kein Willkürverstoß bei verschiedenartiger

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kein Willkürverstoß bei verschiedenartiger
VGH München, Beschluss v. 03.03.2010 – 10 ZB 09.2023
Titel:
(kein Willkürverstoß bei verschiedenartiger Behandlung von Ausländern, die alternativ
mit einem deutschen bzw. mit einem freizügigkeitsberechtigten Ehegatten verheiratet
sind)
Normenketten:
VwGO §§ 124, 124a
AufenthG §§ 7, 28, 31, 82
FreizügG/EU §§ 2, 3
GG Art. 3
§ 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG
§ 31 AufenthG
Art. 3 Abs. 1 GG
§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG
Leitsatz:
1. Dass ein Ausländer, der mit einem deutschen Partner verheiratet ist, beim eigenständigen
Aufenthaltsrecht des Ehegatten anders behandelt wird als ein ausländischer Ehepartner mit einem
in Deutschland lebenden freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger, verstößt nicht gegen das
Willkürverbot in Art. 3 Abs. 1 GG. (amtlicher Leitsatz)
Orientierungsatz:
Aufenthaltserlaubnis für Ehegatten eines Deutschen; nachträgliche Befristung; Ermessen;
Trennungsprinzip; eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten; mindestens zweijähriger
Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft; besondere ehebezogene Härte;
Inländerdiskriminierung; Willkürverbot; vergleichbare Sachverhalte (hier: verneint)
Schlagworte:
Aufenthaltserlaubnis, Ehegatten, Befristung, Ermessen, Trennungsprinzip, Lebensgemeinschaft, Härte,
Willkürverbot, Gleichheit, Unionsbürger
Vorinstanz:
VG Augsburg Beschluss vom 21.07.2009Au 1 K 09.123
Fundstellen:
DÖV 2010, 619
BayVerwBl 2010, 692
LSK 2010, 330266
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen die nachträgliche Befristung ihrer Aufenthaltserlaubnis und die
Abschiebungsandrohung durch die Beklagte.
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Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Nach ihrer Eheschließung im ... 2004 in der Türkei reiste sie im
Wege des Ehegattennachzugs im April 2006 zu ihrem deutschen Ehemann in das Bundesgebiet ein und
erhielt hier am 4. Mai 2006 eine bis zum 30. Mai 2007 befristete Aufenthaltserlaubnis. Nachdem ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Scheinehe nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war,
wurde die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin am 26. Juli 2007 bis zum 25. April 2009 verlängert.
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Mit Schreiben vom 22. April 2008 informierte der Ehemann der Klägerin die Beklagte über die Trennung von
seiner Ehefrau seit ... 2007. Daraufhin verkürzte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin deren
Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 7. Januar 2009 auf den Zeitpunkt der Bescheidszustellung
(9.1.2009), forderte die Klägerin zur Ausreise auf und drohte ihr die Abschiebung in die Türkei an.
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Ihre auf Aufhebung des Bescheids vom 7. Januar 2009 gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit
Urteil vom 21. Juli 2009 abgewiesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die nachträgliche
Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG
seien erfüllt, da die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann während der Gültigkeit ihrer
Aufenthaltserlaubnis beendet worden sei. Die Beklagte habe das ihr bei dieser Entscheidung zustehende
Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere habe die Klägerin keinen Anspruch auf Verlängerung bzw.
Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG und Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Ein
eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG habe sie nicht erworben. Nach der
durchgeführten Beweisaufnahme sei das Gericht vielmehr davon überzeugt, dass eine eheliche
Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann - wenn überhaupt - jedenfalls keine zwei
Jahre bestanden habe. Dagegen sprächen nicht nur die Einlassungen des Ehemanns gegenüber der
Beklagten in seinem Schreiben vom 22. April 2008 und der Getrenntlebenderklärung vom 19. Mai 2008,
sondern auch die Angaben der Klägerin selbst sowie die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung
vernommenen Zeugen. Ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 könne die
Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen, da sie nicht über ein ganzes Jahr ordnungsgemäß bei demselben
Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei. Die Ermessenserwägungen der Beklagten begegneten unter
Berücksichtigung der durch § 114 Satz 1 VwGO vorgezeichneten Grenzen auch im Übrigen keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das
angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, abgedruckt
in BayVBl. 2000, 239 (richtig wohl: 279), ab und beruhe auf dieser Abweichung. Danach sei die
nachträgliche Befristung einer Aufenthaltserlaubnis nur bei einer nachträglichen Veränderung der
Erteilungsvoraussetzungen, nicht jedoch auch dann möglich, wenn bereits die Aufenthaltserlaubnis
fehlerhaft erteilt worden sei. Im letztgenannten Fall komme nur eine Rücknahme oder der Widerruf der
Aufenthaltserlaubnis, nicht aber deren Befristung in Betracht. Das Verwaltungsgericht habe jedoch in seiner
Entscheidung einen Maßstab wie bei einem Widerrufs- oder Rücknahmebescheid angelegt. Zudem habe
das Verwaltungsgericht die Frage der Beweislast falsch beurteilt. Im Fall der Anfechtung einer
Befristungsentscheidung müsse die Klägerin nicht beweisen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft
überhaupt bestanden habe, nachdem es entscheidungserheblich nur darum gehe, ob die eheliche
Lebensgemeinschaft nachträglich entfallen sei. Im Übrigen habe die Klägerin auch Gründe für eine
besondere Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 AufenthG vorgetragen. Bei einer Rückkehr in die Türkei würde
sie gesellschaftlich und familiär ausgegrenzt. Überdies würden sich ihre bestehenden Krankheiten
(depressive Episode, Herzklappenerkrankung) bei einer Rückkehr in den Heimatstaat erheblich
verschlimmern; ärztliche Atteste über die Erkrankungen lägen vor. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung der
begehrten Aufenthaltserlaubnis ergebe sich auch in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 5 Satz 1
FreizügG/EU. Denn der Ehegatte der Klägerin sei nicht nur Deutscher, sondern auch
freizügigkeitsberechtigter EU-Bürger, die Klägerin Ehegattin im Sinne dieser Bestimmung. Die verfügte
Befristung ihres Aufenthaltsrechts stelle eine unzulässige Inländerdiskriminierung gegenüber anderen
Unionsbürgern in einer vergleichbaren Lage dar. Nachdem es zu dieser Frage bisher keine obergerichtliche
Rechtsprechung gebe, habe die Rechtssache auch grundsätzliche Bedeutung.
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Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten. Die vom Verwaltungsgericht geäußerten Zweifel, dass im
Fall der Klägerin überhaupt jemals eine eheliche Gemeinschaft bestanden habe, ergäben sich aus einer
Vielzahl einzelner Indizien. Sowohl die Vernehmung der Nachbarn als auch die Erklärungen des Ehemanns
der Klägerin hätten eindeutig ergeben, dass die eheliche Lebensgemeinschaft jedenfalls lange vor Ablauf
der 2-Jahres-Frist beendet gewesen sei. Die vorgetragenen gesundheitlichen Probleme der Klägerin
bestünden offensichtlich schon längere Zeit und seien nicht so schwer, dass sie nicht auch im Heimatland
behandelt werden könnten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten
Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten
Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.
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1. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag
rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO).
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Das Erstgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die angefochtene nachträgliche Befristung der
Aufenthaltserlaubnis der Klägerin gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG rechtmäßig ist (1.1.) und die Klägerin
auch keinen anderweitigen Anspruch auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat
(1.2.).
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1.1. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der Nachprüfung der von der Behörde nach § 7 Abs. 2 Satz 2
AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung eingehend erörtert, ob der Klägerin trotz der unstreitig
erfolgten Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft (zwischen den Parteien streitig ist allein der
Zeitpunkt der Beendigung) ein Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges
Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG oder eine Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 ARB 1/80 zusteht.
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An diesem Prüfungsansatz, der davon ausgeht, dass bei Bestehen eines solchen anderweitigen
Aufenthaltsrechts die Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis ermessensfehlerhaft und
damit rechtswidrig wäre, kann jedoch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 nicht mehr festgehalten werden (vgl.
