, die internationalen Beziehungen, die deutsch-rumänische Zusammenarbeit und auch die
Zukunft der deutschen Minderheit auswirken wird. Die Frage „Was bedeutet
es, dass ein (evangelischer) Deutscher
Präsident Rumäniens ist?“ stand im Mittelpunkt einer Tagung, die vom 24. bis
26. April von der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad
Kissingen angeboten wurde.
Die interdisziplinäre Veranstaltung
war das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen, der Gemeinschaft
Evangelischer Siebenbürger Sachsen
sowie der Evangelischen Kirche A.B. in
Rumänien und weckte auch das Interesse von Teilnehmern ohne biografischen
Bezug zu Siebenbürgen. Die Referenten – Vertreter der Politik, Presse und
Kirche aus Rumänien und Deutschland
– zeichneten als Antwort auf die Titelfrage ein komplexes Bild der politischen
Situation Rumäniens, in der Klaus Johannis viele Pluspunkte mitbringt und
dabei bedeutende Herausforderungen
zu meistern hat.
Der Wahlsieg im vergangenen
Herbst sei auch ein Ergebnis des steten Engagements der deutschen Minderheit in Staat und Gesellschaft nach
1989, so Hartmut Koschyk, MdB, Beauftragter der Bundesregierung für
Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Das Demokratische Forum der
8
Die Tagungsteilnehmer vor der eindrucksvollen Kulisse
des „Heilgenhof“ in Bad Kissingen
Deutschen in Rumänien sei eine emanzipierte Interessenvertretung, die sich
sowohl gegenüber der rumänischen
Regierung als auch in den Beziehungen
zu Deutschland selbstbewusst verhalte
und gleichzeitig Verantwortung für das
Gemeinwohl und die anderen Minderheiten in Rumänien übernehme. Dieses
Wechselspiel zwischen Selbstbewusstsein und Loyalität stehe für eine gelebte
europäische Demokratie und sei eine
Chance zur Stärkung der deutsch-rumänischen Beziehungen, so Koschyk.
Als „günstiges Zeitfenster“ für die
Deutschen in Rumänien bezeichnete
auch Winfried Ziegler, Geschäftsführer
des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt, das Mandat
von Klaus Johannis. Die etwas provokative Frage im Titel seines Vortrags
- „Sind ‚wir‘ Präsident?“ – verneinte
Ziegler vorsichtig. Johannis sei ein „viel
zu guter Politiker“, um dieser Formulierung zu verfallen, vielmehr agiere er
als „Präsident aller Rumänen“. Doch in
Rumänien sei Deutsch „einfach in“, so
Ziegler, deshalb bringe der momentane
Erfolg eines Siebenbürger Sachsen die
einmalige Chance mit sich, „die kleine deutsche Minderheit langfristig zu
stabilisieren“.
Einen theologischen Blick auf die
im Wahlkampf aufeinanderprallenden
Mentalitätsunterschiede warf Prof. Dr.
Christoph Klein, der emeritierte Bischof
der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR). Er sprach über die historischen Unterschiede zwischen östlichen
und westlichen religiösen Lehren, die
sich in Rumänien einerseits in dem fortdauernden Zusammenspiel zwischen
Kirche, Staat und Volkstum, andererseits aber in einem neueren Umdenken
hin zu Säkularisierung und Sachlichkeit
widerspiegeln. Die Hintergründe der
Präsidentschaftswahl analysierte aus soziologischer Sicht Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabǎ, Referent für institutionelle Kooperationen der EKR. Er unterstrich den
entscheidenden Beitrag der im Ausland
lebenden rumänischen Staatsbürger für
den Ausgang der Wahl im November.
Kultur & Politik
2/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Die Diaspora sei „im Westlichen Wertekanon einer Zivilgesellschaft sozialisiert“, gut vernetzt, ununterbrochen
mit der Heimat verbunden – und somit
„eindeutig ein Gewinn und kein Verlust
für Rumänien“, so Cosoroabǎ.
Auch viele internationale Presseberichte seien nach der Wahl euphorisch
über die politische Reife, proeuropäische Haltung und Weltoffenheit der
rumänischen Zivilgesellschaft gewesen, hob Robert Schwartz, Leiter der
Rumänienredaktion der Deutschen
Welle, hervor. In Rumänien jedoch
könne man sich nicht auf die Neutralität der klassischen Medien verlassen,
außerdem müsse Klaus Johannis weiterhin mit medialen Angriffen u.a. von
russischer Seite rechnen. Aufgabe der
europäischen Presse sei es nun, „verlässliche Informationen zu präsentieren
und mit allen Mitteln des demokratisch
erfassten Journalismus jegliche Propaganda zu entzaubern“. Dabei müsse
der Präsident selbst für eine professionelle Kommunikation sorgen – denn,
wie Historiker und Promotionsstudent
Emilian Dranca zusammenfasste, erwarte die rumänische Öffentlichkeit
mehr mediale Präsenz und unmittelbare Erklärungen seitens des Staatschefs.
Dranca deutete dabei auf die teils kritischen Reaktionen von rumänischen
Intellektuellen und Johannis-Unterstützern wie Adrian Papahagi oder Andrei
Ples¸u nach den ersten Amtsmonaten
des Präsidenten.
Einen Überblick über die derzeitigen
außenpolitischen Herausforderungen
gab Joseph C. Karl, der bis 2014 das
Kultur- und Minderheitenreferat der
Deutschen Botschaft in Bukarest geleitet hat. Als „Wechsel von Brüchen und
Konstanten“ an der Schnittstelle zwischen Interessen von Nachbarländern
und Großmächten beschrieb Karl die
rumänische Außenpolitik aus historischer Sicht – doch auch heute habe der
rumänische Staatschef die schwierige
Aufgabe, neben dringenden innenpolitischen Maßnahmen auch sicherheits-
Im permanenten Dialog zur Pflege der Deutsch-Rumänischen Beziehungen: Staats­
präsident Klaus Johnannis und Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB
politisch heikle Situationen und Auswirkungen von „exogenen Schocks“
zu meistern, etwa die Ukraine-Krise,
die Probleme der Republik Moldau,
den Expansionskurs Russlands und die
Minderheitenfragen in Serbien und Ungarn. Auch deshalb dürfe man keine
„messianischen Hoffnungen“ auf die
Präsidentschaft setzen, so das Fazit der
abschließenden Podiumsdiskussion.
Kultur- und Bildungsreisen für
Austauschschüler mit dem VDA
Der VDA organisiert maßgeschneiderte Reisen für
Deutsche Schulen im Ausland, um ein zeitgemäßes
und aktuelles Deutschlandbild vermitteln zu können.
Neben dem Erleben der deutschen Sprache bieten die Reisen des VDA die einmalige Möglichkeit
für Ausstauschschüler aus aller Welt, Geschichte, Kultur und Leben in Deutschland kennen zu lernen.
Mehr Informationen:
[email protected]
9
2/2015
Kultur & Politik
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
„Qualität braucht Menschen“
Rückblick auf WDA-Tagung mit Symposium 2015 in Berlin
Von Albrecht Wolfmeyer
Vom 23. bis 26. April 2015 fand in
Berlin die Tagung des Weltverbands
Deutscher Auslandsschulen (WDA) statt
– das größte jährliche Treffen des Netzwerks der Deutschen Auslandsschulen.
Zum Auftakt der Tagung 2015 lud
der WDA zu einem Empfang in die
Thüringer Landesvertretung ein. Der
WDA-Vorstandsvorsitzende Detlef Ernst
und Thüringens Ministerin für Bildung,
Sport und Kultur, Dr. Petra Klaubert,
begrüßten die Gäste aus Berlin und
der ganzen Welt: Schulvorstände aus
mehr als 50 Ländern, Botschaftsvertreter, Partner aus Politik, Wirtschaft und
Bildung sowie die Vorstände und Mitarbeiter des WDA.
Partner von morgen
Im Rahmen der Tagung findet regelmäßig ein Symposium statt. In diesem
Jahr stand die Veranstaltung unter dem
Motto „Qualität braucht Menschen“.
Die zentralen Themen: Personalmanagement, berufliche Bildung sowie
die gesetzliche Förderung. In der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften tauschten sich Schulvertreter, Bundestagsabgeordnete,
Vertreter der fördernden Stellen sowie
Experten aus Bildung, Kultur und Wirtschaft aus. Zu den Teilnehmern zählten
Stephan Steinlein, Staatssekretär des
Auswärtigen Amts, Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt und der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz,
Udo Michallik.
Ein leistungsfähiges Land benötige
ein Netzwerk junger Menschen in aller
Welt, betonte Steinlein. „Sie sind Netzwerker für Deutschlands Zukunft“, richtete sich der Diplomat an die Schulvor-
10
WDA-Geschäftsführer Thilo Klingebiel, Thüringens Ministerin für Bildung,
Sport und Kultur, Dr. Petra Klaubert, WDA-Vorstandsvorsitzender Detlef Ernst (v.l.)
(Foto: WDA/Albrecht Wolfmeyer)
stände im Publikum. „Unsere Partner
von morgen besuchen heute Deutsche
Auslandsschulen.“ An den Schulen entstünden lebenslange Partnerschaften
zwischen Deutschland und der Welt.
Bundestag befasst sich mit
Förderung
Andreas Haffner, Leiter Personalwesen Top-Management bei Volkswagen,
stellte das globale Mobilitäts-Programm
des Autokonzerns vor. „Entsendungen
werfen hochkomplexe Fragestellungen
auf“, sagte Haffner. „Sie sind die Königsdisziplin der Human Resources.“
Was die Deutschen Auslandsschulen in
Sachen Personalmanagement von einem Konzern wie VW lernen können,
war das Thema der anschließenden
Podiumsdiskussion.
Ulla Schmidt MdB, die dem Bundestagsunterausschuss Auswärtige Kulturund Bildungspolitik angehört, kündigte
eine Überprüfung des Auslandsschulgesetzes an. Der Haushaltsvorbehalt sei
aus dem Gesetz zu streichen, der Inklusionszuschlag zu erhöhen. „Wir müssen
2015 die Grundlagen schaffen für das,
was wir ändern wollen“, sagte Schmidt.
Gemeinsam mit allen Akteuren des Auslandsschulwesens will sie eine „Road­
map“ entwickeln, um die wachsenden
Herausforderungen der Schulen zu
bewältigen. Sie lud den WDA ein, sich
in den Prozess zur Evaluation des Auslandsschulgesetzes einzubringen. Anfang Juni findet dazu eine Sitzung im
Kultur & Politik
2/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Bundestagsunterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik statt.
Mitgliederversammlung wählt
neue Vorstände
Auf der WDA-Mitgliederversammlung standen neben Fachthemen wie
der Alumniarbeit Vorstandswahlen auf
der Tagesordnung. Im Amt bestätigt
wurde Peter Raute (Bogotá), der dem
WDA-Vorstand seit 2010 angehört.
Neu in den Vorstand wählte die Mitgliederversammlung Friederike Gribkowsky (Bukarest) und Nicholas Röhm
(Valdivia). Aus dem Vorstand ausgeschieden sind Andreas Rüsch (Pretoria)
und Klaus Kundrat (Genua). In seiner
Will das Auslandsschulgesetz weiterentwickeln: Bundestagsvizepräsidentin
Ulla Schmidt MdB (Foto: WDA/Florentine Sievers)
„Sie sind Netzwerker für Deutschlands
Zukunft“: Stephan Steinlein, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
(Foto: WDA/Florentine Sievers)
konstituierenden Sitzung wählte der
Vorstand erneut Detlef Ernst (Shanghai)
zum Vorsitzenden. Seine Stellvertreterin
bleibt Martina Spann (Málaga). Neuer
Schatzmeister ist Dr. Peter Fornell (Toulouse). Schriftführer ist weiterhin Rudolf
Kumbolder (Mexiko-Stadt).
