Adoption im Blickpunkt - Landschaftsverband Rheinland

Transcrição

Adoption im Blickpunkt - Landschaftsverband Rheinland
Adoption im Blickpunkt
In regelmäßigen Abständen gelangen Adoptionen durch Berichte in
den Medien in den Blickpunkt der
Öffentlichkeit. Adoption ist schon
längst kein Tabuthema mehr, weder
für die Adoptiveltern noch für die
angenommenen Kinder, und
inzwischen auch immer weniger für
die ursprünglichen, die abgebenden,
Eltern.
Bezeichnet man Adoption als „einen
legalen und sozialen Prozess, durch
den das Kind eines Elternpaares zum
ehelichen Kind eines anderen Paares
wird“ (Napp-Peters, Adoption, 1978),
so kristallisieren sich drei Personenkreise – die leiblichen Eltern, das Kind und
die Adoptiveltern – als Betroffene
heraus. Fügt man ergänzend noch die
Adoptionsfachkraft hinzu, mit deren
Hilfe die Vermittlung in die Wege geleitet wird, so kann man bildlich betrachtet von einem „Adoptionsviereck“
sprechen. Darauf wird in unterschiedlichen Beiträgen der Blick gerichtet,
um aus der Sicht der Beteiligten die
für sie unterschiedliche Bedeutung –
vielleicht auch Problematik – der Adoption nachvollziehbar und verständlich zu machen.
Der historische Abriss macht deutlich, welchen Stellenwert Adoptionen
als Spiegelbild gesellschaftlicher Ereignisse im Laufe der Jahre bis zur Gleichstellung des Adoptivkindes mit dem
leiblichen Kind hatten – eine Errungenschaft, die dem Adoptivkind heute die
größtmögliche rechtliche Sicherheit
zuteil werden lässt.
Welchen speziellen Auftrag in diesem Spannungsfeld die Zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamtes
seit vielen Jahren hat, (denn Adoptionen sind auch eine Maßnahme der Jugendhilfe), und welche Veränderungen
besonders im Jahr 2002 durch die
gesetzlichen Neuregelungen entstanden sind, erfahren Sie im Anschluss.
In dem Artikel, Plädoyer für eine
„offene Adoption“, den zwei Fachkräfte einer Adoptionsvermittlungsstelle
verfasst haben, werden die unterschiedlichen Sichtweisen aller an der
Adoption Beteiligten dargestellt. Auch
wenn die Inkognitoadoption noch gesetzlich verankert ist, so werden die
Gründe dafür besonders von den Betroffenen kritisch hinterfragt.
Aus dem Bericht einer (Auslands-)
Adoptionsvermittlungsstelle geht
hervor, wie sorgfältig die Adoption
eines ausländischen Kindes vorbereitet
werden muss, damit die Interessen und
Bedürfnisse aller Beteiligten Berücksichtigung finden. Es besteht die Hoffnung, dass durch die Rahmenbedingungen, die die Haager Adoptionskonvention setzt, der Kinderhandel
wirkungsvoll eingedämmt werden
kann.
Dass eine Auslandsadoption aus
dem Blickwinkel einer erwachsenen
Adoptierten auch zwiespältig sein
kann, bringt der sehr persönliche und
nachdenklich stimmende Beitrag einer
jungen Frau vietnamesischer Herkunft
zum Ausdruck.
Isolde Reimann, Landesjugendamt
Rheinland, [email protected]
Adoption im Wandel der Zeit –
Ein historischer Abriss
Adoption ist nicht an eine bestimmte
kulturelle Entwicklung gebunden und
auch nicht auf unsere Zeit beschränkt.
Ihre Entstehung als soziale Institution
ist auf Kinderlosigkeit, dem Wunsch
nach einem Erben sowie auf Schutzbedürfnisse zurückzuführen. Ihre Ursprünge können bis weit in die Antike
zurückverfolgt werden. Am wohl bekanntesten ist die legendäre Adoption von Ödipus, der in Unkenntnis seinen leiblichen Vater, König Laios,
erschlug und seine leibliche Mutter,
Jokaste, heiratete.
Das Wort Adoption wird aus dem
Lateinischen abgeleitet und heißt
wörtlich übersetzt „sich hinzuwünschen“ oder auch „hinzuerwählen“. In
vielen Kulturen sollte der „Hinzuerwählte“, meist ein Erwachsener , die Familiennachfolge sichern und garantieren,
dass das Vermögen an verwandtschaft-
4
lich verbundene Personen vererbt
wird.
Juristisch gesehen bedeutet Adoption heute „Annahme als Kind“. Das
Kind leiblicher Eltern wird zum gemeinschaftlichen ehelichen Kind von Adoptiveltern. Es erlangt durch die Adoption die gleich rechtliche Stellung wie
ein eheliches Kind der Annehmenden.
Das beinhaltet, dass sämtliche Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu
seinen bisherigen Verwandten erlöschen. Das Kind erhält den Familiennamen der Adoptiveltern und eine
neue Geburtsurkunde, aus der seine
ursprüngliche Abstammung nicht
mehr ersichtlich ist.
Dass heute das Adoptivkind in jeder Hinsicht dem leiblichen Kind
gleichgestellt ist, wurde aber erst
durch mehrere Gesetzesänderungen
im Laufe vieler Jahrhunderte erreicht,
die den jeweiligen gesellschaftlichen
Wandel widerspiegeln. Ein kurzer
Rückblick in die Geschichte macht die
sich verändernde Bedeutung der Adoption deutlich.
Im klassischen Griechenland war die
Adoption ein Mittel, um den Fortbestand der Familie sicherzustellen. Sie
war nur angesehenen Bürgern ohne
männliche Nachkommen gestattet.
Hatte ein Mann nur Töchter, wurde
eine von ihnen mit dem Adoptivsohn
verlobt, damit er das Recht hatte zu
erben.
In der antiken römischen Gesellschaft wurden mit der Adoption im
Interesse der Annehmenden religiöse
und politische Ziele verfolgt, die Schaffung eines Eltern-Kind-Verhältnisses
spielte – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Frauen war es nicht
erlaubt zu adoptieren.
4/02
Im Mittelalter verloren die Adoptionen durch den religiösen Einfluss der
Kirche an Bedeutung. Die Kirche nahm
sich zwar der alleinstehenden Kinder
an, sie wurden aber in damals gegründeten „Erziehungsanstalten“,
Waisenhäusern oder auch schon in
Pflegefamilien untergebracht. Der
Schutzgedanke für die verlassenen Kinder stand nicht im Vordergrund, vielmehr mussten diese Kinder, wenn sie
das entsprechende Alter hatten, die
ihnen gewährte Unterkunft, Kleidung
und Nahrung abarbeiten. Die Kinder
waren vielfach eine willkommene zusätzliche Arbeitskraft. Die Kindersterblichkeit lag bei 60-80 %.
Auch damals noch ging es den
Annehmenden in erster Linie um einen Erben, so dass Findelkinder und
besonders nichteheliche Kinder dafür
ohnehin nicht in Frage kamen, da sie
ja mit einem Makel behaftet waren.
Der Schutzgedanke für allein stehende Kinder wird erst mit der Einführung
des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896
berücksichtigt, das die Adoption in
Deutschland erstmals einheitlich regelte. Ursprünglich sollte die Adoption
nach dem bereits bekannten Interessenprinzip der Annehmenden nur für
Volljährige gelten, aber der Idee, dass
durch die Adoption die Erziehung und
Versorgung für elternlose Kinder sichergestellt war, setzte sich durch. Die
Adoption wurde zu einem Mittel der
Fürsorge für verlassene und uneheliche
Kinder. Auch wenn es in dem neuen
Gesetz „Annahme an Kindes Statt“ hieß,
konnte sich ein Eltern-Kind-Verhältnis
in der Praxis nur bedingt entwickeln.
Die
Adoptierenden
mussten
mindestens 50 Jahre – und bis 1950 –
auch kinderlos sein. Erst 1961 wurde
das Alter auf 35 Jahre herabgesetzt,
und erst ab 1973 durften bereits 25jährige adoptieren.
Die Einführung von Adoptionsgesetzten wurde durch Vorbehalte und
Interessen vermögender Schichten lange verhindert, denn ihr Erbe sollte nur
in die Hände von Blutsverwandten
übergehen. So konnten Adoptivkinder
bis 1949 nicht von ihren Adoptiveltern erben. Bis 1977 konnte das Erbrecht auch im Adoptionsvertrag noch
ausgeschlossen werden.
Gesetzlich geregelt wurde die „Vermittlung der Annahme an Kindes Statt“
erstmals im Dritten Reich (April 1939)
4/02
zur Durchsetzung nationalsozialistischer Rassengrundsätze. Fortan durften nur noch staatliche oder staatlich
kontrollierte Stellen vermitteln. Bis
dahin nahmen sich Heimleiterinnen,
Ärzte oder Geistliche hin und wieder
alleinstehender Kinder an und vermittelten sie zu Paaren mit unerfülltem
Kinderwunsch. Bereits um 1900 gründeten einige konfessionelle Vereine
Adoptionsstellen mit dem Ziel, für die
ihnen anvertrauten, verlassenen Kinder
eine gute Versorgung und Erziehung
in Familien zu suchen, die gerne ein
Kind adoptieren wollten. Da ihnen
aber Fachkenntnisse und Erfahrungen
fehlten, scheiterten viele Adoptionen.
Besondere Standards für das eigentliche Vermittlungsverfahren gab es
nicht, auch keine Beratung und Unterstützung der Adoptiveltern. Die
Bedürfnisse der abgebenden, meist
alleinstehenden Mütter wurden von
den Vermittlern überhaupt nicht berücksichtigt.
Das Bundesgesetz über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt vom
März 1951 setzte das Gesetz von 1939
außer Kraft und machte die Vermittlung der Kindesannahme zur Aufgabe
der Jugendämter und Landesjugendämter. In Anerkennung ihrer erfolgreichen Arbeit gestattete es auch den
kirchlichen und anderen Wohlfahrts-
verbänden wieder die Adoptionsvermittlung. Das betraf auch die Fachverbände, die das Landesjugendamt
für geeignet hielt.
1967 unterzeichnete die Bundesregierung das europäische Adoptionsübereinkommen, das unter anderem die
Volladoption als Regel vorschrieb. Die
Ratifizierung erfolgte allerdings erst
1980. Eine sich daran anschließende
und viele Jahre dauernde Reformdiskussion fand in dem Adoptionsgesetz
von 1987 seinen Niederschlag. Dieses
Gesetz zur „Annahme als Kind“ stellte
das „Kindeswohl“ endgültig in den
Mittelpunkt und berücksichtigte nicht
mehr die Interessen der Annehmenden. Die wichtigsten Errungenschaften dieses Gesetzes, das bis auf wenige Änderungen auch noch heute
Gültigkeit besitzt, werden hier kurz
erwähnt:
– das Adoptivkind erhält seitdem die
volle rechtliche Gleichstellung mit
dem leiblichen Kind, sein Verwandtschaftsverhältnis zu den bisherigen
Verwandten erlischt
– die Adoption eines Kindes ist nur
dann zulässig, wenn sie auch zu seinem Wohl ist und ein Eltern-KindVerhältnis erwartet werden kann
– die Adoption ist gegen den Willen
der leiblichen Eltern des Kindes zulässig, und zwar dann, wenn das
Eine neue Zukunft mit neuen Eltern
5
Wohl des Kindes ohne die Adoption
gefährdet wäre.
Diese Gesetzesänderungen haben
die Adoption zur weitreichendsten
Jugendhilfemaßnahme für Kinder gemacht, deren eigene Eltern unfähig
oder nicht bereit sind, für sie zu sorgen. Dementsprechend suchen die
Fachkräfte der Adoptionsvermittlungsstellen heute auch im Rahmen der Hilfeplanung Eltern für Kinder, deren
ursprüngliche Eltern ihre Pflichten
nicht mehr wahrnehmen können und/
oder wollen.
