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I Catch t a k e i t t e x t magazin i t e d i t 2 Editorial / Geschafft! 4 Impressum 6 Interview mit Sophie von Olfers Die Kuratorin der Ausstellung „Not in Fashion“ im Gespräch mit ICatch 10 Own Clothes Ein Fashionshooting in der Ausstellung „Not in Fashion“ 17 Anzeige von Ayzit Bostan 18 „Do you remember?“ Eine Geschichte des Kleiderschranks 22 Mode in der Zukunft Wie definiere ich mein Ich? 24 The City People Im Fokus: Street Style der Frankfurter Innenstadt 34 Graffiti... and the streets Coole Outfits für Wände 57 Anzeige von M / M (Paris) 58 Skinwear Metall durch den Körper, Tinte in der Haut 68 University Fashion Eine Studentin packt aus 72 Kopftuch Accessoire und/oder Tradition? 80goyagoya Backstage im Atelier und Zuhause bei Elena... 84 Ein Stückchen Mode Die persönlichen Lieblingsstücke der ICatch-Redaktion 92 René Storck Zu Besuch in der Goethestraße 98 Window Display Experiment hinter den Kulissen 118 Fashion Man / Men‘s Fashion 120 Glanz & Glamour 124 Anzeige von Maria Cornejo / Foto: Mark Borthwick 125Face to Face Make-up your Face 136 Anzeige von Kostas Murkudis 138 Club Culture 140 Fashion-Quiz 141 Hals-Horoskop Hast’n Hals?... Ich zeig’ dir, wie du tickst! 144 Anzeige von Kostas Murkudis h n I t l a GESCH AFFT! ICatch ist ein Lifestyle-Magazin, das von Jugendlichen im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen dem MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt und der Carl-von-Weinberg-Schule konzipiert wurde. Die Idee zu diesem Vermittlungsprojekt entstand anlässlich der Ausstellung „Not in Fashion. Mode und Fotografie der 90er Jahre“. Die Ausstellung stellt eine in den 90er Jahren bekannt gewordene Generation junger Fotografen und Modedesigner vor, die eine völlig neue Bildsprache entwickelten. Sie fotografierten Mode nicht mehr im Studio, sondern mitten im Alltag: auf Straßen, Konzerten und Partys. Ihre Models waren Freunde, Raver oder Grunger. Diese Bilder haben das Verständnis von Mode, Modefotografie und Modeindustrie nachhaltig verändert, indem sie der perfekten Hochglanzästhetik eine radikal subjektive Fotografie entgegensetzten. Veröffentlicht wurden sie in Magazinen wie i-D, Purple und The Face und prägten so das Lebensgefühl einer ganzen Generation Jugendlicher. Der Blick zurück in die 90er Jahre wirft viele Fragen für die Gegenwart auf. Eine davon – und diese war Ausgang für das Projekt – ist: Welche Mode und welche Menschen würden uns Bilder zeigen, die 2010 entstanden sind? Mit ICatch erfahren Sie den ganz persönlichen Blick junger Menschen zwischen 16 und 18 Jahren auf das Phänomen Mode heute. Mein Dank gilt allen, die ICatch ermöglicht haben: Der Kuratorin der Ausstellung Sophie von Olfers und der MMK-Kunstvermittlerin Katharina Mantel für die Idee und Leitung des Projekts, unserem Kooperationspartner der Carl-von-Weinberg-Schule, insbesondere dem Schulleiter Wolfram Waltemathe und der Lehrerin Judith Kolb. Jule Hillgärtner, Mauricio Guillén und Markus Weisbeck, die als Experten in den Bereichen Text, Fotografie und Gestaltung die Jugendlichen bei der Realisierung ihrer Ideen unterstützt und begleitet haben. Auch danke ich den Künstlern der Ausstellung, die der ICatch-Redaktion eine Auswahl ihrer Werbeanzeigen zur freien Verfügung stellten. Ohne die großzügige Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes, des Kulturfonds Frankfurt RheinMain sowie der Aventis Foundation wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Ihnen allen danke ich sehr herzlich. Susanne Gaensheimer Direktorin MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main Wir Schülerinnen und Schüler der Carl-von-Weinberg-Schule haben innerhalb von fünf Tagen ICatch erstellt, parallel zur Ausstellung „Not in Fashion“ im MMK. Fotografie, Layout, Text – in allen Teams wurde unter Hochdruck gearbeitet: geknipst, getippt und gezeichnet, recherchiert und interviewt, gestaltet und Bilder hin und her geschoben, gescannt, geschnitten und geklebt, geschimpft und gelacht. – Das alles mit dem Ziel unser Magazin in dieser knappen Zeit fertig zu stellen. In ICatch geht es um die Wiederkehr vergangener Mode in aktuellen Trends, um die Möglichkeiten sich selbst zu gestalten durch Kleidung, Schminke, Piercing und Tattoos; es geht um berühmte Designer in Frankfurt, um einen anderen Blick durch die Schaufenster dieser Stadt und die Leute, die hier ihre Mode tragen. Nicht zuletzt ist es die Fotoausstellung im MMK, die den Ausgangspunkt bedeutet und uns viele Fragen stellen lässt: Für was stehen wir - die heutige Generation von Jugendlichen? Was sind unsere Ideale, unsere modischen Vorbilder? Wie sieht die Mode aus, und was heißt Mode überhaupt? Kann man die aktuellen Trends tatsächlich noch Mode nennen oder sind es bloß Kopien aus vergangenen Zeiten? Gelingt es, durch eigene Kreationen uns selbst zu entwerfen, ganz so, wie wir es geschafft haben, dieses Magazin zu entwerfen, um den Blick auf unsere Ideen und Styles zu lenken? Viel Spaß beim Blättern, Lesen und Entdecken. Die Redaktion. Dieses Projekt und ICatch konnte realisiert werden durch die freundliche Unterstützung von: EINE KULTURINITIATIVE DER AVENTIS FOUNDATION EINE KULTURINITIATIVE DER AVENTIS FOUNDATION © Winkel Design GmbH · 06 I 08 checkup 2 3 IMPRESSUM ICatch-Redaktionsteam: Stefanie Markloff, Juliana Lisac, Jonas Hopf, Mai-Linh Kirchner, Denise Schaubeck, Iris Manderla, Lina-Maria Schmiedl, Larissa Karl, Serdar Altiok, Mareike Jahn, Sharon Hulin, Maurice Steinbrück, Victor von Boltenstern, Sarah Glaser, Madleen Stokes, Andreas Bischof, Vanessa Keffel, Romaiza Ameen, Nicole Warnecke, Wai Yan Lin Htet, Younes