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W W W. F T D. D E / B E I L AG E N Nachwuchs für die Technik SON DERBEI L AGE DON N ERSTAG, 15. OKTOBER 2009 Damit der Funke überspringt G GaraGe Jugendliche im Leipziger Technologiezentrum Garage. Mehr als die Hälfte seiner Abiturienten studieren später ein technisches Fach Der schnelle Weg zum Kopierschutz I N H A LT Ausbildung Warum Fachhochschulen beliebter werden. Seite 2 Formula Student Weshalb das Rennen am Hockenheimring auch eine Jobmesse ist. Seite 2 Karriere Wie der VDI Studenten der Ingenieurswissenschaften unterstützt. Seite 2 Kinder Warum es so wichtig ist, schon die ganz Kleinen für Technik zu begeistern. Seite 3 Autos In welche Techniken die Hersteller investieren. Seite 4 Energie Wo Ingenieure derzeit gute Jobchancen haben. Seite 4 Bauwirtschaft Was Deutschland in Sachen nachhaltiges Bauen so attraktiv macht. Seite 4 Partner müssen an einem Strang ziehen.“ Gemeinsam betreiben die Firmen beispielsweise einen Technik-Fernsehsender, den rund 50 000 Jugendliche regelmäßig im Internet schauen. Sie organisieren Tage der Technik und riefen nach dem Vorbild der Deutschen Weinstraße die Deutsche Technikstraße ins Leben, auf der sich innovative Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Technikmuseen präsentieren. Neben „Sachen machen“ gibt es noch unzählige andere Initiativen, die dem Nachwuchs das Thema Technik näher bringen wollen und sich VON MARC-STEFAN ANDRES regional und überregional an Kinder, Jugendaragen haben einen legendären Ruf. Sie liche, Schüler und Studierende wenden. Acatech gelten als Brutstätten von Unternehhat zuletzt insgesamt rund 900 Initiativen gemen, die zum Weltmarktführer aufsteizählt. Darunter Projekte von Unternehmen, Unigen. Das war bei Google so und bei versitäten, freien Trägern oder von BranchenverHewlett Packard, um nur einige zu nenne. „Auch bänden wie dem Verband Deutscher Maschinendeswegen haben wir unser Technologiezentrum und Anlagenbau (VDMA). Mit der Aktion „Erlebfür Jugendliche Garage genannt“, sagt Angelika nis Maschinenbau“ aktivierte der VDMA in NordTräger-Nestler, Leiterin des Leipziger Nachrhein-Westfalen 130 Firmen und 4500 Schüler. wuchszentrums für Technik und NaturwissenEines der Unternehmen ist die Centa-Gruppe schaften. Es ist eines der größten in Deutschland. aus Düsseldorf, die elektrische Antriebswellen 65 000 bis 70 000 Kinder arbeiten in der Garage für Windkrafträder und Schiffe baut. Von 140 Anauf 3500 Quadratmetern in Werkstätten und Lagestellten in Düsseldorf sind allein 67 Ingenieure, boratorien, im Medienzentrum, in der Druckerei sagt Personalleiterin Dorota Schneider. „Wir haoder beim Internetradio. „Wir wollen die Jugendben seit 2007 20 Ingenieure und Techniker eingelichen für Technik und Naturwisstellt, was gar nicht so einfach war.“ senschaften begeistern, was am Seit Jahren kämpft sie mit dem besten funktioniert, wenn sie direkt „Viele wissen gar Nachwuchsmangel – auch bei den etwas machen können“, sagt TräFacharbeitern. nicht, dass auch Daher ist sie in der Nachwuchsger-Nestler. Insgesamt gibt es in der Geschäftsführer werbung aktiv, geht in Schulen und Garage rund 120 Lehrangebote, die auf Messen, bietet Praktika an und zum Teil gemeinsam mit ansässioder Vorstände ist beteiligt an Ausbildungsinitiatigen oder auch überregionalen UnIngenieure sind“ ven in der Region. „Wir müssen die ternehmen entwickelt werden. „Die Schüler der neunten und zehnten Jugendlichen können hier Inhalte Dorothea Schneider, Klassen an die Technik und an unaller möglichen technischen StudiCenta-Gruppe sere Firma heranführen“, sagt sie. engänge und Ausbildungen kenDazu gehört auch, Haupt- und Realnenlernen“, sagt Träger-Nestler. Mit schülern Wege aufzuzeigen, wie sie Ingenieur Erfolg: „60 Prozent unserer Abiturienten studiewerden können: etwa über eine Ausbildung oder ren hinterher etwas Technisches.“ Damit widerein Fachabitur an der Abendschule mit anschliesetzt sich die Garage erfolgreich dem Trend. ßendem Studium. „Wir haben beim Erlebnis MaDenn nach Angaben des Nachwuchsbarometers schinenbau 90 Jugendlichen erklärt, dass man Technikwissenschaften, herausgegeben von der auch als Ingenieur Karriere machen kann“, sagt Deutschen Akademie für Technikwissenschaften Schneider. „Das ist neben aller Begeisterung für (Acatech) und dem Verein Deutscher Ingenieure die Technik ebenfalls wichtig. Viele wissen gar (VDI), wählt nicht einmal jeder zweite technisch nicht, dass auch Teamleiter, Geschäftsführer oder interessierte Schüler eine entsprechende LaufVorstände oft Ingenieure sind.“ bahn. Denn unter den Jugendlichen hält sich Das Engagement der vielen Initiativen scheint hartnäckig das Vorurteil, dass die Berufsperspeksich jedenfalls auszuzahlen. Waren 1999 gerade tiven von Ingenieuren eher bescheiden sind. Ein einmal 292 482 Studierende für Ingenieurwissenerstaunliches Ergebnis findet Acatech-Präsidischaften eingeschrieben, sind es heute 343 865. umsmitglied Ortwin Renn. Denn: „90 Prozent der Ingenieure und Naturwissenschaftler würden ihren Beruf ein zweites Mal wählen.“ Firmen, die Ingenieure suchen, haben es derInitiative für mehr Ingenieure zeit nicht leicht. 27 000 Stellen sind derzeit unbeSachen machen Im Februar 2006 startete die Inisetzt. Errechnet wird die Zahl, indem von den tiative des VDI, die Jugendlichen NaturwissenschafStellenangeboten die arbeitslos gemeldeten Inten schmackhaft machen soll. Mehr als 100 Firmen genieure abgezogen werden. Zudem sind seit engagieren sich, darunter EADS und Porsche. 