ICatch

Transcrição

ICatch
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magazin
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Editorial / Geschafft!
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Impressum
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Interview mit Sophie von Olfers
Die Kuratorin der Ausstellung „Not in Fashion“
im Gespräch mit ICatch
10 Own Clothes
Ein Fashionshooting in der Ausstellung „Not in Fashion“
17
Anzeige von Ayzit Bostan
18 „Do you remember?“
Eine Geschichte des Kleiderschranks
22 Mode in der Zukunft
Wie definiere ich mein Ich?
24 The City People
Im Fokus: Street Style der Frankfurter Innenstadt
34 Graffiti... and the streets
Coole Outfits für Wände
57 Anzeige von M / M (Paris)
58 Skinwear
Metall durch den Körper, Tinte in der Haut
68 University Fashion
Eine Studentin packt aus
72 Kopftuch
Accessoire und/oder Tradition?
80goyagoya
Backstage im Atelier und Zuhause bei Elena...
84 Ein Stückchen Mode
Die persönlichen Lieblingsstücke der ICatch-Redaktion
92 René Storck
Zu Besuch in der Goethestraße
98 Window Display
Experiment hinter den Kulissen
118 Fashion Man / Men‘s Fashion
120 Glanz & Glamour
124 Anzeige von Maria Cornejo / Foto: Mark Borthwick
125Face to Face
Make-up your Face
136 Anzeige von Kostas Murkudis
138 Club Culture
140 Fashion-Quiz
141 Hals-Horoskop
Hast’n Hals?... Ich zeig’ dir, wie du tickst!
144 Anzeige von Kostas Murkudis
h
n
I
t
l
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GESCH AFFT!
ICatch ist ein Lifestyle-Magazin, das von Jugendlichen im Rahmen eines Kooperationsprojekts
zwischen dem MMK Museum für Moderne Kunst
Frankfurt und der Carl-von-Weinberg-Schule konzipiert wurde.
Die Idee zu diesem Vermittlungsprojekt entstand
anlässlich der Ausstellung „Not in Fashion. Mode
und Fotografie der 90er Jahre“. Die Ausstellung
stellt eine in den 90er Jahren bekannt gewordene
Generation junger Fotografen und Modedesigner
vor, die eine völlig neue Bildsprache entwickelten. Sie fotografierten Mode nicht mehr im Studio,
sondern mitten im Alltag: auf Straßen, Konzerten
und Partys. Ihre Models waren Freunde, Raver
oder Grunger. Diese Bilder haben das Verständnis von Mode, Modefotografie und Modeindustrie nachhaltig verändert, indem sie der perfekten
Hochglanzästhetik eine radikal subjektive Fotografie entgegensetzten. Veröffentlicht wurden sie
in Magazinen wie i-D, Purple und The Face und
prägten so das Lebensgefühl einer ganzen Generation Jugendlicher.
Der Blick zurück in die 90er Jahre wirft viele Fragen für die Gegenwart auf. Eine davon – und diese
war Ausgang für das Projekt – ist: Welche Mode
und welche Menschen würden uns Bilder zeigen,
die 2010 entstanden sind? Mit ICatch erfahren Sie
den ganz persönlichen Blick junger Menschen
zwischen 16 und 18 Jahren auf das Phänomen
Mode heute.
Mein Dank gilt allen, die ICatch ermöglicht haben:
Der Kuratorin der Ausstellung Sophie von Olfers
und der MMK-Kunstvermittlerin Katharina Mantel
für die Idee und Leitung des Projekts, unserem Kooperationspartner der Carl-von-Weinberg-Schule,
insbesondere dem Schulleiter Wolfram Waltemathe und der Lehrerin Judith Kolb. Jule Hillgärtner,
Mauricio Guillén und Markus Weisbeck, die als
Experten in den Bereichen Text, Fotografie und
Gestaltung die Jugendlichen bei der Realisierung
ihrer Ideen unterstützt und begleitet haben. Auch
danke ich den Künstlern der Ausstellung, die der
ICatch-Redaktion eine Auswahl ihrer Werbeanzeigen zur freien Verfügung stellten.
Ohne die großzügige Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes, des Kulturfonds Frankfurt­
RheinMain sowie der Aventis Foundation wäre das
Projekt nicht möglich gewesen. Ihnen allen danke
ich sehr herzlich.
Susanne Gaensheimer
Direktorin MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main
Wir Schülerinnen und Schüler der Carl-von-Weinberg-Schule haben innerhalb von fünf Tagen ICatch
erstellt, parallel zur Ausstellung „Not in Fashion“
im MMK. Fotografie, Layout, Text – in allen Teams
wurde unter Hochdruck gearbeitet: geknipst, getippt und gezeichnet, recherchiert und interviewt,
gestaltet und Bilder hin und her geschoben, gescannt, geschnitten und geklebt, geschimpft und
gelacht. – Das alles mit dem Ziel unser Magazin
in dieser knappen Zeit fertig zu stellen.
In ICatch geht es um die Wiederkehr vergangener
Mode in aktuellen Trends, um die Möglichkeiten
sich selbst zu gestalten durch Kleidung, Schminke,
Piercing und Tattoos; es geht um berühmte Designer in Frankfurt, um einen anderen Blick durch
die Schaufenster dieser Stadt und die Leute, die
hier ihre Mode tragen. Nicht zuletzt ist es die
Fotoausstellung im MMK, die den Ausgangspunkt
bedeutet und uns viele Fragen stellen lässt: Für was
stehen wir - die heutige Generation von Jugendlichen? Was sind unsere Ideale, unsere modischen
Vorbilder? Wie sieht die Mode aus, und was heißt
Mode überhaupt? Kann man die aktuellen Trends
tatsächlich noch Mode nennen oder sind es bloß
Kopien aus vergangenen Zeiten? Gelingt es, durch
eigene Kreationen uns selbst zu entwerfen, ganz
so, wie wir es geschafft haben, dieses Magazin
zu entwerfen, um den Blick auf unsere Ideen und
Styles zu lenken?
Viel Spaß beim Blättern, Lesen und Entdecken.
Die Redaktion.
Dieses Projekt und ICatch konnte realisiert werden
durch die freundliche Unterstützung von:
EINE KULTURINITIATIVE
DER AVENTIS FOUNDATION
EINE KULTURINITIATIVE
DER AVENTIS FOUNDATION
© Winkel Design GmbH · 06 I 08 checkup
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IMPRESSUM
ICatch-Redaktionsteam:
Stefanie Markloff, Juliana Lisac, Jonas Hopf, Mai-Linh Kirchner,
Denise Schaubeck, Iris Manderla, Lina-Maria Schmiedl, Larissa Karl,
Serdar Altiok, Mareike Jahn, Sharon Hulin, Maurice Steinbrück,
Victor von Boltenstern, Sarah Glaser, Madleen Stokes, Andreas Bischof,
Vanessa Keffel, Romaiza Ameen, Nicole Warnecke, Wai Yan Lin Htet,
Younes Elmorabet, Michelle McCoy
Projektbegleitung:
Mauricio Guillén (Fotografie), Jule Hillgärtner (Text),
Judith Kolb (Organisation CvWS), Katharina Mantel (Organisation MMK),
John Russo (Gestaltung), Fanny Vogler (Organisation MMK) und Markus Weisbeck (Gestaltung)
Dank an:
Annette Zer für den Text “University Fashion”, Herrn Olt für die Freikarten in den Velvet Club,
Frau Patten für die Kooperationsbereitschaft zur Fotostrecke “Window Displays”,
Olga Naumowa, red park, Daniela Denninger und Helga Ostermeier für das Korrekturlesen
und allen, die sich für ICatch fotografieren oder interviewen ließen.