Elmorabet, Michelle McCoy Projektbegleitung: Mauricio Guillén (Fotografie), Jule Hillgärtner (Text), Judith Kolb (Organisation CvWS), Katharina Mantel (Organisation MMK), John Russo (Gestaltung), Fanny Vogler (Organisation MMK) und Markus Weisbeck (Gestaltung) Dank an: Annette Zer für den Text “University Fashion”, Herrn Olt für die Freikarten in den Velvet Club, Frau Patten für die Kooperationsbereitschaft zur Fotostrecke “Window Displays”, Olga Naumowa, red park, Daniela Denninger und Helga Ostermeier für das Korrekturlesen und allen, die sich für ICatch fotografieren oder interviewen ließen. Herausgeber: MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main Erschienen am 10. Dezember 2010, Frankfurt am Main Projektzeitraum: 25. – 29. Oktober 2010 Druck: Druckerei Otto Lembeck GmbH & Co KG, www.lembeck.de Kontakt und Vertrieb: MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt Domstr.10 60311 Frankfurt am Main Tel.: 069. 212 30113 www.mmk-frankfurt.de [email protected] Carl-von-Weinberg-Schule Zur Waldau 21 60529 Frankfurt am Main www.carl-von-weinberg-schule.de 5 S ophie von Olfers, Kuratorin der Ausstellung „Not in Fashion“, plante mit ihren noch jungen 31 Jahren eine Ausstellung zum Thema Mode und Fotografie der 90er Jahre. Diese Zeit ist der Ursprung einer neuen Generation, für die Identitätsfindung, Individualismus und ein selbstdefinierter Stil zentrale Bedeutung hatte. Die Ausstellung ist im MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt vom 25. September 2010 bis zum 9. Januar 2011 zu sehen. „Niemand konnte sich wirklich vorstellen, dass Bilder von einer wie Kate Moss in die Vogue kommen.“ ICatch im Interview mit Sophie REDAKTION: Wie kamst du gerade auf die 90er? SOPHIE: Zunächst wollten wir eine Ausstellung zum Thema Mode machen. Der Schwerpunkt auf die 90er Jahre entwickelte sich erst mit der Recherche. Ich dachte an eine eher historische Ausstellung, die sich mit etwas beschäftigt, das noch gar nicht so lange her ist, etwas, das einem noch vertraut ist, weil es auch die nächste Generation beeinflusst hat. So kam ich auf die 90er Jahre, die auch eine Umbruchzeit für die Mode und Fotografie waren. REDAKTION: Das war dann auch ein Teil deiner Teenagerphase, oder? SOPHIE: Ja, auch wenn ich das Ganze nicht so richtig erlebt habe, ich war schließlich erst 15, kommen mir viele der Bider sehr bekannt vor. Ich habe gemerkt, wie sehr ich persönlich von dieser Zeit geprägt bin. REDAKTION: Wie lange braucht man, um so eine Ausstellung vorzubereiten? SOPHIE: Ich habe daran ein Jahr gearbeitet. Eine völlig neue Erfahrung für mich war die Zusammenarbeit mit den Designern. In den Strukturen des Kunstbetriebs kenne ich mich aus und weiß wie man mit den Künstlern Kontakt aufnimmt. Im Modebereich ist das komplett anders. Es ist wahnsinnig schwer Kontakt zu Modefotografen und -designern herzustellen, um überhaupt an sie heranzukommen. Das Meiste lief über die so genannten „Agents“, die viele Designer haben, also die Ansprechpartner – aber sie sind eher so etwas wie Bodyguards. Bevor du grünes Licht bekommst mit den Designern oder Fotografen zu sprechen, musst du dich erst einmal stundenlang mit denen auseinandersetzen. auch die Ausstellungen viel umfangreicher und komplexer sind. Darüber wollte ich mehr lernen, als ich ins MMK gekommen bin. REDAKTION: Nach welchen Kriterien hast du die einzelnen Künstler für die Ausstellung ausgewählt? SOPHIE: Ich habe viel gelesen, habe eine Menge Magazine der Zeit studiert und geschaut, welche Po sitionen und Namen immer wieder über Jahre hinweg auftauchen. Mich haben die Leute interessiert, die vor allem radikale Arbeit für diese Zeit gemacht haben. Mir war wichtig, dass die Leute sich in einem Moment zwischen Kunst und Kommerz bewegen, d.h. dass die Fotografie und Modefotografie immer bestimmte Themen behandelt, die nicht nur für den „Magazinbetrieb“ relevant sind, sondern darüber hinaus auch in einem Ausstellungskontext existieren können. Das heißt z.B., dass sie ein Anliegen haben, politisch sind, etwa ein neues Schönheitsideal einführen wollen und auch das System „Mode“ mit ihrer Arbeit selbst kritisieren. Das war mir wichtig. Wenn man nur Fotos von Karl Lagerfeld ausstellen würde, würde dieser Aspekt fehlen. Er verfolgt straight seine Mode. REDAKTION: Wie kamst du zum MMK? SOPHIE: Ich mache schon seit ein paar Jahren unterschiedliche Ausstellungsprojekte. Vorher habe ich in Rotterdam bei Witte de With, einem Zentrum für zeit genössische Kunst gearbeitet. Es ist kleiner als das MMK. Da werden Ausstellungen viel schneller vorbereitet – man hat wesentlich weniger Zeit. Man arbeitet mit lebenden Künstlern z.B. meiner Generation, die leichter zu erreichen sind, die ich teilweise eben auch persönlich kenne. Ein Museum ist schon ein anderer – viel größerer – Apparat, der insgesamt langsamer funktioniert, da viel mehr Leute involviert sind, die Abläufe aber natürlich links: Nigel Shafran, Moonflower, 1990, Ausstellungsansicht 7 REDAKTION: Du hast für diese Ausstellung sehr eng mit den Künstlern zusammengearbeitet. Wie haben sie gearbeitet? Vollendeten sie ihre Arbeit im Museum? SOPHIE: Die Zusammenarbeit war ein Prozess: vom ersten Gespräch über die Ausstellungsidee bis hin zur Eröffnung. Sie haben sehr gründlich überlegt. Die meisten von ihnen hatten die Arbeiten nicht sofort parat. Teilweise mussten sie Negative und Bilder aus dieser Zeit wieder ausgraben und durchsehen. Es wurden auch Bilder neu abgezogen und schließlich haben sich alle eine Präsentation der Arbeiten in unseren Räumen überlegt. Dafür wurden sehr unterschiedliche Lösungen gefunden: von einfach ausgedruckten Fotos auf DIN A3 Papier, die an die Wand gepinnt wurden über Fotos, die auf Glas aufgezogen oder solche, die zu einer riesigen Tapete aufgeblasen sind. Mark Borthwick ist mit 2000 Bildern angereist und hat während der zwei Wochen, in denen er die Bilder hier im Museum an die Wand brachte, sein ganzes Leben analysiert. REDAKTION: Das klingt so, als habe er auch im Museum geschlafen, hat er? SOPHIE: Nein, das durfte er leider nicht, aber tatsächlich wollte er das. Er sagte: „Sophie, can I sleep here?