1 Lernkultur 2.0 2 Die Vision 2020: Schulbuch der Zukunft

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1 Lernkultur 2.0 2 Die Vision 2020: Schulbuch der Zukunft
Future of Textbook - Eine schulische Perspektive
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18.04.2012
Lernkultur 2.0
Die Veränderung der Lernkultur und die Veränderung der Schulkultur stellt andere Ansprüche an neue
"Schulbücher". Die Vorstellung, dass Schulbücher in der Zukunft aus Papier oder als nicht editierbare
PDF-Versionen dieser bestehen werden ist aus meiner Sicht nicht richtig. Die Veränderungen, die
der Leitmedienwechsel mit sich bringt, werden sich auch in der Konstruktion von Schulbücher nieder
schlagen. Analysiert man mögliche Merkmale digitaler Schulbüchern, muss man als erstes die Merkmal
neuer Lernkulturen untersuchen um den Bedarf zu verdeutlichen.
1.1
Merkmale der neuen Lernkultur
Lernen in der Gegenwart und Zunkunft, lässt sich anhand folgender Eigenschaften charakterisieren.
Lernen
1. ist selbstorganisiert
2. ein individueller Prozeß
3. vernetzt Lernende miteinander
4. ist kompetenzorientiert
5. ist methodenorientiert
6. ist produktiv
7. hat multimediale Aspekte
8. geschieht durch Multiperspektivität.
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Die Vision 2020: Schulbuch der Zukunft
Die aktuellen Schulbücher erfüllen diese Kriterien nur zum Teil, z.B. der Aspekt der Aktualität ist
u.U. nur sehr schwer zu gewährleiten, aktuelle Themen der Energiewende nach dem Erdbeben in
Fukushima mit dem verbundenen Tsunami finden erst Jahre später Einzug in die Schulbücher. Ein
weiteres Beispiel dieses langsamen Prozesses ist eine Arten mit den Auswirkungen des Tsunami von
Dezember 2002. Eine entsprechende Karte war erst seit 2 Jahre später verfügbar. Sind "moderne
Schulbücher" pdf-Versionen der Bestehenden? Verbindet man die Merkmale neuen Lernens mit den
Merkmalen des Leitmedienwechsels ergibt sich eine andere Vision eines "modernen Schulbuches".
• Mobile learning: Dieser Aspekt hat zwei Punkte, zum einen bedeutet "mobile learning" Lernen
mit mobilen Endgeräten zum anderen ist das Lernen nicht mehr geographisch an einen Raum
gebunden. Der rasante Anstieg von mobilen netzfähigen Endgeräten ermöglicht einen Zugriff
auf Informationen und damit ein ortsunabhängiges Lernen. Die Vermittlung und Aufbereitung
ist nicht mehr an die Lehrperson gebunden, sondern überall und unmittelbar abrufbar. Ergänzt
wird dies durch mobile Apps, die einen thematisch geordneten Zugang bieten. Das Lernen wird
personen- und ortsunabhängig, somit mobil. Ein Schulbuch der Zukunft wird in digitaler Form
vorliegen.
• Multimedial: Durch die Ergänzung der statischen Inhalte in Text oder Bildform durch interaktive Elemente wird ein das Lernen einen deutlich erhöhten Anteil medialer Elemente haben.
Interaktive Applets, Apps, Widgets, die im Schulbuch integriert sind, erleichtern den Zugang
und stellen einen individuellen Zugang zum Lernstoff her.