Herausgeber:
MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main
Erschienen am 10. Dezember 2010, Frankfurt am Main
Projektzeitraum: 25. – 29. Oktober 2010
Druck: Druckerei Otto Lembeck GmbH & Co KG, www.lembeck.de
Kontakt und Vertrieb:
MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt
Domstr.10
60311 Frankfurt am Main
Tel.: 069. 212 30113
www.mmk-frankfurt.de
[email protected]
Carl-von-Weinberg-Schule
Zur Waldau 21
60529 Frankfurt am Main
www.carl-von-weinberg-schule.de
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S
ophie
von Olfers, Kuratorin der Ausstellung „Not in Fashion“, plante
mit ihren noch jungen 31 Jahren eine Ausstellung zum Thema Mode
und Fotografie der 90er Jahre. Diese Zeit ist der Ursprung einer neuen
Generation, für die Identitätsfindung, Individualismus und ein selbstdefinierter Stil zentrale Bedeutung hatte. Die Ausstellung ist im MMK
Museum für Moderne Kunst Frankfurt vom 25. September 2010 bis zum
9. Januar 2011 zu sehen.
„Niemand konnte sich wirklich vorstellen,
dass Bilder von einer wie Kate Moss in
die Vogue kommen.“ ICatch im Interview mit Sophie
REDAKTION: Wie kamst du gerade auf die 90er?
SOPHIE: Zunächst wollten wir eine Ausstellung zum
Thema Mode machen. Der Schwerpunkt auf die 90er
Jahre entwickelte sich erst mit der Recherche. Ich
dachte an eine eher historische Ausstellung, die sich
mit etwas beschäftigt, das noch gar nicht so lange her
ist, etwas, das einem noch vertraut ist, weil es auch
die nächste Generation beeinflusst hat. So kam ich auf
die 90er Jahre, die auch eine Umbruchzeit für die Mode
und Fotografie waren.
REDAKTION: Das war dann auch ein Teil deiner
Teenagerphase, oder?
SOPHIE: Ja, auch wenn ich das Ganze nicht so richtig
erlebt habe, ich war schließlich erst 15, kommen mir
viele der Bider sehr bekannt vor. Ich habe gemerkt, wie
sehr ich persönlich von dieser Zeit geprägt bin.
REDAKTION: Wie lange braucht man, um so eine
Ausstellung vorzubereiten?
SOPHIE: Ich habe daran ein Jahr gearbeitet. Eine völlig
neue Erfahrung für mich war die Zusammenarbeit mit
den Designern. In den Strukturen des Kunstbetriebs
kenne ich mich aus und weiß wie man mit den Künstlern
Kontakt aufnimmt. Im Modebereich ist das komplett
anders. Es ist wahnsinnig schwer Kontakt zu Modefotografen und -designern herzustellen, um überhaupt an
sie heranzu­kommen. Das Meiste lief über die so genannten „Agents“, die viele Designer haben, also die
Ansprechpartner – aber sie sind eher so etwas wie
Bodyguards. Bevor du grünes Licht bekommst mit den
Designern oder Foto­grafen zu sprechen, musst du dich
erst einmal stundenlang mit denen auseinandersetzen.
auch die Ausstellungen viel umfangreicher und komplexer sind. Darüber wollte ich mehr lernen, als ich ins
MMK gekommen bin.
REDAKTION: Nach welchen Kriterien hast du die
einzelnen Künstler für die Ausstellung ausgewählt?
SOPHIE: Ich habe viel gelesen, habe eine Menge
Magazine der Zeit studiert und geschaut, welche Po­
sitionen und Namen immer wieder über Jahre hinweg
auftauchen. Mich haben die Leute interessiert, die vor
allem radikale Arbeit für diese Zeit gemacht haben. Mir
war wichtig, dass die Leute sich in einem Moment
zwischen Kunst und Kommerz bewegen, d.h. dass die
Fotografie und Modefotografie immer bestimmte Themen behandelt, die nicht nur für den „Magazinbetrieb“
relevant sind, sondern darüber hinaus auch in einem
Ausstellungskontext existieren können. Das heißt z.B.,
dass sie ein Anliegen haben, politisch sind, etwa ein
neues Schönheitsideal einführen wollen und auch das
System „Mode“ mit ihrer Arbeit selbst kritisieren. Das
war mir wichtig. Wenn man nur Fotos von Karl Lagerfeld
ausstellen würde, würde dieser Aspekt fehlen. Er verfolgt straight seine Mode.
REDAKTION: Wie kamst du zum MMK?
SOPHIE: Ich mache schon seit ein paar Jahren unterschiedliche Ausstellungsprojekte. Vorher habe ich in
Rotterdam bei Witte de With, einem Zentrum für zeit­
genössische Kunst gearbeitet. Es ist kleiner als das
MMK. Da werden Ausstellungen viel schneller vorbereitet – man hat wesentlich weniger Zeit. Man arbeitet
mit lebenden Künstlern z.B. meiner Generation, die
leichter zu erreichen sind, die ich teilweise eben auch
persönlich kenne.
Ein Museum ist schon ein anderer – viel größerer –
Apparat, der insgesamt langsamer funktioniert, da viel
mehr Leute involviert sind, die Abläufe aber natürlich
links: Nigel Shafran, Moonflower, 1990,
Ausstellungsansicht
7
REDAKTION: Du hast für diese Ausstellung sehr eng
mit den Künstlern zusammengearbeitet. Wie haben sie
gearbeitet? Vollendeten sie ihre Arbeit im Museum?
SOPHIE: Die Zusammenarbeit war ein Prozess: vom
ersten Gespräch über die Ausstellungsidee bis hin zur
Eröffnung. Sie haben sehr gründlich überlegt. Die
meisten von ihnen hatten die Arbeiten nicht sofort parat.
Teilweise mussten sie Negative und Bilder aus dieser
Zeit wieder ausgraben und durchsehen. Es wurden
auch Bilder neu abgezogen und schließlich haben sich
alle eine Präsentation der Arbeiten in unseren Räumen
überlegt. Dafür wurden sehr unterschiedliche Lösungen
gefunden: von einfach ausgedruckten Fotos auf DIN A3
Papier, die an die Wand gepinnt wurden über Fotos, die
auf Glas aufgezogen oder solche, die zu einer riesigen
Tapete aufgeblasen sind. Mark Borthwick ist mit 2000
Bildern angereist und hat während der zwei Wochen, in
denen er die Bilder hier im Museum an die Wand
brachte, sein ganzes Leben analysiert.
