opernkino 10. reihe mitte
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opernkino 10. reihe mitte
Opernkino, Ecksitz, 10. Reihe Zur österreichischen Erstaufführung des Orson Welles-Films "The Lady from Shanghai" im Wien der 50er Jahre Erinnerungen von Ferry Radax Faksimilierte Seite des im November 1950 von Ferry Radax angefertigten „Story-Drehbuch“ Lange war sie fort, die Dame aus Shanghai. Und doch ist es kein "Besuch der alten Dame". Sie ist jung geblieben, Rita Hayworth. Auch er, ihr damals dritter Mann Orson Welles. Hauptakteur, Drehbuchautor, Regisseur vor und hinter der Kamera. Viele Gründe, die eigene Arbeit zu vergessen, ins Kino zu pilgern, sich wie damals vor 40 Jahren von der Leinwand mondsüchtig machen zu lassen. Die Erzählform der Story: Matrose Michael O'Hara (Orson Welles) trifft Elsa, die schöne Frau von Staranwalt Bannister und beschützt sie vor einem fingierten (?) Überfall im Central Park. Bekennt ihr später, daß er selber wegen Mordes saß, worauf sie ihn für die Yacht ihres Mannes engagieren möchte. Weil sie aber verheiratet ist, lehnt er ab. Der behinderte Anwalt (Everett Sloane) stöbert Michael auf, bietet ihm Geld für die Rettung seiner Frau (Rita Hayworth), überredet ihn zu einer Kreuzfahrt nach Acapulco und verbrüdert sich mit ihm in einer Hafenkneipe. Mike ist in der Klemme: Er braucht dringend Geld und - hat sich in Elsa Bannister verliebt. Der symbolträchtige Name spiegelt die private Lage von Orson Welles: die Scheidung von Rita und die Schulden bei Columbia wegen der Reise in 80 Tagen. Welles schlägt seinem Chef Harry Cohn telefonisch vor, die Schuld mit einem Film abzuzahlen. Vor der Zelle liest jemand gerade den Schundroman "The Lady from Shanghai". Der Titel klingt reißerisch;Der Titel klingt reißerisch...leider heißt der Roman anders, aber die Story ist gut erfunden. Auch die Drehbuchversion von Welles, der sie später am Set zu einem modernen Shakespearedrama ausgestaltet. Im Film erscheint zu nächst der völlig irre Partner von Bannister, ein George Grisby, oskarreif von Glenn Anders verkörpert. Er redet dem naiven Helden ein, für einen Mord ohne Opfer ein Papier zu unterschreiben, damit endlich eine Lebensversicherung ausbezahlt werde. 5.000 Dollar für ein paar Schüsse in die Luft und Grisby könnte als Frühpensionist auf eine ferne Insel verduften. Im Unterschied zu Österreich, wo solches vom Staatsanwalt begünstigt wird, geht es im Kino schief: Grisby wird tatsächlich erschossen und der Zeuge Broom (Ted de Corsia)» der ekelhafte Hausdetektiv, wird in einer klassischen Sterbeszene am Telephon verewigt. Naturgemäß kommt Mike als unschuldiges Opfer vor Gericht. durchschaut das Ganze nicht, schlägt sich aber durch und verschwindet in Chinatown. Was Orson Welles aus der Originalvorlage"If I Die before I Wake“ von Sherwood King gemacht hat, sehen Sie in einer surrealen Montage a la Dr. Caligari. Die Flucht von Mike ist für das damalige Amerika weil künstlerisch zu unverständlich. Hinzu kommt die Demontage von Rita Hayworth als nationales Frauenidol und Wixvorlage für GIs im Zweiten Weltkrieg, Welles schnitt ihr doch glatt die langen Haare ab, stellte sie hin als geldgierige Mörderin, als gefallenen Engel, dem es mehr als nur um ein paar Dollars geht. Sofort waren dieFrauenvereine auf der Straße und boykottierten den Film. Und was für einen Film ! Allein der Showdown im Spiegelkabinett stellt das Werk neben Othello und Citizen Kane. Die Kamera von Charles Lawton Jr. hat selten Nachahmer gefunden. Die Bauten von Gooson und Carne, zeigen wieder die berühmten Zimmerdecken, die den bedrängten Figuren beinahe auf den Kopf fallen. Die Musik stammt von Heinz Roemheld, Schnitt und Regie von Orson Welles, was