iM rEich DEr MittE DiE BedRohungsvielfalt

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iM rEich DEr MittE DiE BedRohungsvielfalt
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gtr | Februar 2008
CHINA:
Die
Bedrohungsvielfalt
im Reich der Mitte
Von Geok Meng Ong und Yichong Lin
gtr | Februar 2008
N
ur wenige Ereignisse ändern die weltweite politische und wirtschaftliche Landschaft
so sehr wie der rasante Aufstieg Chinas zu einer Großmacht. Im Jahr 2006 wuchs das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) Chinas um 10,7 Prozent und damit so stark, wie seit elf Jahren nicht
mehr. Dies geschah übrigens nur ein Jahr, nachdem China an Großbritannien als viertgrößter
Wirtschaft der Welt vorbeigezogen war. In dieser Phase gewaltigen Wachstums und Wandels
verändert sich in China auch die Vielfalt der Bedrohungen aus dem Internet. Warum ist diese
Zunahme bei Malware zu beobachten, die aus China stammt und dorthin gelangt?
Rasantes Internetwachstum
Virtuelle Waren
Im Jahr 2007 waren 12 Prozent der chinesischen Bevölkerung
online – dies sind 37 Prozent aller Internetbenutzer Asiens bzw.
137 Millionen Menschen. Dr. Charles Zhang, Chairman und CEO
des chinesischen Internetportals Sohu.com, gibt seine Einschätzung
zur Bedeutung dieser Zahlen ab. Die chinesischen Internetbenutzer
verbringen laut Zhang jede Woche fast zwei Milliarden Stunden
online, also 15 Mal mehr Zeit als amerikanische Internetbenutzer.
Dieses Phänomen führt er auf die fehlende Pressefreiheit in den
herkömmlichen Medien Chinas zurück. Im September 2006
verabschiedete der chinesische Gesetzgeber einen neuen Erlass,
der regelt, dass alle ausländischen Nachrichtenagenturen ihre
Informationen nur noch über die staatliche Nachrichtenagentur
Xinhua veröffentlichen dürfen. Mit einer effektiven Wachstumsrate
von 509 Prozent ist die Anzahl der Internetbenutzer in China in
den letzten fünf Jahren sprunghaft angestiegen. Zum Vergleich:
Im gleichen Zeitraum betrug das effektive Wachstum weltweit
200 Prozent, in den USA belief es sich auf 121 Prozent.
Real Money Trade (RMT) ist ein Konzept, bei dem virtuelles Gold
oder virtuelle Waren aus Computerspielen mit echtem Geld
gehandelt werden. Bei Online-Spielern wird es von Tag zu Tag
populärer. Da sich Online-Spiele in China so großer Beliebtheit
erfreuen, wurde auch RMT vom dortigen Markt sofort angenommen.
Schätzungen von Branchenbeobachtern zufolge verbirgt sich darin
ein Potenzial von bis zu 900 Millionen US-Dollar. Eine schnelle
Suche nach den chinesischen Schlüsselwörtern „Gold“ und „World
of Warcraft“ in Chinas größtem Auktionsportal, Taobao.com,
lieferte 32.891 Treffer. Für „Power Leveling Service“ und „World of
Warcraft“ wurden 19.982 Ergebnisse gefunden.
Boom bei lokalen Internetanwendungen
Im Zeitalter des Internetbooms steigt der Bedarf an lokalisierten
Internetinhalten, weil die Internetbenutzer zu immer mehr Inhalten
Zugang erhalten möchten.
Zu den Verkäufern zählen professionelle Computerspieler in
„virtuellen Sweatshops“, so genannte „Gaming Worker“ oder
„Goldfarmer“, die Tag und Nacht Online-Spiele spielen, um
virtuelle Währung, Waren oder Zauberkräfte aufzubauen. In jeder
Goldfarm können Hunderte von jungen Arbeitern beschäftigt
sein, die jeweils bis zu 250 US-Dollar pro Monat verdienen. Laut
Schätzungen bedienen über 100.000 solcher Spieler in China die
Nachfrage nach virtuellen Waren im In- und Ausland.
Online-Spiele
Ein Viertel aller chinesischen Internetbenutzer spielt Online-Spiele,
und im April 2007 waren 33 Prozent der Spieler 19 bis 22 Jahre alt.