2005 mehr Ingenieure über 50 Jahre alt als unter 35, was auf ein wachsendes demografisches ProMangel Grund ist unter anderem der mangelnde blem hindeutet. Um dem entgegenzuwirken, Nachwuchs. Derzeit sind 27 000 Ingenieursstellen seien Initiativen wie die Garage gefragt, sagt VDIunbesetzt – trotz Krise. Direktor Willi Fuchs. Nicht umsonst leistete der VDI die Anschubfinanzierung für die Garage. Heute ist er ihr Hauptgesellschafter. „Wir müssen Ingenieurslücke in Deutschland junge Menschen früh in Kontakt mit Technik Differenz aus gesamtwirtschaftlichem Stellenangebot bringen, um unseren Nachwuchs zu sichern“, und arbeitslosen Personen sagt Fuchs. „Dafür ist es wichtig, dass die Jugend80 000 Maschinen- und Fahrzeugbauingenieure lichen nicht nur Technik anschauen oder darüber sonstige Ingenieure Elektroingenieure reden, sondern auch mitmachen können.“ 60 000 Auch deswegen heißt die Hauptinitiative des VDI, die seit 2006 Ingenieursnachwuchs generie40 000 ren soll, „Sachen machen“. Der Name klingt wie ein Appell, der sich aber nicht nur an die Jugend20 000 lichen richtet, sondern auch an die rund 100 Unternehmen, die bei der Initiative mitmachen. 0 „Das Besondere ist, dass wir bestehende AktivitäOkt. 06 Aug. 09 ten von Unternehmen sammeln und daraus geFTD/jst; Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Bundesagentur für Arbeit meinsame Aktivitäten machen“, sagt Fuchs. „Alle Ingenieur? Nein danke! – Der Beruf hat bei Schülern ein schlechtes Image. Selbst Technikbegeisterte wählen oft ein anderes Studienfach. Verbände und Unternehmen locken sie jetzt in die Werkstätten Patentanmeldungen sind langwierig und kompliziert. Es gibt aber Möglichkeiten, das Prozedere einfacher zu gestalten VON WILKO STEINHAGEN W er schon einmal ein Patent angemeldet hat, weiß, wie langwierig und mühsam der Prozess ist. Zwei bis sechs Jahre können vergehen, bis eine Erfindung endgültig geschützt ist. Grund ist das aufwendige Prüfungsverfahren. Das Patentamt kontrolliert nämlich, ob nicht irgendwo auf der Welt schon einmal etwas Ähnliches angemeldet worden ist. Wenn dann auch noch technische Details geklärt werden müssen, zieht sich der Prozess noch weiter in die Länge. Viele Firmen helfen sich deshalb mit einem Trick. Sie melden gleichzeitig mit dem Patent ein Gebrauchsmuster an, das unbürokratischer und schneller erteilt wird, weil das aufwendige Prüfverfahren wegfällt. Schon nach zwei Monaten kann so und Bestimmungen, die das Patentein Kopierschutz geltend gemacht amt an eine Anmeldung stellt“, sagt werden. Der Nachteil: Ein Ge- Schönen. Je einfacher man es ihnen brauchsmuster garantiert nur zehn mache, desto eher würden sie den Jahre Schutz vor Plagiaten. Ein Patent Gang zum Patentamt wagen. Viel schwerwiegender aber hingegen 25 Jahre. sei, dass viele aus UnWeil das alles so kom„Wir betrachten wissenheit ihre Neuheipliziert ist, hat der Paten erst einmal ihren tentanwalt Jörg Schönen uns als reine Kunden präsentieren. ein standardisiertes VerDienstleister Ein Kapitalfehler, denn fahren entwickelt, das kleinen Unternehmen für Innovatoren“ danach ist eine Anmeldung als Patent nicht und Einzelpersonen die Christian Hahn, mehr möglich. Patentanmeldung erPatentanwalt Um solche Fehler zu leichtert: Er gibt seinen Endres & Hauser vermeiden, haben mittMandanten einen Fragelerweile etliche Unterbogen, auf dem sie die technischen Details ihrer Erfindung nehmen Abteilungen eingerichtet, skizzieren. Schönen übernimmt die sich als Dienstleister für Innovatoren und Erfinder verstehen. Beim dann die juristische Abwicklung. „Viele kleinere Firmen kapitulie- norwegischen Aluminiumhersteller ren schnell vor den Anforderungen Hydro Aluminium heißt diese Abtei- lung „Rolled Vision Team“. Vier Mitarbeiter kümmern sich ausschließlich um neue Ideen, die entweder von Mitarbeitern oder Kunden mit Sonderwünschen kommen. Das Team, dem neben Technikern auch Vertriebler angehören, betreut dann die Ideen bis zu Markteinführung. „Der Zuspruch ist so groß, dass wir über eine personelle Aufstockung der Abteilung nachdenken“, sagt Willi Schenkel, im Rolled-VisionTeam für den Kontakt zu Kunden zuständig. Auch der Hersteller von Mess- und Füllstandsensoren Endres & Hauser aus Weil am Rhein leistet sich eine eigene Abteilung, die sich um Innovationen kümmert. „Wir betrachten uns als reine Dienstleister für die Innovatoren“, sagt Christian Hahn, Patentanwalt bei Endres & Hauser. Das Unternehmen kürt da- rüber hinaus jedes Jahr die beste Erfindung aus dem Mitarbeiterkreis und verleiht dafür einen Preis in Höhe von 10 000 €. Die meisten Patente meldet jedes Jahr noch immer der Großkonzern Siemens an. 2008 waren es immerhin 5500 Stück – das sind 37 Anmeldungen pro Arbeitstag. Nicht alle Patente, die Siemens anmeldet, werden auch automatisch zu Produkten. „Manches melden wir an und suchen uns dann eine Firma, die mit der Idee viel mehr anfangen kann als wir. Wir verkaufen eine Lizenz und verdienen trotzdem an unseren Ideen“, sagt Max Fleischer, Entwicklungsleiter für chemische Sensoren bei Siemens. Lizenzen und Patente können nämlich bei späteren Expansionen oder Joint Ventures als Teil der Verhandlungsmasse nützlich sein. A 2 NACHWUCHS FÜR DIE TECHNIK DONNERSTAG, 15. OKTOBER 2009 FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND Mehr Theorie, mehr Karriere Das Studium an der Universität führt eher in die Forschung VON CHARLOTTE REIMERS F ür mich war ein Studium