In diesem kurzen Rückblick auf die
Entwicklung der Adoption von der
„Erbengewinnung“ zu einer „Fürsorgemaßnahme“, wurde nicht auf die Herkunftseltern des Kindes eingegangen.
Haben sich diese Mütter in der Vergangenheit eher versteckt, weil das
Fortgeben ihres Kindes in der Gesellschaft als „Schande“ angesehen wurde, machen sie inzwischen in zunehmendem Maße auf ihre besondere
Situation aufmerksam. Die Frauen weisen darauf hin, dass sie keine „Rabenmütter“ sind, weil sie ihr Kind zur Adoption gegeben haben, sondern dass
dies eine verantwortungsvolle Ent-
scheidung zum Wohl ihres Kindes war.
Damit diese Frauen besser mit der
nicht mehr rückgängig zu machenden
Entscheidung leben können, wäre eine
Veränderung des Inkognito im Interesse der Abgebenden wünschenswert,
die vielleicht in Form eines Austauschs
von Informationen und Fotos über die
Vermittlungsstelle erfolgen könnte.
Gemeint ist nicht der gegenseitige und
völlig offene Kontakt der beiden Elternpaare miteinander, denn es ist fraglich, ob das dem Kindeswohl dienen
würde.
In diesem Zusammenhang besteht
vielleicht auch Veränderungsbedarf bei
§ 1758 BGB, wonach es den Herkunftseltern untersagt ist, ohne Zustimmung
der Annehmenden und des Kindes zu
recherchieren. Nie mehr etwas über
ihre abgegebenen Kinder in Erfahrung
bringen zu können, hat für diese Menschen oftmals eine krankmachende
Wirkung.
Es wäre z.B. durchaus vorstellbar
und als Gesetzesänderung wünschenswert, dass auf die Zustimmung der Adoptiveltern verzichtet werden könnte,
wenn die Adoptierten bereits erwachsen sind.
Ein Anfang, auch die Interessen der
leiblichen Eltern des Kindes zu berücksichtigen, wurde in der Reform des
Kindschaftsrecht vom 1. Juli 1998 gemacht. War bei nicht ehelichen Kindern bis dahin nur die Einwilligung der
Mutter in die Adoption des Kindes erforderlich, so muss fortan auch der
Vater, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht, auch
der Annahme des Kindes zu den Adoptiveltern zustimmen.( Es gibt auch
keine nicht ehelichen Kinder mehr –
zumindest der Begriff wurde aus der
Gesetzgebung gelöscht.)
Zum Schluss noch ein Hinweis auf
die Haager Adoptionskonvention, eine
gesetzliche Regelung, die sicherstellen
soll, dass auch bei internationalen Adoptionen das Wohl des Kindes und
seine Rechte gewahrt bleiben. Welche
Auswirkungen dieses Gesetzeswerk
auch auf inländische Adoptionen und
die Arbeit der Zentralen Adoptionsstelle hat, erfahren Sie in dem nun folgenden Artikel.
Isolde Reimann, Landesjugendamt
Rheinland, [email protected]
Die Zentrale Adoptionsstelle
80 Jahre Adoptionsvermittlung im Landesjugendamt
Vor ziemlich fast genau 25 Jahren ist
in Deutschland das Adoptionsvermittlungsgesetz in Kraft getreten. Hiermit
wurden erstmals bundesweit die formalen und institutionellen Rahmenbedingungen für die Adoptionsvermittlung in kommunaler und freier
Trägerschaft festgelegt. Danach konnten die Landesjugendämter eine Zentrale Adoptionsstelle einrichten, um
somit die unterschiedlichen und vielfältigen Aufgaben im Bereich der Adoption auf überörtlicher Ebene wahrnehmen zu können.
Doch schon lange vor der Einführung des Adoptionsvermittlungsgesetzes wurden im Landschaftsverband
Rheinland – und sogar bereits bei dessen Vorgängerin, den Rheinprovinzen
– aktiv und intensiv adoptionsbedürftige Kinder in neue Familien vermittelt. Zu Beginn der 20er Jahre geschah
dies zunächst in der „Adoptionsabteilung des Vereins für Säuglingsfürsor-
6
ge und Wohlfahrtspflege im Regierungsbezirk
Düsseldorf“,
zwischenzeitlich auch in der „ReichsAdoptionsstelle; Dienststelle Rheinland“ und später in der „Zentralstelle
für Adoptionsvermittlung im Landesjugendamt der Rheinprovinz“.
Heute können wir somit auf eine
über 80 jährige Tradition aktiver Adoptionsvermittlung zurückblicken.
Auch wenn in dieser Zeit viele Mitarbeiterinnen (erst in jüngerer Zeit auch
Mitarbeiter!) in der Zentralen Adoptionsstelle arbeiteten, sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass von Anfang der
20er bis Mitte der 60er Jahre – unter
den jeweils verschiedenen Türschildern
– konstant eine einzige Person für die
Adoptionsvermittlung zuständig war.
Da diese Person weit über 40 Jahre das
Adoptionsgeschehen maßgeblich
prägte, sei es erlaubt, sie hier auch
namentlich zu erwähnen – und zwar
so, wie sie in den Akten immer wieder
Erwähnung findet: Fräulein Kattenbusch.
Fräulein Kattenbusch vermittelte in
ihrer Zeit mehrere hundert Kinder und
der daraus resultierende umfangreiche
Aktenbestand ist heute von enormem
historischen Wert. Noch größer ist der
Wert dieses Aktenbestandes aber für
die vielen Adoptierten, die sich erst
im hohen Alter auf die Suche nach ihren Wurzeln machen (wie vor kurzer
Zeit eine 80jährige Frau) und für die
jede Information, die zum Schließen
der oft großen Wissenslücken der Vergangenheit führt, von unschätzbarem
Wert ist.
Das zum 1.1.1977 in Kraft getretene Adoptionsvermittlungsgesetz gab
einer Zentralen Adoptionsstelle (nachfolgend ZA) in der Wahrnehmung der
Aufgaben einige Freiheiten, so dass
sich die Schwerpunkte bundesweit von
Landesjugendamt zu Landesjugendamt unterschiedlich gestalteten. Die
4/02
ZA Rheinland nutzte den bestehenden
Freiraum neben der Erfüllung der
Pflichtaufgaben, um – ganz in der Tradition von Fräulein Kattenbusch – die
konkrete Adoptionsvermittlung überregional für das gesamt Rheinland auszubauen.
Auch wenn bei dieser Arbeit die Interessen der zu vermittelnden Kinder
und die Belange der beteiligten aufnehmenden und abgebenden Familien im Mittelpunkt stehen, ist die
grundsätzliche Zielrichtung eine andere: Nämlich die Unterstützung der Jugendämter bei der Vermittlung allgemein als „schwer vermittelbar“
geltender Kinder. Diese oft nur schwierig zu vermittelnden Kinder sind zum
einen ältere, bereits schulpflichtige
Kinder, auch vielfach Geschwister, zum
anderen sind es körperlich und/oder
geistig Behinderte. Auch Säuglinge von
drogen- und alkoholabhängigen Eltern, deren Entwicklung nicht voraussagbar ist, gehörten in den letzten Jahren vermehrt zu der Gruppe der
schwer vermittelbaren Kinder, denen
sich die ZA angenommen hat.
Es liegt in der Natur der Sache, dass
die Vermittlung dieser Kinder einerseits
ein hohes fachliches Fundament benötigt und anderseits sehr zeitaufwändig
ist. Aus diesem Grund wurde das Angebot der ZA von Beginn an von den
Jugendämtern gerne angenommen.
Eines soll hier nicht verschwiegen
werden: Nicht jede Vermittlung hat
dauerhaften Bestand. Unabhängig
vom Alter des Kindes – also ebenso
bei Säuglingen wie bei älteren Kindern
– kann sich bereits nach kurzer Zeit,
manchmal auch erst nach Jahren, herausstellen, dass die neue Familie doch
nicht der richtige Ort für das Kind ist.
Kinder stellen sich als zu belastet dar,
(Adoptiv-) Eltern als zu wenig belastbar. Die Kinder erleben dann zum wiederholten Male, dass die Grundlage
ihrer Existenz – der Hort einer gesicherten Familie – zusammenbricht.
Diese Erfahrungen sind für alle Beteiligten, (Adoptiv-) Eltern wie Kinder,
ein traumatisches Erlebnis. Die Fachkraft der Adoptionsvermittlungsstelle
wird dieses Scheitern nicht von
vornherein verhindern können. Sie
wird jedoch durch eine sorgfältige
Auswahl der Bewerber und der Kinder
sowie eine intensive Beratung der Fa-
4/02
milie dazu beitragen können, dieses und z.B. zusätzlich zu BewerberüberRisiko zu minimieren.
prüfungen auch noch BetroffenenseDie Geschichte der Adoptionsver- minare abzuhalten. Soviel sei festgemittlung wurde und wird auch durch halten: In der Bewerberarbeit lernen
einen weiteren Umstand geprägt: zu wir unterschiedliche und manchmal
Zeiten von Fräulein Kattenbusch gab auch bedrückende Schicksale kennen.
es – natürlich auch bedingt durch die Für alle gilt, dass wir sie unter dem
wirtschaftlichen und politischen Ver- Gesichtpunkt betrachten, ob diese Behältnisse – wesentlich mehr adoptions- werber mit ihrer ganz speziellen Gebedürftige Kinder als Bewerber. Den schichte zu einem uns bekannten,
Wandel kann man gut verdeutlichen, ganz bestimmten Kind mit seinem
wenn man sieht, dass in den 50er Jah- ganz besondern Lebensschicksal und
ren der Begriff der Auslandsadoption Bedürfnissen zusammenpassen. Die Adeine völlig andere Bedeutung hatte, option soll primär eine Hilfe für das
als dies heute der Fall ist: Auslandsad- Kind sein und erst in zweiter Hinsicht
option stand damals nicht für die Ver- eine Hilfe für die Bewerber!
mittlung ausländischer Kinder zu deutWie bereits zuvor gesagt, gibt es
schen Bewerbern sondern für die heute wesentlich mehr Bewerber als
Vermittlung deutscher Kinder ins be- vermittlungsbedürftige (und vermittnachbarte Ausland bzw. vorzugsweise lungsfähige) Kinder. Anfang der 90er
in die USA.
Jahre erlebte die Zahl der Bewerber
Zugleich hat ein weiterer Wandel ihren Höhepunkt, als landesweit
die Adoptionslandschaft verändert. (NRW) für je ein zur Vermittlung anAufgabe der Adoptionsvermittlungs- stehendes Kind 24 Bewerber zur Verstellen ist die Suche nach Eltern für fügung standen. Die Zahl der BewerKinder – und nicht umgekehrt. Diese ber ist in den letzten Zehn Jahren
simple wie notwendige Priorität be- kontinuierlich zurückgegangen, so dass
dingt jedoch, dass wir uns eines in aktuell „nur“ noch 10 Bewerber für je
unserer Gesellschaft immer drängen- ein zur Vermittlung vorgemerktes Kind
deren Problems nicht
annehmen können:
Dem Problem der
immer größer werdenden Anzahl von
Paaren, die ungewollt
kinderlos sind. Auf
der einen Seite sind
dies die Menschen,
die unter den immer
mehr sich ausbreitenden sog. Fertilitätsproblemen leiden.
Auf der anderen Seite sind dies in der aktuellen Diskussion
auch die Paare, die
aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Beziehung keine (gemeinsamen) Kinder
zeugen können. In
der Bewerberarbeit
ist es zwar wichtig,
die hier begründeten
Konflikte und Lebenskrisen zu berücksichtigen – und doch, es
fehlt die Zeit, sich
diesen Problemen intensiver zu stellen Kinderlosigkeit: Das ist nicht seine Schuld
7
immer akuter wurden, verabschiedete die Haager Konferenz für internationales Privatrecht 1993 nach jahrelangem Ringen das „Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den
Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption“. Die dringende
Notwendigkeit dieser Haager Adoptionskonvention wird neben der eben
beschriebenen Problematik auch deutlich, wenn man sieht, dass kaum ein
anderes internationales Abkommen in
so kurzer Zeit von so vielen Staaten
ratifiziert, d.h., in innerstaatliches
Recht übernommen wurde.
Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der Konvention etwas mehr
Zeit gelassen, so dass sie erst zum 1.3.
diesen Jahres in Kraft treten konnte.
Zeitgleich wurde unser bestehendes
Adoptionsvermittlungsgesetz gründlichst novelliert sowie andere, umfangreiche Begleitgesetze zur Regelung internationaler Adoptionen verabschiedet. Hierauf soll im
Rahmen dieses Aufsatzes nicht im einzelnen eingegangen
werden, auch wenn
die Auseinandersetzung mit den neuen
gesetzlichen Vorgaben z.Zt. die Diskussion zur Adoption
beherrscht.
Unser neues Adoptionsrecht sorgt
jedoch dafür, dass
das gesamte Adoptionsgebiet, inhaltlich wie formal, auf
neue Beine gestellt
wird. Auch und gerade für die Zentrale Adoptionsstelle im
Landesjugendamt
Rheinland hat dies
weitreichende Folgen. Zusätzlich zu
den bisherigen Arbeitsschwerpunkten
–überregionale Adoptionsvermittlung
–Beratung der Jugendämter
in
schwierigen Einzelfällen und in rechtAdoption ist primär eine Hilfe für das Kind
lichen Fragen
zur Verfügung stehen. Die Bewerberzahl hat sich somit mehr als halbiert,
was nach Meinung des Verfassers nicht
zuletzt mit den zunehmenden Erfolgen
der Reproduktionsmedizin zu erklären
ist.
Wegen der trotzdem immer noch
geringen Erfolgsaussichten bei einer
Bewerbung um ein deutsches Kind,
bedeutet die Auslandsadoption für viele Bewerber die letzte Möglichkeit, ihre
Hoffnung auf Beendigung der kinderlosen Partnerschaft (oder auch des kinderlosen Single-Daseins) erfüllt zu bekommen. Die Auslandsadoptionen haben sich in den letzten Jahren aber vor
allem durch Negativ-Schlagzeilen ins
Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt:
Von der Adoption als neue Form des
Menschen- bzw. Kinderhandels bis hin
zur Adoption zum Zweck der Organentnahme – das Horrorszenario öffnete sich immer wieder aufs Neue. Weil
diese Gefahren – auch in den traditionellen Herkunftsländern der Kinder –
8
– Überprüfung der in Heimen untergebrachten Kinder auf ihre Adoptionsfähigkeit
– Stellungnahme gegenüber den Vormundschaftsgerichten im Rahmen
des Adoptionsverfahrens
– Fortbildung der Fachkräfte,
kommen durch die neuen Gesetze weitere Aufgaben hinzu. Die wesentlichen
Änderungen in Kürze:
– War die Einrichtung einer ZA bisher
eine freiwillige Leistung eines Landesjugendamtes, so ist sie nun zur
Pflichtaufgabe geworden.
– Der ZA obliegt im Rahmen der internationalen Adoptionen eine
weitaus größere Verantwortung als
bisher. Als „Zentrale Behörden“ im
Sinne der Haager Adoptionskonvention müssen sie jetzt neben ihren anderen umfangreichen Aufgaben
auch als Auslandsvermittlungsstelle
tätig werden.
– Die Adoptionsvermittlungsstelle eines freien Trägers musste bisher
durch die nach Landesrecht zuständige Stelle anerkannt werden. Eine
Aufsicht sah das Gesetz nicht vor.
Ab diesem Jahr unterliegen diese Vermittlungsstellen sowie die neu definierten Auslandsvermittlungsstellen
der Anerkennung und Aufsicht
durch die ZA.
Diese Gesetzesänderungen haben
dazu geführt, dass das Thema Auslandsadoption in absehbarer Zeit den
Großteil der personellen Kapazität der
ZA bindet. Es ist sicherlich nicht untertrieben, wenn hier festgestellt wird,
dass vor allem durch die Aufgabe,
selbst als Auslandsvermittlungsstelle
tätig zu werden, die Grenze der Belastbarkeit bereits überschritten wurde. Auch wenn jede umfangreiche
Gesetzesänderung für langfristige
Mehrarbeit sorgte, wird so schnell keine Alltagsroutine aufkommen.
Die Auslandsadoption wird somit
für die nächsten Jahre verstärkt im
Mittelpunkt unserer Arbeit stehen. Dies
verbinde ich aber mit der begründeten Zuversicht, dass auch die Sorge
um die in Deutschland lebenden adoptionsbedürftigen Kinder erneut einen Auftrieb erhält – auch Fräulein Kattenbusch würde es sicherlich
begrüßen.
Detlef Happ-Margotte,
Landesjugendamt Rheinland,
[email protected]
4/02
Ein Plädoyer für eine „offene Adoption“
Jedes Kind wird in ein bereits bestehendes Verwandtschaftsverhältnis hineingeboren. Es hat nicht nur einen
Vater oder eine Mutter, sondern Großeltern und Urgroßeltern mütterlicherseits wie auch väterlicherseits,
vielleicht Geschwister, Onkel, Tanten
usw. Es ist eingebettet in eine soziale
Vergangenheit und in eine Gegenwart.
Kann ein Kind von seinen leiblichen
Eltern nicht aufgezogen werden, dann
liegen immer schwerwiegende Gründe dafür vor. Falls auch Großeltern,
Onkel oder Tanten diese Aufgabe
nicht übernehmen können, wird mit
Hilfe von Fachleuten eine Alternative
für dieses Kind gesucht. Falls eine Pflegefamilie nicht in Betracht kommt,
wird nach einer geeigneten Adoptivfamilie Ausschau gehalten. Diese Eltern
bekommen die Aufgabe, das Kind in
ihrem Familienverband aufzunehmen
und für es zu sorgen. Dabei wird der
Aufbau einer tragfähigen, vertrauensvollen Beziehung maßgeblich dadurch
bestimmt sein, ob es ihnen möglich
sein wird, dem Kind den Blick auf seine leiblichen Eltern nicht zu versperren.
Adoptiveltern haben u.a. die Aufgabe, beim Kind Verständnis, und Emphatie für die Situation zu wecken, die
bei der leiblichen Mutter letztendlich
dazu geführt hat, ihr Kind zur Adoption zu geben. Dieses setzt bei ihnen
oft einen intensiven Prozess der Auseinandersetzung und der inneren Aussöhnung mit der „abgebenden Seite“
voraus.
Adoptiveltern, die dieses nicht wollen oder nicht können, müssen sich die
Frage stellen, ob sie das Kind nur zur
Befriedigung der eigenen Bedürfnisse
adoptieren wollen, ohne auf die Bedürfnisse des Kindes zu achten. Annehmende Eltern, die sich zur offenen
Adoption bekennen, haben das Kind
uns seine Interessen im Blickfeld. Sie
wollen dem Kind eine reale Chance
geben, indem sie ihm die Auseinandersetzung mit seinen Wurzeln ermöglichen. Auf diese Weise können sie sicher sein, dass ihr Adoptivkind ihnen
positive Gefühle entgegenbringen
wird, da es die leiblichen Eltern nicht
zu verachten braucht, sondern Verständnis dafür gewinnen konnte, was
4/02
die Mutter oder den Vater zur Adoptionsfreigabe veranlasst hat. Die offene
Adoption wird den neueren Erkenntnissen und den Ansätzen der Familienforschung gerecht. Nicht zuletzt haben
aber auch die negativen Erfahrungen
mit jahrelanger Inkognito-Adoption
deutlich gemacht, dass eine Veränderung im Bewusstein der Adoptionsvermittler, der Adoptivbewerber und
auch bei den leiblichen Eltern dringend
angeraten ist.
Die Beschäftigung der Medien mit
der Adoptionsproblematik hat viele
Betroffene dazu ermutigt, offen über
ihre Gefühle und Probleme zu sprechen. Adoptierte Erwachsene oder Jugendliche begeben sich auf die Suche
nach ihrer Herkunft. Mütter, die ihre
Kinder zur Adoption gegeben haben,
bekennen sich offen zu ihren oft traumatischen Lebensläufen. Die Adoptionsbewerber selbst halten nach intensiver Beratung und Eigenreflexion eine
offene Adoption für selbstverständlich.
Dabei hängt das Beratungsergebnis
zwangsläufig mit der Einstellung der
Adoptionsvermittler zusammen.
Die Rolle der Adoptionsfachkraft
Die Adoptionsfachkraft hat es in ihrer
Tätigkeit mit zwei Parteien zu tun, die
unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse an sie herantragen. Sie muss
die Mutter, die signalisiert, ihr Kind
zur Adoption geben zu wollen, kompetent beraten, um herauszufinden,
warum sie glaubt, ihr Kind nicht behalten zu können. Gemeinsam gilt es
zu prüfen, ob die angestrebte Lösung
wirklich die geeignete ist. Sie hat die
Aufgabe, mit Sach- und Fachkompetenz der Mutter die zur Verfügung stehenden Alternativen aufzuzeigen und
ihr den Zugang zu den verschiedensten Beratungsmöglichkeiten zu eröffnen, bevor der Adoptionsprozess eingeleitet werden kann.
Gleichfalls hat sie die Aufgabe, mit Eltern, deren größter Wunsch es ist, ein
Kind zu haben, umfassende Gespräche
über ihre Rolle als Adoptiveltern zu
führen. Sie hat sie für ein gemeinsamen Leben mit einem Adoptivkind
vorzubereiten und für dessen spezielle
Bedürfnisse zu sensibilisieren.
Letztendlich aber soll die Adoptions-
fachkraft zum Wohle eines zu vermittelnden Kindes die beste und richtige
Lösung herbeiführen. Jede zu beratende Partei erwartet von der Fachkraft,
dass sie sich neutral, fachkompetent
und offen der jeweiligen Situation stellt
und sich dabei nicht von Gefühlen
bestimmen oder von ihrer „Machtposition“ verleiten lässt. Um diese Aufgabe zu erfüllen, sind viele Gespräche
mit den am Adoptionsprozess Beteiligten nötig. Die inhaltliche Durchführung einer Adoption wird maßgeblich
davon beeinflusst, welches Familienbild
die jeweilige Fachkraft hat und welche Vorstellungen und Einstellungen
sie bezüglich einer Adoption mitbringt. Durch die veränderte Sichtweise in der Adoptionspraxis, die dazu
geführt hat, sich von der Inkognitovermittlung zu entfernen und den besseren Weg der offenen Adoption zu
gehen, werden die Erwartungen an die
Adoptionsfachkraft noch erhöht. Um
den fachlichen Ansprüchen gerecht zu
werden, wird sie sich einem intensiven Auseinandersetzung- und Fortbildungsprozess stellen müssen. Denn
nicht zuletzt hängt der „Erfolg“ einer
offenen Adoption auch von der qualifizierten und engagierten Beratung
durch die Adoptionsfachkraft und ihrer Erfahrung in der praktischen
Durchführung ab.
Was bedeutet offene Adoption
aus der Sicht der Mutter?
Mütter, die ihr Kind zur Adoption geben, werden in unserer Gesellschaft oft
als „Rabenmütter“ abgestempelt. Fast
niemand sieht die Not, aus der heraus
die Mütter ihr Kind zur Adoption geben möchten. Die Mütter sind nicht
die herzlosen, verantwortungslosen
Wesen, die aus Egoismus ihr Kind in
bessere Verhältnisse geben wollen.
Ganz andere Gründe spielen hier oft
eine Rolle:
– Hinauswurf aus der elterlichen Wohnung
– Verlassen vom Kindesvater
– finanzielle Schwierigkeiten
– Wohnungsnot
– falsche oder unterlassene Informationen von Seiten der verantwortlichen Stellen
u.a.
