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Bayerische Julius-MaximiliansUniversität Würzburg Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen Frühjahr 2004 Schriftliche Hausarbeit Thema: „Einfach guter Hoffnung sein – darf man das noch?“ Überblick über pränataldiagnostische Verfahren, deren Anwendung und Auswirkungen in der heutigen Zeit. Eingereicht von: Stefanie Schilcher Fach: Geistigbehindertenpädagogik Eingereicht am: 4. Juli 2003 Dozent: PD Dr. Erwin Breitenbach Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung--------------------------------------------------------------------------------------4 2. Unterschiedliche Verfahren der pränatalen Diagnostik -------------------7 2.1 Nicht-invasive Verfahren-------------------------------------------------------------------9 2.1.1 Ultraschall-Diagnostik ---------------------------------------------------------------9 2.1.2 Triple-Test --------------------------------------------------------------------------- 13 2.1.3 Fetale Zellen aus dem mütterlichen Blut-------------------------------------- 16 2.1.4 Weitere Verfahren------------------------------------------------------------------ 18 2.2 Invasive Verfahren------------------------------------------------------------------------- 19 2.2.1 Chorionzottenbiopsie -------------------------------------------------------------- 20 2.2.2 Amniozentese----------------------------------------------------------------------- 24 2.2.3 Kordozentese ----------------------------------------------------------------------- 27 2.2.4 Weitere Verfahren------------------------------------------------------------------ 29 2.3 Präimplantationsdiagnostik------------------------------------------------------------- 29 2.4 Reflexion-------------------------------------------------------------------------------------- 33 3. Entscheidung für oder gegen Anwendung pränataldiagnostischer Verfahren ------------------------------------------------------------------------------------ 35 3.1 Personenvariablen------------------------------------------------------------------------- 36 3.1.1 Individuelle Risikoeinschätzung------------------------------------------------- 36 3.1.2 Abwägen des Nutzens eines Verfahrens für die eigene Person -------- 37 3.1.3 Persönliche Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch----------------- 38 3.2 Umweltvariablen---------------------------------------------------------------------------- 39 3.2.1 Gesellschaftlicher Handlungsdruck -------------------------------------------- 39 3.2.2 Einfluss von Bezugspersonen--------------------------------------------------- 41 3.2.3 Durchführung eines genetischen Beratungsgesprächs ------------------- 42 3.3 Soziodemographische Variablen------------------------------------------------------ 45 3.3.1 Alter der Mutter --------------------------------------------------------------------- 45 3.3.2 Familienstand und -größe -------------------------------------------------------- 46 3.3.3 Art der Ausbildung und sozialer Status --------------------------------------- 48 3.3.4 Einstellung zu Gott und Religion------------------------------------------------ 50 3.4 Situationsvariablen------------------------------------------------------------------------ 52 3.4.1 Arzt ------------------------------------------------------------------------------------ 52 3.4.2 Beratung ----------------------------------------------------------------------------- 54 3.4.3 Zeit------------------------------------------------------------------------------------- 55 3.5 Reflexion-------------------------------------------------------------------------------------- 56 4. Situation in Deutschland -------------------------------------------------------------61 4.1 Informationen für die schwangere Frau--------------------------------------------- 61 4.1.1 Mutterschafts-Richtlinien --------------------------------------------------------- 61 4.1.2 Feststellen einer Risikoschwangerschaft ------------------------------------- 62 4.1.3 Veränderung der Einstellung zur Schwangerschaft ------------------------ 64 4.2 Rechtliche Situation----------------------------------------------------------------------- 65 4.2.1 Grundgesetz ------------------------------------------------------------------------- 65 4.2.2 Embryonenschutzgesetz ---------------------------------------------------------- 67 4.2.3 Bedeutung des § 218 StGB für die pränatale Diagnostik ------------------ 68 4.2.4 „Wrongful-life/birth-Prozesse“ – „Kind als Schaden“ ------------------------ 72 5. Diagnoseeröffnung----------------------------------------------------------------------77 5.1 Negativer Befund--------------------------------------------------------------------------- 78 5.2 Positiver Befund---------------------------------------------------------------------------- 78 5.2.1 Schwangerschaftsabbruch-------------------------------------------------------- 82 5.2.2 Einleitung von Therapiemaßnahmen ------------------------------------------- 91 5.2.3 Austragen der Schwangerschaft ------------------------------------------------ 95 5.3 Reflexion – Möglichkeiten und Grenzen der pränatalen Diagnostik ------- 99 6. Schluss------------------------------------------------------------------------------------- 103 Literaturverzeichnis ----------------------------------------------------------------------- 105 Erklärung--------------------------------------------------------------------------------------- 113 1. Einleitung „Einfach guter Hoffnung sein – darf man das noch?“ Dieser ist einer von vielen Slogans des 1000-Fragen-Projekts, die man zur Zeit auf Plakaten, in Kinospots oder auch in Zeitungen finden kann. Seit Oktober 2002 läuft das 1000-Fragen-Projekt der Aktion Mensch, das unterschiedliche Bereiche der Bioethik thematisiert und zum Nachdenken und Diskutieren anregen soll. Als öffentliches Diskussions-Forum dient das Internet. Mehrere hunderttausend Besucher hinterließen bereits auf der Homepage www.1000fragen.de Fragen und Kommentare. Das „große Buch der Fragen“ bleibt noch bis September 2003 für jeden zugänglich, bevor es dann an den Deutschen Bundestag, die Deutsche Forschungsgesellschaft und an den Verband der Biotech-Unternehmen übergeben wird. Es gibt drei große Ziele, die die Grundlage für dieses Projekt darstellen. Erstens soll deutlich werden, dass bioethische Diskussionen für die gesamte Gesellschaft von großer Bedeutung und für die individuelle Meinungsbildung relevant sind. Es geht um zentrale Fragen unseres Menschenbildes und unserer Werte, die Grundlage des Zusammenlebens sind. Zweitens möchte die Aktion Mensch besonders Menschen mit Behinderung, deren Angehörigen und Verbänden eine Chance geben, sich aktiv in die bioethische Diskussion einzubringen. Sie haben auf Grund ihrer Erfahrung viel zu dem Thema beizutragen, ihnen wird aber in öffentlichen Diskussionen oft nur ungenügend Gehör geschenkt. Drittens soll mit dem Projekt und den dazugehörigen Fragen die Gesellschaft allgemein zum Nachdenken angeregt werden und oft pauschale Antworten sollen neu reflektiert werden. Da die Aktion großen Anklang findet, geht man davon aus, dass das Bedürfnis nach Austausch erstaunlicher Weise recht groß ist. „Einfach guter Hoffnung sein – darf man das noch?“ – eine von tausend Fragen – thematisiert die zunehmende Medikalisierung und Technisierung der Schwangerschaft, den Trend, dass der Mensch immer mehr versucht, in natürliche Prozesse einzugreifen. Ich habe diese Aussage als Titel meiner Arbeit ausgewählt, da sich genau diese Frage bei der Anwendung von Pränataldiagnostik stellt und alle im Folgenden angeführten Punkte unter diesem Gesichtpunkt betrachtet werden können. Die Kampagne zeigt, wie aktuell und brisant dieses Thema und dessen Diskussionsbedarf im Moment ist. Es scheint, dass psychosoziale und ethische Aspekte im Zusammenhang mit der pränatalen Diagnostik im Laufe der Jahre an Aktualität gewonnen haben und dieser Eindruck wird durch die unübersehbare Flut von Zeitungsartikeln, Büchern, Fernsehsendungen und Tagungen auch bestätigt. Dabei werden oft Bezüge zur Gentechnik, zum medizinischen Fortschritt, zur ethischen Verantwortung und zur vorgeburtlichen Selektion hergestellt (Nippert 1999). „Es ist ein Wunschkind“ und „Hauptsache, es ist gesund“ sind Aussagen, die man von werdenden Eltern oft hört. Die meisten Eltern haben bereits vor der Geburt Vorstellungen und Ansprüche an ihr Kind, die es zu erfüllen gilt. Die Kinder der neuen Generation sollen „tauglich sein“, um den Werten der Gesellschaft wie Leistung, Konkurrenzdenken, Ruhm und Erfolg stand zu halten. Es besteht außerdem die Gefahr, dass sich in der Gesellschaft ein gewisser Phänotyp zu bestimmten häufiger auftretenden Behinderungen bildet: Ein Mensch mit Down-Syndrom ist klein, hat schräg „mongoloid“ verlaufende Augenlider, ist träge und geistigbehindert! Dieser Mensch wird aber auch lachen, lieben und weinen können! „‚Nicht-behinderte’ Eigenschaften reichen jedoch nicht aus, um über eine künftige Lebensqualität und über den künftigen Lebenswert Aussagen machen zu können“(Bernath 1991,139). Bernath sieht jedes Leben als so individuell und vielseitig an, dass es für Außenstehende nicht möglich ist, darüber ein Urteil zu fällen. Er betrachtet die Beurteilung der Lebensqualität eines noch nicht geborenen Kindes als eine Überforderung für Fachleute und Eltern. Dennoch muss vor allem auf Grund des „Pränataldiagnostik-Booms“ immer wieder und immer öfter diese Entscheidung getroffen werden. Ist es nicht überflüssig, sein „Wunschkind“ auf seinen „Gesundheitszustand“ zu untersuchen? „Würden wir nicht Eltern, denen der Gesundheitszustand ihres Kindes gleichgültig ist, als barbarisch oder lieblos bezeichnen“ (Bernath 1991, 130)? In der heutigen, sehr gesundheitsorientierten Zeit besteht die Gefahr, dass uns von den Medien ein Bild vermittelt wird, in dem ein „gesundes Kind“ als selbstverständlich erachtet wird. Die Sichtweise „Der Herr hat’s gegeben, der Mensch hat’s zu nehmen“ ist längst überholt. Heutzutage ist dieser Satz eher ersetzbar durch „Der Doktor hat’s gegeben; mal schauen, ob das Produkt gut ist.“ Es wird immer häufiger eine „Schwangerschaft mit Garantieschein“ gefordert, so Rennhard (1994, 11f.). Rennhard (1994) ist der Meinung, dass die tragische „„Entsorgungsproblematik für Menschliches, das nicht der Norm entspricht“, nie solche Ausmaße angenommen hätte, wenn die Embryonen und Feten nicht als Produkt angesehen würden, das „jederzeit“ eliminiert werden könne. Durch die Konfrontation mit Behinderung werden die Werte unserer Gesellschaft in Frage gestellt. Meist tauchen Menschen mit Behinderung in unseren Lebensvorstellungen und Zukunftsplänen nicht auf. Sie passen nicht in die sich zunehmend weiter entwickelnde Leistungsspirale unserer Gesellschaft. Dem zu Folge nehmen immer mehr Eltern pränataldiagnostische Verfahren in Anspruch, um eventuelle genetische Defekte frühestmöglich auszuschließen. Ergibt ein pränataldiagnostisches Verfahren einen positiven Befund, zerplatzt der Traum vom „perfekten Nachwuchs“ meist wie eine Seifenblase und es liegt an den Eltern, eine für sie lebenslang tragbare Entscheidung zu treffen. Man muss sich aber vor Augen halten, so Baumann-Hölzle, Eugster-Grossenbacher, Hägler, Rinaldi, Scholer und Stottele (1995, 20), dass eine Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung keinen Platz haben, an Menschlichkeit verliert. In dieser Arbeit sollen zuerst nicht-invasive und invasive pränataldiagnostische Verfahren dargestellt werden. Es soll die Durchführung der Untersuchungen dargestellt werden, und diese soll jeweils in Bezug auf Anwendungshäufigkeit und Risikoeinschätzung näher reflektiert werden. Ein Überblick über die verschiedenen pränataldiagnostischen Untersuchungen soll als Grundlage und Vorinformation für Thematiken, die in den weiteren Punkten angesprochen werden, dienen. In einem zweiten Punkt soll dargelegt werden, welche Gründe Frauen dazu bewegen, überhaupt Pränataldiagnostik für sich in Anspruch zu nehmen. Dazu werden unterschiedliche Variablen erörtert. In einem weiteren Punkt soll explizit die Situation in Deutschland dargestellt werden. Die Lage in dem jeweiligen Land ist Grundlage für den komplexen Entscheidungsprozess, den das Thema Pränataldiagnostik mit sich bringt. Hierbei soll sowohl auf allgemeine Informationen, die für schwangere Frauen zur Verfügung stehen, eingegangen werden, als auch auf die für das Thema relevanten gesetzlichen Grundlagen, die in Deutschland gelten. Im darauf folgenden Gliederungspunkt soll die Diagnoseeröffnung nach einer vorgeburtlichen Untersuchung dargestellt werden. Im Besonderen sollen die Entscheidungsmöglichkeiten im Falle eines positiven Befundes betrachtet und diskutiert werden. Die Arbeit soll einen Einblick in die Thematik der Pränataldiagnostik geben und zum Nachdenken anregen. 2. Unterschiedliche Verfahren der pränatalen Diagnostik Durch die immer weiter fortschreitende Entwicklung von Methoden pränataler Diagnostik ändert sich das Erleben der Schwangerschaft grundlegend, so Langer (1999). Vor ungefähr 30 Jahren war jeglicher intrauterine Einblick oder Eingriff in die Gebärmutter und somit der Einblick in genetische Eigenschaften nicht möglich. Heute besteht theoretisch bereits die Möglichkeit, die Gene des Kindes offenzulegen, bevor der Embryo überhaupt in den Uterus eingepflanzt wird. Durch diesen historischen Wandel ändert sich die Stellung der werdenden Eltern und der Ärzte, da mehr Entscheidungen getroffen werden müssen. Schwangerschaft ist nicht mehr rein biologisch und unveränderlich vorgegeben, sondern wird in vielen Fällen erst nach Untersuchungen und Abwägen von sozialen Faktoren akzeptiert. „Mit pränataler Diagnostik werden alle vorgeburtlichen Untersuchungen bezeichnet, die zum Ziel haben, spezifische Risiken für Schädigungen oder Krankheiten zu erkennen“ (Wilken 2002, 159). Die Bundesärztekammer (1998) sieht in den möglichen pränatalen Untersuchungen, die in diesem ersten Punkt erläutert werden sollen, folgende Ziele: • Die pränatale Diagnostik soll dazu dienen, embryonale und fetale Störungen in der Entwicklung zu erkennen. • Durch die Früherkennung von Fehlentwicklungen soll eine optimale Behandlung des Fetus und der schwangeren Frau gewährleistet werden. • Die Befürchtungen und Ängste der schwangeren Frau sollen möglichst gering gehalten bzw. relativiert werden. • Die pränatale Diagnostik soll den Frauen im Falle der Entscheidung für oder gegen einen Abbruch der Schwangerschaft klärend zur Seite stehen. • Alternativen über Fortführung oder Abbruch der Schwangerschaft sollen aufgezeigt werden (→ Kontaktmöglichkeiten zu Selbsthilfegruppen, Anbieten medizinischer und sozialer Hilfe). Die pränataldiagnostischen Verfahren lassen sich zunächst grob in nicht-invasive und invasive Verfahren unterteilen. Die folgende Tabelle (Tab. 1) gibt einen Überblick über pränatale Untersuchungen während der Schwangerschaft: Vorgeburtliche Untersuchungen als Teil der Schwangerschaftsvorsorge Nicht-invasive Methoden Schwangerschaftswoche Invasive Methoden 4. SSW FISH Test; ab 6. Schwangerschaftswoche; Suche nach fetalen Zellen im Blut der schwangeren Frau (in Erprobung) Ultraschalluntersuchung ab der 7. SSW 1. Ultraschall nach Mutterpass Suche nach der sogenannten „Nackenfalte“ als Hinweis auf Down-Syndrom durch Ultraschall (10./11. SSW) 6. SSW 7. SSW 8. SSW 9. SSW 10. 11. 12. 13. SSW SSW SSW SSW 14. SSW 15. SSW Triple-Test in der 16.-18. SSW als Risiko-Berechnung für das mögliche Vorliegen von DownSyndrom oder Spina bifida über das Blut der schwangeren Frau 16. 17. 18. 19. SSW SSW SSW SSW Chorionzottenbiopsie Suche nach Chromosomenabweichungen; In der 10.-12. SSW Frühamniozentese (11./12. SSW) Amniozentese in der 14.-16. SSW nach Chromosomenabweichungen und Spina bifida; Angebot an alle Frauen über 35 Jahren Amniozentese nach Triple Test 2. Ultraschall nach Mutterpass Ultraschall-Feindiagnostik; Fehlbildungsultraschall in Zentren Während der gesamten Schwangerschaft sind Ultraschalluntersuchungen möglich; in der Routine der Schwangerschafts vorsorge werden sie häufig durchgeführt. 20. SSW 22. SSW 3. Ultraschall nach Mutterpass 30. SSW 40. SSW Tab. 1: Überblick über vorgeburtliche Untersuchungen. (Kurmann & Wegener 1999, 24) Fetoskopie Wird selten angewendet; (15.-22. SSW) Nabelschnurpunktion; ab 20. SSW angewendet; In seltenen Fällen früher (16. SSW) angewendet Diese Verfahren sollen in den folgenden Punkten dargestellt werden. Es soll ein Überblick über jede Methode, den Zeitpunkt der Durchführung, die Aussagekraft der Untersuchung und über die Risikowahrscheinlichkeit gegeben werden. Sowohl die Chorionzottenbiopsie als auch die Amniozentese sollen außerdem hinsichtlich ihrer Anwendungshäufigkeit in den letzten Jahren betrachtet werden. 2.1 Nicht-invasive Verfahren Nicht-invasive Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass kein Eingriff in die Gebärmutter erfolgt. Damit besteht im Gegensatz zu den invasiven Verfahren kein erhöhtes Risiko einer Fehlgeburt, allerdings ist die Diagnosemöglichkeit angeborener Krankheiten bzw. Behinderungen geringer (Braga, Kind & Haug 1993; Wilken 2002). 2.1.1 Ultraschall-Diagnostik Methode: Die Anwendung von Ultraschall (Sonographie) ist seit 1958 bekannt und hat seit vielen Jahren einen festen Platz in der Schwangerschaftsvorsorge. 1963 wurde das erste Ultraschallgerät eingesetzt. Bereits in den 70er Jahren fand diese Methode breite Anwendung. Besonders in den 80er Jahren wurde die Technik verbessert, und man gelangte zu schärferen und detaillierteren Bildern. Bei Ultraschalluntersuchungen werden Schallwellen verwendet. Der Ultraschall hat eine sehr hohe Frequenz, die sich weit über dem menschlichen Hörvermögen befindet. Sie liegt bei der Schwangerschaftsvorsorge zwischen drei und fünf Megahertz. Während sich die hörbaren Schallwellen in der Luft in alle Richtungen ausbreiten, hat der Ultraschall andere Eigenschaften. Ultraschall breitet sich geradlinig aus und wird zu einem schmalen Strahl gebündelt (Crespigny & Dredge 1993, 52f.). Bei der Untersuchung wird der Bauch der Mutter mit einem Schallkopf abgetastet. Dabei werden die Schallwellen auf die Gebärmutter und somit auf das Kind gerichtet. Abhängig von der Dichte des Gewebes werden unterschiedliche Echos reflektiert. Der Schallkopf dient als Sender von Schallwellen und auch als Empfänger der reflektierten Echos, die mechanischelektronisch in verschiedene Grauwerte umgesetzt werden können (Schramm, Gloning & Brusis 1987). „Ein großer Fortschritt in den achtziger Jahren war die Entwicklung des sogenannten ‚Real-time’- oder Echtzeit-Verfahrens“ (Crespigny & Dredge 1993, 55). Echtzeit bedeutet, dass bewegte „Live-Bilder“ erzeugt werden können. Es werden zweidimensionale Abbildungen von Schnitten durch das Gewebe gezeigt. Das Kind kann somit in viele Scheiben „geschnitten“ werden, die man nacheinander betrachten kann (Abb. 1) (Crespigny & Dredge 1993, 55). Laut Braga et al. (1993) erfüllt das Verfahren des Ultraschalls mehrere Zwecke: Das Alter des Fetus kann ziemlich genau bestimmt werden, und man bekommt einen Einblick in dessen Lage und Wohlbefinden im Mutterleib. Es besteht die Möglichkeit, dass Mehrlingsschwangerschaften relativ werden, Weiteren und des Wachstumsstörungen und früh erkannt sind einige Fehl-bildungen anhand des Ultraschalls erkennbar. Abb. 1: Schnittebenen; Betrachtungsweise des Babys beim Ultraschall. (Crespigny & Dredge 1993, 56) Die Methode des Ultraschalls als „Babyfernsehen für die ganze Familie“ wurde besonders von den werdenden Vätern stark begrüßt, da sie einen Einblick in die Schwangerschaft bekommen und sehen können, was die Frauen auch spüren. Viele Frauen haben schon vor der Durchführung jeglicher pränataler Verfahren einen inneren Bezug zu ihrem Kind aufgebaut, so dass die Bilder in manchen Fällen fremd wirken können. Die enge Bindung der Mutter an den in ihr heranwachsenden Säugling ist das „Abenteuer einer Schwangerschaft“ und die Ultraschalluntersuchung spielt in dieser Hinsicht für die Frau eine eher untergeordnete Rolle (Schindele 1990, 43f.). Zeitraum der Anwendung: Theoretisch können Ultraschalluntersuchungen während der gesamten Schwangerschaft angewendet werden. Seit 1996 sind nach den Richtlinien im Mutterpass drei Ultraschalluntersuchungen vorgesehen (Hutzler 2000b). Beim ersten Ultraschall-Screening in der 9.-12. Schwangerschaftswoche kann festgestellt werden, ob die Schwangerschaft intakt ist. Außerdem kann die Lage des Embryos betrachtet werden. Es ist bereits die Kopfform mit einem Gesichtsprofil zu erkennen. Besondere Aufmerksamkeit wird in den letzten Jahren auf die Nackenregion, als Übergang zum Rücken mit der Wirbelsäule, gelegt. Eine überdurchschnittlich dicke Nackenfalte weist auf ein eventuelles chromosomales Syndrom hin. Des Weiteren wird die Wirbelsäule abgescannt und darauf geachtet, „dass keine Unterbrechungen oder Abknickungen dieser Struktur auftreten“ (Viehweg 2000, 82). Ein geübter Untersucher kann einen Neuralrohr-Defekt schon jetzt ausschließen. Die Extremitäten sowie das Herz und dessen Reaktion werden betrachtet. Auf Grund der Maße des Kopfdurchmessers, der Scheitel-Steiß-Länge und des Fruchtsackdurchmessers kann die zeitgerechte Entwicklung des Embryos eingeschätzt werden (Viehweg 2000). Das zweite Ultraschall-Screening wird zwischen der 19. und 22. Woche durchgeführt. Ziel ist in erster Linie, „die morphologische und funktionelle Integrität der fetalen Organe und Organsysteme zu überprüfen“ (Viehweg 2000, 86). Mit einer relativ hohen Sicherheit sollen zu diesem Zeitpunkt fetale Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen ausgeschlossen werden und die zeitgerechte Entwicklung festgestellt werden. Bei Unsicherheit wird, je nach Wunsch, ein weiteres pränataldiagnostisches Verfahren invasiver Art durchgeführt. Der Untersuchungsverlauf gleicht dem ersten Screening, er ist allerdings umfangreicher und detaillierter (Viehweg 2000). Diese zweite Ultraschall-untersuchung ist ethisch besonders umstritten, da sie fast ausschließlich der Suche nach Fehlbildungen gilt (Bodes 1999). Das dritte Ultraschall-Screening zwischen der 29. und 32. Schwangerschaftswoche „dient vor allem der Beurteilung der somatischen Entwicklung des Feten, das heißt, ob der Fetus ein normales Wachstum oder eine Wachstumsretardierung zeigt“ (Viehweg 2000, 98). Weiter werden bei dem Screening auch die für die Geburt relevante Faktoren, wie zum Beispiel die Lage des Kindes, erfasst. Einige Untersuchungen aus den ersten beiden Screenings wiederholen sich. Je später in der Schwangerschaft ein Ultraschall durch-geführt wird, desto schwieriger wird die Orientierung, da man immer nur Ausschnitte betrachten kann (Viehweg 2000). Schindele (1990, 42) stellt fest, dass eine Ultraschalluntersuchung bei den meisten Frauen aber weitaus öfter angewendet wird – Schätzungen zufolge im Durchschnitt bis zu fünf Mal während einer Schwangerschaft. Aussagekraft der Untersuchung: Je nach Qualität des verwendeten Geräts und je nach Erfahrung und Sorgfalt des Arztes sind Fehlinterpretationen möglich. Die meisten Bilder sind nur für Fachleute zu erkennen und zu deuten. Außerdem ist die Interpretation der Bilder stark von der momentanen Lage des Embryos und dem Zeitpunkt der Untersuchung abhängig (Crespigny & Dredge 1993, 63ff.). Im Folgenden soll ein Beispiel geschildert werden, welches die Verlässlichkeit der Nackenfaltenmessung mit Hilfe von Ultraschall aufzeigt: In der Universitätsfrauenklinik in Basel wurde in einem Zeitraum von 31 Monaten bei 1252 Feten eine Nackentrans-parenzmessung im ersten Trimenon durch-geführt. Die ScheitelSteiß-Länge korreliert mit der Nackenfalte des Fetus (Abb. 2). In den Fällen, in denen sich ein Wert über der 95. Perzentile (prozentuale Summenhäufig-keitsverteilung) ergab, wur-de Abb. 2: Ultraschallbild von der 1. Untersuchung. Dies Aufnahme lässt die korrekte Messung der Scheitel-Steiß-Länge zu. (Tercanli & Holzgreve 2000, 305) unter Berücksichtigung des mütterlichen Alters eine invasive pränatale Unter-suchung angeboten. Von den 1252 getesteten Frauen lag bei 55 (4,4%) die Nackentransparenz über der 95. Perzentile. Bei 49 dieser „positiv“ getesteten Frauen wurde entweder das Verfahren der Chorionzottenbiopsie (siehe 2.2.1) oder Amniozentese (siehe 2.2.2) durchgeführt. Davon zeigten 29 Fälle (52,7%) einen auffälligen Karyotyp (der für ein bestimmtes Individuum, eine Gruppe oder eine Art charakteristische Phänotyp des Chromosomensatzes). Bei der Gruppe mit der Nackentransparenzmessung unter der 95. Perzentile fanden sich nur vier Fälle (0,34%) mit einer Chromosomenanomalie (Horner, Holzgreve, Batucan & Tercanli 2002). Es fällt auf, dass die Untersuchung der Nackenfalte zwar mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Chromosomenanomalien ausschließen kann, aber nur circa 50% der positiv getesteten Feten tatsächlich mit einer Chromosomenanomalie geboren werden. Bei einer Messung der Nackenfalte im Risikobereich ist ein informierendes Gespräch des Arztes ebenso wichtig wie weitere Untersuchungen, damit eine sichere Diagnose gestellt werden kann. Des Weiteren können Neuralrohr-Defekte per Ultraschall diagnostiziert werden. Eine sichere, eindeutige Diagnose ist allerdings erst möglich, wenn die Schwangerschaft bereits fortgeschritten ist. Wenn ein erhöhtes Risiko für einen Neuralrohr-Defekt vorliegt, können frühzeitig gezielt weitere pränataldiagnostische Untersuchungen hinzugezogen werden. Hansmann (1981) ist der Ansicht, dass auch eine späte Diagnose äußerst hilfreich ist. Die Geburt kann dementsprechend vorbereitet werden, und die Eltern können sich psychisch auf ihr Kind einstellen. Allgemein empfinden Eltern die Ultraschalluntersuchung meist als lohnend und spannend; dennoch darf man nicht erwarten, alle Bilder zu erkennen und zu verstehen. Der Untersuchende steht vor dem Dilemma, was er messen soll und wie sicher seine Interpretation der Bilder ist. Durch „Überdiagnose“ können unnötige Ängste bei den werdenden Eltern erzeugt werden (Crespigny & Dredge 1993, 84). Es gibt Gynäkologen, so Schindele (1990, 42), die sich entschließen, nicht jede eventuelle Auffälligkeit der werdenden Mutter sofort mitzuteilen, um unbegründete Ängste zu vermeiden, die im schlimmsten Fall andere Symptome während der Schwangerschaft auslösen können. Bei nicht eindeutigen Vermutungen sollte die schwangere Frau an Spezialisten auf diesem Gebiet überwiesen werden. Risikoeinschätzung dieser Methode: Wie bei allen medizinischen Messungen stellt sich auch beim Ultraschall die Frage, inwieweit diese Untersuchungsmethode Nebenwirkungen mit sich bringt und so den Fortlauf der Schwangerschaft beeinträchtigt. Es gibt eine große Anzahl von Veröffentlichungen zur Sicherheit des Ultraschalls. Dabei wurde überprüft, ob die Gewebserwärmung durch den Ultraschall zu Schäden führen kann. Der Weltverband für Ultraschall in Medizin und Biologie stellte fest, dass die heute eingesetzten Geräte mit einer Schallintensität arbeiten, die keinerlei Temperaturerhöhung bewirkt. Daher wird Ultraschall in vielen Ländern routinemäßig durchgeführt (Crespigny & Dredge 1993, 59f.). Trotzdem sollte die Ultraschalluntersuchung „nicht unkritisch angewendet werden, ‚just for fun’ bzw. als ‚Babyfernsehen für die ganze Familie’“, da trotz der bisher festgestellten Unbedenklichkeiten im diagnostischen Bereich nicht beobachtete Effekte auftreten können (Kremkau 1984, zitiert nach Schramm, Gloning & Brusis 1987, 21). In der heutigen Zeit wird der Ultraschall während einer Schwangerschaft so häufig angewendet als wäre gesichert, dass keinerlei Nebenwirkungen möglich sind. Die Sonographie hat sich zu einem festen Element der Schwangerschaftsvorsorge entwickelt und ist für die meisten Eltern nicht mehr wegzudenken. 