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Stiftungsaktivitäten
2001-2002
Hamburg, im April 2003
INHALT
Wissenschaft und Forschung/Ingmar Ahl
Vorwort
6
Der Stifter
44
Rechtswissenschaften
46
Geschichtswissenschaften
48
Philosophie
58
8
Kunst und Kultur/Philipp Adlung
Leitbild
10
Die Fördertätigkeit der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd
Bucerius in den Jahren 2001 und 2002/Michael Göring
Nachruf Tyll Necker
12
68
Kunst- und Museumsförderung
70
Musikförderung
76
Literaturförderung
80
Kulturerhalt
82
14
Bildung und Erziehung/Albrecht Graf von Kalnein
Nachruf Marion Gräfin Dönhoff
16
Die eigenen Einrichtungen der ZEIT-Stiftung
Ebelin und Gerd Bucerius
Die Bucerius Law School – die erste private Hochschule
für Rechtswissenschaft in Deutschland/Karsten Schmidt
Kunst im Herzen der Stadt –
das Bucerius Kunst Forum/Philipp Adlung
Die internationalen Aktivitäten der ZEIT-Stiftung
Ebelin und Gerd Bucerius/Michael Göring
18
18
90
Initiativen im Bildungsbereich
92
Forum Buch
98
100
Wandel in Osteuropa
Evaluierung und ihre wachsende Bedeutung
für die Stiftungsarbeit/Hannah Jacobmeyer
108
English Summary
110
22
24
Anhang
Projekte in Israel/Manfred Lahnstein
28
Die ZEIT-Stiftung 2001 und 2002 in Zahlen
114
Stiftungsengagement für Mittel- und Osteuropa/Klaus Asche
32
Förderbedingungen
116
Hoher Stellenwert der Internationalisierung an der
Bucerius Law School/Andrea Leuck-Baumanns
36
Organe der Stiftung
117
Impressum
118
Bildnachweis
119
Die Bucerius Summer School on Global
Governance/Bernhard Lorentz
[ 4]
40
[ 5]
VORWORT
Vorjahren hat die Stiftung bei den von ihr selbst entwickelten Vorhaben und bei der
Auswahl der an sie herangetragenen Projekte Dritter besonderen Wert darauf gelegt,
dass in ihren Förderbereichen Wissenschaft, Kultur und Bildung nachhaltig wirksame
Innovationen realisiert und besonders begabte Nachwuchskräfte unterstützt
wurden. Die Stiftung versteht ihre Tätigkeit als Beitrag zu einer engagierten Bürgergesellschaft, die Defizite aufgreift, Lösungsmöglichkeiten entwickelt, Neuerungen
selbst gestaltet und verwirklicht, aber auch kulturelle Traditionen pflegt und erhält.
Der vorliegende Bericht erläutert die wichtigsten Fördervorhaben und gibt exemplarisch Einblick in das nationale und internationale Förderprogramm der Stiftung.
Die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius legt ihren dritten Tätigkeitsbericht vor,
der die Jahre 2001 und 2002 umfasst.
Die zurückliegenden Monate waren insbesondere durch den Aufbau einer zweiten
eigenen Tochtergesellschaft der Stiftung geprägt: Das Bucerius Kunst Forum am
Hamburger Rathausmarkt öffnete im Herbst 2002 erstmalig seine Tore.
Das Kuratorium hat mit Dr. Tyll Necker (29. März 2001) und Dr. Marion Gräfin Dönhoff
(11. März 2002) zwei sehr bedeutende Mitglieder verloren, deren Wirken für die
PROFESSOR MANFRED LAHNSTEIN
Vorsitzender des Kuratoriums
DR. KLAUS ASCHE
Mitglied des Vorstands
PROF. DR. KARSTEN SCHMIDT
Mitglied des Vorstands
PROF. DR. MICHAEL GÖRING
Mitglied des Vorstands
Stiftung unvergessen bleibt. Dr. Martin Kohlhaussen und Professor Jobst Plog sind im
Berichtszeitraum neu in das Kuratorium gewählt worden.
Die Stiftung hat die Erträge des von Dr. Gerd Bucerius und seiner Frau der Stiftung
hinterlassenen Vermögens erheblich steigern können. Nach 21,9 Mio. Euro im Jahr
2001 erreichten die Erträge aus dem Stiftungsvermögen mit 27,8 Mio. Euro für das
Jahr 2002 ihren bisherigen Höchstwert. Die ZEIT-Stiftung gehört damit zu den acht
größten von privater Hand in Deutschland errichteten Stiftungen.
Mehr als 340 Fördervorhaben hat das Team der Stiftung in den vergangenen 24 Monaten entwickelt, begutachtet, bearbeitet, durchgeführt, kontrolliert oder begleitet.