“ und ich musste dann immer sagen: „Mark, Entschuldigung, aber das geht nicht, das ist ein Museum, das wird nachts natürlich alarmgesichert.“ Und dann zündete er auch noch Räucherstäbchen und Kerzen an. REDAKTION: Künstler durch und durch? SOPHIE: Naja, irgendwie schon, aber eben auch nicht. Eigentlich war das ja klar, dass die Fotografen in dieser Hinsicht ganz anders denken. Professionell bewegen sie sich in ganz anderen Bereichen als im Museum – im Kontext von Magazinen, Fashionshows etc. Die meisten zeigen ihre Arbeiten nur selten oder nie in Ausstellungen. 8 REDAKTION: Gibt es Bilder, zu denen du einen persönlichen Bezug hast? SOPHIE: Ja, die Zeit ist mir nah. Man vergisst so schnell, dass da ein bestimmtes Schönheitsideal geschaffen wurde, mit dem wir heute immer noch konfrontiert sind. Das Dünne, das Abgerockte, die Grunge-Ästhetik, das Ungeschminkte fanden die Leute wichtig, auch als Gegensatz zu den perfekten, „unechten“ 80er Jahren. Sie wollten wieder zurück zu Werten, zur Person, zum Charakter. Und den Bildern sieht man aber auch an, wie hart das damals alles war. Da waren Musik, Party, Mode, viele Drogen, und das alles hing zusammen! REDAKTION: Also „Heroin Chic“? SOPHIE: Ja, so wurde dieser Style in Amerika genannt. Heroin spielte natürlich keine kleine Rolle. Aber gleichzeitig war das auch eine sehr kreative, innovative Zeit für alle. Es wurde alles mit viel Kraft gepusht: die „Underground“– Fotografen haben ihre Fotos in die Vogue bekommen und damit unter die Leute gebracht. Und die sagten geschockt: Was ist denn das? Niemand konnte sich wirklich vorstellen, dass Bilder von einer wie Kate Moss in die Vogue kommen. So entbrannte dann auch die Magersuchtsdiskussion. REDAKTION: Gutes Stichwort: Warum hast du ausgerechnet die Fotostrecke mit Kate Moss von Corinne Day für die Ausstellung ausgewählt? SOPHIE: Man kann nicht so genau sagen, ob die Fotografin Kate Moss oder Kate Moss die Fotografin damit groß gemacht hat. Veröffentlicht im Magazin The Face haben die Bilder so reingeknallt, dass Kate Moss ab diesem Moment ein Supermodel war: diesen Körper, diesen dürren, natürlichen, auch kindlichen Look wollten plötzlich alle haben – eben u.a. auch Calvin Klein. Kate Moss traf den Zeitgeist genau und ist heute das Idol der 90er Jahre. Jürgen Teller hat zu mir gesagt, dass Kate Moss die mächtigste Frau im Modebusiness sei. Und auf den Bildern in der Ausstellung sieht man wie es angefangen hat. REDAKTION: Kannst du dich mit einem Bild besonders identifizieren, was mit dir zu tun hat? SOPHIE: Ja, das sind die Originalseiten aus dem i-D-Magazin von Wolfgang Tillmans – da habe ich mich total gefreut, als er sich entschieden hatte, diese auch zu zeigen. Denn auf der einen Seite sieht man zwei Clubs: Dorian Gray und das Omen – und im Omen war ich damals auch. Das Omen war ein Techno Club in Frankfurt und das Dorian Gray war im Flughafen. REDAKTION: Gab es da einen Künstler, der in dieser Szene besonders involviert war? SOPHIE: Alle Künstler haben mit den Szenen, die sie fotografierten direkt zu tun. Wolfgang Tillmans war vor allem in der Technoszene in Deutschland und England unterwegs – da kam er um Frankfurt nicht herum. Cris Moor aus New York fotografierte in der Lower East Side. Corinne Day hat bei Partys Freunde fotografiert. Alle haben eigentlich ihr ganz nahes Umfeld porträtiert, je nach ihren Interessen. Und das ist sicherlich ein Grund, warum man den Eindruck hat, dass diese Bilder relativ authentisch sind und dass sie dem Betrachter nichts vormachen wollen. Sie stellen das Leben so dar, wie es für sie war – ganz nah an ihrem alltäglichen Leben. REDAKTION: Was haben alle in den 90ern getragen? Schlüsselwörter, bitte... SOPHIE: Das weiße T-Shirt, die Jeans (wieder erfunden von Helmut Lang), der Parker, Second Hand, VintageSachen. Auch in den 90ern hat man sich wie in den 80er Jahren durchaus mehrmals am Tag umgezogen. REDAKTION: Gibt es ein Kleidungsstück oder eine Modemarke, die du in den 90er Jahren am liebsten getragen hast? SOPHIE: Ich glaube ich habe diese Ausstellung gemacht, weil ich mir nie diese Sachen von den Mode designern leisten konnte... (lacht) Aber was habe ich da gern getragen? Ich war ja Mitte der 90er etwa 15 Jahre. Ich weiß gar nicht mehr so richtig. Ich hatte sicher Jeans an und war gar nicht so viel anders gekleidet als ihr heute. An ein „Lieblingsstück“ kann ich mich gar nicht mehr erinnern. REDAKTION: Was wolltest du mit dieser Ausstellung bewirken? SOPHIE: Ich wollte einerseits zeigen, dass man eine Modeausstellung machen kann, ohne Kleidung aus zustellen. Ich wollte vielmehr Modefotografen der damaligen Zeit einladen, ihre Arbeiten heute noch mal im Museum und damit in einem neuen Zusammenhang zu zeigen. Andererseits habe ich aber auch Designer und Künstler, die in den 90ern Mode gemacht haben, und die heute immer noch in diesem Bereich arbeiten, eingeladen, ihre Arbeiten hier im Museum „live“ zu präsentieren. Es wird in den kommenden Wochen verschiedene Events wie Fashionshows, Performances oder Vorträge geben. Ich wollte ein Ausstellungsformat entwickeln, bei dem man Mode auch im Museum erleben kann. Ich wollte, dass die Besucher der Ausstellung ein Gefühl für diese Zeit und Mode der 90er Jahre bekommen. von links: Mark Borthwick, Ausstellungsansicht Kate Moss fotografiert von Corinne Day 1990 für die Fotostrecke „The 3rd Summer of Love“ in The Face Cris Moor, Tal, 1997 9 cl 0 thes wn Model: Andreas Bischof 11 Do you remember? Eine Geschichte des Kleiderschranks Klar, tragen wir die aktuelle Mode, aber woher kommt sie und wie entsteht sie? Da wir unsere Mode präsentieren und tragen, bekommt man oft ein Schmunzeln zugeworfen von Müttern und Großmüttern, die feststellen, dass ihre Mode von damals wiederkommt... 