REDAKTION: Das klingt so, als habe er auch im
Museum geschlafen, hat er?
SOPHIE: Nein, das durfte er leider nicht, aber tatsächlich wollte er das. Er sagte: „Sophie, can I sleep here?“
und ich musste dann immer sagen: „Mark, Entschuldigung, aber das geht nicht, das ist ein Museum, das wird
nachts natürlich alarmgesichert.“ Und dann zündete er
auch noch Räucherstäbchen und Kerzen an.
REDAKTION: Künstler durch und durch?
SOPHIE: Naja, irgendwie schon, aber eben auch nicht.
Eigentlich war das ja klar, dass die Fotografen in dieser
Hinsicht ganz anders denken. Professionell bewegen
sie sich in ganz anderen Bereichen als im Museum – im
Kontext von Magazinen, Fashionshows etc. Die meisten
zeigen ihre Arbeiten nur selten oder nie in Ausstellungen.
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REDAKTION: Gibt es Bilder, zu denen du einen
persönlichen Bezug hast?
SOPHIE: Ja, die Zeit ist mir nah. Man vergisst
so schnell, dass da ein bestimmtes Schönheitsideal
ge­schaffen wurde, mit dem wir heute immer noch
konfrontiert sind. Das Dünne, das Abgerockte, die
Grunge-Ästhetik, das Ungeschminkte fanden die Leute
wichtig, auch als Gegensatz zu den perfekten, „unechten“ 80er Jahren. Sie wollten wieder zurück zu Werten,
zur Person, zum Charakter. Und den Bildern sieht man
aber auch an, wie hart das damals alles war. Da waren
Musik, Party, Mode, viele Drogen, und das alles hing
zusammen!
REDAKTION: Also „Heroin Chic“?
SOPHIE: Ja, so wurde dieser Style in Amerika genannt.
Heroin spielte natürlich keine kleine Rolle. Aber gleichzeitig war das auch eine sehr kreative, innovative Zeit für
alle. Es wurde alles mit viel Kraft gepusht: die „Underground“– Fotografen haben ihre Fotos in die Vogue
bekommen und damit unter die Leute gebracht. Und
die sagten geschockt: Was ist denn das? Niemand
konnte sich wirklich vorstellen, dass Bilder von einer wie
Kate Moss in die Vogue kommen. So entbrannte dann
auch die Magersuchtsdiskussion.
REDAKTION: Gutes Stichwort: Warum hast du ausgerechnet die Fotostrecke mit Kate Moss von Corinne Day
für die Ausstellung ausgewählt?
SOPHIE: Man kann nicht so genau sagen, ob die
Foto­grafin Kate Moss oder Kate Moss die Fotografin
damit groß gemacht hat.
Veröffentlicht im Magazin The Face haben die Bilder so
reingeknallt, dass Kate Moss ab diesem Moment ein
Supermodel war: diesen Körper, diesen dürren, natürlichen, auch kindlichen Look wollten plötzlich alle haben
– eben u.a. auch Calvin Klein. Kate Moss traf den
Zeitgeist genau und ist heute das Idol der 90er Jahre.
Jürgen Teller hat zu mir gesagt, dass Kate Moss die
mächtigste Frau im Modebusiness sei. Und auf den
Bil­dern in der Ausstellung sieht man wie es angefangen
hat.
REDAKTION: Kannst du dich mit einem Bild besonders
identifizieren, was mit dir zu tun hat?
SOPHIE: Ja, das sind die Originalseiten aus dem
i-D-Magazin von Wolfgang Tillmans – da habe ich mich
total gefreut, als er sich entschieden hatte, diese auch zu
zeigen. Denn auf der einen Seite sieht man zwei Clubs:
Dorian Gray und das Omen – und im Omen war ich
damals auch. Das Omen war ein Techno Club in Frankfurt und das Dorian Gray war im Flughafen.
REDAKTION: Gab es da einen Künstler, der in dieser
Szene besonders involviert war?
SOPHIE: Alle Künstler haben mit den Szenen, die sie
fotografierten direkt zu tun. Wolfgang Tillmans war vor
allem in der Technoszene in Deutschland und England
unterwegs – da kam er um Frankfurt nicht herum. Cris
Moor aus New York fotografierte in der Lower East Side.
Corinne Day hat bei Partys Freunde fotografiert. Alle
haben eigentlich ihr ganz nahes Umfeld porträtiert, je
nach ihren Interessen. Und das ist sicherlich ein Grund,
warum man den Eindruck hat, dass diese Bilder relativ
authentisch sind und dass sie dem Betrachter nichts
vormachen wollen. Sie stellen das Leben so dar, wie es
für sie war – ganz nah an ihrem alltäglichen Leben.
REDAKTION: Was haben alle in den 90ern getragen?
Schlüsselwörter, bitte...
SOPHIE: Das weiße T-Shirt, die Jeans (wieder erfunden
von Helmut Lang), der Parker, Second Hand, VintageSachen. Auch in den 90ern hat man sich wie in den 80er
Jahren durchaus mehrmals am Tag umgezogen.
REDAKTION: Gibt es ein Kleidungsstück oder eine
Modemarke, die du in den 90er Jahren am liebsten
getragen hast?
SOPHIE: Ich glaube ich habe diese Ausstellung gemacht, weil ich mir nie diese Sachen von den Mode­
designern leisten konnte... (lacht)
Aber was habe ich da gern getragen? Ich war ja Mitte
der 90er etwa 15 Jahre. Ich weiß gar nicht mehr so
richtig. Ich hatte sicher Jeans an und war gar nicht so
viel anders gekleidet als ihr heute. An ein „Lieblingsstück“ kann ich mich gar nicht mehr erinnern.
REDAKTION: Was wolltest du mit dieser Ausstellung
bewirken?
SOPHIE: Ich wollte einerseits zeigen, dass man eine
Modeausstellung machen kann, ohne Kleidung aus­
zustellen. Ich wollte vielmehr Modefotografen der damaligen Zeit einladen, ihre Arbeiten heute noch mal im
Museum und damit in einem neuen Zusammenhang zu
zeigen. Andererseits habe ich aber auch Designer und
Künstler, die in den 90ern Mode gemacht haben, und die
heute immer noch in diesem Bereich arbeiten, eingeladen, ihre Arbeiten hier im Museum „live“ zu präsentieren.
Es wird in den kommenden Wochen verschiedene
Events wie Fashionshows, Performances oder Vorträge
geben. Ich wollte ein Ausstellungsformat entwickeln, bei
dem man Mode auch im Museum erleben kann. Ich
wollte, dass die Besucher der Ausstellung ein Gefühl für
diese Zeit und Mode der 90er Jahre bekommen.
von links:
Mark Borthwick, Ausstellungsansicht
Kate Moss fotografiert von Corinne Day 1990 für die
Fotostrecke „The 3rd Summer of Love“ in The Face
Cris Moor, Tal, 1997
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cl
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thes
wn
Model: Andreas Bischof
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Do
you
remember?