Über 220 Vorhaben sind neu in das Förderprogramm aufgenommen worden. Rund 75
Prozent der Fördermittel 2001 und 2002 hat die Stiftung für Vorhaben in der Stadt
Hamburg aufgewendet, 17 Prozent galten Fördervorhaben im Ausland. Wie in den
[6]
[ 7]
DER STIFTER
Lizenzträger, Verleger, bald Eigentümer, und er blieb die Unruhe in ihrem filigranen
Uhrwerk, solange er lebte. »DIE ZEIT« war indes bald nur Teil eines grösseren verlegerischen Imperiums, aus dem am Ende zudem eine Stiftung hervorging, die ihrerseits
neue Gründungen – Innovationen nannte man diese mittlerweile – beförderte.
Bucerius war aber auch ein Gründer des deutschen Nachkriegsgemeinwesens, also
jenes neuen Deutschland, das als Bundesrepublik in die Geschichte eingegangen ist.
Er vertrat an wichtiger Stelle und in durchaus praktischer Weise ihre Gründungsphilosophie, in der Westorientierung und Marktwirtschaft sich vereinten. Beide
blieben in charakteristischer Weise temperiert, die Westorientierung durch den Sinn
für die deutsche Nation sowie die Marktwirtschaft durch ein Element der sozialen
Verpflichtung. Bucerius gehörte zu den ziemlich seltenen öffentlichen Figuren, die
sich gleichermassen für Konrad Adenauer und für Ludwig Erhard erwärmen konnten.
Mehr noch, mit der Zeit fand er den Weg zu den Veränderungen der sechziger Jahre.
Er war ein rechter Liberaler, zeitweise sogar ein rechter Sozialliberaler.
Gerd Bucerius wandte sein beträchtliches Talent daran, sein Werk durch oft umständ-
Gerd Bucerius (1906-1995)
liche rechtliche und geschäftliche Konstruktionen vor neuen Untergängen zu schützen, und gab ihm zugleich seine explosive Mischung von aufsässigem Freiheitssinn
und Instinkt für wirtschaftliche Erfordernisse auf den Weg. Nicht dass für ihn das Sein
»Dies ist die Geschichte eines ungewöhnlichen Mannes. Ständig von Visionen
des nahenden Unterganges geplagt, ließ er sich durch diese weder ins Bockshorn jagen noch gar lähmen. Vielmehr wendete er seinen Witz und Wagemut
daran, Bastionen zu bauen, als Schutzburgen gewiss, vor allem aber als trotzige
Zeugen des Glaubens an eine bessere Welt. Der Mann hieß Gerd Bucerius.
Als der Untergang wirklich wurde – als nämlich Nazi-Deutschland 1945 zusammenbrach –, geriet er beinahe unversehens an öffentliche Ämter und an die Lizenz für
eine Wochenzeitung, die zu seinem Lebensinhalt werden sollte und die entstehende
Bundesrepublik des westlichen Deutschland lebhaft kommentierend begleitete, ja
zuweilen ein bisschen prägte. Bucerius sprudelte von Ideen und wurde nie müde, von
diesen zu reden; er verband das kleine und das grosse Gespräch, die Unterhaltung
und die Debatte in unnachahmlicher Weise. Frauen mochten ihn, den stets hellwachen Geist mit ganz ungezwungenem Charme, und er erwiderte ihre Zuneigung
mit Anhänglichkeit. Männern gegenüber war er befangener, einige bewunderte er
fast grenzenlos, anderen misstraute er, auch wenn er sich zu gemeinsamen Unternehmungen mit ihnen zusammentat. Als Mitglied des Bizonen-Wirtschaftsrates und
des Deutschen Bundestages wurde er zum selten erreichten Modell des Abgeordneten: Er blieb unabhängig im besten Sinne, nicht ämterversessen und stets bereit,
seine Meinung auch dann zu sagen, wenn die Oberen in Partei und Regierung sie
das Bewusstsein bestimmte, ganz gewiss nicht, aber ohne habhaftes Sein ist es doch
schwer, das rechte Bewusstsein unter die Leute zu bringen. Bucerius wusste, prosaischer und unmarxistischer gesprochen, dass Geld zwar nicht glücklich macht, aber
doch beruhigt. Dabei redete Bucerius nicht nur, sondern schrieb auch unaufhörlich,
weniger um sich selbst ins rechte Licht zu rücken, was ihm vergleichsweise fern lag,
sondern weil die Gedanken sich nicht aufhalten liessen und er zudem die Gabe des
immer deutlichen, manchmal drastischen Ausdrucks hatte.
Als er kurz vor dem fünfzigsten Geburtstag der »ZEIT« im Alter von 89 Jahren starb,
war er ein reicher Mann geworden, der seinen ursprünglichen Einsatz von 7.500 Mark
vielfach vertausendfacht hatte. Die ursprüngliche Auflage der »ZEIT« von 20 000
Exemplaren fand er immerhin mehr als verzwanzigfacht. Und auch die Bundesrepublik Deutschland hatte er blühen und gedeihen sehen, ja mehr, er erlebte noch
die deutsche Vereinigung und den Beschluss, die Hauptstadt von Bonn zurück in das
von ihm so beharrlich verteidigte Berlin zu verlegen. Am Ende ging jede der beiden
Gründungen in einen größeren Verbund ein: die alte Bundesrepublik in das vereinigte Deutschland und vielleicht bald in die Europäische Union, die Zeitung in ein weitläufiges, grosszügig geführtes Verlagshaus. Vor Untergängen gesichert? Der Mann,
der so selbstverständlich auf eigenen Füssen stand und seine Dinge selbst in die
Hand nahm, suchte doch Sicherheit für sein Werk stets im Anschluss an andere.«
nicht gerne hörten.