an einer Fachhochschule nie eine Option“, sagt Gerrit Behring. Der 20-Jährige studiert seit dem Wintersemester 2008 Wirtschaftsingenieurwesen an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Er möchte in der Autoindustrie Karriere machen – wenn möglich, ins Management aufsteigen. Und das kann er seiner Meinung nach nur mit einem Universitätsabschluss an einer renommierten Hochschule erreichen. Deshalb entschied er sich für die RWTH. Für Experten ist ein Universitätsabschluss allerdings schon längst keine Voraussetzung mehr für eine steile Karriere. Das Niveau der Ingenieursausbildung an Universitäten und Fachhochschulen (FH) habe sich in den vergangenen Jahren stark angeglichen, sagt zum Beispiel Sven Renkel vom Verein Deutscher Ingenieure. Seit 1999 läuft der BolognaProzess, die Reform des Hochschulstudiums. Studieninhalte und -abschlüsse werden seither europaweit angeglichen – auch zwischen Universität und FH. Früher studierte man noch an der Fachhochschule, weil es dort schon nach vier Jahren einen Diplomabschluss gab. Heute zieht dieses Argument nicht mehr. Die Regelstudienzeiten wurden bundesweit vereinheitlicht: Der erste berufsqualifizierende Abschluss ist in sechs oder sieben Semestern zu erreichen, der darauf aufbauende Master in drei bis vier – an allen Hochschulen. VON CHRISTIAN GRESSNER G eschwindigkeit ist für Konrad Paule nicht alles – auch wenn er schnelle Autos liebt und gern mit 200 Stundenkilometern und mehr über die Autobahn braust. Was den Entwicklungsingenieur bei Volkswagen Motorsport viel mehr fasziniert ist die Technik unter der Verkleidung: „Deswegen hat mich im Studium die Formula Student und die Idee, einen Rennwagen selber zu bauen, so fasziniert.“ 2006 rief der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die deutsche Formula Student Germany ins Leben. Die Idee: Zehn Monate lang entwickeln Studentengruppen aus aller Welt jeweils ein einsitziges Rennauto und erarbeiten dazu ein Finanzierungs- und Marketingkonzept. Im Juli jeden Jahres treffen sich dann die rund 2000 Studenten am Hockenheimring, um ihre Wagen zu testen und den besten zu küren. 78 Hochschulen aus Deutschland, Australien, Indien und den USA waren dieses Jahr dabei. Vorbild der deutschen Formular Student ist die amerikanische Formula SAE, die erstmals 1981 ausgetragen wurde. Gesucht wird nicht nur der schnellste Fahrer. Auch das Finanzierungs- und Marketingkonzept wird bewertet. Denn Ziel des Wettbewerbs ist, ein Auto für Hobbyrennfahrer zu entwickeln, das in Serie produziert werden könnte. „Diese Erfahrungen verbessern die Qualifikation der angehenden Ingenieure erheblich“, sagt VDI-Präsident Bruno Braun. Das sieht auch Paule so: „Das ist seriöse Arbeit und mehr wert als manches Praktikum.“ 2005 baute er gemeinsam mit zwei Kommilitonen das Rennteam der Universität Stuttgart auf und leitete es bis 2007. Die Stuttgarter waren weltweit bei etlichen Formula-Student-Events dabei. „Wir haben von unseren Leuten verlangt, dass das Team für sie höchste Priorität hat“, erinnert sich Paule. Mit Erfolg: 2008 gewannen die Stuttgarter die britische, italienische und australische Formula Student. Gelitten hat darunter das Studium. Paule hat wegen der Formula drei Semester mehr an der Universität verbracht als üblich, die übrigen Teammitglieder im Schnitt etwa ein Semester. Trotzdem unterstützen die Do- Fachhochschulen beliebter Auch die viel gelobte Praxisnähe ist kein Alleinstellungsmerkmal der FHs mehr: Praktika sind inzwischen bei allen Ingenieurs-Studiengängen Zulassungsvoraussetzung. Und auch während des Studiums gibt es Praxisphasen, in denen die Studenten den Berufsalltag kennenlernen. An der RWTH etwa müssen alle Maschinenbauer bei Studienbeginn ein sechswöchiges Vorpraktikum nachweisen und im siebten Semester 14 Wochen in einem Betrieb arbeiten. Ähnlich sieht es an der FH Münster aus: Das Maschinenbaustudium beinhaltet ein achtwöchiges Praktikum im sechsten Semester und setzt ein 13-wöchiges Vorpraktikum bei der Bewerbung voraus. Obwohl die Unterschiede immer geringer werden, sind die FHs derzeit beliebter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts schrieben sich im vergangenen Jahr rund 28 000 Studienanfänger in den Fachbereichen Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen für ein Studium an einer Fachhochschule ein. Das sind gut 5000 Erstsemester mehr als an den Universitäten – obwohl Fachhochschul-Absolventen laut einer Analyse der IG Metall mit einem geringeren Einstiegsgehalt zu rechnen haben als Universitätsabsolventen. Entscheidend ist aber nicht allein die Hochschulform oder Abschlussnote. Mit Verhandlungsgeschick können Bewerber durchaus ein höheres Gehalt erreichen, zumal wenn ein Unternehmen dringend Nachwuchs benötigt. Zusatzqualifikationen wie eine abgeschlossene Berufsausbildung zählen ebenfalls, außerdem hilft es laut IG Metall, wenn Arbeitgeber den Bewerber bereits als Auszubildenden oder Praktikanten kennengelernt haben. Der rege Zulauf zu den Fachhochschulen ist zum einen darauf zurückzuführen, dass auch Jugendliche ohne Abitur, aber mit Fachhochschul-Zugangsberechtigung an einer Fachhochschule studieren können. Zum anderen ziehen viele die verschultere Form der Lehre an der Fachhochschule vor. Die Fachhochschulen verzichten anders als die Universitäten nach wie vor auf eine theoretische Vertiefung der Materie. In der Forschung sind daher trotz gleicher Studienzeit eher Universitätsabsolventen gefragt. „Im Werksumfeld