Adoption im Blickpunkt - Landschaftsverband Rheinland
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Adoption im Blickpunkt - Landschaftsverband Rheinland
Adoption im Blickpunkt In regelmäßigen Abständen gelangen Adoptionen durch Berichte in den Medien in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Adoption ist schon längst kein Tabuthema mehr, weder für die Adoptiveltern noch für die angenommenen Kinder, und inzwischen auch immer weniger für die ursprünglichen, die abgebenden, Eltern. Bezeichnet man Adoption als „einen legalen und sozialen Prozess, durch den das Kind eines Elternpaares zum ehelichen Kind eines anderen Paares wird“ (Napp-Peters, Adoption, 1978), so kristallisieren sich drei Personenkreise – die leiblichen Eltern, das Kind und die Adoptiveltern – als Betroffene heraus. Fügt man ergänzend noch die Adoptionsfachkraft hinzu, mit deren Hilfe die Vermittlung in die Wege geleitet wird, so kann man bildlich betrachtet von einem „Adoptionsviereck“ sprechen. Darauf wird in unterschiedlichen Beiträgen der Blick gerichtet, um aus der Sicht der Beteiligten die für sie unterschiedliche Bedeutung – vielleicht auch Problematik – der Adoption nachvollziehbar und verständlich zu machen. Der historische Abriss macht deutlich, welchen Stellenwert Adoptionen als Spiegelbild gesellschaftlicher Ereignisse im Laufe der Jahre bis zur Gleichstellung des Adoptivkindes mit dem leiblichen Kind hatten – eine Errungenschaft, die dem Adoptivkind heute die größtmögliche rechtliche Sicherheit zuteil werden lässt. Welchen speziellen Auftrag in diesem Spannungsfeld die Zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamtes seit vielen Jahren hat, (denn Adoptionen sind auch eine Maßnahme der Jugendhilfe), und welche Veränderungen besonders im Jahr 2002 durch die gesetzlichen Neuregelungen entstanden sind, erfahren Sie im Anschluss. In dem Artikel, Plädoyer für eine „offene Adoption“, den zwei Fachkräfte einer Adoptionsvermittlungsstelle verfasst haben, werden die unterschiedlichen Sichtweisen aller an der Adoption Beteiligten dargestellt. Auch wenn die Inkognitoadoption noch gesetzlich verankert ist, so werden die Gründe dafür besonders von den Betroffenen kritisch hinterfragt. Aus dem Bericht einer (Auslands-) Adoptionsvermittlungsstelle geht hervor, wie sorgfältig die Adoption eines ausländischen Kindes vorbereitet werden muss, damit die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten Berücksichtigung finden. Es besteht die Hoffnung, dass durch die Rahmenbedingungen, die die Haager Adoptionskonvention setzt, der Kinderhandel wirkungsvoll eingedämmt werden kann. Dass eine Auslandsadoption aus dem Blickwinkel einer erwachsenen Adoptierten auch zwiespältig sein kann, bringt der sehr persönliche und nachdenklich stimmende Beitrag einer jungen Frau vietnamesischer Herkunft zum Ausdruck. Isolde Reimann, Landesjugendamt Rheinland, [email protected] Adoption im Wandel der Zeit – Ein historischer Abriss Adoption ist nicht an eine bestimmte kulturelle Entwicklung gebunden und auch nicht auf unsere Zeit beschränkt. Ihre Entstehung als soziale Institution ist auf Kinderlosigkeit, dem Wunsch nach einem Erben sowie auf Schutzbedürfnisse zurückzuführen. Ihre Ursprünge können bis weit in die Antike zurückverfolgt werden. Am wohl bekanntesten ist die legendäre Adoption von Ödipus, der in Unkenntnis seinen leiblichen Vater, König Laios, erschlug und seine leibliche Mutter, Jokaste, heiratete. Das Wort Adoption wird aus dem Lateinischen abgeleitet und heißt wörtlich übersetzt „sich hinzuwünschen“ oder auch „hinzuerwählen“. In vielen Kulturen sollte der „Hinzuerwählte“, meist ein Erwachsener , die Familiennachfolge sichern und garantieren, dass das Vermögen an verwandtschaft- 4 lich verbundene Personen vererbt wird. Juristisch gesehen bedeutet Adoption heute „Annahme als Kind“. Das Kind leiblicher Eltern wird zum gemeinschaftlichen ehelichen Kind von Adoptiveltern. Es erlangt durch die Adoption die gleich rechtliche Stellung wie ein eheliches Kind der Annehmenden. Das beinhaltet, dass sämtliche Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu seinen bisherigen Verwandten erlöschen. Das Kind erhält den Familiennamen der Adoptiveltern und eine neue Geburtsurkunde, aus der seine ursprüngliche Abstammung nicht mehr ersichtlich ist. Dass heute das Adoptivkind in jeder Hinsicht dem leiblichen Kind gleichgestellt ist, wurde aber erst durch mehrere Gesetzesänderungen im Laufe vieler Jahrhunderte erreicht, die den jeweiligen gesellschaftlichen Wandel widerspiegeln. Ein kurzer Rückblick in die Geschichte macht die sich verändernde Bedeutung der Adoption deutlich. Im klassischen Griechenland war die Adoption ein Mittel, um den Fortbestand der Familie sicherzustellen. Sie war nur angesehenen Bürgern ohne männliche Nachkommen gestattet. Hatte ein Mann nur Töchter, wurde eine von ihnen mit dem Adoptivsohn verlobt, damit er das Recht hatte zu erben. In der antiken römischen Gesellschaft wurden mit der Adoption im Interesse der Annehmenden religiöse und politische Ziele verfolgt, die Schaffung eines Eltern-Kind-Verhältnisses spielte – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Frauen war es nicht erlaubt zu adoptieren. 4/02 Im Mittelalter verloren die Adoptionen durch den religiösen Einfluss der Kirche an Bedeutung. Die Kirche nahm sich zwar der alleinstehenden Kinder an, sie wurden aber in damals gegründeten „Erziehungsanstalten“, Waisenhäusern oder auch schon in Pflegefamilien untergebracht. Der Schutzgedanke für die verlassenen Kinder stand nicht im Vordergrund, vielmehr mussten diese Kinder, wenn sie das entsprechende Alter hatten, die ihnen gewährte Unterkunft, Kleidung und Nahrung abarbeiten. Die Kinder waren vielfach eine willkommene zusätzliche Arbeitskraft. Die Kindersterblichkeit lag bei 60-80 %. Auch damals noch ging es den Annehmenden in erster Linie um einen Erben, so dass Findelkinder und besonders nichteheliche Kinder dafür ohnehin nicht in Frage kamen, da sie ja mit einem Makel behaftet waren. Der Schutzgedanke für allein stehende Kinder wird erst mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 berücksichtigt, das die Adoption in Deutschland erstmals einheitlich regelte. Ursprünglich sollte die Adoption nach dem bereits bekannten Interessenprinzip der Annehmenden nur für Volljährige gelten, aber der Idee, dass durch die Adoption die Erziehung und Versorgung für elternlose Kinder sichergestellt war, setzte sich durch. Die Adoption wurde zu einem Mittel der Fürsorge für verlassene und uneheliche Kinder. Auch wenn es in dem neuen Gesetz „Annahme an Kindes Statt“ hieß, konnte sich ein Eltern-Kind-Verhältnis in der Praxis nur bedingt entwickeln. Die Adoptierenden mussten mindestens 50 Jahre – und bis 1950 – auch kinderlos sein. Erst 1961 wurde das Alter auf 35 Jahre herabgesetzt, und erst ab 1973 durften bereits 25jährige adoptieren. Die Einführung von Adoptionsgesetzten wurde durch Vorbehalte und Interessen vermögender Schichten lange verhindert, denn ihr Erbe sollte nur in die Hände von Blutsverwandten übergehen. So konnten Adoptivkinder bis 1949 nicht von ihren Adoptiveltern erben. Bis 1977 konnte das Erbrecht auch im Adoptionsvertrag noch ausgeschlossen werden. Gesetzlich geregelt wurde die „Vermittlung der Annahme an Kindes Statt“ erstmals im Dritten Reich (April 1939) 4/02 zur Durchsetzung nationalsozialistischer Rassengrundsätze. Fortan durften nur noch staatliche oder staatlich kontrollierte Stellen vermitteln. Bis dahin nahmen sich Heimleiterinnen, Ärzte oder Geistliche hin und wieder alleinstehender Kinder an und vermittelten sie zu Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch. Bereits um 1900 gründeten einige konfessionelle Vereine Adoptionsstellen mit dem Ziel, für die ihnen anvertrauten, verlassenen Kinder eine gute Versorgung und Erziehung in Familien zu suchen, die gerne ein Kind adoptieren wollten. Da ihnen aber Fachkenntnisse und Erfahrungen fehlten, scheiterten viele Adoptionen. Besondere Standards für das eigentliche Vermittlungsverfahren gab es nicht, auch keine Beratung und Unterstützung der Adoptiveltern. Die Bedürfnisse der abgebenden, meist alleinstehenden Mütter wurden von den Vermittlern überhaupt nicht berücksichtigt. Das Bundesgesetz über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt vom März 1951 setzte das Gesetz von 1939 außer Kraft und machte die Vermittlung der Kindesannahme zur Aufgabe der Jugendämter und Landesjugendämter. In Anerkennung ihrer erfolgreichen Arbeit gestattete es auch den kirchlichen und anderen Wohlfahrts- verbänden wieder die Adoptionsvermittlung. Das betraf auch die Fachverbände, die das Landesjugendamt für geeignet hielt. 