aus: Ralf Dahrendorf: Liberal und unabhängig. Gerd Bucerius und seine Zeit
München (C.H. Beck Verlag) 2000
Dieser Mann wurde zu einem der grossen Gründer der Nachkriegsjahre. Die ihm
Weitere Literatur zu Gerd Bucerius:
Karsten Schmidt: Gerd Bucerius, in: Recht und Juristen in Hamburg, II,
Hrsg.: Jan Albers u.a., Köln (Heymanns Verlag) 1999, S. 339-408
wichtigste Gründung hiess und heisst passenderweise »DIE ZEIT«. Er wurde ihr
[8]
[ 9]
LEITBILD
Wissen fördern – Kultur bereichern –
Chancen eröffnen
Die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius unterstützt die Entwicklung der Zivilgesellschaft. Als unabhängige gemeinnützige Stiftung stärkt sie privates Engagement, das verantwortungsbewusst Aufgaben für die Gemeinschaft wahrnimmt. Sie
fördert in ihren Satzungsgebieten »Wissenschaft und Forschung«, »Kunst und Kultur«
Offen für Ideen – das Haus der Stiftung
sowie »Bildung und Erziehung« durch selbstinitiierte Vorhaben und unterstützt
Projekte qualifizierter Antragsteller. Als eine der größten privat errichteten deutschen
Kapitalstiftungen gründet sie auch eigene Einrichtungen und übernimmt damit
nachhaltig und langfristig Verantwortung für die von ihnen wahrgenommenen
Förderaufgaben. Daneben stellt sie für befristete Vorhaben, für Stipendienprogramme und für kurz- und mittelfristige Anschubleistungen Mittel bereit, um
Innovationen zu realisieren, besonders begabte Nachwuchskräfte zu fördern, kreative Energien zu wecken, aber auch schützenswerte kulturelle Güter zu erhalten.
Ermuntert durch die schöpferische Unruhe ihres Stifters Gerd Bucerius unterstützt sie
Projekte, die mutig Neues versuchen und zu den dringend benötigten Veränderungen in Wissenschaft, Kultur und Bildung beitragen. Sie fördert – konzentriert auf ihre
Schwerpunkte – Initiatoren, die durch tatkräftiges bürgerschaftliches Engagement
eigenverantwortlich in die Gesellschaft hineinwirken.
[10]
[11]
DIE FÖRDERTÄTIGKEIT DER ZEIT-STIFTUNG
EBELIN UND GERD BUCERIUS
IN DEN JAHREN 2001 UND 2002
Michael Göring
Doktoranden widmet sich osteuropäischen Geschichtsthemen, Timothy Garton Ash,
Die Aktivitäten der Stiftung im Berichtszeitraum 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002
seit 2002 Gerd Bucerius-Stiftungsprofessor für Contemporary History am St. Antony’s
waren vor allem geprägt durch die Gründung und den Start des Bucerius Kunst
College in Oxford, ist Spezialist auf diesem Gebiet. Eine eigene Sommerakademie für
Forums, einer zweiten eigenen Einrichtung der Stiftung, durch die planmäßige
fortgeschrittene Studierende und Doktoranden der Geschichtswissenschaften ist
Weiterentwicklung der Bucerius Law School, die Einrichtung einer eigenen Bucerius
konzipiert und startet im Sommer 2003. Das Deutsche Historische Institut in Moskau,
Summer School on Global Governance und den weiteren Ausbau der Begabten-
ein seit 2002 intensiv vorbereitetes Großprojekt der Stiftung in Zusammenarbeit mit
förderung im Bereich der Geschichtswissenschaften durch ein eigenes Doktoranden-
der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, eröffnet im Jahr 2003.
programm. Hinzu kamen zahlreiche weitere neue Initiativen: Die Stiftung finanzierte
gemeinsam mit drei anderen Trägern die Restaurierung von 37 besonders wertvollen
Neu hinzugekommen ist das Gebiet der Global Governance, das sich zu einem sehr
Orgeln in Mecklenburg-Vorpommern, sie entwickelte SCHREIBMAL, einen Schreib-
attraktiven Schwerpunkt der Wissenschaftsförderung der Stiftung entwickelt hat. Die
wettbewerb für Jugendliche in Hamburg, sie begründete die Gerd Bucerius Lecture in
Bucerius Summer School on Global Governance startete im Sommer 2001 und
Washington und – ab 2003 – in London und Jerusalem, sie ermöglichte ein Bucerius
versammelte auch 2002 wiederum 55 Teilnehmer zwischen 28 und 35 Jahren aus über
Center for Research of Contemporary German History and Society an der Universität
20 Nationen, die von rund 40 international ausgewählten Referenten unterrichtet
Haifa und half der Max-Planck-Gesellschaft bei der Einrichtung einer Max Planck
wurden. Parlamentarische Abende in Berlin zu Governance-Themen gehören zu
Research School on Earth System Modelling an der Universität Hamburg. Die Stiftung
diesem Schwerpunkt ebenso wie die Unterstützung einschlägiger Tagungen.