hingegen kommt es maßgeblich auf praktische Erfahrung und den Draht zu den Mitarbeitern an“, sagt Michael Halm, Personalmanager bei Hydro Aluminium. Für die Formula Student entwickeln Studierende eigene Rennautos – inklusive Business- und Marketingplan. Bei Personalern gilt das mehr als manches Praktikum zenten das Formula-Engagement. „Dabei werden alle Tugenden geschult, die ein Ingenieur im Berufsleben braucht: von der Anwendung der Theorie über Teamwork, Projektmanagement und Just-in-time-Produktion“, sagt Michael Bargende, Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungsmotoren. Die Erfahrung, die Bargende so lobt, hat Valentina Seiwald schon einige schlaflose Nächte beschert. Die 26-Jährige studiert an der Universität Siegen, wo es ebenfalls ein Formula-Student-Team gibt: die „Speeding Scientists“. Seit April ist sie als Marketingfachfrau dabei und hat bereits einiges erlebt. Was die Rennteams leisten müssen Regelwerk Rund 21 Seiten füllen die organisatorischen und technischen Anforderungen, die die Formula Student Germany an ihre Teilnehmer stellt. Wer beispielsweise seinen Geschäftsplan zu spät bei den Veranstaltern einreicht, verliert in der Gesamtwertung Punkte. Gebühr 500 € beträgt die Teilnahmegebühr für eine 15-köpfige Mannschaft, für jedes weitere Mitglied müssen 20 € gezahlt werden. Technik Das Reglement schreibt unter anderem vor, dass alle Benzinleitungen und technischen Verbindungen sichtbar angebracht sein müssen, damit die Inspektoren sie auf einen Blick erkennen können. Teilnehmer Das Team „Tampere UAS Motorsport“ (u.) von der finnischen TAMK University of Applied Sciences war eine der 77 Mannschaften, die auf dem Hockenheimring antraten. Ausgerechnet drei Wochen vor dem Hockenheim-Rennen reagierte die Lenkung an dem Siegener Wagen plötzlich sehr schwerfällig. „Wir wussten nicht, ob das Verschleiß oder ein Konstruktionsfehler ist, geschweige denn, wo wir einen Ersatz herbekommen, für den wir kein Budget mehr hatten“, erzählt sie. Noch am gleichen Tag stellten die Techniker fest, dass sich ein Blech am Radlager verbogen hatte. In einer Woche fertigten die Studenten ein Ersatzteil an und bauten es ein. Wer so etwas einmal mitgemacht habe, sammelt wertvolle Erfahrung, meint Bargende. „Die Industrie bekommt so komplettere Leute.“ Soft Skills, Zeiteinteilung und der effiziente Einsatz eines begrenzten Budgets würden an der Universität nicht gelehrt. Nirgendwo spiegeln sich die Probleme der Technologieunternehmen so deutlich wider wie in der Formula Student. So wie vielen Firmen fällt es auch den Formula-Teams immer schwerer, geeigneten Nachwuchs zu finden. „Das Engagement wirkt sich studienzeitverlängernd aus“, sagt Bargende, und das können sich viele Bachelor- und Masterstudenten nicht mehr leisten. „Da bleibt fast keine Zeit mehr für freiwillige Projekte“, bestätigt Seiwald. Die Master-Studentin hat ihre Arbeit für die Formula zwar irgendwie zwischen Vorlesung und Nebenjob in den Tagesablauf gezwängt, „weil mich die Zusammenarbeit völlig unterschiedlicher Menschen in dem Team tief beeindruckt“. Doch die Früchte ihrer Arbeit kann sie nicht immer ernten. „Mir wurde von einem Sponsor ein Praktikum angeboten, aber ich hätte dafür ein Pflichtseminar der Uni erst ein ganzes Jahr später machen können.“ Das Praktikum hat sie abgelehnt. Den zunehmenden Zeitdruck bestätigt auch Michael Groß. „Viele Studenten sind dennoch weiterhin dabei, das spricht für die Attraktivität der Formula Student“, sagt der Leiter des Personalmarketings bei Audi – einer der Formula-Sponsoren. Groß möchte die Rennserie nicht mehr missen. „Bei dem Rennen am Hockenheimring können wir die Studenten vier Tage lang beobachten und sehen sofort das Ergebnis ihrer Arbeit.“ Das Schlendern durch die Boxengasse ist für den Personaler aufschlussreicher als jedes Assessment-Center oder Bewerbungsgespräch. Aus dem Labor ans Rednerpult Präsentation, Teamarbeit, Fremdsprache: Im Karriereprogramm VDI Elevate lernen angehende Ingenieure, was das Studium ihnen nicht bietet VON ANDREAS MENN S chon oft hat Marcus Wetzel an der Universität ein Referat gehalten. Professionelles Feedback bekam der Nürnberger Student der Elektroinformationstechnik allerdings nie. „Im Studium bleiben die Präsentationstechniken etwas auf der Strecke“, sagt er. Doch seit einigen Monaten sammelt der 23-Jährige in Sachen Soft Skills reichlich Erfahrung. Er macht beim Karrierprogramm des Vereins Deutscher Ingenieure VDI Elevate mit und hat deshalb letzthin bei einigen Rhetorikseminaren, Teamtrainings und Planspielen mitgemacht – und dabei in so manches Unternehmen in Deutschland einen Einblick bekommen. Damit hat Wetzel seinen Kommilitonen einiges voraus. Denn noch immer gilt das Ingenieurstudium in Deutschland als zu theorielastig. „Die Arbeitgeber sagen uns, dass die Absolventinnen und Absolventen mehr Schlüsselkompetenzen, Kommunikations- und Teamfähigkeit brauchen“, sagt Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Die Lücke zwischen Theorie und Praxis müsse geschlossen werden. Qualifizierungsprogramme wie VDI Elevate seien ein guter Start. „Praxiserfahrungen sind uns bei Bewerbern sehr wichtig“ Micaela Saeftel, ABB „Wir wollen angehenden Ingenieuren die Chance bieten, sich auf den Berufseinstieg vorzubereiten und Zusatzqualifikationen zu erwerben“, sagt VDI-Projektleiterin Stefanie Heinrichs. Wer beim VDI-Karriereprogramm einen Platz bekommt, kann in einem Zeitraum von zwei Jahren sieben Seminare und Trai- nings besuchen – vom Konfliktmanagement bis zur Präsentation in Englisch. Hinzu kommt ein dreimonatiges Praktikum bei einem der Partnerunternehmen des Programms. Und jedem Teilnehmer wird für zwei Jahre ein Mentor an die Seite gestellt, der seinen Zögling dann auch bei der ersten Bewerbung nach dem Studium unterstützt. „Das Besondere an VDI Elevate ist, dass sämtliche Seminare vor Ort bei den Partnerunternehmen stattfinden“, sagt Heinrichs. Vom Familienbetrieb wie dem Kunststoffhersteller Rehau bis zum Großkonzern wie Hochtief ist alles dabei. Die ElevatePartner spiegeln ganz bewusst das gesamte Spektrum an Unternehmen wider. Das Kalkül: Wer erst einmal da ist, knüpft auch Kontakte. Die persönliche Tuchfühlung ermöglicht „einen ganz anderen Berufseinstieg“, sagt Heinrichs. 