9
Oftmals wird den Müttern aufgezeigt, wie gut es ihr Kind in einer wohlhabenden, gebildeten Familie haben
wird, um ihr die Entscheidung leichter zu machen. Die Erfahrungen mit
den Müttern zeigen, dass diese sich
oft ihr ganzes Leben lang hilflos, wertlose, schlecht, depressiv fühlen und
ihre Schuldgefühle, ihr Kind verlassen
oder weggegeben zu haben, nicht
überwinden können. Oft ist eine lebenslange Suche nach ihrem Kind und
der damit verbundene Aktionismus
der einzige Weg, die Schuldgefühle zu
verdrängen oder für kurze Zeit zu vergessen. Aus Sicht der Mutter, die ihr
Kind zur Adoption gibt, ist es wichtig, dass sie weiß, in welcher Familie
ihr Kind aufwächst, welche Entwicklungsschritte es macht, wir ihr Kind
aussieht, kurzum: Dass sie weiß, ihrem
Kind geht es gut, und es kennt seine
Herkunft. Durch eine offene Adoption
hat die Mutter die Möglichkeit, ihr
Kind selbstbestimmt einer von ihr ausgewählten Familie anzuvertrauen und
folgendes Schicksal könnte ihr erspart
bleiben.
Frau X ist minderbegabt und hat eine
Hörstörung, kann jedoch in ungelernten
Berufen arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, um selbstständig
zu leben. Sie wohnt in einem kleinen Dörfchen, wo jeder jeden kennt und wo es evtl.
noch als Schande aufgefasst wird, ein
nichteheliches Kind zu haben. Die Eltern
der jungen Frau leben ebenfalls in dem
Dorf. Sie legen der jungen Frau eindringlich nahe, ja sie zwingen sie schon fast,
ihr Kind zur Adoption zu geben. Die Adoptionsvermittlerin hält es offenbar auch
für besser, wenn das Kind „rosigere Zukunftsaussichten“ hat und befürwortet
die Adoption. Außerdem kennt sie schon
nette Adoptivbewerber, die sie überprüft
hat und die als nächstes ein Kind bekommen sollen.
Das Kind wird inkognito adoptiert. Frau
X kommt über diesen Verlust nicht hinweg. Sie möchte wissen, wie es ihrem Kind
geht, wie es aussieht. Sie hat Schuldgefühle, weil sie nicht weiß, ob es ihrem Kind
gut geht, ob sie alles richtig gemacht hat
und möchte ihr Kind wiederhaben. Sie
vertraut auch der Adoptionsvermittlerin
nicht, die sie bezüglich des Wohlergehens
des Kindes beruhigen möchte. Frau X hält
nur noch Zwiesprache mit Gott als einer
Instanz, der man vertrauen kann und
hofft, dass er alles überwacht und richtig
macht.
Sie schreibt Briefe an ihr Kind, um ihr Problem dadurch etwas zu verarbeiten.
Schließlich wird sie depressiv. Frau X wäre
zufrieden gewesen, wenn sie über die Ad-
optiveltern erfahren hätte, dass es ihrem
Kind gut geht.
Wenn mit der Mutter der Weg der
offenen Adoption beschritten wird,
dann bedeutet das vor allen Dingen,
dass sie sich in ihren Gefühlen ernstgenommen fühlt. Auch wenn ihr zu
diesem Zeitpunkt das ganze Ausmaß
des Geschehens noch nicht gegenwärtig sein kann, so weiß sie, dass sie von
Fachleuten unterstützt wird, die über
jahrelange Erfahrung mit dieser Problematik verfügen. Dabei kann die offene Adoption verschiedene Gesichter
haben und sollte individuell umgesetzt
werden.
– Sie kann so aussehen, dass eine Mutter die Möglichkeit erhält, aktiv an
der Auswahl der Adoptionsfamilie
beteiligt zu sein.
– Sie könnte bereits vor der Geburt
ihres Kindes die Familie kennenlernen, um für sich zu klären, ob sie
diesem Ehepaar vertrauensvoll ihr
Kind überlassen kann.
– Die leibliche Mutter könnte in direktem Kontakt besprechen, wie sie
sich in den nächsten Jahren einen
Informationsaustausch wünschen
würde.
– Sie könnte offen die Möglichkeit eines späteren persönlichen Kennenlernens ansprechen.
Falls der Mutter diese Form der
Herangehensweise zu belastend wäre,
könnte die Adoptionsvermittlungsstelle
die Klärung dieser Fragen übernehmen. Dieses würde dann bedeuten,
dass gegenseitige Informationen in
regelmäßigen Abständen über die Vermittlungsstelle als Knotenpunkt laufen
könnten.
Mütter, die durch die Offenheit im
Adoptionsverhältnis genau wissen, wie
sich ihr Kind entwickelt, wie es aussieht, ob es gesund ist, ob es ihm gut
geht, müssen sich nicht mit belastenden Phantasien herumquälen. Sie haben die Möglichkeiten, diese schwerwiegende, verantwortungsvolle
Entscheidung zu verarbeiten und erhalten dadurch die reale Chance für
einen neuen Anfang.
Irgendwann wird die Frage nach den leiblichen Eltern auftauchen
10
Was bedeutet die offene
Adoption aus der Sicht des
Kindes?
Um die Situation möglichst transparent zu machen, möchten wir hier die
4/02
Situation einer Familie schildern, die
drei Kinder adoptiert hat.
Sven und Timo wurden bereits im Säuglingsalter adoptiert. Sie sind mittlerweile
11 und 9 Jahre alt. Nadine, die als Pflegekind in die Familie kam, wurde erst vor
einem Jahr adoptiert, da die leibliche
Mutter erst dann die Einwilligung gab.
Nadine ist heute 6 Jahre alt.
Für Nadine, die von Beginn an einen losen Kontakt zur Mutter hatte,
gelegentlich von ihr besucht wurde,
zu Geburtstagen oder anderen Festtagen Briefe oder Geschenke entgegennehmen konnte, gestaltete sich die
Adoption problemlos. Sie freute sich
sehr darüber, nun denselben Status wie
ihre Brüder zu haben. Sie hatte nun
erst das Gefühl, ganz richtig zur Familie zu gehören. Ansonsten änderte
sich an ihrer Situation gar nichts. Die
leibliche Mutter ruft in regelmäßigen
Abständen an, fragt nach ihrer Entwicklung, lässt sich Bilder schicken und
erzählt auch, wie es ihr beruflich und
privat geht. Ihre Adoptiveltern besprechen offen mit ihr alle Fragen und bringen der leiblichen Mutter viel Empathie entgegen.
Svens Mutter, die vor 11 Jahren ihren Sohn zur Adoption gegeben hatte, hatte bereits damals von den Adoptionsvermittlern die Erlaubnis
erhalten, über das zuständige Jugendamt jederzeit nach ihrem Kind fragen
zu können. Dieses war auch mit der
Adoptivfamilie abgesprochen. Jahrelang machte sie davon keinen Gebrauch. Erst als ihre persönliche Situation sich zunehmend stabilisierte, sie
einen zuverlässigen Partner hatte und
wieder schwanger wurde, fasste sie den
Mut, Kontakt zum Jugendamt aufzunehmen und nach ihrem leiblichen
Kind zu fragen. Sie wollte wissen, ob
es gesund ist, in der Schule gut mitkommt, musikalisch ist und Geschwister hat. Ganz besonders interessierte
sie die Frage, ob sich Sven denn
manchmal auch nach ihr erkundigen
würde.
Die Adoptionsvermittlerin nahm mit
den Adoptiveltern Kontakt auf und
berichtete von der Nachfrage. Wenige Tage später erschien die Adoptivmutter im Jugendamt und erzählte, dass ihr Adoptivsohn Sven sich
wahnsinnig über das plötzliche Auftau4/02
chen seiner leiblichen Mutter gefreut
habe. Er habe sofort die schönsten Bilder von sich herausgesucht. Seine Adoptivmutter hatte eine ganze Liste von
Fragen mitgebracht, die Sven seinerseits
gerne von seiner Mutter beantwortet
haben wollte. Dabei spielte vor allem
auch die Frage nach seinem leiblichen
Vater eine große Rolle.
Die Adoptivmutter war sehr froh über
den zustande gekommenen Kontakt und
hatte ihrerseits die Hoffnung, dass der
im Interesse des Kindes aufrecht erhalten bleiben möge. Für ihren anderen
Adoptivsohn Timo war das plötzliche
Auftauchen von Svens Mutter ein arger
Schock. Timo, der eher verschlossen und
introvertiert ist, reagierte darauf mit
heftigen Alpträumen. In seiner Phantasie hatte er keine „richtigen“ Eltern und
hatte die schlimmsten Vermutungen bezüglich seiner Abstammung. Einfühlsame Gespräche konnten ihn nicht erreichen.
Bisher haben die Adoptiveltern keine
genaue Information über Timos Herkunftsfamilie. Doch sie sind engagiert
dabei, seine Familie ausfindig zu machen.
Dieser Fall macht deutlich, dass sich jedes Kind, auch wenn es nicht mit anderen darüber spricht, damit auseinandersetzt, woher es abstammt. Es möchte
wissen, ob es seiner Mutter oder seinem
Vater ähnlich sieht; es möchte verstehen
und begreifen, warum es seine leiblichen
Eltern nicht aufziehen konnten. Jedes
Kind möchte die damit verbundenen
Kränkungen und die Angst, dass mit ihm
etwas nicht stimmen könnte, es vielleicht
nicht liebenswert sei, abschütteln, um
seinen inneren Frieden zu gewinnen. Erst
dann hat es die Möglichkeit, sich voll in
seine Adoptivfamilie zu integrieren.
Wenn durch die offene Form der Adoption von vornherein die Weichen gestellt
sind, dass die leibliche Mutter sich nach
dem Befinden ihres Kindes erkundigen
darf, so wird sich das positiv auf seine
Entwicklung auswirken.
Das Kind muss sich nicht mehr abgeschoben und minderwertig fühlen und
begreift eventuell, warum die Mutter es
fortgegeben hat. Es erfährt die Begleitung seiner leiblichen Mutter und kann
an dieser Anteilnahme wachsen. Es fühlt
sich nicht verstoßen, sondern es wird
vertrauensvoll in die Hände seiner sozialen Eltern gegeben. Es bekommt die
Chance, sich mit seiner realen Situation
auseinanderzusetzen und als Kind in ei-
ner Familie mit Vater und Mutter
groß zu werden, ohne seine biologische Abstammung verdrängen zu
müssen.
Die offene Adoption aus der
Sicht der Adoptivfamilie
Eine Adoptivfamilie, die sich mit der
Form der offenen Adoption auseinandergesetzt hat und voll dahintersteht, hat den ersten Schritt für ihr
Gelingen gemacht. Sie wird es nicht
mehr nötig haben, sich und dem
Kind beweisen zu müssen, dass sie
die besseren Eltern sind. Sie wissen,
dass sie die Liebe des Kindes am
besten gewinnen werden, wenn sie
seine Vergangenheit nicht zuschütten, sondern gemeinsam und unterstützend seine Herkunftsgeschichte
annehmen. Sie haben den Vorteil,
dass sie durch die gemeinsame Absprache, die sie zu Beginn der Adoption getroffen haben, gar nicht
erst in Versuchung kommen, dem
Kind etwas übers eine leiblichen Eltern vorzuenthalten.
Die Weichen wurden von Anfang
an gestellt. Sie brauchen nicht – wie
viele andere Adoptiveltern vor ihnen
– in der ständigen Angst zu leben,
dass das Kind herausfinden könnte,
dass sie nicht die leiblichen Eltern
sind, und sie brauchen auch keine
Befürchtungen zu haben, dass die
leiblichen Eltern sich irgendwann auf
die Suche machen, um den Aufenthaltsort ihres Kindes in Erfahrung zu
bringen. Außerdem muss sich ihr Gewissen nicht damit herumplagen,
dass irgendwann der Zeitpunkt
kommen wird, wo sie dem Kind gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, warum sie ihm seine Adoption
verschwiegen haben.
