4. Etappe Rothenthurm–Rotenfluh

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4. Etappe Rothenthurm–Rotenfluh
Rothenthurm–
Rotenfluh
Eine aussichtsreiche Wanderung
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4. Etappe
Von Rothenthurm Richtung
Voralpen nach Rotenfluh
Eine aussichtsreiche Wanderung
Ab Rothenthurm wandern wir während
der nächsten fünf Etappen, der Wasserscheide der Reuss folgend, quer durch
den Kanton Schwyz. War die Landschaft
des Kantons Zug durch die Gletscherablagerungen der letzten Eiszeit geprägt,
gelangen wir auf der vierten Etappe in
die durch Plattenverwerfungen geprägten Voralpen. Hoch über dem Hauptort
Schwyz ragen die einsamen Felstürme der beiden Mythen in den Himmel, als begrüssten sie uns Wanderer auf dem Weg zum Gotthard mit
einem Eingangstor in die zusehends alpiner werdende Landschaft.
T2
5.5 h
15.5 km
800 m
Route Rothenthurm ( 923 m )–Biberegg
( 941 m ) –Mostelberg ( 1191 m )–Haggenegg ( 1414 m ) –Holzegg ( 1405 m )–
Rotenfluh ( 1527 m )
Wanderzeit 5½ Stunden mit 700 Metern
Rothenthurm–Biberegg : Von Licht und Dunkel in der Loreto-Kapelle
Aufstieg und 100 Metern Abstieg
In Rothenturm folgen wir dem Wegweiser nach Biberegg. Vorbei an den
letzten Häusern gelangen wir auf einem gemütlichen Wiesenweg mit
kleinen Brücken über wild sprudelnde Bergbäche zum Weiler Biberegg.
Das Häuserensemble ist im Inventar schützenswerter Orte mit nationaler
Bedeutung verzeichnet und wurde genau auf der Wasserscheide zwischen Biber und Steiner Aa an der Stelle der mittelalterlichen Redingburg erbaut. An diesem markanten Ort steht die nach dem gleichnamigen italienischen Wallfahrtsort benannte Loreto-Kapelle. Gemäss dem
Vorbild der « casa santa » in Loreto bildet die in zwei Räume unterteilte
Kapelle das Wohnhaus und das Zimmer der Verkündigung Marias in
Nazareth nach. Auch an diesem sonnigen, frühsommerlichen Morgen
wirkt der Innenraum der Kapelle mit den beiden kleinen Fenstern sehr
dunkel, womit er aber zugleich eine ausgeprägte Geborgenheit ausstrahlt. Vom hinteren Fenster fällt nur an der Sommersonnenwende ein
Sonnenstrahl in den Raum – direkt auf die Marienfigur.
Die Augen haben sich noch kaum an das Dunkel gewöhnt, als der Pfarrer
die beiden Flügel der Türe weit aufsperrt. Er lasse die Sonne hinein,
­damit die Kapelle etwas austrockne. Seit dem Blitzschlag Anfang Mai
2009 sei sie noch feucht vom Löschwasser. Der Schaden des Blitzschlags
am Türmchen sei gering, aber es hätte zeitlich nicht viel gefehlt und die
Kapelle wäre abgebrannt.
Varianten Von Rothenthurm mit der
Bahn nach Sattel und mit der Seilbahn
hoch zum Mostelberg
Tourencharakter T2. Etappe mit vielen
aussichtsreichen Abschnitten
Wichtige Hinweise keine
Beste Jahreszeit Mai bis November
Anreise Mit Bahn oder Postauto
bis Rothenthurm
Weitere ÖV-Anschlüsse Seilbahn Mostelberg
Rückreise Seilbahn Holzegg
Karten Landeskarte 1: 50 000,
Blatt 236 « Lachen »
Verpflegung und Unterkunft
Berggasthaus Mostelberg, Tel.
041 835 11 78, www.mostelberg.ch ; Gasthaus Herrenboden, Tel. 041 835 12 88, www.herren- boden.ch, Donnerstag Ruhetag ;
asthaus Haggenegg,
G
Tel. 041 811 17 74, www.hri.ch/ 6430-haggenegg, täglich geöffnet ;
Alpwirtschaft Zwüschet Mythen, während der Alpzeit geöffnet, Tel. 055 412 15 57 ;
Gasthaus Holzegg, Tel. 041 811 12 34,
www.holzegg.ch, Wochenende geöffnet ;
Skihaus Holzegg, Tel. 041 811 23 48,
geöffnet Freitag bis Montag ( Matratzenlager ) ;
Berggasthaus Rotenfluh, Tel.