2007 startete das Programm. Seitdem haben 92 Studenten VDI Elevate durchlaufen. 22 Unternehmen fun- gieren als Partner. „Praxiserfahrungen sind uns bei Bewerbern sehr wichtig“, sagt Micaela Saeftel, Leiterin des Hochschulmarketings beim Energie- und AutomationstechnikUnternehmen ABB. „Das VDI-Eleva- Gegen den Praxisschock Teilnehmer 2007 rief der VDI das Karriereprogramm VDI Elevate ins Leben. Seither werden zweimal pro Jahr neue Teilnehmer aufgenommen. Bis zum Jahresende können sich Studenten für die siebte Aufnahmerunde bewerben. Voraussetzungen Neben einem ingenieurwissenschaftlichen Studium verlangt der VDI, dass die Bewerber Fremdsprachen sprechen und sich außerhalb des Studiums engagieren – zum Beispiel in einem Verein oder als Tutor, der jüngere Studenten unterstützt. te-Programm ist eine gute Ergänzung zum Studium, in dem wichtige Soft Skills oft zu kurz kommen.“ Auch Maria Riolo, Leiterin der Rekrutierung beim Autohersteller Daimler, begrüßt es, wenn Studierende praktische Erfahrung sammeln, und wirbt: „Wer diese Entwicklungsmöglichkeiten bereits im Studium ergreift, kann oft nach Abschluss des Studiums als Teil unseres Teams die Mobilität der Zukunft mitgestalten.“ Marcus Wetzel sieht sich kurz vor Abschluss seiner Zeit als VDI-Eleve deutlich besser für das Berufsleben gerüstet. „Ich habe natürlich viel Zeit investiert, aber es hat sich gelohnt“, sagt er. Derzeit macht er das im Programm vorgesehene Praktikum beim Münchener Elektronik- und IT-Spezialisten ESG. „Ich habe jetzt viele Unternehmen, Personal und Studenten kennengelernt und ein großes Netzwerk aufgebaut“, sagt er. „Das wird mir beim Berufseinstieg sicher helfen.“ Formula Student Germany Mit Vollgas zum ersten Arbeitgeber NACHWUCHS FÜR DIE TECHNIK A 3 DONNERSTAG, 15. OKTOBER 2009 FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND Das Logo des VDIni Clubs: Solarroboter Louis 14 führt Kinder spielerisch in die Welt der Technik ein VON CHRISTIAN GRESSNER VDI V on Jugendlichen wie Tick, Trick und Track kann Deutschland nur träumen. Die drei Neffen von Donald Duck begeistern sich vorbehaltlos für Technik und schauen Entenhausens Chefentwickler Daniel Düsentrieb regelmäßig neugierig über die Schulter. Deutschen Ingenieuren fällt es hingegen schwer, junge Leute für ihren Beruf zu begeistern. Nur jeder zehnte Schüler erwägt hierzulande eine Karriere als Ingenieur. Das ergab eine Studie des Bundesbildungsministeriums. 85 000 Ingenieure werden daher bis 2013 in Deutschland fehlen, schätzt das Ministerium. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) geht für 2009 von einem Bedarf von 27 000 zusätzlichen Ingenieuren aus. Was das für die deutsche Volkswirtschaft bedeutet, lässt sich genau beziffern: Wertschöpfungsverluste von 6 bis 7 Mrd. €. Außerdem hängen an jeder offenen Stelle 2,3 wiederum nicht besetzte Arbeitsplätze. Das geringe Interesse der Kinder und Jugendlichen liegt aber nicht an dem so oft kolportierten spießigen Image des Ingenieurs, versichert das Ministerium. Im Gegenteil: Der Beruf hat bei Kindern weder ein positives noch ein negatives Image. Für sie existiert er schlichtweg nicht. „Kinder wollen das werden, womit sie in Berührung kommen. Der Ingenieur kommt bei ihnen nicht an, selbst wenn es der eigene Vater ist, der diesen Beruf ausübt“, sagt Fritz Neußer, Konrektor an einer katholischen Grundschule im Rhein-Sieg-Kreis. Hinzu kommt laut Neußer, dass die Kinder heute viel zu verkopft sind. „Die Experimentierfreudigkeit ist verloren gegangen, und das ist einer der Gründe für die Technikfeindlichkeit in unserer Gesellschaft.“ Neußer engagiert sich deshalb im pädagogischen Beirat der VDI-Initiative VDIni-Club. „Wir wollen eine Hilfestellung geben, damit die Kinder Technik zum Spielen und Anfassen Kinder träumen von Berufen, die sie kennen. Was ein Ingenieur macht, wissen sie nicht. Verschiedene Initiativen wollen das ändern. Per Computer, Baukasten oder am Beispiel einfacher Wassertropfen wieder selber etwas ausprobieren und sich für Technik und Experimente begeistern.