Adoptiveltern, die einer offenen
Adoption zugestimmt haben, können das gemeinsame Leben mit dem
Kind ohne Schuldgefühle genießen.
Der Artikel ist zuerst erschienen in:
Günter Smentek (Hrsg.): Die leiblichen Eltern im Adoptonsprozess –
verändert sich die Adoptionspraxis?
Schulz-Kirchner Verlag, Idstein 1998
ISBN 3-8248-0168-X
Gabriele Betsch, Heidrun Opländer,
Jugendamt Marburg, Friedrichstr. 36,
35037 Marburg
11
Bewältigung der Adoption aus der Sicht
einer leiblichen Mutter
Viele Frauen, die ich durch unser bundesweites Netzwerk leiblicher Eltern
kenne, würden zu dem von mir genannten Titel sagen: „Nein, dies ist
nicht zu bewältigen – nie“. Dahinter
verbergen sich die schmerzlichen Erfahrungen vieler Jahre. Es sind Erfahrungen vieler Jahre. Es sind Erfahrungen von Tränen, Zusammenbrüchen,
Sehnsucht. Und dies sowohl an Weihnachten, am Muttertag oder bei der
Geburt des Kindes unserer Freundin.
Schmerzhafte Gefühle, die uns über
die Jahre begleiten – und oft auch
dann nicht verschwinden, wenn wir
mit den inzwischen erwachsenen Kindern wieder Kontakt und im glücklichsten Falle sogar eine herzliche Beziehung haben.
Die freiwillige, aber auch die unfreiwillige Entscheidung zu einer Adoption ist immer eine Entscheidung der
Trennung vom Kind. Sie bedeutet eine
Trennung von einem Wesen, das neun
Monate in uns heranwuchs, um dessen Zukunft wir uns zumeist unglaublich viele Sorgen gemacht haben und
zu dem wir meist doch eine innige
Beziehung entwickelt haben, da wir oft
und viel über eine gemeinsame Zukunft bangten. Dieses Kind ist wichtig
für uns. Eine Trennung ist also immer
ein Verlust. Mit diesem Verlust sind wir
allerdings nach der Trennung zumeist
allein. Die allermeisten bekamen nie
das Angebot der Aufarbeitung von
ihren Adoptivvermittlungen gemacht,
auch keine Hinweise, wohin wir uns mit
unseren Ängsten und Problemen wenden können. Wir bekamen meist nicht
einmal den Hinweis, dass es einer Aufarbeitung, einer Begleitung bedarf.
Unser Partner, wenn wir nicht schon
längst keinen Kontakt mehr zu ihm
haben, will meist nichts von diesem
Schmerz hören, ihn nicht teilen. Unsere Familien noch viel weniger. Die Adoption ist meist – ähnlich eines Alkoholproblems oder einer psychischen
Krankheit – ein wohlgehütetes Familiengeheimnis, und es ist tabu, daran
zu rühren. Unverständnis und Diskriminierung erfahren wir dann auch oft
bei Freundinnen – oder KollegInnen,
wenn wir es dann wagen, es zu erzählen. Jahrelange Einsamkeit mit diesem
Thema bedeutet zumeist ein Sich-Im
Kreise-Drehen, ein Nicht-MehrVorwärts-Kommen – von Psychologen
auch chronische Trauer genannt.
Allerdings haben sehr viele von uns sich
deshalb auch therapeutische Hilfe geholt; meist ist es nicht bei einer Therapie geblieben, oft schienen die TherapeutInnen auch nicht so recht zu
wissen ...
Trennung, die ein Verlust ist, ist mit
Trauer verbunden. Trauer, die um so
schwieriger ist, als es kein endgültiger
Verlust wie der Tod eines Kindes ist. Es
besteht die Möglichkeit, dem erwachsen gewordenen Kind irgendwann
wieder zu begegnen. Aber bislang
dürften die wenigsten von uns trauern. Schon im Krankenhaus nach der
Geburt gibt es keinen Raum, keine
Akzeptanz für einen angemessenen
Abschied. Viele von uns verdrängen
den Schmerz des Verlusts für lange
Zeit, manchmal für Jahre, aber irgendwann lässt er sich nicht mehr verdrängen und verlässt uns dann meist auch
nicht mehr. Oft kommen der Schmerz,
die Trauer und die damit verbundenen Phasen des Leugnens, der Wut ...
in Wellen, gehen wieder, um zu einem
anderen Zeitpunkt wiederzukommen.
Was uns u.a. hilft, ist, nicht mehr alleine damit zu sein, Austausch mit anderen Betroffenen – vielleicht einer Grup-
Bücher, die Sie weiterbringen
Die leiblichen Eltern im Adoptionsprozeß –
verändert sich die Adoptionspraxis?
Fachleute und betroffene Väter/Mütter berichten
Günter Smentek (Hrsg.)
88 Seiten, 1. Auflage,
Idstein 1998
ISBN 3-8248-0168-X,
kartoniert
€ 11,25 [D] / sFr 20,00
www.schulz-kirchner.de
12
Die Beiträge zeigen in anschaulicher Weise die Vielschichtigkeit der Adoptionsproblematik. Sie deuten auf einen sich abzeichnenden Prozeß hin, der Mütter/
Eltern, die ihr Kind zur Adoption gegeben haben, von dem noch immer
vorherrschenden Klischee der „Rabenmütter“ befreit. Anliegen dieses Buches ist
u.a., Einstellungsänderungen zu bewirken. Es soll Verständnis dafür wecken, daß
Transparenz, Offenheit und Zusammenarbeit in der Adoptionsvermittlungspraxis
für die am Adoptionsprozeß Beteiligten entlastend ist.
Über den Buchhandel erhältlich oder direkt bei der
Schulz-Kirchner Verlag GmbH, Postfach 9, 65505 Idstein
Tel.: 0 61 26 / 93 20 - 0, Fax: 0 61 26 / 93 20 - 50
E-Mail: [email protected]
4/02
pe zu haben – von Sheila, der nationalen Koordinatorin des englischen
Vereins für leibliche Eltern, NPN, einer
älteren Frau, die ihren Sohn schon lange wiedergefunden und eine liebevolle Beziehung zu ihm pflegt, erfuhr ich,
dass die Trauer und der Schmerz nicht
aufhören. Es würde anders, manchmal
leichter, aber es bliebe – wie Phantomschmerzen an den Narben nach einer
Amputation. Die Briefe aus allen Altersgruppen, auch von über 70jährigen an uns, bestätigen das. Vielleicht
ist es ein Stück weit der Prozess des
Loslassens, den alle Eltern durchlaufen,
wenn die Kinder größer, älter und irgendwann erwachsen werden. Ein Prozess, der wohl nie einfach ist. Für uns
um so schwieriger, weil unsere Kinder
für uns nicht präsent sind. Sie leben in
unserer Phantasie, in unseren Ängsten
um sie, in unserer Sehnsucht, in unse-
ren Zweifeln an unserer Entscheidung.
Kinder, die älter werden, loszulassen,
wenn wir sie nicht einmal real erleben,
ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Deshalb wird der Schmerz um
die nie erlebten Freuden des Stillens,
der ersten Worte, des ersten Schultages, des sonnigen Lächelns und der
Liebe von kleinen Kindern, der Freude
an ihren Erfolgen oder einfach an ihrem So-Sein schwierig zu bewältigen
bleiben.
Wir können niemandem Vorwürfe
über die bisher versäumten Hilfestellungen machen. Auf diesem Gebiet
wurde bislang zu wenig erforscht,
bzw. gemeinsam erarbeitet und auch
die gesellschaftliche Entwicklung hat
noch nicht mehr zugelassen. Für die
Zukunft könnte und sollte es allerdings
Veränderungen geben. In England und
Australien hat die Bewegung der leib-
lichen Mütter inzwischen zu einer Bewusstseinsveränderung und zu besonderen Angeboten in Form von Beratungsstellen geführt. Es wurde auch
schnell deutlich, dass ein solches Angebot nicht von AdoptionsvermittlerInnen, sondern bei einer unabhängigen Stelle angesiedelt werden sollte,
so dass sich ungetrübtes Vertrauen
entwickeln kann. Dort arbeiten zudem
überwiegend Betroffene, die dazu
durch Weiterbildung befähigt wurden.
Der Artikel ist zuerst erschienen in:
Günter Smentek (Hrsg.): Die leiblichen
Eltern im Adoptionsprozess – verändert
sich die Adoptionspraxis? SchulzKirchner Verlag, Idstein 1998, ISBN 38248-0168-X
Elke Lehnst, E-Mail: [email protected]
Auslandsadoptionsvermittlung durch
den Evangelischen Verein
Die Aufgaben der
Auslandsadoptionsvermittlungsstelle
Seit 1991 ist der Evangelische Verein
für Adoptions- und Pflegekindervermittlung Rheinland e. V. auch als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle tätig.
Zum damaligen Zeitpunkt gab es viele Auslandsadoptionen, die nicht seriös durchgeführt wurden. Insbesondere
verhielten sich ungewollt kinderlose
Paare, die unter ihrer Situation sehr
litten und befürchteten, in Deutschland keine Adoptionschancen zu haben, sehr unkritisch und adoptierten
auf privatem Weg Kinder aus dem
Ausland. Häufig gerieten sie an die falschen Ansprechpartner, die die Not der
sozial benachteiligten Kinder in ihrem
Land und die Not der kinderlosen Paare ausnutzten, um im wörtlichem Sinne daraus Kapital zu schlagen. Der Kinderhandel im Zusammenhang mit
internationaler Adoptionsvermittlung
nahm weltweit erschreckend zu.
Adoptionsbewerber, die sich an Kinderhandel nicht beteiligen und mit
besten Absichten ein Kind aus dem
Ausland adoptieren wollten – und auch
verantwortliche Stellen im Ausland, die
gerne Kinder an geeignete deutsche
Adoptionsbewerber vermittelt hätten
4/02
– hatten in Deutschland zu wenige
kompetente Ansprechpartner, an die
sie sich hätten wenden können. Damals
waren nur der Internationale Sozialdienst in Frankfurt, Eltern für Kinder
e. V., Pro Infante e. V. und terre des
hommes anerkannte Auslandsadoptionsvermittlungsstellen. Aus den genannten Gründen bat die damalige
Bundesregierung die Evangelische und
die Katholische Kirche, ihre langjährige Erfahrung in der Adoptions- und
Pflegekindervermittlung zu nutzen
und Auslandsadoptionsvermittlungsstellen einzurichten. Beide Kirchen
folgten dieser Bitte: Im Auftrag des
Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland wurde
der „Zentrale evangelische Fachdienst
für interstaatliche Adoptionsvermittlung“ beim Evangelischen Verein eingerichtet, u. a. deshalb, weil der Evangelische Verein bereits nach dem 2.
Weltkrieg als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle tätig war. Damals konnte man nicht genügend Adoptiveltern
für deutsche Kinder finden und der
Evangelische Verein vermittelte deutsche Kinder ins Ausland.
Heute geht es bei Auslandsadoptionen vorrangig darum, für Kinder, die
in ihrem Heimatland nicht in ihren
Herkunftsfamilien aufwachsen und
auch sonst nicht angemessen versorgt
werden können, geeignete Eltern in
Deutschland zu finden.
Von Anfang an hat der Evangelische
Verein seine wesentliche Aufgabe als
Auslandsadoptionsvermittlungsstelle
darin gesehen, Anwaltsfunktion für die
betroffenen Kinder zu übernehmen
und sich nur in diesem Sinne als Bindeglied zwischen den Adoptionsbewerbern mit Wohnsitz in Deutschland
und den zuständigen Stellen im Ausland zur Verfügung zu stellen.