setzte die besten ihrer vor 2001 gestarteten Programme fort und baute sie aus: Das
LERN-WERK Hamburg umfasst nunmehr acht Haupt- und Realschulen in Hamburg,
Den Schwerpunkt in der Kunst- und Kulturförderung der Stiftung bildet seit dem
deren Schülerinnen und Schüler so praxisnah gefördert werden, dass sie auf den
25. Oktober 2002 das Bucerius Kunst Forum. An jenem Tag begann das Ausstellungs-
Übergang ins Berufsleben in besonderer Weise vorbereitet sind. Acht weitere
programm des Forums mit einer Vorpremiere, die 41 Meisterwerke aus Dresden
Zeitungen und Journalisten aus osteuropäischen Ländern erhielten 2001 und 2002
zeigte. Die Gemälde von Tizian, Tintoretto, Mantegna, Rubens, van Dyck und
den Gerd Bucerius-Förderpreis Junge Presse Osteuropas, jeweils mit bis zu 50.000
Canaletto wichen am 12. Dezember 2002 der nächsten Ausstellung, der eigentlichen
Euro dotiert. Sowohl 2001 als auch 2002 ermöglichte die Stiftung in Kooperation mit
großen Eröffnungsschau »Picasso und die Mythen«. Der Besucherandrang übertraf
der Hamburger Kulturbehörde erneut das »Musikfest Hamburg«, das der Musik des
alle Erwartungen. Das neue Format des konzentrierten Blicks, einer Ausstellung von
20. Jahrhunderts gewidmet ist.
ausgewählten Spitzenwerken auf 600 Quadratmetern im Zentrum der Stadt, geöffnet
an allen sieben Tagen der Woche von 11 bis 19 Uhr, findet täglich neue Anhänger.
Die folgenden Seiten informieren über die hier genannten Stiftungsprojekte und
über viele weitere, die das breite Spektrum der Stiftungsarbeit zeigen. Bei aller
Mit der Bucerius Law School, dem Bucerius Kunst Forum, der Bucerius Summer
Vielfalt waren die Förderentscheidungen von Vorstand und Kuratorium dadurch
School, dem LERN-WERK, dem Musikfest und vielen weiteren Vorhaben konnte die
geleitet, innerhalb der drei Satzungsbereiche inhaltliche Schwerpunkte zu bilden.
Stiftung in den vergangenen Jahren der Stadt Hamburg neue Impulse geben und die
Ausstrahlung der Hansestadt, vor allem als Standort der Wissenschaft und der Kultur,
Im Wissenschaftsbereich steht die Bucerius Law School, das Flaggschiff der Stiftung,
erhöhen. Nachfolgend werden einige Beiträge erläutern, wie die Stiftung darüber
an der Spitze des Schwerpunktes »Förderung der Rechtswissenschaften«. Dazu
hinaus ihre internationale Tätigkeit erheblich ausgebaut hat.
gehören auch die rechtswissenschaftlichen Stiftungsprofessuren in Rostock,
Greifswald und Jena, das Bucerius-Juraprogramm für hochbegabte Doktoranden, die
Die Stiftung wird auch in den bevorstehenden Jahren die eigenen Einrichtungen
Unterstützung für rechtswissenschaftliche Tagungen und die Hilfe für studentische
Bucerius Law School und Bucerius Kunst Forum weiter stärken, in Hamburg, in
Teilnehmer an den nationalen und internationalen Moot-Court-Wettbewerben.
Deutschland und an ausgewählten Orten des Auslands innovative Projekte auf den
Auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaften hat die Stiftung ein ähnliches Netz von
Weg bringen, besonders begabte Nachwuchskräfte fördern und ihren Beitrag zu einer
unterschiedlichen Fördermaßnahmen aufgebaut. Das Stipendienprogramm für
von privater Initiative bestimmten Bürgergesellschaft leisten.
[12]
[13]
NACHRUF
Tyll Necker
Mitglied im Kuratorium der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius seit 1996
IDEALTYPUS DES UNTERNEHMERS
ZUM TODE VON TYLL NECKER/ VON HELMUT SCHMIDT
Necker kannte sich aus im internationalen Geschäft und in der Weltwirtschaft. Dabei
blieb er ein deutscher Patriot. Er hat sich von Anfang an solidarisch um den Osten
gekümmert. Er hat in den Jahren nach 1989 die teils illusionistischen, teils opportunis-
Die Nachricht vom plötzlichen Tode Tyll Neckers, gerade erst 71 Jahre alt, hat
viele wie ein Tiefschlag getroffen, so auch die ZEIT-Stiftung. Denn er war einer
der seltenen Beispiele für den Idealtypus eines Unternehmers: durchaus erfolgreich, zugleich gekennzeichnet durch bescheidene Lebensführung und durch
Gerechtigkeitsstreben für die Arbeitnehmer. Er verband einen ausgeprägten
Sinn für das Wohl der res publica mit einem weit herausragenden Verantwortungsbewusstsein. Er hatte sozialökonomisch-politische Urteilskraft – jenseits
von Branchen- und Verbandsinteressen, jenseits von Parteipolitik oder ideologischen Präferenzen.
tischen Versprechungen an die Adresse der Ostdeutschen verurteilt.