1967 unterzeichnete die Bundesregierung das europäische Adoptionsübereinkommen, das unter anderem die Volladoption als Regel vorschrieb. Die Ratifizierung erfolgte allerdings erst 1980. Eine sich daran anschließende und viele Jahre dauernde Reformdiskussion fand in dem Adoptionsgesetz von 1987 seinen Niederschlag. Dieses Gesetz zur „Annahme als Kind“ stellte das „Kindeswohl“ endgültig in den Mittelpunkt und berücksichtigte nicht mehr die Interessen der Annehmenden. Die wichtigsten Errungenschaften dieses Gesetzes, das bis auf wenige Änderungen auch noch heute Gültigkeit besitzt, werden hier kurz erwähnt: – das Adoptivkind erhält seitdem die volle rechtliche Gleichstellung mit dem leiblichen Kind, sein Verwandtschaftsverhältnis zu den bisherigen Verwandten erlischt – die Adoption eines Kindes ist nur dann zulässig, wenn sie auch zu seinem Wohl ist und ein Eltern-KindVerhältnis erwartet werden kann – die Adoption ist gegen den Willen der leiblichen Eltern des Kindes zulässig, und zwar dann, wenn das Eine neue Zukunft mit neuen Eltern 5 Wohl des Kindes ohne die Adoption gefährdet wäre. Diese Gesetzesänderungen haben die Adoption zur weitreichendsten Jugendhilfemaßnahme für Kinder gemacht, deren eigene Eltern unfähig oder nicht bereit sind, für sie zu sorgen. Dementsprechend suchen die Fachkräfte der Adoptionsvermittlungsstellen heute auch im Rahmen der Hilfeplanung Eltern für Kinder, deren ursprüngliche Eltern ihre Pflichten nicht mehr wahrnehmen können und/ oder wollen. In diesem kurzen Rückblick auf die Entwicklung der Adoption von der „Erbengewinnung“ zu einer „Fürsorgemaßnahme“, wurde nicht auf die Herkunftseltern des Kindes eingegangen. Haben sich diese Mütter in der Vergangenheit eher versteckt, weil das Fortgeben ihres Kindes in der Gesellschaft als „Schande“ angesehen wurde, machen sie inzwischen in zunehmendem Maße auf ihre besondere Situation aufmerksam. Die Frauen weisen darauf hin, dass sie keine „Rabenmütter“ sind, weil sie ihr Kind zur Adoption gegeben haben, sondern dass dies eine verantwortungsvolle Ent- scheidung zum Wohl ihres Kindes war. Damit diese Frauen besser mit der nicht mehr rückgängig zu machenden Entscheidung leben können, wäre eine Veränderung des Inkognito im Interesse der Abgebenden wünschenswert, die vielleicht in Form eines Austauschs von Informationen und Fotos über die Vermittlungsstelle erfolgen könnte. Gemeint ist nicht der gegenseitige und völlig offene Kontakt der beiden Elternpaare miteinander, denn es ist fraglich, ob das dem Kindeswohl dienen würde. In diesem Zusammenhang besteht vielleicht auch Veränderungsbedarf bei § 1758 BGB, wonach es den Herkunftseltern untersagt ist, ohne Zustimmung der Annehmenden und des Kindes zu recherchieren. Nie mehr etwas über ihre abgegebenen Kinder in Erfahrung bringen zu können, hat für diese Menschen oftmals eine krankmachende Wirkung. Es wäre z.B. durchaus vorstellbar und als Gesetzesänderung wünschenswert, dass auf die Zustimmung der Adoptiveltern verzichtet werden könnte, wenn die Adoptierten bereits erwachsen sind. Ein Anfang, auch die Interessen der leiblichen Eltern des Kindes zu berücksichtigen, wurde in der Reform des Kindschaftsrecht vom 1. Juli 1998 gemacht. War bei nicht ehelichen Kindern bis dahin nur die Einwilligung der Mutter in die Adoption des Kindes erforderlich, so muss fortan auch der Vater, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht, auch der Annahme des Kindes zu den Adoptiveltern zustimmen.( Es gibt auch keine nicht ehelichen Kinder mehr – zumindest der Begriff wurde aus der Gesetzgebung gelöscht.) Zum Schluss noch ein Hinweis auf die Haager Adoptionskonvention, eine gesetzliche Regelung, die sicherstellen soll, dass auch bei internationalen Adoptionen das Wohl des Kindes und seine Rechte gewahrt bleiben. Welche Auswirkungen dieses Gesetzeswerk auch auf inländische Adoptionen und die Arbeit der Zentralen Adoptionsstelle hat, erfahren Sie in dem nun folgenden Artikel. Isolde Reimann, Landesjugendamt Rheinland, [email protected] Die Zentrale Adoptionsstelle 80 Jahre Adoptionsvermittlung im Landesjugendamt Vor ziemlich fast genau 25 Jahren ist in Deutschland das Adoptionsvermittlungsgesetz in Kraft getreten. Hiermit wurden erstmals bundesweit die formalen und institutionellen Rahmenbedingungen für die Adoptionsvermittlung in kommunaler und freier Trägerschaft festgelegt. Danach konnten die Landesjugendämter eine Zentrale Adoptionsstelle einrichten, um somit die unterschiedlichen und vielfältigen Aufgaben im Bereich der Adoption auf überörtlicher Ebene wahrnehmen zu können. Doch schon lange vor der Einführung des Adoptionsvermittlungsgesetzes wurden im Landschaftsverband Rheinland – und sogar bereits bei dessen Vorgängerin, den Rheinprovinzen – aktiv und intensiv adoptionsbedürftige Kinder in neue Familien vermittelt. Zu Beginn der 20er Jahre geschah dies zunächst in der „Adoptionsabteilung des Vereins für Säuglingsfürsor- 6 ge und Wohlfahrtspflege im Regierungsbezirk Düsseldorf“, zwischenzeitlich auch in der „ReichsAdoptionsstelle; Dienststelle Rheinland“ und später in der „Zentralstelle für Adoptionsvermittlung im Landesjugendamt der Rheinprovinz“. Heute können wir somit auf eine über 80 jährige Tradition aktiver Adoptionsvermittlung zurückblicken. Auch wenn in dieser Zeit viele Mitarbeiterinnen (erst in jüngerer Zeit auch Mitarbeiter!) in der Zentralen Adoptionsstelle arbeiteten, sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass von Anfang der 20er bis Mitte der 60er Jahre – unter den jeweils verschiedenen Türschildern – konstant eine einzige Person für die Adoptionsvermittlung zuständig war. Da diese Person weit über 40 Jahre das Adoptionsgeschehen maßgeblich prägte, sei es erlaubt, sie hier auch namentlich zu erwähnen – und zwar so, wie sie in den Akten immer wieder Erwähnung findet: Fräulein Kattenbusch. Fräulein Kattenbusch vermittelte in ihrer Zeit mehrere hundert Kinder und der daraus resultierende umfangreiche Aktenbestand ist heute von enormem historischen Wert. Noch größer ist der Wert dieses Aktenbestandes aber für die vielen Adoptierten, die sich erst im hohen Alter auf die Suche nach ihren Wurzeln machen (wie vor kurzer Zeit eine 80jährige Frau) und für die jede Information, die zum Schließen der oft großen Wissenslücken der Vergangenheit führt, von unschätzbarem Wert ist. Das zum 1.1.1977 in Kraft getretene Adoptionsvermittlungsgesetz gab einer Zentralen Adoptionsstelle (nachfolgend ZA) in der Wahrnehmung der Aufgaben einige Freiheiten, so dass sich die Schwerpunkte bundesweit von Landesjugendamt zu Landesjugendamt unterschiedlich gestalteten. Die 4/02 ZA Rheinland nutzte den bestehenden Freiraum neben der Erfüllung der Pflichtaufgaben, um – ganz in der Tradition von Fräulein Kattenbusch – die konkrete Adoptionsvermittlung überregional für das gesamt Rheinland auszubauen. Auch wenn bei dieser Arbeit die Interessen der zu vermittelnden Kinder und die Belange der beteiligten aufnehmenden und abgebenden Familien im Mittelpunkt stehen, ist die grundsätzliche Zielrichtung eine andere: Nämlich die Unterstützung der Jugendämter bei der Vermittlung allgemein als „schwer vermittelbar“ geltender Kinder. Diese oft nur schwierig zu vermittelnden Kinder sind zum einen ältere, bereits schulpflichtige Kinder, auch vielfach Geschwister, zum anderen sind es körperlich und/oder geistig Behinderte. Auch Säuglinge von drogen- und alkoholabhängigen Eltern, deren Entwicklung nicht voraussagbar ist, gehörten in den letzten Jahren vermehrt zu der Gruppe der schwer vermittelbaren Kinder, denen sich die ZA angenommen hat. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Vermittlung dieser Kinder einerseits ein hohes fachliches Fundament benötigt und anderseits sehr zeitaufwändig ist. Aus diesem Grund wurde das Angebot der ZA von Beginn an von den Jugendämtern gerne angenommen. Eines soll hier nicht verschwiegen werden: Nicht jede Vermittlung hat dauerhaften Bestand. Unabhängig vom Alter des Kindes – also ebenso bei Säuglingen wie bei älteren Kindern – kann sich bereits nach kurzer Zeit, manchmal auch erst nach Jahren, herausstellen, dass die neue Familie doch nicht der richtige Ort für das Kind ist. Kinder stellen sich als zu belastet dar, (Adoptiv-) Eltern als zu wenig belastbar. Die Kinder erleben dann zum wiederholten Male, dass die Grundlage ihrer Existenz – der Hort einer gesicherten Familie – zusammenbricht. Diese Erfahrungen sind für alle Beteiligten, (Adoptiv-) Eltern wie Kinder, ein traumatisches Erlebnis. Die Fachkraft der Adoptionsvermittlungsstelle wird dieses Scheitern nicht von vornherein verhindern können. Sie wird jedoch durch eine sorgfältige Auswahl der Bewerber und der Kinder sowie eine intensive Beratung der Fa- 4/02 milie dazu beitragen können, dieses und z.B. zusätzlich zu BewerberüberRisiko zu minimieren. prüfungen auch noch BetroffenenseDie Geschichte der Adoptionsver- minare abzuhalten. Soviel sei festgemittlung wurde und wird auch durch halten: In der Bewerberarbeit lernen einen weiteren Umstand geprägt: zu wir unterschiedliche und manchmal Zeiten von Fräulein Kattenbusch gab auch bedrückende Schicksale kennen. es – natürlich auch bedingt durch die Für alle gilt, dass wir sie unter dem wirtschaftlichen und politischen Ver- Gesichtpunkt betrachten, ob diese Behältnisse – wesentlich mehr adoptions- werber mit ihrer ganz speziellen Gebedürftige Kinder als Bewerber. Den schichte zu einem uns bekannten, Wandel kann man gut verdeutlichen, ganz bestimmten Kind mit seinem wenn man sieht, dass in den 50er Jah- ganz besondern Lebensschicksal und ren der Begriff der Auslandsadoption Bedürfnissen zusammenpassen. Die Adeine völlig andere Bedeutung hatte, option soll primär eine Hilfe für das als dies heute der Fall ist: Auslandsad- Kind sein und erst in zweiter Hinsicht option stand damals nicht für die Ver- eine Hilfe für die Bewerber! mittlung ausländischer Kinder zu deutWie bereits zuvor gesagt, gibt es schen Bewerbern sondern für die heute wesentlich mehr Bewerber als Vermittlung deutscher Kinder ins be- vermittlungsbedürftige (und vermittnachbarte Ausland bzw. vorzugsweise lungsfähige) Kinder. Anfang der 90er in die USA. Jahre erlebte die Zahl der Bewerber Zugleich hat ein weiterer Wandel ihren Höhepunkt, als landesweit die Adoptionslandschaft verändert. (NRW) für je ein zur Vermittlung anAufgabe der Adoptionsvermittlungs- stehendes Kind 24 Bewerber zur Verstellen ist die Suche nach Eltern für fügung standen. Die Zahl der BewerKinder – und nicht umgekehrt. Diese ber ist in den letzten Zehn Jahren simple wie notwendige Priorität be- kontinuierlich zurückgegangen, so dass dingt jedoch, dass wir uns eines in aktuell „nur“ noch 10 Bewerber für je unserer Gesellschaft immer drängen- ein zur Vermittlung vorgemerktes Kind deren Problems nicht annehmen können: Dem Problem der immer größer werdenden Anzahl von Paaren, die ungewollt kinderlos sind. Auf der einen Seite sind dies die Menschen, die unter den immer mehr sich ausbreitenden sog. Fertilitätsproblemen leiden. Auf der anderen Seite sind dies in der aktuellen Diskussion auch die Paare, die aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Beziehung keine (gemeinsamen) Kinder zeugen können. In der Bewerberarbeit ist es zwar wichtig, die hier begründeten Konflikte und Lebenskrisen zu berücksichtigen – und doch, es fehlt die Zeit, sich diesen Problemen intensiver zu stellen Kinderlosigkeit: Das ist nicht seine Schuld 7 immer akuter wurden, verabschiedete die Haager Konferenz für internationales Privatrecht 1993 nach jahrelangem Ringen das „Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption“. Die dringende Notwendigkeit dieser Haager Adoptionskonvention wird neben der eben beschriebenen Problematik auch deutlich, wenn man sieht, dass kaum ein anderes internationales Abkommen in so kurzer Zeit von so vielen Staaten ratifiziert, d.h., in innerstaatliches Recht übernommen wurde. Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der Konvention etwas mehr Zeit gelassen, so dass sie erst zum 1.3. diesen Jahres in Kraft treten konnte. Zeitgleich wurde unser bestehendes Adoptionsvermittlungsgesetz gründlichst novelliert sowie andere, umfangreiche Begleitgesetze zur Regelung internationaler Adoptionen verabschiedet. Hierauf soll im Rahmen dieses Aufsatzes nicht im einzelnen eingegangen werden, auch wenn die Auseinandersetzung mit den neuen gesetzlichen Vorgaben z.Zt. die Diskussion zur Adoption beherrscht. Unser neues Adoptionsrecht sorgt jedoch dafür, dass das gesamte Adoptionsgebiet, inhaltlich wie formal, auf neue Beine gestellt wird. Auch und gerade für die Zentrale Adoptionsstelle im Landesjugendamt Rheinland hat dies weitreichende Folgen. Zusätzlich zu den bisherigen Arbeitsschwerpunkten –überregionale Adoptionsvermittlung –Beratung der Jugendämter in schwierigen Einzelfällen und in rechtAdoption ist primär eine Hilfe für das Kind lichen Fragen zur Verfügung stehen. Die Bewerberzahl hat sich somit mehr als halbiert, was nach Meinung des Verfassers nicht zuletzt mit den zunehmenden Erfolgen der Reproduktionsmedizin zu erklären ist. Wegen der trotzdem immer noch geringen Erfolgsaussichten bei einer Bewerbung um ein deutsches Kind, bedeutet die Auslandsadoption für viele Bewerber die letzte Möglichkeit, ihre Hoffnung auf Beendigung der kinderlosen Partnerschaft (oder auch des kinderlosen Single-Daseins) erfüllt zu bekommen. Die Auslandsadoptionen haben sich in den letzten Jahren aber vor allem durch Negativ-Schlagzeilen ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt: Von der Adoption als neue Form des Menschen- bzw. Kinderhandels bis hin zur Adoption zum Zweck der Organentnahme – das Horrorszenario öffnete sich immer wieder aufs Neue. Weil diese Gefahren – auch in den traditionellen Herkunftsländern der Kinder – 8 – Überprüfung der in Heimen untergebrachten Kinder auf ihre Adoptionsfähigkeit – Stellungnahme gegenüber den Vormundschaftsgerichten im Rahmen des Adoptionsverfahrens – Fortbildung der Fachkräfte, kommen durch die neuen Gesetze weitere Aufgaben hinzu. Die wesentlichen Änderungen in Kürze: – War die Einrichtung einer ZA bisher eine freiwillige Leistung eines Landesjugendamtes, so ist sie nun zur Pflichtaufgabe geworden. – Der ZA obliegt im Rahmen der internationalen Adoptionen eine weitaus größere Verantwortung als bisher. Als „Zentrale Behörden“ im Sinne der Haager Adoptionskonvention müssen sie jetzt neben ihren anderen umfangreichen Aufgaben auch als Auslandsvermittlungsstelle tätig werden. – Die Adoptionsvermittlungsstelle eines freien Trägers musste bisher durch die nach Landesrecht zuständige Stelle anerkannt werden. Eine Aufsicht sah das Gesetz nicht vor. Ab diesem Jahr unterliegen diese Vermittlungsstellen sowie die neu definierten Auslandsvermittlungsstellen der Anerkennung und Aufsicht durch die ZA. Diese Gesetzesänderungen haben dazu geführt, dass das Thema Auslandsadoption in absehbarer Zeit den Großteil der personellen Kapazität der ZA bindet. Es ist sicherlich nicht untertrieben, wenn hier festgestellt wird, dass vor allem durch die Aufgabe, selbst als Auslandsvermittlungsstelle tätig zu werden, die Grenze der Belastbarkeit bereits überschritten wurde. Auch wenn jede umfangreiche Gesetzesänderung für langfristige Mehrarbeit sorgte, wird so schnell keine Alltagsroutine aufkommen. Die Auslandsadoption wird somit für die nächsten Jahre verstärkt im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen. Dies verbinde ich aber mit der begründeten Zuversicht, dass auch die Sorge um die in Deutschland lebenden adoptionsbedürftigen Kinder erneut einen Auftrieb erhält – auch Fräulein Kattenbusch würde es sicherlich begrüßen. Detlef Happ-Margotte, Landesjugendamt Rheinland, [email protected] 4/02 Ein Plädoyer für eine „offene Adoption“ Jedes Kind wird in ein bereits bestehendes Verwandtschaftsverhältnis hineingeboren. Es hat nicht nur einen Vater oder eine Mutter, sondern Großeltern und Urgroßeltern mütterlicherseits wie auch väterlicherseits, vielleicht Geschwister, Onkel, Tanten usw. Es ist eingebettet in eine soziale Vergangenheit und in eine Gegenwart. Kann ein Kind von seinen leiblichen Eltern nicht aufgezogen werden, dann liegen immer schwerwiegende Gründe dafür vor. Falls auch Großeltern, Onkel oder Tanten diese Aufgabe nicht übernehmen können, wird mit Hilfe von Fachleuten eine Alternative für dieses Kind gesucht. Falls eine Pflegefamilie nicht in Betracht kommt, wird nach einer geeigneten Adoptivfamilie Ausschau gehalten. Diese Eltern bekommen die Aufgabe, das Kind in ihrem Familienverband aufzunehmen und für es zu sorgen. Dabei wird der Aufbau einer tragfähigen, vertrauensvollen Beziehung maßgeblich dadurch bestimmt sein, ob es ihnen möglich sein wird, dem Kind den Blick auf seine leiblichen Eltern nicht zu versperren. Adoptiveltern haben u.a. die Aufgabe, beim Kind Verständnis, und Emphatie für die Situation zu wecken, die bei der leiblichen Mutter letztendlich dazu geführt hat, ihr Kind zur Adoption zu geben. Dieses setzt bei ihnen oft einen intensiven Prozess der Auseinandersetzung und der inneren Aussöhnung mit der „abgebenden Seite“ voraus. Adoptiveltern, die dieses nicht wollen oder nicht können, müssen sich die Frage stellen, ob sie das Kind nur zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse adoptieren wollen, ohne auf die Bedürfnisse des Kindes zu achten. Annehmende Eltern, die sich zur offenen Adoption bekennen, haben das Kind uns seine Interessen im Blickfeld. Sie wollen dem Kind eine reale Chance geben, indem sie ihm die Auseinandersetzung mit seinen Wurzeln ermöglichen. Auf diese Weise können sie sicher sein, dass ihr Adoptivkind ihnen positive Gefühle entgegenbringen wird, da es die leiblichen Eltern nicht zu verachten braucht, sondern Verständnis dafür gewinnen konnte, was 4/02 die Mutter oder den Vater zur Adoptionsfreigabe veranlasst hat. Die offene Adoption wird den neueren Erkenntnissen und den Ansätzen der Familienforschung gerecht. Nicht zuletzt haben aber auch die negativen Erfahrungen mit jahrelanger Inkognito-Adoption deutlich gemacht, dass eine Veränderung im Bewusstein der Adoptionsvermittler, der Adoptivbewerber und auch bei den leiblichen Eltern dringend angeraten ist. Die Beschäftigung der Medien mit der Adoptionsproblematik hat viele Betroffene dazu ermutigt, offen über ihre Gefühle und Probleme zu sprechen. Adoptierte Erwachsene oder Jugendliche begeben sich auf die Suche nach ihrer Herkunft. Mütter, die ihre Kinder zur Adoption gegeben haben, bekennen sich offen zu ihren oft traumatischen Lebensläufen. Die Adoptionsbewerber selbst halten nach intensiver Beratung und Eigenreflexion eine offene Adoption für selbstverständlich. Dabei hängt das Beratungsergebnis zwangsläufig mit der Einstellung der Adoptionsvermittler zusammen. Die Rolle der Adoptionsfachkraft Die Adoptionsfachkraft hat es in ihrer Tätigkeit mit zwei Parteien zu tun, die unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse an sie herantragen. Sie muss die Mutter, die signalisiert, ihr Kind zur Adoption geben zu wollen, kompetent beraten, um herauszufinden, warum sie glaubt, ihr Kind nicht behalten zu können. Gemeinsam gilt es zu prüfen, ob die angestrebte Lösung wirklich die geeignete ist. Sie hat die Aufgabe, mit Sach- und Fachkompetenz der Mutter die zur Verfügung stehenden Alternativen aufzuzeigen und ihr den Zugang zu den verschiedensten Beratungsmöglichkeiten zu eröffnen, bevor der Adoptionsprozess eingeleitet werden kann. Gleichfalls hat sie die Aufgabe, mit Eltern, deren größter Wunsch es ist, ein Kind zu haben, umfassende Gespräche über ihre Rolle als Adoptiveltern zu führen. Sie hat sie für ein gemeinsamen Leben mit einem Adoptivkind vorzubereiten und für dessen spezielle Bedürfnisse zu sensibilisieren. Letztendlich aber soll die Adoptions- fachkraft zum Wohle eines zu vermittelnden Kindes die beste und richtige Lösung herbeiführen. Jede zu beratende Partei erwartet von der Fachkraft, dass sie sich neutral, fachkompetent und offen der jeweiligen Situation stellt und sich dabei nicht von Gefühlen bestimmen oder von ihrer „Machtposition“ verleiten lässt. Um diese Aufgabe zu erfüllen, sind viele Gespräche mit den am Adoptionsprozess Beteiligten nötig. Die inhaltliche Durchführung einer Adoption wird maßgeblich davon beeinflusst, welches Familienbild die jeweilige Fachkraft hat und welche Vorstellungen und Einstellungen sie bezüglich einer Adoption mitbringt. Durch die veränderte Sichtweise in der Adoptionspraxis, die dazu geführt hat, sich von der Inkognitovermittlung zu entfernen und den besseren Weg der offenen Adoption zu gehen, werden die Erwartungen an die Adoptionsfachkraft noch erhöht. Um den fachlichen Ansprüchen gerecht zu werden, wird sie sich einem intensiven Auseinandersetzung- und Fortbildungsprozess stellen müssen. Denn nicht zuletzt hängt der „Erfolg“ einer offenen Adoption auch von der qualifizierten und engagierten Beratung durch die Adoptionsfachkraft und ihrer Erfahrung in der praktischen Durchführung ab. Was bedeutet offene Adoption aus der Sicht der Mutter? Mütter, die ihr Kind zur Adoption geben, werden in unserer Gesellschaft oft als „Rabenmütter“ abgestempelt. Fast niemand sieht die Not, aus der heraus die Mütter ihr Kind zur Adoption geben möchten. Die Mütter sind nicht die herzlosen, verantwortungslosen Wesen, die aus Egoismus ihr Kind in bessere Verhältnisse geben wollen. Ganz