Aus dem Ziel, Auslandsadoptionsvermittlungen nur zum Wohl der betroffenen Kinder durchzuführen, ergeben sich für den Evangelischen Verein
folgende Aufgaben:
– Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss ihre ausländischen Kooperationspartner sorgfältig wählen.
Sie darf sich nur dann für die Zusammenarbeit mit der ausländischen
Stelle entscheiden, wenn sie der Auffassung ist, dass mit diesem Kooperationspartner ein seriöses Adoptionsverfahren durchgeführt werden
kann. Sie muss sich im weiteren Verlauf immer wieder erneut davon
13
überzeugen, ob diese Voraussetzungen noch gegeben sind.
– Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss sich vor Ort genau über
die Situation der betroffenen Kinder
informieren, um künftige Adoptiveltern entsprechend beraten und
auswählen zu können.
– Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss die Adoptionsbewerber
ausführlich über die Lebenssituation der Kinder und ihre Bedürfnisse
informieren und deutlich auf die damit verbundenen Belastungen und
Risiken hinweisen.
– Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss die künftigen Adoptiveltern sorgfältig überprüfen und sie
auf die besonderen Rahmenbedingungen einer Auslandsadoption vorbereiten. Sie kann nur dann Adoptionsanträge an ihre ausländischen
Kooperationspartner weiterleiten,
wenn sie von der Eignung der Adoptionsbewerber zweifelsfrei überzeugt ist und sie als geeignete Adoptiveltern empfehlen kann. Zur
Erfüllung dieser Aufgabe braucht
die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle die Unterstützung der in
Deutschland jeweils örtlich zuständigen Adoptionsdienste. Örtlich zuständig sind die Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter und –
soweit vorhanden – die Adoptionsvermittlungsdienste in Trägerschaft
von Diakonie, Sozialdienst Katholischer Frauen und Caritas. Diese örtlichen Adoptionsvermittlungsstellen
leisten Vorarbeit, indem sie die allgemeine Eignung der Adoptionsbewerber prüfen. Die Prüfung der speziellen Eignung bezogen auf die
Adoption eines Kindes aus einem
bestimmten Land ist Aufgabe der
Auslandsadoptionsvermittlungsstelle, die nur sie auf der Grundlage
ihrer speziellen Kenntnisse erfüllen
kann.
– Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss die nachgehende Begleitung und Beratung der Adoptivfamilien langfristig sicherstellen und
dabei mit örtlichen Diensten und anderen Stellen, die Adoptivfamilien
unterstützen können, kooperieren.
Die seit 2002 geltenden Gesetze,
Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz (AdÜbAG), das geänderte Adoptionsvermittlungsgesetz
(AdVermiG) und das Adoptionswirkungsgesetz (AdWirG) bilden einen
guten Rahmen für die verbesserte Zusammenarbeit der verschiedenen Stellen in Deutschland. Ob damit die
Qualität der Auslandsadoptionsvermittlung im Interesse der betroffenen
Kinder steigt, bleibt jedoch noch abzuwarten. Zur Erreichung dieses Zieles kommt es maßgeblich darauf an,
ob die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle ihre Kooperationsaufgaben gut
erfüllt.
Der Ablauf
einer Auslandsadoptionsvermittlung
Neue Sichtweisen bewirken Veränderungen
14
Informationsphase
Die Vorstellungen
vieler Bewerber
stimmen mit den
realen Gegebenheiten nicht überein. Deshalb ist
die Information
der
Bewerber
über die tatsächlichen Verhältnisse
notwendig.
Der Evangelische Verein informiert Adoptionsbewerber telefonisch, schriftlich,
durch seinen Beitrag im Internet,
durch die Herausgabe von Fachbüchern („Wittlaerer Reihe“) zum Thema Adoption und durch die Veranstaltung von Informationstagen.
Beratungsphase mit dem Ziel, die
Selbstprüfung der Bewerber zu
fördern
Nach Auffassung des Evangelischen
Vereines kommt es vor allem darauf
an, dass Adoptionsbewerberpaare sich
selbst prüfen, ob sie geeignete Adoptiveltern sein können. Seine Aufgabe
sieht der Evangelische Verein darin,
diesen Selbstprüfungsprozess anzuregen, zu unterstützen und zu begleiten. Alle Adoptionsbewerber erhalten
die Möglichkeit, sich mit erfahrenen
Adoptiveltern auszutauschen. Diese
erfahrenen Adoptiveltern werden als
„Kontakteltern“ bezeichnet. Die Kontakteltern sind Mitglieder des Vereins
„kinder unserer welt e. V“, der den
Evangelischen Verein in der vorausgehenden Beratung von Adoptionsbewerbern und in der nachgehenden Beratung und Begleitung von
Adoptivfamilien unterstützt. Die Kontakteltern informieren in einem oder
mehreren Gesprächen über die besondere Problematik der Annahme eines
fremdländischen Kindes, über ihre persönliche Erfahrung und die Risiken und
Belastungen, mit denen man sich
gründlich auseinandersetzen muss. Sie
geben den Bewerbern einen ersten
Eindruck von einer Familie mit ausländischen Adoptivkindern und informieren auch über ihre eigene Aufgabe
und die der beiden Vereine in der
Nachbetreuung. Die Kontakteltern
haben nicht die Aufgabe, die Eignung
der Adoptionsbewerber zu prüfen.
Die Beratung durch Kontakteltern
ist ein wichtiger und unverzichtbarer
Bestandteil unseres Verfahrens. Die
Kontakteltern überreichen das Antragsformular, mit dem sich die Adoptionsbewerber um die Adoption eines fremdländischen Kindes bewerben
können.
Erst mit Eingang dieses Antrages
betrachtet der Evangelische Verein die
Adoptionsbewerbung als verbindlich.
Das Eingangsdatum des Antrages bestimmt den Platz der Adoptionsbewerber auf der „Warteliste“.
Grundsätzlich orientiert sich der
Evangelische Verein bei der Auswahl
der Adoptiveltern an den Bedürfnis4/02
sen der Kinder und nicht an der Warteliste. Im Rahmen der Auslandsadoptionsvermittlung ist die Warteliste ein
Hilfsmittel. Um den Kindern unnötige
Wartezeiten zu ersparen, ist es sinnvoll, dass den ausländischen Kooperationspartnern eine gewisse Anzahl von
Adoptionsanträgen vorliegt, deren
Vorgaben erfahrungsgemäß dem Bedarf der zu vermittelnden Kinder entsprechen. Die Adoptionsanträge der
Bewerber werden schon vorab bei den
zuständigen Stellen im Ausland eingereicht.
Beratungsphase mit dem Ziel,
die spezielle Eignung der
Bewerber zu prüfen
Aufgrund des großen Einzugsgebietes
kann der Evangelische Verein die Prüfung der allgemeinen Eignung zur
Adoption in der Regel nicht selbst vornehmen.
Die spezielle Eignung für die Adoption eines Kindes aus Äthiopien und
Südafrika wird vom Evangelischen Verein geprüft. Hierzu finden mindestens
zwei Beratungsgespräche statt. Bei
Bedarf werden psychologische oder
ärztliche Gutachten in Auftrag gegeben.
Inhalt dieser Gespräche ist der persönliche Lebenshintergrund und die
aktuelle Lebenssituation der Bewerber,
ihre Motive zur Adoption, ihre Vorstellungen vom Adoptivkind und die Möglichkeiten, die sie einem Kind bieten
können. Die Bewerber erhalten umfangreiche Informationen über die Kinder aus dem Ausland, für die neue Eltern gesucht werden und über die allgemeine Lebenssituation dieser Kinder
im Ausland. Sie werden insbesondere
über Risiken und mögliche Belastungen informiert sowie über das ausländische Adoptionsverfahren und den
konkreten Ablauf der internationalen
Adoptionsvermittlung. Die Fachkräfte
versuchen in diesem Beratungs-/Überprüfungsprozess, der in allen Phasen
transparent gestaltet wird, ein
möglichst genaues Bild von der persönlichen Eignung der Bewerber zu
erhalten.
Die endgültige Entscheidung über
die Eignung der Adoptionsbewerber
trifft die für die Beratung zuständige
Fachkraft nicht alleine. Die Entscheidung wird nach ausführlicher Erörterung aller relevanten Sachverhalte von
4/02
den Fachkräften des Evangelischen
Vereins gemeinsam getroffen.
Vorbereitung der künftigen
Adoptiveltern auf die Annahme
des Kindes
Im Rahmen der Auslandsadoption ist
die Vorbereitung auf die Aufnahme
eines bestimmten Kindes nicht möglich. Es findet im Rahmen des gesamten Überprüfungsprozesses eine allgemeine Vorbereitung auf die Aufnahme
eines Kindes aus den Ländern, mit denen der Evangelische Verein zusammenarbeitet, statt. Die Kontakteltern
von „kinder unserer welt e. V.“ stehen
den künftigen Adoptiveltern in dieser
Phase ebenfalls als Ansprechpartner
mit ihren persönlichen Erfahrungen zur
Verfügung.
Erster Kontakt mit dem Kind und
Aufnahme des Kindes
Die ausländischen Kooperationspartner
informieren den Evangelischen Verein
über das Kind, für das Adoptiveltern
gesucht werden. Gemeinsam mit seinem ausländischen Kooperationspartner entscheidet er, welche Adoptionsbewerber für dieses Kind in Frage
kommen und informiert dieses Paar.
Sobald er die Adoptionsbewerber informiert und beraten hat, diese zugestimmt haben und auch der örtliche
Adoptionsdienst und das zuständige
Landesjugendamt keine Einwände haben, wird das ausländische Adoptionsverfahren in Gang gesetzt. Nun werden die Adoptivkinder von den
jeweiligen ausländischen Kooperationspartnern des Evangelischen Vereines
und zusätzlich vom ausländischen Repräsentanten des Evangelischen Vereins
auf die Ankunft ihrer neuen Eltern vorbereitet.
Da die Kinder i. d. R. im Heim leben und sie im Heimalltag es auch bei
anderen Kindern erleben, dass diese
von Adoptiveltern abgeholt werden,
kann bei der Vorbereitung des Kindes
an diesen Erfahrungen angeknüpft
werden.
Im Rahmen der Auslandsadoption
kann die erste Kontaktaufnahme mit
dem Kind und die Übergabe in die
Obhut der Adoptiveltern aufgrund
der gegebenen Umstände nicht – wie
es wünschenswert wäre – dem individuellen Tempo des Kindes angepasst
werden. Der Evangelische Verein kann
diese Phase nur aus der Ferne begleiten und misst deshalb der vorbereitenden Beratung besonders viel Bedeutung zu.
Nach der Rückkehr der Eltern mit
dem Kind informiert der Evangelische
Verein die Adoptiveltern über die weiteren Schritte schriftlich und telefonisch und unterstützt sie im Verfahren
zur Anerkennung bzw. Umwandlung
des ausländischen Adoptionsbeschlusses in Deutschland.
Beratung und Begleitung nach
erfolgter Adoption
Alle Adoptivfamilien erhalten vom
Evangelischen Verein das Angebot der
Nachbetreuung. Bei Auslandsadoptionen erfüllt der Evangelische Verein die
Aufgaben der nachgehenden Beratung
und Begleitung vor allem mit Unterstützung seines Partnervereins „kinder
unserer welt e. V.“ und mit Hilfe der
örtlich zuständigen Adoptionsdienste.
Im Wesentlichen beschränkt sich die
Betreuung auf telefonische Beratung.
Alle Paare erhalten aber die Zusicherung, dass im Krisenfall Hausbesuche
stattfinden können und der Evangelische Verein sich gemeinsam mit ihnen
bemühen wird, an der Lösung der Probleme zu arbeiten. Dazu arbeitet er
mit dem örtlichen Adoptionsdienst
oder anderen Beratungsstellen zusammen.