“ Auf der Webseite des VDIni-Clubs führen Comicfiguren wie der Solarroboter Louis_14 und die Geschwister Rosa und Rudi Kinder in die Welt der Technik ein. Sie können Versuche machen und technisches Hintergrundwissen herunterladen. Wer mitmachen will, muss sich allerdings anmelden – und zahlen. Damit nicht alles virtuell abläuft, bekommen die Kinder mit der Anmeldung einen Technikkoffer zugeschickt, mit dem sie zu Hause experimentieren können. Zudem organisiert der VDIniClub regionale Treffen, wo technikbegeisterte Jugendliche die Möglichkeit haben, sich auszutauschen. Der VDIni-Club ist nicht die einzige Initiative dieser Art. Das Bundesbildungsministerium fördert das Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik allein 2009 mit 23,5 Mio. € und rund einem Dutzend Projekten. Dazu gehört die gemeinnützige Stiftung „Haus der kleinen Forscher“, eine Initiative der Helmholtz-Gemeinschaft und der Siemens Stiftung. Ziel des Hauses der kleinen Forscher ist, drei- bis sechsjährigen Kindern naturwissenschaftliche Phänomene zu erklären. Dafür bietet die Initiative Erzieherinnen in Kinder- gärten und Kitas kostenlose Weiterbildungen und Lehrmaterialien an. Ein Beispiel: Der wackelige Wasserberg. „Wir müssen einem Kind nicht erklären, dass ein Wassertropfen eine Oberflächenspannung hat. Aber dass er bei genauer Betrachtung ein kleiner Berg ist, kann man auch einem Dreijährigen zeigen“, sagt Peter Rösner, Geschäftsführer der Stiftung. Dabei soll keine Schulsituation entstehen, in der Wissen vermittelt oder abgefragt wird, „sondern die Erzieherin soll zusammen mit dem Kind eine Antwort suchen“. 8000 der 47 000 Kitas nutzen das Angebot. Eine der ältesten Initiativen ist der „Girls’ Day“. Er will Mädchen auf für sie untypische Berufe aufmerksam machen. Die Kinder tauchen für einen Tag in den Arbeitsalltag klassischer Männerdomänen ein – etwa in Laboren oder Werkstätten. Das Bildungs- und Familienministerium fördern das Projekt mit 640 000 €. Das Problem ist also erkannt, doch gelöst ist es noch lange nicht. Im Studiengang Lehramt für Grundschule „sind in der Regel 85 bis 90 Prozent der Studenten pro Jahrgang Frauen. Und sie scheuen die Technik wie der Teufel das Weihwasser“, sagt die Professorin für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Regensburg Maria Fölling-Albers. Bei der Wahl eines Hauptfachs entscheidet sich die große Mehrheit für Biologie. Kaum jemand nimmt Physik, die Grundlage der Ingenieurwissenschaften. „In den vergangenen zwei Jahren hatten wir nur eine Person, die Physik und zwei, die Chemie genommen haben. Die jungen Frauen haben eine Aversion gegen diese Fächer aufgebaut. Sie trauen sich das im Unterricht von Grundschülern nicht zu“, sagt Fölling-Albers. Die Lehrerinnen von morgen sind in ihren Ängsten von gestern gefangen. In einer solchen Atmosphäre kann Begeisterung für Technik kaum reifen. Daher müssen die Regensburger Grundschulpädagogen eines der drei Fächer Physik/Technik, Chemie oder Biologie belegen. Anschließend bauen sie an Projektschulen in einem Lernlabor Experimente auf, anhand derer sie fächerübergreifende Fragestellungen wie die Funktion des menschlichen Herzens oder die technische Funktionsweise einer Pumpe erklären. A 4 NACHWUCHS FÜR DIE TECHNIK Autobauer setzen auf Sicherheitstechnik VON WILKO STEINHAGEN D er Autozulieferer Bosch hat dieses Jahr zwei Bremssysteme zur Serienreife gebracht, die vor Auffahrunfällen schützen sollen. Sensoren und Radar messen kontinuierlich den Abstand zum Vordermann. Registriert die Fahrzeugelektronik, dass der Fahrer zu dicht auffährt, bremst der Wagen automatisch ab. Wenn nötig macht er auch eine elektronisch gesteuerte Vollbremsung. Doch nicht nur die Sicherheit, auch die Sparsamkeit ist ein großes Thema in der Branche. Ein Produkt, mit dem schon heute Benzin gespart werden kann, bietet die Firma ZF Lenksysteme an. Sie hat eine Servolenkung entwickelt, die die bisherige hydraulische Lösung durch eine elektrische ersetzt. Der Vorteil: Der Elektromotor springt nur an, wenn tatsächlich gelenkt wird. So lassen sich bei einem Mittelklassewagen zwischen 0,4 Liter und 0,8 Liter Benzin auf hundert Kilometer einsparen. „Interessant für uns ist die Möglichkeit, die Lenkung mit anderen Systemen zu koppeln, um Autos nicht nur sparsamer, sondern auch sicherer zu machen. Denkbar sind zum Beispiel Assistenzsysteme, die dem Fahrer helfen, die Spur zu halten, oder die das Einparken erleichtern“, sagt Alexander Gaedke, Leiter der Vorentwicklung bei ZF Lenksysteme. Mehr Geld für Innovationen Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Internationalen Automobilmesse (IAA) in Frankfurt wurden gleich mehrere innovative Entwicklungen vorgestellt, die helfen sollen, den Vorsprung der deutschen Hersteller zu halten und auszubauen. Laut einem Bericht der Forschungsvereinigung Automobiltechnik im Verband der Automobilindustrie VDA investierten die Unternehmen allein im vergangenen Jahr 18,9 Mrd. € in die Entwicklung innovativer, klimafreundlicher und effizienter Technologien. Das sind 3,7 Prozent mehr als im Vorjahr 2007. Die Elektronik spielt in der Branche eine immer wichtigere Rolle: nicht nur für die intelligente Unterstützung des Fahrers, sondern auch für den Antrieb. Erstmals haben sich auf der IAA alle sieben Entwicklungschefs der großen deutschen Autokonzerne auf einen einheitlichen Stecker für Elektroautos geeinigt und sind damit in der Entwicklung klimafreundlicher Autos einen großen Schritt weitergekommen. Die ersten Kleinstserien reiner Elektroautos, die in Städten zum Einsatz kommen sollen, werden bereits produziert – allerdings im Ausland und nur von Nischenherstellern. So startete der US-amerikanische Konzern Tesla Motors aus Kalifornien bereits im März 2008 mit der Produktion eines strombetriebenen, sportlichen Zweisitzers, der nun seinen Siegeszug in Europa antreten soll. Von der Lightning Car Company aus London kommt der Lightning GT, ebenfalls mit Elektromotor. Lediglich ein deutscher Hersteller, nämlich Smart, experimentiert derzeit mit einem Elektroauto. Der Smart Electric Drive soll 2012 in den Handel kommen. Derzeit