Wenn damals die Regierenden seine vernünftigen Vorschläge befolgt hätten, so wäre
manches sehr viel besser verlaufen. Denn für Necker standen Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen im Vordergrund, nicht die Lohnangleichung. Er hatte Recht.
Er hat Anfang der neunziger Jahre Kanzler Kohl drastische Vorwürfe gemacht, damals
aber auch vor einer rot-grünen Koalition gewarnt, weil sie Arbeitsplätze kosten
würde. Diese letztere Warnung hat sich bisher nicht als gerechtfertigt erwiesen. Wohl
aber hatte Necker im Jahre 2000 Recht, als er über die neuen Bundesländer sagte:
Ihm waren innere Unabhängigkeit und die Kardinaltugend der Tapferkeit eigen. Er
hat seine Ratschläge an die Unternehmer, an die Gewerkschaften und die Politiker
laut und deutlich ausgesprochen, das Gegenteil eines Opportunisten, ob an der
Spitze des Verbandes der Maschinenbau-Anstalten oder in den Kanzlerrunden.
[14]
»Die Frage lautet, mit welcher Strategie wir zu mehr Arbeitsplätzen und zu einer verbesserten Situation der Menschen und ihrer Motivation kommen. Die Reifeprüfung
haben Ost und West noch zu bestehen.«
Erschienen in: DIE ZEIT, Nr. 15, 5. April 2001
[15]
NACHRUF
Marion Gräfin Dönhoff
Ein wichtigeres Beispiel für ihren Klarblick und ihre Zivilcourage war Marion Dönhoffs
Eintreten für die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Ostgrenze
Deutschlands. Wer ihre sechs Essays über die Menschen und die Geschichte
Ostpreußens gelesen hat, zusammengefasst unter dem Titel »Namen, die keiner mehr
nennt«, wer dieses bewegende Buch und die Liebe der Autorin zu ihrer ostpreußischen Heimat wie ebenso zum wohlverstandenen Preußentum auf sich wirken lässt,
der kann die moralische Leistung Marion Dönhoffs ermessen, die im Willen zur Anerkennung der neuen Grenze begründet war. Heute ist es leicht einzuräumen, die bisherige Geschichte habe ihr Recht gegeben. Damals jedoch war die Mehrheit der
Deutschen dagegen.
Ihre innere Unabhängigkeit hat ihr kluge Einsichten ermöglicht, die sie mit Tapferkeit
Mitglied im Kuratorium der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius seit 1971
vertreten hat. Unter dem Primat des Grundwertes der Würde und der Freiheit der einzelnen Person hat sie ihre Leser in jeder Streitfrage auf die anderen Grundwerte der
Brüderlichkeit und der Gerechtigkeit orientiert – ob sie über Europa schrieb oder über
die Lage der Schwarzen zur Zeit der Apartheid, über die Lage der Dissidenten in der
Sowjetunion, über deutsche Innenpolitik – zum Beispiel über die Notwendigkeit der
Versöhnung unter den Deutschen – oder über die andere Notwendigkeit, den »Kapitalismus zu zivilisieren«.
IN MEMORIAM
ZUM TODE VON MARION GRÄFIN DÖNHOFF/VON HELMUT SCHMIDT
Marion Dönhoff hielt konservativ an ihren Werten fest, zugleich war sie liberal und
tolerant. Aber sie hat immer gewusst: »Ob jemand Muslim, Christ oder Hindu ist –
Als junge Frau hatte Marion Dönhoff teil an dem patriotischen Entschluss zu
Hochverrat und Tyrannenmord. Mit dem Fehlschlag, mit der Entwürdigung und
der Hinrichtung der meisten ihrer Freunde ist ihr erstes Leben zu Ende gegangen. Als eine der letzten Überlebenden des Widerstandes gegen den Verderber
Hitler ist sie bis zuletzt für viele Menschen, draußen in der Welt und ebenso bei
uns zu Hause, ein Symbol des aufgeklärten, anständigen Deutschlands gewesen. Jedoch die große Verehrung, die ihr als einer unanfechtbaren moralischen
Instanz entgegengebracht worden ist, hatte einen zweiten Grund in ihrer
stupenden journalistischen Leistung im Laufe ihres zweiten Lebens, nämlich
des halben Jahrhunderts bei der ZEIT in Hamburg.
Mein erster Brief an Marion Dönhoff stammt aus dem Jahre 1957. Sie hatte in der ZEIT
den Sozialdemokraten Herbert Wehner gegen üble Verunglimpfungen verteidigt; ich
hatte ihren Artikel gelesen und dankte ihr: für »Klarblick, Herz und Zivilcourage«.