Zum Abschluss der Tagung 2015
bot der WDA erstmalig eine „Zukunftskonferenz“ an. Durch die Veranstaltung
führte der Organisationsberater Dr.
Dietmar Nowottka. In Workshops erarbeiteten die Mitglieder gemeinsam einen Themen- und Maßnahmenkatalog.
Die Ergebnisse der Zukunftskonferenz
dienen als strategische Grundlage, um
die Verbandsarbeit in den kommenden
Jahren erfolgreich weiterzuentwickeln.
Über den Weltverband Deutscher
Auslandsschulen (WDA)
Der Weltverband Deutscher Auslandsschulen vertritt die freien, gemeinnützigen Schulträger der Deutschen
Auslandsschulen und fasst ihre Einzelstimmen zu einer starken Stimme zusammen. Dazu bündelt er das Wissen
der vielen lokalen Experten zu einem
globalen Netzwerk. Er unterstützt
seine Mitglieder bei ihren Aufgaben
und fördert ihre Projekte mit gezielten
Dienstleistungen. Der WDA vertritt die
gemeinsamen Interessen gegenüber
dem Deutschen Bundestag und den
fördernden Stellen. Er ist wichtiger
Ansprechpartner der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und gestaltet
diese zugleich aktiv mit.
Mehr erfahren: www.auslandsschulnetz.de/veranstaltungen
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Kultur & Begegnung
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
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Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache
Besuch der VDA-Partner in Paraguay
Von Petra Meßbacher
„Wege ins Ausland“ – unter diesem
Titel wirbt der VDA nicht nur für seinen
internationalen Schüleraustausch hier
in Deutschland. Dieses Motto galt auch
für die VDA-Geschäftsführerin selbst
auf ihrer Reise nach Südamerika zu den
Deutschen Partnerschulen.
Begleitet wurde sie von Birgit Gronwald Bartels, die durch ihre aktive Unterstützung im Schulmarketing besonderes Engagement mitbrachte.
Der Schwerpunkt dieser Reise lag
auf dem Besuch der Deutschen Partnerschulen in Paraguay. Zusätzlich wurden
aber auch Besuche an der Deutschen
Schule in Rio de Janeiro absolviert sowie
in El Dorado/ Misiones in Argentinien.
Darüber hinaus trafen die VDA-Vertreterinnen auf den neuen Vorsitzenden
des DCB (Deutsch-Chilenischer Bund)
in Santiago de Chile, Herrn René Focke,
und seinen Vorstandskollegen Javier
Vernier zu einem Gedankenaustausch
im Deutschen Club in Santiago de
Chile.
Abgerundet wurde die Reise durch
den Besuch der Deutschen Schule in
Bogotá und einem Besuch beim Deutschen Botschafter in Kolumbien, S.E.
Herrn Dr. Günther Knieß.
Den Auftakt der Gespräche in Paraguay bildete ein Meeting mit der neuen Direktorin der Deutschen Schule
Concordia in Asunción, Frau Karin August de Goertzen, die zusammen mit
der Austauschbeauftragten, Frau Susi
Warkentin, die Gespräche zur weiteren
Intensivierung des Austausches zwischen dem VDA und der Deutschen
Schule Concordia führte.
Neben dem eigentlichen Austauschprogramm zeigte die Schule sehr großes Interesse an sogenannten „Kultur-
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Kultur & Begegnung
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
reisen“ im Anschluss an den Austausch
für die Schüler selbst, aber auch für die
dortigen Lehrkräfte. Hierzu wurden
eine Reihe von Ideen und Überlegungen ausgetauscht.
Im Anschluss an den Aufenthalt in
der paraguayischen Hauptstadt standen vier Tage im Chaco im Norden
Paraguays auf dem Plan. Im angestammten Siedlungsgebiet der mennonitischen Gemeinschaften, von
denen viele zwischen dem 1. und 2.
Weltkrieg weltweit – insbesondere jedoch aus Kanada, aus Russland und
der Ukraine – nach Paraguay auswanderten, war der Gesprächsbedarf sehr
hoch, da dort eine Vielzahl von kleineren deutschen Schulen entstanden ist.
Die meist vorherrschende Dreisprachigkeit der Schüler ist ein besonderes
„Geschenk“, da sie mit einer Leichtigkeit mehrsprachig aufwachsen und damit besondere Voraussetzungen für das
Zusammenleben von Kulturen und Nationen mitbringen.
Organisiert wurde der Aufenthalt
vor Ort vom Direktor des Lehrerkollegs der Deutschen Schule Paratodo,
Eugen Friesen, der auch seine Kollegen
an den Deutschen Schulen Neufeld
und Filadelfia sowie an der Deutschen
Schule Lolita Gelegenheit bot, über
das Austauschprogramm des VDA einen intensiven Gedankenaustausch zu
führen.
So war von vorbereiteten Schüler- und Elterntreffen bis hin zu verschiedenen Vorträgen an den einzelnen Schulen eine Vielzahl von
Gesprächen möglich, um Fragen zum
VDA-Austausch mit Deutschland zu
beantworten.
Für die im Winter 2015 ankommenden Austauschschüler suchen
wir ab sofort dringend Gastfamilien. Beteiligen Sie sich aktiv!
Das in Filadelfia ansässige Fortbildungsinstitut für Lehrer in Paraguay
wird in Kürze von Eugen Friesen leitend
übernommen werden, wozu ihm der
VDA viel Erfolg wünscht.
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Schuldirektor Eugen Friesen unterrichtet am Collegio Paratodo eine Klasse
in Deutsch, die sich bereits brennend
für den Austausch im nächsten Jahr
interessiert
Schüler der 10. Klasse diskutieren auf
Deutsch mit den VDA-Gästen über ihr
Deutschlandbild und die Verbundenheit
mit der deutschen Sprache
Aller Anfang ist schwer – aber nicht für
diese Erstklässler: sie wachsen dreisprachig auf und werden für die globalisierte
Welt bestens vorbereitet sein
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Gelebte Partnerschaft – durch das
hervorragende Engagement von Susi
Warkentin an der Deutschen Schule
Concordia wird der VDA seine Präsenz in
Paraguay verstärken können
Herzlichkeit und Kompetenz erwarteten
die Gäste an der Deutschen Schule
Concordia in Asunción:
Die Schulbeauftragte und
Fachschaftsleiterin für Deutsch, Susi
Warkentin, organisierte ein Round-TableGespräch mit den Verantwortlichen
der Schule und der neuen Direktorin,
Karin Görtzen de August zur künftigen
Kooperation mit dem VDA
Nicht nur die geschäftlich-kulturellen
Eindrücke auf dieser Reise waren
überwältigend, auch die unterschiedliche
Flora und Fauna begeisterte
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Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache
Besuch der VDA-Partner in Brasilien und Chile
Rechtzeitig zum 50-jährigen Bestehen der Deutschen Schule Rio de
Janeiro in Brasilien trafen sich Schulleitung und VDA-Geschäftsführung
zum Gedankenaustausch, Meinungsbildung und Kooperationsgesprächen. Die seit vielen Jahren bestehende Verbindung soll intensiviert
und vertieft werden.
Regelmäßig sind rund 20 Schüler aus der Deutschen
Schule im Austauschprogramm des VDA. Die
hohe Nachfrage zeigt
das brasilianische Interesse und bestärkt die weitere Zusammenarbeit.
Foto oben links; V.l.n.r.:
Gisela Manthey, Schuldirektorin Sybille Rohrmann, Petra Meßbacher,
Ursula Burkhardt und
Schuldirektor Paolo Carvalho. Rechts im Bild: die
deutsche Schuldirektorin
Sybille Rohrmann.
Empfang in der deutschen Schule Thomas Morus in Santiago de Chile
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Zu einem kompakten Gedankenaustausch trafen sich die Direktorin der
Deutschen Schule Thomas Morus in
Santiago de Chile, Chile, Sabine Trapp
und VDA-Geschäftsführerin Petra Meßbacher. Chile ist der größe Austauschpartner für den VDA und schickt jährlich zwischen 150 und 200 Schüler in
den Austausch nach Deutschland.
Die besonderen Herausforderungen
bei der Suche nach Gastfamilien und
die interkulturellen Anforderungen für
den Austausch waren die Hauptpunkte
der Gespräche. Sabine Trapp (2.v.r.) ist
gleichzeitig Austauschbeauftragte der
chilenischen Schuldirektorenkonferenz
und mit allen Partnerschulen in Chile in
gutem Kontakt.
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache
Besuch der VDA-Partner in Argentinien
Unweit der weltberühmten Wasserfälle von Iguazu liegt
im Dreiländeck zwischen Brasilien, Paraguay und Argentinien das Städtchen Eldorado in der Provinz Misiones.
Die dortige Stiftung Wachnitz organisiert seit über 25
Jahren in Kooperation mit dem VDA den Schüleraustausch für verschiedene, kleinere Schulen der Region.
Mit großem Elan und Ausdauer hat Gisela Wachnitz
(Foto links) in den vergangenen Jahren für eine Vielzahl
von Schülern den begehrten Aufenthalt organisiert.
Auch deutsche Schüler sollten dem Ruf nach Eldorado folgen, ein Goldschatz wird dort nicht gefunden,
dafür aber interessante Einblicke in Kultur und Natur des
Dreiländerecks.
Lebensader und
Risiko zugleich:
der Parana,
Grenzfluss im
Dreiländereck
zwischen
Argentinien,
Brasilien und
Paraguay
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Südamerika: Erfolgsfaktor Deutsche Sprache
Besuch der VDA-Partner in Kolumbien
Nicht nur auf den Spuren Alexander von Humboldts, sondern der
Einladung der Deutschen Schule in Bogotá folgend, bildete Kolumbien die letzte Station der Reise. Von den vier großen deutschen Schulen in Kolumbien ist das Colegio Andino die größte Auslandsschule mit unbegrenztem Zustrom von bildungshungrigen Familien.
Neben den informativen Gesprächen mit Schuldirektor Jan Fischer und dem Vorsitzenden
des Schulträgervereins, Ernst Raute (Bild oben rechts), konnte erfreulicherweise auch ein Gespräch mit dem Deutschen Botschafter in Kolumbien, S. E. Dr. Günther Knieß (Bild unten),
geführt werden. Der Weg zu einem Austauschprogramm ist bereitet, wir hoffen auf einen
baldigen Start.
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Schaufenster Europa
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Pilsen: Deutsche Spuren
in der Kulturhauptstadt Europas 2015
Von Dr. Roswitha Schieb
Bei der Vorstellung Pilsens als Kulturhauptstadt Europas 2015 im Roten
Rathaus zu Berlin, veranstaltet vom
Deutschen Kulturforum östliches Europa, betonten alle Redner immer wieder,
dass Pilsen viel mehr zu bieten habe als
Bier und Škoda. Dessen ungeachtet,
bekam der tschechische Botschafter zu
seiner Begrüßung am Rednerpult ein
Glas Pilsener gereicht, was er mit den
Worten kommentierte, in Pilsen gebe es
nicht nur Bier, sondern auch Sekt und
Schnäpse, Kirchen, jüdische Zeugnisse,
eine sehr lebendige Theaterszene und
die gute Pilsener Regionalküche mit
böhmischen Knödeln, Ente, Schweinsbraten, Sauerbraten, Sauerkraut und
Kollatschen. Schließlich fiel er sich
selbst ins Wort und beendete seine kulinarische Schwelgerei mit dem Spruch
„Hunger ist sowieso nur ein umgezogener Durst“.