andere Gründe spielen hier oft eine Rolle: – Hinauswurf aus der elterlichen Wohnung – Verlassen vom Kindesvater – finanzielle Schwierigkeiten – Wohnungsnot – falsche oder unterlassene Informationen von Seiten der verantwortlichen Stellen u.a. 9 Oftmals wird den Müttern aufgezeigt, wie gut es ihr Kind in einer wohlhabenden, gebildeten Familie haben wird, um ihr die Entscheidung leichter zu machen. Die Erfahrungen mit den Müttern zeigen, dass diese sich oft ihr ganzes Leben lang hilflos, wertlose, schlecht, depressiv fühlen und ihre Schuldgefühle, ihr Kind verlassen oder weggegeben zu haben, nicht überwinden können. Oft ist eine lebenslange Suche nach ihrem Kind und der damit verbundene Aktionismus der einzige Weg, die Schuldgefühle zu verdrängen oder für kurze Zeit zu vergessen. Aus Sicht der Mutter, die ihr Kind zur Adoption gibt, ist es wichtig, dass sie weiß, in welcher Familie ihr Kind aufwächst, welche Entwicklungsschritte es macht, wir ihr Kind aussieht, kurzum: Dass sie weiß, ihrem Kind geht es gut, und es kennt seine Herkunft. Durch eine offene Adoption hat die Mutter die Möglichkeit, ihr Kind selbstbestimmt einer von ihr ausgewählten Familie anzuvertrauen und folgendes Schicksal könnte ihr erspart bleiben. Frau X ist minderbegabt und hat eine Hörstörung, kann jedoch in ungelernten Berufen arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, um selbstständig zu leben. Sie wohnt in einem kleinen Dörfchen, wo jeder jeden kennt und wo es evtl. noch als Schande aufgefasst wird, ein nichteheliches Kind zu haben. Die Eltern der jungen Frau leben ebenfalls in dem Dorf. Sie legen der jungen Frau eindringlich nahe, ja sie zwingen sie schon fast, ihr Kind zur Adoption zu geben. Die Adoptionsvermittlerin hält es offenbar auch für besser, wenn das Kind „rosigere Zukunftsaussichten“ hat und befürwortet die Adoption. Außerdem kennt sie schon nette Adoptivbewerber, die sie überprüft hat und die als nächstes ein Kind bekommen sollen. Das Kind wird inkognito adoptiert. Frau X kommt über diesen Verlust nicht hinweg. Sie möchte wissen, wie es ihrem Kind geht, wie es aussieht. Sie hat Schuldgefühle, weil sie nicht weiß, ob es ihrem Kind gut geht, ob sie alles richtig gemacht hat und möchte ihr Kind wiederhaben. Sie vertraut auch der Adoptionsvermittlerin nicht, die sie bezüglich des Wohlergehens des Kindes beruhigen möchte. Frau X hält nur noch Zwiesprache mit Gott als einer Instanz, der man vertrauen kann und hofft, dass er alles überwacht und richtig macht. Sie schreibt Briefe an ihr Kind, um ihr Problem dadurch etwas zu verarbeiten. Schließlich wird sie depressiv. Frau X wäre zufrieden gewesen, wenn sie über die Ad- optiveltern erfahren hätte, dass es ihrem Kind gut geht. Wenn mit der Mutter der Weg der offenen Adoption beschritten wird, dann bedeutet das vor allen Dingen, dass sie sich in ihren Gefühlen ernstgenommen fühlt. Auch wenn ihr zu diesem Zeitpunkt das ganze Ausmaß des Geschehens noch nicht gegenwärtig sein kann, so weiß sie, dass sie von Fachleuten unterstützt wird, die über jahrelange Erfahrung mit dieser Problematik verfügen. Dabei kann die offene Adoption verschiedene Gesichter haben und sollte individuell umgesetzt werden. – Sie kann so aussehen, dass eine Mutter die Möglichkeit erhält, aktiv an der Auswahl der Adoptionsfamilie beteiligt zu sein. – Sie könnte bereits vor der Geburt ihres Kindes die Familie kennenlernen, um für sich zu klären, ob sie diesem Ehepaar vertrauensvoll ihr Kind überlassen kann. – Die leibliche Mutter könnte in direktem Kontakt besprechen, wie sie sich in den nächsten Jahren einen Informationsaustausch wünschen würde. – Sie könnte offen die Möglichkeit eines späteren persönlichen Kennenlernens ansprechen. Falls der Mutter diese Form der Herangehensweise zu belastend wäre, könnte die Adoptionsvermittlungsstelle die Klärung dieser Fragen übernehmen. Dieses würde dann bedeuten, dass gegenseitige Informationen in regelmäßigen Abständen über die Vermittlungsstelle als Knotenpunkt laufen könnten. Mütter, die durch die Offenheit im Adoptionsverhältnis genau wissen, wie sich ihr Kind entwickelt, wie es aussieht, ob es gesund ist, ob es ihm gut geht, müssen sich nicht mit belastenden Phantasien herumquälen. Sie haben die Möglichkeiten, diese schwerwiegende, verantwortungsvolle Entscheidung zu verarbeiten und erhalten dadurch die reale Chance für einen neuen Anfang. Irgendwann wird die Frage nach den leiblichen Eltern auftauchen 10 Was bedeutet die offene Adoption aus der Sicht des Kindes? Um die Situation möglichst transparent zu machen, möchten wir hier die 4/02 Situation einer Familie schildern, die drei Kinder adoptiert hat. Sven und Timo wurden bereits im Säuglingsalter adoptiert. Sie sind mittlerweile 11 und 9 Jahre alt. Nadine, die als Pflegekind in die Familie kam, wurde erst vor einem Jahr adoptiert, da die leibliche Mutter erst dann die Einwilligung gab. Nadine ist heute 6 Jahre alt. Für Nadine, die von Beginn an einen losen Kontakt zur Mutter hatte, gelegentlich von ihr besucht wurde, zu Geburtstagen oder anderen Festtagen Briefe oder Geschenke entgegennehmen konnte, gestaltete sich die Adoption problemlos. Sie freute sich sehr darüber, nun denselben Status wie ihre Brüder zu haben. Sie hatte nun erst das Gefühl, ganz richtig zur Familie zu gehören. Ansonsten änderte sich an ihrer Situation gar nichts. Die leibliche Mutter ruft in regelmäßigen Abständen an, fragt nach ihrer Entwicklung, lässt sich Bilder schicken und erzählt auch, wie es ihr beruflich und privat geht. Ihre Adoptiveltern besprechen offen mit ihr alle Fragen und bringen der leiblichen Mutter viel Empathie entgegen. Svens Mutter, die vor 11 Jahren ihren Sohn zur Adoption gegeben hatte, hatte bereits damals von den Adoptionsvermittlern die Erlaubnis erhalten, über das zuständige Jugendamt jederzeit nach ihrem Kind fragen zu können. Dieses war auch mit der Adoptivfamilie abgesprochen. Jahrelang machte sie davon keinen Gebrauch. Erst als ihre persönliche Situation sich zunehmend stabilisierte, sie einen zuverlässigen Partner hatte und wieder schwanger wurde, fasste sie den Mut, Kontakt zum Jugendamt aufzunehmen und nach ihrem leiblichen Kind zu fragen. Sie wollte wissen, ob es gesund ist, in der Schule gut mitkommt, musikalisch ist und Geschwister hat. Ganz besonders interessierte sie die Frage, ob sich Sven denn manchmal auch nach ihr erkundigen würde. Die Adoptionsvermittlerin nahm mit den Adoptiveltern Kontakt auf und berichtete von der Nachfrage. Wenige Tage später erschien die Adoptivmutter im Jugendamt und erzählte, dass ihr Adoptivsohn Sven sich wahnsinnig über das plötzliche Auftau4/02 chen seiner leiblichen Mutter gefreut habe. Er habe sofort die schönsten Bilder von sich herausgesucht. Seine Adoptivmutter hatte eine ganze Liste von Fragen mitgebracht, die Sven seinerseits gerne von seiner Mutter beantwortet haben wollte. Dabei spielte vor allem auch die Frage nach seinem leiblichen Vater eine große Rolle. Die Adoptivmutter war sehr froh über den zustande gekommenen Kontakt und hatte ihrerseits die Hoffnung, dass der im Interesse des Kindes aufrecht erhalten bleiben möge. Für ihren anderen Adoptivsohn Timo war das plötzliche Auftauchen von Svens Mutter ein arger Schock. Timo, der eher verschlossen und introvertiert ist, reagierte darauf mit heftigen Alpträumen. In seiner Phantasie hatte er keine „richtigen“ Eltern und hatte die schlimmsten Vermutungen bezüglich seiner Abstammung. Einfühlsame Gespräche konnten ihn nicht erreichen. Bisher haben die Adoptiveltern keine genaue Information über Timos Herkunftsfamilie. Doch sie sind engagiert dabei, seine Familie ausfindig zu machen. Dieser Fall macht deutlich, dass sich jedes Kind, auch wenn es nicht mit anderen darüber spricht, damit auseinandersetzt, woher es abstammt. Es möchte wissen, ob es seiner Mutter oder seinem Vater ähnlich sieht; es möchte verstehen und begreifen, warum es seine leiblichen Eltern nicht aufziehen konnten. Jedes Kind möchte die damit verbundenen Kränkungen und die Angst, dass mit ihm etwas nicht stimmen könnte, es vielleicht nicht liebenswert sei, abschütteln, um seinen inneren Frieden zu gewinnen. Erst dann hat es die Möglichkeit, sich voll in seine Adoptivfamilie zu integrieren. Wenn durch die offene Form der Adoption von vornherein die Weichen gestellt sind, dass die leibliche Mutter sich nach dem Befinden ihres Kindes erkundigen darf, so wird sich das positiv auf seine Entwicklung auswirken. Das Kind muss sich nicht mehr abgeschoben und minderwertig fühlen und begreift eventuell, warum die Mutter es fortgegeben hat. Es erfährt die Begleitung seiner leiblichen Mutter und kann an dieser Anteilnahme wachsen. Es fühlt sich nicht verstoßen, sondern es wird vertrauensvoll in die Hände seiner sozialen Eltern gegeben. Es bekommt die Chance, sich mit seiner realen Situation auseinanderzusetzen und als Kind in ei- ner Familie mit Vater und Mutter groß zu werden, ohne seine biologische Abstammung verdrängen zu müssen. Die offene Adoption aus der Sicht der Adoptivfamilie Eine Adoptivfamilie, die sich mit der Form der offenen Adoption auseinandergesetzt hat und voll dahintersteht, hat den ersten Schritt für ihr Gelingen gemacht. Sie wird es nicht mehr nötig haben, sich und dem Kind beweisen zu müssen, dass sie die besseren Eltern sind. Sie wissen, dass sie die Liebe des Kindes am besten gewinnen werden, wenn sie seine Vergangenheit nicht zuschütten, sondern gemeinsam und unterstützend seine Herkunftsgeschichte annehmen. Sie haben den Vorteil, dass sie durch die gemeinsame Absprache, die sie zu Beginn der Adoption getroffen haben, gar nicht erst in Versuchung kommen, dem Kind etwas übers eine leiblichen Eltern vorzuenthalten. Die Weichen wurden von Anfang an gestellt. Sie brauchen nicht – wie viele andere Adoptiveltern vor ihnen – in der ständigen Angst zu leben, dass das Kind herausfinden könnte, dass sie nicht die leiblichen Eltern sind, und sie brauchen auch keine Befürchtungen zu haben, dass die leiblichen Eltern sich irgendwann auf die Suche machen, um den Aufenthaltsort ihres Kindes in Erfahrung zu bringen. Außerdem muss sich ihr Gewissen nicht damit herumplagen, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen wird, wo sie dem Kind gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, warum sie ihm seine Adoption verschwiegen haben. Adoptiveltern, die einer offenen Adoption zugestimmt haben, können das gemeinsame Leben mit dem Kind ohne Schuldgefühle genießen. Der Artikel ist zuerst erschienen in: Günter Smentek (Hrsg.): Die leiblichen Eltern im Adoptonsprozess – verändert sich die Adoptionspraxis? Schulz-Kirchner Verlag, Idstein 1998 ISBN 3-8248-0168-X Gabriele Betsch, Heidrun Opländer, Jugendamt Marburg, Friedrichstr. 