Jene kleine Episode ist typisch: Weil sie die Verletzung der Würde eines Mitmenschen
erkannte, trat sie für ihn ein – obschon das damals bei vielen auf Widerspruch stoßen
musste.
vielleicht auch Atheist – wichtig ist: da gibt es etwas Höheres. Der Mensch ist nicht
die letzte Instanz.« Marion Dönhoff hat festgehalten an ihrer Einsicht, dass wir uns
moralisch nicht auf uns selbst verlassen dürfen, sondern dass Würde und Freiheit des
Menschen der Bindung nach oben bedürfen.
Sie hat immer wieder ein gutes Beispiel gegeben, in ihrem privaten wie im öffentlichen Leben. Sie hat – ganz anspruchslos – Führung ausgeübt wie selten ein politischer Journalist und Autor in Deutschland. Und dies, um den Amerikaner Fritz Stern
zu zitieren, »… zugleich mit preußischer Strenge und zugleich mit menschlicher Wärme.« Richard von Weizsäcker hat über sie gesagt: »Ihre moralischen Grundsätze sind
ebenso menschlich wie eindeutig. Ihr politisches Urteil hat den langen Atem der Geschichte. Die Bescheidenheit stammt aus dem alten Preußen, die Bildung aus Europa,
der Common Sense aus der Erfahrung in der Welt.« Beide Freunde haben Recht.
Für die ZEIT war sie ein großes Vorbild. Die Deutschen haben eine wegweisende Mitbürgerin verloren.
Erschienen in: DIE ZEIT, Nr. 11, 14. März 2002
[16]
[17]
DIE EIGENEN EINRICHTUNGEN DER ZEITSTIFTUNG EBELIN UND GERD BUCERIUS
Die Gründung der Hochschule wurde begleitet von einer mit Persönlichkeiten aus
dem öffentlichen und juristischen Leben besetzten Gründungskommission unter
Zentral gelegen – das historische Kuppelgebäude der Bucerius Law School
dem Vorsitz von Dr. Henning Voscherau, Notar in Hamburg und vormals Erster
Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Der dauerhafte Bestand der
Hochschule wird durch die ZEIT-Stiftung gewährleistet. Seit 2002 existiert die Stiftung
zur Förderung der Bucerius Law School. Zahlreiche Unternehmen, Stiftungen und Sozietäten unterstützen die Bucerius Law School durch materielle Zuwendungen, durch
Die Bucerius Law School –
die erste private Hochschule für
Rechtswissenschaft in Deutschland
Einbringung ihrer Erfahrungen in die Lehre und durch Betreuung von Praktikanten.
Sitz der Bucerius Law School ist ein aus dem Jahr 1908 stammendes, denkmalgeschütztes, mit großem Aufwand für die Belange der Hochschule umgebautes
Gebäude nahe dem Hamburger Dammtorbahnhof und in der Nachbarschaft des
Parks »Planten un Blomen« – in zentraler, doch landschaftlich eingebundener Lage
Karsten Schmidt
auf einem baumbestandenen Grundstück. Die deutsches und ausländisches Recht
Die Bucerius Law School ist die erste und bisher einzige staatlich anerkannte private
umfassende Hengeler Mueller-Bibliothek schafft zusammen mit dem hohem EDV-
Hochschule für Rechtswissenschaft in Deutschland. Dieses von der ZEIT-Stiftung
Standard die Voraussetzungen für rechtswissenschaftliche Forschung. Für die Lehre
Ebelin und Gerd Bucerius initiierte Projekt will ein für heute und morgen tragfähiges
stehen moderne Hörsäle und Arbeitsräume zur Verfügung – darunter der mit High
Konzept für die juristische Ausbildung und Forschung verwirklichen – mit den Zielen
Tech-Ausstattung versehene Nixdorf-Hörsaal. Der Bau eines Auditorium maximum
Internationalität, Praxisnähe, Leistungsorientierung und Persönlichkeitsbildung.
hat begonnen.
Trägerin der Hochschule ist die Bucerius Law School gGmbH als gemeinnützige
Der Lehrkörper der Bucerius Law School setzt sich Ende 2002 aus 12 hauptberuflich
Körperschaft mit dem Geschäftsführer, Dr. Markus Baumanns, und einem Aufsichtsrat
tätigen Professoren zusammen, darunter eine Frau. Die Besetzung eines 13. Lehrstuhls
unter Vorsitz von Professor Dr. Michael Göring. Alleinige Gesellschafterin dieser
ist in die Wege geleitet. Mit seinem geringen Durchschnittsalter, mit seiner interna-
Körperschaft ist die ZEIT-Stiftung. Die wissenschaftliche Leitung der Hochschule liegt
tionalen Qualifikation und mit entsprechenden Forschungsschwerpunkten setzt
in den Händen des Präsidenten, Professor Dr. Dr. h.c. mult. Hein Kötz, Vizepräsident
dieser Lehrkörper Akzente in der deutschen Hochschullandschaft. Jeder Lehrstuhl
ist der Verfasser.
berichtet jährlich über seine wissenschaftlichen Erträge (siehe auch Seite 108).