Die Begeisterung für Online-Spiele hat inzwischen ganz China
ergriffen, und das so stark, dass die chinesische Regierung ein
einzigartiges Regulierungssystem gegen Spielsucht („Game Fatigue
Regulation“) eingeführt hat: Seitdem dürfen Minderjährige pro
Tag nur noch höchstens drei Stunden mit einem Online-Spiel
verbringen – überschreiten sie dieses Zeitlimit, verlieren sie jedes Mal
„Erfahrungspunkte“ im Spiel. Wer an einem Tag länger als fünf
Stunden spielt, verliert alle Punkte. Heutzutage gibt es 31 Millionen
Spieler. In diesem Markt hat das Geschäft mit Online-Spielen daher
eine neue Bedeutung.
„China Surpasses U.S. In Internet Use“ (Internetnutzung: China überflügelt die Vereinigten Staaten). Forbes.com. http://www.forbes.com/2006/03/31/china-internet-usage-cx_nwp_0403china.html
„Handhabung der Veröffentlichung von Nachrichten und Informationen durch ausländische Nachrichtenagenturen in China“ (in chinesischer Sprache), Xinhua. http://news.xinhuanet.com/politics/2006-09/10/content_5072446.htm
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Die Begeisterung für OnlineSpiele greift so stark um sich, dass
die chinesische Regierung ein
einzigartiges Regulierungssystem
gegen Spielsucht eingeführt hat.
„Ogre to Slay? Outsource It to Chinese“ (Wie man Monster durch Outsourcing in China
erlegen lässt). The New York Times. http://www.nytimes.com/2005/12/09/technology/
09gaming.html?ex=1291784400&en=a723d0f8592dff2e&ei=5090
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Instant Messaging
Malware-Aktivitäten in China
Der Handel von virtuellen Werten mit realem Geld (RTM) ist nicht auf
Online-Spiele allein beschränkt. In China steht Instant Messaging (IM)
für mehr als die sofortige Nachrichtenübermittlung, die der Begriff
impliziert. Über reines Instant Messaging hinaus hat sich eine Plattform
entwickelt, auf der Telefondienste, Unterhaltung, E-Mails, Spiele
und Remoteunterstützung angeboten werden. Um bei chinesischen
Internetbenutzern das Interesse an virtueller Unterhaltung zu wecken
und den Vertrieb in diesem Bereich anzukurbeln, verkauft die Firma
Tencent auf der Straße eine virtuelle QQ-Münze für 1 Yuan (etwa
0,13 US-Dollar). Da bei der Einführung der QQ-„Währung“ nur wenige
Einschränkungen bestanden, wurde sie auf Schwarzmärkten in echter
Währung gehandelt – und öffnete so Tür und Tor für Geldwäsche.
Hierdurch wurde der RMT von QQ-Konten und -Währung zu einem
einträglichen Geschäft. Selbst in Online-Kasinos und auf PornoWebsites werden QQ-Münzen gehandelt. In Anbetracht des erheblichen
Missbrauchs der QQ-Währung sind die chinesischen Behörden alarmiert.
Wir haben erfahren, wie sich der Handel mit virtuellen Waren zu
einem viele Millionen Dollar schweren Geschäft entwickelt hat, und
dabei gesehen, dass geschäftstüchtige Goldfarmer ihre Gewinne
mit günstigen Arbeitskräften steigern. Da überrascht es nicht,
dass diejenigen mit Zugang zu technischem Know-how Malware
einsetzen, um ihre Ziele in größerem Stil und schneller zu erreichen.
Wie sich herausgestellt hat, handelt es sich bei der von chinesischen
Domänen stammenden Malware größtenteils um Software für
den Kennwortdiebstahl. Derartige Kennwortdiebstahl-Programme
zielten zunächst zwar nur auf die Hauptplattformen – QQ, World of
Warcraft und Lineage – ab, sie erreichen heute aber jedes mögliche
Ziel von RMT.
Verteilung der HÄUFIGSTEN MALWARE
2006 und 2007
100 %
80 %
51,8 %
39,3 %
60 %
Laut einer Umfrage der chinesischen Medien waren 70 Prozent der
Benutzer bereits einmal von einem QQ-Kontendiebstahl betroffen.