Eine Geschichte des Kleiderschranks
Klar, tragen wir die aktuelle Mode, aber woher
kommt sie und wie entsteht sie?
Da wir unsere Mode präsentieren und tragen,
bekommt man oft ein Schmunzeln zugeworfen
von Müttern und Großmüttern, die feststellen,
dass ihre Mode von damals wiederkommt...
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Somit kamen wir auf die Idee:
Welche Geschichten erzählt unser Kleiderschrank?
Wo ist der Ursprung der jeweiligen Kleidungsstücke?
Und woher stammen die vielen Einfälle für
ein ,,perfektes”, modisches Outfit?
Auf den nächsten zwei Seiten
haben wir zusammengestellt,
was neu ist und was schon mal da war.
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Mode
Kaum etwas scheint unvorhersehbarer, unsteter als die Art, wie wir uns und unsere Umwelt
gestalten. Trends kommen und gehen, Ikonen
steigen auf und kommen in Verruf. Wer hat sie
nicht schon durchgemacht, diese abstrakten
Phasen auf dem Weg zur Selbstfindung? Sei es
die pinke Prinzessin, die selbst metall-durchlöchert plötzlich ihre Hose zerschneidet, oder
der militante Fastfood-Kunde, der langsam zum
Veganer konvertiert.
Du bist nie wieder genau der
Mensch, der du vor einer
Sekunde warst. Jeder einzelne
Augenblick vertieft, fügt hinzu,
lässt ein Stück mehr in Ver­
gessenheit geraten.
Trotz dieser Ungewissheit gibt es aber eine allgemeine Richtung, den Mainstream, an dem sich
alles mehr oder weniger orientiert. Doch um sich
diesen, besonders in der Zuknunft ausmalen zu
können, sollte man erst einmal klären, was unter
dem Begriff „Mode” überhaupt zu verstehen ist.
Natürlich denkt jeder gleich an Kleidung, womit
jedoch nur ein Teilbereich genannt wird; vielmehr sollte man das Wort „Mode” aber als ein
größeres Bild sehen, nach dem Motto:
„Wie kleide ich mein Leben ein?”
22
in
Ein Beispiel dafür, wie umfassend Mode ist, zeigt
„Buydentity”. In dem Geschäft auf der Zeil gibt
es derzeit zwei Wochen lang die Dinge zu kaufen, die laut Mastercard eigentlich unbezahlbar
sind: Erinnerungen, Begegnungen oder auch
Bewegungen, die zu ihrer Zeit in Form von Twist
und Peace-Zeichen genauso Trends setzen konnten wie die Schulterpolster oder Stirnbänder.
Unter dem Slogan „Stop being yourself. It’s
boring.” kann man sein Gestenrepertoire erweitern und den alltäglichen Lebensmitteleinkauf
beispielsweise dadurch bereichern, dass man ein
Gespenst durch den REWE spuken lässt – als ein
Erlebnis, das für die eigene Identität prägend ist.
Nicht zuletzt geht es darum, die Behauptung
alles kaufen zu können, auf die Spitze zu treiben
und sich selbst nicht bloß durch Kleidung, Piercings oder Schönheits-OPs zu gestalten, sondern
sich tatsächlich von Innen heraus zu gestalten:
„Kauf‘ dich doch selbst!”, könnte er heißen – der
Werbeslogan in einer Welt, in der Buydentity
nicht mehr Kunstprojekt, sondern tatsächlich ein
weltweit agierendes Unternehmen zum Vertrieb
von Self- und Lifedesign-Produkten ist.
der
Wenn man nun auf das Thema Zukunftsszenario
zurückblickt, von dem wohl tausende Versionen
existieren könnten, gibt es einige Fragen, die
man sich stellen sollte um sich ein eigenes Bild
zu machen:
Was konsumieren wir? Wie
konsumieren wir es? Welche
Rolle spielen Modeobjekte
überhaupt? Wie wichtig ist
deren Aussehen? Wenn wichtig,
an welcher Norm orientiert
man sich? Ist es wichtiger, auf­
zufallen oder uniform zu sein?
Oder ist es wichtig, aufzufallen
um dazuzugehören?
Sieht man sich einmal genauer um, scheint die
Zukunft und die ihr entsprechenden Mode­
erscheinungen gar nicht mehr so weit weg zu
sein. Von SMS-sendenden Kühlschränken über
3D-T-Shirts sind allerhand (un-)erdenkliche
Errungenschaften bereits auf dem Weg in die
Läden und zunehmend häufiger im Alltag zu
finden. Ob und wie schnell sich das Ganze
entwickeln wird, ist noch ungewiss, doch die
Möglichkeiten scheinen beinahe grenzenlos.
Zu kunft
Mehr zum „Buydentity” Store auf
www.buydentity.biz oder www.red-park.net
23
city
T
HE
24
P E O P L E
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Nico, 20
Student
Alex, 17
Schüler
Rim, 19
Abiturientin
Murat, 23
Student
Jana, 20 & Marie, 19
Studentin & Aupair in Paris
Leon, 17
Schüler
Richard, 22
Student
Dino, 36
Spanisch Lehrer & Student
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Alessa, 17 & Daria, 17
Schülerinnen
Roberto, 40
Selbstständiger
Yavuz, 17
BVB-Schüler
Valerie, 18
Abiturientin
Mario, 26
Verkäufer
Makoto, 22
Tourist aus Japan
Jonathan, 15
Schüler
Vanessa, 16
Schülerin
31
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33
...and the Streets!
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39
mmparis.com | byredo.com
S K I N W E A R
M e t a l l
d u r c h
d e n
K ö r p e r
Begibt man sich im Sommer in die Stadt, den Park oder das Schwimmbad, fällt eines deutlich auf:
Tattoos sind entgegen ihrem langen schlechten Ruf massenkompatibel geworden. Immer bunter
und größer schimmern sie auf der Haut von meist jungen Menschen, deren Eltern und weitläufiger
Familien­k reis in der Großzahl oft wenig begeistert, ja sogar enttäuscht von ihren Sprösslingen sind.
Die Zahl der unterschiedlichen Motive, Muster und Symbole, welche die Körper zieren, scheint schier
unendlich, doch auch hier sind klare Parallelen, Wiederholungen und Ähnlichkeiten zu entdecken.
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T i n t e
i n
d e r
H a u t
Die Gründe für die ewigen Bilder sind so individuell wie ihre Träger: Erinnerungen an Momente oder
Personen, Trends, Gefallen an der Kunst als solche oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe, um nur einige
zu nennen. Im Gegensatz zu den Piercings aus Titan, Plastik, Gummi, Holz oder Horn, welche zwar
auch den Körper verletzen und zum Teil bleibend verändern, sind Tattoos immer eine Entscheidung fürs
Leben. Dies wird wohl häufig nicht bedacht.