Kein Zweifel – Pilsen birgt viele
Schätze und Überraschungen. Im Programm der Kulturhauptstadt 2015 gibt
sich die Stadt gleichzeitig bodenständig
und international: so soll als eines der
wichtigsten Kulturhauptstadtprojekte das leerstehende Areal der Brauerei
Svĕtovar in eine Kulturfabrik umgestaltet werden und die ehemalige Škoda-Werkshalle in einen Wallfahrtsort für
Design verwandelt, Bayerische Kulturtage wechseln sich ab mit Tagen der
japanischen Kultur, das Fest anlässlich
der Befreiung Pilsens durch die US-Armee vor siebzig Jahren steht neben einer Ausstellung zum Schicksal tschechischer Immigranten in Neuseeland, das
Roma-Festival Khamoro folgt auf eine
Ausstellung von Porträts Pilsener Einwohner und von Pilsener Familienfotos,
die von einem französischen Kurator
ausgewählt wurden, und ein reichhaltiges Zirkus-, Theater-, Musik-Programm
wechselt sich ab mit Ausstellungen
und Konzerten zum Thema „Barock in
Westböhmen“.
Frühe deutsche Einflüsse
Da Pilsen seit seiner Gründung im Mittelalter an den wichtigen Straßen zwischen Prag und Nürnberg und in Richtung Lausitz und Schlesien lag, spiegeln
sich verschiedene Einflüsse dieser Regionen auch in der Architektur wider.
Angefangen von gotischen Kirchen mit
raffinierten Netz- und Sternrippengewölben und der Pilsener Madonna als
Beispiel des Schönen Stils über Bauwerke der Renaissance, in der sich italienische und böhmische Einflüsse mischen,
zeigen sich auch an den profanen und
Die „Schöne Madonna“ von 1385 in der
St. Bartholomäus-Kathedrale entstand
in enger Verbindung mit der höfischen
Kunst Peter Parlers
sakralen Gebäuden des Barock, des
Klassizismus und Historismus bis hin
zu den architektonischen Perlen der
Moderne, dass immer wieder sowohl
tschechische als auch deutsche bzw.
österreichische und auch italienische
Baumeister in Pilsen beschäftigt waren.
Auch die digitale Stadtbibliothek
Pilsen, Pilsna Digitalis, die ab Mai 2015
im Netz steht, weist bei ihren mehr als
150.000 Seiten digitalisiertem Kulturgut aus und über Pilsen mehrsprachige,
also lateinische, deutsche und tschechische Zeugnisse der Vergangenheit der
Stadt auf, seien es Bücher oder Zeitschriften, Adressbücher, Schulberichte,
Theaterplakate und auch historisches
Fotomaterial. Dabei sind tschechische
und deutsche Zeugnisse ungefähr
gleich stark vertreten.
Das erste Buch auf Tschechisch,
das überhaupt gedruckt wurde, erschien 1468 in Pilsen. 1534 dann kam
in Pilsen die erste gedruckte tschechisch-deutsche „Konversations-Unterweisung“ heraus, die wegen der
regen Handelsbeziehungen zu Nürnberg notwendig wurde. Bereits seit
dem Mittelalter existierte in Pilsen eine
deutsche Minderheit, die über viele
Jahrhunderte hinweg das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle
Leben der Stadt mitgestaltete und deren Spuren auch heute noch zu finden
sind. So entstand die Pilsener Madonna in der St. Bartholomäus-Kathedrale
in enger Verbindung mit der höfischen
Kunst von Peter Parler, der die Burg
und den Veitsdom in Prag errichtete.
Maßgeblich beteiligt am Bau der Pilsener Kathedrale war in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts der aus Eichstätt
stammende Baumeister Erhard Bauer,
der sich als Steinmetz- und Stadtbaumeister von Eger einen Namen machte.
Nicht nur, dass der römisch-deutsche
Kaiser und König von Böhmen, Ungarn
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Schaufenster Europa
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
und Kroatien, Rudolf II., seinen Sitz
1599 wegen der in Prag wütenden Pest
für ein Jahr nach Pilsen verlegte und
in zwei Gebäuden nahe dem Rathaus
wohnte, auch Wallenstein war in einem
heute noch existenten Haus am Pilsener
Ring 1634 mit seinem Gefolge einquartiert, bevor er nach Eger aufbrach, wo
er ermordet wurde. Ein großer Teil der
Wallenstein-Trilogie Friedrich Schillers
spielt in Pilsen. Heute befinden sich in
diesem Haus, dem sogenannten Europahaus, ausländische Kulturinstitute, so
auch der Lesesaal des Goethe-Instituts
und die Österreich-Bibliothek.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg
verfasste Johann Tanner eine bedeutende Chronik der Stadt Pilsen unter dem
lateinischen Titel Historia urbis Pilsnae. Viele Künstler und Baumeister mit
deutschen oder eingedeutschten Namen arbeiteten in Pilsen, so Christian
Widmann, der 1680/81 die Pestsäule
auf dem Ring errichtete, so Franz Julius Lux, der westböhmische Maler des
Rokoko, der 1696 den Hauptaltar des
Franziskanerklosters malte, so der Pilsener Baumeister Simon Michael Schell,
der um 1800 nicht nur die klassizistische Fassade vom Haus zum weißen
Die Pestsäule von 1680/81, errichtet
zum Dank für die Verschonung Pilsens
von der Pest, ist von einer vergoldeten
Nachbildung der Pilsener Madonna
bekrönt
20
Löwen gestaltete, sondern auch das
aufgehobene Dominikanerinnenkloster
als Prämonstratenser-Gymnasium und
Philosophisches Institut umbaute. Seit
1809 war an diesem Prämonstratenser-Gymnasium der Universalgelehrte
Josef Stanislaus Zauper tätig, der 1850
in Pilsen starb. Er war Lehrer Bedř ich
Smetanas und Bewunderer und Freund
Goethes. Als österreichischer Professor
und gelehrter Prämonstratensermönch
verfasste er poetische Erzählungen,
eine deutsche, theoretisch-praktische
Poetik, aus Goethes Werken entwickelt,
die Schrift Pilsens alte Chronik (1835)
und Studien über Goethe. Aus Zaupers
häufigen Treffen mit Goethe in den
böhmischen Bädern entwickelte sich
ein Briefwechsel zwischen den beiden.
Deutsche Spuren im 19.
Jahrhundert
Im Jahr 1832 wurde das erste steinerne Theatergebäude in Pilsen von deutschen Bürgern errichtet. Es befand sich
in der Goethe-Straße und bestand bis
1977. Ein weiteres Bauwerk, das barocke Gerlach-Haus in der Nähe des
Rings, ist nach dem ab 1839 dort wohnenden Pilsener Komponisten, Musikund Tanzlehrer Josef Gerlach benannt.
1864 gehörten 4304 Einwohner zur
deutschen Minderheit und 19769 zur
tschechischen. Das heißt, dass zu dieser Zeit der Anteil der Pilsener mit deutscher Umgangssprache bei knapp 18
Prozent lag. Es gab mehrere deutsche
Schulen aller Bildungsniveaus, welche
auch von Bürgern aus dem Egerland
westlich von Pilsen besucht wurden. In
der Oesterreichischen National-Encyklopädie von 1836 heißt es über den
Pilsener Kreis, dass er aus 15 Städten,
14 Marktflecken und 663 Dörfern bestehe, deren Einwohner fast durchgehend Deutsch sprechen, jedenfalls sei
dieser Kreis größtenteils von Deutschen
bewohnt.
Das weltberühmte Pilsener Bier entwickelte der aus Bayern stammende
Braumeister Josef Groll, der ein helles
Lagerbier, das später Pilsener Urquell
getauft wurde, braute. Das Tor zur Pilsener Brauerei im Stil der Neorenaissance stammt vom Pilsener Architekten
Emanuel Klotz aus dem Jahr 1892. Der
Architekt der Großen Synagoge von
1893 in Pilsen, Rudolf Stech, knüpft
mit seinem neoromanischen Gebäude
mit Elementen des maurischen Stils an
Bauten des Architekten Max Fleischer
aus Wien an, der viele Synagogen errichtete. Die Synagoge von Pilsen gilt
als die drittgrößte der Erde, ohne dass
die jüdische Gemeinde ungewöhnlich
groß gewesen wäre; eher war ihr ein
ausgeprägtes Repräsentationsbestreben
eigen. Auch das Haus zum roten Herzen am Ring wurde 1894 von Rudolf
Stech, dem Pilsener Architekten der
Neorenaissance, erbaut. Weitere Häuser am Ring, das Haus zum goldenen
Schiff und das Nachbarhaus, stammen
von einem österreichischen Architekten
aus Wien, Ludwig Tremmel, der ebenfalls ein Vertreter des Historismus war
und bis 1918 in Pilsen als Lehrer der
Staatsgewerbeschule und Chefarchitekt
der Škoda-Werke arbeitete. Zur Zeit der
k.u.k. -Monarchie, vor allem vor und
während des Ersten Weltkriegs, müssen
diese Werke übrigens als mit die wichtigste Waffenschmiede Europas angesehen werden.
1883 wurde Oskar Baum in Pilsen geboren, Angehöriger des Prager
Kreises, der in regem Briefwechsel mit
Franz Kafka stand. In der Zeit des ausgehenden 19. und beginnenden 20.
Jahrhunderts gab es im Rahmen der
immer stärker werdenden nationalen
Bestrebungen und Spannungen in Pilsen neben dem Deutschen Gymnasium, der Deutschen Handelsschule,
dem Deutschen Haus, in dem sich u. a.
der Männergesangsverein der Beschäftigten der Škoda-Werke traf, mit dem
Deutschen Theater und der Deutschen
Turnhalle auf der tschechischen Seite
etliche Vereinsgebäude, darunter auch
die Sokolov-Turnhalle. So konnten sich
Schaufenster Europa
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
die verschiedenen Bevölkerungsteile Pilsens in separaten Turnhallen
ertüchtigen.
Umbrüche im 20. Jahrhundert
Ab 1918 gehörte Pilsen zur neugegründeten Tschechoslowakischen Republik.
Jetzt wurde das moderne Bauen derart
populär, dass sogar ein Wolkenkratzer
entstand. Doch auch in dieser Zeit,
zwischen 1928 und 1932, gab es keine
Berührungsängste mit nicht-tschechischen Architekten. So gestaltete der aus
Brünn stammende und aus Wien kommende berühmte Adolf Loos, dessen
Frau Pilsenerin war, mehrere sehr elegante Inneneinrichtungen in Pilsen, die
auch noch erhalten sind, so die zweite
und dritte Etage des Weiner-Hauses am
Ring, sowie mehrere Privatwohnungen,
so das Interieur des Ehepaaars Vogel,
Das zeitlos-elegante Interieur des Ehepaars
Vogel entstand zwischen 1928 und 1930 nach
Entwürfen des Architekten Adolf Loos
für Hugo Semler oder für das Ehepaar
Brummel.
Während der Zeit der deutschen
Okkupation in der NS-Zeit wurden von
3200 im Jahr 1938 in Pilsen lebenden
Juden im Jahr 1942 3000 Menschen
nach Theresienstadt und in weitere
Konzentrationslager deportiert. Heute
hat die jüdische Gemeinde nur wenige
Mitglieder.
Die Befreiung von der deutschen
Okkupation geschah durch die US-Armee am 6. Mai 1945, woran im Sozialismus verboten war zu erinnern. Die
offizielle Website der Stadt Pilsen 2015
erwähnt für das Jahr 1945 nur die Befreiung der Stadt durch die Amerikaner, mit keinem Wort aber die darauffolgende Vertreibung der Deutschen,
in Tschechien „odsun“, zu Deutsch
„Abschiebung“ genannt. Wird dieses
Kapitel der Stadtgeschichte ausgeblendet? Bei näherem Hinsehen finden sich
in dem ganzen bunten Kulturhauptstadtreigen etliche instruktive und auch
sehr originelle Bezugnahmen auf den
deutschen bzw. österreichischen Anteil
der Pilsener Stadtgeschichte, die auch
die Vertreibung der Deutschen 1945
einschließt.