Tencent, Eigentümer des QQ-Netzwerks, hat diese wachsenden
Bedrohungen erkannt und bietet auf der eigenen Website kostenlose
Sicherheitsschulungen und -dienste an.
Yahoo Messenger 2,1 %
Verbreitung von IM
in CHINA
40 %
20 %
0%
51,2 %
40,5 %
7,7 %
9,5 %
2006
2007
n Gray Pigeon-Backdoor- n Kennwortdiebe für Spiele, IM
Trojaner
n Würmer und DateiInfektionen
Abbildung 2: Im letzten Jahr war im chinesischen Markt eine starke
Zunahme an Kennwortdiebstahl-Software zu verzeichnen.
Skype 7,5 %
Taobao Wang Wang 29.1 %
MSN 31,7 %
QQ 96,1 %
Abbildung 1: Im Jahr 2007 dominierte Tencent QQ den chinesischen
Internet-Messaging-Markt.
McAfee® Avert® Labs eine wachsende Bedrohung durch
Kennwortdiebstahl-Software für Spiele. Dieser Trend hatte seinen
Höhepunkt im Oktober 2006, und er setzt sich offensichtlich auch
2007 fort. Handelte es sich bei der Malware der ersten Generation
in diesem Bereich noch um Trojaner wie PWS-QQPass, PWS-WoW
und PWS-Lineage, so sind wir heute mit „pikanten Mischungen“ wie
PWS-OnLineGames und PWS-MMORPG konfrontiert, die auf viele
Online-Spiele und -Communitys abzielen. Würmer wie W32/Fujacks,
die mehrere Verbreitungsstrategien haben, und Sicherheitslücken im
Web eröffnen immer mehr Möglichkeiten für strafbare Handlungen.
Anonyme Zahlungsformen
Zusätzlichen Spielraum für Geldwäsche und RMT ermöglicht
die Tatsache, dass die meisten Menschen in China weder eine
Kreditkarte noch einen PC besitzen, über die sie Online-Zahlungen
tätigen könnten. Viele Chinesen gehen in Internetcafés, und nicht
nur dort, sondern auch in Online-Shops und -Spielcentern sind so
genannte Prepaid Game Cards die bevorzugte Zahlungsmethode.
Da keine Registrierung erforderlich ist, sind diese Prepaid-Karten
praktisch anonym. Es gibt immer wieder Fälle, in denen CyberDiebe die Prepaid-Karten über gestohlene Online-Bankkonten oder
Kreditkartennummern kaufen und sie dann online wieder verkaufen.
Cyber-Kriminelle sind zum Diebstahl von Prepaid-Kartennummern
auch schon in Prepaid-Kartennetze eingedrungen. Wegen der
Anonymität und der großen Verbreitung von Prepaid-Karten ist
es für die Strafverfolgungsbehörden schwieriger geworden, nicht
autorisierte Transaktionen und Cyber-Kriminalität aufzuspüren.
„Tencent führt QQ-Sicherheitskarte ein“ (in chinesischer Sprache), Sohu.com. http://digi.it.sohu.com/20070906/n251998008.shtml
„Tencent und die Sicherheit“ (in chinesischer Sprache), Tencent. http://safe.qq.com/
„QQ baut seine Marktführerschaft 2007 weiter aus“, „Taobao Wangwang holt im ersten
Quartal gegenüber MSN auf“ (in chinesischer Sprache), iResearch. http://www.iresearchgroup.com.cn/Consulting/instant_messenger/DetailNews.asp?id=65222
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Cyber-Kriminelle sind nicht
zwangsläufig ausgezeichnete
Hacker. Sie richten sich ganz
klassisch nach Angebot
und Nachfrage.
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Organisiertes Verbrechen
Die Zunahme bei chinesischer Malware wird durch eine riesige
Internet-Community und den RMT-Markt noch gefördert. Erhebliche
Gewinne ebnen den Weg für immer intelligentere und umfassendere
Exploits. Das chinesische Reaktionsteam für Computernotfälle
(Computer Emergency Response Team, CNCERT) führte in seinem
Halbjahresbericht an, dass chinesische Websites in wachsendem
Maße für Phishing und die Hinterlegung von böswilligem Code
missbraucht werden. Allein die hier verzeichnete Zunahme übersteigt
schon die Gesamtzahl für 2006.