• Direkte Feedback-Kultur: "Im Kern geht es bei Learning Analytics darum, die Fülle von Informationen über Studierende so zu analysieren, dass Bildungseinrichtungen die Lernprozesse der
Studierenden sachkundig optimieren können, indem sie sich auf die neuen Möglichkeiten stützen,
Roman Deeken, Andre Spang, Thomas Vieth
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Muster in komplexen Daten zu erkennen. Diese Art der Förderung ist nicht neu — Schulberater
und Experten aus den Studierendenservices nutzen seit langem Informationen wie Anwesenheitslisten, Zensuren, Beobachtungen der Lehrenden und Testergebnisse, um gefährdete Schüler
und Studierende zu identifizieren. Learning Analytics baut darauf auf, will aber weit über
diese bewährten Strategien hinausgehen, indem Informationen aus unterschiedlichsten Quellen
zusammengeführt werden, um ein erheblich stabileres und nuancierteres Bild des Lernprozesses
zu ermitteln, das dazu dient, sowohl das Lehr- als auch das Lernumfeld zu verbessern." (Horizon
Report 2012 S. 26)
• Aktualität: Veraltete Inhalte, Grafiken und Daten mit Quellenangaben, die länger als 5 Jahre
alt sind werden der Vergangenheit angehören. Durch die Verknüfung mit aktuellen Daten und
Datenquellen der statistischen Dienste unterschiedlicher Einrichtungen (EU, UN, Statistische
Bundesämter und Landesämter) wird es möglich sein, aktuelle Prozesse und Daten als Datengrundlage des Lernens zu erhalten. Projekte, die sich im Bereich OpenData bewegen können
in den Unterricht integriert werden und so einen aktuellen und alltagsrelevanten Aspekt zum
Unterricht beitragen.
• Fördert individuelles Lernen: Der Schwerpunkt "individualiertes Lernen" steht in den neuen
Schulgesetzen und Curricula sehr weit oben. Die Heterogenität der Schüler in sozialen und
kognitiven Punkten kann so berücksichtigt werden. Für die Auslösungen der "Förderschulen" in
NRW wird Unterricht in Zukunft noch stärker auf individuelle Bedürfnisse der einzelnen Schüler
reagieren müssen. Dazu zählen u.a. das eigene Lerntempo und unterschiedliche Lerntypen.
Durch die Integration unterschiedlicher Zugänge zu einem Thema wird eine Multiperspektivität
erzielt. Das Konzept des individualierten Unterricht wird u.a. durch Konzepte wie "flipped
classrooms" umgesetzt.
• Produktorientierung: Das Erstellen von Produkten die im Netz zeitnah für die Öffentlichkeit
bereitgestellt werden, erhöht die Motivation von Schülern. Die Schule ist ein Teil der Gesellschaft
und wird sich öffnen, d.h. Produkte von Schülern werden veröffentlich und damit nicht nur für
den Lernprozeß relevant, sondern auch für die Öffentlichkeit sichtbar. Dadurch können auch
Impulse von außen aufgenommen und diskutiert werden, die die Produkt der Schule kritisch
beleuchten und somit verbessern. Schulbücher müssen somit auch Whitepapers und Blankpages
enthalten, die das Buch zum Arbeitsbuch transformieren. Denkt man weiter, entsteht so ein
Buch von Schülern für Schüler.
• Schulung der Medienkompetenz: Durch die oben genannten Punkte wird zwangsläufig die Medienkompetenz der Schüler gestärkt, d.h. die für die Kompetenz wichtigen Punkte: Interaktion im
Netz , die Gestaltungskompetenz, die Nutzungskompetenz und die kritisch-analytische Kompetenz werden integrativ entwicklet und geschult. Dies führt zu einem "Mündigen Internetuser".
• Open Educational Ressources (OER): Neue Schulbücher werden unter freien Lizenzen veröffentlich (CC-BY-SA 3.0), damit man diese je nach Bedarf anpassen, kopieren und verändern
kann. Ein Vorstoß für dieses Konzept hat Polen gerade geleistet, wo alle digitalen Schulbüch
unter der Lizenz CC-BY-SA 3.0 stehen.
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Umsetzung anhand von webbasierten Diensten
Diese Merkmale neuer Schulbücher lassen sich z.T. exemplarisch mit einzelnen webbasierten Diensten
umsetzen.
• Mobile Learning: Auf Wiki-Plattformen können Produkte von Schülern für Schüler veröffentlicht
werden und somit überall abgerufen werden. Weitere Beispiele für mobile Nutzungen sind u.a.
Blogs, Homepages. Mit dem Konzept der Wikibooks von Wikipedia können ebenfalls Bücher
überall abgerufen werden. Außerschulische Lernorte können mit Konzepten des EduCachings
umgesetzt werden. Ein Beispiele an der Kaiserin-Augusta-Schule ist der Tonraumguide eines
Oberstufenkurses im Fach Musik.