Tschechische Studenten und
Schüler auf Spurensuche
So ist seit Ende Februar 2015 in Pilsen die Ausstellung „(Un)sichtbare
Loyalität“ zu sehen, eine Ausstellung
mit aufschlussreichem, historischem
Bildmaterial, so über das Verhältnis
der Stadtbevölkerung zu Kaiser Franz
Joseph I., über das enge Zusammenleben von Österreichern, Deutschen
und Tschechen im 19. und frühen 20.
Jahrhundert, zum Beispiel gespiegelt in
deutschen und tschechischen Theaterplakaten, oder über die Entfernung von
k.u.k. -Hoheitszeichen nach 1918.
Unter dem Titel „Eine unsichtbare
Loyalität? Österreicher, Deutsche und
Tschechen in der Kultur der böhmischen Länder des 19. Jahrhunderts“
gab es im Februar 2015 dazu eine wissenschaftliche Tagung, in der das Zugehörigkeitsgefühl, das die Einwohner
der böhmischen Länder gegenüber
der Habsburgerdynastie hegten, analysiert wurde. Dabei kamen Loyalitäten gegenüber der tschechischen bzw.
der böhmischen Kultur und gegenüber
den übernationalen Institutionen der
k.u.k. -Monarchie mit Hinblick auf Kirche, Heer und Schulwesen zur Sprache. Auch die Positionen derer, die es
ablehnten, loyale Haltungen einzunehmen, wurden dabei beleuchtet.
Von erstaunlicher Offenheit und
investigativer Neugierde ist das Internetprojekt Spurensuche in der Pilsener
Stadtgeschichte geprägt. Dieses Projekt
wird von Schülern eines Pilsener Gymnasiums unter Leitung von Antonín
Kolář durchgeführt. Es beruht auf einer
Sammlung von Bildern und Gedanken,
die wunde Punkte der Pilsener Geschichte berühren. So zeigt beispielsweise ein Foto einen Ausschnitt zum
Thema Große Geschichte: Man sieht
fröhliche Menschen, tschechische Pilsener, bei der Befreiung Pilsens am 6.
Mai 1945 durch die Amerikaner. Wenn
dann aber das ganze Bild gezeigt wird,
erzählt es in verstörender Weise sozusagen eine kleine Geschichte: Denn
vor den jubelnden Menschen liegt ein
Toter mit nacktem Oberkörper, vermutlich ein Deutscher oder ein Kollaborateur, um den sich keiner schert. Dem
Lehrer und seinen Schülern geht es um
vergessene Namen, vergessene Schicksale, vergessene Empfindungen und
Geschichten.
In diesem Projekt suchen sie gemeinsam nach symbolischen Bildern in
der Stadt und werden fündig. Sie finden Einschusslöcher an Gebäuden, die
bei deren Restaurierung erhalten bleiben. Sie entdecken ein skurriles Foto
von 1945, auf dem ein Scharfschütze
auf dem Dach der Synagoge sitzt, um
von dort auf US-Soldaten zu zielen, und
sich dabei hinter den auf dem Dach angebrachten Gesetzestafeln verschanzt,
auf denen auf Hebräisch „Du sollst
nicht töten“ zu lesen ist. Dann begeben sie sich auf die Suche nach jüdischen Spuren.
Věra Kohn, sozusagen die Pilsener
Anne Frank, schrieb mit 12 Jahren zwischen 1941 und 1942 ein Tagebuch
auf Tschechisch über ihre Gefühle
während der NS-Okkupation in Pilsen.
Dann wurde sie nach Theresienstadt
deportiert und in Izbica, im von der
deutschen Wehrmacht besetzten Polen, ermordet. 65 Jahre lang war das
Tagebuch versteckt und tauchte vor
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Schaufenster Europa
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
berg kommentiert:
Grünberg, 1939
in Pilsen geboren,
wurde mit seiner
Mutter 1946 aus
der Tschechoslowakei verbannt
und verlor seine
Heimat. Das mag
vielleicht traurig
für ihn gewesen
sein, so Kolář ,
aber wäre er ohne
Vertreibung nach
Deutschland Nobelpreisträger geworden? Hätte
er sonst so gute
Chancen gehabt?
Diese Frage muss
offen bleiben. In
jedem Fall begeben sich die Schüler mit UnvoreinDie Große Synagoge in Pilsen, im neuromanischen Stil mit mau- g e n o m m e n h e i t ,
rischen Schmuckelementen erbaut, ist dank ihrer guten Akustik N e u g i e r d e u n d
Entdeckerlust auf
heute ein beliebter Konzertsaal
die Suche nach
vergessenen, verwenigen Jahren auf. Im Garten der Erin- schwiegenen, unbequemen und traurinerungen, der sich bei der zweiten Syn- gen Wahrheiten ihrer Stadt.
agoge von Pilsen befindet, werden Steine aus dem Fluss abgelegt, Steine, auf
Kreativer Bezug zur
denen Namen von Pilsener Juden, die
Vergangenheit
die NS-Zeit nicht überlebt haben, stehen, so auch der Name von Věra Kohn. Mit einer sehr originellen Idee, nicht
Die Schüler interessieren sich auch nur die frühere Mehrsprachigkeit Pilfür den tschechischen Widerstand sens, sondern auch die heutigen
gegen die Nazi-Okkupation, so für Verständigungsprobleme der Nachdie beiden Fallschirmspringer Jan Ku- barn miteinander widerzuspiegeln,
biš und Josef Gabč ík, die Reinhard wartet das Theater A Basta auf. JunHeydrich ermordeten. Sie landeten in ge Schauspieler persiflieren in einer
Pilsen und versteckten sich in einem Pil- künstlichen Mischung aus Tschechisch
sener Haus.
und Deutsch, dem sogenannten
Auch die Vertreibung der Deut- Tscheutsch, diese Sprachbarriere. So
schen wird in diesem Projekt nicht aus- stecken zwei Schauspieler Rücken an
gespart. Der Projektleiter Antonín Kolář Rücken in einem T-Shirt. Mal spricht
sieht an einer Stelle die Vertreibung der eine des vierbeinigen und vierarder Deutschen sogar als Chance an, migen Wesens auf Deutsch zum Publiwenn er die Biographie des späteren kum, dann, nachdem sie sich unbeholPhysik-Nobelpreisträgers Peter Grün- fen umgedreht haben, fährt der andere
22
auf Tschechisch fort, wobei eine Dolmetscherin hilft, das Sprachknäuel zu
entwirren.
In dieser künstlichen Sprache, dem
Tscheutsch, werden auch Stadtführungen angeboten. Die Teilnehmer dieser
Führungen lernen die Stadt und die
Wörter der jeweils anderen Sprache
dadurch kennen, dass sie in zwei- und
gemischtsprachigen Gruppen Aufgaben gestellt bekommen, deren Lösungen sie mit der Stadt vertraut machen
sollen.
Ein weiteres Angebot an Stadtführungen, das auch nach Ende des Kulturhauptstadtjahrs in Pilsen erhalten
bleiben soll, bewegt sich „auf österreichischen Spuren durch Pilsen“, ein
Angebot, das vom Österreichischen
Kulturforum Prag gefördert wird. Hier
entwickelten fünf junge Leute aus Pilsen
einen Stadtrundgang mit besonderem
Fokus auf das beachtliche österreichische Erbe der Stadt. Diese Spaziergänge sowohl in tschechischer als auch in
deutscher Sprache wenden sich ebenso
an die einheimischen Bürger Pilsens als
auch an interessierte deutschsprachige Besucher der Stadt, denen die gemeinsame österreichisch-tschechische
Geschichte anhand von wichtigen historischen Ereignissen und bedeutenden
Persönlichkeiten der Stadt anschaulich
gemacht werden sollen – beispielsweise
anhand des zu Ehren von Kaiser Franz
Joseph I. in Pilsen exklusiv gebrauten
Pilsner Kaiserquell (Plzeňský císařský
pramen).
Detektivische Suche
Auch außerhalb Pilsens stoßen die
deutschen und österreichischen Anteile
der Stadtgeschichte Pilsens auf Interesse. So gab es in Ústí nad Labem (Aussig) im März 2015 ein Seminar zum
Thema Deutsche Spuren in Pilsen, gefolgt von einer Exkursion nach Pilsen im
Mai 2015. Die Referate der Studenten
beschäftigen sich mit sehr detailreichen
Themen und bohren sich geradezu
Schaufenster Europa
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Literatur:
–Frantinšek Frýda, Jan Mergl: Pilsen/
Plzeň. Ein kunstgeschichtlicher
Rundgang durch die westböhmische
Metropole, Regensburg 2015
–Tobias Weger: Pilsen/Plzeň. Kleine
Stadtgeschichte, Regensburg 2015
–Pilsen 2015 – Kulturhauptstadt
Europas. Programm 1. Teil: Region
Open Up! Plzeň 2014
–Pilsen 2015 – Kulturhauptstadt Europas. Programmübersicht. 2. Buch,
Plzeň 2014
Das repräsentative Jubiläums-Tor zur Pilsener-Urquell-Brauerei im Stil der Neorenaissance gilt als ein Schmuckstück der historistischen Architektur Pilsens. Fotos 1 bis 5
von Radovan Kodera, Pilsen, Rechte: Deutsches Kulturforum östliches Europa
akribisch in die Schicht der deutschen
Vergangenheit hinein. Da wird die Geschichte der Pilsener Bierbrauereien
und der Restaurants auf deutsche Hintergründe, auf deutsche Speisekarten
und deutschsprachige Bedienungen hin
abgeklopft, oder es wird der Tatsache,
dass der Firmengründer der Škoda-Werke in Chemnitz studiert hat, Beachtung
geschenkt. Die Philosophische Fakultät
der Pilsener Universität wird auf das
deutschsprachige Studienangebot sowie das Angebot deutschsprachiger Literatur aus der Pilsner Region hin untersucht, und deutschsprachige Künstler
in Pilsen vom Erbauer der Kathedrale
im Mittelalter bis hin zum Architekten
Adolf Loos und dem später nach Neuseeland ausgewanderten Maler Gottfried Lindauer werden fokussiert.
Die Studenten fragen auch danach, was man als Besucher im Westböhmischen Museum zum Thema der
Stadtentstehung, zur Verleihung des
Stadtrechts, zur ehemaligen deutschsprachigen Bevölkerung und ihrer Vertreibung nach 1945 erfahren kann.
Auf ihren Stadterkundungen legen sie
besonderes Augenmerk darauf, was
an deutschen Spuren geblieben und
was verschwunden ist, fast detektivisch
spüren sie deutsche Namen in Straßenbezeichnungen und an Häusern
in Pilsen auf oder finden alte Hoch-
wasserstandsmarken, auf denen „ …
Meter über der Adria“ zu lesen ist, sie
erforschen die Umwandlung des früheren Deutschen Mädchen-Lyzeums
ins heutige Konservatorium, entdecken
frühere Kasernen für k. u. k. -Regimenter, zweisprachige, noch erhaltene Aufschriften aus dem Zweiten Weltkrieg
„Zum öffentlichen Luftschutzraum/ K
veř ejnému protileteckému krytu“ oder
vor einem Friedhof ein Feldkreuz mit
deutscher Inschrift. Die Studenten fragen auch nach jüdischen Spuren in Pilsen, nach der Synagoge, nach jüdischer
Musik im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms, aber auch nach der
Sokolov-Turnhalle. Hier war der Sammelplatz der Judentransporte im Februar 1942. Und schließlich untersuchen
die Studenten auch das Kulturhauptstadtprogramm auf aktuelle deutsche
Spuren, sie fragen nach der Präsenz der
deutschen Partnerstädte Pilsens, stoßen – Regensburg ist eine Partnerstadt
Pilsens – auf die Bayerischen Tage im
April 2015 mit Literatur, Musik, Gastronomie und Handwerk sowie auf die
Ausstellung über München. Leuchtende Kunstmetropole. Und sie forschen
im Marionetten-Museum nach den in
Pilsen begründeten berühmten Figuren Spejbl und Hurvínek, forschen nach
auch deutschsprachigen Tourneen und
richten sogar ihr Augenmerk auf den
– wie sie meinen – deutschsprachigen
Ursprung des Namens Spejbl.