18 Somit kamen wir auf die Idee: Welche Geschichten erzählt unser Kleiderschrank? Wo ist der Ursprung der jeweiligen Kleidungsstücke? Und woher stammen die vielen Einfälle für ein ,,perfektes”, modisches Outfit? Auf den nächsten zwei Seiten haben wir zusammengestellt, was neu ist und was schon mal da war. 19 20 21 Mode Kaum etwas scheint unvorhersehbarer, unsteter als die Art, wie wir uns und unsere Umwelt gestalten. Trends kommen und gehen, Ikonen steigen auf und kommen in Verruf. Wer hat sie nicht schon durchgemacht, diese abstrakten Phasen auf dem Weg zur Selbstfindung? Sei es die pinke Prinzessin, die selbst metall-durchlöchert plötzlich ihre Hose zerschneidet, oder der militante Fastfood-Kunde, der langsam zum Veganer konvertiert. Du bist nie wieder genau der Mensch, der du vor einer Sekunde warst. Jeder einzelne Augenblick vertieft, fügt hinzu, lässt ein Stück mehr in Ver gessenheit geraten. Trotz dieser Ungewissheit gibt es aber eine allgemeine Richtung, den Mainstream, an dem sich alles mehr oder weniger orientiert. Doch um sich diesen, besonders in der Zuknunft ausmalen zu können, sollte man erst einmal klären, was unter dem Begriff „Mode” überhaupt zu verstehen ist. Natürlich denkt jeder gleich an Kleidung, womit jedoch nur ein Teilbereich genannt wird; vielmehr sollte man das Wort „Mode” aber als ein größeres Bild sehen, nach dem Motto: „Wie kleide ich mein Leben ein?” 22 in Ein Beispiel dafür, wie umfassend Mode ist, zeigt „Buydentity”. In dem Geschäft auf der Zeil gibt es derzeit zwei Wochen lang die Dinge zu kaufen, die laut Mastercard eigentlich unbezahlbar sind: Erinnerungen, Begegnungen oder auch Bewegungen, die zu ihrer Zeit in Form von Twist und Peace-Zeichen genauso Trends setzen konnten wie die Schulterpolster oder Stirnbänder. Unter dem Slogan „Stop being yourself. It’s boring.” kann man sein Gestenrepertoire erweitern und den alltäglichen Lebensmitteleinkauf beispielsweise dadurch bereichern, dass man ein Gespenst durch den REWE spuken lässt – als ein Erlebnis, das für die eigene Identität prägend ist. Nicht zuletzt geht es darum, die Behauptung alles kaufen zu können, auf die Spitze zu treiben und sich selbst nicht bloß durch Kleidung, Piercings oder Schönheits-OPs zu gestalten, sondern sich tatsächlich von Innen heraus zu gestalten: „Kauf‘ dich doch selbst!”, könnte er heißen – der Werbeslogan in einer Welt, in der Buydentity nicht mehr Kunstprojekt, sondern tatsächlich ein weltweit agierendes Unternehmen zum Vertrieb von Self- und Lifedesign-Produkten ist. der Wenn man nun auf das Thema Zukunftsszenario zurückblickt, von dem wohl tausende Versionen existieren könnten, gibt es einige Fragen, die man sich stellen sollte um sich ein eigenes Bild zu machen: Was konsumieren wir? Wie konsumieren wir es? Welche Rolle spielen Modeobjekte überhaupt? Wie wichtig ist deren Aussehen? Wenn wichtig, an welcher Norm orientiert man sich? Ist es wichtiger, auf zufallen oder uniform zu sein? Oder ist es wichtig, aufzufallen um dazuzugehören? Sieht man sich einmal genauer um, scheint die Zukunft und die ihr entsprechenden Mode erscheinungen gar nicht mehr so weit weg zu sein. Von SMS-sendenden Kühlschränken über 3D-T-Shirts sind allerhand (un-)erdenkliche Errungenschaften bereits auf dem Weg in die Läden und zunehmend häufiger im Alltag zu finden. Ob und wie schnell sich das Ganze entwickeln wird, ist noch ungewiss, doch die Möglichkeiten scheinen beinahe grenzenlos. Zu kunft Mehr zum „Buydentity” Store auf www.buydentity.biz oder www.red-park.net 23 city T HE 24 P E O P L E 25 28 Nico, 20 Student Alex, 17 Schüler Rim, 19 Abiturientin Murat, 23 Student Jana, 20 & Marie, 19 Studentin & Aupair in Paris Leon, 17 Schüler Richard, 22 Student Dino, 36 Spanisch Lehrer & Student 29 30 Alessa, 17 & Daria, 17 Schülerinnen Roberto, 40 Selbstständiger Yavuz, 17 BVB-Schüler Valerie, 18 Abiturientin Mario, 26 Verkäufer Makoto, 22 Tourist aus Japan Jonathan, 15 Schüler Vanessa, 16 Schülerin 31 32 33 ...and the Streets! 35 38 39 mmparis.com | byredo.com S K I N W E A R M e t a l l d u r c h d e n K ö r p e r Begibt man sich im Sommer in die Stadt, den Park oder das Schwimmbad, fällt eines deutlich auf: Tattoos sind entgegen ihrem langen schlechten Ruf massenkompatibel geworden. Immer bunter und größer schimmern sie auf der Haut von meist jungen Menschen, deren Eltern und weitläufiger Familienk reis in der Großzahl oft wenig begeistert, ja sogar enttäuscht von ihren Sprösslingen sind. Die Zahl der unterschiedlichen Motive, Muster und Symbole, welche die Körper zieren, scheint schier unendlich, doch auch hier sind klare Parallelen, Wiederholungen und Ähnlichkeiten zu entdecken. 58 T i n t e i n d e r H a u t Die Gründe für die ewigen Bilder sind so individuell wie ihre Träger: Erinnerungen an Momente oder Personen, Trends, Gefallen an der Kunst als solche oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe, um nur einige zu nennen. Im Gegensatz zu den Piercings aus Titan, Plastik, Gummi, Holz oder Horn, welche zwar auch den Körper verletzen und zum Teil bleibend verändern, sind Tattoos immer eine Entscheidung fürs Leben. Dies wird wohl häufig nicht bedacht. Was also ist dieser Körperkult: Rebellion, Statement, Lebensgefühl, Entfremdung des Körpers, Schmuck und Zierde oder gar eine Jugendsünde? 