BVerwG vom 9.6.2009 InfAuslR 2009, 440/441). Denn unter Berücksichtigung des insbesondere in §§ 7, 8
AufenthG verankerten Trennungsprinzips handelt es sich bei den im Aufenthaltsgesetz geregelten
unterschiedlichen Aufenthaltszwecken (vgl. Kapitel 2 Abschnitt 3 bis 7) mit den jeweils für die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis maßgeblichen Rechtsgrundlagen um eigenständige Regelungsgegenstände; dies gilt
auch für das eigenständige Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach § 31 AufenthG im Verhältnis zur
akzessorischen Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (vgl. BVerwG vom
9.6.2009 a. a. O. S. 441). Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob die Klägerin trotz Beendigung der
ehelichen Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 31
AufenthG oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen Gründen hat, nicht (mehr) inzident im
Rahmen der Entscheidung über die Verkürzung der Frist für die bisherige (akzessorische)
Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu prüfen. Vielmehr ist diese Frage als Gegenstand
eines gleichzeitig zu bescheidenden Begehrens auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31
AufenthG oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen anzusehen, das hilfsweise für
den Fall geltend gemacht wird, dass sich die Verkürzung der Geltungsdauer der bisherigen
Aufenthaltserlaubnis als rechtmäßig erweist (vgl. BVerwG vom 9.6.2009 a. a. O. S. 441 und vom
15.10.2009 1 B 3.09 <juris> RdNr. 6).
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Für die Ermessensentscheidung im Rahmen von § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bedeutet dies, dass damit nur
noch das Interesse der Klägerin, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer ihrer
Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Beendigung eines
materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BVerwG vom 9.6.2009
a. a. O. S. 441). Dass die Ermessenserwägungen der Beklagten bei der Verkürzung der Geltungsdauer der
Aufenthaltserlaubnis im angefochtenen Bescheid keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen,
hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Besondere Gründe, die für eine überwiegende
Notwendigkeit ihres weiteren Verbleibs in Deutschland bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer
der Aufenthaltserlaubnis hätten sprechen können, wurden von der Klägerin weder substantiiert vorgetragen
noch sind solche sonst ersichtlich.
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Weder die Beklagte im angefochtenen Bescheid noch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung sind
im Übrigen davon ausgegangen, dass bereits die der Klägerin ursprünglich erteilte Aufenthaltserlaubnis
zum Familiennachzug wegen Fehlens einer für ihre Erteilung wesentlichen Voraussetzung von Anfang an
rechtswidrig war, so dass insoweit für eine Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kein Raum mehr
bliebe (vgl. BVerwG vom 23.5.1995 BVerwGE 98, 298/302 f.). Das Erstgericht hat lediglich seine aufgrund
der durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme begründeten erheblichen Zweifel an einer
längerfristigen oder gar mehr als zweijährigen ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und
ihrem Ehemann dargelegt.
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1.2. Das Verwaltungsgericht hat - wenn auch in anderem Zusammenhang (siehe oben) - zu Recht einen
Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer von der Führung der zwischenzeitlich beendeten ehelichen
Lebensgemeinschaft unabhängigen Aufenthaltserlaubnis über den 25. April 2009 hinaus verneint.
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1.2.1. Nachdem es sich bei diesem (Hilfs-)Klagebegehren um eine Verpflichtungsklage handelt (vgl.
BVerwG vom 9.6.2009 a. a. O. S. 441; vom 15.10.2009 a. a. O. RdNr. 6), geht auch die auf die Beweislast
abzielende Rüge der Klägerin ins Leere. Es ist Sache der Klägerin, ihre Belange und die für sie günstigen
anspruchsbegründenden Umstände - hier: den mindestens zweijährigen rechtmäßigen Bestand der
ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) - darzulegen und im Zweifelsfall
auch zu beweisen (vgl. § 82 Abs. 1 AufenthG). Davon ist das Erstgericht zu Recht ausgegangen.
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1.2.2. Dass die Klägerin kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG erworben hat, da die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann jedenfalls
keine zwei Jahre bestanden hat, hat das Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler mit zutreffender
Begründung festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit auf die Begründung der angefochtenen
Entscheidung Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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Durchgreifende Fehler der erstinstanzlichen Beweiserhebung und Beweiswürdigung hat die Klägerin im
Zulassungsverfahren nicht geltend gemacht. Der angeblich erst nach dem 29. Mai 2008 erfolgte Auszug der
Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung, für den von ihr insbesondere ungeöffnete, aus der Zeit ab Mai
2008 datierende Briefe angeführt werden, ist weder plausibel noch etwa glaubhaft gemacht. Das
Verwaltungsgericht hat auch den diesbezüglichen klägerischen Vortrag in schlüssiger und nachvollziehbarer
Weise gewürdigt.