36, 35037 Marburg 11 Bewältigung der Adoption aus der Sicht einer leiblichen Mutter Viele Frauen, die ich durch unser bundesweites Netzwerk leiblicher Eltern kenne, würden zu dem von mir genannten Titel sagen: „Nein, dies ist nicht zu bewältigen – nie“. Dahinter verbergen sich die schmerzlichen Erfahrungen vieler Jahre. Es sind Erfahrungen vieler Jahre. Es sind Erfahrungen von Tränen, Zusammenbrüchen, Sehnsucht. Und dies sowohl an Weihnachten, am Muttertag oder bei der Geburt des Kindes unserer Freundin. Schmerzhafte Gefühle, die uns über die Jahre begleiten – und oft auch dann nicht verschwinden, wenn wir mit den inzwischen erwachsenen Kindern wieder Kontakt und im glücklichsten Falle sogar eine herzliche Beziehung haben. Die freiwillige, aber auch die unfreiwillige Entscheidung zu einer Adoption ist immer eine Entscheidung der Trennung vom Kind. Sie bedeutet eine Trennung von einem Wesen, das neun Monate in uns heranwuchs, um dessen Zukunft wir uns zumeist unglaublich viele Sorgen gemacht haben und zu dem wir meist doch eine innige Beziehung entwickelt haben, da wir oft und viel über eine gemeinsame Zukunft bangten. Dieses Kind ist wichtig für uns. Eine Trennung ist also immer ein Verlust. Mit diesem Verlust sind wir allerdings nach der Trennung zumeist allein. Die allermeisten bekamen nie das Angebot der Aufarbeitung von ihren Adoptivvermittlungen gemacht, auch keine Hinweise, wohin wir uns mit unseren Ängsten und Problemen wenden können. Wir bekamen meist nicht einmal den Hinweis, dass es einer Aufarbeitung, einer Begleitung bedarf. Unser Partner, wenn wir nicht schon längst keinen Kontakt mehr zu ihm haben, will meist nichts von diesem Schmerz hören, ihn nicht teilen. Unsere Familien noch viel weniger. Die Adoption ist meist – ähnlich eines Alkoholproblems oder einer psychischen Krankheit – ein wohlgehütetes Familiengeheimnis, und es ist tabu, daran zu rühren. Unverständnis und Diskriminierung erfahren wir dann auch oft bei Freundinnen – oder KollegInnen, wenn wir es dann wagen, es zu erzählen. Jahrelange Einsamkeit mit diesem Thema bedeutet zumeist ein Sich-Im Kreise-Drehen, ein Nicht-MehrVorwärts-Kommen – von Psychologen auch chronische Trauer genannt. Allerdings haben sehr viele von uns sich deshalb auch therapeutische Hilfe geholt; meist ist es nicht bei einer Therapie geblieben, oft schienen die TherapeutInnen auch nicht so recht zu wissen ... Trennung, die ein Verlust ist, ist mit Trauer verbunden. Trauer, die um so schwieriger ist, als es kein endgültiger Verlust wie der Tod eines Kindes ist. Es besteht die Möglichkeit, dem erwachsen gewordenen Kind irgendwann wieder zu begegnen. Aber bislang dürften die wenigsten von uns trauern. Schon im Krankenhaus nach der Geburt gibt es keinen Raum, keine Akzeptanz für einen angemessenen Abschied. Viele von uns verdrängen den Schmerz des Verlusts für lange Zeit, manchmal für Jahre, aber irgendwann lässt er sich nicht mehr verdrängen und verlässt uns dann meist auch nicht mehr. Oft kommen der Schmerz, die Trauer und die damit verbundenen Phasen des Leugnens, der Wut ... in Wellen, gehen wieder, um zu einem anderen Zeitpunkt wiederzukommen. Was uns u.a. hilft, ist, nicht mehr alleine damit zu sein, Austausch mit anderen Betroffenen – vielleicht einer Grup- Bücher, die Sie weiterbringen Die leiblichen Eltern im Adoptionsprozeß – verändert sich die Adoptionspraxis? Fachleute und betroffene Väter/Mütter berichten Günter Smentek (Hrsg.) 88 Seiten, 1. Auflage, Idstein 1998 ISBN 3-8248-0168-X, kartoniert € 11,25 [D] / sFr 20,00 www.schulz-kirchner.de 12 Die Beiträge zeigen in anschaulicher Weise die Vielschichtigkeit der Adoptionsproblematik. Sie deuten auf einen sich abzeichnenden Prozeß hin, der Mütter/ Eltern, die ihr Kind zur Adoption gegeben haben, von dem noch immer vorherrschenden Klischee der „Rabenmütter“ befreit. Anliegen dieses Buches ist u.a., Einstellungsänderungen zu bewirken. Es soll Verständnis dafür wecken, daß Transparenz, Offenheit und Zusammenarbeit in der Adoptionsvermittlungspraxis für die am Adoptionsprozeß Beteiligten entlastend ist. Über den Buchhandel erhältlich oder direkt bei der Schulz-Kirchner Verlag GmbH, Postfach 9, 65505 Idstein Tel.: 0 61 26 / 93 20 - 0, Fax: 0 61 26 / 93 20 - 50 E-Mail: [email protected] 4/02 pe zu haben – von Sheila, der nationalen Koordinatorin des englischen Vereins für leibliche Eltern, NPN, einer älteren Frau, die ihren Sohn schon lange wiedergefunden und eine liebevolle Beziehung zu ihm pflegt, erfuhr ich, dass die Trauer und der Schmerz nicht aufhören. Es würde anders, manchmal leichter, aber es bliebe – wie Phantomschmerzen an den Narben nach einer Amputation. Die Briefe aus allen Altersgruppen, auch von über 70jährigen an uns, bestätigen das. Vielleicht ist es ein Stück weit der Prozess des Loslassens, den alle Eltern durchlaufen, wenn die Kinder größer, älter und irgendwann erwachsen werden. Ein Prozess, der wohl nie einfach ist. Für uns um so schwieriger, weil unsere Kinder für uns nicht präsent sind. Sie leben in unserer Phantasie, in unseren Ängsten um sie, in unserer Sehnsucht, in unse- ren Zweifeln an unserer Entscheidung. Kinder, die älter werden, loszulassen, wenn wir sie nicht einmal real erleben, ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Deshalb wird der Schmerz um die nie erlebten Freuden des Stillens, der ersten Worte, des ersten Schultages, des sonnigen Lächelns und der Liebe von kleinen Kindern, der Freude an ihren Erfolgen oder einfach an ihrem So-Sein schwierig zu bewältigen bleiben. Wir können niemandem Vorwürfe über die bisher versäumten Hilfestellungen machen. Auf diesem Gebiet wurde bislang zu wenig erforscht, bzw. gemeinsam erarbeitet und auch die gesellschaftliche Entwicklung hat noch nicht mehr zugelassen. Für die Zukunft könnte und sollte es allerdings Veränderungen geben. In England und Australien hat die Bewegung der leib- lichen Mütter inzwischen zu einer Bewusstseinsveränderung und zu besonderen Angeboten in Form von Beratungsstellen geführt. Es wurde auch schnell deutlich, dass ein solches Angebot nicht von AdoptionsvermittlerInnen, sondern bei einer unabhängigen Stelle angesiedelt werden sollte, so dass sich ungetrübtes Vertrauen entwickeln kann. Dort arbeiten zudem überwiegend Betroffene, die dazu durch Weiterbildung befähigt wurden. Der Artikel ist zuerst erschienen in: Günter Smentek (Hrsg.): Die leiblichen Eltern im Adoptionsprozess – verändert sich die Adoptionspraxis? SchulzKirchner Verlag, Idstein 1998, ISBN 38248-0168-X Elke Lehnst, E-Mail: [email protected] Auslandsadoptionsvermittlung durch den Evangelischen Verein Die Aufgaben der Auslandsadoptionsvermittlungsstelle Seit 1991 ist der Evangelische Verein für Adoptions- und Pflegekindervermittlung Rheinland e. V. auch als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle tätig. Zum damaligen Zeitpunkt gab es viele Auslandsadoptionen, die nicht seriös durchgeführt wurden. Insbesondere verhielten sich ungewollt kinderlose Paare, die unter ihrer Situation sehr litten und befürchteten, in Deutschland keine Adoptionschancen zu haben, sehr unkritisch und adoptierten auf privatem Weg Kinder aus dem Ausland. Häufig gerieten sie an die falschen Ansprechpartner, die die Not der sozial benachteiligten Kinder in ihrem Land und die Not der kinderlosen Paare ausnutzten, um im wörtlichem Sinne daraus Kapital zu schlagen. Der Kinderhandel im Zusammenhang mit internationaler Adoptionsvermittlung nahm weltweit erschreckend zu. Adoptionsbewerber, die sich an Kinderhandel nicht beteiligen und mit besten Absichten ein Kind aus dem Ausland adoptieren wollten – und auch verantwortliche Stellen im Ausland, die gerne Kinder an geeignete deutsche Adoptionsbewerber vermittelt hätten 4/02 – hatten in Deutschland zu wenige kompetente Ansprechpartner, an die sie sich hätten wenden können. Damals waren nur der Internationale Sozialdienst in Frankfurt, Eltern für Kinder e. V., Pro Infante e. V. und terre des hommes anerkannte Auslandsadoptionsvermittlungsstellen. Aus den genannten Gründen bat die damalige Bundesregierung die Evangelische und die Katholische Kirche, ihre langjährige Erfahrung in der Adoptions- und Pflegekindervermittlung zu nutzen und Auslandsadoptionsvermittlungsstellen einzurichten. Beide Kirchen folgten dieser Bitte: Im Auftrag des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland wurde der „Zentrale evangelische Fachdienst für interstaatliche Adoptionsvermittlung“ beim Evangelischen Verein eingerichtet, u. a. deshalb, weil der Evangelische Verein bereits nach dem 2. Weltkrieg als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle tätig war. Damals konnte man nicht genügend Adoptiveltern für deutsche Kinder finden und der Evangelische Verein vermittelte deutsche Kinder ins Ausland. Heute geht es bei Auslandsadoptionen vorrangig darum, für Kinder, die in ihrem Heimatland nicht in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen und auch sonst nicht angemessen versorgt werden können, geeignete Eltern in Deutschland zu finden. Von Anfang an hat der Evangelische Verein seine wesentliche Aufgabe als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle darin gesehen, Anwaltsfunktion für die betroffenen Kinder zu übernehmen und sich nur in diesem Sinne als Bindeglied zwischen den Adoptionsbewerbern mit