59 G e r r i t M o r i t z M o r i t z S h a r o n M o r i t z Heute haben wir uns mit René getroffen, er ist 22 Jahre alt und arbeitet seit fast drei Jahren als Tattoowierer im Kartell-Tattoostudio in Frankfurt am Main. Zu dem Beruf kam er, wie er uns mit dem Anflug eines Lächelns erzählt, eher durch Zufall. Da Zeichnen schon immer zu seinen Leidenschaften gehörte, ergriff er bei einem anstehenden Schul praktikum die Chance, dieses beim Kartell zu absolvieren. Das gefiel ihm gut und er begeisterte das gesamte Kartell-Team mit seiner Arbeit. Kurz darauf fing er dort an zu jobben und mittlerweile arbeitet er dort fest und regelmäßig. Am liebsten sticht er Comics, aber auch alle anderen Arten von Tattoos. Außer Portraits, kann man sich alles von ihm auf der Haut verewigen lassen. Er beschreibt uns, dass ihn besonders die Wirkung von Tattoos auf die Umwelt interessiert und stellt fest, dass sich sein Blickwinkel auf ein Tattoo häufig definitiv vom Blick des Kunden unterscheidet. „Mittlerweile hat ja jeder Zweite ein Tattoo!“, erwidert er auf unsere Frage nach dem Image des Tattoos, das heutzutage einen etablierten Platz in der Gesellschaft gefunden hat. Für ihn sind Tattoos weder modischer Schnick-Schnack noch tiefschürfende Erinnerungsstücke, sondern Berufung. Wie wir von anderen Tattoowierern erfahren haben, muss die eigene Haut auch mal als Übungsvorlage herhalten oder man verewigt sich untereinander wie in einem Freundschaftsalbum. I r i s 67 University Fashion Wer seinen Fuß auf den Cam pus Westend der Goethe-Uni setzt, fühlt sich über eine Schwelle in eine andere Welt hineingesogen. Auf den ersten Blick glitzert und strahlt diese Welt. Ist bunt und schillernd. Wenn man jedoch für einen Moment innehält und seinen geschärften Blick über den langen Gang im IG-Farbenhaus schweifen lässt, erkennt man auch dunkle Schattierungen in der Umgebung und vernimmt die wirklich Mode besessenen, die vorbeieilen. Ein Textbeitrag von Annette Zer, Studentin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Jeder einzelne Student, der sich mit einer Tasse Kaffee oder einem Stapel Bücher vorbeidrängt, trägt seinen ganz besonderen Teil zum Eindruck des gesamten Campus-Lebens bei. Die Umgebung verschwimmt zu einem Klecks aus dunklen und hellen Farben und einem Gewirr verschiedenster Muster. 68 Annette Zer Bei der eigenen Wahl der Kla motten und dem verrückten Kombinieren sind niemandem Grenzen gesetzt, und man entscheidet selbst, wie viel man modisch wagen möchte und was lieber im Verborgenen bleibt. Ob dicker Parka mit UGG Boots und schwarzen Leggings oder zerrissene, löchrige Jeans kombiniert mit Ballerinas oder schweren Boots – kein Outfit ist undenk bar, und alles wird ohne unangenehme Blicke akzeptiert. Das Schöne an Studenten ist immerhin, dass alle diese Menschen ihre Schulzeit auf verschiedenen Schulen verbracht haben, ursprünglich aus unterschiedlichen Städten stammen, verschiedene Freundeskreise und Hintergründe haben und nicht alle gleichaltrig sind. Und wenn alle diese Persönlichkeiten auf einem Campus herumschwirren, sind die perfekten Voraussetzungen geschaffen, um das zu verdeutlichen, was Mode uns eigentlich mitteilen möchte: Wenn es deinem Charakter entspricht, kram` es heraus, trau` dich, zieh` es an, verschönere die Welt auf deine eigene Art und Weise und trage es mit Stolz und Freude am Leben. 69 70 71 Model: Sofia Ameen Ali 72 G oya oya “Ich sehe mich nicht als Dienstleister, sondern ich mache einfach, was meine Welt ist.” REDAKTION: Was bedeutet es für dich Kleidung zu machen? ELENA: Kleider zu machen hat für mich weniger mit Mode zu tun, sondern damit, meine eigenen Bilder zu gestalten, meine Emotionen umzusetzen, indem ich Kleider mache. Ich sehe mich nicht als Dienstleister, sondern ich mache einfach, was meine Welt ist. Das könnte auch etwas anderes sein, aber nun sind es eben Kleider. Ich würde auch gerne filmen oder malen, wenn ich besser malen könnte. Es geht wirklich um Bilder, die man erschaffen möchte. REDAKTION: Wie entsteht bei dir eine Kollektion? ELENA: Ein Beispiel: Ich saß eines morgens in der Küche mit meinem Kaffee und habe auf diese Postkarte aus den 60er Jahren, die hier an meiner Wand hängt, geschaut. Und diese ganzen verwaschenen Farben aus den 60ern haben mich so berührt, dass ich dann daraufhin eine Kollektion mit Futterstoffen gemacht habe. Futter haben solche verwaschenen Farben. Das Ganze ist also aus dieser Postkarte ent standen. Ich bin praktisch in dieser Postkarte drin gewesen. Das sind so meine virtuellen Reisen, die ich sehr gerne mache, deswegen brauche ich nicht so oft in den Urlaub zu gehen. (lacht) Für einen Interviewtermin mit goyagoya fahren wir mit der Bahn bis zum Offenbacher Hauptbahnhof und laufen von dort aus zur Atelierwohnung von Elena Zenero-Hock, um ihr einige Fragen zu ihrem Modelabel und ihrer Arbeit zu stellen. Als wir klingeln, geht die Sprechanlage an: Eine zarte Frauenstimme bittet uns herein, im Hintergrund ein Hund, der bellt. Als wir durch das Treppenhaus in den ersten Stock laufen, kommt uns Rocco entgegen, ein total verrückter, glücklicher und tollpatschiger Doggy. Elena und Johannes begrüßen uns und führen uns durch einen riesiglangen Flur, der mit Punkten, Spiegeln und ganz vielen Vintagekleinigkeiten verziert ist. 80 REDAKTION: Wie lange hast du hier das Atelier und die Küche? Schon länger, oder? Es ist hier nämlich ziemlich persönlich eingerichtet. Es sieht