kurvt er in einem Flottenversuch durch Berlin. Spitzentechnik sucht Ingenieur Die Krise hat die erneuerbaren Energien bisher verschont. Die Firmen reißen sich um den Nachwuchs – und locken mit Extras wie Stipendien und Kitas VON UTA DEFFKE P atricia Kreissmann ist eine von 250 Ingenieuren, die bei der rheinland-pfälzischen Juwi-Gruppe Windparks, Fotovoltaik- und Biogasanlagen genehmigen, planen, aufbauen und betreiben. Etliche Anlagen hat die Umweltingenieurin auf den Weg gebracht und darauf geachtet, dass Budgets und Zeitplanung eingehalten werden. Ihr aktuelles Projekt ist der Fotovoltaikpark im brandenburgischen Lieberose, der nach seiner Fertigstellung die größte Solaranlage Deutschlands sein wird. Das Geschäft brummt, auch in der Krise. Dieses Jahr wird Juwi seinen Umsatz vermutlich um 200 Mio. € auf 600 Mio € steigern. Für 2011 peilt der Konzern 1 Mrd. € an. Auch die Zahl der Mitarbeiter wächst rasant. 700 sind es derzeit, 300 mehr als 2008. 1000 sollen es 2011 sein. Juwi sahnt reihenweise Umweltpreise ab, allein drei für die besonders energieeffiziente Firmenzentrale. Kreissmann schätzt an ihrem Arbeitgeber nicht nur die Aufgabe. „Wir haben hier flache Hierarchien und gute Aufstiegsmöglichkeiten für junge Leute“, sagt sie. In der hauseigenen Redaktion: Volker Bormann (verantw.), Wiebke Harms, Johanna Lutteroth Gestaltung: Andreas Voltmer (Ltg.), Nicolai Gogoll Bildredaktion: Florian Kraska, Veith Hengst Infografik: Jens Storkan Bildbearbeitung: FTD-Bildbearbeitung Chefin vom Dienst: Dr. Hiltrud Bontrup Korrektorat: Martin Hinzmann Verlag: G+J Wirtschaftsmedien GmbH & Co. KG, vertreten durch die Geschäftsführer Dr. Bernd Buchholz und Ingrid Haas Postanschrift: Brieffach 02, D-20444 Hamburg Verlagsleiter: Jan Honsel Anzeigenleiter: Mario Suchert (verantw.), E-Mail: [email protected] Syndication: Picture Press Bild- und Textagentur GmbH, Koordination: Petra Martens, Anfragen: Nicole Wulff, Tel. 040/3703 3401, E-Mail: [email protected] „Financial Times“, „Financial Times Deutschland“ and „FTD“ are registered trade marks of The Financial Times Limited and used under licence. Druck: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg; BZV Berliner Zeitungsdruck GmbH, 10365 Berlin; Druck- und Verlagszentrum GmbH & Co. KG, 58099 Hagen; Mannheimer Morgen Großdruckerei und Verlag GmbH, 68167 Mannheim Akademie werden Neueinsteiger in die Grundlagen der regenerativen Energietechnik, der Finanzierung und des Projektmanagements eingeführt. Zum Ausgleich gibt es einen Fußballplatz, einen Fitnessraum und ein Beachvolleyballfeld. Was für sie aber noch viel wichtiger ist: Juwi hat eine eigene Kita. Das gute Betriebsklima hat sich herumgesprochen. 1000 Bewerbungen landen pro Monat auf den Schreibtischen der Personalabteilung. Von Ingenieurmangel ist bei Juwi nichts zu spüren. „Die Energiebranche ist von der Wirtschaftskrise nicht so sehr betroffen“, sagt Hermann-Josef Wagner, Professor an der Ruhruniversität Bochum und Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt. Lediglich in der Solar- und Windbranche seien Einstellungsrückgänge zu verzeichnen. Grundsätzlich ist die Energiewirtschaft aber optimistisch. Das ist gut so. „Denn es gibt viele junge Leute, die sich gerade für den Bereich der regenerativen Energien interessieren und deshalb auch ein Ingenieurstudium wählen“, meint Wagner. Es wäre ein fatales Signal, wenn die derzeit starken Studienjahrgänge keine Anstellung fänden. Neben Großunternehmen wie Juwi gibt es in der Branche aber auch etliche kleine Firmen. Dazu zählt beispielsweise Sunmachine. Die Bayern bauen Mikro-Blockheizkraftwerke mit besonders verschleißarmem SterlingMotor. Einsatzgebiet: vornehmlich Ein- bis Zweifamilienhäuser, die damit heizen und gleichzeitig Strom erzeugen, den sie ins Netz einspeisen können. 2005 wurde Sunmachine mit dem Bayerischen Gründerpreis ausgezeichnet. 150 Mitarbeiter beschäftigt Sunmaschine derzeit, etwa 30 davon in der Entwicklung. „Wir brauchen Leute mit Leidenschaft“, sagt Personalreferentin Anja Vogele. Dominik Springer ist einer davon. Er hat sich bewusst für ein kleineres Unternehmen entschieden, weil er glaubt, dort mehr bewegen zu können. „Mich hat das breite Spektrum an spannenden Techniken gereizt, die künftig noch weiter ausgebaut werden“, sagt Springer, der mit einer Initiativbewerbung bei Sunmachine gelandet ist. Auch er ist Umwelttechniker und damit bestens für den Job ausgebildet. Dass er häufig mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten muss, stört ihn nicht. Mit seinen 27 Jahren sei er noch jung. Außerdem habe er keine Familie, da sei das nicht so wichtig. Wer sich für Energietechnik interessiert, muss aber nicht unbedingt zu jungen Unternehmen oder Startups gehen. „Von fabelhaften Steigerungen der Energieeffizienz bis zur Abscheidung von CO2 bieten auch Hoher Personalbedarf bei den Erneuerbaren Stellenmarkt Der Wissen- Offene Stellen nach Tätigkeitsbereich schaftsladen Bonn hat im Anzahl, Mehrfachnennung möglich ersten Quartal 2009 insge2007 2009 samt 1567 Stellenanzeigen Service/ 112 im Bereich Erneuerbare Montage Energien gezählt. 2006 Planung/ 190 waren es nur 528. 