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2/2015
Schaufenster Europa
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Das Ende der deutschen
Geschichte in Böhmen: neue
Ansätze
Eine besonders eindrucksvolle Idee im
Programm der Kulturhauptstadt ist
das Projekt „Verfallene und gefährdete
Kirchen“. Da seit der Vertreibung der
Deutschen nach 1945 ein Großteil der
Kirchen – es sind 122 allein in der Diözese Pilsen – nicht mehr gebraucht
wurden, sind sie bis heute dem Verfall
preisgegeben. Nicht nur, dass jetzt ein
neuer Pilgerweg etwa zwanzig halbverfallene, sakrale Orte miteinander
verbindet und damit ins Bewusstsein
rücken soll, - in der St. Georgskirche
in Luková trifft der Besucher auf eine
Art Geister-In­stallation. Dort sitzen im
ramponierten Kircheninneren auf abgeschabten Bänken etwa dreißig gespenstische Figuren, lazarushaft mit weißen
Binden und Tüchern umwickelt und die
Köpfe verhüllt. 34 Studenten von der
Fakultät für Design und Kunst waren als
Modelle mit Tüchern und Gips überzogen worden und konnten erst, als diese Hüllen getrocknet waren, aus ihren
Kokons schlüpfen, die nun die Kirche
bevölkern. Der junge Künstler Jakub
Hadrava, der Schöpfer dieses sehr wirkungsvollen Arrangements, äußert sich
zum Gehalt seines Kunstwerks, das den
Titel Gläubige trägt: „Die Figuren stellen die Geister der Sudetendeutschen
dar, die vor dem Zweiten Weltkrieg in
Luková lebten und jeden Sonntag zum
Beten in die Kirche kamen.“ An dieser
Stelle erschließt sich der Impetus aufgeschlossener Vertreter einer jungen
Generation von Intellektuellen und
Künstlern in Tschechien, auf das lange
tabuisierte Thema der Vertreibung von
knapp drei Millionen Deutschen aus
Tschechien um 1945 zu reagieren –
und zwar in origineller Weise.
An dieser Stelle sei auch noch beispielhaft auf zwei weitere künstlerische
Annäherungen verwiesen, die sich mit
diesem Thema produktiv auseinandersetzen. So zeigt die tschechische
24
Mit der Land-Art-Installation „Gläubige“ in Luková soll an die traurigen Folgen der
Vertreibung der deutschen Bevölkerungsteile erinnert werden. Foto: Tanja Krombach,
Rechte: Deutsches Kulturforum östliches Europa
Gruppe Antikomplex in ihrem Buch
„Das verschwundene Sudetenland“
Postkarten von Dörfern und Städtchen
aus der Zeit vor 1945, als diese Regionen noch deutsch besiedelt waren, und
vergleicht sie mit heutigen Fotos, die
aus genau derselben Perspektive aufgenommen sind. Die Veränderungen sind
manchmal verwirrend, existieren doch
auf etlichen zeitgenössischen Fotos die
Orte nicht mehr oder kaum noch, sondern werden von Wald, von der Natur
überwachsen und zurückerobert.
Und der junge Fotokünstler Lukáš
Houdek stellt in seinem Fotozyklus
The Art of Killing die Vertreibung der
Deutschen und Gewaltverbrechen in
dem Zusammenhang mit Barbiepup-
pen in Uniformen und historischer
Kleidung nach, deren grausame Handlungen er in schwarz-weiß-Fotos festhält – mit verstörender Wirkung. Die
maskenhaften Puppengesichter sollen
die kollektive Tabuisierung dieses Themas in der tschechischen Bevölkerung
versinnbildlichen.
Das große Interesse vieler junger
Tschechen an einer historischen Spurensuche unterhalb der sichtbaren
Oberfläche führt zu einer Aneignung
und Eingemeindung der ganzen, neu
entdeckten, nicht mehr verschwiegenen, nicht ausgeblendeten Geschichte
ihrer Stadt und ihrer Region, die in der
originellen Anverwandlung ihresgleichen sucht.
Schaufenster Europa
2/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
40 Jahre Städtepartnerschaft Saarbrücken – Tbilissi
Von Bodo Bost
Die älteste deutsch-sowjetische Städte­
partnerschaft zwischen Saarbrücken
und Tiflis hat auch den in Georgien
verbliebenen Kaukasusdeutschen genutzt. Ein Pionier dieser Freundschaft
war Gert Hummel (1933-2004), ein
Freund des VDA, der in Georgien unvergessen ist.
Als am 22. März 1975 mitten im
Kalten Krieg im historischen Sitzungssaal des Tbilisser Rathauses der erste offizielle Freundschaftsvertrag zwischen
einer westdeutschen Stadt und einer
Stadt der ehemaligen Sowjetrepublik
geschlossen wurde, war dies fast eine
Sensation. Die an diesem Tag von dem
Saarbrücker Oberbürgermeister Oskar
Lafontaine und seinem Tbilisser Amtskollegen Bachwan Lobshanidze besiegelte Städtepartnerschaft zwischen
Saarbrücken und der georgischen
Hauptstadt Tbilissi, blickte damals jedoch schon auf mehr als 10 Jahre Vorgeschichte zurück.
Seine Wurzeln hat die nun seit 40
Jahren währende Freundschaft in der
Kultur. Hermann Wedekind (19101998), der neue Intendant des Saarbrücker Stadttheaters, war 1960 aus Basel
gekommen, um die Saarbrücker Bühne
zu einem „Theater der Welt“ zu machen. Nach „Schweizer Theatertagen“
und einer „Deutsch-Französischen Theaterwoche“ folgten 1968 die „Russischen Theatertage“. Schon vor der Unterzeichnung der „Moskauer Verträge“
1970 hatte sich bereits unter Bundeskanzler Kiesinger der Eiserne Vorhang
für die Kunst einen Spaltbreit geöffnet.
Die Gegeneinladung in die Sowjetunion erreichte den leidenschaftlichen
Künstler 1972. Zusätzlich zum Pflichtprogramm in Moskau und Leningrad
durfte Wedekind sich eine Stadt aussuchen, die er besuchen würde. Intuitiv
und spontan bat er um das wärmste
Land der Sowjetunion – man schickte ihn nach Georgien. In Tbilissi fand
der Opernregisseur zahlreiche Seelenverwandte. „Nicht die Menschen sangen, es sang aus ihnen!“, sagte er. Am
13. Januar 1973 fand im Saarbrücker
Theater die Premiere der georgischen
Oper „Daissi“ statt. Zur Premiere von
Wagners „Lohengrin“ in Tbilissi (März
1973) reisten der saarländische Kultusminister Werner Scherer und der Saarbrücker Bürgermeister Edmund Haßdenteufel, begleitet von einer großen
Delegation Saarbrücker Bürgerinnen
und Bürger, nach Georgien. Erste Verhandlungen mit der Tbilisser Stadtverwaltung über eine Städtepartnerschaft
wurden geführt. Es folgte die legendäre
„Georgische Woche“ von Mai bis Juni
1974 in Saarbrücken. Nun waren auch
die politischen Weichen für das Zustandekommen des Freundschaftsvertrages gestellt. Wichtige Wegbereiter im
Hintergrund waren die bereits 1955
gegründete „Gesellschaft BRD – UdSSR“ mit ihrem sehr agilen Vorsitzenden Luitwin Bies und die „West – Ost
–Freundschaftsgesellschaft“, die das
ihrige taten, um die komplizierten politischen Wege zu ebnen.
Gert Hummel
(1933-2004)
Pionier der deutschgeorgischen Freundschaft
und Sammler der
Georgiendeutschen
Aus der zunächst nur kulturellen Zusammenarbeit zwischen den beiden
Städten wurde nach der Wende eine
Landespartnerschaft zwischen dem
Saarland und dem unabhängigen Staat
Georgien. Als erstes begannen jetzt die
Gert Hummel (1933-2004)
Studenten die Partnerschaft mit Leben
zu erfüllen Für die georgischen Studenten kümmerte sich an der Universität des Saarlandes der ev. Theologieprofessor Gert Hummel (1933-2004),
der aus Sindelfingen im Schwäbischen
stammte und wusste, dass ein Teil seiner Vorfahren, die vor 200 Jahren eigentlich nach Palästina auswandern
wollten, um als Chiliasten die Wiederkunft des Reiches Gottes zu erwarten,
im Kaukasus hängen geblieben waren.
Dort hatten vorwiegend Schwaben und
Elsässer die Orte Elisabethtal, Petersdorf, Annenfeld bei Tiflis und die Ortschaften Helenendorf und Katharinenfeld etwas weiter entfernt im heutigen
Aserbeidschan gegründet. Bei seinen
regelmäßigen Reisen nach Georgien
konnte Gert Hummel die letzten Reste dieser versprengten Georgiendeutschen, die 1941 nach Zentralasien deportiert worden waren, die zumeist in
Mischehen lebten, sammeln. Als Georgien 1991 unabhängig wurde, fanden
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2/2015
Schaufenster Europa
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Gedächtnisplakette auf dem deutschen Friedhof in Tiflis
sich etwa 1500 Menschen deutscher
Abstammung in der „Assoziation der
Deutschen Georgiens“ (Einung) zusammen. Als diese dann die Bitte an
den Theologieprofessor herantrugen,
sich der Wiedergeburt ihrer Kirche und
ihrer Kultur zu widmen, wartete Gert
Hummel nur noch den Beginn seiner
Pensionierung ab und begann seinen
letzten Lebensabschnitt als einfacher
Pfarrer und Sammler der letzten Georgiendeutschen. Vorher hatte er sich
bereits im Saarland auch den dort zu
Beginn der 1990er Jahre sehr zahlreich
ankommenden Russlanddeutschen
gewidmet, unter denen immer auch
eine Reihe Kaukasusdeutsche waren.
Bei dieser Integrationsarbeit hatte Prof.
Hummel auch einige Male mit dem
VDA-Saar und der Landsmannschaft
der Deutschen aus Russland gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt.
Ab 1993 ging Gert Hummel dann ganz
nach Georgien, wurde Gemeindepfarrer und schließlich erster Bischof
der neugegründeten deutschen evangelischen Kirche im Kaukasus. Durch
seine ehemaligen Studenten, von denen jetzt einige hohe Positionen in
den georgischen Ministerien eingenommen hatten, gelang es ihm auch,
trotz abweisender Einstellung der georgisch-gregorianischen Kirche, ein neues evangelisches Kirchenzentrum mit
einem architektonisch eindrucksvollen
Äußeren, die „Versöhnungskirche“,
vorwiegend mit eigenen Mitteln zu errichten, dort wo früher der deutsche
Friedhof war. Die alte, in der Unterstadt
gelegene deutsche evangelische Kirche hatten deutsche Kriegsgefangene
nach dem Kriege abreissen müssen. An
ihrer Stelle wurde eine Metro Station
errichtet.
Mitten in seiner Aufbauarbeit, zu
der auch das Sammeln der Gemeinden
in den Außenstationen, in den ehemaligen deutschen Siedlungen Bolnisi, dem
ehemaligen Katharinenfeld und Elisabethtal, das heutige Assureti, gehörten,
wurde Gert Hummel durch den Tod im
Jahre 2004 hinweggerissen. Seine Frau
Christiane ist jedoch in Georgien geblieben und führt heute als Leiterin der
Diakonieeinrichtungen das Werk ihres
Mannes, der in der Gemeinde unvergessen ist, fort, auch mit Hilfe von vielen Förderern und einer Stiftung, die ihren Sitz in St. Ingbert im Saarland hat.