Wohnsitz in Deutschland und den zuständigen Stellen im Ausland zur Verfügung zu stellen. Aus dem Ziel, Auslandsadoptionsvermittlungen nur zum Wohl der betroffenen Kinder durchzuführen, ergeben sich für den Evangelischen Verein folgende Aufgaben: – Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss ihre ausländischen Kooperationspartner sorgfältig wählen. Sie darf sich nur dann für die Zusammenarbeit mit der ausländischen Stelle entscheiden, wenn sie der Auffassung ist, dass mit diesem Kooperationspartner ein seriöses Adoptionsverfahren durchgeführt werden kann. Sie muss sich im weiteren Verlauf immer wieder erneut davon 13 überzeugen, ob diese Voraussetzungen noch gegeben sind. – Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss sich vor Ort genau über die Situation der betroffenen Kinder informieren, um künftige Adoptiveltern entsprechend beraten und auswählen zu können. – Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss die Adoptionsbewerber ausführlich über die Lebenssituation der Kinder und ihre Bedürfnisse informieren und deutlich auf die damit verbundenen Belastungen und Risiken hinweisen. – Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss die künftigen Adoptiveltern sorgfältig überprüfen und sie auf die besonderen Rahmenbedingungen einer Auslandsadoption vorbereiten. Sie kann nur dann Adoptionsanträge an ihre ausländischen Kooperationspartner weiterleiten, wenn sie von der Eignung der Adoptionsbewerber zweifelsfrei überzeugt ist und sie als geeignete Adoptiveltern empfehlen kann. Zur Erfüllung dieser Aufgabe braucht die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle die Unterstützung der in Deutschland jeweils örtlich zuständigen Adoptionsdienste. Örtlich zuständig sind die Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter und – soweit vorhanden – die Adoptionsvermittlungsdienste in Trägerschaft von Diakonie, Sozialdienst Katholischer Frauen und Caritas. Diese örtlichen Adoptionsvermittlungsstellen leisten Vorarbeit, indem sie die allgemeine Eignung der Adoptionsbewerber prüfen. Die Prüfung der speziellen Eignung bezogen auf die Adoption eines Kindes aus einem bestimmten Land ist Aufgabe der Auslandsadoptionsvermittlungsstelle, die nur sie auf der Grundlage ihrer speziellen Kenntnisse erfüllen kann. – Die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle muss die nachgehende Begleitung und Beratung der Adoptivfamilien langfristig sicherstellen und dabei mit örtlichen Diensten und anderen Stellen, die Adoptivfamilien unterstützen können, kooperieren. Die seit 2002 geltenden Gesetze, Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz (AdÜbAG), das geänderte Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) und das Adoptionswirkungsgesetz (AdWirG) bilden einen guten Rahmen für die verbesserte Zusammenarbeit der verschiedenen Stellen in Deutschland. Ob damit die Qualität der Auslandsadoptionsvermittlung im Interesse der betroffenen Kinder steigt, bleibt jedoch noch abzuwarten. Zur Erreichung dieses Zieles kommt es maßgeblich darauf an, ob die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle ihre Kooperationsaufgaben gut erfüllt. Der Ablauf einer Auslandsadoptionsvermittlung Neue Sichtweisen bewirken Veränderungen 14 Informationsphase Die Vorstellungen vieler Bewerber stimmen mit den realen Gegebenheiten nicht überein. Deshalb ist die Information der Bewerber über die tatsächlichen Verhältnisse notwendig. Der Evangelische Verein informiert Adoptionsbewerber telefonisch, schriftlich, durch seinen Beitrag im Internet, durch die Herausgabe von Fachbüchern („Wittlaerer Reihe“) zum Thema Adoption und durch die Veranstaltung von Informationstagen. Beratungsphase mit dem Ziel, die Selbstprüfung der Bewerber zu fördern Nach Auffassung des Evangelischen Vereines kommt es vor allem darauf an, dass Adoptionsbewerberpaare sich selbst prüfen, ob sie geeignete Adoptiveltern sein können. Seine Aufgabe sieht der Evangelische Verein darin, diesen Selbstprüfungsprozess anzuregen, zu unterstützen und zu begleiten. Alle Adoptionsbewerber erhalten die Möglichkeit, sich mit erfahrenen Adoptiveltern auszutauschen. Diese erfahrenen Adoptiveltern werden als „Kontakteltern“ bezeichnet. Die Kontakteltern sind Mitglieder des Vereins „kinder unserer welt e. V“, der den Evangelischen Verein in der vorausgehenden Beratung von Adoptionsbewerbern und in der nachgehenden Beratung und Begleitung von Adoptivfamilien unterstützt. Die Kontakteltern informieren in einem oder mehreren Gesprächen über die besondere Problematik der Annahme eines fremdländischen Kindes, über ihre persönliche Erfahrung und die Risiken und Belastungen, mit denen man sich gründlich auseinandersetzen muss. Sie geben den Bewerbern einen ersten Eindruck von einer Familie mit ausländischen Adoptivkindern und informieren auch über ihre eigene Aufgabe und die der beiden Vereine in der Nachbetreuung. Die Kontakteltern haben nicht die Aufgabe, die Eignung der Adoptionsbewerber zu prüfen. Die Beratung durch Kontakteltern ist ein wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil unseres Verfahrens. Die Kontakteltern überreichen das Antragsformular, mit dem sich die Adoptionsbewerber um die Adoption eines fremdländischen Kindes bewerben können. Erst mit Eingang dieses Antrages betrachtet der Evangelische Verein die Adoptionsbewerbung als verbindlich. Das Eingangsdatum des Antrages bestimmt den Platz der Adoptionsbewerber auf der „Warteliste“. Grundsätzlich orientiert sich der Evangelische Verein bei der Auswahl der Adoptiveltern an den Bedürfnis4/02 sen der Kinder und nicht an der Warteliste. Im Rahmen der Auslandsadoptionsvermittlung ist die Warteliste ein Hilfsmittel. Um den Kindern unnötige Wartezeiten zu ersparen, ist es sinnvoll, dass den ausländischen Kooperationspartnern eine gewisse Anzahl von Adoptionsanträgen vorliegt, deren Vorgaben erfahrungsgemäß dem Bedarf der zu vermittelnden Kinder entsprechen. Die Adoptionsanträge der Bewerber werden schon vorab bei den zuständigen Stellen im Ausland eingereicht. Beratungsphase mit dem Ziel, die spezielle Eignung der Bewerber zu prüfen Aufgrund des großen Einzugsgebietes kann der Evangelische Verein die Prüfung der allgemeinen Eignung zur Adoption in der Regel nicht selbst vornehmen. Die spezielle Eignung für die Adoption eines Kindes aus Äthiopien und Südafrika wird vom Evangelischen Verein geprüft. Hierzu finden mindestens zwei Beratungsgespräche statt. Bei Bedarf werden psychologische oder ärztliche Gutachten in Auftrag gegeben. Inhalt dieser Gespräche ist der persönliche Lebenshintergrund und die aktuelle Lebenssituation der Bewerber, ihre Motive zur Adoption, ihre Vorstellungen vom Adoptivkind und die Möglichkeiten, die sie einem Kind bieten können. Die Bewerber erhalten umfangreiche Informationen über die Kinder aus dem Ausland, für die neue Eltern gesucht werden und über die allgemeine Lebenssituation dieser Kinder im Ausland. Sie werden insbesondere über Risiken und mögliche Belastungen informiert sowie über das ausländische Adoptionsverfahren und den konkreten Ablauf der internationalen Adoptionsvermittlung. Die Fachkräfte versuchen in diesem Beratungs-/Überprüfungsprozess, der in allen Phasen transparent gestaltet wird, ein möglichst genaues Bild von der persönlichen Eignung der Bewerber zu erhalten. Die endgültige Entscheidung über die Eignung der Adoptionsbewerber trifft die für die Beratung zuständige Fachkraft nicht alleine. Die Entscheidung wird nach ausführlicher Erörterung aller relevanten Sachverhalte von 4/02 den Fachkräften des Evangelischen Vereins gemeinsam getroffen. Vorbereitung der künftigen Adoptiveltern auf die Annahme des Kindes Im Rahmen der Auslandsadoption ist die Vorbereitung auf die Aufnahme eines bestimmten Kindes nicht möglich. Es findet im Rahmen des gesamten Überprüfungsprozesses eine allgemeine Vorbereitung auf die Aufnahme eines Kindes aus den Ländern, mit denen der Evangelische Verein zusammenarbeitet, statt. Die Kontakteltern von „kinder unserer welt e. V.“ stehen den künftigen Adoptiveltern in dieser Phase ebenfalls als Ansprechpartner mit ihren persönlichen Erfahrungen zur Verfügung. Erster Kontakt mit dem Kind und Aufnahme des Kindes Die ausländischen Kooperationspartner informieren den Evangelischen Verein über das Kind, für das Adoptiveltern gesucht werden. Gemeinsam mit seinem ausländischen Kooperationspartner entscheidet er, welche Adoptionsbewerber für dieses Kind in Frage kommen und informiert dieses Paar. Sobald er die Adoptionsbewerber informiert und beraten hat, diese zugestimmt haben und auch der örtliche Adoptionsdienst und das zuständige Landesjugendamt keine Einwände haben, wird das ausländische Adoptionsverfahren in Gang gesetzt. Nun werden die Adoptivkinder von den jeweiligen ausländischen Kooperationspartnern des Evangelischen Vereines und zusätzlich vom ausländischen Repräsentanten des Evangelischen Vereins auf die Ankunft ihrer neuen Eltern vorbereitet. Da die Kinder i. d. R. im Heim leben und sie im Heimalltag es auch bei anderen Kindern erleben, dass diese von Adoptiveltern abgeholt werden, kann bei der Vorbereitung des Kindes an diesen Erfahrungen angeknüpft werden. Im Rahmen der Auslandsadoption kann die erste Kontaktaufnahme mit dem Kind und die Übergabe in die Obhut der Adoptiveltern aufgrund der gegebenen Umstände nicht – wie es wünschenswert wäre – dem individuellen Tempo des Kindes angepasst werden. Der Evangelische Verein kann diese Phase nur aus der Ferne begleiten und misst deshalb der vorbereitenden Beratung besonders viel Bedeutung zu. Nach der Rückkehr der Eltern mit dem Kind informiert der Evangelische Verein die Adoptiveltern über die weiteren Schritte schriftlich und telefonisch und unterstützt sie im Verfahren zur Anerkennung bzw. Umwandlung des ausländischen Adoptionsbeschlusses in Deutschland. Beratung und Begleitung nach erfolgter Adoption Alle Adoptivfamilien erhalten vom Evangelischen Verein das Angebot der Nachbetreuung. Bei Auslandsadoptionen erfüllt der Evangelische Verein die Aufgaben der nachgehenden Beratung und Begleitung vor allem mit Unterstützung seines Partnervereins „kinder unserer welt e. V.