Der Verein „kinder unserer welt“
organisiert einmal jährlich ein zentrales mehrtägiges Familientreffen für alle
Familien mit ausländischen Adoptivkindern und lädt ferner zu Familien- und
Kinderfreizeiten ein. Daneben gibt es
noch regionale Treffen, die die Adoptivfamilien selbst organisieren und an
denen die Fachkräfte bei Bedarf teilnehmen. Der Evangelische Verein lädt
außerdem einmal jährlich zu einem
mehrtägigen Fortbildungsseminar für
Familien mit Pflege- und Adoptivkindern aus dem In- und Ausland ein.
Gemeinsam mit „kinder unserer
welt e. V.“ will der Evangelische Verein künftig auch Adoptivkindern, die
sich intensiver mit ihrer Geschichte
und mit ihrem Herkunftsland auseinandersetzen möchten, gemeinsame
Reisen in ihr Herkunftsland anbieten.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind
die vom Evangelischen Verein vermittelten Kinder dafür jedoch noch zu
jung.
15
Der Evangelische Verein pflegt den
Kontakt zu allen Adoptivfamilien
mindestens bis zur Volljährigkeit der
Adoptivkinder durch Rundbriefe zu
Weihnachten. Ziel ist es, dass dadurch
bei den Adoptivfamilien die „Kontaktschwelle“ niedrig gehalten wird und
es den Adoptiveltern und auch den
Adoptivkindern leichter fallen wird, im
Bedarfsfall Beratung zu suchen.
Seitdem der Evangelische Verein
seine Tätigkeit als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle aufgenommen hat,
wird er immer wieder mit der Vorstellung konfrontiert, Auslandsadoptionen
müssten schneller durchgeführt werden, „weil es in diesen armen Ländern
doch so viele Kinder gibt, die in Not
sind“. Diese Auffassung stimmt nur
bedingt: Richtig ist, dass es im Ausland viel mehr Kinder als im Inland
gibt, die der Adoption bedürfen. Richtig ist auch, dass es im Interesse die-
ser Kinder ist, dass die formale Abwicklung des Adoptionsverfahrens nicht unnötig lange Zeit in Anspruch nimmt,
sofern die inhaltlichen Voraussetzungen
gegeben sind. Falsch ist aber, daraus
zu schließen, das vorausgehende Eignungsprüfungsverfahren könne deshalb schneller ablaufen. Dies diente
nicht dem Wohl der betroffenen Kinder.
Die Auslandsadoption ist für die
beteiligen Kinder und für die Adoptiveltern eine Entscheidung von existenzieller Bedeutung. Während es
einerseits von größter Wichtigkeit ist,
dass die Adoptionsbewerber ihre Entscheidung sehr reiflich bedenken,
braucht andererseits auch die Adoptionsvermittlungsstelle die notwendige
Zeit, um ihre Entscheidung sorgfältig
treffen zu können. Ein weiterer Beziehungsabbruch ist dem Adoptivkind
aus dem Ausland nicht zumutbar.
Durch die im Jahr 2002 neu in Kraft
getretenen Gesetze wurden in
Deutschland gute Rahmenbedingungen für die Auslandsadoptionsvermittlung geschaffen. Aus unserer Perspektive wird die damit verbundene
Zielsetzung, die Qualität der Auslandsadoptionsvermittlung zu verbessern,
jedoch nur zu erreichen sein, wenn die
Auslandsadoptionsvermittlungsstelle
tatsächlich ihre Brückenfunktion erfüllt: D. h. wenn sie ihre Kooperationsaufgaben in der Zusammenarbeit
mit ihren ausländischen Partnern sorgfältig erfüllt und wenn sie in guter
Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen Adoptionsvermittlungsstellen die spezielle Eignungsprüfung und
nachgehende Beratung und Begleitung der Adoptivfamilien sicherstellt.
Inge Elsäßer, Evangelischer Verein,
[email protected]
Auslandsadoption – ist DAS die Lösung?
Kritische Überlegungen zum Zusammenhang von Armut und Auslandsadoption
Es ist unbestreitbar, dass in vielen Ländern viele Kinder in Heimen leben; dass
die Armut ihrer Eltern so groß ist, dass
sie keine andere Möglichkeit sehen, als
ihr Kind auszusetzen oder gar zu verkaufen; dass viele Kinder schon sehr
früh arbeiten müssen, auf dem Feld,
auf der Straße, auf dem Müll.
Es ist unbestreitbar, dass viele Kinder in einer Armut leben, die sie krank
werden und hungern lässt; dass sie
wenig Perspektiven für die Zukunft
haben; dass viele Kinder in die Prostitution gelangen, Drogen nehmen und
kriminell werden; dass viele Kinder ihre
Kindheit als kleine Erwachsene leben
und Kindheit, wie wir sie verstehen,
nicht kennen.
Man kann das Thema Auslandsadoption nicht unabhängig von diesen
Tatsachen betrachten. Sie sind
geradezu symbiotisch miteinander verknüpft.
Angesichts der Armut und der Situation der Kinder gerade in Ländern
der sog. Dritten Welt erscheint Auslandsadoption vielen als die geeignete und oftmals einzige Möglichkeit, die
Kinder „aus dem Elend zu retten“ und
ihnen ein „besseres“ Leben zu ermög-
16
lichen. Und so erhält Auslandsadoption von vielen Menschen eine eindeutig positive Zustimmung.
Meines Erachtens ist es jedoch
schwierig, ein einfaches „Pro“ oder
auch „Kontra“ zu vertreten, wenn man
die Komplexität des Themas wahr und
ernst nimmt.
In diesem Aufsatz möchte davon
berichten, auf welche Schwierigkeiten
ich bei meiner eigenen Standortbestimmung im Zusammenhang mit Auslandsadoption gestoßen bin.
In Gesprächen mit Adoptierten, mit
Adoptiveltern und Adoptivbewerbern
ist mir immer wieder deutlich geworden, mit welch großer Emotionalität
die Auseinandersetzung mit dem Thema Adoption und Auslandsadoption
im besonderen belegt ist. Dies ist verständlich und nachvollziehbar, da die
jeweilige Sichtweise stets mit der eigenen Position und Rolle sehr eng verknüpft ist, die hinterfragt werden und
die es daher auch oftmals zu verteidigen gilt. Daher ist es schwer und für
viele Betroffene (Adoptierte ebenso
wie Adoptiveltern oder –bewerber)
durchaus auch bedrohlich, sich auf
verschiedene Sichtweisen einzulassen
und zu einer von verschiedenen Seiten beleuchteten und daher
einigermaßen „vollständigen“ Einschätzung zu gelangen.
Ich selbst bin in Vietnam noch während des Krieges geboren und wurde
mit sieben Monaten von meinen deutschen Adoptiveltern adoptiert. Auch
meine Meinung zu dem Thema ist
nicht zu trennen von meiner eigenen
Geschichte, meiner eigenen Erfahrung
und meinen persönlichen Erkenntnissen, die ich durch meine Auseinandersetzung mit meiner Adoption gewonnen habe.
„Sei froh, dass du nicht im Heim groß
geworden bist!“
„Sonst wärst du im Müll gelandet oder
müsstest auf der Straße leben.“
„Hauptsache, du hast jetzt gute Eltern...“
„Welche Perspektiven hättest du denn
dort gehabt?“
Solche und ähnliche Sätze höre ich
immer wieder. Sie implizieren, dass
mein Leben in Deutschland ein „besseres“ Leben ist. Sie können aber auch
in die Enge treiben, Dankbarkeit erzwingen und Problemen, die ich als
4/02
Adoptierte habe, ihre Berechtigung
streitig machen.
In der Diskussion um Auslandsadoption existiert ein Konflikt, der
vielleicht nicht aufzulösen ist, der jedoch wahrgenommen werden muss.
Auf der einen Seite stehen Argumente, den Kindern helfen zu wollen, ihnen die Chance zu geben, in einer Familie aufzuwachsen, zur Schule zu
gehen und sie aus ihrer Not zu retten.
Auf der anderen Seite stehen die Probleme, die Adoptierte aus dem Ausland haben, obwohl und gerade weil
sie adoptiert wurden und aus ihrer
ursprünglichen Kultur und ihrem Herkunftsland gerissen wurden.
Es stellt sich die Frage, was denn
nun „wichtiger“ ist und schwerer
wiegt- und welche Konsequenzen
daraus zu ziehen wären. Es ist schwer,
eine Antwort darauf zu finden, aber
es ist sicher notwendig, beide Seiten
ernst zu nehmen und die Argumente
sorgfältig abzuwägen.
Ich persönlich stehe eindeutigen
Befürwortern von Auslandsadoptionen
skeptisch gegenüber. Für mich stellt
sich die Frage der Motivation, die
dahinter steckt. Oftmals sind es Adoptiveltern und Adoptivbewerber, die
sich für Auslandsadoption aussprechen. Und oft wird dies damit begründet, einem Kind helfen zu wollen. Steht
das Motiv, helfen zu wollen, wirklich
an erster Stelle? Wahrscheinlich eher
nicht. Es ist keine Neuigkeit, dass die
Chancen, in Deutschland ein
(möglichst junges) Kind zu adoptieren, schlecht stehen. Viele Paare orientieren sich daher in Richtung Auslandsadoption, weil sie so schneller
oder überhaupt die Möglichkeit haben, ein Kind zu bekommen. Es ist
wichtig zu sehen, dass wohl in der
überwiegenden Zahl der Kinderwunsch
der Paare das ausschlaggebende Moment ist. Das ist legitim; mir ist jedoch auch wichtig, dass die Adoption
eines Kindes aus dem Ausland dann
nicht über das „Helfen- Wollen“ legitimiert wird. Stünde dies im Vordergrund, gäbe es viele Möglichkeiten,
auf anderem Wege als der Adoption
diesen Kindern zu helfen, z.B. durch
Patenschaften oder finanzielle Unterstützung von Projekten in den jeweiligen Ländern.
Mir ist allerdings auch bewusst, dass
die Möglichkeiten für die Kinder in
4/02
den Ländern der Dritten Welt immer
noch nicht ausreichen und eine Adoption für viele Kinder nach wie vor die
einzige Chance ist, aus der Armut hinaus zu gelangen.
Gleichzeitig weiß ich aus persönlicher Erfahrung, dass nicht automatisch
„alles gut“ ist, bloß weil ich nicht in
materieller Armut groß geworden bin
und nun viele Möglichkeiten hatte und
habe, die mir in meinem Herkunftsland wohl verschlossen geblieben wären. Eine solche Einstellung, die
sozusagen mit dem Akt der Adoption
einen imaginären Schluss-Strich zieht,
greift meiner Meinung nach viel zu
kurz.
Mit der Adoption ist die Vergangenheit des Kindes nicht verschwunden.
Dies gilt für alle Adoptierte. Für diejenigen, die aus dem Ausland adoptiert
wurden, ist es aber häufig schwieriger, sich diese Vergangenheit tatsächlich wieder anzueignen. Ich selbst empfinde es als belastend, meine leiblichen
Eltern nicht finden zu können, da der
Name meines Vaters unbekannt ist und
die Geburtsurkunde mit dem Namen
meiner Mutter nicht stimmt.
Fragen nach meiner Herkunft schließen die Frage mit ein, welches Land
denn meine Heimat ist. Zu der Suche
nach meiner persönlichen kommt die
nach meiner kulturellen Identität. Aufzuwachsen in einem Land und in einer
Kultur, die der ursprünglichen so fern
ist, hier äußerlich als fremdländisch
aufzufallen, lässt mitunter das Gefühl
entstehen, hier nicht hinzugehören.
Gleichzeitig habe ich bei meiner Reise
durch Vietnam feststellen müssen, dass
mein Herkunftsland und seine Kultur
mir fremd sind und dass ich auch dort
auffalle. Und so ist die Frage nach
meiner Heimat, nach meinem Zuhause und dem Ort, an den ich gehöre,
gar nicht leicht zu beantworten.