Prof. Hummel war ein Glücksfall für
die deutsch-georgische Freundschaft,
von der im Endeffekt auch die Georgiendeutschen profitiert haben. In kaum
einem Land der ehemaligen Sowjetunion ging der Wiederaufbau der alten
einheimischen deutschen Sprache und
Kultur und des Kirchengutes so klug,
gezielt und so erfolgreich vonstatten
wie in Georgien, wo erst durch die
Zusammenarbeit von einheimischen
Deutschen, einheimischen Behörden
und mit dem Engagement vieler bundesdeutscher und europäischer Helfer
im wahrsten Sinne neues Leben auf
Friedhöfen entstanden ist. Im letzten
Jahr hat erstmals eine junge Luxemburgerin, Laila Goepel, ein freiwilliges soziales Jahr in der Diakonie der
deutschen evangelischen Gemeinde
gemacht.
„Schengen“ in Georgien
Denkmal Bolnisi
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Georgien liegt zwar an der Peripherie
Europas, aber der Wunsch, zu Europa
zu gehören, ist an vielen Zeichen vor
allem in Tiflis zu spüren. Nachdem
Schaufenster Europa
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
EU-Bürger seit November 2014 kein Visum mehr für Georgien oder Armenien
brauchen und in großer Zahl visumfrei
VDA
als Touristen in
den Kaukasus
strömen, hat
sich in Georgien eine gewisse Verbitterung
breit gemacht,
dass man selbst
immer noch ein
nur sehr schwer
zu erhaltendes
Schengen-Visum braucht, um in die
EU einzureisen. Aus diesem Grund haben einige der Schengen-Frustierten
VDA-Schüleraustausch
Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Brasilien, El Salvador, Namibia, Russland
Gastfamilie werden:
besuchen
2. Anmeldebogen
„Gastfamilie“
ausfüllen
und mit Familienfoto
an den VDA senden
3. Vorstellung eines
Gastschülers
abwarten
VDA
Zum Gegenaustausch
ins Ausland verreisen:
1. VDA Internetseite
1. Anmeldebogen
VDA
DA
4. Austauschschüler
kontaktieren und
empfangen!
Werden Sie Gastfamilie und
erleben Sie eine neue Kultur!
Interessierte Schüler-/innen und Familien
erhalten beim VDA-Jugendreferat Informationen
zur Anmeldung und den Kosten! Wir beraten Sie gerne!
Plakat_Vier_Schritte_4.indd 1
und -Enttäuschten beschlossen, ihre oft
jahrelangen Wartezeiten auf ein Schengen-Visum in einer Kneipe oder einem
Restaurant in Tiflis zu verbringen, denen
man den Namen „Schengen“ gegeben
hat. Dort kann man sich mit einer großen Auswahl europäischer Biere und Moselwein den Frust über die EU herunterspülen. Kein Zweifel, der Ort Schengen,
an dem saarländisch-lothringischen-luxemburgischen Dreiländereck, ist heute
bekannter als Saarbrücken, obwohl es in
Tiflis auch einen Saarbrücker Platz und in
Saarbrücken einen Tifliser Platz gibt.
„Gegenaustausch“
ausfüllen und an den
VDA senden
2. Termin auswählen:
Juni – August
oder
Juli – September
3. Infos abwarten
4. Koffer packen und
die Welt entdecken!
Verein für Deutsche Kulturbeziehungen
im Ausland e.V. • VDA-Jugendreferat
Kölnstraße 76 • 53757 Sankt Augustin
Telefon (02241) 21735 • Fax: (02241) 29241
E-Mail: [email protected]
Internet: www.vda-kultur.de
27.08.13 10:40
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2/2015
Kultur & Geschichte
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Die Tragödie der Lusitania
Von Dr. Rudolf Kemmerich
Die deutsch-amerikanischen
Beziehungen
In der Zeitschrift „Globus“, 45. Jg. Heft
4/2013 erschien ein Aufsatz unter der
Überschrift
Mehr als Wurst, Fraktur und Bier:
Deutsche Spuren in New York.
Als Verfasserin zeichnete Roswitha
Schieb
Der Aufsatz ist lesenswert. Die Autorin schreibt unter anderem, dass sich
die deutsch-amerikanischen Beziehungen verschlechtert hätten, als am
07.05.1915 das britische Passagierschiff
Lusitania von einem deutschen U-Boot
torpediert worden ist. Ferner ist in der
Unterschrift zu einer antideutschen
Karikatur zu lesen: „Auf der von der
deutschen Marine versenkten Lusitania
befanden sich viele Adlige und andere
hochstehende Persönlichkeiten, …“
Diese Äußerungen klingen so, als
ob Deutschland schuld daran gewesen
wäre, dass sich das deutsch-amerikanische Verhältnis verschlechtert hat. In
Wahrheit aber liegt die Schuld an anderer Stelle.
Bau und Ausrüstung der
Lusitania
1903 schloss die britische Admiralität
mit der Schifffahrtsgesellschaft Cunard
Steamship Company einen Geheimvertrag: Die Firma verpflichtete sich,
zwei große Passagierschiffe für die Verwendung im Kriege zu bauen. Die Admiralität übernahm sämtliche Kosten.
Ferner verpflichtete sich die Firma, ihre
gesamte Flotte bei Kriegsausbruch der
Royal Navy zu unterstellen. (1) 1906
wurde die Lusitania in Belfast gebaut.
28
Der großbritannische Transatlantikdampfer Lusitania während einer seiner Probefahrten 1907. Zu diesem Zeitpunkt trug die Verschanzung des obersten Rumpfdecks
einen weißen Anstrich. Dieser wurde nach der Indienststellung durch die Cunard-Reederei gemäß deren Farbvorgaben schwarz gestrichen
Sie war mit 30 400 BRT = Bruttoregistertonnen (Titanic 28 000 BRT) seinerzeit das größte und schnellste Schiff auf
allen Meeren. Das Geheimabkommen
mit der Cunard Company erlaubte der
britischen Admiralität unter ihrem damaligen Chef, dem Ersten Lord Winston Churchill, geheime Laderäume
für Waffen und Munition in das Schiff
einzubauen. (2) 1913 wurde die Lusitania in den Trockendocks von Liverpool
nachgerüstet: Die Aufbauten und Seitenwände wurden mit Panzerplatten
gegen Beschuss verstärkt, Pulvermagazine und Granathalterungen wurden
angebracht und zwölf 15-Zentimeter-Schnellfeuergeschütze aufgestellt.
Die Geschütze waren gegen Sicht von
außen sorgfältig getarnt, konnten aber
mit wenigen Handgriffen einsatzbereit gemacht werden. Als Begründung
für die kriegsmäßige Ausrüstung des
Dampfers gab Churchill an, er habe
keinen Zweifel, dass es in Kürze einen
Krieg gegen Deutschland geben werde.
Man rechne mit dem Kriegsausbruch
im September 1914. (3) 1913 wurde
die Lusitania zusammen mit 40 anderen Schiffen in die Liste der britischen
Hilfskreuzer aufgenommen. Die Lusitania war also ab 1913 kein Passagierschiff mehr, sondern ein Kriegsschiff.
Das war auch der deutschen Admiralität bekannt.
Verhängnisvolle „Jagdmunition“
Als die Lusitania im Mai 1915 den Hafen von New York verließ, hatte sie
5468 Kisten Gewehrpatronen, 4200
Kisten Patronen für Handfeuerwaffen,
1248 Kästen mit 7,5-Zentimeter-Granaten, 18 Kisten Zünder und 1150 Kisten Schwarzpulver an Bord, insgesamt
fast 170 Tonnen Kriegsmaterial für die
britische Armee. (4) Da die Ausfuhr
von Kriegsmaterial aus den USA damals noch offiziell verboten war – nach
außen waren die USA zu diesem Zeitpunkt noch neutral -, wurden die Pa­
tronen als „Jagdmunition“ durch den
amerikanischen Ausfuhrzoll geschmuggelt. Die Ausfuhr von Jagdmunition war
erlaubt!
Dem US-Präsidenten Wilson ist die
Ladeliste der Lusitania vorgelegt worden. Ihm war also bekannt, was die
Lusitiana an Kriegsmaterial geladen
Kultur & Geschichte
2/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
hatte. Doch Wilson reagierte nicht, die
Ladeliste verschwand in einem Archiv,
die Aussagen der Überlebenden wurden vernichtet. (5) Die US-Regierung
war damals längst nicht mehr neutral,
sondern unterstützte England mit riesigen Mengen an Waffen und Munition.
Bis 1917 hatten die Hilfslieferungen einen Wert von mehr als 1,5 Milliarden
Dollar erreicht. (5) Der Regierung des
Deutschen Reiches war bekannt, dass
die Lusitania als Hilfskreuzer für die britische Admiralität unterwegs war. Ebenfalls war ihr bekannt, dass die Lusitania
in jenem Mai 1915 Munition zugeladen
hatte.
Literatur:
(1) Warncke Xaver, Verhängnisvolle
Jagdmunition, ZUERST 5/2015; 52
(2) Denson John V., A Century of War,
Ludwig von Mises Institute, 2008
(3) Warncke, Xaver, Verhängnisvolle
Kriegsmunition, ZUERST 5/2015; 52
(4) Simpson Colin, The Lusitania,
1972, deutsch als Die Lusitania, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1973
(5) Stevenson William, A Man Called
Intrepid, New York, Ballantine Books,
1974
(6) Denson John V., wie (2)
(7) Denson John V., wie (2)
(8) Der Spiegel, Nr. 49, 1982, S. 178
- 181
(9) Robson Terrence, Die Lusitania
sollte die USA in den Krieg ziehen,
Kanada-Kurier, 06.09.1990
Der Untergang der Lusitania
Die deutsche Regierung hatte im Februar 1915 alle Gewässer rings um Großbritannien und Irland zum Kriegsgebiet
erklärt. In diesem Gebiet werde jedes
feindliche Schiff ohne Warnung versenkt. Diese Maßnahme und der deutsche U-Bootkrieg waren die deutschen
Antworten auf die britische Seeblockade, die zur Hungersnot in Deutschland
geführt hatte. Nach internationalem
Kriegsrecht kam der Hilfskreuzer als Ziel
für einen U-Boot-Angriff in Frage. Der
deutsche Botschafter in den USA warnte daher mit Anzeigen in 50 amerikanischen Zeitungen vor einer Reise auf der
Lusitania.
Als der Dampfer am 07.05.1915
unter der Südküste Irlands in Richtung
Liverpool fuhr, erhielt die Juno, das
begleitende Kriegsschiff, von der britischen Admiralität unter Sir Winston
Churchill die Anweisung, ihren Auftrag zu beenden. (6) Die Lusitania fuhr
also jetzt ohne Begleitschutz gegen
U-Boote alleine weiter. Kapitän Turner,
der Schiffsführer, wurde über diese
Maßnahme nicht unterrichtet. Ebenso wenig erfuhr er, dass das deutsche
Unterseeboot U20 genau auf seinem
Kurs lag. Der britische Admiralsstab
aber kannte diese Gefahr sehr wohl.