sehr gewachsen aus. ELENA: Jetzt sind wir bereits dreieinhalb Jahre in Offenbach. Davor waren wir in Darmstadt. Ja, es ist hier auch gewachsen, aber dreieinhalb Jahre sind ja auch nicht so kurz. REDAKTION: Und vor allem wenn sich hier Privates und Berufliches verbindet - Atelier und Wohnung - dann wächst es wahrscheinlich auch schnell und wird voll. ELENA: Genau. REDAKTION: Du arbeitest viel mit Vergangenheit, mit Sachen von früher, oder? ELENA: Ja, definitiv. Ich glaube ein großer Teil meiner Arbeit ist durch die Sehnsucht geprägt. Aber Sehnsucht muss ja nicht gleich etwas Melancholisches haben, eine Sehnsucht kann auch fröhlich sein. In meiner Welt trifft sich Vergangenheit und Zukunft und daraus ergibt sich dann einfach meine eigene Welt, mein eigener Augenblick: die Gegenwart. Als wir in die Küche kommen, sind wir sprachlos. An einer Wand sind lauter goldene Punkte, überall alte und neue Dinge vermischt, viel mit rosa und rot geschmückt. Die Küche sieht aus wie ein Puppenhaus! Und mittendrin der angestrengte Rocco, der uns immer noch misstrauisch beschnüffelt und sich nach einer Weile auf sein großes rotes Kissen legt und vor lauter Anstrengung platt ist und einschläft. Elena stellt sofort Gläser, Apfelschorle und Kaffee auf den Tisch und – passend zu dem Rest des Puppenraumes – Sahneschnitten mit Erdbeeren und Croissants. Alles passt zueinander – sogar das Essen. Wie soll man bitte bei diesem Anblick noch arbeiten? Wir haben es geschafft: 81 REDAKTION: Für was steht goyagoya? ELENA: Das klingt jetzt enorm spektakulär: Ich habe im Fernsehen eine Sendung geschaut und da ging es um ein Theater, das nach Goya benannt werden sollte. Und dann waren diese Schwarzweiß-Bilder im Hintergrund und da hatte ich so was, das war wie eine Vision. Manchmal gibt es ja Augenblicke, die sind fast so wie ein Déjà-vu, die haben etwas ganz Geheimnisvolles. Wenn ein Wort einfach plötzlich für einen eine Bedeutung, ein Bild ergibt. Und dann war es einfach klar. Dann war es goyagoya. Das ist ein wenig wie Musik, die für mich auch eine wirklich große Inspirationsquelle ist. REDAKTION: Also du kombinierst schöne Erinnerungen an früher mit dem was heute ist. ELENA: Nein, ich denke eben in der Welt gehört alles dazu. Nicht nur schöne Erinnerungen sondern auch negative Erinnerungen. Beide können einen dazu bringen, etwas Kreatives zu schaffen. Ich bin nicht so interessiert an „Happyhappy“. REDAKTION: Was war deine Ausbildung? ELENA: Ich komme aus Italien und bin jetzt 21 Jahre in Deutschland. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen, bin dann mit 17 Jahren, weil ich noch nicht volljährig war, mit meinen Eltern nach Italien gezogen und habe dort eine Modeschule besucht. 1989 bin ich dann nach Deutschland gekommen, weil ich meinen Mann geheiratet habe – wir haben uns am Strand kennengelernt und haben nach 20 Tagen geheiratet. REDAKTION: Nach 20 Tagen?!? ELENA: Ja, und jetzt bin ich eben schon so lange hier und ich sage immer – das ist kein Satz von mir: „Ich komme aus einem Land, was ich verlassen habe.“ Das ist bei mir auch der Fall. Und ich glaube solche Brüche, die nicht unbedingt immer positiv sind, tragen auch sehr viel dazu bei, die Kleider zu machen, die ich mache. 82 Die Kollektionen von Elena findet man z.B. in ihrem Laden „Freud“ in der Brückenstraße 42 in Frankfurt. Einen Blick kann man auch im Internet darauf werfen: www.goyagoya.com REDAKTION: Klar, da hat man eine Menge Vorstellungen von anderem. ELENA: Ja, und man verarbeitet alles. Ich hatte eine Strickphase. Ich war auf einer Walldorfschule und das muss man auch irgendwie verarbeiten. Das Stricken und die Farben waren typisch Walldorfschule. Gestrickt habe ich aber mit Lurex – das ist ein Material, das in der Walldorfschule gar nicht geht – na ja, also so verarbeitet man das. Besonders alles, was ich bis zum Alter von 17 oder 18 Jahren erlebt hatte – Musik, Filme, Geschichten – sind für mich echte Anker. Aus denen schöpfe ich sehr viele Ideen und Anregungen für meine Arbeit, damit ist vieles, oder eigentlich alles was ich tue, verbunden. Meine Mutter hat mich auch unheimlich geprägt. Sie war Schneiderin in der Haute Couture. Und bei uns wurde eigentlich immer genäht. Ich weiß noch, dass ich so fasziniert von Scheren war. Ich wollte immer eine haben und sie sagte immer „Später“ und ich habe immer gefragt „Wann?“ und sie sagte „Späterspäter“. Sie hat immer in diesen Doppelungen mit mir geredet. Naja, „späterspäter“, „goyagoya“, „kisskiss“, „lovelove“, ich mag das einfach wenn man etwas doppelt sagt, wie „Ciao, Ciao“. 83 Ein Stückchen Mode.... 84 86 87 88 89 90 91 René Storck 92 93 Um etwas über den international anerkannten Jungdesigner René Storck und seine Arbeit zu erfahren, besuchen wir seinen Laden auf der Goethestraße. Kurzfristig konnten wir zur Besichtigung vorbei kommen. Als wir in die Goethestraße einbiegen, wird uns ganz schön unwohl: Gleich gehen wir in einen Superdesignerladen mit superteuer und schick angezogenen Menschen, die unser Magazin als ziemlich überflüssig empfinden könnten, ihrem Ruf jedoch nicht schaden möchten und uns deswegen interviewen lassen... Vielleicht. Beim Betreten des Ladens legt sich schnell unsere anfänglich Nervosität: Der Laden ist sehr hell eingerichtet. Teppichboden, helle Regale, die in der Wand eingearbeitet sind und darunter Kleiderbügel mit sehr schlichten T-Shirts, Jacken und Kleidern, helle Spots, die den Laden freundlich erscheinen lassen. An der Kassentheke sehen wir Fabio, der gerade ein Shirt zusammenlegt und uns ganz herzlich begrüßt. Wir erzählen ihm, dass wir mit Olga, der Assistentin von René Storck, verabredet sind. Er gibt Bescheid