[18]
[19]
Blick in die Hengeler Mueller-Bibliothek
Für die Vertiefung der Ausbildung in Sondermaterien und für die Berufsorientierung
des Lehrprogramms sorgt ein Kreis von Lehrbeauftragten aus Wirtschaftswissenschaft, Rechtswissenschaft und Praxis. Der gezielten Vorbereitung auf das 1. Staatsexamen widmet sich ein eigenständiges Examensvorbereitungsprogramm, das vom
hochschuleigenen »Zentrum für juristische Didaktik« für die Studierenden ab dem
8. Trimester entwickelt wurde.
Zum wissenschaftlichen Profil der Hochschule trägt das hochschuleigene Institut für
Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen bei, das neben eigener
Forschung externes Expertenwissen auf Fachtagungen auswertet und die Erträge in
Jahrbüchern publiziert.
Die Hochschule nimmt jährlich etwa hundert Studierende auf. Diese werden ohne
Ansehung finanzieller Voraussetzungen in einem mehrteiligen Aufnahmeverfahren
ausgesucht und in einem konzentrierten und anspruchsvollen Studium in dreieinhalb
Jahren zum Ersten Juristischen Staatsexamen und zu einem hochschuleigenen
Bachelor-Grad (LL.B) geführt. Wirtschaftswissenschaftliche Lehrveranstaltungen
gehören ebenso zum Lehrangebot wie fachbezogene Ausbildungsgänge in Fremdsprachen und ein integriertes Studium generale-Programm. Die Bucerius Law School
hat ein weltweites Netzwerk von Partnerhochschulen entwickelt, das allen Studierenden zu Beginn des dritten Studienjahrs den Zugang zu einem obligatorischen Gasttrimester an einer ausländischen Hochschule eröffnet. Im Gegenzug haben im Herbst
2002 erstmalig Studierende aus aller Welt ein Trimester an der Bucerius Law School
verbracht.
Die Bucerius Law School hat sich zum Ziel gesetzt, das gesamte Spektrum der Lehr-,
Forschungs- und Weiterbildungsaufgaben rechtswissenschaftlicher Hochschulen
zukunftsweisend abzubilden. In Weiterentwicklung des Vorhandenen wird sie
erstmals ab Sommer 2003 Executive-Programme anbieten, im Aufbau befindet sich
zudem ein Master-Programm, das voraussichtlich ab Sommer 2004 junge Juristen vor
allem aus Osteuropa, Asien und den USA in die Theorie und Praxis des europäischen
Rechts einführen soll.
[20]
[21]
DIE EIGENEN EINRICHTUNGEN DER ZEITSTIFTUNG EBELIN UND GERD BUCERIUS
aus der Gemäldegalerie Alte Meister Dresden präsentiert werden konnte. Für die
künstlerische Leitung wurde Prof. Dr. Heinz Spielmann gewonnen, vormals Landesmuseumsdirektor von Schleswig-Holstein. Die Geschäftsführung liegt in den Händen
des Verfassers. Kuratorin ist Dr. Ortrud Westheider, Kristina Schilling leitet
die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Das Bucerius Kunst Forum befindet sich an einem besonders zentralen und
exponierten Ort der Hansestadt, der »Piazetta« mit Alsterarkaden, Alster und Kanälen
– einst von Gottfried Semper mit Venedig verglichen. Der Rathausmarkt, durch Politik
und Wirtschaft dominiert, erhält nun den ersten gewichtigen kulturellen Akzent.
Damit spricht das Kunst Forum zugleich auch die vielen Touristen und Besucher
der City an.
Bereits mit den ersten beiden Ausstellungen ist es gelungen, das Bucerius Kunst
Forum als neue kulturelle Attraktion in Hamburg zu etablieren. Viele Menschen, die
Einladung ins
Bucerius Kunst Forum am
Hamburger Rathausmarkt
vormals eher selten Museen besucht haben, schätzen die besonderen, didaktisch
aufbereiteten Ausstellungen, genießen die intime Atmosphäre im Café Canaletto
oder finden im Museumsshop interessante Angebote jenseits des Mainstreams.
Führungen zur Mittags- oder Abendzeit wenden sich insbesondere an die vielen
Menschen, die in der City arbeiten und nur über wenig Zeit verfügen. Der
Förderverein Bucerius Kunst Club unterstützt die Arbeit des Bucerius Kunst Forums
und trägt aktiv dazu bei, dass hier ein spartenübergreifender Diskurs seinen
Kunst im Herzen der Stadt das Bucerius Kunst Forum
festen Platz hat.
Die Vorbereitungen für das Ausstellungsprogramm reichen bis in das Jahr 2006.