“ und mit Hilfe der örtlich zuständigen Adoptionsdienste. Im Wesentlichen beschränkt sich die Betreuung auf telefonische Beratung. Alle Paare erhalten aber die Zusicherung, dass im Krisenfall Hausbesuche stattfinden können und der Evangelische Verein sich gemeinsam mit ihnen bemühen wird, an der Lösung der Probleme zu arbeiten. Dazu arbeitet er mit dem örtlichen Adoptionsdienst oder anderen Beratungsstellen zusammen. Der Verein „kinder unserer welt“ organisiert einmal jährlich ein zentrales mehrtägiges Familientreffen für alle Familien mit ausländischen Adoptivkindern und lädt ferner zu Familien- und Kinderfreizeiten ein. Daneben gibt es noch regionale Treffen, die die Adoptivfamilien selbst organisieren und an denen die Fachkräfte bei Bedarf teilnehmen. Der Evangelische Verein lädt außerdem einmal jährlich zu einem mehrtägigen Fortbildungsseminar für Familien mit Pflege- und Adoptivkindern aus dem In- und Ausland ein. Gemeinsam mit „kinder unserer welt e. V.“ will der Evangelische Verein künftig auch Adoptivkindern, die sich intensiver mit ihrer Geschichte und mit ihrem Herkunftsland auseinandersetzen möchten, gemeinsame Reisen in ihr Herkunftsland anbieten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die vom Evangelischen Verein vermittelten Kinder dafür jedoch noch zu jung. 15 Der Evangelische Verein pflegt den Kontakt zu allen Adoptivfamilien mindestens bis zur Volljährigkeit der Adoptivkinder durch Rundbriefe zu Weihnachten. Ziel ist es, dass dadurch bei den Adoptivfamilien die „Kontaktschwelle“ niedrig gehalten wird und es den Adoptiveltern und auch den Adoptivkindern leichter fallen wird, im Bedarfsfall Beratung zu suchen. Seitdem der Evangelische Verein seine Tätigkeit als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle aufgenommen hat, wird er immer wieder mit der Vorstellung konfrontiert, Auslandsadoptionen müssten schneller durchgeführt werden, „weil es in diesen armen Ländern doch so viele Kinder gibt, die in Not sind“. Diese Auffassung stimmt nur bedingt: Richtig ist, dass es im Ausland viel mehr Kinder als im Inland gibt, die der Adoption bedürfen. Richtig ist auch, dass es im Interesse die- ser Kinder ist, dass die formale Abwicklung des Adoptionsverfahrens nicht unnötig lange Zeit in Anspruch nimmt, sofern die inhaltlichen Voraussetzungen gegeben sind. Falsch ist aber, daraus zu schließen, das vorausgehende Eignungsprüfungsverfahren könne deshalb schneller ablaufen. Dies diente nicht dem Wohl der betroffenen Kinder. Die Auslandsadoption ist für die beteiligen Kinder und für die Adoptiveltern eine Entscheidung von existenzieller Bedeutung. Während es einerseits von größter Wichtigkeit ist, dass die Adoptionsbewerber ihre Entscheidung sehr reiflich bedenken, braucht andererseits auch die Adoptionsvermittlungsstelle die notwendige Zeit, um ihre Entscheidung sorgfältig treffen zu können. Ein weiterer Beziehungsabbruch ist dem Adoptivkind aus dem Ausland nicht zumutbar. Durch die im Jahr 2002 neu in Kraft getretenen Gesetze wurden in Deutschland gute Rahmenbedingungen für die Auslandsadoptionsvermittlung geschaffen. Aus unserer Perspektive wird die damit verbundene Zielsetzung, die Qualität der Auslandsadoptionsvermittlung zu verbessern, jedoch nur zu erreichen sein, wenn die Auslandsadoptionsvermittlungsstelle tatsächlich ihre Brückenfunktion erfüllt: D. h. wenn sie ihre Kooperationsaufgaben in der Zusammenarbeit mit ihren ausländischen Partnern sorgfältig erfüllt und wenn sie in guter Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen Adoptionsvermittlungsstellen die spezielle Eignungsprüfung und nachgehende Beratung und Begleitung der Adoptivfamilien sicherstellt. Inge Elsäßer, Evangelischer Verein, [email protected] Auslandsadoption – ist DAS die Lösung? Kritische Überlegungen zum Zusammenhang von Armut und Auslandsadoption Es ist unbestreitbar, dass in vielen Ländern viele Kinder in Heimen leben; dass die Armut ihrer Eltern so groß ist, dass sie keine andere Möglichkeit sehen, als ihr Kind auszusetzen oder gar zu verkaufen; dass viele Kinder schon sehr früh arbeiten müssen, auf dem Feld, auf der Straße, auf dem Müll. Es ist unbestreitbar, dass viele Kinder in einer Armut leben, die sie krank werden und hungern lässt; dass sie wenig Perspektiven für die Zukunft haben; dass viele Kinder in die Prostitution gelangen, Drogen nehmen und kriminell werden; dass viele Kinder ihre Kindheit als kleine Erwachsene leben und Kindheit, wie wir sie verstehen, nicht kennen. Man kann das Thema Auslandsadoption nicht unabhängig von diesen Tatsachen betrachten. Sie sind geradezu symbiotisch miteinander verknüpft. Angesichts der Armut und der Situation der Kinder gerade in Ländern der sog. Dritten Welt erscheint Auslandsadoption vielen als die geeignete und oftmals einzige Möglichkeit, die Kinder „aus dem Elend zu retten“ und ihnen ein „besseres“ Leben zu ermög- 16 lichen. Und so erhält Auslandsadoption von vielen Menschen eine eindeutig positive Zustimmung. Meines Erachtens ist es jedoch schwierig, ein einfaches „Pro“ oder auch „Kontra“ zu vertreten, wenn man die Komplexität des Themas wahr und ernst nimmt. In diesem Aufsatz möchte davon berichten, auf welche Schwierigkeiten ich bei meiner eigenen Standortbestimmung im Zusammenhang mit Auslandsadoption gestoßen bin. In Gesprächen mit Adoptierten, mit Adoptiveltern und Adoptivbewerbern ist mir immer wieder deutlich geworden, mit welch großer Emotionalität die Auseinandersetzung mit dem Thema Adoption und Auslandsadoption im besonderen belegt ist. Dies ist verständlich und nachvollziehbar, da die jeweilige Sichtweise stets mit der eigenen Position und Rolle sehr eng verknüpft ist, die hinterfragt werden und die es daher auch oftmals zu verteidigen gilt. Daher ist es schwer und für viele Betroffene (Adoptierte ebenso wie Adoptiveltern oder –bewerber) durchaus auch bedrohlich, sich auf verschiedene Sichtweisen einzulassen und zu einer von verschiedenen Seiten beleuchteten und daher einigermaßen „vollständigen“ Einschätzung zu gelangen. Ich selbst bin in Vietnam noch während des Krieges geboren und wurde mit sieben Monaten von meinen deutschen Adoptiveltern adoptiert. Auch meine Meinung zu dem Thema ist nicht zu trennen von meiner eigenen Geschichte, meiner eigenen Erfahrung und meinen persönlichen Erkenntnissen, die ich durch meine Auseinandersetzung mit meiner Adoption gewonnen habe. „Sei froh, dass du nicht im Heim groß geworden bist!“ „Sonst wärst du im Müll gelandet oder müsstest auf der Straße leben.“ „Hauptsache, du hast jetzt gute Eltern...“ „Welche Perspektiven hättest du denn dort gehabt?“ Solche und ähnliche Sätze höre ich immer wieder. Sie implizieren, dass mein Leben in Deutschland ein „besseres“ Leben ist. Sie können aber auch in die Enge treiben, Dankbarkeit erzwingen und Problemen, die ich als 4/02 Adoptierte habe, ihre Berechtigung streitig machen. In der Diskussion um Auslandsadoption existiert ein Konflikt, der vielleicht nicht aufzulösen ist, der jedoch wahrgenommen werden muss. Auf der einen Seite stehen Argumente, den Kindern helfen zu wollen, ihnen die Chance zu geben, in einer Familie aufzuwachsen, zur Schule zu gehen und sie aus ihrer Not zu retten. Auf der anderen Seite stehen die Probleme, die Adoptierte aus dem Ausland haben, obwohl und gerade weil sie adoptiert wurden und aus ihrer ursprünglichen Kultur und ihrem Herkunftsland gerissen wurden. Es stellt sich die Frage, was denn nun „wichtiger“ ist und schwerer wiegt- und welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären. Es ist schwer, eine Antwort darauf zu finden, aber es ist sicher notwendig, beide Seiten ernst zu nehmen und die Argumente sorgfältig abzuwägen. Ich persönlich stehe eindeutigen Befürwortern von Auslandsadoptionen skeptisch gegenüber. Für mich stellt sich die Frage der Motivation, die dahinter steckt. Oftmals sind es Adoptiveltern und Adoptivbewerber, die sich für Auslandsadoption aussprechen. Und oft wird dies damit begründet, einem Kind helfen zu wollen. Steht das Motiv, helfen zu wollen, wirklich an erster Stelle? Wahrscheinlich eher nicht. Es ist keine Neuigkeit, dass die Chancen, in Deutschland ein (möglichst junges) Kind zu adoptieren, schlecht stehen. Viele Paare orientieren sich daher in Richtung Auslandsadoption, weil sie so schneller oder überhaupt die Möglichkeit haben, ein Kind zu bekommen. Es ist wichtig zu sehen, dass wohl in der überwiegenden Zahl der Kinderwunsch der Paare das ausschlaggebende Moment ist. Das ist legitim; mir ist jedoch auch wichtig, dass die Adoption eines Kindes aus dem Ausland dann nicht über das „Helfen- Wollen“ legitimiert wird. Stünde dies im Vordergrund, gäbe es viele Möglichkeiten, auf anderem Wege als der Adoption diesen Kindern zu helfen, z.B. durch Patenschaften oder finanzielle Unterstützung von Projekten in den jeweiligen Ländern. Mir ist allerdings auch bewusst, dass die Möglichkeiten für die Kinder in 4/02 den Ländern der Dritten Welt immer noch nicht ausreichen und eine Adoption für viele Kinder nach wie vor die einzige Chance ist, aus der Armut hinaus zu gelangen. Gleichzeitig weiß ich aus persönlicher Erfahrung, dass nicht automatisch „alles gut“ ist, bloß weil ich nicht in materieller Armut groß geworden bin und nun viele Möglichkeiten hatte und habe, die mir in meinem Herkunftsland wohl verschlossen geblieben wären. Eine solche Einstellung, die sozusagen mit dem Akt der Adoption einen imaginären Schluss-Strich zieht, greift meiner Meinung nach viel zu kurz. Mit der Adoption ist die Vergangenheit des Kindes nicht verschwunden. Dies gilt für alle Adoptierte. Für diejenigen, die aus dem Ausland adoptiert wurden, ist es aber häufig schwieriger, sich diese Vergangenheit tatsächlich wieder anzueignen. Ich selbst empfinde es als belastend, meine leiblichen Eltern nicht finden zu können, da der Name meines Vaters unbekannt ist und die Geburtsurkunde mit dem Namen meiner Mutter nicht stimmt. Fragen nach meiner Herkunft schließen die Frage mit ein, welches Land denn meine Heimat ist. Zu der Suche nach meiner persönlichen kommt die nach meiner kulturellen Identität. Aufzuwachsen in einem Land und in einer Kultur, die der ursprünglichen so fern ist, hier äußerlich als fremdländisch aufzufallen, lässt mitunter das Gefühl entstehen, hier nicht hinzugehören. Gleichzeitig habe ich bei meiner Reise durch Vietnam feststellen müssen, dass mein Herkunftsland und seine Kultur mir fremd sind und dass ich auch dort auffalle. Und so ist die Frage nach meiner Heimat, nach meinem Zuhause und dem Ort, an den ich gehöre, gar nicht leicht zu beantworten. Ich denke, dass viele aus dem Ausland Adoptierte das Gefühl kennen, zwischen zwei Kulturen hin und her gerissen zu sein. Für mich ist es ausgesprochen wichtig, nun als Erwachsene wieder einen Bezug zu meinem Herkunftsland zu bekommen und mir die dortige Kultur auf unterschiedliche Weise wieder anzueignen – sofern dies im nachhinein möglich ist, sei es durch eine Reise nach Vietnam, durch Bücher oder die Teilhabe an vietnamesischen Veranstaltungen in Deutschland. Während meiner Reise nach Vietnam habe ich das Land in mein Herz geschlossen und mich ständig gefragt, ob ich nicht eigentlich dort hätte aufwachsen müssen, weil es mein Land und meine Kultur gewesen wäre. Und dennoch stehe ich einer Frage wie: „Wärst du lieber im Slum groß geworden?