und Olga kommt vom ersten Stock mit einem breiten Lächeln ins Erdgeschoss: Sie ist sehr zierlich, hat eine vornehme Blässe und blonde Haare. Ihr Outfit, ein schwarzes einfaches T-Shirt, ein Cashmir-Cardigan und eine schwarze Röhrenhose mit Bügelfalte und einem Schlitz am Ende, der ihre Ankle Boots hervorhebt. Herr Storck, erzählt sie uns, ist leider nicht im Haus, da er heute in Paris ein Fotoshooting macht. Sie führt uns sofort in den ersten Stock, wo wir den Laden genau unter die Lupe nehmen. Am Anfang ist alles noch ein bisschen nüchtern und keiner traut sich wirklich die Designerstücke genauer anzuschauen, geschweige denn anzufassen. Aber Olga bittet darum. Die Stoffe kommen hauptsächlich aus Italien und 94 Deutschland – generell, erzählt uns Olga, ist es Herrn Storck von äußerster Wichtigkeit, dass die Kleider alle „Made In Germany“ sind, um beste Qualität und faire Produktionsbedingungen zu gewährleisten. Die Stoffwahl von René Storck ist sehr aufwändig und einfallsreich: Er benutzt Seide, nimmt jedoch die Rückseite dieses Materials als Vorderseite. Durch Waschen des Kleides erhält es eine Lederoptik, schimmert aber immer noch seidig. Der Designer besteht auf Schlichtheit und Alltagstauglichkeit, möchte, dass die Kundinnen seine Kollektionen auch im normalen Leben tragen können und nicht nur auf einer Oscar-Preisverleihung oder einem Charity-Event in Los Angeles. Nach einer Weile geht Olga in einen Nebenraum, während wir uns noch einige Croco-Clutches, Röcke mit Faltennähten an der Taille und vieles, vieles, vieles mehr ansehen, was wir uns sowieso nicht leisten können, aber das uns beim Anblick trotzdem euphorisch und noch neugieriger macht. Als Olga wiederkommt, läuft sie mit uns zum Aufzug, der uns in den fünften Stock fährt. Sie fragt nach, ob wir das Atelier mal beschnuppern dürfen und sogar dafür gab es ein Okay. Store: René Storck, Goethestraße 27, Frankfurt, www.renestorck.com Das Atelier ist sehr hell, hat große Fenster und in der Mitte des Raumes befinden sich zwei große, breite, weiße Tische, auf denen haufenweise Stoffe, Bänder, Bleistifte, Maßbänder, Zeichnungen, Papier und natürlich Kaffee stehen. Uns empfangen Guillemette und Veronica, die uns begrüßen und geduldig auf unsere Fragen antworten. Als Guillemette uns erzählt, wo sie früher gearbeitet hat, erkennen wir ihren französischen Akzent: Sie wuchs in Frankreich auf und machte ihre Schneiderausbildung bei CHANEL PARIS (!!!!). Bei der Frage, was sie von H&M und ähnlichen Geschäften hält, sind wir total überrascht: Sie ist der Meinung, dass sie zwar tolle Schnitte und schöne Sachen haben, die sehr preiswert sind – sie war dort auch schon Kundin – aber natürlich durch den niedrigen Preis auch keine hohe Qualität zu erwarten ist. Im Unterschied dazu werden die Kleider aus der Kollektion von René Storck fast ausschließlich aus Naturmaterialien hergestellt. René Storck lebt zur Zeit abwechselnd in Frankfurt und zur Inspiration in seinem Appartement in Paris. Wenn er in Deutschland ist, ist er häufig selbst auch im Laden und „packt mit an“, was das Arbeitsklima sehr angenehm gestaltet, weil sich alle kennen und die Arbeitsstruktur sehr überschaubar ist. Seine Angestellten erscheinen wirklich sehr freundlich und fröhlich, weil sie, wie sie selbst auch sagen, einen super Chef haben, der inspiriert und überzeugt, genau sagt, was er möchte. René Storck war bereits bei der Berliner Fashionweek, beschränkt sich jetzt aber nur noch auf die Prêt-àporter in Paris, weil er das Ziel hat, in den nächsten Jahren noch mehr international aufzusteigen. 95 Talk! Talk! STORCK! Sind Sie unter gewöhnlichen Umständen aufgewachsen oder eher “im guten Hause”, in dem Sie auch von Ihren Eltern vielleicht am Anfang finanziell unterstützt wurden um Ihr Talent fördern zu können? Ich wurde streng erzogen und dazu angehalten alles Angefangene zu Ende zu bringen. Jeder Designer fängt mal klein an. Was war Ihr erster Job? Ich habe für eine Schulkameradin einen Mantel genäht im Alter von 15 Jahren. Wo haben Sie Ihre Praktika gemacht? Ich habe nie Praktika gemacht. Haben Sie Modedesign studiert oder Ähnliches? Wenn ja, wo und wie lange? Ich bin vor allem Autodidakt und habe nach dem Abitur lediglich eine Schneiderlehre gemacht. Ich halte aber eine fundierte Ausbildung mit einer entsprechenden Zielsetzung für sehr wichtig. Sind Karl Lagerfeld, Wolfgang Joop und ähnliche große Modedesigner für Sie eine Inspiration und eine Art von Vorbild oder werden Sie eher als “Konkurrenz” eingestuft? Ich glaube in diesem Riesenmarkt ist Platz für viele Designer. Karl und Wolfgang sind auch eine ganz andere Generation – meine Zeit hat ja erst begonnen – und sind deshalb natürlich eher Vorbilder. Wie haben Sie Ihre Schneiderin Guillemette kennengelernt? Eine Schneiderin, die bei Chanel Paris ausgebildet wurde ist bestimmt nicht einfach zu finden. Sie hat sich ganz normal bei mir beworben. Eine Fügung würde ich sagen. Ihre Gruppe scheint sehr familiär zu sein und sehr freundlich. Ist das für Ihre Arbeit ein hauptsächlicher Stellenwert? Bleibt das Arbeitsklima auch bei stressigen Situationen so angenehm? Ich finde einen netten Umgang sehr wichtig. Aber stressige Situationen sind doch niemals angenehm. Sie gehören jedoch dazu und bringen uns weiter. Ihre Assistentin erzählte uns, dass es für Sie sehr wichtig sei, dass Ihre Kleidung auch alltagstauglich ist. Finden Sie, dass die Arbeit anderer Designer, die dies nicht tun und sehr “auffällige” Kleider kreieren zu übertriebene Outfits produzieren, die nur auf unüblichen Anlässen getragen werden können? Das kann man nicht pauschalisieren. Ein guter Entwurf erfüllt immer seinen