Im Jahr 2007 ermittelte McAfee SiteAdvisor™, dass sich auf
0,2 Prozent aller in China registrierten Websites Exploits befanden.
Dies ist mehr als das Doppelte des weltweiten Durchschnitts.
Hierbei sind Websites mit den Domänen „.org.cn“, „.gov.cn“,
„.com.cn“, „.net.cn“ und anderen Domänen gleichermaßen
betroffen. Viele davon sind vermutlich sogar seriöse Websites,
die von Kriminellen zur Unterbringung von böswilligem Code
missbraucht werden, sodass unachtsame Benutzer beim Surfen auf
den vermeintlich „sauberen“ Websites riskieren, dass ihr System
infiziert wird. Noch alarmierender ist das häufige Vorkommen von
Zero-Day-Exploits wie Exploit-AniFile.c. Als Katalysatoren für eine
weite Verbreitung fungieren hierbei Würmer wie W32/Fujacks, die
Dateien infizieren, und Bedrohungen durch Man-in-the-MiddleAngriffe oder Infektionen über ARP (Address Resolution Protocol),
wie im Falle von NetSniff.
Abbildung 3: Das HackerÖkosystem in China
Cyber-Kriminelle sind nicht zwangsläufig ausgezeichnete Hacker. Sie
richten sich ganz klassisch nach Angebot und Nachfrage. Im Februar
2007 meldete Xinhua, dass eine Gruppe von 50 Händlern in der
Provinz Zhejiang dabei half, von Li Jun (dem Autor von W32/Fujacks)
und seinen Komplizen gestohlene Benutzerkonten und virtuelle
Waren zu verkaufen. Dem Bericht zufolge waren sie auch Teil eines
Syndikats, das in betrügerischer Absicht Phishing-Aktivitäten ausübte
und Adware veröffentlichte. Keiner der Händler war Computerexperte;
einer arbeitete sogar als Chef in einem Restaurant.
In einer Kette organisierter Cyber-Kriminalität arbeiten verschiedene
Tools und Rollen gewöhnlich Hand in Hand. Exploits zielen auf noch
nicht behobene Schwachstellen ab, um Eindringlingen ein Schlupfloch
zu öffnen. Bots und Backdoors sorgen für Steuerungsmöglichkeiten,
und Software für den Kennwortdiebstahl sowie Spyware sammeln
vertrauliche oder profitträchtige Daten.
BackDoor-AWQ.b – oder „Gray Pigeon“, wie der Backdoor-Trojaner
von seinen Autoren genannt wird – wird seit 2003 auf der Website
als „Remoteverwaltungstool“ kommerziell vermarktet. Ein
Jahresabonnement kostet 100 Yuan (13 US-Dollar). Die Benutzer
erhalten aktualisierte Versionen mit erweiterten Merkmalen wie
Rootkits, verteilte Steuerung oder Keylogging. Die Website wurde
von ihren Inhabern im März 2007 nach der Verhaftung der W32/
Fujacks-Autoren deaktiviert. Sicherheitsanalytiker befürchten nun,
dass diese Gruppe ihre Aktivitäten in den Untergrund verlagern
könnte, wodurch ihre Überwachung noch schwieriger würde.
Würmer/Viren
Botnet
Was:
–Verbreitung über E-Mail, IM, File Sharing, USB-Laufwerke usw.
–Oder Ausnutzung
von Schwachstellen
Wer:
–Angreifer
–Wurm-/Virenautoren
Was:
–DDoS
–Spam/Phishing
Wer:
–Angreifer
–Botnet-Autoren
–Spammer
Angreifer
Hacking
Was:
–SQL-Injektion
–Anwendungs schwachstellen
–Zero-Day-
Schwachstellen
Wer:
–Angreifer
–Autoren von Hacker-
Tools
–Schwachstellenforscher
Missbrauch über
das Web
Was:
–Einbringung von böswilligem Code
in Webseiten
–Injektion von Rootkits
Wer:
–Backdoor-/Rootkit-
Autoren
–Angreifer
Informationen
Erlangung
vertraulicher
Informationen
Was:
–Online-Banking
– Online-Handel
– Online-Zahlungen
– QQ-Konto
– Spielkonto
Wer:
–Angreifer
Was:
–Quellcode
–Commercial-Intelligence-Informationen
–Server für Online-Spiele/Datenbankserver
Wer:
–Angreifer
Geldwäsche
Was:
–Virtuelle Währung
– Prepaid Game Cards
–Schwarzmarkt
Wer:
–Angreifer
–Händler
$$$
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Talentpool und Arbeitslosigkeit