2.1.2 Triple-Test Methode: Durch die in England entwickelte Methode ist es möglich, anhand des Blutes der schwangeren Frau das Risiko für etwaige Chromosomen-Aberrationen oder Fehlbildungen besser abzuschätzen bzw. auszuschließen (Braga et al. 1993, 25f.). Dieser Bluttest ist ein Kombinationstest aus drei Werten, dem Alpha-Fetoprotein, einer vom heranwachsenden Kind produzierten Eiweißsubstanz, die in geringen Mengen auch im mütterlichen Blutkreislauf zirkuliert, dem Schwangerschaftshormon Choriongon-adotropin und dem unkonjugierten Östriol. Nach Auswertung der Werte unter Berücksichtigung des Alters der Mutter und der möglichst genau berechneten Schwangerschaftsdauer ist eine Risiko-Einschätzung möglich. So ist zum Beispiel ein erhöhter Alpha-Fetoprotein-Wert ein Indiz zur Entdeckung bzw. Ausschließung eines offenen Neuralrohr-Defektes. In Kombination mit den beiden anderen Werten und dem Alter der Mutter kann die Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 und andere Chromosomenanomalien abgewägt werden (Crespigny & Dredge 1993, 157 ff.; Breckwoldt 2000). Da nur 30% der Frauen, die ein Kind mit Down-Syndrom gebären, bei dessen Geburt über 35 Jahre alt sind, wird immer häufiger der Triple-Test auch bei jüngeren Frauen angewendet, um einen Verdacht auf eine Chromosomenaberration aufzudecken (Holzgreve, Schloo, Schlegel, Tercanli & Schneider 1994). „Es handelt sich hier um ein Screening-Verfahren, das gar nicht darauf abzielt, exakte Aussagen zu liefern, es bietet vielmehr eine Entscheidungshilfe, an welchen Babys gegebenenfalls weitergehende Untersuchungen durchgeführt werden sollten“ (Crespigny & Dredge 1993, 157). Dadurch bekommen die invasiven vorgeburtlichen Verfahren in den neunziger Jahren eine größere Bedeutung für Frauen unter 35 (Binkert, Mutter & Schinzel 1999). Zeitpunkt der Anwendung: Die Blutentnahme erfolgt idealer Weise ungefähr in der 16. Schwangerschaftswoche. Trotz des großen Fortschritts, den der Triple-Test bei der Identifizierung von Risikoschwangerschaften bringt, bleibt der relativ späte Durchführungszeitraum ein Nachteil. Weist der Triple-Test auf einen positiven Befund hin, ist meist eine invasive Untersuchung nötig, um eine sichere Diagnose zu stellen. Die Auswertung des invasiven Verfahrens benötigt einige Wochen, so dass die Schwangerschaft bei Diagnoseeröffnung oft bereits bis zur 20. Woche fortgeschritten ist (Crespigny & Dredge 1993, 159; Miny & Holzgreve 2000). Aussagekraft der Untersuchung: Während der Triple-Test in anderen Ländern als Routineuntersuchung durchgeführt wird, begegnet man ihm im deutschsprachigen Raum häufig mit Skepsis, so Miny und Holzgreve (2000). Zum Teil auch, weil die Untersuchungen oft unreflektiert und übereilt, ohne ausreichende Aufklärung und eventuell auch ohne nötige Kenntnisse auf Seiten der Untersuchenden durchgeführt werden. Zur Zeit wird in Deutschland ein formalisiertes Qualitätssicherungsprogramm entwickelt, um diesen Mängeln entgegen zu wirken. Unterschiedliche Studien des Triple-Tests ergeben, dass die Entdeckungsrate für DownSyndrom bei 60% und die Falschpositivrate (Test fällt fälschlicher Weise positiv aus) bei 5% liegt (Miny & Holzgreve 2000). Man kommt zu einem genaueren Ergebnis, wenn das Schwangerschaftsalter nicht in Bezug auf die letzte Regel sondern sonografisch ermittelt wird. Eine höhere Entdeckungsrate weist gleichzeitig eine höhere Falschpositivrate auf (Tab. 2). Tab. 2: Zusammenhang von Entdeckungsrate und Falschpostivrate beim Down-Syndrom Risiko-Screening. (Miny & Holzgreve 2000, 289) Von Mai 1991 bis Januar 1994 wurde an der Universitätsklinik in Münster eine Studie zur Aussagekraft des Triple-Tests durchgeführt. 6081 Frauen wurden untersucht, davon konnten 871 Blutproben nicht berücksichtigt werden, weil sie entweder zu früh oder zu spät entnommen wurden. Von den übrigen 5210 Proben wurden 193 (3,7%) positiv auf einen Neuralrohr-Defekt getestet, 722 (13,8%) positiv für Down-Syndrom und 26 (0,5%) positiv sowohl auf Down-Syndrom als auch auf einen Neuralrohr-Defekt. 512 Frauen (68,5%) entschieden sich nach dem auffälligen Triple-Test (positiv für Down-Syndrom) für eine Amniozentese. Letztendlich wurden nach dem Triple-Test-Screening und anschließender Amniozentese 16 Kinder (3,1%) mit Down-Syndrom identifiziert. Die relativ hohe Rate an Kindern, die mit dem Triple-Test positiv auf das Down-Syndrom getestet wurde, ist auf die Altersverteilung der Testpersonen zurückzuführen. Der Median des mütterlichen Alters lag bei 31,4 Jahren. Die Testergebnisse der Studie in Münster zeigen auch, dass mit Hilfe des Triple-Tests das erhöhte Risiko für andere Chromosomen-Aberrationen, wie zum Beispiel Trisomie 18, aufgedeckt werden kann (Holzgreve, Schloo, Schlegel, Tercanli & Schneider 1994). Bei Anwendung des Triple-Tests ist nicht nur die Kompetenz des Arztes, sondern ganz besonders ein gewisses Einfühlungsvermögen und eine realistische Darstellung des Ergebnisses, gefragt. Risikoeinschätzung dieser Methode: Da es sich nur um eine Untersuchung des Blutes der Mutter handelt, besteht keinerlei erhöhtes Risiko weder für den Fetus noch für die Mutter. Psychisch kann sich die Untersuchung auf das Erleben der Schwangerschaft auswirken, da die Aussagekräftigkeit des Tests oft überschätzt wird und die Eltern dadurch verunsichert werden (Baumann-Hölzle et al. 1995, 31; Hennen, Petermann & Sauter 2001, 73). Horst und Nippert (1994, 23f.) konnten belegen, dass ein „auffälliger“ Triple-Test-Befund häufig große Beunruhigung bei der schwangeren Frau nach sich zieht. 61% der Frauen gaben an, dass das Ergebnis sie sehr stark und 23%, dass es sie stark beeinflusste. In den meisten Fällen wurde ein invasives Verfahren zur genaueren Aufklärung gewünscht. Der Mehrzahl der Frauen war vor dem Test nicht bekannt, dass die einzige Option zur weitergehenden Abklärung die Inanspruchnahme eines invasiven Verfahren ist. Die Mehrzahl der Frauen gab außerdem an, dass sie vor der Testdurchführung nicht explizit gefragt und aufgeklärt worden seien. Nippert und Horst (1994, 26f.) stellten sowohl vor der Testdurchführung als auch bei Eröffnung des Testergebnisses ein erhebliches Informationsdefizit fest. 2.1.3 Extraktion fetaler Zellen aus dem Blut der Mutter Methode: Diese Methode ist noch im Entwicklungsstadium und wird in der Praxis im Moment noch kaum angewendet. Holzgreve, Garritsen und Ganshirt-Ahlert (1992) sind der Ansicht, dass sich dieser Test in den nächsten Jahren erheblich verbessern und es somit möglich sein wird, eine vorgeburtliche Untersuchung anzubieten, die nicht-invasiv ist und keinerlei Auswirkungen auf die physische Befindlichkeit während der Schwangerschaft hat. Der schwangeren Frau wird lediglich Blut abgenommen, aus dem dann mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren kindliche Zellen extrahiert und untersucht werden. Damit diese Untersuchung zu einem klärenden Ergebnis führt, müssen drei Schritte erfolgreich durchgeführt werden: Als erstes markiert man die fetalen Zellen im mütterlichen Blut. Da diese Zellen nur in äußerst geringen Mengen im Blutkreislauf der Mutter vorhanden sind, ist es nötig, sie in einem weiteren Schritt zu vermehren. Anschließend können die Zellen mit Hilfe ausgewählter und genauer Untersuchungen identifiziert werden (Chueh & Globus 1990, zitiert in Holzgreve, Garritsen & Ganshirt-Ahlert 1992; Baumann-Hölzle et al. 1995). Mit Hilfe der FISH-Technik (FISH: fluorescence in situ hybridization) ist es Forschern gelungen, fetale Zellen im mütterlichen Blutkreislauf zu identifizieren. Anfang der 90er Jahre gelang es erstmals, Trisomie 18 und Trisomie 21 an Hand fetaler Zellen aus dem Blut der Mutter zu identifizieren (Sherman 1993). Dieses Verfahren ist aber bei weitem noch nicht ausreichend erforscht, um es als Routineuntersuchung bei (Risiko-) Schwangerschaften anzuwenden. In den nächsten Jahren wird man versuchen, die Filtermethode der fetalen Zellen zu optimieren (Holzgreve, Garritsen & Ganshirt-Ahlert 1992). In Münster (Deutschland) und in den USA wird dieser so genannte „Münstertest“ oder auch „FISH-Test“ weiter erforscht (Baumann-Hölzle et al. 1995). Zeitpunkt der Anwendung: Prinzipiell kann die Blutentnahme während der gesamten Schwangerschaft durchgeführt werden. Man ist sich aber noch nicht darüber im Klaren, ob immer gleich viele fetale Zellen im Blutkreislauf vorhanden sind, ob die Anzahl individuell von Schwangerschaft zu Schwangerschaft differiert oder ob fetale Zellen auch noch nach der Schwangerschaft im Blutkreislauf der Mutter vorhanden sind (Holzgreve, Garritsen und Ganshirt-Ahlert 1992). Aussagekraft der Untersuchung: Baumann-Hölzle et al. (1995) gehen davon aus, dass die Testergebnisse zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft genau sind. Es ist möglich, Chromosomenanomalien, Erbkrankheiten und das Geschlecht des Kindes zu bestimmen. Risikoeinschätzung: Die reine Blutentnahme stellt kein Risiko für Mutter und Kind dar. Durch die mögliche Einführung des „FISH-Tests“ als Screening-Verfahren für alle schwangeren Frauen in der Zukunft entstehen ethische Diskussionspunkte. Damit wäre es möglich, alle erkennbar genetisch geschädigten Feten und Embryonen zu bestimmen, wobei sich aber der psychische Druck, bei einem genetischen Defekt eventuell einen Schwangerschafts-abbruch vorzunehmen, auf alle Frauen ausweiten würde (Baumann-Hölzle et al. 1995). 2.1.4 Weitere Verfahren Obligatorisch ist bei jeder Schwangerschaft, besonders gegen Ende, das Abtasten des Bauches und somit die Bestimmung der Lage des Kindes. Dazu wendet der untersuchende Arzt vier unterschiedliche „Leopold-Handgriffe“ an. Durch diese ist es möglich, den Kopf, die Extremitäten und die Lage des kindlichen Rückens zu ertasten, um somit auch eventuelle Besonderheiten bei der Geburt berücksichtigen zu können. Die Kindsbewegungen, die zwischen der 17. und 20. Schwangerschaftswoche für die Frau spürbar werden, können objektiv mit Hilfe der „Kineoto-Kardiotokographie“ erfasst werden. Bemerkt die schwangere Frau selbst eine starke Verringerung der Bewegung des Kindes, kann dies auf eine Gefährdung des Embryo hinweisen. Die Abnahme der Anzahl von Kindsbewegungen gilt als Spätwarnzeichen, um weiterführende Diagnostik anzuwenden. Außerdem wird die Herzfrequenz des Kindes mit Hilfe unterschiedlicher Methoden überwacht und abgehört (Ehrlich 1993, 22; Schneider 2000; Pfleiderer 2000). 2.2 Invasive Verfahren Die invasiven Verfahren sind keine Routineuntersuchungen und werden nur bei bestimmten Indikatoren einer Risikoschwangerschaft und im Idealfall nach einer genetischen Beratung angewendet. Im Folgenden soll zunächst kurz dargestellt werden, unter welchen Bedingungen man von einer Risikoschwangerschaft (siehe 4.1.2) spricht, bevor die Verfahren im Einzelnen erläutert werden. Nach Murken (1987) wird eine Risikoschwangerschaft festgestellt, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Hohes Risiko • Monogene Leiden 10%-50% • Pränataler Virusinfekt im 1./2. Monat Mittleres Risiko • Alter der Mutter > 35 2%-10% • Multifaktorelle Leiden, zum Beispiel auffälliger Ultraschallbefund Niedriges Risiko 1%-2% • Pränataler Virusinfekt im 3./4. Monat • Vorangegangenes Kind mit Chromosomen-Aberration Tab. 3: Kriterien für eine Risikoschwangerschaft. (Murken 1987, 8) Bei Anwendung eines invasiven Verfahrens entsteht ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt. Dies sollte jeder Frau bewusst sein, bevor sie sich einer Untersuchung unterzieht. Die Abortwahrscheinlichkeit hängt vom Zeitpunkt des Eingriffs und der Erfahrung des durchführenden Arztes ab (Braga, Kind & Haug 1993; Wilken 2002). Die am häufigsten durchgeführten invasiven Verfahren sollen im Folgenden chronologisch geordnet nach dem üblichen Zeitpunkt der Durchführung während der Schwangerschaft erläutert werden. 2.2.1. Chorionzottenbiopsie Methode: Bei der Chorionzottenbiopsie wird eine Nadel bzw. eine Kanüle unter Ultraschallkontrolle in die Plazenta eingeführt, um dann mit Hilfe einer Spritze eine Gewebeprobe zu entnehmen. „Als Chorion bezeichnet man den embryonalen oder fetalen Teil der Plazenta, von dessen Oberfläche zahlreiche fingerartige Strukturen oder ‚Zotten’ nach außen in die Auskleidung der Gebärmutter hineinragen“ (Crespigny & Dredge 1993, 124). Erstmals wurde die Chorionzottenbiopsie 1968 in Dänemark durchgeführt. Sie wurde dann aber auf Grund zu vieler Fehlgeburten wieder verworfen. Nach einigen weltweiten Versuchen und Änderungen wurde 1984 eine neue, risikoärmere Methode, die transabdominale Chorionzottenbiopsie (Abb. 3), eingesetzt. Hierbei wird die Nadel ähnlich wie bei der Abb. 3: Schematische Darstellung der transabdominalen Chorionzotten-Entnahme. (Tercanli & Holzgreve 2000, 325) Abb. 4: Schematische Darstellung der trankszervikalen Chorionzotten-Entnahme. (Tercanli & Holzgreve 2000, 324) Amniozentese (siehe 2.2.2) durch Bauchdecke und Gebärmutter in das Chorion eingeführt. Eine weitere Methode besteht darin, eine Kanüle durch Gebärmutterhals und Muttermund in die Gebärmutter und dann in die Nähe der Plazenta zu schieben. Diese Vorgehensweise nennt man transzervikale Chorionzottenbiopsie (Abb. 4). Die Wahl der Methode hängt sehr stark von der Erfahrung des behandelnden Arztes ab (Crespigny & Dredge 1993, 124ff.; Tercanli & Holzgreve 2000). Die Chorionzottenbiopsie ermöglicht im Gegensatz zur Amniozentese eine rasche Karyotypisierung bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel. Der eigentliche Durchbruch dieser Methode kam durch den vermehrten Einsatz von Ultraschalluntersuchungen Mitte der 80er Jahre (Tercanli & Holzgreve 2000). In einigen Kliniken beobachtet man einen Umschwung von der Amniozentese zur Chorionzottenbiopsie. Das frühere Ergebnis der Untersuchung ist ein Vorteil, allerdings ist die Abortrate, laut Crespigny und Dredge (1993, 124) auch höher als bei der Fruchtwasseruntersuchung. Beide Methoden sind meist nicht sehr schmerzhaft. Der Eingriff wird ambulant durchgeführt und es wird empfohlen, sich in den folgenden Tagen etwas zu schonen (Crespigny & Dredge 1993, 124ff.). Die aus der äußeren Begrenzung der Fruchtblase entnommenen Zotten sind – im Gegensatz zu den Zellen, die man bei einer Fruchtwasseruntersuchung entnimmt – vital, das heißt, sie können direkt untersucht werden und es muss nicht erst eine Zell-Kultur angelegt werden. Das Ergebnis liegt folglich binnen einer Woche vor (Degener & Köbsell 1992, 48f.). Zeitraum der Anwendung: Die Chorionzottenbiopsie wird dann durchgeführt, wenn eine Karyotypisierung zu einem frühen Zeitpunkt erwünscht ist. Die Chorionzotten entwickeln sich ab der vierten und sind bis zur sechsten Schwangerschaftswoche über das ganze Chorion ausgebreitet. Daher ergibt sich als günstiger Zeitpunkt für die Durchführung dieser Methode die 8.-12. Schwangerschaftswoche. Danach bilden sich die Chorionzotten zur Plazenta aus. Zu diesem Zeitpunkt ist ein weiteres pränataldiagnostisches Verfahren möglich, das ähnlich wie die Chorionzottenbiopsie durchgeführt wird: die Plazentazentese oder auch Plazentabiopsie, die hier nur genannt werden soll (Brusis 1987; Tercanli & Holzgreve 2000). Die Chorionzottenbiopsie wird deshalb von vielen Frauen in Anspruch genommen, weil sie das Ergebnis bereits relativ früh, das heißt ungefähr in der 13. Schwangerschafts-woche, erfahren. Zu diesem Zeitpunkt ist die Schwangerschaft für andere noch nicht sichtbar und die Frau selbst spürt noch keine Bewegungen ihres Kindes – die Bindung scheint noch nicht so groß zu sein. Falls sich die werdenden Eltern in diesem Fall für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, müssen keine Wehen eingeleitet werden, da die Schwangerschaft noch durch Ausschaben des Embryos beendet werden kann (Crespigny & Dredge 1993, 126f.). Aussagekraft der Untersuchung: Voraussetzung für einen aussagekräftigen Befund ist ausreichend vorhandenes Material. Bei der Durchführung einer Studie in München gab es bei 5,8 % der untersuchten Frauen kein aussagekräftiges Ergebnis und bei 2,0 % war es sehr unsicher. Das heißt, um sicher zu gehen, musste ein weiteres pränataldiagnostisches Verfahren durchgeführt werden. Obwohl genügend Material für die Untersuchung vorlag, war die Diagnose in einigen Fällen ungewiss (Degener & Köbsell 1992, 49). Ein technischer Fehler, zu wenig Gewebe oder ein Laborfehler ist bei diesem Verfahren häufiger als bei der Fruchtwasseruntersuchung. Die Wiederholungsrate liegt zwischen zwei und zehn Prozent, je nach Erfahrung und Fertigkeit des Arztes. Die höhere Fehlerquote ist auf das schwierigere Verfahren zurückzuführen. Misslingt die erste Untersuchung, muss sie wiederholt werden. In manchen Fällen wird dann auch eine Amniozentese (siehe 2.2.2) durchgeführt. Letztendlich sind mit Hilfe der Chorionzottenbiopsie verschiedene Krankheiten und Chromosomenanomalien zu diagnostizieren. Allerdings kann mit Hilfe dieses Verfahrens nicht festgestellt werden, ob bei dem Kind eine Spina bifida vorliegt. Diese kann mittlerweile bei einer Ultraschalluntersuchung zwischen der 16. und 20. Schwangerschaftswoche festgestellt werden (Crespigny & Dredge 1993, 124ff.). Risikoeinschätzung dieser Methode: Da die Chorionzottenbiopsie eines der neueren Verfahren der pränatalen Diagnostik ist, werden bezüglich der Risikowahrscheinlichkeit oft Vergleiche mit der Amniozentese gezogen. Infektionen durch das Einführen der Nadel, vaginal oder transabdominal sind grundsätzlich möglich, bleiben allerdings bei einer sauberen Arbeitsweise nahezu aus. Auf Grund des invasiven Verfahrens besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Fehlgeburt. Die Abortrate kann nur schwierig mit der Abortrate nach einer Amniozentese verglichen werden, da es prinzipiell in der Frühschwangerschaft eine größere Anzahl an Fehlgeburten gibt (Brusis 1987). Allgemein ist es schwierig festzulegen, wann eine Fehlgeburt auf die vorherige Untersuchung zurückzuführen ist. Abhängig vom Alter der schwangeren Frau liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlgeburt ohne vorherige Untersuchung bei circa 2,5% (nach der 10. Woche). Zwei Studien, die laut Crespigny und Dredge (1993, 133ff.) in den USA und Kanada durchgeführt worden sind, zeigen, dass die Abortrate, je nach Durchführung des Verfahrens, zwischen 3,2% und 4,3% liegt. Von 1984 bis 1986 beteiligten sich bis zu 50 Zentren an einer Studie zur Erfassung des Risikos der Chorionzottenbiopsie. Abortrate nach Chorionzottenbiopsie Oktober 1984 April 1985 Dezember 1986 N=2241 N=4586 N=10701 absolut relativ absolut relativ absolut relativ 82 3,6 167 3,6 326 3,3 Tab. 4: Abortrate nach Durchführung der Chorionzottenbiopsie. (Brusis 1987, 59) Brusis (1987) geht davon aus, dass man die Abortrate nach einer Chorionzottenbiopsie zwischen 3% und 5% ansiedeln sollte. Baumann-Hölzle et al. (1995) gehen davon aus, dass das Fehlgeburtrisiko auf Grund der Untersuchung zwischen 1,5% und 4% liegt. Hennen, Petermann und Sauter (2001, 72) stufen das Risiko für eine Frühgeburt auf Grund der Chorionzottenbiopsie zwischen 1% und 4% ein. Neueren Untersuchungen zu Folge vertreten Tercanli und Holzgreve (2000) die Auffassung, dass kein signifikanter Unterschied im Fehlgeburtsrisiko zwischen der Chorionzottenbiopsie und der Amniozentese auftritt. Weitere Komplikationen sind selten. Allerdings treten einige wenige Fälle auf, in denen Kinder nach einer Untersuchung Extremitäten-Defekte aufweisen. Hierfür besteht die Gefahr besonders bei äußerst frühen Eingriffen. Daher soll eine Chorionzottenbiopsie möglichst nicht vor der 10. Schwanger-schaftswoche durchgeführt werden. Anwendungshäufigkeit: Die Anzahl der invasiven vorgeburtlichen Diagnostik nimmt stetig zu mit der Tendenz, sich auf alle schwangeren Frauen auszuweiten, so Nippert (1997). Die Verlaufskurve gibt einen Einblick in die Zunahme der Chorionzottenbiopsien im Bundesland Bayern in den letzten Jahren (Tab. 5). Anzahl der Chorionzottenbiopsien 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1999 2000 2001 Tab. 5: Statistik über die Anzahl der durchgeführten Chorionzottenbiopsien in Bayern im Zeitraum von 1987 bis 2001. (BAQ 1987-1998 & BAQ 1999-2001) 2.2.2 Amniozentese Methode: Die klassische Methode der Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) wird seit Beginn der 70er Jahre durchgeführt. Unter Ultraschallkontrolle wird eine dünne Nadel durch die Bauchdecke der schwangeren Frau in die Fruchtblase eingestochen (Abb. 5). Mit Hilfe einer Spritze wird circa 12 ml Fruchtwasser aufgezogen, welches dann untersucht werden kann (Stengel-Rutkowski 1997; Tercanli & Holzgreve 2000). Das entnommene Frucht-wasser enthält abgelöste, lebende Zellen des ungeborenen Kindes, welche im Labor bis zur Zellteilung kultiviert werden. Daraufhin sind eine Chromosomen-Analyse, eine DNA-Analyse und auch weitere biochemische Tests möglich (Stengel-Rutkowski 1997; Kirchner-Asbrock Abb. 5: Schematische Darstellung der Amniozentese. (Breckwoldt 2000, 295) & Kurmann 1998; Tercanli & Holzgreve 2000). Seitdem das Verfahren unter permanenter Ultraschallkontrolle angewendet wird, lassen sich unbeabsichtigte Verletzungen der Plazenta und des Fetus besser vermeiden (Brusis 1987). Früher war die Amniozentese teils mit Krankenhausaufenthalt oder strenger Bettruhe verbunden, heutzutage ist sie ein ambulanter Eingriff. Einige Frauen fühlen sich erschöpft und es wird empfohlen, sich etwas zu schonen. Oft ist es weniger eine physische, sondern eher eine emotionale Erschöpfung (Crespigny & Dredge 1993, 115). Zeitpunkt der Anwendung: Die Fruchtwasseruntersuchung ist keine Routineuntersuchung und wird nur dann angewendet, wenn bestimmte Indikatoren vorliegen, zum Beispiel ein erhöhtes Alter der Mutter (> 35), ein positives Ergebnis aus einem Screening-Verfahren oder wenn es bereits ein Kind mit Chromosomenanomalie in der Familie gibt (Miny & Holzgreve 2000). Eine Amniozentese kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft durchgeführt werden, wird allerdings in den meisten Fällen ab der 15. Schwangerschaftswoche angewendet, da häufig erst dann genügend Fruchtwasser vorhanden ist. Die Auswertung dauert etwa zwei Wochen, so dass das Resultat erst bekannt ist, wenn die Schwangerschaft schon bis zur Hälfte fortgeschritten ist. Der Fetus ist dann meist schon spürbar (Braga et al. 1993). Sowohl Frühamniozentesen vor der 15. Schwangerschaftswoche, als auch Spätamniozentesen nach der 22. Schwangerschaftswoche sind grundsätzlich möglich, allerdings mit größeren Risiken behaftet (Stengel-Rutkowski 1997; Tercanli & Holzgreve 2000). Aussagekraft der Untersuchung: Die Untersuchung ist in den letzten Jahren sehr verfeinert worden, und man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass sie erfolgreich durchgeführt wird. Allerdings kann es auch bei erfahrenen Ärzten zu Problemen kommen und bei durchschnittlich 1% der Frauen muss die Untersuchung wiederholt werden, so Miny und Holzgreve (2000). Die Amniozentese bietet eine zuverlässige Methode zum Ausschluss bzw. zur Diagnose von kindlichen Erkrankungen. „Die diagnostische Zuverlässigkeit ist hoch“ (Miny & Holzgreve 1990, 50). Risiko der Anwendung: Auf Grund des Einstichs in die Gebärmutter birgt die Amniozentese einige Risiken und Nebenwirkungen, die zu Komplikationen für die Mutter oder den Fetus führen können. Diese müssen vor dem Eingriff kritisch betrachtet werden und in das Verhältnis zu dem zu erwartenden Ergebnis gesetzt werden (Brusis 1987). Die am meisten gefürchtete Komplikation ist eine durch die Untersuchung verursachte Fehlgeburt. 1991 veröffentlichte Clees seine Dissertation, in der er 12157 Fruchtwasseruntersuchungen im Zeitraum zwischen 1972 und 1985 auswertete und auch die Abortrate untersuchte. Insgesamt kam es bei den 12157 durchgeführten Amniozentesen in der Uni-Frauenklinik Ulm zu 139 Aborten (1,1%) (Clees 1991, 104). Es wurden laut Brusis (1987) einige Studien durchgeführt, um dies zu überprüfen bzw. zu widerlegen. Allerdings zeigten alle Untersuchungen eine erhöhte Fehlgeburtenzahl nach einer Fruchtwasseruntersuchung. In der folgenden Tabelle (Tab. 6) sind zwei weitere Studien angeführt, die zur Aufdeckung der Abortrate nach einer Amniozentese durchgeführt wurden. Abortrate nach Amniozentese DFG-Studie N=9017 absolut relativ 106 1,8 1.UFK München N=1159 absolut relativ 16 1,3 Tab. 6: Abortrate nach Durchführung der Amniozentese. (Brusis 1987, 59) Das Risiko genau zu quantifizieren ist schwierig, da Ärzte unterschiedliche Methoden verwenden. Baumann-Hölzle et al. (1995) gehen davon aus, dass das Fehlgeburtenrisiko meist unter 1% angegeben wird. Crespigny und Dredge (1993, 116) stützen ihre Annahme, dass die Fruchtwasseruntersuchung die Abortrate von 0,7% (nach der 16.Woche) um ungefähr 0,5 Prozentpunkte erhöht, auf weltweite Untersuchungen. Hennen, Petermann und Sauter (2001, 72) gehen von einem Abortrisiko von circa 1% aus. Viele Frauen fürchten, dass die Nadel das Kind in ihrer Gebärmutter treffen könnte. Die meisten Verletzungen entstanden hingegen, als die Amniozentese noch ohne Verwendung des Ultraschalls durchgeführt wurde. Dieser ermöglicht heute, dass der Arzt die Nadel genauestens beobachten und lenken kann. Damit kann er auch jeder Bewegung des Kindes ausweichen. Andere Studien, in denen die Kinder nach der Fruchtwasseruntersuchung beobachtet wurden, zeigten keine weiteren Risikofaktoren (Brusis, 1987; Crespigny & Dredge 1993, 116f.). Für die Mutter sind die Untersuchungsrisiken gering. Theoretisch kann das Eindringen der Nadel in die Gebärmutter eine Infektion erzeugen. Dies ist aber nur äußerst selten der Fall. Neuere Studien zeigen, laut Crespigny und Dredge (1993, 115ff.), dass bei 2% bis 3% der Untersuchungen ein zweites Einführen der Nadel nötig ist. Es scheint, dass die Abortrate mit jedem Nadeleinstich steigt. Anwendungshäufigkeit: Das folgende Diagramm zeigt die Anzahl der durchgeführten Amniozentesen bis zur 22. Schwangerschaftswoche in Bayern in den letzten Jahren (Tab. 7). Der nicht so rasante Anstieg ist wohl darauf zurückzuführen, dass immer mehr Frauen die zeitlich eher durchgeführte Chorionzottenbiopsie für sich in Anspruch nehmen. Anzahl der Amniozentesen bis zur 22. Schwangerschaftswoche 10000 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 b. 7: Statistik über die Anzahl der durchgeführten Amniozentesen im Zeitraum von 1987 bis 2001. (BAQ 1987-1998 & BAQ 1999-2001) 2.2.3 Kordozentese 2001 Ta Methode: Die Methode der Kordozentese (Nabelschnurpunktion) wurde erstmals 1983 vorgestellt (Daffos, Capella-Pavlovsky & Forrestier 1983, zitiert nach Arias 1994, 61). Eine Methode zur Gewinnung fetalen Blutes ist die Kordozentese. Hierbei wird ähnlich wie bei den zuvor aufgeführten invasiven Verfahren unter Ultraschallbeobachtung eine dünne Nadel durch die Bauchdecke und die Gebärmutter der schwangeren Frau in die Nabelschnur gestochen, um so fetales Blut zu gewinnen (Abb. 6) (Tercanli & Holzgreve Abb. 6: Schematische Darstellung der Kordozentese unter Ultraschallansicht. (Tercanli & Holzgreve 2000, 330) 2000). „Sobald die Nadel die Nabelschnur erreicht hat, wird sie solange hin und her bewegt, bis ihre Spitze in eines der Blutgefäße eindringt und man Blut in die Spritze aufziehen kann” (Crespigny & Dredge 1993, 165). Für die Karyotypisierung benötigt man circa 1 ml des fetalen Blutes. Bevor ein Karyogramm erstellt wird, geht man mit Hilfe eines Schnelltestes sicher, dass es sich bei der Probe nicht um Blut der Mutter handelt. Für die Empfindung der Frau unterscheidet sich diese Methode im Prinzip nicht von der Amniozentese (Arias 1994, 61). Das Verfahren wird meist dann angewendet, wenn Auskunft über die Blutgruppe des Kindes nötig ist: bei Verdacht auf eine fetale Anämie oder andere den Blutkreislauf des Kindes betreffende Schädigungen oder auch zur Chromosomenanalyse. Letztere ist häufig dann erforderlich, wenn die Kordozentese durchgeführt wird, nachdem eine vorherige Untersuchung Unklarheiten aufweist und man möglichst schnell das Ergebnis bestätigen möchte (Breckwoldt 2000). Zeitpunkt der Anwendung: Der Eingriff kann jederzeit nach der 16. Schwangerschaftswoche vorgenommen werden. Die Punktion ist einfacher, je weiter die Schwangerschaft bereits fortgeschritten ist, da die Nabelschnur dann dicker ist. Daher kann die Nadelschnurpunktion auch dann noch durchgeführt werden, wenn es für die vorher beschriebenen invasiven Verfahren bereits zu spät ist (Crespigny & Dredge 1993, 165; Baumann-Hölzle et al. 1995, 33). Liegt eine Rhesus-Unverträglichkeit bei Mutter und Kind vor, kann auf diese Weise das Ausmaß bestimmt werden und gegebenenfalls eine Bluttransfusion durchgeführt werden. Die Nabelschnurpunktion bietet eine schnellere und zuverlässigere Diagnostik als die Fruchtwasseruntersuchung. Das Ergebnis liegt spätestens innerhalb einer Woche vor (Wolfdietrich 1987). Arias (1994) stellt fest, dass der Eingriff nach der 25. Schwangerschaftswoche relativ einfach ist, während er um die 18. Schwangerschaftswoche nur von einem äußerst erfahrenen Arzt durchgeführt werden sollte. Aussagekraft der Untersuchung: Das entnommene Blut muss sorgfältig daraufhin überprüft werden, ob es auch sicher reines fetales Blut ist. Erst dann kann man eine aussagekräftige Diagnostik vornehmen (Tercanli & Holzgreve 2000). Die Untersuchungsergebnisse sind auf Grund des Zugangs zu fetalem Blut sehr genau (Baumann-Hölzle et al. 1995, 33). Risiko der Anwendung: Wenn der Eingriff von einem erfahrenen Arzt durchgeführt wird, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlgeburt bei circa 1%, stark abhängig von dem Verlauf der Schwangerschaft. In durchgeführten Studien lag die Verletzungshäufigkeit des Fetus unter 1% und die Abortwahrscheinlichkeit zwischen 1% und 5% (Tercanli & Holzgreve 2000). Baumann-Hölzle et al. (1995, 33) gehen davon aus, dass die Fehlgeburtsrate zwischen 2% und 7% liegt. Neben dem Tod des Kindes besteht ein weiteres Risiko darin, dass der Einstich zu anhaltender Blutung der Nabelschnur führen kann. In den meisten Fällen kommt die Blutung aber nach weniger als einer Minute zum Stillstand (Crespigny & Dredge 1993, 166; Baumann-Hölzle et al. 1995, 33). 