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1.2.3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist von dem Erfordernis des zweijährigen Bestands der
ehelichen Lebensgemeinschaft auch nicht nach § 31 Abs. 2 AufenthG zur Vermeidung einer besonderen
Härte abzusehen. Eine besondere Härte im Sinne dieser Bestimmung liegt insbesondere vor, wenn dem
Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenen
Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn
dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der
ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist (§ 31 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 AufenthG). Keine der beiden
genannten Alternativen kommt im Fall der Klägerin in Betracht. Ihre erstmals im Zulassungsverfahren
vorgetragene gesellschaftliche und familiäre Ausgrenzung bei einer Rückkehr in die Türkei wurde in keiner
Weise substantiiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin wegen der Auflösung der ehelichen
Lebensgemeinschaft in der Türkei erhebliche Nachteile drohen könnten, sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Bei den im Zulassungsverfahren erstmals geltend gemachten Erkrankungen, deren Verschlechterung die
Klägerin im Fall ihrer Rückkehr in die Heimat befürchtet, handelt es sich schon nicht um ehebezogene
Rückkehrgefahren im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG (zum Erfordernis der Ehebezogenheit vgl. BVerwG
vom 9.6.2009 a. a. O. S. 442 ff.). Im Übrigen sind die von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste - wie die
Beklagte mit Recht geltend macht - ohnehin wenig aussagekräftig. Anhaltspunkte dafür, dass die
gesundheitlichen Probleme der Klägerin in der Türkei nicht entsprechend behandelt werden könnten, fehlen
zudem.
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1.2.4. Eine Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis kann die Klägerin schließlich auch nicht unter dem
Gesichtspunkt einer „Inländerdiskriminierung“ beanspruchen. Die Klägerin macht hier geltend, dass sie
durch die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG ohne sachliche Rechtfertigung
schlechter gestellt werde als eine Ausländerin, deren Ehegatte als freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger
mit dieser in Deutschland in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hat, weil sie - die Klägerin - sich nicht
unmittelbar auf § 3 Abs. 5 FreizügG/EU berufen könne. Dieser Einwand greift jedoch schon deshalb nicht
durch, da die Klägerin damit auf nicht vergleichbare Sachverhalte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG abstellt.
Während in ihrem Fall ein reiner Inlandssachverhalt vorliegt, weil jeglicher für die
Freizügigkeitsberechtigung der Unionsbürger erforderliche grenzüberschreitende Bezug (vgl. dazu auch § 2
Abs. 2 FreizügG/EU) fehlt, ist in dem von ihr herangezogenen Vergleichsfall der Anwendungsbereich der
Grundfreiheiten der Europäischen Union durch den Aufenthalt des Staatsangehörigen eines anderen
Mitgliedsstaats der Europäischen Union (Unionsbürger) im Bundesgebiet gerade eröffnet und somit der
Aufenthalt dieses Unionsbürgers und seiner Familienangehörigen unionsrechtlich privilegiert.
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Selbst wenn man jedoch die unterschiedliche gesetzliche Regelung dieser Sachverhalte am Maßstab des
Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) messen wollte, wäre der für die Ungleichbehandlung durch den nationalen
Gesetzgeber erforderliche sachliche Grund darin zu sehen, dass bei reinen Inlandssachverhalten die
Freizügigkeitsberechtigung gerade nicht greift (vgl. auch BayVGH vom 19.2.2010 Az. 10 ZB 09.2584). Es ist
nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Familiennachzug zu deutschen Staatsangehörigen
ebenso aber auch zu allen nichtfreizügigkeits- oder assoziationsberechtigten Ausländern, mithin in der
großen Mehrheit aller Fälle, aus Gründen der Einwanderungsbegrenzung auf das in Abwägung mit dem
Schutzgebot von Ehe und Familie zulässige Ausmaß beschränkt, davon aber beim Nachzug zu Ausländern
aus EU-Mitgliedsstaaten wegen der Pflicht zur Umsetzung bindender unionsrechtlicher Vorgaben abweicht
(vgl. BVerwG vom 4.9.2007 BVerwGE 129, 226/242 m. w. N.).
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2. Aus den genannten Gründen kommt der Rechtssache entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht
die von ihr geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn die Frage der
sachlichen Rechtfertigung der von der Klägerin geltend gemachten Schlechterstellung ist - wie oben
ausgeführt - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt.
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3. Die von der Klägerin behauptete Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zu einer mit einer unzutreffenden
Fundstelle zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist schon nicht in einer dem
Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise geltend gemacht. Im Übrigen ist
die damit verbundene Rüge, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht die
Voraussetzungen einer Befristung, sondern vielmehr die einer Rücknahme oder eines Widerrufs der
Aufenthaltserlaubnis geprüft, sachlich unzutreffend.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs.
2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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