“ hilflos gegenüber. Natür- In Deutschland ein besseres Leben führen…? 17 lich wäre ich das nicht. Und ich weiß das, was ich hier in Deutschland habe, zu schätzen. Trotzdem bleibt eine innere Zerrissenheit und das Bedürfnis, möglichst viel von meinem Herkunftsland und meiner ursprünglichen Kultur zu haben. Und es bleibt eine Sehnsucht nach meinen leiblichen Eltern und einer vollständigen, nicht so lückenhaften Biographie. Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wäre ich in Vietnam geblieben. Das kann man nie wissen. Es gibt viele Möglichkeiten, und es ist müßig, mir immer wieder vorzustellen, wie mein Leben in Vietnam wohl verlaufen wäre. Ich merke jedoch, dass ich mich gegen eine Bewertung sträube: Welches Leben ist denn besser, welches schlechter? Das lässt sich nicht allein am materiellen Wohlstand bzw. an der materiellen Armut messen. Ein Land, eine Kultur und ein Leben darin macht sehr viel mehr aus als nur die materielle Situation, auch wenn diese auf so vieles Einfluss hat. Ich finde es wichtig, sich dessen bewusst zu bleiben, wenn man sich mit Auslandsadoption beschäftigt. Man muss aufpassen, dass man die Herkunftsländer und ursprüngliche Kultur der Kinder nicht degradiert, sondern sie wertschätzt. Allzu leicht wird nur die erschreckende Armut gesehen, und allzu leicht wird sich dann in einer „Rettungseuphorie“ für Auslandsadoption ausgesprochen und unterstellt, alles sei besser als dort in den jeweiligen Ländern. Und besonders schlimm ist es, wenn sogar Kinderhandel damit „gerechtfertigt“ wird, dass es den Kindern hierzulande ja trotzdem besser gehe als in ihrem Herkunftsland… Ist die Frage: „Auslandsadoption ja oder nein?“ nun eindeutig zu beantworten? Soll man also die Kinder aus dem Land holen, aus ihrer Kultur? Ich frage weiter: Müsste man dann nicht alle Kinder aus dem Land herausholen? Dies ist sicherlich weder möglich noch erstrebenswert und nicht die Lösung des Problems der Armut. Aber sollen dann wiederum nur die Babys und Kleinkinder, die von Adoptivbewerbern gewünscht werden, die Chance bekommen, ein Leben außerhalb der Armut und in einer Familie zu führen? Was ist mit den kranken, den behinderten und den älteren Kindern? Andererseits: Ist es nicht besser, wenigstens einigen Kindern ein Leben außerhalb der Armut zu ermöglichen, wenn man schon nicht allen helfen kann? Armut reicht als Adoptionsgrund nicht aus 18 Wie schwierig es ist, zu diesen Fragen eindeutig Stellung zu beziehen, habe ich während meines 8wöchigen Aufenthalts in Guatemala im letzten Jahr noch einmal allzu deutlich gemerkt. Für eine kurze Zeit habe ich dort in einem Krankenhaus (eigentlich ein Heim für behinderte, alte, chronisch kranke und unterernährte Menschen) mit schwerst behinderten Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Die Kinder waren zum Teil ausgesetzt worden, zum Teil hatten sie aber auch noch Eltern, die sie auch besucht haben. Unter diesen Kindern war ein Junge, den ich sofort ins Herz geschlossen habe. Die Vorstellung, dass dieser Junge sein Leben lang dort bleiben sollte, eingesperrt in seinem Gitterbett und mit keiner anderen Perspektive als diesem Krankenhaussaal, konnte ich kaum ertragen. Und ich spürte den Impuls in mir, diesen Jungen einfach mitzunehmen. Dieses Gefühl hat mich irritiert und auch erschreckt angesichts meiner an sich kritischen Haltung gegenüber solchen „Rettungsaktionen“. Und dennoch konnte ich mich selbst nicht ganz davon befreien. Ich spürte einen großen inneren Konflikt und konnte die Hilflosigkeit der Menschen nachfühlen, die sagen, sie würden gern die Kinder aus den Heimen rausholen, und es nicht sofort können. Andererseits waren da meine eigenen Erfahrungen als Adoptierte, die auf der Suche nach meiner Identität oft sehr schmerzhaft waren. Auch auf meiner weiteren Reise durch Guatemala habe ich viel Armut gesehen, die mir sehr nahe gegangen ist. Oft war ich betroffen von den Umständen, wie die Menschen dort leben: viele Menschen in einem Raum, ohne Trinkwasser, in Blechhütten. Viele Kinder arbeiten als kleine Händler auf der Straße, können weder lesen noch schreiben. Ich habe Menschen gesehen, die auf dem Müll arbeiteten und sogar dort lebten. Keine Frage- das war schlimm! Aber ich habe auch gesehen, dass viele der sogenannten Straßenkinder eine Familie haben, dass sie nicht allein waren und wussten, wohin sie gehörten. Es gibt dort den sehr feinen, aber so wichtigen sprachlichen Unterschied zwischen Kindern auf der Straße und Kindern der Straße- nicht alle Kinder, die man sieht, sind auch verlassen. Auf den ersten Blick war vieles erschreckend. Aber je länger ich in Guatemala war, desto mehr konnte ich mich auch auf diese fremde Kultur einlassen und habe gelernt, nicht ständig die eigenen Maßstäbe anzulegen. In Gesprächen mit Einheimischen und dadurch, dass ich eine Zeit lang auch in einer guatemaltekischen Familie 4/02 gelebt habe, ist mir bewusst geworden, wie vieles es gibt, was vor den Augen vieler Touristen verschlossen bleibt, die durch das Land eilen. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, die dortige Kultur ernst zu nehmen und zu versuchen, dass man nicht alles durch die eigenen Brille betrachtet und beurteilt, sondern sich die Brille der anderen und fremden Kultur aufsetzt. Vielleicht wird man trotzdem einiges nicht verstehen. Aber nur so ist es möglich, einigermaßen abwägen zu können, was von den Menschen dort auch als schlimm empfunden wird, denn nicht alles, was für unsere Augen schlimm aussieht, wird auch so erlebt. Ich habe Tageseinrichtungen für Kinder besucht, die für die große Anzahl der bedürftigen Kinder kaum ausreichend ausgestattet waren. Aber ich konnte ebenso feststellen, dass es bereits viele Projekte gibt, die etwas für die Kinder im Land tun, die mit den Eltern zusammen arbeiten, die versuchen, vor Ort zu helfen. Es sind sicherlich noch nicht genügend Projekte, aber es ist ein Anfang. Und ich glaube, dass der richtige Ansatz ist, diese Projekte zu unterstützen, neue zu fördern und auf diesem Wege den Kindern ein Leben zu ermöglichen ohne Hunger und ohne harte Arbeit, Tagungsdokumentation „Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern – auch mit Pflege- und Adoptivkindern?“ Das Landesjugendamt widmete sich auf einer großen Tagung am 3. Juli 2002 in Köln dieser interessanten Fragestellung. Anlass war das am 1.8.2001 in Kraft getretenen Lebenspartnerschaftsgesetz. Nun liegt die Dokumentation dieser Veranstaltung vor, in der vier ExpertenInnen wissenschaftliche Ergebnisse und praktische Erfahrungen zu folgenden Themen präsentieren: – „Die Erziehungsfähigkeit homosexueller Eltern“ – „ Kindschaftsrechtliche Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes“ 4/02 Anzeige Active Travel Deutschland e. 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Daher ist es meines Erachtens wichtig, dass Adoptivbewerber und Adoptiveltern ebenso wie Mitarbeiter in Adoptionsvermittlungsstellen sich differenziert mit der Komplexität und Vielschichtigkeit auseinandersetzen, die das Thema Auslandsadoption mit sich bringt. Sie sollten sich auch in die Lage des Kindes hineinversetzen, das in einer fremden Kultur aufwächst und wahrscheinlich irgendwann einmal fragen wird, warum. Und ich finde, dass es zur Achtung gegenüber dem Kind gehört, seine ursprüngliche Kultur nicht abzuwerten. Melanie Thanh Lieu Braun, Am Sande 50, 21335 Lüneburg – „Wie Schwule und Leseben mit leiblichen Kindern oder Pflegekindern leben“ – „Gleichgeschlechtliche Paare als Pflegeeltern“ benspartnerschaft nicht gegen Art. 6 I GG verstößt: Der Gesetzgeber kann für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Rechte und Pflichten vorsehen, die denen der Ehe gleich oder sehr nahe kommen. Der Ehe drohen keine Einbußen durch die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Das Gesetz verstößt auch nicht gegen Art. 3 I GG, dass nichtehelichen Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Personen und verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften der Zugang zur Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwehrt ist. Bestelladresse: Landschaftsverband Rheinland, Landesjugendamt, Amt für Kinder und Familie, Fax: 0221/809-6981, E-Mail: [email protected]. Die Dokumentation kann www.lvr.de herunter geladen werden. Lebenspartnerschaften wiedersprechen nicht dem Grundgesetz In dem Urteil (BverfG, Urt. V. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1BvF 2/01) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Le- Sie können diese Entscheidung vom 17.7.2002 unter folgender InternetAdresse finden: www.bverfg.de/cgi-bin/link.pl 19