2.2.4 Weitere Verfahren Die folgenden Verfahren sollen der Vollständigkeit halber auch genannt werden, wobei deren Anwendung weit weniger verbreitet ist als die Chorionzottenbiopsie, die Amniozentese und die Nabelschnurpunktion. Die Amnioskopie wird heute fast nicht mehr angewendet. Sie ermöglicht die qualitative Beurteilung des Fruchtwassers durch eine Spiegelung des Vorwassers. Die Fetoskopie ist die unmittelbare Betrachtung des Fetus (Abb. 7). Sie wird in der Regel zwischen der 16. und 18. Schwangerschaftswoche durchgeführt und bietet einen unmittel-baren Blick auf den Fetus. Hierzu wird ein Endoskop in die Aminonhöhle eingeführt. Untersuchung Diagnose dient von hauptsächlich Hautkrankheiten Diese der und Fehlbildungen, die mit Hilfe des Ultra-schalls Abb. 7: Schematische Darstellung der Fetoskopie. (Tercanli & Holzgreve 2000, 327) nicht erkennbar sind. Dieses Verfahren wird nur in seltenen Fällen durchgeführt und geht auf eine spezielle Indikation zurück (Breckwoldt 2000). 2.3 Präimplantationsdiagnostik Auf Grund der aktuellen Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik, des engen Bezugs, den sie zur pränatalen Diagnostik hat und ähnlicher ethischer Diskussionen, die dabei entstehen, soll in diesem Punkt ein Überblick über den momentanen Stand der Präimplantationsdiagnostik gegeben werden. Unter Präimplantationsdiagnostik versteht man „die Diagnostik an einem in-vitro befindlichen Embryo vor seinem Transfer in den mütterlichen Organismus“ (Hillebrand, Lanzerath, Piro, Schmitz & Weiffen 2003). Nach der Befruchtung im Reagenzglas werden dem Embryo, in den ersten Teilungsstadien – meist am dritten Tag nach der Befruchtung – Zellen entnommen, die man auf das Vorliegen krankheitsrelevanter Merkmale untersucht. Wenn ein positiver Befund aufgedeckt wird, dann wird der Embryo nicht in den Mutterleib eingepflanzt. Bei der Präimplantationsdiagnostik wird eine Zelle in einem Stadium verwendet, das als totipotent gilt. Das heißt, aus der extrahierten Zelle hätte sich noch ein Embryo entwickeln können (Schneider 1999; Hillebrand, Lanzerath, Piro, Schmitz & Weiffen 2003). Dieses Verfahren ist in Deutschland auf Grund des am 13. Dezember 1990 in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetzes nicht erlaubt (siehe 4.2.2) (Pfleiderer 2000). Eindeutig verboten ist die Entnahme totipotenter Zellen. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft kann erst bei Embryonalzellen jenseits des 16. Zellstadiums davon ausgegangen werden, dass sie keine Totipotenz mehr aufweisen, das heißt, die Herstellung zu einem anderen Zweck als zum Herbeiführen einer Schwangerschaft kann ausgeschlossen werden (Hennen, Petermann & Sauter 2001, 90f.). Kollek (2000) ist der Ansicht, dass nicht die Entnahme der Zellen zum Zweck der Diagnostik gesetzeswidrig ist, sondern die bei positivem Befund folgende Vernichtung des Embryos. In zehn Staaten der Europäischen Union und in den USA wird die Präimplantationsdiagnostik jedoch „erfolgreich“ durchgeführt. Weltweit wurden bereits mehr als 100 Kinder mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik geboren. In Deutschland gibt es unter den verschiedensten Personengruppen hohen Diskussionsbedarf (Ärzte Zeitung 2001). Die Bundesärztekammer greift 2000 in einem Diskussionsentwurf zentrale Punkte auf. Im Zentrum der ethischen Diskussion steht die Tatsache, dass ein Embryo mit einer genetischen Schädigung nicht transferiert wird. Grundsätzliche ethische Entscheidungen betreffen in diesem Fall primär die Eltern und Ärzte, die sich mit der Präimplantationsdiagnostik beschäftigen. Sekundär wirkt sie sich aber auch auf die Gesellschaft und deren Menschenbild aus. Ebenso wie bei der Pränataldiagnostik kann immer mehr das unreflektierte Bild entstehen, Behinderung sei vermeidbar und brauche es in der heutigen Zeit nicht mehr zu geben. Denkbar wäre im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik nicht nur die frühe Selektion einer Chromosomen-Aberration, sondern zum Beispiel auch die frühe Geschlechtswahl des Kindes (Willenbring 1999, 40). Die Bundesärztekammer (2000) möchte in ihrem Diskussionsentwurf zum gesamtgesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess beitragen. Die Präimplantationsdiagnostik deckt Sachverhalte auf, die nur schwer miteinander vereinbar sind. Auf der einen Seite verhilft ärztliches Handeln zu einer Schwangerschaft und zur Entwicklung neuen menschlichen Lebens, aber auf der anderen Seite wird diese Schwangerschaft nur unter Vorbehalt eines „gesunden Embryos“ ausgetragen. Die Frage, ob es sich bei Nicht-Einpflanzen eines Embryos um Tötung handelt oder nicht, wird von unterschiedlichen Personengruppen verschieden beantwortet. Die Bundesärztekammer orientiert sich an einem Menschenbild, das nicht davon geprägt ist, den Menschen auf die Summe seiner Gene zu reduzieren, „sondern vielmehr von Respekt vor allen Menschen, einschließlich denen mit geistigen, seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen“ (Bundesärztekammer 2000). Die Bundesärztekammer ist sich in ihrem Diskussionsentwurf einig, dass keinerlei eugenische Ziele anhand der Präimplantationsdiagnostik verfolgt werden dürfen. Die folgenden Punkte sind eindeutig keine Indikation für eine Präimplantationsdiagnostik: • Die Bestimmung des Geschlechts, ohne dass dies zur Krankheitsbestimmung notwendig ist • Das bereits fortgeschrittene Alter der Eltern • Eine Sterilitätstherapie durch assistierte Reproduktion (Bundesärztekammer 2000). Durch Fortschritte in der Forschung entstand eine Verbindung zweier unterschiedlicher Indikationsebenen. Zum einen ist die in-vitro-Fertilisation ein Verfahren, das einem ungewollt kinderlosen Paar zu einer Schwangerschaft verhelfen kann. Auf der anderen Seite bietet sich die Möglichkeit, die Embryonen auf mögliche genetische Defekte zu untersuchen und im Fall eines pathologischen Befundes den Embryo absterben zu lassen und die Schwangerschaft eines geschädigten Kindes nicht einzuleiten. Dieser selektive Einsatz, den die künstliche Befruchtung mit sich zieht, ist mit dem in Deutschland geltenden Embryonenschutzgesetz nicht vereinbar und daher gesetzlich verboten (Hepp 1999). Laut Hepp (2001) stellt sich die zentrale Frage: Berührt die Präimplantationsdiagnostik die Menschenwürde? Im Bereich der Naturwissenschaften ist man sich einig über den Beginn menschlichen Lebens, allerdings kann man den Beginn personalen Lebens nicht an Kategorien der Naturwissenschaften fest machen. „Es geht hierbei um die Einführung eines Wertaxioms: Ob und inwieweit wir neuem artspezifischen und in seiner Potenzialität auf personales Leben hin angelegten Leben Wertschätzung und damit Schutzwürdigkeit zuerkennen und vor allem, wie absolut wir diese setzen“ (Hepp 2001, 191). Hierzu gibt es in Europa keine einheitliche Meinung. In der folgenden Tabelle sind gesammelte Pro- und Contra-Argumente für die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik zusammengefasst (Tab. 8): PRO CONTRA Wunsch eines Paares mit starker genetischer Belastung auf ein gesundes Kind Bewertung embryonalen menschlichen Lebens unter dem Aspekt eventuell gezielter Selektion Psychische und physische Belastung durch späten Schwangerschaftsabbruch nach „Schwangerschaft auf Probe“ – Durchführung von Pränataldiagnostik Entscheidung zur Selektion leichter in-vitro als später in-vivo – Reduktion der Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben Diagnose einer genetischen Störung des Embryos vor Eintritt der Schwangerschaft Öffnung zur allgemeinen Akzeptanz und Anspruch auf das „Kind nach Maß“ Diskriminierung von Leid und Behinderung Eventuelle Verminderung der Lebenschance des „Restembryos“ durch diagnostische Manipulation Tab. 8: Pro- und Contra-Argumente der Präimplantationsdiagnostik. (Hepp 2001, 193) Mittels obiger Argumente wird der Interessenskonflikt deutlich, der sich durch diesen medizinischen „Fortschritt“ für betroffene Eltern, Ärzte und letztendlich für die Gesellschaft darstellt. Hepp (2001) spricht dem Für und Wider eine große Bedeutung bei, und eine Rangordnung hinsichtlich der ethischen Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik kann nicht aufgestellt werden. Eine klare Lösung des Konflikts ist nur durch den Verzicht einer weiteren Schwangerschaft oder die Adoption eines Kindes möglich. Ein Mittelweg könnte eingeschlagen werden, indem man die Präimplantationsdiagnostik nur für Frauen zugänglich macht, die an einer unheilbaren genetischen Krankheit leiden und mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik eine „Schwangerschaft auf Probe“ mit Spätabtreibung verhindern möchten. Dieses Zugeständnis müsste aber äußert kritisch betrachtet werden, da es ein erster Schritt in Richtung Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik wäre. Die Hemmschwelle, ein Kind auch bei einer weniger schwerwiegenden genetischen Abweichung abzutreiben, kann leicht überschritten werden. Da die Zukunft sicher neue und verbesserte Testmöglichkeiten bieten wird, ist die „zunehmende Inanspruchnahme eines umfangreichen ‚Check-up’ von Embryonen auf verschiedenste genetische Merkmale nicht auszuschließen“ (Hennen, Petermann & Sauter 2001, 88). Hepp (1999) betont, dass die Präimplantationsdiagnostik auf keinen Fall als vorverlegte Pränataldiagnostik betrachtet werden kann. Er geht davon aus, dass die konventionelle pränatale Diagnostik keinen primär selektiven Charakter hat. „Im Zentrum der konventionellen Pränatalmedizin steht der informative, über Beratung nicht selten lebenserhaltende und in Einzelfällen auch intrauterin-therapeutische Ansatz“ (Hepp 1999, 25f.). Wird die Pränataldiagnostik allerdings angewendet, um die Geburt eines gesunden Kindes zu erzwingen, so ist die Präimplantationsdiagnostik tatsächlich eine vorverlegte Pränataldiagnostik: Im Falle eines positiven Befundes wird die Schwangerschaft abgebrochen – das heißt es ist eine gezielte „Schwangerschaft auf Probe“. Geht man von dieser Analogie aus, ist die Präimplantationsdiagnostik nur dann rechtmäßig zu verbieten, wenn auch die „Schwangerschaft auf Probe“ ein Verstoß gegen das Gesetz ist. Durch die neuen Möglichkeiten sind wir dazu herausgefordert, uns mit ethischen, medizinischen und rechtlichen Argumenten kritisch auseinander zu setzen (Hepp 2001). 2.4 Reflexion Dieses Schaubild soll einen zusammenfassenden Überblick über nicht-invasive und invasive Verfahren geben (Abb. 8). Abb. 8: Überblick über nicht-invasive und invasive Verfahren der Pränataldiagnostik. (Murken 1987, 8) Nachdem ein Überblick über die unterschiedlichen Verfahren gegeben ist, stellt sich die Frage, inwieweit diese Untersuchungen zum Beispiel Einfluss auf die Anzahl der Kinder, die mit Down-Syndrom geboren werden, haben. Binkert, Mutter und Schinzel (1999) führten hierzu eine Studie durch, die aufdecken soll, inwieweit die pränatale Diagnostik die Häufigkeit von Neugeborenen mit Down-Syndrom beeinflusst. Durch die sich immer weiter verbreitenden Ultraschall-Screenings und das Triple-Test-Screening steigt die vorgeburtliche Entdeckungsrate von Kindern mit DownSyndrom, da auch Mütter unter 35 nach einem auffälligen Screening-Befund meist weitere Untersuchungen durchführen lassen. Bis circa 1985 wurde meist nur bei Frauen über 35 ein Kind mit Down-Syndrom durch Anwendung von pränataler Diagnostik erkannt. In der Zeitspanne von 1992 bis 1996 wurde bereits bei einem Drittel der 30- bis 34jährigen Frauen und bei einem Viertel der 25- bis 29jährigen eine Trisomie 21 pränatal nachgewiesen. Obwohl die Abbruchsrate nach dem pränatalen Befund eines Down- Syndrom Kindes sehr hoch ist, zeigten die Ergebnisse der Studie, dass die Häufigkeit der mit Trisomie 21 geborenen Kinder seit 1985 nicht rückläufig ist. Dieses Ergebnis lässt sich durch das Ansteigen des mittleren Alters der werdenden Mütter erklären. Zwischen 1980 und 1996 stieg das mittlere Alter einer Mutter von 26 auf 30 Jahre und damit auch die Wahrscheinlichkeit der Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom. In diesem Fall verhindert die pränatale Diagnostik eine Erhöhung der Kinder mit Down-Syndrom (Binkert, Mutter & Schinzel 1999). Die Zunahme des Interesses für pränataldiagnostische Verfahren und die Ausweitung pränataldiagnostischer Screening-Verfahren wird wahrscheinlich zukünftig einen Rückgang der Kinder mit Chromosomen-Anomalien zur Folge haben. „Ja zur Amniozentese nein zur Amniozentese ja zur Amnio ja zur Abtreibung ja zur Amnio“ Mutter (Katz Rothmann 1989, 58) 3. Entscheidung für oder gegen die Anwendung pränataldiagnostischer Verfahren Neben den Ultraschalluntersuchungen wird keines der pränataldiagnostischen Verfahren als Routineuntersuchung vorgeburtlichen angewendet. Untersuchung Daher (meist hängt invasive die Durchführung Verfahren) von einer weiteren unterschiedlichen Bedingungen ab. Der häufigste Indikator für weitere Untersuchungen ist das Alter der Mutter. In den folgenden Abschnitten sollen diese und weitere Bedingungen sowie die Voraussetzungen näher beleuchtet werden. Des Weiteren spielen meist das elterliche Wertesystem, die Kirche und die Medien eine wichtige Rolle bei der Entscheidung. Zur Verdeutlichung des Entscheidungsprozesses sollen ausgewählte Kommentare verschiedener Frauen dienen. Für viele Frauen ist die Entscheidung über Inanspruchnahme pränataler Diagnostik schwierig und bringt Konflikte mit sich, „da sie irreversibel ist und beträchtliche persönliche Konsequenzen nach sich ziehen kann“ (Wiedebusch 1997, 132). Laut Nippert und Horst (1994, 85) leiden Frauen auf Grund der Entscheidung für oder gegen ein pränatales Verfahren unter Ängsten und psychischem Stress. „Die psychische Belastung, die Gedanken, die oft unbeschreiblich sind, von Gefühlen hin und her gerissen, und man weiß gar nicht mehr, wie man sich entscheiden soll [...]“ Lehrerin, Alter 37, Indikation Alter (Nippert & Horst 1994, 85). Die Entscheidung für die pränatale Diagnostik wird zum Beispiel mit der Gesundheit des Kindes, Chromosomen-Aberrationen, Stoffwechselstörungen oder des „hohen“ Alters der Mutter begründet. In diesem Fall spricht man von einer „medizinischen Indikation“. Wird eine pränatale Diagnostik zum Beispiel auf Grund großer Ängste der Mutter vor einem behinderten Kind angewendet, so spricht man von einer „psychischen Indikation“ (Nippert 1994). Wie auch Bernath (1991) bin ich der Meinung, dass die Folgen der pränatalen Diagnostik im Falle eines positiven Befundes oft nur ungenügend dargestellt werden. Tatsache ist, dass die pränatale Diagnostik „heute nahezu ausschließlich auf die Feststellung einer Krankheit oder einer Schädigung mit nachfolgender Tötung des Krankheitsträgers abzielt“ und nur selten auf Therapiemaßnahmen (Bernath 1991, 130). In den folgenden Punkten soll ein Überblick über unterschiedliche Bedingungsvariablen gegeben werden (Abb. 9), von denen Frauen die Durchführung einer pränatal- diagnostischen Untersuchung abhängig machen, und die dann zu einem späteren Zeitpunkt eventuell den Ausgang der Schwangerschaft bestimmen. Abb. 9: Variablen bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme pränataler Diagnostik. (Wiedebusch 1997, 135) 3.1 Personenvariablen 3.1.1 Individuelle Risikoeinschätzung „Ich trau’ mich nicht, mich auf mein Gefühl zu verlassen“ Lehrerin, Alter 39 (Schindele 1990, 112). Ein Faktor für bzw. gegen die weitere Durchführung pränataldiagnostischer Untersuchungen hängt stark von der subjektiven Einschätzung des Risikos der jeweiligen Frau ab. Die Einschätzung des Risikos der Geburt eines behinderten Kindes geht mit der allgemeinen Risikowahrnehmung der Frau bzw. der werdenden Eltern einher. Neigt man eher dazu, jegliches Risiko zu meiden, auch für einen höheren Preis, oder ist man eher dazu geneigt, auf Grund fehlender Information auch nicht zu handeln (Wüstner 2000, 193)? Bezogen auf die pränatale Diagnostik könnte man dies so interpretieren: Möchte man zum Beispiel eher mit Durchführung einer Amniozentese eine Chromosomenabweichung ausschließen und nimmt dafür eine erhöhte Fehlgeburtsrate auf Grund des Eingriffs in Kauf? Oder räumt man sich das Recht ein, kein invasives Verfahren durchzuführen, somit auch keine genaue Information über eventuelle Chromosomenabweichungen zu haben, so dass aber auch kein erhöhtes Fehlgeburtrisiko besteht, und wartet die Geburt des Kindes ab. Katz Rothmann (1989, 85) beschreibt die Schwierigkeit, die sich bei der Risikoeinschätzung ergibt, sehr anschaulich. „Ich finde allerdings, daß wir es hier wohl eher mit einem Apfel- und Apfelsinen-Problem zu tun haben: man kann sie nicht zusammenaddieren. Kann man die Gefahr einer Fehlgeburt denn wirklich gegen das Risiko von Down-Syndrom abwägen und behaupten, sie sind gleichwertig, wenn die Zahlen übereinstimmen?“ Die individuelle Risikoeinschätzung ist äußerst subjektiv und zusätzlich sicher stark abhängig von den weiteren Variablen. Außerdem ist die Wahrnehmung von Risiken meiner Ansicht nach auch stark geprägt von Ereignissen des persönlichen Lebenslaufes und deren Verarbeitung. Allgemein nehmen pränataldiagnostische Verfahren Frauen die Angst, ein behindertes Kind zu gebären. Durch die Medien und manchmal auch durch Ärzte wird teilweise der Eindruck vermittelt, dass Dank der pränatalen Diagnostik „alles im Griff ist“. „Ausgeblendet wird hierbei die Kehrseite, das, was auch zur Entfaltung des Lebens gehört: Föten, die von der Norm abweichen, Kinder, die unter der Geburt geschädigt werden, Fehl- oder Totgeburten“ (Schindele 1990, 115). 3.1.2 Abwägen des Nutzens eines Verfahrens für die eigene Person Warum nehmen schwangere Frauen pränatale Untersuchung in Anspruch und welchen Nutzen ziehen sie subjektiv daraus? Nippert (1999) sieht die Bestätigung, dass das Kind gesund ist, als größten Nutzen für die Frau. Nur selten wird die pränatale Diagnostik kritisch beurteilt. Außerdem soll die Belastung, die ein positiver Befund bei der Frau auslösen würde, analysiert werden. Das Abwägen des Nutzens der Pränataldiagnostik für die eigene Person ist natürlich stark abhängig von dem Umfeld der jeweiligen Frau und wie selbstbewusst sie ihren Standpunkt vertreten kann und möchte. Es besteht die Gefahr, dass Frauen einem zu starken Druck von außen ausgesetzt sind. „Das Beschämende dabei ist, daß es gar nicht meine eigenen Kategorien sind, sondern die, die ich im vorauseilendem Gehorsam gegenüber anderen antizipiere. Das rührt daher, daß ich den Druck, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, als sehr stark empfinde [...]“ Kaufmännische Angestellte, Alter 35 (Nippert & Horst 1994, 91). In der Untersuchung von Nippert und Horst entschieden sich 71,8% der befragten Frauen für eine pränataldiagnostische Untersuchung, da sie es nicht für verantwortbar hielten, ein behindertes Kind auf die Welt zu bringen. 76,7% der Frauen wollten dem Kind Leid ersparen, indem sie sich durch pränatale Diagnostik absicherten (Nippert & Horst 1994, 83 f.). Damit die Frau den Nutzen für sich abwägen kann, ist es notwendig, dass sie sich über die zugrundeliegenden Fakten und folgenden Konsequenzen im Klaren ist und einen für sich vertretbaren Standpunkt gefunden hat. Erst dann kann eine Entscheidung so rational wie möglich getroffen werden. 3.1.3 Persönliche Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch Diejenigen Eltern, die auf Grund ihrer Wertvorstellungen oder auch aus religiösen Gründen der Meinung sind, dass sie nicht das Recht haben, über Leben und Tod eines Kindes zu entscheiden, verzichten meist auf eine pränatale Diagnostik. „Sie wünschen sich zwar kein behindertes Kind, sagen aber ja zum Risiko und ja zu jedem Kind“ (Grond 1993, 73f.). Eine Familie, die bereits ein Kind nach einem halben Jahr auf Grund eines angeborenen Chromosomenfehlers frühzeitig verlor, entschloss sich auch in der zweiten Schwangerschaft gezielt gegen die pränatale Diagnostik: „Wir wollten ein Kind haben, uns ging es nicht darum, ein nichtbehindertes Kind zu bekommen“ Frau (Tolmein 1993, 51). „Du kriegst ein Kind, und dann ist es dein Kind, und egal wie es sich entwickelt, es bleibt dein Kind“ Sozialpädagogin, Alter 36 (Schindele 1990, 123). „Der Hauptgrund, warum ich den Test ablehne, ist, daß man das Ergebnis erst im fünften Schwangerschaftsmonat erhält; d.h. also keine Dilatation und Curettage, sondern eingeleitete Wehen, durch die ein Kind geboren wird, das stirbt, weil es nicht lebensfähig ist. Dieser Fötus wird dann in den Müll geworfen und abtransportiert. Ich könnte das meinem Kind nie antun. Niemals. Und dann wußte ich auch, daß ich mein Kind unter allen Umständen lieben würde“ Emily, bereits ein Kind mit Down-Syndrom über die Entscheidung für oder gegen eine Amniozentese (Katz Rothmann 1989, 74). Dem gegenüber steht die Gruppe von Eltern, die einem Schwangerschaftsabbruch prinzipiell nicht abgeneigt ist. Jene stehen in diesem Fall vor einer größeren Konfliktsituation. Sie müssen sich zunächst entscheiden, ob sie weitere pränataldiagnostische Verfahren durchführen lassen, und dann stehen sie bei einem eventuellen positiven Befund erneut vor einer Entscheidung (Grond 1993). Das folgende Zitat stammt von einer Frau, die sich im Entscheidungskonflikt befindet: „Auf der einen Seite bin ich gegen Abtreibung und glaube, ich könnte jedes Baby, das ich austrage, auch annehmen und akzeptieren; aber andererseits ist mir auch klar, was für eine enorme ‚Last’ ein schwer behindertes Kind wäre, und ich würde eben doch zögern, diese Belastung auf mich zu nehmen...Aber...wo kann man denn da die Grenze ziehen? Habe ich das Recht, meinem Fötus das Leben zu nehmen, wenn auch nur eine geringe Chance besteht, daß er kreatives Potential in sich trägt“ Frau (Katz Rothman 1989, 76)? Wichtig ist, dass jede werdende Mutter das Recht hat, frei zu entscheiden, welchen Weg sie für sich und ihr Leben wählt und sich nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeengt fühlt. Um eine gezielte Entscheidung treffen zu können, ist es nötig, möglichst viele Informationen als Grundlage und Entscheidungshintergrund zu sammeln, so Grond (1993). 3.2 Umweltvariablen Neben den Personenvariablen hängt die Entscheidung von unterschiedlichen Gegebenheiten der Umwelt und des Lebensraumes der werdenden Eltern ab. 3.2.1 Gesellschaftlicher Handlungsdruck In unserer Gesellschaft scheint es, dass eine pränatale Diagnostik während der Schwangerschaft als „sozial norm-konformes“ Verhalten angesehen wird. Dennoch stimmten in einer Studie von Nippert und Horst (1994, 91) nur 12,6% der Frauen dieser Annahme zu. 73,4 % der Frauen gaben an, dass sie nicht auf Grund gesellschaftlicher Erwartungen pränatale Diagnostik durchführen ließen. Des Weiteren deckten Horst und Nippert (1994) auf, dass 75,6% der befragten Personen der Ansicht sind, dass behinderte Menschen in unserer Gesellschaft vermutlich nie angemessene Unterstützung bekommen. Unter diesem Blickwinkel ist meiner Meinung nach die folgende Ansicht von Wüstner (2000, 165) zu betrachten. Er ist der Meinung, dass die Ängste vor „sozialer Diskriminierung und Isolation“ nach der Geburt eines behinderten Kindes in der Entscheidungsphase gravierender eingeschätzt werden als die Ängste vor einer Fehlgeburt, die eventuell durch ein invasives Verfahren ausgelöst wird. „Die Selbstverständlichkeit, mit der Leben akzeptiert wurde, gleichgültig wie beschädigt es ist, war früher sicher größer, aber nie unwidersprochen“ (Illhardt 1985, 5). Dieser Aussage kann ich nur bedingt zustimmen – in der Zeit des Nationalsozialismus war dies sicher nicht der Fall – das sollte man sich immer als Negativbeispiel vor Augen halten und sollte gerade in unserer Gesellschaft nicht in Vergessenheit geraten. Grond (1993) geht in einem Artikel auf die Massenmedien ein, die in enger Beziehung zur Gesellschaft und umgekehrt stehen. Aus eigenen Beobachtungen schließt Grond, dass pränatale Diagnostik in den Medien meist als Mittel angepriesen wird, das größere Sicherheit für ein gesundes Kind mit sich bringt. Diese unreflektierten Darstellungen können zu Missverständnissen führen und die pränatale Diagnostik auf die Stufe eines innovativen Heilmittels stellen. Es fällt auf, dass in Zeitschriften von Randgruppen – zum Beispiel Behindertenverbänden oder auch kirchlichen Verbänden – andererseits eher auf die Gefahren und Auswirkungen der pränatalen Diagnostik eingegangen wird. In vielen öffentlich geführten Diskussionen sind die Erwartungen an ein gesundes, nichtbehindertes Kind sehr groß. In dem gesundheitsorientierten Zeitalter, in dem wir uns befinden, ist ein gesundes Kind nahezu eine Selbstverständlichkeit (Bernath 1991). „Behinderung ist zum Risiko geworden, das man dank medizinischer Errungenschaften heute ausschließen kann“ (Schindele 1994). Im Zusammenhang mit präventiv bezeichneten Methoden der Pränataldiagnostik entstehen auch Missverständnisse. Wilken (2002) beobachtet, dass in diesem Zusammenhang oft auf Kinder mit Down-Syndrom verwiesen wird und ein gesellschaftlicher Tenor zu verspüren ist, dass Kinder mit dieser Behinderung heute vermeidbar wären. „Dieses Vorurteil kann zu einer problematischen Einstellung gegenüber der Selbstverantwortung der Eltern für ihr behindertes Kind führen“ (Wilken 2002, 160). Wenn die Geburt eines behinderten Kindes von der Gesellschaft nicht mehr als unvorhersehbares Ereignis eingeschätzt wird, sondern auf eine informierte Entscheidung der Eltern zurückgeht, dann können gerade auch, wenn es an finanziellen Ressourcen mangelt, Stimmen laut werden, die darauf bestehen, dass werdende Eltern sich durch pränatale Verfahren soweit wie möglich „absichern“ und dementsprechend handeln (Petermann, Wiedebusch & Quante 1997). Da unsere Gesellschaft heutzutage vermittelt, dass Gesundheit und Leistungsfähigkeit unbedingte Voraussetzungen für ein erfülltes Leben sind, so Kirchner-Asbrock und Kurmann (1998), werden Krankheit und Behinderung oft gleichgesetzt mit Leid und Unglück. Der Mensch mit Behinderung allerdings erlebt diese meist als selbstverständlich und wird eher von der Umwelt behindert und ausgegrenzt. „Ein Kind mit Down-Syndrom leidet nicht an einer genetischen Besonderheit. Es leidet, wenn es keine Freunde hat, keinen Kindergartenplatz, oder wenn es später als Jugendlicher keinen Ausbildungsplatz findet“ (Kirchner-Asbrock & Kurmann 1998, 15). In der Umfrage von Horst und Nippert (1994) sind 93,1% der befragten Frauen froh, dass sie heute das Risiko, ein Kind mit einer genetischen Fehlbildung zu bekommen, ausschließen können. 87% stimmten dieser folgenden Aussage zu: „Behinderte gehören eigentlich auch in diese Welt und sollen akzeptiert werden. Aber ich persönlich, sofern ich das mit Hilfe der vorgeburtlichen Untersuchung entscheiden kann, will kein behindertes Kind haben“ (Nippert & Horst 1994, 90). Ich denke, dass diese sich immer weiter verbreitende gesellschaftliche Einstellung die werdenden Eltern besonders unter Druck setzt. Es scheint, dass in vielen Fällen der äußere Druck so stark ansteigt, dass kein Spielraum mehr bleibt, um sich eine eigene Meinung zu bilden und diese letztendlich dann auch selbstbewusst zu vertreten. Nur wenn man selbst bereits eine ausgebildete und reflektierte Meinung zur pränatalen Diagnostik und ihren Folgen hat oder auch für sich selbst vertretbare Entscheidungskriterien aufgestellt hat, ist es in vielen Fällen möglich, dem äußeren Druck Stand zu halten. Ich sehe eine große Gefahr darin, dass werdende Eltern ihrem Arzt meist „blindes“ Vertrauen schenken und so zu Untersuchungen verleitet werden, deren mögliche Konsequenzen ihnen nicht bewusst sind. 3.2.2 Einfluss von Bezugspersonen Die Meinung des Partners in dem Entscheidungsprozess für oder gegen eine vorgeburtliche Untersuchung ist sehr wichtig, so Grond (1993). Unterscheiden sich die Meinungen enger Bezugspersonen, kann dies für die Frau ein großer Entscheidungskonflikt sein, weil sie es nicht jedem Recht machen kann. Bei der genetischen Beratung äußern Frauen immer wieder, dass sie von ihrem sozialen Umfeld bedrängt werden. Es wird an ihre Vernunft appelliert oder Ängste vor einer unsicheren Zukunft werden geweckt (Kurmann 1999). In solchen Fällen ist eine ausführliche Beratung ganz besonders wichtig, damit die Frau einen für sich vertretbaren Weg finden kann. Katz Rothmann (1989) berichtet aus ihrer Erfahrung, dass der Personenkreis, der zur Entscheidungsfindung befragt wird, eher klein ist. Der Partner und mindestens ein Arzt sind in fast allen Fällen einbezogen, außerdem werden zusätzlich in manchen Fällen enge Freunde und die Eltern der Frau um Rat gefragt. In der Studie von Horst und Nippert (1994) bestätigt sich diese Vermutung. 83,3% der befragten Personen gaben an, dass Freunde und Bekannte keinen Einfluss auf die Entscheidung hatten. Eltern und Schwiegereltern beeinflussten in dieser Studie die Entscheidung noch weniger. 