Ich denke, dass viele aus dem Ausland Adoptierte das Gefühl kennen,
zwischen zwei Kulturen hin und her
gerissen zu sein.
Für mich ist es ausgesprochen wichtig, nun als Erwachsene wieder einen
Bezug zu meinem Herkunftsland zu
bekommen und mir die dortige Kultur auf unterschiedliche Weise wieder
anzueignen – sofern dies im nachhinein
möglich ist, sei es durch eine Reise
nach Vietnam, durch Bücher oder die
Teilhabe an vietnamesischen Veranstaltungen in Deutschland. Während meiner Reise nach Vietnam habe ich das
Land in mein Herz geschlossen und
mich ständig gefragt, ob ich nicht eigentlich dort hätte aufwachsen müssen, weil es mein Land und meine Kultur gewesen wäre.
Und dennoch stehe ich einer Frage
wie: „Wärst du lieber im Slum groß
geworden?“ hilflos gegenüber. Natür-
In Deutschland ein besseres Leben führen…?
17
lich wäre ich das nicht. Und ich weiß
das, was ich hier in Deutschland habe,
zu schätzen. Trotzdem bleibt eine innere Zerrissenheit und das Bedürfnis,
möglichst viel von meinem Herkunftsland und meiner ursprünglichen Kultur zu haben. Und es bleibt eine Sehnsucht nach meinen leiblichen Eltern
und einer vollständigen, nicht so lückenhaften Biographie.
Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wäre ich in Vietnam geblieben. Das kann man nie wissen. Es gibt
viele Möglichkeiten, und es ist müßig,
mir immer wieder vorzustellen, wie
mein Leben in Vietnam wohl verlaufen wäre. Ich merke jedoch, dass ich
mich gegen eine Bewertung sträube:
Welches Leben ist denn besser, welches
schlechter? Das lässt sich nicht allein
am materiellen Wohlstand bzw. an der
materiellen Armut messen. Ein Land,
eine Kultur und ein Leben darin macht
sehr viel mehr aus als nur die materielle Situation, auch wenn diese auf so
vieles Einfluss hat. Ich finde es wichtig, sich dessen bewusst zu bleiben,
wenn man sich mit Auslandsadoption
beschäftigt.
Man muss aufpassen, dass man die
Herkunftsländer und ursprüngliche
Kultur der Kinder nicht degradiert,
sondern sie wertschätzt.
Allzu leicht wird nur die erschreckende Armut gesehen, und allzu
leicht wird sich dann in einer „Rettungseuphorie“ für Auslandsadoption
ausgesprochen und unterstellt, alles sei
besser als dort in den jeweiligen Ländern. Und besonders schlimm ist es,
wenn sogar Kinderhandel damit „gerechtfertigt“ wird, dass es den Kindern
hierzulande ja trotzdem besser gehe als
in ihrem Herkunftsland…
Ist die Frage: „Auslandsadoption ja
oder nein?“ nun eindeutig zu beantworten?
Soll man also die Kinder aus dem Land
holen, aus ihrer Kultur?
Ich frage weiter:
Müsste man dann nicht alle Kinder aus
dem Land herausholen?
Dies ist sicherlich weder möglich
noch erstrebenswert und nicht die Lösung des Problems der Armut. Aber
sollen dann wiederum nur die Babys
und Kleinkinder, die von Adoptivbewerbern gewünscht werden, die
Chance bekommen, ein Leben außerhalb der Armut und in einer Familie
zu führen? Was ist mit den kranken,
den behinderten und den älteren Kindern?
Andererseits:
Ist es nicht besser, wenigstens einigen
Kindern ein Leben
außerhalb der Armut
zu
ermöglichen,
wenn man schon
nicht allen helfen
kann?
Armut reicht als Adoptionsgrund nicht aus
18
Wie schwierig es
ist, zu diesen Fragen
eindeutig Stellung zu
beziehen, habe ich
während meines 8wöchigen Aufenthalts
in Guatemala im letzten Jahr noch einmal
allzu deutlich gemerkt.
Für eine kurze Zeit
habe ich dort in einem Krankenhaus (eigentlich ein Heim für
behinderte, alte,
chronisch kranke und
unterernährte Menschen) mit schwerst
behinderten Kindern
und Jugendlichen gearbeitet. Die Kinder waren zum Teil ausgesetzt worden,
zum Teil hatten sie aber auch noch Eltern, die sie auch besucht haben. Unter diesen Kindern war ein Junge, den
ich sofort ins Herz geschlossen habe.
Die Vorstellung, dass dieser Junge sein
Leben lang dort bleiben sollte, eingesperrt in seinem Gitterbett und mit
keiner anderen Perspektive als diesem
Krankenhaussaal, konnte ich kaum ertragen. Und ich spürte den Impuls in
mir, diesen Jungen einfach mitzunehmen. Dieses Gefühl hat mich irritiert
und auch erschreckt angesichts meiner an sich kritischen Haltung gegenüber solchen „Rettungsaktionen“. Und
dennoch konnte ich mich selbst nicht
ganz davon befreien. Ich spürte einen
großen inneren Konflikt und konnte
die Hilflosigkeit der Menschen nachfühlen, die sagen, sie würden gern die
Kinder aus den Heimen rausholen, und
es nicht sofort können. Andererseits
waren da meine eigenen Erfahrungen
als Adoptierte, die auf der Suche nach
meiner Identität oft sehr schmerzhaft
waren.
Auch auf meiner weiteren Reise
durch Guatemala habe ich viel Armut
gesehen, die mir sehr nahe gegangen
ist. Oft war ich betroffen von den
Umständen, wie die Menschen dort
leben: viele Menschen in einem Raum,
ohne Trinkwasser, in Blechhütten.
Viele Kinder arbeiten als kleine
Händler auf der Straße, können weder lesen noch schreiben.
Ich habe Menschen gesehen, die auf
dem Müll arbeiteten und sogar dort
lebten. Keine Frage- das war schlimm!
Aber ich habe auch gesehen, dass
viele der sogenannten Straßenkinder
eine Familie haben, dass sie nicht allein waren und wussten, wohin sie gehörten. Es gibt dort den sehr feinen,
aber so wichtigen sprachlichen Unterschied zwischen Kindern auf der Straße und Kindern der Straße- nicht alle
Kinder, die man sieht, sind auch verlassen.
Auf den ersten Blick war vieles erschreckend. Aber je länger ich in Guatemala war, desto mehr konnte ich
mich auch auf diese fremde Kultur einlassen und habe gelernt, nicht ständig die eigenen Maßstäbe anzulegen.
In Gesprächen mit Einheimischen und
dadurch, dass ich eine Zeit lang auch
in einer guatemaltekischen Familie
4/02
gelebt habe, ist mir bewusst geworden, wie vieles es gibt, was vor den
Augen vieler Touristen verschlossen
bleibt, die durch das Land eilen. Ich
habe gemerkt, wie wichtig es ist, die
dortige Kultur ernst zu nehmen und
zu versuchen, dass man nicht alles
durch die eigenen Brille betrachtet
und beurteilt, sondern sich die Brille
der anderen und fremden Kultur aufsetzt. Vielleicht wird man trotzdem
einiges nicht verstehen. Aber nur so
ist es möglich, einigermaßen abwägen
zu können, was von den Menschen dort
auch als schlimm empfunden wird,
denn nicht alles, was für unsere Augen schlimm aussieht, wird auch so
erlebt.
Ich habe Tageseinrichtungen für
Kinder besucht, die für die große Anzahl der bedürftigen Kinder kaum ausreichend ausgestattet waren.
Aber ich konnte ebenso feststellen,
dass es bereits viele Projekte gibt, die
etwas für die Kinder im Land tun, die
mit den Eltern zusammen arbeiten, die
versuchen, vor Ort zu helfen. Es sind
sicherlich noch nicht genügend Projekte, aber es ist ein Anfang. Und ich
glaube, dass der richtige Ansatz ist,
diese Projekte zu unterstützen, neue
zu fördern und auf diesem Wege den
Kindern ein Leben zu ermöglichen
ohne Hunger und ohne harte Arbeit,
Tagungsdokumentation
„Gleichgeschlechtliche Paare
leben mit Kindern –
auch mit Pflege- und
Adoptivkindern?“
Das Landesjugendamt widmete sich
auf einer großen Tagung am 3. Juli
2002 in Köln dieser interessanten
Fragestellung. Anlass war das am
1.8.2001 in Kraft getretenen Lebenspartnerschaftsgesetz.
Nun liegt die Dokumentation
dieser Veranstaltung vor, in der vier
ExpertenInnen wissenschaftliche Ergebnisse und praktische Erfahrungen zu folgenden Themen präsentieren:
– „Die Erziehungsfähigkeit homosexueller Eltern“
– „ Kindschaftsrechtliche Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes“
4/02
Anzeige
Active Travel
Deutschland e. V.
• Organisation von Freizeiten für Gruppen
nach Frankreich, Spanien, Italien,
Griechenland, am Meer
Zeltlager / Jugendhotels
Tel.: (0 40) 2 20 80 67
Fax: (0 40) 2 29 68 75
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.activetravel.de
Postfach 70 01 44 • 22001 Hamburg
dort in ihrem Land. Ich bin mir dessen bewusst, dass es noch ein sehr langer Weg sein wird, bis allen Kindern
auf diese Weise geholfen wird.
Vielleicht ist es nie soweit, aber man
sollte dieses Fernziel nicht aus den
Augen lassen – auch und gerade im
Zusammenhang mit Auslandsadoption!
Doch noch gibt es Kinder, für die
eine Adoption ins Ausland eine Chance, vielleicht die einzige Chance ist, in
einer Familie aufzuwachsen und ein
Leben außerhalb existentieller Armut
zu führen.
Und es gibt viele Paare, die diese
Kinder aufnehmen möchten.
Daher ist es meines Erachtens wichtig, dass Adoptivbewerber und Adoptiveltern ebenso wie Mitarbeiter in Adoptionsvermittlungsstellen sich differenziert mit der Komplexität und
Vielschichtigkeit auseinandersetzen,
die das Thema Auslandsadoption mit
sich bringt. Sie sollten sich auch in die
Lage des Kindes hineinversetzen, das
in einer fremden Kultur aufwächst und
wahrscheinlich irgendwann einmal fragen wird, warum. Und ich finde, dass
es zur Achtung gegenüber dem Kind
gehört, seine ursprüngliche Kultur
nicht abzuwerten.
Melanie Thanh Lieu Braun,
Am Sande 50, 21335 Lüneburg
– „Wie Schwule und Leseben mit leiblichen Kindern oder Pflegekindern
leben“
– „Gleichgeschlechtliche Paare als
Pflegeeltern“
benspartnerschaft nicht gegen Art.
6 I GG verstößt: Der Gesetzgeber
kann für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Rechte und
Pflichten vorsehen, die denen der
Ehe gleich oder sehr nahe kommen.
Der Ehe drohen keine Einbußen
durch die gleichgeschlechtlichen
Lebenspartnerschaften.
Das Gesetz verstößt auch nicht
gegen Art. 3 I GG, dass nichtehelichen Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Personen
und verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften der Zugang
zur Rechtsform der eingetragenen
Lebenspartnerschaft verwehrt ist.
Bestelladresse: Landschaftsverband
Rheinland, Landesjugendamt, Amt für
Kinder und Familie, Fax: 0221/809-6981,
E-Mail: [email protected].
Die Dokumentation kann www.lvr.de
herunter geladen werden.
Lebenspartnerschaften
wiedersprechen nicht dem
Grundgesetz
In dem Urteil (BverfG, Urt. V.
17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1BvF 2/01)
hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Einführung des
Rechtsinstituts der eingetragenen Le-
Sie können diese Entscheidung vom
17.7.2002 unter folgender InternetAdresse finden:
www.bverfg.de/cgi-bin/link.pl
19