Statt einer Kursänderung erhielt Turner
Farbzeichnung des Speisesaales der
1. Klasse aus einer zeitgenössischen
Cunard-Broschüre. Die enorme Höhe des
Raumes ist hier gut erkennbar
den Befehl, die Geschwindigkeit seines
Schiffes zu drosseln und den bisher gefahrenen Zickzackkurs aufzugeben. (7)
Damit wurde die Lusitania zur leichten
Beute von U20. Das Torpedo traf den
Hilfskreuzer mittschiffs auf der Steuerbordseite. Eine Explosion brach aus. Die
Überlebenden berichteten übereinstimmend, dass kurz darauf eine zweite, viel
stärkere Explosion eingetreten sei. Das
konnte nur die Explosion der Munition
gewesen sein, die im Bauch des Schiffes eingelagert war. Die Lusitania sank
binnen 18 Minuten. Unter den 1198
Todesopfern befanden sich 128 Amerikaner. (7)
Spätere Nachforschungen
Taucher des britischen Spezialschiffes
Archimedes entdeckten 1982 auf der
Backbordseite des Lusitania-Wracks
ein vierzehn Meter großes Loch mit
nach außen ragenden Zacken der
Stahlwand. Dieses Loch kann nicht von
einem Torpedo, sondern nur von einer
gewaltigen Explosion im Schiffsinneren
verursacht worden sein. (8) Ferner wurden Reste der Munition gefunden.
Der kanadische Historiker Terrence
Robson fasst das Ergebnis seiner jahrelangen Forschungen zum Untergang
der Lusitania folgendermaßen zusammen: „Die Lusitania ist von der britischen Regierung als Köder für die Deutschen benutzt worden. Die Versenkung
ist von der britischen Regierung provoziert worden, um die Deutschen als
Kriegsverbrecher zu brandmarken. Die
öffentliche Meinung in den USA war bis
zu diesem Zeitpunkt neutral zum Krieg
in Europa eingestellt. Die Mehrheit der
Amerikaner war nicht bereit, zur Rettung des britischen Empire in den Krieg
zu ziehen. Der Untergang der Lusitania
mit dem Tod amerikanischer Staatsbürger gab den Meinungsmachern die
Gelegenheit, die Amerikaner auf Kriegsbegeisterung einzustimmen.“ (9) Am
06. April 1917 erklärten die USA dem
Deutschen Reich den Krieg, ohne von
diesem bedroht oder angegriffen worden zu sein. Der damalige britische Marineminister Sir Winston Churchill hatte
sein Ziel erreicht. Die Vernichtung von
1198 Menschenleben spielte keine Rolle mehr.
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Kultur & Reisen
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Wo Lamas spucken und Vulkane schlafen
In Chiles Norden auf den Spuren der Aymara-Indianer
Von Ulrich Uhlmann
Führt der Weg übers Gebirge,
nimm ein altes Maultier.
Vielleicht kann es dich nicht tragen,
aber es kennt den Weg.
(chilenisches Sprichwort)
Wir haben eine charmantere Lösung
gefunden und heuern für die nächsten
Tage die sachkundige 45jährige Estela –
sie hat wie ihr Ehemann am Goethe-Institut und bei einem „Alemania“-Aufenthalt die deutsche Sprache erlernt
– als Guide für die Touren ins Hochgebirge dicht an der peruanisch-bolivianischen Grenze an. Was heißt übrigens
dicht an der Grenze? In Chile sind hundert, zweihundert Autokilometer auf
Schotterpisten nur ein Katzensprung;
Berge zählen erst ab tausend Meter;
der Temperaturunterschied bis zu 30
Grad zwischen Tag und Nacht in den
hochgelegenen Indigena-Dörfern ist
normales, für uns allerdings gewöhnungsbedürftiges Alltagsleben.
Wie in einer Bilderbuchwelt spiegelt sich der „schlafende“ Vulkan Parinacota (6.348 m)
im Wasser des Lago Chungará, einem der höchstgelegenen Seen der Erde
Stadt gelegen, mit einem fantastischen
Rundumblick über Meer und Wüstenlandschaft. Getränke oder einen Imbiss
aber suchen wir dort oben auf weiter
Fläche vergebens. Der aufkeimende
Tourismus aus dem Ausland hat in Arica
bisher kaum Spuren hinterlassen.
und fußhohes, sprödes Ichugras. Kaum
vorstellbar, wie einst die spanischen
Eroberer dieses unwirtliche Andenland
durchquerten. Es graust uns vor einer
Autopanne...
Gustave Eiffel in Arica
Atacama – eine
Mondlandschaft
Los geht die Reise in Arica, der 200.000
Einwohner-Stadt, die bis 1880 zu Peru
gehörte. Im Salpeterkrieg fiel sie an
Chile. Geblieben aus dieser Zeit ist u.
a. die Kathedrale San Marcos und das
alte Zollgebäude, die dereinst im Atelier Gustave Eiffels in Paris entworfen
wurden. Auch sehenswert der einstige
Bahnhof, von dem ab 1913 der Zug
ins bolivianische La Paz keuchte. Heute steht nostalgisch eine Dampflok mit
Zahnrädern für die steilen Andenpässe
auf dem Bahnhofsvorplatz – Aufschrift
„1924, Maschinenfabrik Esslingen“.
Und dann gibt es noch den Morro, den
„Hausberg“, rund 120 Meter über der
Die mögliche Höhenkrankheit der Anden wirft ihre Schatten voraus. Guide Estela fordert häufiges Trinken und
warnt uns vor hastigen Bewegungen
– nur keine unnötigen Anstrengungen.
Und ja die Sonnencreme nicht vergessen, Faktor 50. Schließlich werden auf
dem Markt noch Kokablätter ergattert,
denn Kokatee hilft gegen Müdigkeit
und Kälte – nicht aber gegen Impotenz, wie oft behauptet.
Nun sind wir unterwegs zum Alti­
plano. Wie eine Mondlandschaft wirken
die Ausläufer der Atacamawüste. Sand
und Geröll kilometerweit, gelegentlich einige wenige Kandelaber-Kakteen
In der Ferne locken im Nationalpark
Lauca die mit ewigem Schnee bedeckten Sechstausender. Besonders beeindruckend der „schlafende“ Vulkan Parinacota. Wie in einer Bilderbuchwelt
spiegelt er sich im Lago Chungará wider, mit 4.517 Metern einer der höchstgelegenen Seen der Erde. Neugierige
Alpakas und Lamas löschen an einem
der wenigen Wässerchen im benachbarten Hochmoor ihren Durst. Doch
Vorsicht, raunt Estela – kommt der
Besucher den langhalsigen Lamas gar
zu nahe, kann er durchaus mit einem
übelriechenden „Spucke-Warnschuss“
Bekanntschaft machen.
Guide Estela empfiehlt uns eine
Tour an den Salar de Surire, einen der
größten Salzseen Chiles in über 4.000
30
Flamingos am Salzsee
Kultur & Reisen
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Metern Höhe. Mitten im Nichts taucht
die weiß-glitzernde Fläche auf, unterbrochen von offenen Wasserstellen. Unzählige Flamingos stelzen langbeinig in
Ufernähe herum. Vikunjas, zierlich anzusehen und verwandt mit den Lamas,
schlecken am Salz, und am tiefblauen
Himmel kreist ein einsamer Kondor.
Und oh Wunder – dicht neben dem
Anfahrtsweg ein Souvenirstand mit Alpakapullovern, Decken und Täschchen.
Sobald wir ankommen, herrscht hektische Betriebsamkeit. Der wettergegerbte Aymara-Indianer breitet schnell
das Gewebte aus, preist die Waren
an. Dann zeigt er uns den Weg nach
Polloquere.
Schwefelbad bei 60 Grad
Polloquere – in den Reiseführern als
eine der Attraktionen Nordchiles beschrieben. Bis zu 60 Grad sind die
dampfenden, schwefelhaltigen Thermalquellen heiß. Mit Blick auf die umliegende Bergkulisse hinterlassen sie
einmalige Eindrücke. Nur für den Besucher ist wenig gesorgt. Wackelige
Picknicktische laden kaum zum Verweilen ein. Und ein Schilfdach zum Schutz
vor der Hochgebirgssonne ist weit und
breit nicht zu sehen. Also weiter nach
Aymara-Indianerin auf der Plaza von
Socorama, einem Andendorf
mit 80 Bewohnern
Cristian Heinsen, Geschäftsführer der Altiplano-Stiftung mit deutschen Wurzeln, zeigt
Farb- und Materialproben der restaurierten Adobebauten
kurzem Bad, bevor der Sonnenstich
zuschlägt.
Zu Gast bei Indianern
Wir besuchen Belén, von den Spaniern
1625 als Betlehem gegründet – ein Aymara-Dorf oben in der Hochebene des
Altiplano. In der Ortsmitte eine baumbestandene Plaza, blumenbunte Rabatten um einen Glockenturm unweit der
kleinen Kirche, kopfsteingepflasterte
Gassen mit farbig gestrichenen Adobe-Lehmziegelhäusern. Ein halbes Hundert Menschen lebten hier recht und
schlecht mit kärglichem Einkommen.
Ihre Kinder sind längst auf der Suche
nach Lohn und Brot in der nächsten
Stadt. Die Indianerfamilien warten unterdessen auf Touristen, die sich nur
selten einfinden. Dabei ist alles für den
„Besucheransturm“ bereit. Mit Hilfe der
Altiplano-Stiftung, ansässig in Arica,
wurden u. a. Adobehäuser renoviert,
eine Krankenstation eingerichtet und
Übernachtungsmöglichkeiten im traditionellen Stil für Gäste geschaffen.
Von Hamburg nach Chile
Wir sprechen darüber mit Cristian Heinsen, dem Geschäftsführer der Foundation, dessen Großvater übrigens
in den 20er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts aus Hamburg nach Chile
Reisetipps
Reiseliteratur: „Chile und die Osterinsel“, Reise Know-How Verlag, 24,90
€; „Chile/Osterinsel“, Mairdumont,
11,99 €; „Polyglott on tour Chile“,
Travel House Media, 11,99 €.
Informationen: Botschaft der Republik Chile, Wirtschaftsabteilung/ProChile, Mohrenstr. 42, 10117 Berlin;
Tel. 030/7262035; [email protected],
www.chile.travel. Flug Frankfurt-Madrid-Santiago de Chile-Arica mit LAN
(Frankfurt-Santiago mit Boeing 787
Dreamliner, modernste Ausstattung).
Die LATAM Airlines Group fliegt 135
Destinationen in 24 Ländern, vor allem in Südamerika und den USA, an;
Tel. LAN 0800/6270976. Übernachtung Nordchile: Hotel Panamericana
Arica in Arica; Hotel Qantatit in Putre
(3.650 Meter hoch gelegen, bestens
geeignet zur Höhenakklimatisierung).
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Kultur & Reisen
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
auswanderte. Heinsen erzählt von seinem Traum, wertvolles Kulturgut im
Altiplano für die Nachwelt zu erhalten.
Verfallene Kirchen und kulturgeschichtlich wertvolle Gebäude sollen in ihren
ursprünglichen Zustand versetzt, die
Lebensbedingungen der Aymara-Indianer verbessert, Volkskunst und Handwerk gefördert werden.
Der Altiplano inmitten der Anden
– eine Wunderwelt und Abenteuer zugleich. Nur wenig erschlossen wartet
die Region um Arica im Norden Chiles
mit ihrer Wüstenlandschaft, mit pittoresken Dörfern, mit Salzseen, heißen
Quellen und Lagunen, mit schneebedeckten Gipfeln und Vulkanen, mit
ihrer Tierwelt und den freundlichen
Bewohnern auf ihre behutsame touristische Entdeckung.
Die von der Altiplano-Stiftung restaurierte Kirche von
Parinacota im Lauca-Nationalpark
Nachricht aus Pomerode, Brasilien
Von Adelira Pranke Beskow
Amerika war einmal der Traum von
Freiheit und Erfolg vieler Menschen
aus verschieden Ländern. Dazu gehörte auch Brasilien. Es wurde von Portugal kolonisiert, deshalb ist die offizielle
Landessprache Portugiesisch. Von der
Fläche her ist es das grösste Land Südamerikas. Es umfasst die Fläche von
8.515.767 km2.