34,4% gaben an, dass der Arzt Einfluss auf die Entscheidung hatte und 29,5% gaben an, dass der Arzt zum Teil Einfluss hatte. Letztendlich haben Bezugspersonen, wenn auch manchmal nur indirekt, Einfluss auf die Entscheidung. Meist ist der jeweilige Partner die vertrauteste Bezugsperson in der fremden, medizinischen und, so Hohenstein (1998, 90), „ätzenden“ Atmosphäre. Laut Wüstner (2000, 165) haben über die Hälfte der schwangeren Frauen Angst davor, dass ihre Ehe bzw. Partnerschaft unter der Geburt eines behinderten Kindes leidet und machen ihre Entscheidung auch abhängig von der Einstellung des Partners. Zugleich ist die Annahme des Kindes von Seiten des Mannes, unabhängig von den Genen, eine Entlastung für die Frau und macht ihre Entscheidung einfacher. Wüstner sieht die Tendenz, dass Männer sich prinzipiell ein Leben mit einem behinderten Kind weniger vorstellen können als Frauen. Die folgenden Zitate zeigen exemplarisch, inwieweit die Entscheidung der Frau von ihrem Partner abhängen kann: „Eigentlich will ich das gar nicht gerne machen lassen, ich habe auch keine Angst vor einem behinderten Kind, aber mein Mann will die Fruchtwasseruntersuchung unbedingt. Er meint, daß das in unserem Alter wegen des Risikos vernünftig ist“ Frau (Kurmann & Wegener 1999, 26). „Ich sehe mich einer solchen Belastung nicht gewachsen. ... Mein Mann ist gegen ein behindertes Kind. ... Die Entscheidung müssen wir zusammen treffen, wenn die Ehe nicht in die Brüche gehen soll“ Augenoptikerin/Hausfrau, Alter 29 (Nippert & Horst 1994, 77). „Das war ein ziemlicher Druck, das war der Druck, warum ich mich bei Anna nicht getraut habe, darauf zu verzichten. Ich hätte dann das Gefühl gehabt, wenn das Kind dann wirklich eine Fehlbildung gehabt hätte, ich wäre daran schuld und müßte damit dann auch allein fertig werden. Ich glaube, wenn ich einen Mann gehabt hätte, der mich darin bestärkt hätte, es nicht zu machen, hätte ich es nicht gemacht“ Lehrerin, Alter 39 (Schindele 1990, 117). 3.2.3 Durchführung eines genetischen Beratungsgesprächs Ein genetisches Beratungsgespräch ist meist dann von Bedeutung, wenn familiäre Faktoren das Risiko für eine angeborene Störung des neugeborenen Kindes erhöhen, die Eltern bereits ein behindertes Kind haben oder die Frau, ohne erkennbaren Grund, bereits eine oder mehrere Fehlgeburten hatte. Liegen keinerlei Faktoren für eine Risiko-schwangerschaft vor, sollte auf eine genetische Beratung verzichtet werden, da sie zu unbegründeter Verunsicherung führen kann. Prinzipiell hat aber jede Frau das Recht, eine genetische Beratung in Anspruch zu nehmen (Köbsell & Degener 1992, 39; Spätling 2000). Die genetische Beratung vor der eventuellen Durchführung einer pränatalen Untersuchung kann die Entscheidung der werdenden Eltern beeinflussen, so Endres (1987). Die Beratung weicht je nach Beratungsstelle etwas ab. Einige gewähren den werdenden Eltern zwischen dem Beratungsgespräch und der eventuell durchzuführenden Untersuchung einige Tage Zeit, andere legen die Termine auf den gleichen Tag. Manche Beratungsstellen führen die Beratung in reinen Einzelgesprächen durch, andere richten ihre Sitzungen als Gruppenveranstaltung aus. Die Frauen kommen mit ganz unterschiedlichen Vorerfahrungen und Motiven zu einem genetischen Beratungsgespräch, so Hennen, Petermann und Schmitt (1993, 82f.). Das Spektrum der Frauen reicht von solchen, die sich bereits intensiv mit der Pränataldiagnostik beschäftigt haben und gezielte Fragen stellen, bis zu solchen, die ohne jegliche Vorinformation zur Beratungsstelle kommen. Entscheidend ist, dass genügend Zeit bleibt, um individuell auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Frauen eingehen zu können. Hauptaufgabe des Beratungsgesprächs ist es, so Endres (1987), dass den werdenden Eltern sachliche Informationen an die Hand gegeben werden, die ihnen Aufschluss über mögliche Risiken und für sie relevante Themen geben. Wichtig ist, dass der Beratende eine Ausdrucksform wählt, die den Ratsuchenden, meist Laien auf dem Gebiet der genetischen Beratung, angepasst ist und die werdenden Eltern nicht mit Fachausdrücken überschüttet. Endres geht davon aus, dass durch eine ausführliche Schilderung des Untersuchungsvorgangs der Schwangeren eine gedankliche Vorbereitung ermöglicht wird und sie nach ausführlichen Gesprächen ihren individuellen Nutzen abwägen kann. Zur Veranschaulichung wird meist während des Beratungsgesprächs Bildmaterial hinzugezogen. Das Thema des Schwangerschaftsabbruchs und seine Folgen sollen auch aktiv in das Gespräch mit einbezogen werden. Der Berater sollte während des ganzen Gesprächs auf die Situation und die Gefühle der Ratsuchenden eingehen und in der Lage sein, eigene Ansichten zu relativieren. „Da kaum eine eindeutig richtige Entscheidung getroffen werden kann, gilt es, im Beratungsgespräch die für die Patienten richtige Entscheidung zu finden“ (Endres 1987, 290). Es muss ein Mittelweg gefunden werden, so dass der Patient sich nicht alleingelassen, sich aber auch nicht zu einer Entscheidung gedrängt fühlt (Endres 1987). Die humangenetische Beratung wird von den medizinischen Fachgesellschaften „in bewusster Absetzung von eugenischen Zielsetzungen nicht als aktives Angebot zur Verhinderung von genetisch bedingten Krankheiten und Behinderungen, sondern als Unterstützung Rat suchender Personen im Sinne eines nicht-direktiven Kommunikationsprozesses zwischen Berater und Klient verstanden, der nicht unter präventiv-medizinischen Zielsetzungen steht“ (Hennen, Petermann & Sauter 2001, 48). Bei einem solchen Beratungsgespräch spielen zwischenmenschliche Beziehungen eine Rolle: Sympathie und Antipathie zwischen Ratsuchenden und Beratenden tragen sicher zu einem Teil zur Entscheidung bei, können diese erleichtern oder erschweren. Wüstner (2000, 165) ist der Ansicht, dass die Entscheidung für oder gegen ein invasives Verfahren häufig vor der Beratung stattfindet, bedingt durch andere Variablen, die auf die Frau wirken. Im Folgenden sollen Aussagen von einigen Frauen, nach bzw. während einer genetischen Beratung, zitiert werden, damit das Gefühlschaos, das die Entscheidung nach sich ziehen kann, anschaulicher wird. „Wenn ich mir vorstelle, was so eine Untersuchung alles auslösen kann! Womöglich ist die ganze Schwangerschaft danach gestört, und dann ist doch ständig die Angst da, daß doch noch eine Fehlgeburt passiert.“ „Egal, wo ich bin, überall wird gefragt, ob ich auch diese Untersuchung machen lasse, in meinem Alter sei das doch heute selbstverständlich. Das setzt mich ganz schön unter Druck.“ „Es ist eben was anderes, ob das Kind eine Behinderung hat, die ich jetzt ausschalten kann, oder aus anderen Gründen behindert ist, weil das eine meine Schuld ist, und das andere Schicksal.“ „Da freue ich mich schon wochenlang auf das Kind, hab’ die erste harte Zeit hinter mir, ich fühle, wie das Baby sich bewegt, und das soll ich dann einfach von heute auf morgen vergessen, ignorieren, damit’s hinterher nicht so weh tut, falls es mich trifft.“ „Wenn ich das alles über diese Untersuchungen höre, dann kriege ich schon das Gefühl, daß ich dafür verantwortlich bin, ein gesundes Kind zu kriegen. Ich fühle mich irgendwie verpflichtet, daß hinterher niemand sagen kann, ich wäre verantwortungslos“ Frauen (Kurmann & Wegener 1999, 26). 3.3 Soziodemographische Variabeln 3.3.1 Alter der Mutter Da das Alter der Mutter mit ausschlaggebend sein kann, wenn eine Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft bezeichnet wird, werden ältere Mütter quasi immer vor die Entscheidung für oder gegen ein pränataldiagnostisches Verfahren gestellt. Mit dem Alter der Mutter nimmt die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit einer Chromosomen-Aberration zu gebären, zu (Schindele 1999) (Tab. 9 & Tab. 10). 1992 stellte Köbsell das Risiko für eine 35jährige Frau, ein Kind mit Down-Syndrom zu gebären, identisch mit dem Risiko einer Fehlgeburt in diesem Alter dar. Schindele (1999) greift auf, dass die Wahrscheinlichkeit für eine 35jährige Frau, ein Kind mit Down-Syndrom zu gebären, bei 1:385 (0,28%) liege. Allerdings ist die Gefahr, dass eine Fruchtwasseruntersuchung eine Fehlgeburt auslöst, statistisch vier Mal (1,12%) so groß. Tab. 9: Das Risiko für numerische ChromosomenAnomalien in Abhängigkeit vom Alter der Mutter. (Miny & Holzgreve 2000, 261) Tab. 10: Das Risiko für Trisomie 21 in Abhängigkeit vom Alter der Mutter. (Miny & Holzgreve 2000, 260) Oft entscheiden sich Frauen trotzdem für die objektiv risikoreiche invasive Untersuchung mit der Begründung, „lieber ein Kind durch eine Fruchtwasserpunktion zu verlieren, als ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen“ (Schindele 1999, 18). Betrachtet man die Situation rational und neutral, ist es eher unverständlich, warum die Fruchtwasser-untersuchung in diesen Fällen so großen Anklang findet. Da den meisten Frauen bewusst ist, dass das Risiko, ein Kind mit einer Behinderung zu bekommen, mit zunehmendem Alter steigt, wird die pränatale Diagnostik von älteren Frauen auch als Chance, noch schwanger werden zu können, gesehen. „Für mich war die Fruchtwasseruntersuchung eine Chance, noch spät ja zu einem Kind sagen zu können“ Psychologin, Alter 43 (Schindele 1990, 105). Da Karriere und Schwangerschaft meist schwer vereinbar sind, öffnen sich dank der pränatalen Diagnostik immer neue Wege, auch in relativ hohem Alter ein „Wunschkind“ zur Welt zu bringen. Man sieht die „Fruchtwasseruntersuchung als eine Chance für nicht mehr ganz junge Frauen“ (Schindele 1990, 106). Der Kinderwunsch tritt einen Wettlauf mit dem „Ablaufen der biologischen Uhr“ an. Es scheint, als ob die Durchführung pränataldiagnostischer Untersuchungen Frauen enorm beruhigen kann und der Bezug zur Realität leicht in Vergessenheit gerät – die Sicherheit, die man durch einen negativen Befund nach einer pränatalen Untersuchung hat, ist relativ. 3.3.2 Familienstand und -größe Wenn bereits ein Kind mit einer Behinderung geboren wurde, sind die Einstellungen, je nach Anzahl der Kinder und je nachdem, wie die Eltern den „Schock“ verarbeitet haben, recht unterschiedlich. Für manche Eltern spielt die pränatale Diagnostik eine entscheidende Rolle, da sie im Falle eines zweiten positiven Befundes einen Schwangerschaftsabbruch einleiten würden. Andere Eltern wollen sich in gewissem Maße auf das Kind und eine eventuelle Behinderung einstellen (Tamm 1994, 65f.). Stengel-Rutkowski (1997) stellt fest, dass weniger als 10% aller pränataldiagnostischen Untersuchungen durchgeführt werden, weil bei einem bereits geborenen Kind eine genetische Veränderung nachgewiesen wurde oder vermutet wird. Eltern, die bereits ein behindertes Kind haben, sind sich oft eher darüber im Klaren, in was für einen Entscheidungskonflikt sie im Falle eines positiven Befundes geraten können. „Ich muß mit Entsetzen feststellen, daß in unserer näheren Verwandtschaft eine Amniocentese-Wut ausgebrochen ist, bis auf wenige Ausnahmen.[...]Ich bin halt wirklich ein bißchen entsetzt und denke manchmal, die Frauen sind sich nicht im klaren darüber, was eigentlich auf sie zukommt, wenn der Befund positiv ist. Denn das, was dann vor ihnen steht, steht ihnen nicht vor Augen, wenn sie sagen, wir machen zur Sicherheit eine Amniocentese“ Mutter eines Kindes mit Down-Syndrom (Tamm 1994, 67). In der Untersuchung von Horst und Nippert (1994) stimmten 25,9% der befragten Personen der Aussage zu, dass es gegenüber den anderen Kindern in der Familie nicht fair wäre, ein Kind mit einer Behinderung auf die Welt zu bringen, wenn man die Geburt verhindern kann. „Wir haben drei gesunde Kinder, die wollen unbedingt noch ein Geschwisterkind. Aber ich will nicht das Risiko eines behinderten Kindes eingehen, vor allem die Vorstellung, es könnten gleich zwei behinderte Kinder sein. Dafür nehme ich das Eingriffsrisiko in Kauf. ... Ich habe nichts gegen Behinderte. Ich kenne ein Ehepaar mit einem schwerstbehinderten Kind. Das muß heute nicht mehr sein“ Kauffrau, Alter 35 (Nippert & Horst 1994, 43). Wenn es bereits ein Kind mit einer pränatal diagnostizierbaren Krankheit oder Behinderung in der Familie gibt, haben Eltern meist Zugang zu Informationsmaterial oder suchen selbstständig eine genetische Beratungsstelle auf. Diese Personengruppe kann oder hat sich bereits ein Bild gemacht, was es heißt, mit dieser Beeinträchtigung zu leben. Der Entscheidungsfindungsprozess für oder gegen pränatale Diagnostik resultiert aus dem Wunsch nach einem gesunden Kind, der Beurteilung der Möglichkeiten, dass ein weiteres krankes Kind akzeptiert werden kann und dem inneren Widerstand gegen eine Abtreibung – da man das Kind auf Grund bestimmter Merkmale abtreiben würde, die das bereits vorhandene Kind, das man wahrscheinlich akzeptiert und liebt, auch hat (Kind 1993). Bei mir ist es so, daß wir schon eine Tochter haben mit einem offenen Rücken, und ich fühle mich einfach überfordert, ein weiteres Kind mit so einem Krankheitsbild oder einem ähnlich schweren anzunehmen“ Hauswirtschafterin, Alter 24 (Nippert & Horst 1994, 39). „Ich habe die Behinderung meines Kindes akzeptiert, möchte aber auf jeden Fall auch ein gesundes Kind haben“ Industriekauffrau, Alter 26, Kind mit Down-Syndrom (Nippert & Horst 1994, 40). Ich denke, für diese Eltern ist die Entscheidung besonders schwierig, da in einigen Fällen, obwohl sie das erste behinderte Kind akzeptiert haben, ein zweites Kind mit der gleichen Behinderung für die familiäre Situation kaum noch „tragbar“ wäre. Im Falle eines Abbruchs müssen die Eltern sich dann aber auch vor ihrem Kind „rechtfertigen“. Ob es wahrscheinlicher ist, dass eine Frau, die älter als 35 Jahre ist, eher eine vorgeburtliche Untersuchung durchführen lässt, wenn sie bereits ein Kind hat, ist noch nicht offiziell untersucht worden. Katz Rothmann (1989, 78ff.) geht davon aus, dass die Entscheidung noch komplizierter wird, wenn man bereits Mutter ist. Manchen Müttern fällt eine Abtreibung schwerer, nachdem sie bereits ein Kind geboren haben. Auf der anderen Seite entsteht das Gefühl, dass man auch an die bereits vorhandenen Kinder und deren Leben denken muss, und man kann sich die Frage stellen, inwieweit ein Kind mit einer Behinderung „tragbar“ wäre. „Hätte der Fötus Down-Syndrom gehabt, dann hätte ich aus dem ganz selbstsüchtigen Grund abgetrieben, weil ich nicht wollte, daß mein vielleicht einziges Kind nicht ganz perfekt ist. In meinem Alter wollte ich nicht, daß sich mein Leben durch so etwas drastisch verändert. Ich hätte eher in Kauf genommen, kinderlos zu bleiben. Aber jetzt, wo ich bereits ein Kind habe und ein ganz anderes Leben führe, wäre die Entscheidung abzutreiben schwerer. Im Moment glaube ich, daß ich es wohl nicht machen würde, aber wer weiß, wie ich dann darüber denke“ Frau (Katz Rothmann 1989, 80). Katz Rothmann (1989, 80) nimmt an, dass eine Umfrage gegensätzliche Ergebnisse zeigen würde. Einige Frauen würden sich eher weniger schnell für Pränataldiagnostik und nach eventuellem positiven Befund für eine Abtreibung entscheiden, wenn sie bereits Mutter sind, andere eher schneller. In einigen Fällen kann auch der Familienstand eine Entscheidung beeinflussen: Aus meiner ganz persönlichen Erfahrung als alleinerziehende Mutter, aus dem Wissen heraus, mit einem Kind allein zu sein, gewinnt eine pränatale Untersuchung noch einmal mehr an Bedeutung“ Buchhändlerin, Alter 37 (Nippert & Horst 1994, 83). 3.3.3 Art der Ausbildung und sozialer Status Wüstner (2000, 166) geht davon aus, dass vor allem Frauen aus höheren gesellschaftlichen Schichten den Zustand ihres Fetus testen wollen, da die möglichen Einschränkungen, die auf Grund der Geburt eines behinderten Kindes entstehen, für diese Frauen größer scheinen. Auch die momentane lebensbiographische Situation kann eine Rolle bei der Entscheidung spielen; das heißt, die momentane Möglichkeit der Vereinbarung von Beruf und Familie. Lassen sich diese beiden Faktoren nur schwer gleichzeitig realisieren, zum Beispiel auf Grund des Arbeitsmarktes oder der Partnerschaft, ist der Wunsch nach „Sicherheit“ mit Hilfe der Pränataldiagnostik oft größer, als wenn die Rahmenbedingungen günstiger sind und einen größeren Spielraum bieten (Griese 1999). „Da mein Mann und ich beide voll berufstätig sind, glaubten wir, daß wir einem Baby mit ‚besonderen Bedürfnissen’ nicht gerecht werden können“ Vicky (Katz Rothmann 1989, 64). 1992/93 wurden bereits Ergebnisse in einer Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft von Nippert veröffentlicht, die die Abhängigkeit des finanziellen Zustands der Frau betrachten. Nippert (1997) geht davon aus, dass der materielle Zustand und der soziale Status in den meisten Fällen von der finanziellen Lage abhängig sind. In Tabelle 11 wird die Zustimmung zur Aussage: „Ich habe mich für die vorgeburtliche Untersuchung entschieden, weil ein behindertes Kind die finanzielle Situation unserer Familie beeinträchtigen würde“ unter Berücksichtigung unterschiedlicher Berufsgruppen dargestellt. Tab. 11: Zustimmung zur Aussage: „Ich habe mich für die vorgeburtliche Untersuchung entschieden, weil ein behindertes Kind die finanzielle Situation unserer Familie beeinträchtigen würde.“ (Nippert 1992/93 zitiert in Nippert 1997, 118) Bereits 1984 führte Nippert im Regierungsbezirk Münster eine Studie durch, welche Frauen sich für eine Fruchtwasseruntersuchung entscheiden, und stellte dabei fest, dass die überwiegende Anzahl der Frauen, die eine Untersuchung in Anspruch nahmen, aus der Mittelschicht stammten. 42% kamen aus der mittleren bzw. oberen Mittelschicht, 40% aus der unteren Mittelschicht und 18% aus der Unterschicht. 1992 führte Nippert erneut eine Studie durch, in der sie die Schichtzugehörigkeit der Frauen, die Pränataldiagnostik allgemein für sich in Anspruch nehmen, näher betrachtete. Sie stellte fest, dass der Anteil der Frauen aus der Unterschicht auf 27,6% angestiegen ist und auch der Anteil der Frauen aus der Mittelschicht noch weiter auf fast 50% zugenommen hat. Interessant ist zu beobachten, dass Frauen aus der Mittelschicht pränataldiagnostische Verfahren auch ohne medizinische Indikation eher durchführen lassen. Der Anteil liegt bei über 50%. Der Anteil an Frauen aus Gesundheitsberufen, die sich für Pränataldiagnostik entscheiden, liegt bei 37,5%. Hinter diesem Ergebnis stehen sicher unterschiedliche Informations- und Zugangschancen zur Pränataldiagnostik. Dies wird in einer aktuellen Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG-Studie) näher untersucht (Nippert & Horst 1994, 21). Eine Frau, die sich gezielt gegen eine Amniozentese entschied, schildert die Einsamkeit, die sie auf Grund ihrer Entscheidung erlebte: „Ich muß sagen, daß in meiner Bezugsgruppe – Freundinnen, die schwanger sind oder kleine Kinder haben, allesamt Akademikerinnen in ihren Dreißigern – meine Entscheidung ungewöhnlich war. Ich versuchte, die Dinge so wie sie zu sehen, aber für mich stimmten ihre Begründungen einfach nicht. Als ich dann meine Entscheidung getroffen hatte (gegen Am niozentese), versuchte ich, das Thema zu vermeiden und fühlte mich durch meinen Entschluß isoliert“ Victoria (Katz Rothmann 1989, 71). 3.3.4 Einstellung zu Gott und Religion Manche Eltern sind auf Grund religiöser oder auch weltanschaulicher Aspekte der Meinung, dass sie nicht das Recht haben, sich gegen das Leben eines Kindes zu entscheiden. Diese Menschen sind meist risikobereiter und sagen „Ja!“ zu jedem Kind. Dennoch fürchten sie die Belastung, hoffen aber, oft auf Grund ihres Glaubens auf eigene Kräfte und Hilfe der Mitmenschen (Grond 1993). „Man darf keinem Kind das Leben verweigern. Es ist bestimmt schwer, wenn es krank zur Welt käme und es sofort stirbt. Aber dann hat es Gott so gewollt. Kinder sind eine Gabe Gottes, auch wenn sie krank sind“ Frau (Nippert & Horst 1994, 55). Eine religiös-spirituelle Weltansicht, so Griese (1999) kann allgemein entlastend auf die Schwangerschaft wirken, und oft gehören diese Frauen zu der Gruppe, die invasive pränataldiagnostische Verfahren vehement ablehnen und für sich nicht in Anspruch nehmen wollen. Eine Frau äußert Folgendes: „Ich bin auch ziemlich angstfrei in die Geburt gegangen. (Pause) Da habe ich gewusst, das Kind, das da zur Welt kommt, das ist meines, egal, wie das aussieht, egal, wie das wird, das ist mein Kind, ein anderes konnte ich nicht kriegen“ Frau (Griese 1999, 102). Die katholische Kirche hält Pränataldiagnostik für moralisch vertretbar, solange diese den individuellen Schutz oder die Heilung des Fetus bzw. Embryos zur Folge hat. Moralisch verwerflich handeln diejenigen, die pränatale Untersuchungen durchführen lassen, mit der Absicht, in gegebenem Fall eine Abtreibung durchführen zu lassen. Der Schwangerschaftsabbruch als eventuelle Folge auf die Pränataldiagnostik sollte in keinem Fall begünstigt werden (Grond 1993). Die Haltung der katholischen Kirche ist eindeutig. „Das Ungeborene ist unabhängig von einer Behinderung und auch unbesehen von der Gefährdung seiner Mutter zu schützen“ (Grond 1993, 75). Einige katholische Theologen können sich nicht ausnahmslos hinter die Aussage stellen, dass das Leben des ungeborenen Kindes bedingungslos zu schützen ist. Diese Theologen wollen grundsätzlich das Leben jedes ungeborenen Kindes schützen, sehen aber auch Einzelfälle, bei denen Ausnahmen moralisch vertretbar sind. Der Ökumenische Rat der Kirchen geht davon aus, dass die Entscheidung zur Pränataldiagnostik und gegebenenfalls zu einem Schwangerschaftsabbruch letztendlich von den betroffenen Personen, nach ihrem besten Gewissen und Wissen, getroffen werden muss. Dazu ist es nötig, dass die betroffenen Eltern kompetente und fachkundige Beratung in Anspruch nehmen können (Grond 1993). Der Ökumenische Rat der Kirchen nimmt eine eher beratende Funktion ein und gibt keine konkreten Vorschriften, an die es sich zu halten gilt, sondern plädiert für eine gewissenhafte und individuell vertretbare Entscheidung. Die evangelischen Kirchen sehen die Entscheidung für oder gegen Pränataldiagnostik und letztlich die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch als einen kaum lösbaren menschlichen Schwangerschaftsabbruch Konflikt nach an. Diagnose Dass einer die Einwilligung Behinderung des zu einem Fetus, als selbstverständlich angesehen wird, widerspricht dem christlichen Glauben und ist ethisch verwerflich. Auch die evangelische Kirche spricht den Eltern die Hauptverantwortung der Entscheidung zu – sie allein müssen hinter ihrer Entscheidung stehen. Äußere Umstände und Gegebenheiten müssen erörtert und mit weiteren Situationsvariablen in Beziehung gesetzt werden. Egal wie die Eltern sich entscheiden, sie sollten immer das Recht auf angemessene Betreuung haben. Man geht davon aus, dass eine umfassende Beratung sowohl zur Beruhigung als auch zur Entscheidungsnot beitragen kann. Die mögliche Beunruhigung darf nicht verhindert werden, da sonst die Gefahr besteht, dass der Schwangerschaftsabbruch routinemäßig durchgeführt wird. Dies wäre aus christlicher Sicht ethisch verwerflich (Grond 1993). 3.4 Situationsvariablen 3.4.1 Arzt Durch die Anwendung pränataler Diagnostik, so Schroeder-Kurth, entscheiden Ärzte und Frauen zusammen über das Leben eines ungeborenen Kindes. Der Rahmen, in dem die Entscheidungen fallen müssen, wird von Juristen vorgegeben. „Eine Indikation für eine Pränataldiagnostik stellen, bedeutet für Arzt und Schwangere auch, daß eine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch und damit auch für die bittere Entscheidung gegen das Leben des Kindes gegeben ist“ (Schroeder-Kurth 1989, 81). Gerade aus diesem Grund plädiert Schroeder-Kurth (1989, 81) für eine “Intensivierung von Beratung vor der Pränataldiagnostik und eine bewußte Indikationsstellung durch Ärzte“. Für die Ärzte muss es ein Schema geben, an dem sie sich orientieren können, damit die Indikationsstellung objektiv ausfällt. In dem folgenden Bild drückt Schroeder-Kurth aus, welche Kriterien den Entscheidungsprozess – allgemein für medizinische Eingriffe – bedingen. Abb. 10: Kriterien für ärztliche Maßnahmen und Kriterien für Entscheidungen; z.B. Pränataldiagnostik. (Schroeder-Kurth 1989, 82) In diesem Fall soll die Graphik aus dem Blickwinkel „Pränataldiagnostik „Ja!“ oder „Nein!“ betrachtet werden (Abb. 10). Wie man aus der Graphik erkennen kann, sieht SchroederKurth das Verhältnis zwischen subjektiven, individuellen Ereignissen und objektivierbaren Aussagen von Seiten der Mediziner ausgewogen. Der Mediziner Schroeder-Kurth appelliert hiermit an seine Kollegen, „die Pränataldiagnostik nicht automatisch zu verordnen und sie nicht als bloße Serviceleistung für Kunden aufzufassen“ (1989, 82 f.). Die Ärzte sollen eine beratende Position einnehmen und nicht versuchen, die pränatale Diagnostik anzupreisen und zu verkaufen. Während des Gesprächs muss auch die Möglichkeit bestehen, dass die pränatale Diagnostik kritisch beleuchtet wird (Schindele 1999). Grond (1993) geht dennoch davon aus, dass die meisten Ärzte in der Regel nicht neutral und objektiv sind, sondern mehr oder weniger stark beeinflusst von folgenden Punkten sind: • der zur Verfügung stehenden Zeit • • • • • • der Einschätzung der Patientin Verhältnis zwischen Arzt und Patientin dem eigenen Wertesystem dem Berufsverständnis ihren finanziellen Interessen ihrem Verständnis und persönlichen Erfahrungen mit Menschen mit Behinderung. Darauf kann man auch die unterschiedlichen Erfahrungen, die Frauen mit den betreuenden Ärzten machen, zurückführen. Die Entscheidung ist stark abhängig von den Erwartungen der Frau an ihren Arzt und von dessen Einstellung zur pränatalen Diagnostik. „Der Wunsch einer jeden Frau ist es, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Frau Dr.... hat mich überzeugt, daß es (PD) sinnvoll ist“ Grundschullehrerin, Alter 36 (Nippert & Horst 1994, 53). Viele Frauen sind den Ärzten hörig und wollen, dass „die pränatalen Diagnosen rechtzeitig und in dem von den Ärzten angeratenen Umfang“ durchgeführt werden (Tolmein 1993, 24). Laut Horst und Nippert (1994, 92) geben 63,9% der Frauen an, dass ihr Frauenarzt Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine pränataldiagnostische Untersuchung hat. Entscheidend ist, dass Ärzte möglichst objektiv, realistisch und nicht stereotypisierend über eventuelle Chromosomen-Aberrationen urteilen. Die meisten schwangeren Frauen haben wenig Vorinformation und müssen die Möglichkeit haben, ihren Standpunkt zu finden. Dazu ist es nötig, dass sich der betreuende Arzt neutral und aufklärend verhält (Nippert & Horst 1994, 99). Bei dem Entscheidungsprozess für oder gegen Pränataldiagnostik stellen sich für die Ärzte und für die betroffenen Eltern laut Maier (2000, 169) folgende Fragen: „Ist es Pflicht, Wissbares zu wissen? Gibt es Grenzen des Wissens? Ist Wissen immer zumutbar?“ Diese ethischen Diskussionspunkte sollten in den Entscheidungsfindungsprozess mit einbezogen werden, und jeder kann individuell für sich entscheiden, welchen Weg er wählt. In diesen Situationen ist von Seiten der Ärzte sowohl medizinisches Know-how gefordert als auch eine ethische Bewertung der vorliegenden Situation. Die Realität sieht, so Willenbring (1999, 38), oft anders aus. Gerade Frauen über 35, die sich gegen eine pränatale Untersuchung entscheiden, sind einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Die Frauen müssen in den meisten Fällen eine schriftliche Erklärung abgeben, dass sie umfassend informiert worden sind. Dadurch können sich Frauen unter Druck gesetzt fühlen, und die Entscheidungsfreiheit ist eingeschränkt. Für die Ärzte ist es lediglich eine Absicherung vor möglichen Schadensersatzforderungen. 3.4.2 Beratung In diesem Punkt soll der hohe Stellenwert von Beratung noch einmal explizit hervorgehoben werden. Die Beratung des Arztes und das eventuell in Anspruch genommene genetische Beratungsgespräch wird von den werdenden Eltern subjektiv unterschiedlich aufgefasst. Umso besser beraten und aufgeklärt sich die Betroffenen fühlen, desto einfacher wird es ihnen fallen, eine für sie vertretbare Entscheidung zu treffen. Wenn die Eltern bereits umfassend informiert sind, haben sie sich nicht nur mit den kurzfristigen Folgen einer pränatalen Diagnostik beschäftigt, sondern auch mit eventuellen längerfristigen Folgen, zum Beispiel der Diagnoseeröffnung eines positiven Befundes und ihrer persönlichen Einstellung dazu. Eine umfassende und realistische Beratung ist Voraussetzung dafür, dass Eltern auf die Folgen der pränatalen Diagnostik vorbereitet sind bzw. sich vorbereiten können. Meiner Ansicht nach sollte zukünftig Beratung intensiviert und optimiert werden, damit Eltern nicht dazu gezwungen sind, vorschnelle Entscheidungen zu treffen, die sie eventuell später bereuen. Gerade in der Beratung müssen Personen verschiedenster Disziplinen zusammenarbeiten, damit werdenden Eltern unterschiedliche Möglichkeiten und Wege aufgezeigt werden können. 