Allein in Peking belief sich die Anzahl der Hochschulabsolventen im
Jahr 2007 auf fast 200.000 – und damit auf mehr als je zuvor. Nur
43 Prozent davon können jedoch damit rechnen, Arbeit zu finden.
In ländlichen Gebieten stellt sich die Beschäftigungssituation unter
Umständen noch schlechter dar. Viele der „Goldfarmer“ stammen
aus den ländlichen Regionen und Vorstädten Chinas. Sie arbeiten in
12-Stunden-Schichten für einen Monatslohn von rund 250 US-Dollar,
was in den ärmsten Teilen des Landes eine recht gute Bezahlung ist.
Nach seinem Abschluss an einer Computerschule im Jahr 2005
gelang es dem 25-jährigen Li Jun nicht, eine Arbeit zu finden.
In dieser Situation benötigte er dringend Geld. Und er besaß die
Fähigkeit, Malware zu schreiben. Diese Faktoren trugen dazu
bei, dass er neben dem nun so berüchtigten Wurm W32/Fujacks.
worm auch W32/QQPass.worm sowie W32/Lewor schrieb und
veröffentlichte. Er verkaufte den Quellcode von W32/Fujacks an über
120 Interessenten und erzielte damit einen Gewinn von über 13.000
US-Dollar – in einer Stadt, in der das jährliche Pro-Kopf-Einkommen
bei etwa 3.000 US-Dollar liegt. Es könnte gut sein, dass Li Jun kein
Einzelfall bleibt, weil sich viele junge Menschen in China in einer ganz
ähnlichen Situation befinden. Hackbase.com ist eine der größten
„Hacker“-Schulungswebsites in China. Laut eigenen Angaben hat sie
über 10.000 Mitglieder. Auf der Schwesterwebsite Hackerbase.net
werden explizit Hacking-Dienste gegen Bezahlung angeboten.
Richtlinien der Regierung
Im September 2007 wurde Li Jun von einem chinesischen Gericht zu
vier Jahren Haft verurteilt. Wird dies andere Malware-Autoren von
Cyber-Kriminalität abhalten? Während der Verhandlung legte der
Anwalt von Li Jun ein Schreiben von einer IT-Firma in Hangzhou vor,
in dem Li Jun die Stelle des Technischen Direktors angeboten wurde.
Er behauptete, es lägen zehn weitere Angebote von verschiedenen
Firmen vor, die Li Jun ein Jahresgehalt von 1 Million Yuan (133.000
US-Dollar) zahlen würden. Nach der Festnahme Li Juns und seiner
Komplizen Anfang 2007 ist die Verbreitung von Würmern in China
nicht zurückgegangen. Hier half auch nicht die Tatsache, dass der
Quellcode von W32/Fujacks verkauft wurde.
300 %
WACHSTUM DER HÄUFIGSTEN MALWARE
von 2006 zu 2007
250 %
200 %
150 %
ICBC, die größte staatseigene Handelsbank, meldete ein
E-Banking-Transaktionsvolumen, das allein im ersten Quartal 2005
die 170-Milliarden-Yuan-Marke (22,6 Milliarden US-Dollar)
erreichte. Im Jahr 2000 belief sich das Volumen noch auf lediglich
15,4­ Milliarden Yuan (2 Milliarden US-Dollar). Die chinesische
Bankregulierungsbehörde (CBRC) gab im Jahr 2005 bekannt, dass
die im Jahr 2000 verabschiedeten Richtlinien nicht ausreichten, um
die Handhabung und Überwachung der zusätzlichen Risiken im
Zusammenhang mit Internet-Banking zu regeln.
Analytikern zufolge hat die
Beliebtheit der QQ-Währung einen
Punkt erreicht, an dem der Yuan an
Wert zu verlieren droht.
Die CBRC führte daher im Jahr 2006 neue Kriterien zur Bewertung
von E-Banking-Geschäften und relevanten Sicherheitsmaßnahmen
(„E-Banking Business and Relevant Security Evaluation“) ein, um
den neuen Risiken in der virtuellen Welt zu begegnen.