Was also ist dieser Körperkult: Rebellion, Statement, Lebensgefühl, Entfremdung des Körpers,
Schmuck und Zierde oder gar eine Jugendsünde?
59
G e r r i t
M o r i t z
M o r i t z
S h a r o n
M o r i t z
Heute haben wir uns mit René getroffen, er ist
22 Jahre alt und arbeitet seit fast drei Jahren als
Tattoowierer im Kartell-Tattoostudio in Frankfurt
am Main.
Zu dem Beruf kam er, wie er uns mit dem Anflug
eines Lächelns erzählt, eher durch Zufall.
Da Zeichnen schon immer zu seinen Leidenschaften gehörte, ergriff er bei einem anstehenden Schul­
praktikum die Chance, dieses beim Kartell zu
absolvieren. Das gefiel ihm gut und er begeisterte
das gesamte Kartell-Team mit seiner Arbeit. Kurz
darauf fing er dort an zu jobben und mittlerweile
arbeitet er dort fest und regelmäßig.
Am liebsten sticht er Comics, aber auch alle anderen Arten von Tattoos. Außer Portraits, kann man
sich alles von ihm auf der Haut verewigen lassen.
Er beschreibt uns, dass ihn besonders die Wirkung
von Tattoos auf die Umwelt interessiert und stellt
fest, dass sich sein Blickwinkel auf ein Tattoo häufig definitiv vom Blick des Kunden unterscheidet.
„Mittlerweile hat ja jeder Zweite ein Tattoo!“, erwidert er auf unsere Frage nach dem Image
des Tattoos, das heutzutage einen etablierten Platz in der Gesellschaft gefunden hat. Für ihn
sind Tattoos weder modischer Schnick-Schnack noch tiefschürfende Erinnerungsstücke, sondern Berufung. Wie wir von anderen Tattoowierern erfahren haben, muss die eigene Haut auch
mal als Übungsvorlage herhalten oder man verewigt sich untereinander wie in einem Freundschaftsalbum.
I r i s
67
University
Fashion
Wer seinen Fuß auf den Cam­
pus Westend der Goethe-Uni
setzt, fühlt sich über eine
Schwelle in eine andere Welt
hineingesogen.
Auf den ersten Blick glitzert
und strahlt diese Welt. Ist
bunt und schillernd. Wenn
man jedoch für einen Moment inne­hält und seinen
geschärften Blick über den
langen Gang im IG-Farbenhaus schweifen lässt, erkennt
man auch dunkle Schattierungen in der Umgebung und
vernimmt die wirklich Mode­
besessenen, die vorbeieilen.
Ein Textbeitrag von Annette Zer,
Studentin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Jeder einzelne Student, der
sich mit einer Tasse Kaffee
oder einem Stapel Bücher
vorbeidrängt, trägt seinen
ganz besonderen Teil zum
Eindruck des gesamten
Campus-Lebens bei. Die
Umgebung verschwimmt zu
einem Klecks aus dunklen
und hellen Farben und einem
Gewirr verschiedenster
Muster.
68
Annette Zer
Bei der eigenen Wahl der Kla­
motten und dem verrückten
Kombinieren sind niemandem
Grenzen gesetzt, und man
entscheidet selbst, wie viel
man modisch wagen möchte
und was lieber im Verborgenen bleibt. Ob dicker Parka
mit UGG Boots und schwarzen Leggings oder zerrissene,
löchrige Jeans kombiniert mit
Ballerinas oder schweren
Boots – kein Outfit ist undenk­
bar, und alles wird ohne
unan­genehme Blicke akzeptiert.
Das Schöne an Studenten ist
immerhin, dass alle diese
Menschen ihre Schulzeit auf
verschiedenen Schulen
ver­bracht haben, ursprünglich aus unterschiedlichen
Städten stammen, verschiedene Freundeskreise und
Hintergründe haben und nicht
alle gleichaltrig sind. Und
wenn alle diese Persönlichkeiten auf einem Campus
herumschwirren, sind die
perfekten Voraussetzungen
geschaffen, um das zu
verdeutlichen, was Mode uns
eigentlich mitteilen möchte:
Wenn es deinem Charakter
entspricht, kram` es heraus,
trau` dich, zieh` es an, verschönere die Welt auf deine
eigene Art und Weise und
trage es mit Stolz und Freude
am Leben.
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Model: Sofia Ameen Ali
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G
oya
oya
“Ich sehe mich nicht als Dienstleister,
sondern ich mache einfach, was meine Welt ist.”
REDAKTION: Was bedeutet es für dich Kleidung zu
machen?
ELENA: Kleider zu machen hat für mich weniger mit
Mode zu tun, sondern damit, meine eigenen Bilder zu
gestalten, meine Emotionen umzusetzen, indem ich
Kleider mache. Ich sehe mich nicht als Dienstleister,
sondern ich mache einfach, was meine Welt ist. Das
könnte auch etwas anderes sein, aber nun sind es
eben Kleider. Ich würde auch gerne filmen oder malen,
wenn ich besser malen könnte. Es geht wirklich um
Bilder, die man erschaffen möchte.
REDAKTION: Wie entsteht bei dir eine Kollektion?
ELENA: Ein Beispiel: Ich saß eines morgens in der
Küche mit meinem Kaffee und habe auf diese Postkarte aus den 60er Jahren, die hier an meiner Wand
hängt, geschaut. Und diese ganzen verwaschenen
Farben aus den 60ern haben mich so berührt, dass
ich dann daraufhin eine Kollektion mit Futterstoffen
gemacht habe. Futter haben solche verwaschenen
Farben. Das Ganze ist also aus dieser Postkarte ent­
standen. Ich bin praktisch in dieser Postkarte drin
gewesen. Das sind so meine virtuellen Reisen, die ich
sehr gerne mache, deswegen brauche ich nicht so oft
in den Urlaub zu gehen. (lacht)
Für einen Interviewtermin mit goyagoya fahren wir
mit der Bahn bis zum Offenbacher Hauptbahnhof
und laufen von dort aus zur Atelierwohnung von
Elena Zenero-Hock, um ihr einige Fragen zu ihrem
Modelabel und ihrer Arbeit zu stellen.
Als wir klingeln, geht die Sprechanlage an: Eine
zarte Frauenstimme bittet uns herein, im Hintergrund ein Hund, der bellt.
Als wir durch das Treppenhaus in den ersten Stock
laufen, kommt uns Rocco entgegen, ein total
verrückter, glücklicher und tollpatschiger Doggy.
Elena und Johannes begrüßen uns und führen uns
durch einen riesiglangen Flur, der mit Punkten,
Spiegeln und ganz vielen Vintagekleinigkeiten
verziert ist.
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REDAKTION: Wie lange hast du hier das Atelier und
die Küche? Schon länger, oder? Es ist hier nämlich
ziemlich persönlich eingerichtet. Es sieht sehr gewachsen aus.