3.4.3 Zeit Der Zeitpunkt, an dem die Entscheidung für oder gegen die Anwendung einer pränataldiagnostischen Untersuchung gefällt wird, hängt meist von dem untersuchenden Arzt ab und dessen Information über pränatale Diagnostik. Bei einer Frau über 35 Jahre, die auf Grund ihres Alters sofort als „Risikoschwangere“ eingestuft ist, wird das Thema pränatale Diagnostik sicher sehr bald angesprochen. Wird die Schwangerschaft nicht bereits von vornherein als Risikoschwangerschaft bezeichnet, kann es sein, dass der Arzt eventuell, zum Beispiel auf Grund einer auffälligen Ultraschalluntersuchung, erst später auf die Möglichkeit eines invasiven pränataldiagnostischen Verfahrens hinweist. Einige Frauen haben aus eigener Erfahrungen, der Erfahrung von Bekannten und Freunden oder den Medien bereits Vorwissen über pränatale Verfahren (Wiedebusch 1997). Der Zeitpunkt hängt also stark von dem untersuchenden Arzt, der Situation der Frau und ihren Vorstellungen ab. Außerdem spielt der Faktor Zeit auch noch in einer anderen Hinsicht eine Rolle. Die Entscheidung der Frau hängt auch davon ab, wie viel Zeit sie und ihr Partner haben, sich näher über die jeweilige pränatale Untersuchung und deren Nutzen zu informieren. Laut Wiedebusch (1997) kann es unter Zeitdruck eher zu Entscheidungen kommen, die später bedauert werden. 3.5 Reflexion Die von Horst und Nippert 1994 durchgeführte Studie gibt die häufigsten Gründe, warum schwangere Frauen sich für die Durchführung eines pränataldiagnostischen Verfahrens entscheiden, an (Tab. 12). Alle befragten Frauen sollten sich mit Auswirkungen, die ein behindertes Kind auf ihr Leben hätte, auseinandersetzen. Gründe für pränatale Diagnostik 100 90 80 81.9% 77.1% % 70 60 60,8% 55,5% 41,6% 50 34,5% 40 30 20 10 0 beeinträchtigt die Lebensplanung überfordert, da es lebenslange Sorge benötigt benachteiligt die Geschwisterkinder beeinträchtigt die Partnerschaft führt zu sozialer Isolation beeinträchtigt die finanzielle Situation Tab. 12: Gründe, die zur Anwendung von Pränataldiagnostik führen. (Nippert & Horst 1994, 82) Allgemeiner Tenor bei der Durchführung pränataldiagnostischer Verfahren ist die „Befreiung“ von der Angst, ein behindertes Kind zu gebären. Der Eindruck, „alles im Griff“ zu haben, verdeckt oft die Realität. „Ich habe mir durch die Fruchtwasseruntersuchung suggerieren lassen, das Kind ist gesund, obwohl ich ja genau wußte, daß lange nicht alle Behinderungen erkannt werden können“ Lehrerin, Alter 39 (Schindele 1990, 115). Wüstner (2000) stellt in dem folgenden Schaubild den Entscheidungsprozess für oder gegen pränatale Diagnostik dar. Sie geht davon aus, dass 90% der schwangeren Frauen über 35 Gebrauch von der pränatalen Diagnostik machen. Gleichzeitig steigt die Zahl der Frauen, die ohne Vorliegen einer medizinischen Indikation eine pränatale Untersuchung fordern. Primäre Angst der Eltern, die sich für eine vorgeburtliche Untersuchung entscheiden, ist die Geburt eines behinderten Kindes, das erhebliche Belastungen für sie und ihr Umfeld mit sich brächte. Abb. 11: Wahrnehmung der Pränataldiagnostik aus Entscheidungsmöglichkeiten, die getroffen werden können. (Wüstner 2000, 164) Sicht der betroffenen Personen und Das Schaubild (Abb. 11) skizziert auch die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten nach der Diagnoseeröffnung, auf die im fünften Gliederungspunkt eingegangen werden soll. Letztendlich ist die Entscheidung für oder gegen ein pränataldiagnostisches Verfahren allein der schwangeren Frau überlassen. Die angeführten Punkte können die Entscheidung beeinflussen, wirken sich aber situationsabhängig unterschiedlich aus. Nicht vergessen werden darf, dass jede Frau auch das Recht auf „Nicht-Wissen“ hat. Da vieles nicht gesetzlich geregelt ist, so Grond (1993), sind dem Menschen viele Entscheidungen überlassen. Eine ausführliche Beratung und Feedback von unterschiedlichen Personen sind nötig, damit die schwangere Frau in der Lage ist, die für sie und ihre Familie beste Entscheidung zu treffen. Dass die Frau das letzte Wort hat und somit „frei“ entscheiden kann, birgt aber auch in sich, dass sie die Entscheidung keinem anderen überlassen kann. „Sie muss den Entscheid selber tragen, mit ihm leben“ (Grond 1993, 69). Wirklich leicht haben es nur diejenigen, die strikt gegen pränatale Diagnostik und Schwangerschaftsabbruch sind, und diejenigen, die ohne Rücksicht auf Normen ihre eigenen Interessen durchsetzen. Degener und Köbsell greifen auf, dass 1984 in Deutschland 22.506 pränatale Diagnosen durchgeführt worden sind. Davon wurden 80% auf Grund erhöhten Alters der Mutter durchgeführt, 10% wegen einer bereits in der Familie vorkommenden Behinderung und weitere 10% auf Grund von Ängsten, das heißt, dass in diesen Fällen keine medizinischen oder altersbedingten Indikatoren existierten. Allgemein lässt sich in der heutigen Zeit, so auch Wiedebusch feststellen, pränatale (1997) dass eine Diagnostik immer häufiger auf Grund subjektiver Kriterien angewendet wird und es werdenden Eltern immer schwerer fällt objektiv, zu entscheiden (Abb. 12). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn kein objektiv erhöhtes Risiko für eine Abb. 12: Überblick über objektive und subjektive Entscheidungskriterien. (Wiedebusch 1997, 131) Chromosomenaberration vorliegt, dennoch aber die Angst der werdenden Eltern sehr groß ist und diese sich auf Grund des subjektiven Gefühls für die Anwendung einer pränataldiagnostischen Untersuchung entscheiden. Bei der Entscheidung für oder gegen pränatale Diagnostik handelt es sich um einen Appetenz-Aversions-Konflikt. Das bedeutet, dass jede Entscheidung sowohl positive, als auch negative Seiten aufwirft, daher löst sie sowohl Zustimmung als auch Ablehnung aus (Wiedebusch 1997, 133). Die Zielsetzungen der pränatalen Diagnostik stehen in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Adressaten – das ungeborene Kind, die werdenden Eltern und die Gesellschaft. Es tritt die Frage auf, zu wessen Wohl die pränatale Diagnostik durchgeführt wird? Die Aussicht, durch pränatale Verfahren Kinder mit genetischen Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und zu eliminieren und dadurch den Leidensdruck für die Gesellschaft zu senken, ist eine Triebkraft für die Weiterentwicklung und vermehrte Einsetzung pränataler Untersuchungen, so Kind (1993). Dadurch entsteht die Gefahr, dass pränataldiagnostische Verfahren immer größeren Selektionscharakter bekommen. Die Anwendung eines pränatalen Verfahrens allein weist allerdings, so Daele (2003), noch kein selektives Verhalten auf. Erst die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch nach der Auswertung der pränataldiagnostischen Untersuchung hat selektiven Charakter. Ich denke, dass es auch Frauen gibt, die zwar eine pränataldiagnostische Untersuchung durchführen lassen, sich aber gar nicht viele Gedanken über die eventuellen Auswirkungen oder die Einflüsse bestimmter Indikatoren machen, sondern es als Routine ansehen, als etwas, was man heute macht! Katz Rothman (1989) ist der Meinung, wenn man Frauen über 35 fragt, warum sie sich für die Amniozentese entschieden haben, sagen die meisten, wegen ihres Alters. Die Antwort ist nicht wirklich reflektiert, aber für die jeweilige Frau trotz alledem schlüssig! Dennoch bin ich der Meinung, dass bei einer gezielten Entscheidung für ein pränatales Verfahren, vor allem bei Durchführung einer invasiven Untersuchung, die Weichen im Falle eines positiven Testergebnisses meist bereits gestellt sind. Warum sollte sonst die erhöhte Gefahr einer Fehlgeburt in Kauf genommen werden? Die Zahl der Frauen, die eine Untersuchung durchführen lassen, damit sie sich im Falle eines positiven Testergebnisses besser auf ihr Kind und dessen Bedürfnisse vorbereiten und einstellen können, ist wohl eher gering. Wünschenswert wäre es, dass jede Frau so umfassend beraten wird, dass sie vor der eventuellen Durchführung eines pränataldiagnostischen Verfahrens die Folgen, Handlungsmöglichkeiten und dementsprechenden Konsequenzen genau kennt – sie vorher weiß, was ihr bevorsteht und welchen Nutzen sie für sich daraus ziehen kann. Daher stehe ich der Aussage: „Es ist das vorrangige Ziel der pränatalen Diagnose, Informationen zu liefern, um den Paaren zu helfen, ihre Entscheidung gut informiert zu treffen“ skeptisch gegenüber, obwohl 95% der befragten Personen in der Umfrage von Horst und Nippert (1994) dieser Aussage zustimmten. Ich denke, dass die nötigen Informationen bereits vor der Durchführung der pränataldiagnostischen Untersuchung an die Eltern herangebracht werden müssen, da im Falle eines positiven Befundes der nötige Abstand und die rationale Betrachtungsweise fehlen. 4. Situation in Deutschland In den folgenden Punkten soll zum einen ein Überblick über Informationen gegeben werden, die schwangeren Frauen zur Verfügung stehen, und zum anderen über rechtliche Grundlagen sowie Konsequenzen, die vorgeburtliche Untersuchungen nach sich ziehen können. 4.1 Informationen für die schwangere Frau Jede Frau erhält bei der Feststellung einer Schwangerschaft von ihrem Arzt Informationen und Richtlinien, die zu einem entspannten Erleben der Schwangerschaft dienen sollen. 4.1.1 Mutterschafts-Richtlinien Die Mutterschafts-Richtlinien gelten für jede schwangere Frau, die in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist. Damit hat sie Anspruch auf gewisse Vorsorgeunter-suchungen. Die ersten Mutterschafts-Richtlinien erschienen 1966 und werden seitdem von einem Arbeitsausschuss, der sich aus den verschiedensten Personengruppen zusammen setzt, aktualisiert. Bei der Überarbeitung fließen nicht nur medizinische und wissenschaftliche Neuerungen ein, sondern es geht auch um die organisatorische Durchführung, Finanzierung und Qualitätssicherung der Vorsorgeuntersuchungen (Bodes 1999; Hutzler 2000a). „Ziel der Mutterschafts-Richtlinien ist, die Abwendung möglicher Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind sowie die frühzeitige Erkennung mütterlicher oder kindlicher Gesundheitsstörungen einschließlich der rechtzeitigen Zuführung zu einer weiteren Diagnostik und gegebenenfalls Behandlung“ (Hutzler 2000a, 187). Die Mutterschaftsrichtlinien dienen als Präventionsprogramm zur frühzeitigen Erkennung von Risikoschwangerschaften und zur bestmöglichen Vorbereitung für die schwangere Frau. Der Untersuchungskatalog der Mutterschafts-Richtlinien beinhaltet „serologische Diagnostik“, den „Mutterpass“ sowie Vorgaben zur Dokumentation (Hutzler 2000a). Die ärztliche Betreuung erstreckt sich auf folgende Bereiche: • Geburtshilfliche Untersuchungen und Beratung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung • Blutuntersuchungen und Untersuchung des Fetus auf eventuelle Infektionskrankheiten (serologische Diagnostik) • Bestimmung der Blutgruppe, Feststellen von Blutgruppen-Unverträglichkeiten und eventuelle Einleitung von Therapiemaßnahmen (serologische Diagnostik) • Ultraschalluntersuchungen • Gezielte Überwachung von Risikoschwangerschaften – zum Beispiel Beratung über Einleitung invasiver Verfahren (Hutzler 2000a). Die serologischen Untersuchungen umfassen die Bestimmung der Blutgruppe und infektionsserologische Untersuchungen. Im Mutterpass, den jede schwangere Frau erhält, werden alle Ergebnisse der nach den Mutterschafts-Richtlinien vorgeschriebenen Untersuchungen entsprechend dokumentiert. Vor allem wegen der Neustrukturierung der Ultraschalluntersuchungen zu einem dreistufigen Screening-Konzept und der Einführung des Screenings auf Hepatitis B sowie auf Chlamydien wurde 1996 der Mutterpass aktualisiert und überarbeitet (Hutzler 2000b). 4.1.2 Feststellen einer Risikoschwangerschaft In den Mutterschafts-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gilt als vorrangiges Ziel der ärztlichen Schwangerschaftsvorsorge die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften und auch von Risikogeburten. Die erste Untersuchung nach Feststellen der Schwangerschaft soll möglichst früh erfolgen und umfasst eine ausführliche Familien-, Eigen-, Schwangerschafts- und Sozialanamnese. Des Weiteren werden allgemeine Untersuchungen durchgeführt (Hutzler 2000a). Ergeben sich im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung Anhaltspunkte für ein genetisch bedingtes Risiko, so sollte der Arzt die schwangere Frau über die Möglichkeit eines genetischen Beratungsgesprächs und eventuelle Untersuchungen Risikoschwangerschaft aufklären. deklariert, Eine wenn Schwangerschaft bestimmte wird Merkmale dann als auftreten: „Risikoschwangerschaften sind Schwangerschaften, bei denen aufgrund der Vorgeschichte oder erhobener Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist“ (Hutzler 2000a, 200). Laut der Mutterschaftsrichtlinien handelt es sich, bereits auf Grund der Vorgeschichte, in folgenden Fällen um Risikoschwangerschaften: • • • • • • • Es liegen schwere Allgemeinerkrankungen der Mutter vor (z.B. Niere, Leber...). Die Frau ist trotz Sterilitätsbehandlung schwanger oder sie hatte bereits wiederholt Aborte bzw. Frühgeburten. Die Frau hat bereits ein Kind, das über 4000g wog, entbunden oder sie hatte bereits eine Mehrlingsgeburt. Es wurden bereits Operationen am Uterus durchgeführt. Vorherige Entbindungen führten zu Komplikationen. Die Frau ist Erstgebärende unter 18 Jahre oder über 35 Jahre. Die Frau ist Mehrgebärende über 40 Jahre oder Vielgebärende mit mehr als vier Kindern. Des Weitern kann es passieren, dass erst im Laufe der Schwangerschaft auffällige Befunde auftreten: • • • • • • • • • Bluthochdruck oder -tiefdruck, überdurchschnittliche Eiweißausscheidungen, schnelle Gewichtszunahme des Fetus Anämie Diabetes mellitus Uterine Blutungen Blutgruppen-Unverträglichkeit Diskrepanz zwischen Kindesgröße und Schwangerschaftswoche Drohende Frühgeburt Mehrlingsgeburt Überschreitung des errechneten Geburtstermins. Bei Risikoschwangerschaften finden Untersuchungen meist in kürzeren Abständen statt, und neben den üblichen Untersuchen werden auch pränataldiagnostische Verfahren in Betracht gezogen (Hutzler 2000a; Hutzler 2000b). In den letzten Jahren wurde bereits viel Zeit und Geld sowohl in genetische Beratungsstellen, als auch in die Entwicklung und vermehrte Anwendung pränataldiagnostischer Verfahren investiert. Während letztere bis jetzt meist auf Grund gegebener Indikatoren, also bei sogenannten Risikoschwangerschaften durchgeführt werden, stehen die genetischen Beratungsstellen allen werdenden Eltern offen (Tolmein 1993, 21f.). Gaidzik und Teige (1990) haben eine Liste mit Indikatoren zusammengestellt, die betroffene Frauen bereits sehr früh auf eine genetische Beratungsstelle hinweist und in diesen Fällen meist auch auf die Pränataldiagnostik. Diese steht in engem Bezug zu den MutterschaftsRichtlinien: • • • Es sind Fehlbildungen, Behinderungen bzw. genetische Erkrankungen in der Familie bekannt. Die Frau ist bei Beginn der Schwangerschaft 35 Jahre oder älter. Die Frau hatte bereits zwei oder mehr Fehl- oder Totgeburten. • Chemische oder physikalische Einflüsse wirken auf den Organismus, wie zum Beispiel Alkohol, Medikamente oder Drogen. • Es liegen Virusinfektionen, die eine Schädigung des Fetus nach sich ziehen könnten, vor. (Kurmann & Wegener 1999, 7). Des Weiteren werden pränatale Untersuchungen immer mehr auch von schwangeren Frauen gewünscht, bei denen keine offensichtliche Risikoschwangerschaft vorliegt – um sich so gut wie möglich abzusichern, dass der Nachwuchs „genetisch fit“ ist. Während Menschen mit geistiger Behinderung mehr oder weniger verboten wird, Kinder zu bekommen und diese großzuziehen, so sollten nichtbehinderte Frauen möglichst keine behinderten Kinder zur Welt bringen (Tolmein 1993, 21). So beschreibt Tolmein pränatale Diagnostik als einen ersten Schritt zur Selektion. 4.1.3 Veränderung der Einstellung zur Schwangerschaft In diesem Punkt soll beleuchtet werden, in wieweit sich das Erleben der Schwangerschaft für die Frau im Laufe der Zeit verändert hat und welche Folgen dies für unsere Gesellschaft nach sich zieht. Schindele (1990, 33) greift in ihrem Buch einen Absatz aus einer Informationsbroschüre für schwangere Frauen auf: „Natürlich ist die Geburt die natürlichste Sache der Welt. Aber ist das ein Grund, die Gesundheit eines ungeborenen Kindes auf die leichte Schulter zu nehmen? Heißt das, getrost wider ärztlichen Rat zu rauchen und zu trinken ... und uns Ärzte dann um das Leben eines Kindes kämpfen zu lassen, dessen Schicksal uns genauso schmerzt wie die Eltern? Ebenso bedrückt uns, daß viele Frauen zu spät, erst im 4. oder 5. Monat, ihre Vorsorgeuntersuchung wahrnehmen. Viel häufiger droht diesen Eltern die Geburt eines kranken Kindes ... wollen Sie das im Ernst riskieren? Ist es denn so schwer, sich vorzustellen, daß ein Kind im Mutterleib erkranken kann und einen Arzt braucht, schneller, als auch die erfahrenste Schwangere es spürt?“ Hier stellen sich die Ärzte als Angstmacher dar, die für die hundertprozentige Gesundheit des Kindes zuständig sind und diese garantieren, wenn nur die Frau sich frühest möglich um unterschiedliche Vorsorgeuntersuchungen kümmert. Tatsache ist aber, dass eine schwangere Frau nicht krank ist und nur in wenigen Fällen medizinische intra-uterine Maßnahmen für den Fetus lebenserhaltend sind (siehe 5.2.2). Dass Schwangerschaft ein natürlicher Vorgang ist, gerät immer weiter in Vergessenheit. Tolmein (1993) sieht durch den zunehmenden Einsatz pränataler Diagnostik in Deutschland momentan einen immer stärkeren Tenor in die Richtung, dass die Geburt eines behinderten Kindes ein vermeidbarer Schaden ist. Aus der Angst, Fehler zu machen, so Schindele (1990), hören schwangere Frauen oft ausnahmslos auf ihren Arzt und es entsteht die Gefahr der Technisierung der Schwangerschaft. Laut einer Studie gestehen sich nur 9% der schwangeren Frauen eigene Entscheidungen während der Geburt und Schwangerschaft zu, 90% der Befragten sind der Ansicht, dass nur ihr Frauenarzt in der Lage ist, kompetente Entscheidungen zu treffen. Der Blick wird heute nicht mehr auf den „dicken kraftvollen Leib“ einer schwangeren Frau gerichtet, sondern es entsteht ein „nackter Embryo“, von dem sich die Medizin berufen fühlt (Schindele 1999, 14). Durch die sich immer weiterentwickelnden Verfahren und auf Grund neuer Forschungsergebnisse hat der Embryo nicht mehr die alleinige enge Verbindung zur Mutter, sondern wird mehr und mehr zum Produkt, und „Produkte müssen fehlerfrei sein“ (Schindele 1999, 14). Duden (1991) spricht eine Versachlichung und Veröffentlichung von Schwangerschaft an. Das ungeborene Kind wird bereits im Mutterleib vermessen und genauestens erfasst – es wird in Diagramme und Normal-kurven eingeordnet und wird von der ersten Untersuchung an mit „der Norm“ verglichen. 4.2 Rechtliche Situation Die Pränataldiagnostik darf nicht nur von medizinischer und ethischer Seite her betrachtet werden, sondern auch in Bezug auf die in Deutschland geltenden Gesetzgebungen. Das Grundgesetz, das Embryonenschutzgesetz und §218 StGB sollen in den folgenden Punkten hinsichtlich der Pränataldiagnostik bzw. des ungeborenen Kindes beleuchtet werden. Gerade in Bezug auf die „wrongful-life-Prozesse“ bekommen rechtliche Aspekte eine immer größere Bedeutung und beeinflussen das Fachgebiet der pränatalen Diagnostik. 4.2.1 Grundgesetz Das 1949 in Kraft getretene Grundgesetz zeigt in den ersten Paragraphen die Stellung des Menschen auf und kann bzw. muss auch in Bezug auf die pränatale Diagnostik und auf die Stellung von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft reflektiert werden. Artikel 1 (1) „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, aktualisiert 2002). Projiziert man diesen Artikel auf die Abtreibung eines behinderten Fetus, stellt sich die Frage, ob man dann im Sinne des Staates handelt. Oder hat ein ungeborenes Kind noch keine Würde, die es zu schützen gilt? Die Bedrohung menschlichen Lebens hat auf Grund der medizintechnischen und gesellschaftlichen Entwicklung neue Dimensionen erreicht. Menschen maßen sich an, bestimmen zu können, wer Mensch ist und wer nicht. Im Kasseler Kongress setzen sich 1998 Verbände der Behindertenhilfe und Selbsthilfe in Bezug auf Artikel 1 des Grundgesetzes gezielt für die Einzigartigkeit jedes Menschen ein. „Wir wenden uns gegen alle Versuche, Menschen aus philosophischen, ökonomischen oder technologischen Überlegungen heraus zu klassifizieren und als Objekte fremder Interessen zu selektieren“ (Kasseler Erklärung 1998, 109). Menschenwürde verwirklicht sich im gelebten Leben, dies sollte in einem Staat, der die Würde des Menschen im ersten Artikel des Grundgesetzes als das höchste und unantastbare Gut bezeichnet, eigentlich selbstverständlich sein. Wenn Würde und Wert des Lebens allen Menschen gleichermaßen garantiert sind, können Menschen mit Behinderung auch in kritischen Situationen ihres Lebens sicher sein. Sie müssen nicht befürchten, von Organtransplantationen ausgeschlossen, oder als Organspender missbraucht zu werden, weil bioethische Prinzipien ihnen nur ein zweitrangiges Lebensrecht zugestehen (Kasseler Erklärung 1998). Dementsprechend weist Artikel 2 des Grundgesetzes auf das Recht auf Leben in körperlicher Unversehrtheit hin: Artikel 2 (1) „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden“ (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, aktualisiert 2002). „Ohne Einschränkung ist die physische Existenz jedes Menschen geschützt, Urteile über ihren Lebenswert sind verboten, ebenso Unterscheidungen zwischen vorgeburtlichem und nachgeburtlichem Leben, Krankheit und Alter“ (Kasseler Erklärung 1998, 109). Laut der Kasseler Erklärung (1998) ist dem Staat auf Grund der Gesetzgebung die Macht entzogen, zu entscheiden, wer Mensch ist. Allerdings wird gegen diesen Verfassungsauftrag heute mehrfach verstoßen. Artikel 3 (1) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (3) „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, aktualisiert 2002). In Artikel 3 steht es explizit: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Woher nehmen wir uns eigentlich das Recht, Menschen mit einer Behinderung anders oder besonders zu behandeln? In wieweit befolgen wir unser Grundgesetz? Diese Frage stellt sich für mich hier offensichtlich. Streng genommen ist jeglicher selektive Charakter, den pränataldiagnostische Untersuchungen nach sich ziehen, ein Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. 4.2.2 Embryonenschutzgesetz Der Bundestag beschloss das Embryonenschutzgesetz am 13. Dezember 1990. Am 1. Januar 1991 trat es in Kraft. Mit diesem Gesetz wird in Deutschland jegliche Forschung und auch Diagnostik, die nicht zur Erhaltung des Embryos im Frühstadium gilt, untersagt. Dadurch soll die Manipulation der genetischen Ausstattung des Menschen verhindert werden (Willenbring 1999, 39). Das Embryonenschutzgesetz betrifft die Pränataldiagnostik im Prinzip nur indirekt. In Bezug auf die Präimplantationsdiagnostik hat es entscheidende Auswirkungen, daher soll der momentane Stand kurz geschildert werden. Die Notwendigkeit des Embryonenschutzgesetzes begründet sich vor allem durch die rasante technische Entwicklung der Humangenetik. Es soll das Recht der Wissenschaft auf Forschungs-freiheit und die Sicherung des Schutzes von Leben und Menschenwürde miteinander vereinbaren. Die Forschungsfreiheit hat in unserer Verfassung eine ungewöhnlich starke Stellung, so Holch (2002). Sie kann nur schwer durch ein einfaches Gesetz eingeschränkt werden. Eine Grenze findet sie nur in der Würde des Menschen und an den anderen Grundrechten. „Ganz oben im Grundgesetz heißt es: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.’ Jeder Mensch ist um seiner selbst willen da. Kein Mensch darf als bloßes Mittel zum Zweck anderer benutzt werden. Die Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken würde eindeutig gegen ihre Menschenwürde verstoßen“ (Holch 2002, 1). Erst im Januar 2002 debattierten die Abgeordneten des Bundestages über den Import embryonaler Stammzellen. Das Embryonenschutzgesetz wird von einigen in Deutschland als zu streng angesehen. Nach einer knappen Abstimmung kam man zu dem Ergebnis, dass das Embryonenschutzgesetz weiter in Kraft bleibt. Das heißt, es gilt weiterhin, dass die befruchtete Eizelle ab ihrem ersten Tag Menschenwürde besitzt und nicht zu anderen Zwecken, wie etwa zur medizinischen Forschung, getötet werden darf (Willenbring 1999, 39f.; Holch 2002). Embryonenforschung, die nicht auf eine Schwangerschaft hinzielt, ist in Deutschland weiter verboten. Verglichen mit anderen Staaten wird Deutschland in Bezug auf das Embryonenschutzgesetz oft als konservativ dargestellt. In vielen europäischen Staaten, zum Beispiel Großbritannien, ist der Embryo bis zum 14. Tag, dem Tag der Einnistung in die Gebärmutter, für Forschungszwecke freigegeben (Holch 2002). In Deutschland gibt es auf Grund des Embryonenschutzgesetzes keine Möglichkeit, Präimplantationsdiagnostik durchzuführen. Eindeutig gesetzlich verboten ist die Entnahme totipotenter Zellen. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft kann erst bei Embryonalzellen in einem Stadium jenseits des 16. Zellstadiums davon ausgegangen werden, dass sie keine Totipotenz mehr aufweisen, das heißt, die Herstellung zu einem anderen Zweck als dem Herbeiführen einer Schwangerschaft kann ausgeschlossen werden (Hennen, Petermann & Sauter 2001, 90f.). 4.2.3 Bedeutung des § 218 StGB für die pränatale Diagnostik Heftige Diskussionen über den Schwangerschaftsabbruch und dessen rechtliche Regelung sind schon seit Jahren bei unterschiedlichen Personengruppen wie zum Beispiel Mediziner, Juristen und Vertretern der Kirchen und Behindertenverbände im Gange. Ziel bei allen Diskussionen ist es, den größtmöglichen Schutz für das ungeborene Leben zu gewährleisten. Der derzeit gültige §218 StGB enthält folgende Hauptaussagen: § 218 StGB Schwangerschaftsabbruch „(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder 2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht. (3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. (4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft“ (Strafgesetzbuch §218a 1999). Laut §218 StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch nach dem Grundgesetz verboten mit folgenden Ausnahmen: Bis 1995 war ein Schwangerschaftsabbruch vor dem Gesetz gerechtfertigt, wenn eine „medizinische Indikation“, Gefahr für Leib und Leben der Mutter, eine „kriminologische Indikation“, Vergewaltigung, oder eine „embryopathische Indikation“, das heißt der Embryo weist eine schwere bzw. nicht behandelbare Schädigung auf, die für die schwangere Frau unzumutbar ist, vorlag. Ein Abbruch war aber in allen drei Fällen nur bis spätestens zur 22. Schwangerschaftswoche erlaubt. So kam es bis dahin nie zur Abtreibung lebensfähiger Kinder. In der großen Debatte um den §218 StGB im Jahr 1995 vertraten Kirchen und Behindertenverbände die Meinung, dass die embryopathische Indikation als „Stigmatisierung behinderten Lebens“ missverstanden werden könnte. „Das ungeborene behinderte Leben sollte im Vergleich zum geborenen unbehinderten keinem Sonderstatus unterworfen sein“ (Holch 1999, 2). Aus diesem Grund fällt die embryopathische Indikation als eigenständige Indikation weg, wird aber allerdings in die medizinische Indikation mit aufgenommen (Bundesärztekammer 1998; Hepp 1999; Holch 1999). In folgenden Fällen ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar: § 218a StGB Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs Jede Abtreibung ist straffrei, wenn: (1) „1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach §219 Abs.2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, 2. der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und 3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind“ (Strafgesetzbuch §218a 1999). Laut Absatz 1 kann jede Frau, wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind, unabhängig von ihrem psychischen und physischen Befinden straffrei einen Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt durchführen lassen. Absatz 2 von § 218a StGB enthält die medizinische Indikation (2) „Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann“ (Strafgesetzbuch §218a 1999). Rechtmäßig und ohne zeitliche Begrenzung, ohne Pflicht zur Beratung – mit Streichung der Dreitagesfrist zwischen Beratung und Abbruch – wird eine Abtreibung im Falle einer medizinischen Indikation möglich und von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert (Krebs 1999). Da keine Frist besteht, kann ein Embryo theoretisch bis zu einem Tag vor der Geburt noch abgetrieben werden, wenn der körperliche oder seelische Gesundheitszustand der schwangeren Frau gefährdet ist. Wenn man sich diesen Satz genauer betrachtet, sieht man, dass vor allem der seelische Zustand der Frau nur schwer bzw. überhaupt nicht objektiv zu beurteilen ist. Somit hat sich durch die Abschaffung der embryopathischen Indikation die Stigmatisierung kranker bzw. behinderter Embryonen nicht verbessert, sondern ist weiter als diskriminierend anzusehen. Der diagnostische Befund des Fetus ist laut Willenbring (1999, 37) nicht der primäre Grund für eine Abtreibung, sondern die psychische Belastung der Mutter durch das behinderte Kind. Zukünftig müssen Ärzte einen psychiatrischen Sachverstand besitzen, um die Belastung der Mutter festzustellen. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau wird deutlich und verbessert sich zwar, da die Geburt dieses Kindes ihre gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse zu sehr einschränken würde, allerdings verschärfen sich eugenische Aspekte. Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das Selbstbestimmungsrecht der Frau zum Recht auf das Leben des Fetus steht (Krebs 1999). Laut Beckmann (1998) verstößt die „versteckte embryopathische Indikation gegen Artikel 3 des Grundgesetzes – ‚Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden’ –, da nur Kinder, bei denen pränatal eine Behinderung diagnostiziert wurde, ohne Fristbegrenzung abgetrieben werden können.“ Hieraus erkennt man eindeutig eine verfassungswidrige Benachteiligung des ungeborenen, behinderten Kindes. Seit der Eingliederung der embryopathischen Indikation in die medizinische Indikation entfällt nicht nur die zeitliche Begrenzung des Schwangerschaftsabbruchs, sondern auch die früher verpflichtende Beratung vor Abbruch einer Schwangerschaft. Damit sind in der medizinischen Indikation zwei sehr ungleiche Fälle zusammengefasst. Zum einen die medizinische Indikation im engen Sinne, bei der der Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird, um die Frau vor ernsten Gefahren zu bewahren; in diesem Fall ist nicht die Tötung des Fetus das primäre Ziel, sie wird aber zu Gunsten der Gesundheit der Mutter in Kauf genommen. Zum anderen die medizinische Indikation, die als primäres Ziel die Tötung des Fetus vor Augen hat, um der Mutter die für sie unzumutbare Belastung eines behinderten Kindes zu ersparen (AWMF 1999). Die seit 1995 geltende medizinische Indikation enthält damit sowohl die Tötung des Fetus zu Gunsten der Gesundheit der Mutter, als auch die „Tötung eines Kindes um seiner Tötung willen“ (Hepp 1999, 30). 1997 wurden 190 Embryonen nach der 23. Schwangerschaftswoche abgetrieben, so Holch (1999). Diese hätten bereits außerhalb des Mutterleibs überleben können. „Wären sie nicht behindert gewesen, hätten die Ärzte alles getan, sie zu retten. Sie wären durch Kaiserschnitt entbunden worden, damit ihr weicher Schädel nicht im Geburtskanal gequetscht würde, sie wären in den Brutkasten gelegt und beatmet worden“ (Holch 1999, 1). Holch (1999) bezeichnet die früher rein medizinische Indikation jetzt in ihrer Erweiterung als sozialmedizinische Indikation. Für Hepp (1999) ist es unverständlich, dass die sozial-medizinische oder auch mütterlich-medizinisch genannte Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch keine Beratung der schwangeren Frau mehr erfordert und auch die Dreitagesfrist zwischen Beratung und Abbruch somit aufgehoben ist. Man kann davon ausgehen, dass einige Frauen vorschnell und kurzsichtig handeln. Ich denke, dass die meisten Frauen nach der Diagnoseeröffnung eines positiven Befunds unter Schock stehen und der Schwangerschaftsabbruch der „beste“ und vor allem schnellste Ausweg zu sein scheint. Da die betroffene Frau nicht mehr gezwungen ist, sich näher mit ihrer Situation auseinander zusetzen, kann ich mir vorstellen, dass Frauen sich für eine Abtreibung entscheiden, ohne dass sie sich vorher Gedanken gemacht haben, was es bedeutet, ein Kind abzutreiben und welche psychischen Folgen ein Schwangerschafts-abbruch nach sich zieht. Genauer soll hierauf in Punkt 5.2.1 eingegangen werden. Außerdem ist es seit der Änderung des §218a StGB nicht mehr möglich, die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche auf Grund einer Behinderung des Embryos festzustellen (Bundesärztekammer 1998). Die folgende Tabelle 13 zeigt die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in den Jahren 1998 bis 2002. Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland 1998 bis 2002 nach rechtlicher Begründung, Dauer der Schwangerschaft und vorangegangenen Lebendgeborenen Gegenstand der 1998 1999 2000 2001 2002 Nachweisung Insgesamt 131 795 130 471 134 609 134 964 Rechtliche Begründung Medizinische Indikation 4 338 3 661 3 630 3 575 Kriminologische Indikation 34 34 34 49 Beratungsregelung 127 423 126 776 130 945 131 340 Dauer der Schwangerschaft Dauer von ... bis unter ... Wochen unter 13 129 411 128 458 132 512 132 883 13 – 23 2 209 1 849 1 943 1 904 23 und mehr 175 164 154 177 Aktualisiert am 31. März 2003 130 387 3 271 37 127 079 128 338 1 861 188 Tab. 13: Statistik über Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland. (Statistisches Bundesamt Deutschland 2003) Die folgende Tabelle 14 gibt einen Überblick über eine Studie, die an der Universität in Cambridge durchgeführt wurde. Frauen sollten angeben, in welcher Ausgangssituation sie einen Schwangerschaftsabbruch für sich selbst als gerechtfertigt ansehen würden. Wann sehen Frauen einen Schwangerschaftsabbruch für sich selbst gerechtfertigt? 80% 74% 66% 70% 60% 52% 50% 40% 27% 30% 17% 20% 8% 8% 10% 9% 0% Aussagen der schwangeren Frauen nie verheiratet, ungewollt schwanger niedriges Einkommen, noch ein Kind zu teuer nicht verheiratet, ungewollt schwanger Kind hat eventuell eine Behinderung eigene Gesundheit ist ernsthaft gefährdet Kind hat sehr wahrscheinlich eine Behinderung schwanger nach Vergewaltigung Ta b. 14: Wann sehen Frauen einen Schwangerschaftsabbruch für sich selbst gerechtfertigt? (Green, Snowdown & Statham 1993) 4.2.4 „Wrongful-life/birth-Prozesse“ – „Kind als Schaden“ 1984 wurde vom Aufklärungspflicht Bundesgerichtshof verstößt, wenn entschieden, er eine dass ein schwangere Arzt Frau gegen nicht auf seine eine Fruchtwasseruntersuchung hinweist, die möglicherweise zum Ausschluss eines Kindes mit Down-Syndrom „dienen“ könnte. Falls die Frau auf Grund der fehlenden Information ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt bringt, hat sie Anspruch auf Schadensersatz. Damit wurde der Grundstein für die Einführung der Pränataldiagnostik als „standard of care“ in der Schwangerenvorsorge gelegt (Nippert & Horst 1994, 4f.). Am 12. November 1997 entschied dann das Bundesverfassungsgericht, inwieweit die Geburt eines ungewollten Kindes zivilrechtliche Schadensansprüche auslösen kann und zog somit einen scheinbaren Schlussstrich unter eine langjährige Debatte. Laut Degener (1999) ist dieser Rechtstreit zurückzuführen Fortpflanzungstechnologien und das auf die damit sich immer einhergehende weiter entwickelnden veränderte Familien- planungsverhalten in der heutigen Gesellschaft. „Wenn Sterilisation und Pränatal-diagnostik zum alltäglichen Werkzeug der Reproduktionsplanung werden, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wer dafür haftet“ (Degener 1999, 81). Das Stichwort „wrongful-birth“, bei uns „Kind als Schaden“ genannt, wurde in Amerika geprägt, wo auch die ersten Schadensersatzprozesse geführt wurden. Es handelt sich dabei meist um die folgenden zwei Fallgruppen, zwei recht unterschiedliche Fälle, die aber die gleichen Folgen haben. „(1) Ein nichtbehindertes Kind wird geboren, obwohl sich ein Elternteil sterilisieren ließ. Die Sterilisation wurde fehlerhaft durchgeführt. (2) Ein behindertes Kind wird geboren, das abgetrieben oder nicht gezeugt worden wäre, wenn die ärztliche Betreuung vor oder während der Schwangerschaft nicht fehlerhaft gewesen wäre. Das fehlerhafte ärztliche Verhalten kann in einer unterlassenen oder vorgenommenen genetischen Beratung oder Pränataldiagnose liegen“ (Degener 1999, 81f.). Im ersten Fall verurteilte das Landgericht und später auch das Oberlandesgericht München einen Arzt zu Unterhalt für das Kind und zu Schmerzensgeld für die Mutter, da die Mutter und ihr Partner von dem Urologen nicht über die fehlgeschlagene Sterilisation aufgeklärt worden sind. Im zweiten Fall haben sich Eltern, die bereits ein behindertes Kind hatten, ausgiebig genetisch beraten lassen, bevor sie sich entschlossen, ein zweites Kind zu bekommen. Bei der genetischen Beratung wurde ihnen versichert, es sei „äußerst unwahrscheinlich“, dass es sich um eine vererbbare Störung handelt. Als das zweite Kind zur Welt kam, wurde allerdings die gleiche Behinderung, die bereits bei dem ersten Kind vorlag, diagnostiziert. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat den Arzt zu Unterhalt für das Kind und zu Schmerzensgeld für die Mutter verurteilt. Das Landgericht verneinte zuvor sowohl die Unterhaltszahlung als auch das Schmerzensgeld, da „der Beweis einer pflichtwidrigen Beratung nicht gelungen sei“ (Jachertz 1998, 15). Darüber hinaus gibt es auch noch andere Fälle der „schadhaften Familienplanung“, von denen hier nur zwei genannt werden sollen, damit man sich der Tragweite des Rechts der Familienplanung bewusst werden kann. Einer der ersten Fälle war die Klage einer Frau, die irrtümlicherweise anstatt der Pille ein Magenpräparat ausgehändigt bekommen hat und daraufhin erneut schwanger wurde. In einem anderen Fall verklagte der Lebensgefährte seine Frau, da diese ohne sein Wissen die Verhütung absetzte und ihn mit einem Kind „belastete“ (Degener 1999). Bei den amerikanischen Prozessen gibt es drei unterschiedliche Prozesskonstellationen: „I Die Eltern bzw. die Mutter verklagt den Arzt auf Schadensersatz wegen Unterhalt für das Kind und auf Schmerzensgeld für die Zeit der Schwangerschaft und Geburt. II Das Kind verklagt den Arzt auf Schadensersatz wegen seines Daseins bzw. wegen seines Soseins. III Das Kind verklagt seine Eltern bzw. seine Mutter wegen seines Daseins, bzw. wegen seines Soseins“ (Degener 1999, 82). Im amerikanischen Sprachgebrauch werden die Klagen genaugenommen in „wrongful-birthKlagen“ (I) und „wrongful-life-Klagen“ (II und III) unterteilt – sinngemäß „fehlerhafte Geburt“ oder „fehlerhaftes Leben“. In Deutschland spielen gerichtlich nur Fall I und II eine Rolle. Der Fall III wird aber im Rechtsdiskurs auch angedacht (Degener 1999). Bei einer Podiumsdiskussion im Juni 1998 in der Bundesärztekammer in Hannover zum Thema: „Kann ein Kind ein ‚Schaden’ sein?“ war die überwiegende Meinung: Nein! Der Vorsitzende der perinatologischen Arbeitsgemeinschaft stellte fest, dass, wer ein Kind als „Schaden“ ansieht, es in Zukunft auch nicht schwer haben wird, einen kranken oder alten Menschen als „Schaden“ zu begreifen. Ein Privatdozent äußerte sich wie folgt: „Ein Kinderarzt ist Anwalt jeden Kindes, und jedes Kind hat ein Recht auf Leben. Die Abschaffung von Behinderung schafft kein Glück“ (Klinkhammer 1998). Zwar kann und muss man die Geburt eines Kindes auch unter verfassungs- und haftungsrechtlichen Aspekten betrachten, dennoch ist die Denkweise „Kind als Schaden“ mit der Menschenwürde nicht vereinbar (Klinkhammer 1998). Obwohl man sich in vielen Punkten einig ist, wird das Thema rege diskutiert. Die oben genannten Fälle führten noch zu weiteren Verhandlungen und Meinungsverschiedenheiten. Der Zweite Senat war in entscheidenden Punkten anderer Meinung als der erste. Diese Kontroversen weisen auf das Fehlen eines von der Gesellschaft getragenen Konsenses hinsichtlich der Wertigkeit ungeborenen Lebens hin. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bedauert vor allem die Folgen, die für ein ungeborenes Kind und letztlich auch für ein krankes oder behindertes Kind entstehen, so Klinkhammer (1998). Oliver Tolmein (1999) sieht die Rechtsprechungen als Basis für eine grundlegende Auseinandersetzung über Ziele und Perspektiven der modernen Medizin. Die Zeit, in der sich Ärzte auf Juristen verlassen konnten, scheint vorbei. Mediziner und Humangenetiker streben zwar die Vermeidung von Behinderung an, hüten sich aber davor, sie zu garantieren. Die Schadensersatz-Rechtsprechung der Gerichte hat die Tendenz, dass bereits bei einer minimalen Wahrscheinlichkeit auf eine Behinderung – die ja praktisch immer besteht – auf eine umfassende Pränataldiagnostik von Seiten der Mediziner zu drängen ist, da jede theoretisch vorgeburtlich identifizierbare angeborene Behinderung als Behandlungsfehler angesehen werden kann. Demnach besteht jetzt ein noch größeres Interesse der Ärzte, sich juristisch abzusichern und es ist gut vorstellbar, dass einige Ärzte dazu neigen, sich noch stärker für die Durchführung pränataldiagnostischer Verfahren einzusetzen; „lieber ein paar Fehlgeburten und späte Schwangerschaftsabbrüche mehr, als eine Klage auf Schadens-ersatz am Hals“ (Schindele 1999, 17f.)! Damit solche Aussagen und eine weitere Dramatisierung auf Kosten der ungeborenen Kinder nicht zum Alltag werden, ist es nötig, dass sich Personen aus verschiedenen Fachgebieten – Mediziner, Juristen, Theologen, Pädagogen – beraten und so gut wie möglich zusammenarbeiten, auf einer menschlichen Ebene. Ärzte sehen sich auf Grund der juristischen Auflagen bei nicht erfolgter oder fehlerhafter Beratung oder bei fehlerhaft durchgeführtem Abbruch einem Dilemma ausgesetzt. Pränatale Beratung und Diagnose sind nicht mehr getrennt voneinander zu sehen. Sie stehen in direktem Verhältnis zu dem möglichen Schwangerschaftsabbruch. Durch das erste Urteil des Bundesgerichtshofs 1984 kam es laut Nippert (1999) zur Ausweitung invasiver Verfahren. Immer öfter nehmen Frauen, die jünger als 35 Jahre sind, invasive Verfahren in Anspruch, „um auf Nummer sicher zu gehen“. Ich sehe eine Gefahr darin, dass sich diese sogenannte „psychologische Indikation“ weiter verbreitet – immer dann, wenn kein erhöhtes genetisches Risiko bei einer schwangeren Frau für ein Kind mit einer Chromosomenstörung zu erkennen ist – nicht nur, weil sie von Frauen gewünscht wird, sondern auch, weil sie von manchen Ärzten gefördert wird. Klinkhammer (1998) hält es für dringend nötig, dass die Ärztekammer ihr möglichstes tut, damit das „Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnis“ als wichtigste Grundlage für jede „ArztPatienten-Beziehung“ erhalten wird. Letztere darf nicht der „Angst“ vor einer Klage auf Seiten der Ärzte zum Opfer fallen oder von den Patienten als Mittel für materiellen Schadensersatz missbraucht werden. „Nötig sind Lösungsvorschläge, wie Ärzte dem Dilemma der widersprüchlichen Rechtssprechung entrinnen können“ (Klinkhammer 1998). Es darf meiner Ansicht nach nicht passieren, dass es, wie Degener (1999) beschreibt, als selbstverständlicher ärztlicher Standard gilt, die Geburt behinderter Kinder zu verhindern. Aber in der Situation, in der die Ärzte momentan sind, können sie ihrer Haftungspflicht nur entgehen, wenn sie schwangeren Frauen alle Möglichkeiten der Pränataldiagnostik darlegen und damit indirekt die Ängste vor einem behinderten Kind schüren. Ärzten wird der Handlungsspielraum förmlich genommen, da eine einfache Aufklärung über Pränataldiagnostik von ihrer Seite nicht genügt. Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf sind Ärzte zu einer direktiven Beratung nahezu verpflichtet, und es ist ihnen haftungsrechtlich vorgeschrieben, das Leben mit einem behinderten Kind möglichst furchterregend zu schildern. Die Pränataldiagnostik stellt für die Ärzte einen Januskopf dar. Auf der einen Seite stehen positive Effekte – Angstbefreiung und Schutz des Lebens –, auf der anderen Seite das durch diesen Erfolg erzeugte ethische Dilemma. Dies müssen sich Ärzte immer wieder vor Augen halten, damit sie den Bezug zur Realität nicht verlieren, so Hepp 1999. Meiner Ansicht nach muss der entstandene „Teufelskreis“ durchbrochen werden. Die Verantwortung über die Entscheidungen des ungeborenen Lebens darf nicht von einer Personengruppe zur nächsten abgeschoben werden, da letztendlich keiner für die Entscheidung gerade stehen möchte. So bittet die Mutter den Arzt um Hilfe, dieser muss die Pränataldiagnostik gezwungenermaßen anbieten, weil ihm sonst eventuell ein Gerichtsurteil droht, usw. Man scheint zu verdrängen oder zu vergessen, dass es sich hierbei um Leben handelt. 5. Diagnoseeröffnung Viele Frauen, die sich für eine invasive Untersuchung entschieden haben, empfinden das Warten auf den Befund als eine äußerst große psychische Belastung. Die Auswertung dauert je nach Verfahren zwischen zwei und in Extremfällen sieben Wochen. Der Preis für die erwartete Sicherheit ist oft eine Zeit verstärkter Angst und Ungewissheit (Nippert & Horst 1994, 93; Kurmann 1999; Kirchner-Asbrock & Kurmann1998). Eine Frau beschreibt das Gefühl in Baumann-Hölzle et al. (1995, 8) so: „Ich war schwanger und doch nicht schwanger.“ 70,7% der befragten Frauen in der Studie von Horst und Nippert (1994, 96) bezeichneten die Zeit vor dem Untersuchungsergebnis als „Schwangerschaft auf Probe“. Ehrlich (1993) hingegen relativiert die verhältnismäßig lange, oft als belastend bezeichnete Wartezeit damit, dass die neun Schwangerschaftsmonate ohne jegliche Kontrolle auch eine lange Zeit des Wartens seien. Nach Vorliegen des Befundes teilt der untersuchende Arzt der schwangeren Frau das Untersuchungsergebnis mit. Aufgabe der Ärzte ist es, nach Feststellung einer schwerwiegenden kindlichen Erkrankung oder Behinderung, sowohl die Belange des ungeborenen Kindes sowie auch die der Mutter in die Beratung mit einzubeziehen, um so eine individuelle Entscheidung zu ermöglichen, die trotz ihrer Konflikthaltigkeit tragbar ist (Kommission für Öffentlichkeitsarbeit und ethische Fragen der Gesellschaft für Humangenetik e.V. 2001). Die Diagnoseeröffnung zieht unabdingbar klärende Gespräche zwischen den werdenden Eltern und Fachleuten nach sich, ganz besonders bei Auftreten eines positiven Befundes. Die Personengruppe, die die pränatale Diagnostik als selektive Diagnostik ansieht, äußerst sich nach der Untersuchung entweder zufrieden, da voraussichtlich alles gut ist, oder aber bei positivem Befund, „wird abgetrieben und eine neue Chance gegeben“ (Tolmein 1993, 32). Dies funktioniert aber nicht so nüchtern und reibungslos, wie es sich die Verfechter vorstellen, so Tolmein, sondern bringt ein weites Spektrum an Belastungen für die schwangere Frau mit sich. Im Folgenden soll auf die Diagnoseeröffnung und besonders auf die unterschiedlichen Reaktionen und Handlungsmöglichkeiten im Falle eines positiven Testergebnisses eingegangen werden. 5.1 Negativer Befund 97% der Frauen, die eine vorgeburtliche Untersuchung durchführen lassen, bekommen mit Auswertung der Ergebnisse einen unauffälligen Befund (Köbsell 1992, 41). Daele (2003) greift diese Aussage auf und sieht die Untersuchungen als Entlastung für die schwangere Frau an. „Diese Entlastung mit der Aussicht auf ein gesundes Kind ist das Ziel, das Frauen bei der vorgeburtlichen Diagnostik vor Augen haben, nicht die Selektion behinderter Feten. In der Logik der Diagnostik liegt allerdings, dass man das eine nicht haben kann, ohne das andere zumindest bedingt in Betracht zu ziehen“ (Daele 2003, 1f.). Der negative Befund ist für viele Frauen eine Entwarnung und sie können erst ab diesem Punkt „Ja!“ zur Schwangerschaft sagen und eine engere Beziehung zu ihrem ungeborenen Kind aufbauen (Kirchner-Asbrock & Kurmann 1998, 9). Die Schwangerschaft auf Abruf ist eine der wesentlichen psychologischen Folgen der pränatalen Diagnostik. Erst nach einem negativen Befund beginnt die „normale Schwangerschaft“, so Schindele (1999, 21). Bei einem unauffälligen Befund besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die letzten Schwangerschaftsmonate von einer hohen psychischen Stabilität geprägt sind, so Ehrlich (1993, 108f.). 5.2 Positiver Befund Nach Durchführung der pränatalen Untersuchung und einem positiven Befund stehen sowohl die Eltern als auch die Ärzte vor dem Dilemma, zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben unterscheiden zu müssen. In den meisten Fällen muss eine Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft gefällt werden, da Therapiemaßnahmen nur in einzelnen Fällen durchführbar sind (Bernath 1991; Kind 1993; Bundesärztekammer 1998). Die werdenden Eltern haben eine Entscheidung auf individueller Ebene zu treffen, deren Ursprung auf gesellschaftlicher Ebene liegt (Menz 1994). Viele Frauen berichten, so Menz (1994), dass sie im Moment der Entscheidung einen großen Zeitdruck verspürten und über mögliche Folgen in jeder Hinsicht zu wenig aufgeklärt waren. Außerdem fühlen sie sich oft mit ihren Ängsten und Fragen allein gelassen. Daraus wird klar ersichtlich: „Umfassende, ergänzende Informationen und Beratung sind ein Bedürfnis und eine Notwendigkeit! Umfassende Information meint nicht nur medizinisch-genetische Informationen, sondern beinhaltet auch Informationen im Zusammenhang mit Behinderung – also sonderpädagogische Informationen“ (Menz 1994, 180)! Der positive Befund und damit die Aufdeckung, dass ein noch ungeborenes Wunschkind anders ist als erwartet, versetzt die Eltern zunächst unter Schock, welcher, laut Stengel-Rutkowski (1997), vergleichbar ist mit der Diagnosemitteilung einer Krebserkrankung oder einer HIV-Infektion. Meist fühlen sich Eltern, als ob in ihnen „etwas explosionsartig zerstört wird, verlieren den Boden unter den Füßen und fühlen sich in einen Abgrund stürzen, dessen Tiefe unauslotbar Abb. 13:Trauerarbeit über Verlust des imaginierten elterlichen Wunschkindes nach Mitteilung eines positiven Befundes. (Stengel-Rutkowski 1997, 77) erscheint. Fehldiagnose für angesichts der Wird möglich anfangs gehalten, noch so Unausweich-lichkeit eine folgen dieser unerwünschten Realität Schmerz, Kränkung, Wut, Hilflosigkeit, Angst, Ohnmacht und Trauer“ (Stengel-Rutkowski 1997, 76) (Abb. 13). Wie ein Mensch die Krise, nachdem er mit der Diagnose eines behinderten Kindes konfrontiert wird, durchlebt, ist davon abhängig, ob er alleingelassen ist, oder ob er Beistand erhält. Weit vor der Geburt kann der Mensch heute mit einer Diagnose konfrontiert werden, und die Beratungssituation, so Müller-Wiedemann (1994), ist in diesem Stadium noch sehr unterentwickelt. Nach Ermittlung eines positiven Befundes sind eingehende Gespräche mit den werdenden Eltern nötig. Der Arzt muss sich neutral und nicht direktiv verhalten. Laut der Bundesärztekammer (1998) sollten folgende Aspekte in dem Gespräch enthalten sein: • Erläuterung des Befundes • Art der Erkrankung oder Entwicklungsstörung • Mögliche Ursachen der Erkrankung oder Entwicklungsstörung • Therapeutische Möglichkeiten • Mögliche Folgen der Erkrankung oder Entwicklungsstörung für die schwangere Frau und ihre Familie • Klinisches Bild und Schweregrad der Erkrankung oder Entwicklungsstörung • Erleben der Erkrankung oder Entwicklungsstörung aus der Sicht betroffener Personen • Medizinische, psychosoziale und finanzielle Hilfsangebote • Möglichkeit der Vorbereitung auf das Leben mit einem kranken bzw. behinderten Kind • Vermittlung von Kontaktpersonen und Selbsthilfegruppen • Etwaige Erwägung des Schwangerschaftsabbruchs. Müller-Wiedemann (1994) geht davon aus, dass der Beratungsauftrag nur dann erfüllt ist, wenn zum Abbruch realisierbare und konkrete Alternativen zur Sprache kommen – auch eine Adoption kann in Betracht gezogen werden. Ein auffälliger Befund sagt relativ wenig über den Schweregrad oder die individuelle Ausprägung der erwarteten Schädigung aus. Genaue Aussagen, wie der Mensch und seine Mitmenschen mit ihm leben werden, lassen sich nicht machen (Schindele 1994; KirchnerAsbrock & Kurmann1998). „Das potentielle Kind ist eben noch kein Gegenüber, sondern es schrumpft zu einem nüchternen Krankheitsmerkmal zusammen, von dem man sich überfordert fühlt oder das vernünftigerweise abgetrieben werden sollte. Es ist dann nicht mehr Susanne, der man vielleicht sogar noch vor zwei Wochen auf dem Ultraschallbild zugewunken hat, sondern eine Trisomie 21, die möglichst schnell aus dem eigenen Leben radiert werden soll“ (Schindele 1999, 20). Eine Mutter beschreibt ihr Gefühl, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Sohn höchstwahrscheinlich mit dem Klinefelter-Syndrom auf die Welt kommen wird, so: „Als die Ärztin mir sagte, irgendetwas stimmt nicht, ist mir von einer Sekunde zur anderen das Strampeln im Bauch fremd geworden. Der einzige Gedanke war: Weg damit“ (Schindele 1999, 20). Des Weiteren hat der medizinisch geschätzte Schweregrad der Behinderung Auswirkungen auf die Entscheidung. Maier (2000, 142f.) listet exemplarisch unterschiedliche Krankheiten bzw. Behinderungen, abhängig von der Lebens- bzw. Leidensdauer der Kinder, auf. Diese Auflistung ist keineswegs vollständig, sondern soll einen Überblick geben und als Diskussionsrahmen dienen. 1. Zur Gruppe der schwer, nicht oder nur kurz unter intensivem medizinischen Einsatz am Leben zu erhaltenden Kinder gehören solche mit Anenzephalie, Zyklopie, Trisomie 18, Trisomie 13 und Triplodien. 2. Zur Gruppe der schweren Fehlbildungen mit deutlich eingeschränkter Lebenserwartung und mehr oder weniger „vegetativem Leben“ zählen Kinder mit zum Beispiel hypoplastischem Linksherz, massiv ausgeprägtem Hydrozephalus oder Nierenagenesie. 3. Zu Beeinträchtigungen, die mit dem Leben gut vereinbar sind, zählt Maier zum Beispiel das Down-Syndrom. Kinder mit einem Down-Syndrom erfreuen sich am Leben, sind kommunikationsfähig und haben verschiedenste Entwicklungsmöglichkeiten. Des Weiteren werden zu dieser Gruppe offensichtliche Fehl-bildungen ohne Lebenseinschränkung wie die Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder Fehlbildungen der Extremitäten gezählt. Diese sind behandelbar und in gewissem Maße operabel. Auch Kinder mit Turner- oder Klinefelter-Syndrom, deren genetische Probleme oft erst in der Pubertät auftreten, sind in ihrem Leben nur in einem bestimmten Bereich eingeschränkt. 4. Im engeren Sinne kann mit Hilfe der Pränataldiagnostik auch das Geschlecht bestimmt werden. Damit könnte sich auch die äußerst fragwürdige Untergruppe mit unerwünschtem Geschlecht bilden. Die Gruppen sind von eins bis vier nach der Schwere der Fehlbildungen, dem Ausmaß des Leidens bzw. der angenommenen Lebensqualität des Kindes angeordnet. Laut Meier (2000) wird somit auch der Entscheidungsspielraum für die schwangere Frau und ihren Partner, ein Kind mit einer genannten Beeinträchtigung nicht haben zu wollen, stetig enger. Im Falle eines positiven Befunds stellt sich heute häufig nicht die Frage, „ob das Kind lebenswert ist, sondern, welches Kind die Eltern akzeptieren können oder anders ausgedrückt, welches Kind den Eltern liebenswert erscheint“ (Schindele 1999, 20). Die Verantwortung für die Entscheidung möchten sowohl genetische Beratungsstellen, als auch Ärzte und die betroffenen Eltern nicht allein tragen. Es fehlt eine direkte Auseinandersetzung mit dem Thema. Die selektive, kontrollierbar scheinende Schwangerschaft scheint der Norm zu entsprechen. Die eigentlich natürliche Schwangerschaft und das Schaffen einer Gesellschaft, in der alle einen Platz haben, wird aus den Augen verloren (Schindele 1999). Auf der anderen Seite hat die Frau letztendlich die Wahl, wie sie für sich und ihr Leben in der gegebenen Situation entscheidet. Der Fetus ist Teil der Frau, allein weder lebens- noch entscheidungsfähig, daher muss, so Tolmein (1993, 109), die Entscheidung der Frau respektiert werden. Das heißt nicht, dass sie für gut geheißen werden muss. Maier (2000, 141f.) sieht den Entschluss immer als ein Dilemma an, da jede getroffene Entscheidung Probleme mit sich bringt. Die Frau befindet sich in einem unlösbaren Konflikt: Entscheidet sie sich für die Abtreibung des Kindes, wird ihr vorgeworfen, behindertenfeindlich zu sein; entscheidet sie sich für das Kind, wird ihr von anderer Seite vorgeworfen, einem Menschen und der Gesellschaft ein Leben mit Behinderung zuzumuten (Hohenstein 1998, 61). Es gibt keine Lösung, bei der keine negativen Folgen auftreten. Wenn man sich auch moralisch nicht schuldig fühlt, treten andere Schwierigkeiten auf. Hat man einmal den Weg der Pränataldiagnostik gewählt und steht vor einem positiven Befund, muss man sich entscheiden, wenn auch nicht aktiv. Eine Schwangerschaft nicht abzubrechen, heißt, sie fortzusetzen – also ist auch eine „Nicht-Entscheidung“ eine Entscheidung. Stengel-Rutkowski (1997) berichtet aus ihrer Erfahrung, dass es in dem Entscheidungskonflikt nach einem positiven Befund keinen objektiv leichteren oder schwereren Weg für die werdenden Eltern gibt. Dennoch wird meist von Beginn an eine Wahl-Möglichkeit konkreter bedacht. Der Entscheidungsprozess ist sehr individuell und subjektiv. Im Folgenden soll auf drei Möglichkeiten eingegangen werden, die Frauen, jedoch mit Einschränkung, nach der Diagnoseeröffnung eines positiven Testergebnisses zur Wahl haben. 