alles übrige einschließt, und dazu führte, daß dieser Gigant des Kinos künftig fast nur mehr in Europa Filme machen durfte. „Wieso gerade ich auf diesen Krimi komme, wo ich doch immer noch als Experimentalfilmer verschrieen bin? Beim Gratis-Tee in der AngloAustrian Society, heute die Galerie Krinzinger, las ich von der Uraufführung in Großbritannien 1948. Damals begannen die Arbeiten zu s Third Man in Wien. Als Assistent des Standfotografen war mir Welles ein Begriff. Heimlicher Stammgast im britischen Park-Cinema - heute EKZHietzing—und dem amerikanischen Colosseum, damals ein gewaltiger Varietesaal, war ich sehr stark anglophil orientiert. Ich ging also nicht ahnungslos ins Opernkino, trat aber ahnungsvoll wieder heraus: Auch ich wollte nun solche Filme machen. Irgendwie fühlte ich auch, daß diese Ansprüche im Kommerzkino erst in 20 Jahren ihr Publikum finden würden. Bis dahin wollte ich selbst soweit sein. Noch heute ist dieser Film seiner mit dem Junk-Food der Tatort- und Kommissar-Produktionen. Und noch heute werden Drehbücher, die von Clichees abweichen von Fernsehanstalten und Filmförderung ausgeschlossen. Jemand sollte sich einmal den Jux machen und das Welles-Drehbuch einreichen ! Apropos Drehbuch: Damals gab es ja noch keine gedruckten. Die Filmliteratur lag jahrelang darnieder. Schon 1948 hatte ich elfmal den Film „Der Apfel ist ab !“ von Heltmut Käutner im Krugerkino gesehen, bis ich Handlung und Dialoge ‚im Mond-licht der Leinwand‘ (Cocteau) mit- geschrieben hatte. Im November 1950 ‚begegnete‘ mir die Lady und ich wollte ein Bilderdrehbuch davon haben. Zunächst störte ich mit einer ausgeborgten alten Leica das Publikum: es reagierte empfindlicher als die damaligen Schwarzweißfilme. Dann der monatliche 70Schilling Ratenkauf einer Schmalfilmkamera 9 1/2 mm. Zehn Monate kein Caféhausbesuch ! Dafür immer wieder mit der Filmkamera unterm Mantel ins Opernkino, um dort vom Ecksitz der zehnten Reihe aus ‚Die Dame von Shanghai‘ von Leinwand im Einzelbildgang abzufilmen. Jetzt geräuschlos mit der Handkurbel und zwischen fünf und 40 Bildern pro Szene. Aber in den Ruinen hatten wir damals auch nur Ruinen von Apparaten zum Vergrößern. Man war wirklich gefordert. Also eine kleine Holzkiste basteln Kantenlänge 20 cm, darin eine 25W-Birne. Vorne ein Loch, und vor dem Loch eine aus Naturpapier geklebte schwarze Filmführung. Bild für Bild dort vorbeiziehen und durch eine Briefmarkenlupe projizieren. Auf 4x6 cm kleine weiße Kärtchen, die austauschbar in einem Papprahmen steckten, der an die Rückseite eines dicken Schmökers geklebt war. Aber dann Nacht für Nacht - übrigens auch an meinem Weihnachtsabend, die besten Bilder auf den Kartons nachzeichnen schraffieren, Beschreibung der Optik, der Filter, der Aufhellung, Beleuchtung usw. Danach das Ganze über Tage hinweg mit der Tuschfeder ausführen, so daß es halbwegs wie Standfotos aussieht. Erneut ins Kino laufen, um Handlung und Dialoge aufzuschreiben. So habe ich mir diesen Film eingeprägt ! Er hat mich und meine Arbeit geprägt, auch wenn man das in den Fernsehfilmen nie so zeigen kann. Trotzdem eine Fleißaufgabe, die ich heute noch jedem Filmschüler empfehle. Ab und zu einen meisterhaften Film dutzendemale anzusehen und zu analysieren, bringt mehr als der Konsum des heute riesenhaften Angebots an Videos, Filmmuseum, Art-Kinos usw. Immer vorausgesetzt, man mag einen Film wie Die Dame aus Shanghai: Das müssen Sie selbst entscheiden. Übrigens: Bei einem Heurigen versprach mir einmal eine Freundin von Rita Hayworth, die Platte des Filmsongs "Please don't kiss me...' zu schicken. Bis heute jage ich dem irren Lied von Alan Roberts und Doris Fisher nach. Vielleicht liest ein Plattenkenner diese Zeilen.