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Figure 1: KAS Wiki: Fachportal Mathematik
• Integration von Feedbacksystemen im Wiki: Durch die konsequente Nutzung der Diskussionseiten im Schulwiki können Schüler Beiträge konstruktiv bewerten und so einen Anhaltspunkt
für die Verbesserung liefern. Durch Sichtung und Bewertung der Inhalte wird es möglich sein,
Entwicklungspunkte für Schüler zu definieren und die weitere Entwicklung zu beobachten. Einfache Abfragen durch Quiz-Funktionen helfen ein schnelles Feedback zum Lernstoff auf der
reproduktiven Ebene zu erhalten.
Figure 2: Feedback durch die Diskussionsseite
Figure 3: Feedback durch eine Quiz-Funktion
• Aktualität: Aktuelle Datenquellen der EU lassen sich über ein WebGIS System schnell in den
Unterricht integrieren und daraus entsprechende Karten erstellen, die den derzeitigen Stand
der Entwicklung darstellen. Somit ist man nicht mehr auf veraltete Daten angewiesen. Neuere
Entwicklungen und Tendenzen, sowie Probleme wie die Finanzkrise und Naturkatastrphen lassen
sich schnell integrieren.
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• Individualierendes Lernen: Unterschiedliche Zugänge einzelner Schüler und unterschiedliches
Lerntempo sowie unterschiedliche Lerntypen sind an dieser Stelle zu berücksichtigen. Ein
Beispiel ist über die Kommentar Funktion eines Blogs, Schüler Gedichte o.ä. zu kritisieren
und/oder selbst produktiv zu werden. Denkt man dieses Prinzip weiter müssen Seiten die z.B.
Figure 4: Arbeitsauftrag
Figure 5: Kommentar als Hausaufgabe
Hörverstehensübeungen in den Fremdsprachen als Inhalt haben, die Audio-Datei vielfach abspielen können. Ziel sollte sein, dass jeder Schüler in seinem Tempo diese Übung durchlaufen
und beliebig häufig wiederholen kann.
• Produktorientierung:
Figure 6: Mindmap mit Popplets
Figure 7: Trailer zum Buch "Die Schatzinsel"
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Umsetzungsmöglichkeiten
Möchte man alle oder viele dieser Merkmale in einem Schulbuch vereinen, bieten sich zur Zeit unterschiedliche Plattformen an.
• WIKIs: Die Kaiserin-Augusta-Schule setzt nun seit berets drei Jahren ein WIKI als Unterrichtsplattform ein, um Unterrichtsprozesse abzubilden, Unterricht zu öffnen, individuelle Lernwege
zu gestalten, aktuellen Unterricht und die Medienkompetenz von Schülern zu entwicklen. Unter
Einbeziehung von Erweiterungen ist es möglich Karten, Bilder, Videos, Audios, interaktive Applets und verschiedene Widgets einzubinden.
Figure 8: Wiki der Kaiseirn-Augusta-Schule
• iBuch für die KAS mit "ibooks Author": Als neue Möglichkeit ein Schulbuch zu gestalten
hat sich mit der Veröffentlichung der Umgebung "ibooks Author" von Apple ergeben. Das
iBuch wird inhaltlich von unserem Wiki gefüllt. Die entsprechenden Inhalte werden mit den
Möglichkeiten von "ibooks Author" ergänzt und viele Merkmale eines modernen Schulbuchs
verwirklicht.
Figure 9: iSchulbuch
Figure 10: Kapitel Mathematik
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Informationen
Das iBuch für die KAS ist ein Teil des Medienkonzeptes an der Kaiserin-Augusta-Schule in Köln. Die
KAS ist eine innerstädtische Schule mit 1000 Schülern und 80 Lehrern im Severinsviertel. Seit 2009
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steht die Entwicklung von Unterricht unter Einbeziehung neuer Medien zu neuem Lernen im Zentrum
der Schulentwicklung. Teilaspekte dieser Entwicklung:
• Integration webbasierter Dienste in den Unterricht
• Entwicklung von Unterrichtsmethoden und Unterrichtsszenarien für den Einsatz von Medien
• Einsatz von iPads im Unterricht
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Lizenz
Dieser Text steht unter einer CC-by-3.0-Lizenz. Der Autor sollen wie folgt genannt werden: by Roman
Deeken, Andre Spang, Thomas Vieth.
Roman Deeken, Andre Spang, Thomas Vieth
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