041 811 47 10, www.berggasthaus- rotenfluh.ch, täglich geöffnet
Internetlinks
www.alpthal.ch
www.sattel.ch
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Loreto-Kapelle
in Biberegg
Panorama bei der
Mostelegg
Biberegg–Mostelberg : Den Voralpen zu
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Auf dem Mostelberg gehört der Blauwal
zum Bergwild
Zum Mostelberg steigen wir bei der Kapelle über den Hundschottenbach und
dort auf dem Fahrsträsschen den Berg
hinauf. Etwa hundert Meter nach dem
Hof Hueb führt ein Wiesenweg zur Bergstation des Schleppliftes. Dort zweigen
wir rechts auf ein Forststrässchen ab,
das sich nach etwa zwei Kilometern zu
einem Fussweg verjüngt und uns zum
Mostelberg bringt.
Bekannt als Bergstation des Skigebiets Hochstuckli, lebte das auf knapp
1200 m gelegene Berggasthaus Mostelberg früher grösstenteils vom
Skitourismus. Wegen zunehmenden Schneemangels und den bei Snowboardern unbeliebter Schleppliftanlagen wurde in den letzten Jahren ein
grösseres Gewicht auf Sommertourismus gelegt. Zunächst wurden
« Gumpimatten » ( grosse Trampolin-Matten zum Hüpfen in Elefanten-,
Walfisch- und Palmenform ) für Kinder angeschafft. Gesteigert wurde die
Attraktivität des Mostelbergs durch eine Sommerrodelbahn, Erlebnispfade und die erste Drehgondelbahn der Welt zur Erschliessung des
Animationsparadieses. Heute wird der grösste Teil des Umsatzes auf
dem Mostelberg im Sommer erwirtschaftet.
Unverändert geblieben ist die stimmungsvolle Aussicht über den Ägeri­
see und das Zugerland. Wenn sich abends die Stimmen der Kinder ausdünnen und sich die Sonne über den Rossberg senkt, wird der Mostelberg zu einem wunderschönen, stillen Ort.
tipp Die Grosse Mythe besteigen Auf der Grossen Mythe führt ab der Bergstation Holzegg ein steiler Serpentinenweg die rund 500 Höhenmeter zum Bergspitz
hinauf. Im kleinen, exponiert gelegenen Bergrestaurant steht ein Stammtisch für den
100er Club. Mitglied dieses Clubs können nur jene werden, die den Berg in einem
Jahr mindestens hundert Mal besteigen. Erschwert wird die Erlangung der Mitgliedschaft durch die naturgegebene Einschränkung, dass der Weg im Winter nicht begangen werden kann.
Mostelberg–Haggenegg : Den Jakobsweg kreuzen
Beim Mostelberg zweigen wir links ab und wandern auf dem Fahrsträsschen zur Mostelegg. Hier öffnet sich eine phantastische Aussicht in die
Innerschweiz mit den beiden Mythen, einem Gewirr von Bergketten und
über den Urnersee hinein in das Reusstal, wohin uns der Höhenweg
Zürich–Gotthard führen wird. Auf dem von Hecken gesäumten Kreuzweg, der langsam ansteigt, geht es weiter zur Holzkapelle Haggenegg.
An dieser Stelle war die Schwarze Madonna aus Einsiedeln 1798 in einer
Kiste vergraben, um sie vor den französischen Truppen zu schützen.
Reich behängt mit alten Votivtafeln, zeugt die Kapelle von wundersamen
Heilungen an diesem markanten Passübergang des Jakobswegs zwischen Einsiedeln und Schwyz : « Eine Person von Schwyz litt an heftigen
Augenschmerzen und deswegen an einer grossen Abnahme der Sehkraft, auch an einer Krampfaderentzündung an den Beinen. Er nahm,
nachdem ärztliche Mittel die Heilung nicht bewirken konnten, den
3. September 1861 seine Zuflucht zur Gnaden Mutter Maria im Egg­
kappeli am Haggen, und ist durch die Fürbitte derselben von beiden
Üblen vollständig befreit worden. Dafür sei Gott gepriesen in Ewigkeit ! »
Von der Kapelle wandern wir während einiger hundert Meter gemeinsam mit Pilgern auf dem Jakobsweg zum Berggasthof Haggenegg.