ELENA: Jetzt sind wir bereits dreieinhalb Jahre in
Offenbach. Davor waren wir in Darmstadt. Ja, es ist
hier auch gewachsen, aber dreieinhalb Jahre sind ja
auch nicht so kurz.
REDAKTION: Und vor allem wenn sich hier Privates
und Berufliches verbindet - Atelier und Wohnung - dann
wächst es wahrscheinlich auch schnell und wird voll.
ELENA: Genau.
REDAKTION: Du arbeitest viel mit Vergangenheit, mit
Sachen von früher, oder?
ELENA: Ja, definitiv. Ich glaube ein großer Teil meiner
Arbeit ist durch die Sehnsucht geprägt. Aber Sehnsucht muss ja nicht gleich etwas Melancholisches haben, eine Sehnsucht kann auch fröhlich sein. In mei­ner
Welt trifft sich Vergangenheit und Zukunft und daraus
ergibt sich dann einfach meine eigene Welt, mein eigener Augenblick: die Gegenwart.
Als wir in die Küche kommen, sind wir sprachlos.
An einer Wand sind lauter goldene Punkte, überall
alte und neue Dinge vermischt, viel mit rosa und
rot geschmückt. Die Küche sieht aus wie ein Puppenhaus! Und mittendrin der angestrengte Rocco,
der uns immer noch misstrauisch beschnüffelt und
sich nach einer Weile auf sein großes rotes Kissen
legt und vor lauter Anstrengung platt ist und einschläft.
Elena stellt sofort Gläser, Apfelschorle und Kaffee
auf den Tisch und – passend zu dem Rest des
Puppenraumes – Sahneschnitten mit Erdbeeren
und Croissants. Alles passt zueinander – sogar
das Essen. Wie soll man bitte bei diesem Anblick
noch arbeiten? Wir haben es geschafft:
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REDAKTION: Für was steht goyagoya?
ELENA: Das klingt jetzt enorm spektakulär: Ich habe
im Fernsehen eine Sendung geschaut und da ging es
um ein Theater, das nach Goya benannt werden sollte.
Und dann waren diese Schwarzweiß-Bilder im Hintergrund und da hatte ich so was, das war wie eine Vision.
Manchmal gibt es ja Augenblicke, die sind fast so wie
ein Déjà-vu, die haben etwas ganz Geheimnisvolles.
Wenn ein Wort einfach plötzlich für einen eine Bedeutung, ein Bild ergibt. Und dann war es einfach klar.
Dann war es goyagoya.
Das ist ein wenig wie Musik, die für mich auch eine
wirklich große Inspirationsquelle ist.
REDAKTION: Also du kombinierst schöne Erinnerungen an früher mit dem was heute ist.
ELENA: Nein, ich denke eben in der Welt gehört alles
dazu. Nicht nur schöne Erinnerungen sondern auch
negative Erinnerungen. Beide können einen dazu
bringen, etwas Kreatives zu schaffen. Ich bin nicht so
interessiert an „Happyhappy“.
REDAKTION: Was war deine Ausbildung?
ELENA: Ich komme aus Italien und bin jetzt 21 Jahre
in Deutschland. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen,
bin dann mit 17 Jahren, weil ich noch nicht volljährig
war, mit meinen Eltern nach Italien gezogen und habe
dort eine Modeschule besucht. 1989 bin ich dann
nach Deutschland gekommen, weil ich meinen Mann
geheiratet habe – wir haben uns am Strand kennengelernt und haben nach 20 Tagen geheiratet.
REDAKTION: Nach 20 Tagen?!?
ELENA: Ja, und jetzt bin ich eben schon so lange hier
und ich sage immer – das ist kein Satz von mir: „Ich
komme aus einem Land, was ich verlassen habe.“ Das
ist bei mir auch der Fall. Und ich glaube solche Brüche,
die nicht unbedingt immer positiv sind, tragen auch
sehr viel dazu bei, die Kleider zu machen, die ich
mache.
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Die Kollektionen von Elena findet man z.B. in ihrem Laden
„Freud“ in der Brückenstraße 42 in Frankfurt.
Einen Blick kann man auch im Internet darauf werfen:
www.goyagoya.com
REDAKTION: Klar, da hat man eine Menge Vorstellungen von anderem.
ELENA: Ja, und man verarbeitet alles. Ich hatte eine
Strickphase. Ich war auf einer Walldorfschule und das
muss man auch irgendwie verarbeiten. Das Stricken
und die Farben waren typisch Walldorfschule. Gestrickt habe ich aber mit Lurex – das ist ein Material,
das in der Walldorfschule gar nicht geht – na ja, also
so verarbeitet man das. Besonders alles, was ich bis
zum Alter von 17 oder 18 Jahren erlebt hatte – Musik,
Filme, Geschichten – sind für mich echte Anker. Aus
denen schöpfe ich sehr viele Ideen und Anregungen für
meine Arbeit, damit ist vieles, oder eigentlich alles was
ich tue, verbunden.
Meine Mutter hat mich auch unheimlich geprägt. Sie
war Schneiderin in der Haute Couture. Und bei uns
wurde eigentlich immer genäht. Ich weiß noch, dass
ich so fasziniert von Scheren war. Ich wollte immer
eine haben und sie sagte immer „Später“ und ich
habe immer gefragt „Wann?“ und sie sagte „Späterspäter“. Sie hat immer in diesen Doppelungen mit mir
geredet. Naja, „späterspäter“, „goyagoya“, „kisskiss“,
„lovelove“, ich mag das einfach wenn man etwas
dop­pelt sagt, wie „Ciao, Ciao“.
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Ein Stückchen Mode....
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René Storck
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Um etwas über den international anerkannten Jungdesigner René Storck und seine Arbeit zu erfahren, besuchen wir seinen Laden auf der Goethestraße. Kurzfristig konnten
wir zur Besichtigung vorbei kommen.
Als wir in die Goethestraße einbiegen, wird uns ganz schön unwohl: Gleich gehen wir in
einen Superdesignerladen mit superteuer und schick angezogenen Menschen, die unser
Magazin als ziemlich überflüssig empfinden könnten, ihrem Ruf jedoch nicht schaden
möchten und uns deswegen interviewen lassen... Vielleicht.
Beim Betreten des Ladens legt sich schnell unsere
anfänglich Nervosität: Der Laden ist sehr hell eingerichtet. Teppichboden, helle Regale, die in der Wand
eingearbeitet sind und darunter Kleiderbügel mit sehr
schlichten T-Shirts, Jacken und Kleidern, helle Spots,
die den Laden freundlich erscheinen lassen. An der
Kassen­theke sehen wir Fabio, der gerade ein Shirt
zusammenlegt und uns ganz herzlich begrüßt. Wir
erzählen ihm, dass wir mit Olga, der Assistentin von
René Storck, verabredet sind. Er gibt Bescheid und
Olga kommt vom ersten Stock mit einem breiten
Lächeln ins Erdgeschoss: Sie ist sehr zierlich, hat eine
vornehme Blässe und blonde Haare. Ihr Outfit, ein
schwarzes einfaches T-Shirt, ein Cashmir-Cardigan
und eine schwarze Röhrenhose mit Bügelfalte und
einem Schlitz am Ende, der ihre Ankle Boots hervorhebt. Herr Storck, erzählt sie uns, ist leider nicht im
Haus, da er heute in Paris ein Fotoshooting macht.