5.2.1 Schwangerschaftsabbruch Diagnostiziert ein Arzt eine Krankheit oder eine Behinderung, hat dies zur Folge, dass therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden, um die Ursache zu beheben oder zumindest zu lindern. Da nur wenige intra-uterin festgestellte Defekte therapeutisch behandelt werden können (siehe 5.2.2), wird in vielen Fällen der Krankheitsträger getötet (Hepp 1999). Nach §218a Absatz 2 ist der Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar und jederzeit durchführbar, wenn die Frau durch die Schwangerschaft körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Das heißt: Ist der positive Befund für die schwangere Frau psychisch nicht verkraftbar, hat sie das Recht, die Schwangerschaft abzubrechen. Die früher verpflichtende Beratung vor Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs auf Grund einer medizinischen Indikation entfällt heute. Der Wegfall der Beratungspflicht wird im Allgemeinen dem Bedürfnis der schwangeren Frau nicht gerecht, so Hohenstein (1998, 137). Durch den vermehrten Einsatz pränataler Untersuchungen wird die Diskussion um die Paragraphen des Schwangerschaftsabbruchs angeregt. Auf Grund der relativ freien Entscheidungsmöglichkeit, die eine Frau nach einem positiven Befund hat, ist eine genaue Reflexion der gegebenen Umstände nötig. Es ist wichtig, dass auch die Konsequenzen eines Schwangerschaftsabbruchs mit in die Diskussion einbezogen werden. Bei der sozial-medizinischen Indikation dient der Schwangerschaftsabbruch nicht der Gesundheit der schwangeren Frau, sondern eine in der Regel gesunde Frau befreit sich durch den Abbruch von dem „Leid“, das ein behindertes bzw. krankes Kind in ihrem zukünftigen Leben anrichten würde (Hepp 1999). Ist die Schwangerschaft bei Diagnoseeröffnung schon relativ weit fortgeschritten, circa bis zur 21. bis 24. Schwangerschaftswoche, muss durch wehenauslösende Mittel die Geburt eingeleitet werden, um so die Schwangerschaft abzubrechen. Durch diese Einleitung einer Frühgeburt besteht die „Gefahr“, dass das Kind extra-uterin überleben kann. Da man aber auf Grund der Erkrankung oder Behinderung des Embryos das Ziel hatte, diesen zu töten, kommen die Ärzte auf Grund der Spätabtreibungen in ein Dilemma. Kommt ein Kind lebend zur Welt, müssen die Ärzte und Geburtshelfer alles tun, um dieses Leben zu erhalten. Um sicher zu gehen, dass lebensfähige, nicht gewollte Kinder eine Abtreibung durch Einleitung einer Frühgeburt nicht überleben, müsste man sie bereits intra-uterin abtöten – ein Fetozid. Der Fetozid gilt juristisch gesehen nicht als Mord, weil rechtlich die Eröffnungswehen als Zeitpunkt festgelegt sind, von dem ab eine Tötung des ungeborenen Kindes verboten ist. Der Fetozid stellt eine gefährliche Grenzverschiebung des ärztlichen Auftrags dar (KirchnerAsbrock & Kurmann 1998, 12; Krebs 1999; Pfleiderer 2000). „Vor die Rettung und Heilung von Menschen schiebt sich in bestimmten Situationen die Tötung durch Unterlassung oder gar die aktive Tötung“ (Krebs 1999, 55). Diese und weitere Punkte zeigen sich in der Praxis. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) stellte 1999 die Punkte dar, die Eltern, die prinzipiell dem Schwangerschaftsabbruch gegenüber nicht total abgeneigt sind, im Falle einer Spätabtreibung Schwierigkeiten bereiten, zum Nachdenken anregen und eventuell zur Verweigerung des Schwangerschaftsabbruch führen: • • • • • • • Fetus ist bereits schmerzempfindlich. Fetus wäre extra-uterin lebensfähig. Fetozid ist nötig; Tötungsauftrag der Mutter schlägt in eine Lebenserhaltungspflicht des Arztes um. Diagnostizierte Behinderung scheint nicht schwerwiegend genug, um den Schwangerschaftsabbruch zu rechtfertigen. Intra- oder extra-uterine Therapiemöglichkeiten sind noch nicht geklärt. Die schwangere Frau ist noch nicht ausführlich über medizinische und soziale Aspekte aufgeklärt. Frage der Zumutbarkeit ist nicht von objektivem Standpunkt geprüft. Je später der Schwangerschaftsabbruch vollzogen wird, desto größer ist der damit verbundene Aufwand. Er kann sich über mehrere Stunden oder auch Tage hinziehen und muss meist stationär durchgeführt werden (AWMF 1999). Deutschlandweit sorgte 1997 der Fall des „Oldenburger Babys“ Tim für Aufsehen. Nachdem mit Hilfe einer pränataldiagnostischen Untersuchung ein Down-Syndrom diagnostiziert wurde, entschieden sich die Eltern in der 25. Schwangerschaftswoche für eine Abtreibung. Tim kam aber lebend zu Welt. Laut unterschiedlicher Berichte ließen die Ärzte den Jungen circa zehn Stunden unversorgt und leiteten erst dann medizinische Behandlung ein. Die Eltern des Jungen verklagten die Ärzte auf Schadensersatz, da sie nicht darüber aufgeklärt waren, dass das „Risiko“ besteht, dass ihr Baby die Abtreibung überlebt (Schindele 1999; www.tim-lebt.de). Dieser Fall ist kein Einzelfall. Mediziner gehen davon aus, dass bei einer Abtreibung nach der 20. Woche jedes dritte Kind lebend zur Welt kommt. Um das zu verhindern, gehen viele Mediziner heute „auf Nummer sicher“ und töten das Kind noch im Mutterleib, vor der Geburtseinleitung mit einer Kalium-Chlorid-Spritze ins Herz. Mansfield, Hopfer und Marteau geben einen Überblick über Studien aus verschiedenen Ländern zum Schwangerschaftsabbruch nach positivem Befund (Tab. 15), aufgeschlüsselt nach verschiedenen Chromosomenaberrationen. Die Untersuchungen stammen aus der Zeit von 1980 bis 1998 und geben eine durchschnittliche Abbruchsrate an. Die berechneten Zahlen variieren je nach Land. Abbruchrate nach pränataler Diagnostik und positivem Befund 100% 92% 90% 84% 80% 72% 64% 70% 58% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Trisomie 21 Spina bifida Anencephaly Turner Syndrom Klinefelter Syndrom pathologischer Befund 15: Abbruchrate nach pränataler Diagnostik und positivem Befund. (Mansfield, Hopfer & Marteau 1999) Tab. Graf (1999, 51) stellt fest, dass nicht zu ermitteln ist, inwiefern die Beratung im Anschluss an den Befund für die Entscheidung zur Abtreibung maßgebend ist. Bei den hohen Abbruchszahlen, vor allem bei Diagnose des Down-Syndroms und Spina bifida stellt sich für Graf (1999, 51) die – meiner Ansicht nach äußerst berechtigte Frage – ob man die Pränataldiagnostik noch als Methode bezeichnen darf, die dem Wohl des ungeborenen Kindes dient. Nippert und Horst führten auch eine Untersuchung durch, in der ebenfalls unterschiedliche Indizien für einen Schwangerschaftsabbruch ausgewertet wurden. Eine Frage untersuchte die Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch bei der Feststellung einer fiktiven genetischen Störung – genetisch bedingtes Übergewicht. Diese Frage sollte aufdecken, ob bei Frauen in einer körperbewussten Gesellschaft eine Bereitschaft vorhanden ist, solche kulturellen Wertvorstellungen mit Hilfe der Pränataldiagnostik zu realisieren. 18,9% der befragten Frauen gaben an, bei diesem Befund die Schwangerschaft unterbrechen zu wollen. 36% würden zwar persönlich die Schwangerschaft nicht unterbrechen, meinen aber, dass es, wenn eine Frau dies wünscht, möglich sein sollte. Das heißt, über 50% der befragten Frauen sehen Übergewicht als einen akzeptablen Grund an, ein Kind zu töten (Nippert 1999)! Dieses für mich erschreckende Ergebnis bestätigt, dass einige Eltern den Rahmen, wie ihr „Wunschkind“ sein darf, äußerst eng stecken – zumindest in ihren Vorstellungen. Die psychischen Folgen und die seelische Belastung, die ein Schwangerschaftsabbruch nach sich zieht, werden oft unterschätzt (Ludwig 1982; Petersen 1986, 106ff.). Eine Mutter, die ihr Kind, nachdem die Fruchtwasseruntersuchung auf ein Kind mit DownSyndrom hinwies, abgetrieben hat, hat nach vier Jahren das Gefühl, dass die Diagnose einer Fehlbildung von den Ärzten wie ein bösartiger Tumor behandelt wird. Die Ärzte versuchen, möglichst schnell zu operieren und ihn zu entfernen, damit er sich nicht ausbreitet. Es darf nicht soweit kommen, dass der Schwangerschaftsabbruch als Therapieform angesehen wird. Eine Schwangerschaft mit einem Kind, welches einen genetischen Defekt aufweist oder fehlgebildet ist, darf nicht als krankhafter Zustand angesehen werden, der – ähnlich wie ein Tumor – operativ beseitigt werden kann bzw. muss (Kind et al. 1993). Die objektive Erfassung von Daten der seelischen Auswirkung des Schwangerschaftsabbruchs ist schwierig, so Ludwig (1982). Die Einschränkung der Objektivität ergibt sich aus dem kulturellen, religiösen, moralischen und sozialen Umfeld der jeweiligen Frau in der Ausnahmesituation einer Schwangerschaft. Das folgende Fallbeispiel soll exemplarisch den langen, konfliktträchtigen Weg darstellen, den eine pränatale Untersuchung mit sich bringen kann und die Entscheidungen, die eventuell getroffen werden müssen, aufzeigen: Fallbeispiel: Caroline Stoller (1995) hat in einem Buch ihre Schwangerschaft, die Konfrontation mit vorgeburtlichen Untersuchungen, die Eröffnung eines positiven Befundes und letztendlich die Entscheidung, das Kind abzutreiben, anschaulich festgehalten. Caroline macht, als sie vermutete, schwanger zu sein, einen Schwangerschaftstest, der ihre Vorahnung bestätigt. Sie fühlt sich gut und alles läuft weiter wie bisher. Dennoch ist sie etwas ungeduldig, da sie bei ihrer letzten Schwangerschaft in der achten Woche eine Fehlgeburt hatte. Immer wieder stellt sie sich ihr Baby vor und ist fasziniert davon, dass Leben in ihr wächst; „es ist ein beglückendes Gefühl, sich dies bewusst zu machen. Ein Kind zu haben, welchem wir das Leben geschenkt haben. Ein Kind, welches aus unseren Chromosomen entsteht. Ein Kind, welches mir vielleicht ähnlich sein wird“ (11). Die Gedanken an das Kind werden mit der Zeit immer vertrauter. So vergeht auch kein Tag mehr, an dem sie sich keine Gedanken über die Zukunft mit ihrem Kind macht. Der kleine Mensch in ihr übt schon eine unglaubliche Macht aus. Caroline ernährt sich gesund und schläft ausreichend. Sie tut das alles gerne, denn der Start ins Leben soll für ihr Kind so angenehm wie möglich sein. Die werdende Mutter weiß auf Grund ihres Berufs als Krankenschwester, wie viele Krankheiten es gibt, macht sich aber keine Sorgen. „Warum sollte ausgerechnet ich ein krankes Kind auf die Welt bringen? Wir sind beide gesund, und ich tue mein möglichstes“ (13f.). In der 10. Schwangerschaftswoche hat sie den ersten Arzttermin und ihre erste Ultraschalluntersuchung. Caroline sieht ihr Kind, knapp drei Zentimeter groß und man kann schon Bewegungen erkennen. Alles ist normal, sie ist sehr erleichtert und es folgt eine sorglose Zeit. Die ersten drei Monate sind vorbei und das Risiko für eine erneute Fehlgeburt sinkt. Caroline wird immer dicker und bald werden alle sehen, dass sie Mutter wird. In der 16. Woche möchte Caroline den Triple-Test durchführen lassen. Zeigen die Blutwerte kein auffälliges Ergebnis, so ist das schon ein sicherer Anhaltspunkt, dass das ungeborene Kind gesund ist. Wenn der Alpha-Feto-Protein Spiegel eher niedrig ist, kann das ein Indiz für ein Kind mit Down-Syndrom sein, ist er dagegen überdurchschnittlich hoch, kann dies auf eine offene Missbildung des Rückenmarks hinweisen. Caroline ist im vierten Monat schwanger, und die Organbildung des Kindes ist bereits komplett abgeschlossen; von nun an wächst und reift es „nur“ noch in ihrem Bauch heran. Der Zeitpunkt der Triple-Test-Untersuchung rückt immer näher und Caroline ist sich nicht mehr ganz sicher, ob sie diese wirklich durchführen lassen soll. Sie spricht mit mehreren Bekannten, diese sind jedoch nicht wirklich eine Hilfe für sie, da sie der Meinung ist, dass sich keiner wirklich in ihre Lage versetzen kann. Letztendlich muss sie hinter ihrer Entscheidung stehen. „Irgendetwas in mir sträubt sich gegen diese Untersuchung“ (20). Irgendwie erscheint ihr diese Untersuchung plötzlich als ein Eingriff in die Persönlichkeit dieses kleinen Menschen. „Ich denke, so wie es ist, ist es gut. Von Natur aus so gewollt“ (20). Und dennoch weiß sie nicht, was sie tun soll – ein Widerspruch zwischen Kopf und Herz. Letztendlich siegt der Verstand und der Wunsch, eine Bestätigung zu haben. Vor der Blutentnahme macht der Arzt noch einen Ultraschall. Das Ergebnis der Triple-TestUntersuchung wird in ungefähr einer Woche vorliegen. Caroline macht sich mit ihrem Mann auf den Heimweg. Beide haben das Gefühl, dass der Arzt den Kopf des Kindes unnatürlich lange angeschaut hat. Caroline ist zunächst etwas verunsichert, doch nach ein paar Tagen hat sie sich beruhigt, und die Gedanken an Krankheit und Behinderung sind verdrängt. Sie erlebt Tage, die noch einmal alle Träume und Vorstellungen zulassen. Eine Woche später wird die Diagnose mitgeteilt. Caroline kommt gerade von einem Stadtbummel nach Hause, fühlt sich rundum glücklich und freut sich, dass sie bald Mutter sein wird. Am Abend ruft der Arzt an und sagt ihr, dass das Alpha-Feto-Protein stark erhöht ist. „In diesem Moment habe ich das Gefühl, die Welt bricht zusammen. Leere ... Ende ... aus“ (28). Ihr war klar, was es bedeutet, sie brauchte keine medizinische Erklärung dazu. „Alles ist weg mit einem Schlag. Alle Hoffnungen, Erwartungen, Träume begraben und weg“ (28f.). Der Arzt sagt ihr, dass er selten einen Fall hatte, bei dem das Alpha-Feto-Protein so stark erhöht war – er ist sich sicher, dass es ein eindeutiger Hinweis ist. „Was man noch nicht sagen kann: wo die offene Mißbildung ist. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit ist es eine der schlimmsten Mißbildungen überhaupt. Offener Rücken. Was folgt, könnte man mit einem Alptraum vergleichen. Ich kann es nicht wahrhaben. Es kann ganz einfach nicht möglich sein“ (29). Sie kennt das Krankheitsbild auf Grund ihrer Berufserfahrung als Krankenschwester genau. Dennoch schlägt sie in Büchern nach, ob nicht doch irgendwie die Chance besteht, dass das Kind gesund ist. Aber es gibt keinen Hoffnungsschimmer. Tausend Fragen gehen Caroline durch den Kopf. Ein Karussell voller Gedanken und Gefühle: Angst, Panik, Schmerz, Trauer, Wut...! „Warum ich“ (30)? Caroline ist traurig und möchte ihrem Kind helfen, es hat nicht verdient, dass man sich solche Gedanken macht. Sie ist mit ihren Gedanken im Unklaren – hin und her gezogen. „Ich fühle Menschlichkeit, das Unantastbare, das göttliche Wunder, an dem man nichts ändern sollte und es so annehmen soll, wie es ist. Da sind Verstand, meine Angst vor dem Leiden, vor den Schmerzen. Beides in mir hat seine Berechtigung, jede Seite. Und dennoch muß ich mich entscheiden für eine Seite. Eine muß sterben“ (31f.). Sie macht sich viele Gedanken um ihr ungeborenes Baby und die Zukunft. „Nicht einmal die grundlegendsten und elementarsten Sachen würde er je selber können. Nie allein zur Toilette gehen. Nie mit Kindern herumtollen können. Nie im Schnee herumspringen. Nie einer Katze nachspringen können. Nie auf einem Dreirad herumflitzen können, und das weiß ich schon jetzt, bevor er überhaupt geboren ist“ (33). Sie hat keine Hoffnung – keine Aussicht auf Heilung. Die Hoffnung, die ihr Kraft geben könnte, fehlt. Die Situation, dass sie ihr Kind nicht kennt, sondern nur seine Krankheit, ist für Caroline sehr belastend. Sie fühlt sich machtlos, hoffnungslos und verzweifelt, und sie macht sich Gedanken über den Ausdruck Lebensqualität. Was bedeutet das? Außerdem fragt sich Caroline, ob sie das Recht hat, in die Einzigartigkeit des Lebens einzugreifen. Sie dreht sich immer wieder im Kreis und findet keine Antworten – es gibt auch keine allgemeingültigen, richtigen Antworten. „Ich fühle mich in einer Sackgasse. Gefangen. Es gibt keinen Ausweg, um dieser Verantwortung entgehen zu können. Wir diskutieren sehr lange, doch Lösungen gibt es keine“ (36). Caroline bekommt mit der Zeit das Gefühl, die ganze Welt hätte sich negativ verändert. Ihr persönliches Weltbild steht Kopf. Die Schwangerschaft, die sie als wundersamstes Glück empfand, besteht nur noch aus Angst und Schrecken. Sie fühlt sich wie in einem schlechten Traum. Da ist immer die Tatsache, dass sie ein todkrankes Kind in ihrem Bauch trägt. Am nächsten Tag geht Caroline noch einmal zum Arzt und bespricht mit ihm das wahrscheinliche Krankheitsbild und dessen Auswirkungen. Es wird erneut eine ausführliche Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Die offene Stelle am Rückenmark ist nicht genau zu erkennen. Doch das Kleinhirn und der Kopf haben bereits eine Form, die typisch ist für diese Krankheit. Wenn sie bis dahin noch ein Fünkchen Hoffnung hatte, so ist diese jetzt für immer erloschen, obwohl das Kind ihrer Meinung nach gesund aussieht – es lebt! Caroline befindet sich in einem seltsamen Zustand, einer Art Trance. Sie besucht noch einen zweiten Arzt mit der Hoffnung, dass eine weitere Meinung und Darstellung der Ergebnisse ihr bei der Entscheidung hilft. Caroline erlebt den Ultraschall mittlerweile als fast unerträglich – der Blick auf das Kind, das vielleicht bald tot ist. Der Arzt empfiehlt, die Geburt so bald wie möglich einzuleiten. Caroline stimmt zu. Dennoch ist es noch nicht definitiv. Sie und ihr Mann können immer noch entscheiden, ob der Eingriff gemacht werden soll oder nicht. Caroline hat einen Termin in der Klinik. Sie muss sich auf die Geburt einstellen und darauf, dass das Kind tot zur Welt kommen wird. „Ein Kind, das durch unseren Willen jetzt schon stirbt. Nach 4 Monaten Leben. Ein Gefühl von Hilflosigkeit und Angst. Ich kann ihm nicht ausweichen“ (46). Für Caroline ist es komisch, auf die Entbindungsstation zu gehen, wo eigentlich Kinder auf die Welt kommen, sie müsste eher auf eine Station, auf der sich Kinder von der Welt verabschieden. Caroline muss erneut ihre Geschichte erzählen – sie bekommt erneut Zweifel, ob sie das Richtige tut. Die Ärzte stimmen sie darauf ein, dass es eine langwierige Sache werden kann, dass der Körper nicht auf eine Geburt eingestellt ist. „Wir haben ‚Ja’ gesagt zum Tod dieses Kindes. Wir beenden das Leben eines Kindes, eines Kindes das unvollkommen und lebensunfähig ist. Wirklich kein Recht auf Leben unter diesen Umständen hat“ (49f.). Für Caroline und ihren Mann gibt es kein Zurück mehr. Sie werden das Krankenhaus erst verlassen, wenn das Kind geboren und gleichzeitig gestorben ist. Caroline bekommt eine Infusion mit Medikamenten, die künstlich Wehen erzeugen. Dann beginnt das lange Warten – Warten, Warten und nochmals Warten. Zu diskutieren gibt es nicht mehr viel. Sie fühlt sich leer und erschöpft. Immer wieder kommen ihr Zweifel, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. „Ich versuche mich zu beruhigen. Denke, daß dies auch Liebe ist, wenn man seinem Kind soviel Schmerz und Leid ersparen will“ (57). Caroline wird in den Gebärsaal geführt. Sie hat sich den Moment, in dem sie einen Gebärsaal betritt, immer anders vorgestellt. Glücklich, mit einem dicken Bauch und voller Erwartungen. Diese Geburt wird nichts mit ihren Vorstellungen gemeinsam haben. „Ich muß mich auf Schmerzen gefasst machen, und dann, was übrig bleibt nach dieser Geburt, sind ein leerer Bauch und ein totes Kind“ (61f.). Ihr schießen Gedanken durch den Kopf an eine mögliche Beerdigung des Kindes, aber dazu ist es noch zu klein. Der Arzt schaut immer wieder nach ihr, aber die Geburt stellt sich nur langsam ein. Caroline geht es nicht gut und sie leidet unter den Schmerzen und die Medikamente machen sie müde. Sie sehnt die schreckliche Geburt herbei, aber so leicht bringt man ein Kind nicht auf die Welt. Für Caroline ist es auch ein Beweis dafür, wie schwierig es ist, in natürliche Prozesse einzugreifen. Letztendlich hat sie den Blasensprung und alles geht sehr schnell, drei, vier Mal eine kurze Presswehe und das Kind ist geboren. „Ich drehe den Kopf weg und schließe die Augen. Jemand hat das Kind in ein Tuch gewickelt und sofort rausgetragen“ (70). Der Moment, vor dem Caroline sich am meisten fürchtete, war jetzt da, aber trotzdem fühlt sie sich erleichtert. Am nächsten Tag wird sie aus dem Krankenhaus entlassen. Die erste Zeit zu Hause war schlimm. Sie fühlte sich leer und leblos, ohne Energie und Kraft. „Ich fühle mich vom Leben beraubt, verraten und ausgestoßen“ (75). Ihr scheint es, als ob die ganze Welt nur noch aus Kindern, schwangeren Frauen und überglücklichen Müttern besteht. Wohin sie auch sieht: Kinder, Kinder und nochmals Kinder! Sobald die körperlichen Schmerzen nachlassen, werden die seelischen Schmerzen stärker spürbar. Selbstvorwürfe, das Gefühl, einen schlimmen Fehler gemacht zu haben. Sie findet keinen Trost. Wäre das Kind normal gestorben, könnte sie sich denken, Gott habe es so gewollt. Aber so, das war kein natürlicher Tod. Sie weiß auch nicht, an wen sie sich wenden kann. Das ist ganz klar eine Schattenseite der Medizin und des Fortschritts. Es gibt Situationen, in denen nur der Verstand mit dem Fortschritt mithalten kann und die Seele nicht. Aus welchem Blickwinkel soll Caroline die Situation betrachten? Theologisch: Dann hat sie den Plan Gottes durchkreuzt. Medizinisch: Es hätte es eine Chance für das Kind gegeben. Sie kannte einige Kinder mit dieser Krankheit. Heute ist vieles machbar. Philosophisch: Alles hat einen tieferen Sinn, den wir als Menschen ja nicht unbedingt erkennen müssen. Menschlich: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Menschen mit Behinderung haben eventuell gerade die Qualitäten, die uns „normalen“ Menschen ein wenig verloren gegangen sind. Ethisch: Ihr Handeln war unverantwortlich und unmenschlich. Alle Antworten, die Caroline findet, sprechen dafür, dass ihre Entscheidung falsch war. Sie hätten es nicht tun dürfen. Doch es war nicht allein ihre Entscheidung. Ärzte, Verwandte, Bekannte und e l tztendlich auch die Gesellschaft stehen hinter ihr und der Entscheidung. Aber das ist für Caroline in der momentanen Situation kein Trost. „Wir haben entschieden und es war unser Kind. Ich fühle mich in diesem Moment ganz allein verantwortlich. Ich bin auch nicht in der Lage oder auch nur gewillt, mich trösten zu lassen“ (81). Dieses Auf und Ab hält einige Wochen an. Sie fühlt sich, als ob das Leben gegen sie ist. Es ist ein eigenartiger Abschied von ihrem Kind. Es ist gestorben, aber es gab keine Beerdigung. „Es ist verschwunden, ins ‚Namenlose’“ (81). Das Abschied- nehmen ist schwierig. Immerzu müssen sie und ihr Mann daran denken, dass sie den Tod gewollt haben. Wie sollen sie sich da mit Gott oder dem Schicksal trösten? Sie haben ja selbst Gott gespielt und entschieden. Nach einem Monat geht Caroline wieder zurück zur Arbeit. Als Krankenschwester versucht sie sich damit zu trösten, dass andere Eltern auch ihre Kinder verlieren. Wenn es zum Beispiel mit einem Herzfehler geboren wird und nach ein oder zwei Monaten stirbt. Aber dennoch neigt sie dazu, zu denken, dass sie das Allerschlimmste erlebt hat. Sie beginnt, unfair zu werden und erträgt es nicht mehr, zu hören, wenn Mütter sich über ihre Kinder beschweren und ihre Sorgen beklagen. Sie kann nicht verstehen, wie eine Mutter mit gesunden Kindern schlecht gelaunt sein kann und sie verhält sich zunehmend subjektiv. Mutter zu sein und Sorgen zu haben, das ist für Caroline nicht vorstellbar. Heute, zwei Jahre später, kann sie nicht mit Sicherheit sagen, wie sie sich heute entscheiden würde. Die Entscheidung ist äußerst situationsabhängig. „Ich bin auf jeden Fall vorsichtiger geworden mit Urteilen“ (85). Dieses Buch hat Caroline geholfen, die Schuldgefühle abzubauen, obwohl ein gewisser Schmerz immer bleiben wird. „Ganz vergessen kann man das nie“ (85). Der Bericht von Caroline Stoller gibt einen Einblick in den sonst privat ablaufenden Entscheidungsfindungsprozess und zeigt auf, wie schwierig und belastend die Entscheidung in ihrem Fall war und immer noch ist (Stoller 1996). Viele Frauen empfinden in der Zeit nach einer Abtreibung ein Gefühl tiefer Hoffnungslosigkeit und fühlen sich in einer gewissen Phase schuldig am Tod ihres Kindes. Alle Sichtweisen (medizinische, theologische, ethische, philosophische und ethische) sprechen für das Leben eines Kindes mit Behinderung. Viele Frauen zweifeln an der Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung Die meisten Frauen erleben einen Schwangerschaftsabbruch als Alptraum. Sie erleben extreme Schuldgefühle und fühlen sich in der Phase vor, während und nach dem Abbruch therapiebedürftig. Deshalb sollte die Phase der extremen Schuldgefühle durch therapeutische Betreuung und professionelle Hilfsangebote intensiviert werden (Nippert & Horst 1994, 101f.). 5.2.2 Einleitung von Therapiemaßnahmen Die Schere zwischen der Diagnostizierbarkeit von angeborenen Fehlbildungen oder auch Chromosomenanomalien und den tatsächlichen Möglichkeiten von Therapiemaßnahmen zur Heilung ist sehr groß. Dies trifft für die pränatale Diagnostik, aber auch für einige im Laufe des weiteren Lebens diagnostizierte Krankheiten oder Behinderungen zu. Entwicklungen neuer Therapieformen erstrecken sich meist über viele Jahre. Humangenetiker stehen vor der Frage, ob es nicht problematisch ist, eine Krankheit zu diagnostizieren, die man nicht therapieren kann. In diesem Punkt stehen Medizin und Forschung vor einem „ethischen Dilemma“, das schwer zu lösen ist (Hennen, Petermann & Schmitt 1993, Maier 2000, 146ff.). Die Bundesärztekammer (1998) hält pränatale Diagnostik für sinnvoll und angebracht, wenn dadurch eine intra-uterine Behandlung des Kindes eingeleitet oder eine prä- oder postnatale Therapie vorbereitet wird. „Ziel jeder fetalen Therapie ist, durch eine Behandlung in utero einen normalerweise bis zur irreversiblen Schädigung außerhalb des Mutterleibs fortschreitenden fetalen Krankheitsprozeß so weit aufzuhalten oder zu beheben, daß die Entbindung eines gesunden bzw. noch nicht bleibend geschädigten Kindes ohne Risiko eines schweren kindlichen Atemnotsyndroms möglich ist“ (Holzgreve & Tercanli 2000, 381). Therapeutische Konsequenzen diagnostischer Ergebnisse sind im weiteren Sinne Geburtsplanung und management mit möglichst geringem Risiko, Vorbereitung auf das kommende Kind mit Hilfe von interdisziplinären Fachkräften sowie die Verringerung von Ängsten der schwangeren Frau und ihrem Partner, so dass die Schwangerschaft im Großen und Ganzen ein positives Erlebnis für sie ist (Maier 2000, 147). Für fetale Erkrankungen bzw. Fehlbildungen, die intra-uterin, während bzw. nach der Geburt chirurgisch ganz oder zumindest in gewissem Maße ausgeglichen werden können, spielt die pränatale Diagnose eine große Rolle. Hepp (1999) listet sechs unterschiedliche Krankheitsgruppen auf, die intra-uterin behandelt werden können. 1. Blutgruppenunverträglichkeit Besteht eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen der Mutter und ihrem Fetus, führt dies zu einem großen Risiko für das Kind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass BlutgruppenAntikörper der Mutter durch die Plazenta dringen und sich an das entsprechende Blutgruppen-Antigen im Blutkreislauf des Fetus binden. Dadurch kommt es zu einer Zerstörung der Erythrozyten – Hämolyse –, die eine Blutarmut des Kindes nach sich zieht. Dies ist der Fall, wenn die schwangere Frau und ihr Fetus im Rhesussystem, AB0-System oder in seltenen Blutgruppenfaktoren nicht kompatibel sind. Am häufigsten tritt eine Inkompatibilität des Rhesussystems auf, die im Folgenden erläutert werden soll. Eine Rhesus-negative Frau kann entweder durch eine Rhesus-positive Bluttransfusion oder durch eine vorherige Schwangerschaft mit einem Rhesus-positiven Kind vor oder während der Geburt sensibilisiert worden sein, das heißt, sie hat das Antigen gebildet, das in einer weiteren Schwangerschaft zur Hämolyse beim Embryo führt. Das erste Rhesus-positive Kind einer Rhesus-negativen Mutter wird in den meisten Fällen gesund geboren, da die Sensibilisierung der Mutter meist während der Geburt geschieht. Bei einer weiteren Schwangerschaft ist es nötig, den Schweregrad der fetalen Hämolyse zu bestimmen. Neben der Bestimmung des Antikörper-Titers wird das Fruchtwasser auf die Konzentration an Bilirubinfarbstoffen untersucht. Weicht die Extinktionskurve vom Normalverlauf ab, kann anhand des Ergebnisses und einer zusätzlichen Ultraschalluntersuchung der Schweregrad der Hämolyse bestimmt werden (Holzgreve & Tercanli 2000). Anstelle der Fruchtwasseruntersuchung kann auch direkt mit der Kordozentese die Blutgruppe bestimmt werden; laut Holzgreve und Tercanli (2000) besteht dabei kaum ein höheres Risiko für den Embryo. Erkennt man eine fetale Blutarmut bereits auf dem Ultraschallbild, so ist das HerzKreislauf-System des Embryos angegriffen. Als Therapieformen bieten sich, je nach Schwangerschaftswoche, zwei Möglichkeiten an. Wenn bereits alle Organe bis zu einem gewissen Grad ausgereift sind und der Embryo sich in einem guten Gesamtzustand befindet, kann das Kind frühzeitig entbunden werden. Ist dies nicht der Fall, muss eine intra-uterine Bluttransfusion eingeleitet werden. Die Bluttransfusion wird heute in den meisten Fällen unter Ultraschallansicht in die Nabelschnurvene gelegt. Transfundiert wird Blut, das mit dem Blut des Kindes und der Mutter kompatibel ist – Rhesus-negatives Blut der Blutgruppe 0, das möglichst frisch und frei von Viren ist. Die erfolgreiche intra-uterine Therapie ist stark von der Erfahrung und Routine des behandelnden Arztes abhängig (Arias 1994; Hepp 1999; Holzgreve & Tercanli 2000; Pfleiderer 2000; Schneider 2000). Arias (1994) und Hepp (1999) gehen davon aus, dass circa 80% der intra-uterin behandelten Embryonen gesund zur Welt kommen. Arias (1994) und Schneider (2000) gehen von einer 95% Erfolgsquote aus, wenn die Behandlung von Spezialisten durchgeführt wird. 2. Kardinale Erkrankungen Laut Hepp (1999) sind einzelne Erkrankungen des Kinderherzens über die Plazenta der Mutter medikamentös zu behandeln. Treten zum Beispiel bei dem Embryo Herzrhythmusstörungen auf, hat sich mittlerweile die Behandlung mit „Antiarrhythmika über die Mutter und in therapiefraktären Fällen über die Nabelschnur durch Kordozentese unter Ultraschallsicht etabliert“ (Holzgreve & Tercanli 2000, 387). 