Unter­wegs treffen wir auf einen gelben Plastikeimer mit einem Zettel :
« Wenn sie einen schönen Stein wollen, können sie einen nehmen, ich
verschenke sie. Grüssli von Julia ». Noch etwas schwerer bepackt mit
schönen Geschichten aus der Kapelle und einem Stein von Julia, verlassen wir den Pilgerweg hinter dem Berggasthof und wenden uns wieder
Weg auf die
Grosse Mythe
dem profaneren Weg Richtung Gotthard
zu.
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Bergrestaurant auf der
Grossen Mythe
Haggenegg–Rotenfluh : An der Kleinen
und der Grossen Mythe vorbei
Dem Wegweiser zur Holzegg folgend,
wandern wir auf einem Waldweg ins hintere Alpthal. Über die Zugehörigkeit des
Alpthals wurde etwa ab Beginn des
12. Jahrhunderts zwischen Schwyz und
Einsiedeln rund 200 Jahre lang gestritten. Die Viehweiden hatten für die
damalige Bevölkerung solch grosse Bedeutung, dass es gar zu Entführungen und Geiselnahmen von Patres aus dem Kloster Einsiedeln kam,
was schliesslich zu Exkommunikationen von Schwyzern durch den Papst
führte. Als Bevollmächtigter des apostolischen Stuhls sprach der Bischof
von Konstanz nach der Einigung der beiden Streitparteien die exkommunizierten Schwyzer vom Banne los. Als Busse musste jede erwachsene Person zwischen 12 und 70 Jahren innert Jahresfrist entweder nach
Einsiedeln wallfahren, den Armen 100 Mahlzeiten spenden oder 5000
Vaterunser und Ave Maria andächtig beten. Die heutige Zugehörigkeit
des Alpthals zum Bezirk Schwyz geht auf die damalige Einigung zurück.
Den Talabschluss des Alpthals bilden die beiden imposanten Felstürme
der Kleinen und der Grossen Mythe. Einzeln genannt sind die Mythen
feminin, der Berg heisst die Mythe, was laut des Schwyzer Namenforschers Viktor Weibel vermutlich auf das feminine « meta », « etwas ­Auf­­ragendes » , zurückgehe. Geologisch handelt es sich bei dem Bergpaar in
zweierlei Hinsicht um eine Besonderheit. Als letzte Überbleibsel der
sonst überall erodierten penninischen Klippendecke stehen die beiden
geologisch so einsam da, wie sie in der hügeligen Landschaft wirken.
Ungewöhnlich ist auch die rote Kappe der Grossen Mythe. Dieses ältere
Meeressediment schob sich einst über den jüngeren Meeresboden.
Unter der Grossen Mythe begegnen wir zum ersten Mal auf dem Höhenweg einer Steinschlagwarnung. Gleich nach der Felspassage gelangen
wir zur Holzegg. Deren Bergkuppe wird durch ein grosses Gebäude geprägt, das Gasthof und Bergstation der Seilbahn in sich vereint. An
­Wochenenden ist hier viel Betrieb. Sommers wie winters beginnt hier
der beliebte Panoramaweg zur Ibergeregg, im Winter lockt zudem eines
der nächstgelegenen Skigebiete Zürichs. Gemütlicher geht es im ganzjährig geöffneten Skihaus Holzegg zu, das nur wenige hundert Meter
neben der Bergstation der Seilbahn am Waldrand liegt.
Unser Weg führt uns Richtung Ibergeregg aufwärts durch den Wald. An
der Stelle, wo der Hauptweg den Wald verlässt, zweigen wir rechts ab
und steigen weiterhin durch den Wald hoch zur Kuppe der Rotenfluh.
Über die Alpweide gelangen wir zum Berggasthof Rotenfluh mit seinem
kaum zu überbietenden Panorama.
Bis zum Jahr 2004 schwebte noch eine Luftseilbahn zur Rotenfluh und
brachte zahlreiche Ausflügler hinauf. Seither ist der Betrieb der Bahn
eingestellt ; ein neues Seilbahnprojekt ist zwar geplant, lässt aber auf
sich warten. Die Wirtin der Rotenfluh und der Wirt des Skihauses Holz­
egg geniessen zusammen die abendliche Sonne auf der Terrasse. Sie
sind dennoch zuversichtlich, denn dank der Stille kämen andere Gäste
hierher und im Winter sei mit dem Winterwanderweg und den Skiliften
trotzdem viel los. Auch wir vermissen die Seilbahn nicht und geniessen
die Aussicht von unserem Etappenort ohne Trubel.