Zweck, egal welchen. ICatch Interview mit René Storck via Mail Wann wurde Ihnen, Herr Storck, klar, dass Sie Modedesigner werden möchten? Gab es einen besonderen Auslöser? Ich habe mich schon als Kind für Mode interessiert. Als mir dann mit 12 Jahren klar wurde, dass man daraus einen Beruf machen kann, habe ich mir das Zeichnen selbst beigebracht und nähen gelernt. Wollten Sie vor Ihrer Entscheidung Kleider zu kreieren einen anderen Berufsweg einschlagen? Niemals. Haben Sie vor Ihrer Selbstständigkeit bei einem anderen Designer oder bei einem größeren Modekonzern designt? Ich habe immer an meiner Vision einer Kollektion gearbeitet, bei anderen Modeunternehmen war ich nie. Laufen Sie zu Hause auch mal in einer Jogginghose rum und einem alten T-Shirt? Gibt es auch Tage, an denen Ihnen Aussehen und Kleidung unwichtig erscheinen? Ich habe viel Spaß daran meine Outfits für öffentliche Situationen zusammen zu stellen – das mache ich auch ohne Stylisten, da trage ich dann sehr gerne Lanvin und Chanel weil mir die Sachen gut passen – im Alltag ist meine Garderobe gut organisiert, und ich muss nicht viel überlegen, Jeans, Maßhemd, ein Cashmerepulli und das war‘s. T-Shirts und Jogginghosen trage ich natürlich auch, das hat heute ja aber nichts mehr mit sich-gehen-lassen zu tun, das trägt man heute eben wenn es passt. Was inspiriert Sie genau an Paris? Wie kamen Sie darauf dort hinzuziehen? Ich kenne Paris seit meiner frühesten Jugend und ich war dort immer glücklich – da ist doch das entscheidende. Ich fühle mich dort am wohlsten und ich mag die Franzosen und die ganze Kultur sehr. Außerdem ist Paris Treffpunkt für die interessantesten Menschen unserer Zeit – für mich die größte Inspiration. Vor drei Jahren wurde Ihr Geschäft in der Goethestrasse in Frankfurt eröffnet. Warum in Frankfurt? Ich lebte hier. Und durch die Lage erscheint mir Frankfurt als die internationalste, modernste Stadt in Deutschland mit viel Potential. Ihre Kollektionen werden auch in großen Kaufhäusern verkauft wie in München, Düsseldorf und Baden-Baden. Hatten Sie Ihre Kollektion zuerst in den Einkaufshäusern oder in Ihrem eigenen Geschäft zum Verkauf bereitgestellt? Ich habe mit meinem eigenen Geschäft begonnen. An welchen Farben und Schnitten sollten wir uns diesen Winter orientieren? Ich mag alle Grüntöne sehr, und ich mag es wenn sportliche Elemente sich mit couturigem Anspruch verbinden. 96 97 W D INDOW ISPLAY 98 H i n t e r d e n K u l i s s e n . . . . . . s i e h t a l l e s g a n z a n d e r s a u s . men ’s fashi on fash i on m an Glanz & Glamour 120 121 Nagel Lack Ein häufig benutztes Kosmetikprodukt ist der Nagellack. 1925 wurde der erste moderne Nagellack produziert, er war ein Nebenprodukt der Autoindustrie. Er besteht hauptsächlich aus Nitrocellulose, aus flüssigem Lösungsmittel und meist aus Farbpigmenten. Heute gibt es Nagellack in vielen verschiedenen Farben, von rot über blau und grün bis hin zu schwarz. 122 123 Ftace Face O 125 no women no cry ja scheiß Raucher :S 10 points goes to mr. headbang nein vielleicht zu mir oder zu dir..? party people was ‘ne Bombe =) Nein Mann, ich will noch nicht gehen.. ice ice baby to go... =) dance to the beat Sie steht. 138 club culture 139 FASHION-QuiZ Ohne Anleitung. Ohne Lösung. Einfach ausprobieren. HALS-HOROSKOP Halstuch: Du scheinst ein sehr elegant und schick gekleideter Mensch zu sein, du achtest auf dein Äußeres und kommst womöglich aus einer wohlhabenden Familie. Jeder Denkt du wärst ruhig und zurückhaltend, aber lass’ dich nicht einschüchtern, stille Wasser sind für gewöhnlich tief! Hast’n Hals?... ...Ich zeig’ dir,wie du tickst!!! Kragen: Du bist sehr stilsicher und kombinierst gerne neu. Was du anfängst, machen andere nach – ein wahrer Trendsetter also. Du bringst eine neue Epoche der Modewelt ins Rollen und bist glücklich damit, außerdem bist du sehr freundlich und einfallsreich, andere könnten sich von dir ruhig eine Scheibe abschneiden. Bleib’ wie du bist und hilf anderen, sich in Sachen Stil zu verändern, um aus sich raus zu gehen... Schal: Du bist ein kreativer Kopf und ein spontaner, impulsiver Mensch. Dies allerdings nur, wenn dir etwas gefällt! Hast du von etwas die Nase gestrichen voll, lässt du es schleifen und bringst alle in Aufruhr – auch dich selbst. Das Interessante an deiner Person ist: Im normalen Alltag bist du ein eher schüchter- Freier Hals: Du bist selbstsicher, dir ist es egal, was andere sagen, du entscheidest wie es dir gerade in den Sinn kommt, zu frieren scheinst du auch nicht und Bist für alles offen. Ein Tipp: Fahr’ ein wenig runter, zu viel Aufmüpfigkeit kommt manchmal nicht so gut an. Versuch’s mit deinem Charme, nicht gleich mit vollem Körpereinsatz! Krawatte: Sie scheinen ein eher verklemmter und konventioneller Mensch zu sein, Sie haben gerne das Sagen und sind in dieser Beziehung oft unfreundlich und barsch. Sie kommen für andere Menschen ziemlich hektisch rüber und verbreiten schlechte Laune. Lassen Sie es sich gesagt sein: Ein Ausflug in die Berge oder ein zartes Lächeln im Gesicht hat noch niemandem geschadet! ner und zurückhaltender Mensch, der sich kaum etwas traut zu sagen, also nimm’ deinen Eifer, den du zum Arbeiten benutzt und komm’ aus dir heraus! 140 Fliege: Du bist verloren! Fliegen sind nicht mehr «in» – außer du gehst in die Oper, dort könntest du allen die Show stehlen, aber bitte lass’ tagsüber dein Schlüppchen zu Hause in der Schublade. Du wirst sehen: Es wird dir dadurch um einiges besser ergehen. 141 Medienpartner www.mmk-frankfurt.de Foto: Cris Moor Form: Surface.de Gefördert und ermöglicht durch Not in Fashion Mode und Fotografie der 90er Jahre 25.9.2010 — 9.1.2011