Sie führt uns sofort in den ersten Stock, wo wir den
Laden genau unter die Lupe nehmen. Am Anfang ist
alles noch ein bisschen nüchtern und keiner traut sich
wirklich die Designerstücke genauer anzuschauen,
geschweige denn anzufassen. Aber Olga bittet darum.
Die Stoffe kommen hauptsächlich aus Italien und
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Deutschland – generell, erzählt uns Olga, ist es Herrn
Storck von äußerster Wichtigkeit, dass die Kleider
alle „Made In Germany“ sind, um beste Qualität und
faire Produktionsbedingungen zu gewährleisten. Die
Stoffwahl von René Storck ist sehr aufwändig und
einfallsreich: Er benutzt Seide, nimmt jedoch die
Rückseite dieses Materials als Vorderseite. Durch
Waschen des Kleides erhält es eine Lederoptik,
schimmert aber immer noch seidig. Der Designer
besteht auf Schlichtheit und Alltagstauglichkeit, möchte, dass die Kundinnen seine Kollektionen auch im
normalen Leben tragen können und nicht nur auf einer
Oscar-Preisverleihung oder einem Charity-Event in Los
Angeles.
Nach einer Weile geht Olga in einen Nebenraum,
während wir uns noch einige Croco-Clutches, Röcke
mit Faltennähten an der Taille und vieles, vieles, vieles
mehr ansehen, was wir uns sowieso nicht leisten
können, aber das uns beim Anblick trotzdem euphorisch und noch neugieriger macht. Als Olga wiederkommt, läuft sie mit uns zum Aufzug, der uns in den
fünften Stock fährt. Sie fragt nach, ob wir das Atelier
mal beschnuppern dürfen und sogar dafür gab es ein
Okay.
Store: René Storck, Goethestraße 27, Frankfurt, www.renestorck.com
Das Atelier ist sehr hell, hat große Fenster und in der
Mitte des Raumes befinden sich zwei große, breite,
weiße Tische, auf denen haufenweise Stoffe, Bänder,
Bleistifte, Maß­bänder, Zeichnungen, Papier und natürlich Kaffee stehen.
Uns empfangen Guillemette und Veronica, die uns
begrüßen und geduldig auf unsere Fragen antworten.
Als Guillemette uns erzählt, wo sie früher gearbeitet
hat, erkennen wir ihren französischen Akzent: Sie
wuchs in Frankreich auf und machte ihre Schneiderausbildung bei CHANEL PARIS (!!!!).
Bei der Frage, was sie von H&M und ähnlichen Geschäften hält, sind wir total überrascht: Sie ist der Meinung, dass sie zwar tolle Schnitte und schöne Sachen
haben, die sehr preiswert sind – sie war dort auch
schon Kundin – aber natürlich durch den niedrigen
Preis auch keine hohe Qualität zu erwarten ist.
Im Unterschied dazu werden die Kleider aus der
Kollektion von René Storck fast ausschließlich aus
Naturmaterialien hergestellt. René Storck lebt zur Zeit
abwechselnd in Frankfurt und zur Inspiration in seinem
Appartement in Paris. Wenn er in Deutschland ist, ist er
häufig selbst auch im Laden und „packt mit an“, was
das Arbeitsklima sehr angenehm gestaltet, weil sich
alle kennen und die Arbeitsstruktur sehr überschaubar
ist. Seine Angestellten erscheinen wirklich sehr freundlich und fröhlich, weil sie, wie sie selbst auch sagen,
einen super Chef haben, der inspiriert und überzeugt,
genau sagt, was er möchte.
René Storck war bereits bei der Berliner Fashionweek,
beschränkt sich jetzt aber nur noch auf die Prêt-àporter in Paris, weil er das Ziel hat, in den nächsten
Jahren noch mehr international aufzusteigen.
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Talk! Talk! STORCK!
Sind Sie unter gewöhnlichen Umständen aufgewachsen oder eher “im guten Hause”, in dem Sie
auch von Ihren Eltern vielleicht am Anfang finanziell
unterstützt wurden um Ihr Talent fördern zu können?
Ich wurde streng erzogen und dazu angehalten alles Angefangene zu Ende zu bringen.
Jeder Designer fängt mal klein an. Was war Ihr
erster Job?
Ich habe für eine Schulkameradin einen Mantel genäht im Alter von 15 Jahren.
Wo haben Sie Ihre Praktika gemacht?
Ich habe nie Praktika gemacht.
Haben Sie Modedesign studiert oder Ähnliches?
Wenn ja, wo und wie lange?
Ich bin vor allem Autodidakt und habe nach dem Abitur
lediglich eine Schneiderlehre gemacht. Ich halte aber
eine fundierte Ausbildung mit einer entsprechenden Zielsetzung für sehr wichtig.
Sind Karl Lagerfeld, Wolfgang Joop und ähnliche große Modedesigner für Sie eine Inspiration und
eine Art von Vorbild oder werden Sie eher als “Konkurrenz” eingestuft?
Ich glaube in diesem Riesenmarkt ist Platz für viele Designer. Karl und Wolfgang sind auch eine ganz andere
Generation – meine Zeit hat ja erst begonnen – und sind
deshalb natürlich eher Vorbilder.
Wie haben Sie Ihre Schneiderin Guillemette
kennengelernt?
Eine Schneiderin, die bei Chanel Paris ausgebildet wurde
ist bestimmt nicht einfach zu finden. Sie hat sich ganz normal bei mir beworben. Eine Fügung würde ich sagen.
Ihre Gruppe scheint sehr familiär zu sein und sehr
freundlich. Ist das für Ihre Arbeit ein hauptsächlicher
Stellenwert? Bleibt das Arbeitsklima auch bei stressigen Situationen so angenehm?
Ich finde einen netten Umgang sehr wichtig. Aber stressige Situationen sind doch niemals angenehm. Sie gehören
jedoch dazu und bringen uns weiter.
Ihre Assistentin erzählte uns, dass es für Sie sehr
wichtig sei, dass Ihre Kleidung auch alltagstauglich ist.
Finden Sie, dass die Arbeit anderer Designer, die dies
nicht tun und sehr “auffällige” Kleider kreieren zu übertriebene Outfits produzieren, die nur auf unüblichen
Anlässen getragen werden können?
Das kann man nicht pauschalisieren. Ein guter Entwurf
erfüllt immer seinen Zweck, egal welchen.
ICatch Interview mit René Storck via Mail
Wann wurde Ihnen, Herr Storck, klar, dass Sie
Modedesigner werden möchten? Gab es einen besonderen Auslöser?