Seit fünf Jahren ist die QQ-Währung nun verfügbar. Nachdem
es wegen Missbrauchs und Geldwäsche Bedenken gab, haben
die chinesischen Behörden schließlich Beschränkungen für den
Umlauf dieser Währung angeordnet. Analytikern zufolge hat die
Beliebtheit der QQ-Währung einen Punkt erreicht, an dem der
Yuan an Wert zu verlieren droht.
Was bringt die Zukunft?
Wir haben gesehen, wie die chinesische Bedrohungsvielfalt
durch die einzigartigen Ausprägungen lokaler Kultur sowie durch
politische und wirtschaftliche Aspekte beeinflusst wurde. Auf dem
Höhepunkt des Wachstums und der Veränderungen in China
können Richtlinien und Kontrollen noch nicht mit dem Tempo der
Entwicklung mithalten. Die Popularität des Internets, die weit
verbreitete Arbeitslosigkeit und der große Talentpool sind für viele
Grund genug, als Malware-Autoren ihr Glück zu versuchen. Die
aktuellen Bedingungen haben diese Hacker dazu gebracht, sich für
Geld als Cyber-Kriminelle zu verdingen.
100 %
50 %
Positiv ist: Die jüngste Verurteilung
0%
n Gray Pigeon-Backdoor- n Kennwortdiebe für Spiele, IM
Trojaner
n Würmer und DateiInfektionen
Abbildung 4: Software für Kennwortdiebstahl verzeichnet höhere
Wachstumsraten als andere Malware.
Wurde China von den jüngsten Veränderungen „kalt erwischt“?
Zumindest im Bereich der Internetsicherheit lässt sich sagen,
dass die Technologie so schnell angenommen wurde, dass
Regierungsrichtlinien, Unternehmen und die traditionelle Kultur
derzeit noch erheblich hinterherhinken.
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von Cyber-Kriminellen wie Li
Jun zeigt, dass der chinesische
Gesetzgeber die Cyber-Kriminalität
ernst nimmt.
China Banking Regulatory Commission – Fragen und Antworten (in chinesischer Sprache).
http://www.cbrc.gov.cn/chinese/home/jsp/docView.jsp?docID=2243
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Positiv ist: Die jüngste Verurteilung von Cyber-Kriminellen wie Li
Jun zeigt, dass der chinesische Gesetzgeber die Cyber-Kriminalität
ernst nimmt. Die Auswirkung lokaler Cyber-Bedrohungen hat die
Entwicklung von Regierungsrichtlinien und lokalen Anwendungen
beschleunigt, um neue Maßnahmen zur Verhinderung von CyberKriminalität einzuführen. Die einzige Möglichkeit zur Gewährleistung
eines kontinuierlichen Wachstums dieses Marktes liegt darin,
die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln, um die
Benutzer zu schützen.
Geok Meng Ong leitet für
McAfee Avert Labs ein Team von
Sicherheitsforschern für den asiatischpazifischen Raum und Japan. Er entdeckte zufällig die dunkle Seite der CyberWelt, die sein Engagement für die Sicherheitsforschung beflügelte. Er kam im
Geiste des Singapurer Kiasuismus und mit dem ehrgeizigen Ziel zu McAfee,
auf dem Weg zu Sicherheit auf Weltklasseniveau erfolgreich zu sein. Ong
ist als Forscher selbst in der Praxis engagiert und konzentriert sich dabei auf
die Erforschung von Malware-Heuristik und Schwachstellen. Er wird wegen
seiner Analysen neuer Malware-Trends und -Exploits, die in dieser Region
vorherrschen, oft in den Medien zitiert.
Yichong Lin ist Sicherheitsforscher bei
McAfee Avert Labs. Er befasst sich
vor allem mit Intrusion-DetectionTechnologie und der Erforschung von Schwachstellen. Beide Autoren
untersuchen und beobachten den chinesischen Sicherheitsmarkt schon seit
vielen Jahren.
„Die Rechenleidenschaft von Menschen, die davon überzeugt sind, dass sie das Geld,
die Zeit und die Leistung erhalten müssen, die sie wert sind (je mehr, desto besser!)“,
freie Übersetzung der (englischsprachigen) Definition auf der Site Urban Dictionary.
http://www.urbandictionary.com/define.php?term=kiasuism
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