Das Land ist vielseitig, verschieden
und unterschiedlich im positiven und
negativen Sinn. Es leben dort viele ethnische Gruppen aus aller Welt, auch
verschiedene deutschsprachige Gruppen, unter ihnen Pommern. Weil die
Pommern in vielen Orten die Minderheit waren, haben sie dort ihre Kultur,
Tradition und Sprache nicht bewahrt.
Nur in drei Siedlungsgebieten waren
die Pommern die Mehrheit und da
blieb die Kultur, Tradition und Sprache
erhalten. Es sind Santa Maria de Jetibá
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und Umgebung im Bundesstaat Espirito
Santo, São Lourenço do Sul und Arroio
do Padre und Canguçú im Bundesstaat
Rio Grande do Sul und Pomerode und
Umgebung im Bundesstaat Santa Catarina. In diesen Orten wird immer noch
das pommersche Platt gesprochen. Im
Bundesstaat Espirito Santo wird Plattdütsch in einigen öffentlichen Schulen
unterrichtet und in Rio Grande do Sul
und Santa Catarina wird in vielen privaten und öffentlichen Schulen Hochdeutsch unterrichtet.
Die ersten deutschen Einwanderer
kamen im Jahr 1824 in São Leopoldo –
Rio Grande do Sul an, im Jahr 1850 in
Blumenau und 1863 in Pomerode. Pomerode, eine kleine Stadt mit ungefähr
28.000 Einwohnern, hat sich am 21. Januar 1959 von Blumenau emanzipiert.
Pomerode – „Die deutscheste Stadt
Brasiliens“ so lautet der touristische
Slogan. Die Pommern- und Deutschabstämmigen, die in Pomerode leben,
sind froh und stolz auf ihre Stadt und
pflegen die Kultur, Traditionen und
Sprachen (pommersches Platt und
Hochdeutsch). 90% der Bevölkerung
haben pommersche oder deutsche
Vorfahren. Zur Zeit leben in Pomerode
Kultur & Jugendaustausch
2/2015
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Schon der Ortseingang verweist auf die deutschen Wurzeln
viele Menschen, die aus anderen Bundesstaaten zugewandert sind und es
kommen immer weitere dazu. Es sind
sogar einige aus Haiti dazu gekommen.
Diese Einwanderung kommt deshalb,
weil Pomerode sich stark industrialisiert
hat. In Pomerode sind auch vier deutsche Industriewerke – Netzsch do Brasil, Bosch-Rexroth, Weiku und DTV.
In Pomerode feiert man seit 1984
jährlich im Januar das Pommernfest. Es
dauert elf Tage lang. Es gibt auch das
Gastronomische Festival, das Kinderfest, das Winterfest, das Adventsfest
und das Osterfest. Zur Zeit gewinnt
der Tourismus immer mehr an Bedeutung für die Einnahmen der Stadt. Bei
den Festen und Festivals werden die
deutschen Bräuche und Traditionen gepflegt, und so bleiben sie erhalten.
Damit die deutsche Sprache in Pomerode erhalten bleibt, wird in acht
öffentlichen Schulen und in zwei Privatschulen Deutsch unterrichtet. Zwei
der öffentlichen Schulen sind bilinguale
Schulen. Da werden die Kinder in der
portugiesischen und deutschen Sprache alphabetisiert und ab der zweiten
Klasse können die Eltern und Kinder
wählen, ob sie weiterhin an zehn Stunden Deutsch ausser dem Pflichtunterricht teilnehmen wollen.
Im Jahr 1863 kamen die ersten Einwanderer. Es waren neun Familien und
schon im Jahr 1870 wurde die erste
Schule gegründet unter dem Namen
“Deutsche Schule”” von Testo Central.
Testo Central ist ein Stadtteil von Pomerode. Der erste Lehrer war Hermann
Draeger. Er war ein Bauer, aber da keine
ausgebildeten Lehrer vorhanden waren,
musste jemand den Kindern das Lesen
und das Rechnen beibringen. Im Jahre
1887 kam Hermann Rahn aus Deutschland. Er war ein ausgebildeter Pädago-
ge. Im Jahre 1959 bekam die Schule
den Namen “Escola Básica Municipal
Olavo Bilac”, den sie noch heute trägt.
Heutzutage ist es eine grosse Schule.
Es gibt 18 Klassenräume, fünf davon
sind nur für den Deutschunterricht,
eine Bibliothek, zwei Lehrerzimmer,
zwei Räume für Erziehungspädagoginnen, zwei Räume für Kinder, die Lernschwierigkeiten oder Lernstörungen
haben, ein Speisesaal, eine Küche, weil
die Kinder warmes Essen an der Schule
bekommen, ein Informatikraum, eine
Sporthalle, ein Sportplatz, ein Park, ein
Spielplatz, ein grosser Schulhof… An
der Schule Olavo Bilac arbeiten 59 Personen und lernen 745 Kinder. 350 Kinder haben zwölf Deutschstunden pro
Woche. Es sind die, die am bilingualen
Projekt teilnehmen. Alle Kinder von der
Vorschule bis zur neunten Klasse lernen
Deutsch als Fremdsprache.
In Pomerode gibt es acht Schulen,
die von der Vorschule bis zur neunten
Klasse unterrichten. Es sind insgesamt
3204 Schüler. Alle haben Deutsch als
Fremdsprache. Ausser der Olavo Bilac
Schule gibt es auch die Schule Amadeu
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Kultur & Jugendaustausch
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
da Luz, an der das bilinguale Projekt
stattfindet.
An der Schule Olavo Bilac wird
auch das Projekt Nord-Süd von ASA-Engagement Global – http://www.
asa-programm.de/teilnahme/projekt-
detail/projekt/freihandel_und_migration_im_schulunterricht/ durchgeführt,
in diesem Jahr unter dem Thema:
Freihandel und Migration im Schulunterricht. In diesem Projekt tauschen
Schülergruppen von der Olavo Schule
und Schülergruppen von zwei Schulen
in Greifswald und eine Schule in Stettin
über die Plattform Global Campus 21
– Chat der Welten und andere Medien
aus.
Adelira Pranke Beskow ist
Deutschlehrerin an der Schule Olavo
Bilac in Pomerode
V.l.n.r.: Ana Cristina Kamchen Buettgen, Direktorin der Schule; Adelira
Pranke Beskow, Deutschlehrerin; VDA-Vorstandsmitglied Prof. Dr.-Ing.
Heralt Schöne mit Ehefrau Yvonne Olivier
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Sie ist im Bundesstaat Rio Grande do Sul geboren im Bezirk Santa Cruz do Sul. Zu Hause und im
Dorf sprachen alle Leute Dialekt, eine Mischung
von pommersch Platt, Hunsrück, Portugiesisch
und Hochdeutsch. Aber Hochdeutsch hat sie in
der Evangelischen Lutherischen Kirche gelernt.
Die Gottesdienste, der Religionsunterricht, die
Versammlungen, Jugendkreis und Chor – alles
war auf Deutsch. Im Dorf als Kind ging sie nur
bis zum 4. Schuljahr in die Schule, weil es nicht
mehr Klassen gab. Als sie 19 Jahre alt war, entschloss sie sich zu lernen und zu studieren. Dann
ging sie auf ein Internat einer Sinodenschule und
nach dem Schulabschluss an die Universität Vale
do Rio dos Sinos in São Leopoldo. Dort machte
sie die Ausbildung für Portugiesische Literatur
und DAF-Lehrerin.
Sie bereiste schon Deutschland und einige andere Länder Europas. 1994 und 2001 hat sie an
einer Fortbildung für DAF-Lehrer teilgenommen,
2005 hat sie zusammen mit ihrem Mann eine
selbstgestaltete Studienreise unternommen und
war 2012 erneut als Touristin in Deutschland.
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Kultur & Jugendaustausch
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
Fernweh, Freiheit & ein neues VDA - „Roll UP“
Von Regine Wegmann
Während Traumschiffe am Ostkai in
Kiel anlegten, hat der VDA nicht unweit vom Hafen in der „Kieler Gelehrten Schule“ sein Schüleraustauschprogramm vorgestellt.
Pünktlich zur Jugendbildungsmesse am 6. Juni stand das neue „Roll Up“
bereit. Ein unter Federspannung stehendes Banner wird aus dem Display
hochgerollt und durch einen Stützstab
fixiert. Das Banner – einfach wie ein
Rollo herausziehen – aufspannen und
fertig! In Nullkommanichts aufgestellt .
Mit einem Blick auf das Banner, im
Design mit schönen „VDA- Blautönen“,
konnten interessierte Schüler, Eltern
und Lehrer mehr über das abwechslungsreiche VDA- Austauschprogramm
erfahren.
Die Mischung macht‘s! Mit den
Austauschländern Argentinien, Brasilien, Chile, El Salvador, Namibia und
Paraguay sorgt der VDA für kulturelle
Vielfalt und stieß auf großes Interesse
bei den Kieler Messebesuchern.
Bemerkenswert war, dass Schüler/
innen schon im jungen Alter, mit 10-12
Jahren mit leuchtenden und begeisterten Augen viele gezielte Fragen zum
Schüleraustausch stellten. Sie träumen
von einer Reise ins Ausland, mal weiter
weg als Frankreich oder Spanien, wie
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es bei üblichen Schulprojekten angeboten wird. Die Jungen und Mädchen
finden es aufregend, mal eine Schuluniform tragen zu dürfen, wie es z. B. im
Austauschland Namibia der Fall ist. Für
sie stehen Begriffe wie „Fernweh“ und
„Freiheit“ im Vordergrund.
Erwiesenermaßen verbessern
sich nach der Rückkehr aus dem
Ausland die Schulleistungen, und
es gibt einen großen Schub in der
Persönlichkeitsentwicklung.
Daher unterstützen Eltern ihre
Kinder und ermutigen sie, an einem
Schüleraustausch teilzunehmen und
finden besonders das VDA Programm
attraktiv.
Kein Unterrichtsausfall, keine lästigen Anträge auf Schulbefreiung, weil
der Austausch in den deutschen Schulsommerferien stattfindet, und man
kennt in der Regel schon lange vor der
Reise ins Ausland seinen Austauschpartner, weil man diesen ja schon als Gastfamilie vorher aufgenommen hat.
Da kann man als Eltern sein Kind
ganz beruhigt mit dem VDA in die Ferne ziehen lassen.
Nachrichten aus dem Vorstand:
Zu einem Stafettenwechsel kam es innerhalb des VDA-Vorstandes im April diesen Jahres. Der
langjährige und sehr verdienstvolle Schatzmeister Gerhard Müller (Wolfenbüttel) hat sein
Amt nach mehr als 20 Jahren als Schatzmeister des VDA an seine neue Vorstandskollegin
Ilona Mosler-Biadacz (Bonn) übergeben. Der Vorstand folgte seiner Bitte einstimmig und
dankte ihm für seine großartige Unterstützung über diesen langen Zeitraum. Selbstverständlich bleibt Gerhard Müller VDA-Vorstandsmitglied und wirkt als Geschäftsführer der VDA Verlags-GmbH weiter im Geschehen mit. Er steht seiner Nachfolgerin zudem mit Rat und Tat in
den vielfältigen und umfangreichen Aufgaben, die der VDA bei seiner Kultur- und Bildungsarbeit zu bewältigen hat, weiterhin zur Verfügung.
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im Ausland e.V. (VDA)
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Der VDA ist die lebendige Brücke zu den
Deutschen in aller Welt. Er unterstützt die
Millionen Auslandsdeutschen bei der
Bewahrung der deutschen Kultur und
Muttersprache und hält die kulturelle und
geistige Verbindung zu ihnen aufrecht.
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