Ich habe mich schon als Kind für Mode interessiert. Als
mir dann mit 12 Jahren klar wurde, dass man daraus
einen Beruf machen kann, habe ich mir das Zeichnen
selbst beigebracht und nähen gelernt.
Wollten Sie vor Ihrer Entscheidung Kleider zu
kreieren einen anderen Berufsweg einschlagen?
Niemals.
Haben Sie vor Ihrer Selbstständigkeit bei einem
anderen Designer oder bei einem größeren Modekonzern designt?
Ich habe immer an meiner Vision einer Kollektion gearbeitet, bei anderen Modeunternehmen war ich nie.
Laufen Sie zu Hause auch mal in einer Jogginghose rum und einem alten T-Shirt? Gibt es auch Tage, an
denen Ihnen Aussehen und Kleidung unwichtig erscheinen?
Ich habe viel Spaß daran meine Outfits für öffentliche
Situationen zusammen zu stellen – das mache ich auch
ohne Stylisten, da trage ich dann sehr gerne Lanvin und
Chanel weil mir die Sachen gut passen – im Alltag ist
meine Garderobe gut organisiert, und ich muss nicht viel
überlegen, Jeans, Maßhemd, ein Cashmerepulli und das
war‘s. T-Shirts und Jogginghosen trage ich natürlich auch,
das hat heute ja aber nichts mehr mit sich-gehen-lassen
zu tun, das trägt man heute eben wenn es passt.
Was inspiriert Sie genau an Paris? Wie kamen Sie
darauf dort hinzuziehen?
Ich kenne Paris seit meiner frühesten Jugend und ich
war dort immer glücklich – da ist doch das entscheidende. Ich fühle mich dort am wohlsten und ich mag die
Franzosen und die ganze Kultur sehr. Außerdem ist Paris
Treffpunkt für die interessantesten Menschen unserer Zeit
– für mich die größte Inspiration.
Vor drei Jahren wurde Ihr Geschäft in der
Goethe­strasse in Frankfurt eröffnet. Warum in Frankfurt?
Ich lebte hier. Und durch die Lage erscheint mir Frankfurt
als die internationalste, modernste Stadt in Deutschland mit viel Potential.
Ihre Kollektionen werden auch in großen Kaufhäusern verkauft wie in München, Düsseldorf und
Baden-Baden. Hatten Sie Ihre Kollektion zuerst in
den Einkaufshäusern oder in Ihrem eigenen Geschäft
zum Verkauf bereitgestellt?
Ich habe mit meinem eigenen Geschäft begonnen.
An welchen Farben und Schnitten sollten wir uns
diesen Winter orientieren?
Ich mag alle Grüntöne sehr, und ich mag es wenn sportliche Elemente sich mit couturigem Anspruch verbinden.
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97
W
D
INDOW
ISPLAY
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H i n t e r
d e n
K u l i s s e n . . .
. . . s i e h t
a l l e s
g a n z
a n d e r s
a u s .
men ’s
fashi on
fash i on
m an
Glanz & Glamour
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121
Nagel
Lack
Ein häufig benutztes Kosmetikprodukt ist der Nagellack.
1925 wurde der erste moderne Nagellack produziert, er
war ein Nebenprodukt der Autoindustrie.
Er besteht hauptsächlich aus Nitrocellulose, aus flüssigem
Lösungsmittel und meist aus Farbpigmenten. Heute gibt
es Nagellack in vielen verschiedenen Farben, von rot über
blau und grün bis hin zu schwarz.
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123
Ftace
Face
O
125
no women no cry
ja
scheiß Raucher :S
10 points goes to mr. headbang
nein
vielleicht
zu mir oder zu dir..?
party people
was ‘ne Bombe =)
Nein Mann, ich will
noch nicht gehen..
ice ice baby to go... =)
dance to the beat
Sie steht.
138
club
culture
139
FASHION-QuiZ
Ohne Anleitung.
Ohne Lösung.
Einfach ausprobieren.
HALS-HOROSKOP
Halstuch:
Du scheinst ein sehr elegant und
schick gekleideter Mensch zu sein,
du achtest auf dein Äußeres und
kommst womöglich aus einer wohlhabenden Familie. Jeder Denkt du
wärst ruhig und zurückhaltend,
aber lass’ dich nicht einschüchtern, stille Wasser sind für gewöhnlich tief!
Hast’n
Hals?...
...Ich zeig’
dir,wie du
tickst!!!
Kragen:
Du bist sehr stilsicher und kombinierst gerne neu. Was du anfängst,
machen andere nach – ein wahrer
Trendsetter also. Du bringst eine
neue Epoche der Modewelt ins
Rollen und bist glücklich damit,
außerdem bist du sehr freundlich
und einfallsreich, andere könnten
sich von dir ruhig eine Scheibe abschneiden.
Bleib’ wie du bist und hilf anderen,
sich in Sachen Stil zu verändern,
um aus sich raus zu gehen...
Schal:
Du bist ein kreativer Kopf und ein spontaner,
im­pulsiver Mensch. Dies allerdings nur, wenn
dir etwas gefällt! Hast du von etwas die Nase
gestrichen voll, lässt du es schleifen und
bringst alle in Aufruhr – auch dich selbst.
Das Interessante an deiner Person ist: Im
normalen Alltag bist du ein eher schüchter-
Freier Hals:
Du bist selbstsicher, dir ist
es egal, was andere sagen, du
entscheidest wie es dir gerade
in den Sinn kommt, zu frieren
scheinst du auch nicht und Bist
für alles offen. Ein Tipp: Fahr’
ein wenig runter, zu viel Aufmüpfigkeit kommt manchmal nicht
so gut an. Versuch’s mit deinem
Charme, nicht gleich mit vollem
Körpereinsatz!
Krawatte:
Sie scheinen ein eher verklemmter und konventioneller Mensch zu sein, Sie haben
gerne das Sagen und sind
in dieser Beziehung oft unfreundlich und barsch. Sie
kommen für andere Menschen
ziemlich hektisch rüber und
verbreiten schlechte Laune.
Lassen Sie es sich gesagt
sein: Ein Ausflug in die Berge oder ein zartes Lächeln im
Gesicht hat noch niemandem
geschadet!
ner und zurückhaltender Mensch, der sich
kaum etwas traut zu sagen, also nimm’ deinen
Eifer, den du zum Arbeiten benutzt und komm’
aus dir heraus!
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Fliege:
Du bist verloren! Fliegen sind nicht mehr «in» – außer du gehst
in die Oper, dort könntest du allen die Show stehlen, aber bitte
lass’ tagsüber dein Schlüppchen zu Hause in der Schublade. Du
wirst sehen: Es wird dir dadurch um einiges besser ergehen.
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Medienpartner
www.mmk-frankfurt.de
Foto: Cris Moor
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Fashion
Mode und
Fotografie
der 90er Jahre
25.9.2010 —
9.1.2011

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