3. Ringel-Rötelinfektion (Parvovirus B19) Circa 50% der Frauen im gebärfähigen Alter sind nicht immun gegen den Ringel-Rötelvirus und können sich, hauptsächlich durch Kontakt mit infizierten Personen, anstecken. Die Infektion weist, je nach Person, unterschiedliche Symptome auf und es gibt noch keinen Schnelltest, der die Infektion sicher bestätigen kann. Man muss abschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Frau sich angesteckt hat – abhängig von den Personen, mit denen sie in Kontakt tritt. Bei Lehrerinnen, Kindergärtnerinnen und Frauen, die in ähnlichen Berufen beschäftig sind, schätzt man das Infektionsrisiko erhöht ein – circa 20%. Merkt man durch den Einsatz von Ultraschall und anschließend durch invasive pränatale Untersuchungen, dass sichere Anzeichen für eine fetale Anämie vorhanden sind, ist die Einleitung intra-uteriner Transfusionen nötig, damit der Embryo überleben kann und keine weiteren gesundheitlichen Schäden aufweist (Arias 1994, Kap. 18; Holzgreve & Tercanli 2000; Martius 2000). 4. Obstruktive Uropathie „Therapierbar sind vor allem Abflussbehinderungen des Urogenitaltraktes, die unbehandelt in etwa 80% der Fälle zum Tod des Föten führen“ (Hepp 1999). Wenn man mit Hilfe des Ultraschalls eine obstruktive Uropathie – „Schlüsselloch-Blase“ – feststellt, müssen zunächst Chromosomen-Aberrationen oder andere Begleitfehlbildungen ausgeschlossen werden, bevor man eine direkte Behandlung des Fetus anbahnen kann. Ein Karyogramm kann in diesem Fall auch mit dem zur Nierenfunktionsdiagnostik ohnehin schon entnommenen fetalen Urin durchgeführt werden. Können Chromosomenanomalien und etwaige Fehlbildungen ausgeschlossen werden, so entscheidet die Menge des Fruchtwassers das weitere Vorgehen. Ist die Schwangerschaft schon bis zur etwa 32. Schwangerschaftswoche fortgeschritten, sollte auch eine frühzeitige Einleitung der Entbindung in Erwägung gezogen werden, mit Korrektur der Harnwegsobstruktion. Wird eine obstruktive Uropathie allerdings schon frühzeitig festgestellt, so kann ein temporärer Blasenkatheter gelegt werden (Holzgreve & Tercanli 2000). 5. Zysten und Tumore Laut Hepp (1999) sind bei der intra-uterinen Behandlung von Zysten und Tumoren erste endoskopische Verfahren in Erprobung. Die Behandlung richtet sich nach der Art des Tumors, der Symptomatik und des Fortschreitens (Pfleiderer 2000). Mittlerweile ist es auch möglich, Tumore durch den Einsatz von Lasergeräten abzutragen. Operative Eingriffe erregen nach wie vor viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Neu entwickelte Eingriffsmethoden versuchen die Grenzen des bisher Möglichen zu überschreiten und werfen auch immer wieder Fragen nach Risiko, Sinn und Zumutbarkeit, sowohl für das ungeborene Kind als auch für die Mutter, in der Gesellschaft und unter Fachkräften auf (Maier, 148). 6. Feto-fetale Transfusion Das feto-fetale Transfusionssyndrom kann bei Zwillingsschwangerschaften auftreten, wenn es sich um monoamniotische Zwillinge handelt, das heißt eineiige Zwillinge, die in einer Aminonhöhle heranwachsen (Pfleiderer & Martius 2000). Der spendende Zwilling leidet unter Blutarmut und ist wachstumsretardiert, während der empfangende Zwilling unter zu viel Blut leidet. Stirbt einer der beiden Feten ab, sind bei dem überlebenden Fetus Komplikationen – zum Beispiel Nieren- oder Gehirnveränderungen – sehr wahrscheinlich. Zur Therapie dienen hier, wie auch bei anderen Formen der kindlichen Blutarmut, intra-uterine Bluttransfusionen, damit der Blutkreislauf wieder in ein Gleichgewicht versetzt werden kann. Ohne Einleitung von Therapiemaßnahmen kommt es in 90% der Fälle zum intra-uterinen Tod mindestens eines Fetus (Holzgreve & Tercanli 2000). Sobald die Schwangerschaft bis zur 32. Woche oder weiter fortgeschritten ist, wird in den meisten Fällen, wenn möglich, eine Therapie außerhalb des Mutterleibs einer intra-uterinen Behandlung vorgezogen (Holzgreve & Tercanli 2000). In diesen Fällen hat sich die Pränatalmedizin zu einer „Methode des Lebensschutzes entwickelt“ (Hepp 1999, 28). Beispielhaft hierfür sieht Hepp (1999) eine Rötelinfektion der Mutter. Bei Verdacht auf Rötelinfektion wurde früher meist die Schwangerschaft abgebrochen. Holzgreve berichtet in einem Interview, dass Eltern zu ihm gekommen sind, die sich bereits für einen Schwangerschaftsabbruch wegen einer Rötelinfektion und einem deutlich erhöhten Risiko für die Geburt eines behinderten Kindes entschieden haben. Bei einer weiteren Ultraschalluntersuchung konnten keine kindlichen Auffälligkeiten festgestellt werden. Des Weiteren gibt es heute die Möglichkeit, durch die Untersuchung von fetalem Blut sicherzustellen, ob der Fetus überhaupt infiziert ist. In diesem Fall lieferte die Untersuchung keinen Hinweis auf eine Infektion und führte dazu, dass die Eltern sich doch zur Fortsetzung der Schwangerschaft entschieden, da das Risiko, ein behindertes Kind zur Welt zubringen, auf Grund des Untersuchungsergebnisses erheblich gemindert wurde. Heute können Abbrüche, die früher auf Grund eines erhöhten Risikos durchgeführt wurden, in einigen Fällen deutlicher eingeschränkt und abgesichert werden (Holzgreve 1990). Im Gegensatz dazu steigt das Spektrum der diagnostizierbaren Krankheiten. Des Weiteren drohen Ärzten Klagen, so dass Aussagen wie „die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering!“ für sie kaum mehr zu machen sind (siehe 4.2.4). Die jeweilige Therapiemaßnahme muss ganz konkret von der Situation abhängig gemacht werden. Ärzte müssen, in Rücksprache mit den werdenden Eltern, abwägen, was an Erkrankungen und Fehlbildungen „zu schlimm, zu leidvoll und zu chancenlos für ein gelungenes Therapieergebnis sein wird“ (Maier 2000, 159). Hier sind Ärzte einer Problematik ausgesetzt, dass die Auswirkungen der Beeinträchtigung subjektiv unterschiedlich gewertet werden und es immer öfter geschieht, dass Ärzte verklagt werden. Daher muss, laut Maier (2000, 159), ein Arzt unter Ausschöpfung aller Beratungs- und Begleitungsmöglichkeiten möglichst zurückhaltend handeln. Sowohl ein genetischer Defekt, als auch eine erworbene Erkrankung fordern Pränataldiagnostik zur Diagnose. Kann man auf Grund nicht ausgereifter pränataler Untersuchungen eine Therapie nicht anwenden, da die Diagnose fehlt, so werden die diagnostischen Fähigkeiten der Pränatalmediziner beklagt. Stellt man allerdings mit Hilfe von Pränataldiagnostik einen genetischen Defekt fest und die Eltern entscheiden sich für einen Abbruch der Schwangerschaft, so mangelt es an „Therapiemaßnahmen“ im wörtlichen Sinne, und Pränataldiagnostik wird als eugenisch bezeichnet (Maier 2000, 154). Das ethische Dilemma beginnt, wenn nach diagnostizierter Krankheit als einzige „Therapieform“ die Tötung des Embryo anwendbar ist. „Die Fehlbildung eines Kindes ist intrauterin ursächlich nicht behandelbar, vor allem dann nicht, wenn sie genetisch bedingt ist“ (Pfleiderer 2000, 311). Bei Chromosomen-Aberrationen ist die einzige anwendbare „Therapieform“ der Schwangerschaftsabbruch. Laut Hepp (1999) ist der größte pränataltherapeutische Erfolg das Verhindern einer „Therapie“ durch einen Schwangerschafts- abbruch. Wenn das wirklich das Ziel ist, dann wird mir an dieser Stelle wieder bewusst, wie wichtig es ist, dass Frauen, die Pränataldiagnostik anwenden, genügend über die geringen im eigentlichen Sinne therapeutischen Maßnahmen im Falle eines positiven Befundes aufgeklärt werden. Auch wenn Pränataldiagnostik in den meisten Fällen zur Absicherung eines „gesunden Kindes“ dient, ist die Auseinandersetzung mit einem unerwünschten Befund und dessen Folgen von Beginn an im Auge zu behalten und die „Therapiemaßnahme Schwangerschaftsabbruch“ kritisch zu reflektieren. 5.2.3 Austragen der Schwangerschaft Stengel-Rutkowski (1997) sieht die Möglichkeit, dass die erste Phase nach der unerwarteten Diagnoseeröffnung, die meist von negativen Gefühlen geprägt ist und oft von einer Ablehnung des Kindes bis hin zum Tötungswunsch begleitet ist, zu einer allmählichen Akzeptanz übergehen kann. Unterstützend kann hier die humangenetische Elternberatung wirken. „Sie hat das Ziel, die Eltern bei ihrer Entscheidungsfindung m i Hinblick auf die Wahlfreiheiten Abbruch oder Fortsetzung der Schwangerschaft nicht-direktiv zu unterstützen“ (Stengel-Rutkowski 1997, 76). Damit es in der heutigen Zeit möglich ist, sich gezielt für das Austragen einer Schwangerschaft nach positivem Befund zu entscheiden, bedarf es meiner Ansicht nach großen Selbstbewusstseins und Unterstützung von Seiten enger Angehöriger. Tamm (1994, 66) bewertet den Druck, dem Eltern von der Gesellschaft und auch von den Ärzten ausgesetzt sind, wenn sie sich bewusst für ein behindertes Kind entscheiden, als enorm groß. Die bewusste Entscheidung für das Leben mit einem behinderten Kind unterscheidet sich meiner Ansicht nach von der vorher nicht bekannten, „zufälligen“, Geburt eines behinderten Kindes. Ab Diagnoseeröffnung ist der Frau klar, dass ihr Kind anders ist, als sie es sich vorgestellt hat. Das heißt, die ganze Schwangerschaft ist geprägt von dem Wissen, ein behindertes Kind auszutragen. Das Kind wird bereits intra-uterin stigmatisiert. Die Frau, die überraschend ein behindertes Kind zur Welt bringt, erlebt den „Schock“ erst bei Geburt des Kindes und muss das Kind jetzt so annehmen, wie es ist. Ich denke, Frauen, die sich bewusst für das Leben mit einem behinderten Kind entscheiden, müssen sich öfter rechtfertigen. Aussagen wie: „Du wolltest es ja so!“ oder „Es hätte ja nicht sein müssen!“ können eventuell gerade in schwierigen Situationen auftreten. Frauen, die einen positiven Befund erhalten, entscheiden sich oft nur nach genauer Information über das Krankheitsbild und nach eventuellem Aufsuchen von Selbsthilfegruppen für das Kind (Schindele 1999). Renate S. schildert ihre Konfrontation mit dem positiven Befund in Tolmein (1993, 26f.) wie folgt: – Ich erhielt unerwartet alarmierende Informationen über mein Kind und musste mich, woran ich nie gedacht hatte, nicht mehr entscheiden, ob ich ein Kind will, sondern ob ich dieses, höchst wahrscheinlich behinderte Kind, haben möchte. Ich habe mit vielen Freundinnen geredet, und ich hatte das Gefühl, ich kann nicht so tun, als ob es die Möglichkeit der Entscheidung nicht gibt, denn dann hätte ich konsequenter Weise bereits die Untersuchung verweigern müssen. Darauf bin ich aber nicht gekommen, da ich nie in Erwägung gezogen habe, dass mein Kind eine Behinderung haben könnte. Ich spreche auch mit Eltern behinderter Kinder, die mir Mut machen, die aber auch die Tragweite der eher ungewöhnlichen Entscheidung für das Kind kennen. Sie machten mir bewusst, dass ich mich persönlich total hinter meine Entscheidung stellen muss. Nach tagelangen Diskussionen und reflektierten Überlegungen entschied ich mich bewusst für das Kind. Letztendlich konnte ich diese Entscheidung aber nur fällen, da meine Freunde mich, unabhängig von meiner Entscheidung, voll und ganz unterstützt haben. Auf Grund dieser Unterstützung konnte ich mir vorstellen, das Kind zu bekommen! Auch die psychischen Folgen, die eine Abtreibung in dem recht weit fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft nach sich ziehen würde, halfen mir persönlich bei der Entscheidung.– Ich denke, dieses Beispiel zeigt exemplarisch, wie wichtig das Umfeld bei solch einschneidenden Erlebnissen ist. Auch braucht man meiner Meinung nach für eine wirklich reflektierte Entscheidung ein paar Tage Zeit, um sich nötige Informationen zu beschaffen und nicht vorschnell zu entscheiden. Dennoch ist der Fall einer bewussten Entscheidung für ein behindertes Kind wohl eher eine Ausnahme, und auch in der Literatur habe ich nicht viele Fälle gefunden, in denen sich Frauen bewusst für ihr Kind, bei dem eine Behinderung diagnostiziert wurde, entschieden haben. Ein Oberarzt für Frauenheilkunde berichtet über einen nach seinem Wissen einmaligen Fall einer 43 Jahre alten Frau, die sich während der geplanten Vorbereitung auf die Abtreibung in der 26. Schwangerschaftswoche schließlich doch noch für ihr Kind mit Down-Syndrom entschied (Denger 1994). Wohlfahrt verfasste 2002 ihre Dissertation, in der sie Gründe und beeinflussende Faktoren für die Fortsetzung einer Schwangerschaft nach der Diagnose eines Down-Syndroms untersuchte. Zunächst drohte ihre Studie zu scheitern, da es äußerst schwierig war, Frauen ausfindig zu machen, die sich bewusst für ein Kind mit Down-Syndrom entschieden haben. Letztendlich wurden fünf Frauen, die sich alle nach einer positiven Diagnose für das Austragen ihres Kindes entschieden haben, interviewt. Alle Frauen hatten eine ähnliche Ausgangssituation: Vier Frauen waren während der Schwangerschaft bereits über 40 und eine Frau war 35 Jahre alt – auf Grund des Alters bereits Risikoschwangerschaften – , alle fünf Frauen hatten bereist zwei oder drei Kinder. Die befragten Frauen hatten während der Schwangerschaft oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kontakt zu Menschen mit Behinderung. Vier von ihnen hatten bereits ein traumatisches Erlebnis während einer vorherigen Schwangerschaft – Fehlgeburt, Totgeburt, Abtreibung, bzw. die fünfte Frau galt als steril. Diese Gegebenheiten und die Unterstützung enger Angehöriger führte letztendlich zu Entscheidung für das Kind mit Down-Syndrom. Ein äußerst seltene Gegebenheit, dass Eltern zweieiige Zwillinge erwarten und bei einem der beiden Feten eine Krankheit bzw. Behinderung pränatal festgestellt wird, kann Eltern vor die Entscheidung stellen, Leben im direkten Vergleich auf Grund ärztlicher Befunde zu beurteilen. Denger (1994) führt das Beispiel einer Zwillingsschwangerschaft an, in der in der 18. Woche bei einem der beiden Feten eine schwere Stoffwechselkrankheit diagnostiziert wurde. Die Mutter möchte den kranken Zwilling in keinem Fall zur Welt bringen, sondern nur das „gesunde Kind“. Der Arzt entschließt sich zu einem bis dahin noch nie durchgeführten Eingriff, und tötet unter Ultraschallkontrolle in der 24. Schwangerschaftswoche den kranken Zwilling mit einer Spritze ins Herz. In der 33. Woche wird dann zuerst der tote Zwilling geboren. Der Zweite wird, wegen Querlage, mit Kaiserschnitt entbunden. Auch wenn dies ein äußerst seltener Fall ist, zeigt es sehr deutlich, welche Situationen sich auf Grund der Pränataldiagnostik ergeben können und zu welchen Taten Menschen fähig sind. Die immer größer werdende Routine, mit der pränatale Untersuchungen durchgeführt werden, und die große Akzeptanz, die sie in der Gesellschaft haben, fördert eher nicht den Mut, auch nach einem positiven Befund die Schwangerschaft auszutragen. Das folgende Gedicht spiegelt, so Petersen (1986, 177), die Gedanken und Gefühle einer Frau, die sich trotz einer Konfliktschwangerschaft für das Austragen ihres Kindes entscheidet, besser wider als jede wissenschaftliche Analyse: „Warum kommst du auf mich zu? Ich kann dein Kommen nicht brauchen – es stört meinen Lebenswandel. Es ist unnütz. Spürst du den Ernst? Er ist jenseits von Trieb und Sehnsucht: Schritt für Schritt unerbittlich – es kommt. Ich möchte nicht entgegenkommen. Aber ich tue es. Es ist eine Kraft, die mich dir zuspielt, die stärker ist als Ich und Du. Fürchtest du nicht, meine Hände und mein Gesicht könnten zerbrechen unter der Wucht – der Wucht deines Kommens? Die Liebe ist viel zu mächtig, als daß sie nur meine Seele ergreifen könnte. Sie ist leibhaftig, sie packt mich, sie macht mich zittern. Warum – Warum kommst du auf mich zu? Warum entgegne ich dir“ Frau, 20 Jahre (Petersen 1986, 177)? 5.3 Reflexion – Möglichkeiten und Grenzen der pränatalen Diagnostik Das Bild, das die Medien heute oft vermitteln, dass „der Traum vom perfekten Kind“ wahr wird, indem sich die schwangeren Frauen in der vorgeburtlichen Phase der pränatalen Diagnostik bedienen, ist eine nicht umfassende Betrachtung der Sachlage. Merz (1999) sieht es als Erfolg der pränatalen Diagnostik an, die sich in den letzten 25 Jahren enorm weiterentwickelt hat, dass eine Vielzahl von fetalen und auch anatomischen sowie chromosomalen Störungen frühzeitig aufgedeckt oder ausgeschlossen werden können. Beck (1994, 122) stellt die Möglichkeiten, die durch Pränataldiagnostik angepriesen werden könnten, provokant dar: „Gentechnik statt Bildung?“ Die Entfaltung der vorgeburtlichen Untersuchungen bedeutet für die Eltern, dass sie ihren Vorstellungen des „Wunschkindes“ bereits im präembryonalen Stadium näher kommen können. Was man vor einigen Jahren noch mit Babynahrung, Stillzeit und Nachhilfe zu erreichen versuchte, wird in Zukunft durch genetische Screenings bereits vorgeburtlich möglich? Merz (1999) geht davon aus, dass bei über 90% der werdenden Eltern, die Pränataldiagnostik für sich nutzen, nicht der Nachweis einer fetalen Auffälligkeit sondern der Ausschluss im Vordergrund steht. Hauptaufgabe der pränatalen Diagnostik ist demnach, die Angst vor einem kranken bzw. behinderten Kind zu nehmen. Diese „Sicherheit“, ein nicht behindertes Kind zu bekommen, wie sie oft in der Schwangerschaft prophezeit wird, erweist sich als äußerst gering, wenn man folgende Statistik betrachtet. 3% aller Kinder kommen behindert auf die Welt 2% werden während der Schwangerschaft oder im Verlaufe der Geburt geschädigt 1% aller Kinder haben genetisch bedingte Behinderungen 90% aller Behinderungen entstehen im Verlauf des späteren Lebens (Kurmann & Wegener 1999, 65) Aus dieser Sicht betrachtet erscheint die pränatale Diagnostik eher irrelevant, da theoretisch nur die genetisch bedingten Behinderungen frühzeitig aufgedeckt werden können. Der medizinische Sinn der Pränataldiagnostik als Routineangebot ist daher äußerst fragwürdig (Hennen, Petermann, Sauter 2001, 80). Die folgende Darstellung von Pro- und Contra-Argumenten der Pränataldiagnostik (Tab. 16) zeigt unterschiedliche, meist bereits diskutierte Aspekte und soll auch zusammen-fassend und abschließend zu einer Reflexion und eventuellen individuellen Meinungs-bildung über den „Nutzen der Pränataldiagnostik“ beitragen. PRO CONTRA Einem schwer behinderten Kind kann ein Leben voll Leid und Schmerz erspart bleiben. Wie ein behindertes Kind Leid und Schmerz empfindet, wissen wir nicht genau. Wir wissen aber, dass viele Menschen mit Behinderung an ihrem Leben genauso hängen und Freude haben, wie wir selber und den Gedanken, man hätte sie aus Mitleid getötet, als unmenschlich bewerten. Wenn festgestellt wird, dass ein Kind behindert zur Welt kommt, können der Frau die restliche Schwangerschaft und die Geburt erspart bleiben. Ein Schwangerschaftsabbruch im 5. Monat ist eine schwere körperliche und seelische Belastung für die Frau. Durch Pränataldiagnostik kann Eltern, die erblich belastet sind, die Geburt eines gesunden Kindes ermöglicht werden. Der Preis für ein gesundes Kind bei einer solchen „Schwangerschaft auf Probe“ ist der Abbruch, wenn das Kind den Hoffnungen nicht entspricht. Die Pflege eines behinderten Kindes kann eine unzumutbare Belastung für die Mutter, Geschwisterkinder oder auch die Partnerschaft darstellen. Durch ein behindertes Kind können die Mutter und Familienmitglieder erfahren, dass sie dieser Aufgabe gewachsen sind und es neben aller Last, auch Freude bereitet. Eltern können nicht ein Leben lang Verantwortung für ein behindertes Kind übernehmen. Wenn die Eltern alt sind oder sterben, muss ihr Kind in ein Heim. Erwachsene Menschen mit Behinderung können in vielen Fällen in Wohngemeinschaften oder Einrichtungen für behinderte Menschen oft am ehesten ein eigenständiges und erfülltes Leben führen – das Ablösen vom Elternhaus gehört dazu. Eltern, die durch vorgeburtliche Untersuchungen von einer Schädigung ihres Kindes erfahren, können sich bewusst für dieses Kind entscheiden und sich besser vorbereiten. Die Zahlen sprechen gegen das „ProArgument“. Es ist oft nicht leicht, sich gegen die Empfehlung eines Arztes, gegen die Erwartung der Umwelt und gegen eigene Befürchtungen und Ängste für die Geburt eines behinderten Kindes zu entscheiden. Die große Mehrheit der Frauen erfährt bei der pränatalen Untersuchung, dass ihr Kind vermutlich gesund ist und kann den Rest der Schwangerschaft angstfrei genießen. Die Frau erspart sich und dem Kind eine meist risikoreiche Untersuchung, die oft die erste Hälfte der Schwangerschaft überschattet. Früher konnten behinderte Menschen in der Dorfgemeinschaft und Großfamilie ein beschütztes Leben führen und waren sozial integriert. In der heutigen Gesellschaft, ihrer Vereinzelung und ihren komplizierten technischen Lebens- und Arbeitsbedingungen haben behinderte Menschen kaum eine Chance. Die moderne Gesellschaft ist nicht nur behindertenfeindlich, sondern auch kinderund altenfeindlich – überhaupt menschenfeindlich. Die Bemühung, dass Menschen mit Behinderung soweit wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben, hilft allen. Diese Bemühungen werden aber nicht vorangetrieben, wenn man weiter versucht, behindertes Leben zu vermeiden. In der heutigen Kleinfamilie, in der die Mutter nach kurzer Kinderpause wieder berufstätig sein möchte oder aus finanziellen Gründen sein muss, bedeutet die Geburt eines behinderten Kindes viel größere Einschränkungen als früher. Kinder zu bekommen bringt heute für die meisten Frauen sowieso Einschränkungen mit sich. Die Mutter eines behinderten Kindes müsste aber keine besonders benachteiligte Mutter sein. Auch Kinder mit einer Behinderung finden eine Tages- mutter, gehen in den Kindergarten und in die Schule. Durch Unfälle und Umweltschäden entstehen heute schon genug Behinderungen, daher sollten zumindest vorgeburtlich erkennbare Schäden vermieden werden. Zahlenmäßig fallen die vorgeburtlich erkennbaren Schädigungen gegenüber den Behinderungen insgesamt kaum ins Gewicht. Pflege, Betreuung und Förderung kosten die Gesellschaft viel Geld. Dieses Geld sollte sinnvoller in Pränataldiagnostik investiert werden. Kosten-Nutzen-Rechnungen in Bezug auf Menschen sind zutiefst inhuman. Ergebnis wäre die eugenisch motivierte selektive Abtreibung auf breiter Basis, eine Verschärfung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und letztendlich die Gefährdung aller Menschen, die eine kostspielige Therapie brauchen – das kann jeden von uns treffen. Wir nutzen den medizinischen Fortschritt in der Bekämpfung und Vorbeugung von Krankheiten, in der Empfängnisverhütung und in der Schwangerenvorsorge, warum sollen wir ihn dann nicht auch zur Vermeidung von geschädigten Feten einsetzen? Durch vorgeburtliche Diagnosen werden Feten nicht vermieden, sondern abgetrieben, das heißt, alle ethischen Argumente gegen einen Schwangerschaftsabbruch greifen auch hier. Außerdem wird in diesem Fall das Lebensrecht von Menschen mit Behinderung in Frage gestellt. Alles, was erforscht werden kann, wird man auch erforschen. Der medizinische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten oder zurück drehen, und das ist auch gut so. In vielen Fällen verhilft er auch zur Heilung vorgeburtlich feststellbarer Krankheiten. Die Gesellschaft muss allerdings verantwortlich mit diesem Fortschritt umgehen. Wie kann der Mensch verantwortlich mit dem medizinischen Fortschritt umgehen, wenn er die biologischen und sozialen Folgen, die sich aus Forschung und Manipulierung des menschlichen Genoms ergeben, gar nicht abschätzen kann? Ein missbräuchlicher Einsatz der neuen Techniken kann durch die ärztliche Beratung, in die pränatale Verfahren Pränataldiagnostik wird längst nicht mehr nur bei sogenannten Risikoschwangerschaften angewendet. Jede schwangere eingebunden sind, ausgeschlossen werden. Frau hat ein gewisses Risiko, dass ihr Kind eine Behinderung hat und könnte dies so weit es geht ausschließen. Tab. 16: Pro- und Contra-Argumente der Pränataldiagnostik. (Kurmann & Wegener 1999, 61f.) Die relative Ausgewogenheit der Pro- und Contra-Argumente spiegelt die schwierigen und individuell unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten im komplexen Prozess der Pränataldiagnostik wider. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was für ihn gut und richtig ist – tragbar für sein Leben erscheint. Man darf nicht vorschnell urteilen oder andere für ihre Entscheidung verurteilen. Je gezielter und reflektierter die Entscheidung ausfällt, desto leichter kann man sie auch selbstbewusst vertreten. Dazu müssen umfassende Informationsmöglichkeiten gegeben sein. 6. Schluss Nachdem pränataldiagnostische Verfahren und verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten, die nach der Diagnoseeröffnung gefällt werden müssen, dargestellt worden sind, möchte ich am Ende meiner Arbeit noch auf mögliche Perspektiven der Pränataldiagnostik sowie den Standpunkt, den die Sonderpädagogik einnehmen könnte, eingehen. Durch die Beschäftigung mit dem Thema Pränataldiagnostik wurde mir klar, dass es auf diesem Gebiet in unserer Gesellschaft besonders, unter schwangeren Frauen, an Aufklärung und Informationen mangelt. Nach Reflexion der Vor- und Nachteile pränataldiagnostischer Verfahren stellt sich für mich persönlich die Frage, welchen Nutzen sie wirklich haben und was wir uns davon erhoffen? Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die nur noch den „Idealtyp-Mensch“ akzeptiert? Was ist der „Idealtyp-Mensch“? Können wir wirklich über lebenswert oder nicht-lebenswert entscheiden? Behindert nicht der medizinische und technische Fortschritt unsere emotionale Sichtweise des Menschen? 1994 wurden in einer Umfrage von Nippert und Horst (164f.) Humangenetiker und Frauenärzte zu ihrer Zukunftsperspektive in Hinsicht auf pränatale Untersuchungen befragt. Auf Grund intensiver Forschung und den daraus folgenden Forschungs-ergebnissen wird eine größere Anzahl an Krankheiten pränatal diagnostizierbar sein und die Anzahl der durchgeführten Untersuchungen zunehmen. Schon damals sah man die Tendenz, dass zukünftig jede Schwangerschaft mit Hilfe von Sreening-Verfahren auf Chromosomenstörungen hin geprüft wird. Der sich immer weiter verbreitende Triple-Test ist ein Beispiel hierfür. Dennoch sehen die Ärzte und Humangenetiker ein erhebliches Informationsdefizit und nehmen sich selbst hierbei nicht aus. Die Ärzte, die den direkten Kontakt zu den betroffenen Frauen haben, müssen besser aufgeklärt sein, damit die werdenden Eltern gut informiert sind und fachgerecht beraten werden können. Dem rasanten Fortschritt und dem Druck in unserer von Leistung geprägten Gesellschaft Stand zu halten, ist im Allgemeinen und besonders im Hinblick auf die zunehmenden pränataldiagnostischen Verfahren und Screenings beängstigend. Dennoch bleibt zu hoffen, dass durch den medizinischen Fortschritt zukünftig die intra-uterinen Therapiemaßnahmen zunehmen und die Pränataldiagnostik damit häufiger ihren eigentlichen Zweck erfüllen kann. Wünschenswert ist außerdem, dass Personen aus verschiedenen Bereichen enger zusammenarbeiten. Aus dem Blickwinkel der Sonderpädagogik betrachtet wäre eine verstärkte Kooperation mit Medizinern in Zukunft wünschenswert und meiner Ansicht nach auch dringend nötig. Gerade dann, wenn Frauen vor einem positiven Befund stehen, eine grundlegende Entscheidung treffen müssen oder auch „zufällig“ mit der Geburt eines behinderten Kindes konfrontiert werden. Sonderpädagogen könnten zum Beispiel in der Beratung Alternativen zum Schwangerschaftsabbruch aufzeigen und Hilfsangebote nennen – konkret Partei für das ungeborene Leben ergreifen. In diesen Situationen reichen die Fachbegriffe und Kenntnisse der Medizin zur Aufklärung und Problemlösung nicht aus. Ich denke, dazu müssen sich Mediziner und Sonderpädagogen schrittweise näher kommen und sich und den betroffenen Personen durch Informationsaustausch weiterhelfen. Im Fachgebiet der Pränataldiagnostik sollte interdisziplinär zusammengearbeitet werden. Zum Beispiel sollten Ärzte, Juristen und Sonderpädagogen ihre jeweiligen Sichtweisen offen legen und erkennen, dass nur durch eine vielschichtige und umfassende Zusammen-arbeit aller hier zugehörigen Berufsgruppen eine möglichst effektive und umfangreiche Betreuung der betroffenen Frau ermöglicht werden kann. Zusammen sollte man sich für das Leben des ungeborenen Kindes einsetzen und nicht die Verantwortung in die Hände der jeweils Anderen legen. Dazu ist es auch nötig, dass der Sonderpädagoge sein momentan übliches Berufsbild aufgibt – weg von aussondernden Einrichtungen – und es mitten hinein in die Gesellschaft verlagert, wo Menschen mit Behinderung zum Gesamtbild dazugehören: „Es ist normal, verschieden zu sein“, wie bereits Richard von Weizsäcker am 1. Juli 1993 in einer Rede anmerkte. „Behindertes Leben“ sollte als eine Form des menschlichen Soseins aufgefasst werden und nicht als „ein zu verhinderndes Übel“. 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