408 372 Beratung Nachholbedarf Derzeit werden vor allem Mitarbeiter für den Service und die Montage der Anlagen gesucht – also vor allem Ingenieure. Der Wissenschaftsladen registrierte 408 offene Stellen – fast viermal so viele wie 2007. Produktion 79 341 Management 153 Vertrieb 151 173 Forschung/ Entwicklung 309 299 214 FTD/jst; Quelle: Wissenschaftsladen Bonn, 2009 die konventionellen Kraftwerke reichlich Innovationspotenzial und technisch anspruchsvolle Aufgaben“, sagt VDI-Experte Wagner. Im Kampf um die besten Köpfe lässt sich beispielsweise der Energieriese Eon einiges einfallen. Hochschulmarketing, Praktikantenprogramme, ein Stipendienprogramm während des Master-Studiums oder eine Beteiligung bei Femtec, dem Karrierenetzwerk für Frauen an der Technischen Universität Berlin. Außerdem will Eon die viel beschworene Work-Life-Balance verbessern. Diskutiert werden intern Themen wie Telearbeit, Kinderbetreuung, Gesundheit am Arbeitsplatz. „Und wir legen großen Wert darauf, die Leute kontinuierlich weiterzubilden – sowohl auf fachlicher als auch auf persönlicher Ebene“, sagt Monica Wertheim, bei Eon verantwortlich für Arbeitgeberreputation. Mittlerweile setzt auch Eon auf regenerative Energien. 2007 gründete der Konzern die Sparte Eon Climate and Renewables (EC&R). Sie soll dazu beitragen, den Anteil der erneuerbaren Energien an der produzierten Gesamtleistung von derzeit 13 auf 18 Prozent im Jahr 2015 und 36 Prozent in 2030 zu steigern. „Die Windindustrie muss sich von der Boutique zur Großindustrie entwickeln“, sagt Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender von EC&R. Und dazu brauche es engagierte Ingenieure. So groß wie 200 Fussballfelder: Der von der Juwi-Gruppe betriebene Fotovoltaikpark Waldpolenz erbringt mit rund 550 000 Solarmodulen eine Leistung von 40 Megawatt. Er ist zurzeit der größte Solarpark Deutschlands Karriere auf der Baustelle der Zukunft IMPRESSUM Financial Times Deutschland Stubbenhuk 3 · 20459 Hamburg Tel. 040/31990-0 · Fax: 040/31990-310 www.ftd.de; E-Mail: [email protected] FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND Jürgen Lösel Neue Ideen schützen vorm Crash DONNERSTAG, 15. OKTOBER 2009 Deutsches Know-how ist gefragt, wenn es um nachhaltiges Bauen geht. Für gute Erfindungen gibt es Geld, für Ingenieure neue Chancen VON HELGE STRÖMER A lle Augen werden beim diesjährigen Solar-Decathlon-Wettbewerb, der vom 8. bis 21. Oktober in Washington stattfindet, auf das Team von der Technischen Universität Darmstadt gerichtet sein. Alle zwei Jahre schreibt das US-amerikanische Energieministerium den Wettbewerb um das beste, energieeffizienteste Wohnhaus aus. Vor zwei Jahren waren es die Darmstädter, die den ersten Preis gewannen. Dieses Jahr haben sie Entwürfe für ein Haus im Gepäck, dessen Energieversorgung zu 100 Prozent über Solarzellen abgedeckt wird. Decken und Wände sind mit einem dämmenden Spezialmaterial beschichtet, das zehnmal so gut wie herkömmliche Dämmungen isoliert. Aber auch das Innen- und Lichtde- sign zählt bei diesem architektonischen Wettstreit. Das Studententeam wird maßgeblich vom Baukonzern Hochtief unterstützt. Aus gutem Grund: Denn mit seinem Engagement fördert Hochtief nicht nur die Ausbildung der angehenden Ingenieure, sondern auch innovative Ideen im Bereich nachhaltiges Bauen – die dann wiederum für das Unternehmen genutzt werden können. Dank eines regen Austauschs zwischen Wirtschaft und Hochschulen gilt Deutschland mittlerweile als Trendsetter in Sachen nachhaltiges Bauen. Das Know-how ist weltweit gefragt. Und so steht nachhaltiges Bauen bei Studenten und Bauingenieuren hoch im Kurs. „Für die Studenten ist es selbstverständlich, dass wir nicht mehr so weiterbauen können wie bisher, sondern dass wir neue Konzepte für Planung, Bau und Nutzung unserer gebauten Umwelt benötigen“, sagt Werner Sobek, Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) an der Universität Stuttgart. „Deutschland hat im Bauwesen einen sehr hohen Qualitätsstandard“ Werner Sobek, Universität Stuttgart Gebäude sind die größten Klimasünder der Welt. Ihr Bau und Abriss, ihr Betrieb und ihre Instandhaltung verbrauchen mehr Ressourcen und verursachen mehr Emissionen als der gesamte Verkehr. Nachhaltigkeit bedeutet hingegen, dass die Immo- bilien umweltfreundlich und ressourcenschonend sind. Immobilien stehen für wirtschaftliche Effizienz und langfristigen Werterhalt. Die Mehrkosten bei Planung und Bau amortisieren sich innerhalb weniger Jahre durch niedrige Betriebskosten. „Deutschland hat im Bauwesen einen sehr hohen Qualitätsstandard. Im internationalen Vergleich nimmt es, gerade was Energiesparstandards betrifft, einen Spitzenplatz ein“, sagt Sobek. Die vielen innovativen Ideen spülen Förder- und Forschungsgelder in die Kassen und eröffnen den Ingenieuren neue Chancen. Ein solches Forschungsprojekt ist das „InHaus2“ in Duisburg. Mehr als 60 Firmen – darunter BASF, Hochtief und Henkel – kooperieren dafür mit der Fraunhofer-Gesellschaft. Ziel von „InHaus2“ ist es, intelligente und vernetzte Technologien für Gewerbe- immobilien zu entwickeln und marktfähig zu machen. Experten statten beispielsweise Materialien mit Chips aus, durch die der Grad der Wärmedämmung abgerufen werden kann. Zudem werden neue Konzepte für Kranken- und Pflegeeinrichtungen erprobt. So können Sensoren in den Wänden mögliche Notsituationen erkennen. „Wir benötigen mehr davon, um neue Produkte zu entwickeln und zu testen“, sagt Manfred Hegger, Professor für Energieeffizientes Bauen an der Technischen Universität Darmstadt. „Gerade die jüngere Generation hat begriffen, worum es geht und greift die Herausforderung mit viel Kreativität auf.“ Vielleicht reicht die Motivation des Fachbereichs Architektur auch diesmal für den ersten Platz beim Solar Decathlon in Washington.