Schwerpunkte liegen in der Klassischen Moderne, Kunst und Kulturen der Seiden-
Philipp Adlung
straße, aber auch den Alten Meistern. Nach der Ausstellung »Picasso und die Mythen«
Am 25. Oktober 2002 eröffnete das Bucerius Kunst Forum am Hamburger Rathaus-
werden unter anderem zu sehen sein: »Lukas Cranach: Glaube, Mythologie und
markt – auf rund 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind fortan im ehemaligen
Moderne«, »Faszination Buddha«, »Max Beckmann: Menschen am Meer«, »Etruskische
Gebäude der Deutschen Reichsbank jährlich bis zu vier Ausstellungen bildender
Malerei«, »Auguste Rodin: die Porträts«, »Wolkenbilder«, »Oskar Kokoschka: Aqua-
Kunst von der Antike bis zur Moderne zu sehen. Mit der Etablierung des Kunst Forums
relle« sowie »Das goldene Zeitalter der russischen Ikone«. Verbindendes Element der
will die ZEIT-Stiftung Kunst verschiedener Epochen als lebendige konzentrierte
Ausstellungen ist, die Beziehungen zwischen alter und neuer Kunst darzustellen. So
Gegenwart dem Betrachter im Zentrum der Stadt erfahrbar machen. Nach der im
stehen Picassos Plastiken neben etruskischen, seine Keramik ist neben griechischen
Jahre 2000 eröffneten Bucerius Law School ist das Bucerius Kunst Forum die zweite
Vorbildern zu sehen. Im Falle Cranachs wird die Rezeption durch Kirchner, Giacometti
eigene Einrichtung der Stiftung.
und Picasso gezeigt. Die folgende Aussage Pablo Picassos kann deshalb programmatisch über der Arbeit des Bucerius Kunst Forums stehen:
Die Initiative zur Gründung des Bucerius Kunst Forums mündete nach der Entscheidung des Kuratoriums im April 2001 in erhebliche Umbauarbeiten, um die ehemalige
»Für mich gibt es in der Kunst weder Vergangenheit noch Zukunft. Die Kunst der
Kassenhalle und das Souterrain zu hochmodernen Ausstellungsräumen herzurichten.
Griechen, der Ägypter und der großen Maler, die zu anderen Zeiten lebten, ist keine
Die vom Architekten Jan Störmer geleiteten Maßnahmen wurden früher als geplant
Kunst der Vergangenheit; vielleicht ist sie heute lebendiger denn je. Kunst entwickelt
abgeschlossen, so dass vor der eigentlichen Eröffnung am 12. Dezember 2002 mit
sich nicht aus sich selbst, sondern die Vorstellungen des Menschen ändern sich und
der Ausstellung »Picasso und die Mythen« eine Auswahl von Meisterwerken
mit ihnen die Ausdrucksform.«
[22]
[23]
DIE INTERNATIONALEN AKTIVITÄTEN
DER ZEIT-STIFTUNG
EBELIN UND GERD BUCERIUS
Mit dem seit 2001 geförderten »Petersburger Dialog« unterstützt die Stiftung eine
Michael Göring
deutsch-russische Einrichtung, die jährlich bedeutende Vertreter aus den Bereichen
In den vergangenen beiden Jahren hat die Stiftung verstärkt bereits bestehende
Wirtschaft, Politik, Kultur, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien aus beiden
Förderungen im Ausland intensiviert und in zahlreichen Ländern neue Projekte
Ländern zusammenbringt. Nach dem Modell der Königswinterer Gespräche soll ein
begonnen. Innovative Wissenschafts-, Kultur- und Bildungsförderung erfordert
dichtes deutsch-russisches Netzwerk enstehen, aus dessen Kontakten binationale
Erfahrungen über die Landesgrenzen hinaus. Das nunmehr entstandene Netzwerk,
Vorhaben erwachsen.
das allein im Wissenschaftsbereich Universitäten an so unterschiedlichen Orten wie
Kaliningrad, Oxford, Paris, Cambridge/Mass., Haifa und Shanghai erreicht, kommt
In Israel hat die Stiftung ihre Hilfe für die Universität Haifa verstärkt. Das dort 2001
auch der internationalen Arbeit der Bucerius Law School zugute, die mittlerweile
gegründete, von Yfaat Weiss geleitete Bucerius Center for Research of Contemporary
zu 58 Partneruniversitäten in vier Kontinenten Verbindungen unterhält. Die
German History and Society trägt den Namen unseres Stifters nunmehr auch zu den
Stiftung sieht ihre Auslandstätigkeit auch in der Tradition ihres Gründers, der als
Studierenden und Lehrenden an der renommierten Universität im Norden Israels
Politiker und Herausgeber früh seinen Blick auf das Ausland richtete.
(siehe auch Seite 28). In diesem Jahr wird in Jerusalem erstmalig eine Gerd Bucerius
Lecture stattfinden. Damit greift die Stiftung eine Veranstaltungsform auf, die in
War die Förderung in Russland zunächst auf das frühere Königsberg konzentriert, so
Washington im Jahr 2001 und 2002 mit großem Erfolg stattgefunden hat. Auch in
unterhält die Stiftung heute Förderprojekte in Königsberg, St. Petersburg und in
London wird im Jahr 2003 eine Bucerius Lecture angeboten. Hier wie in Washington
Moskau. Die Planungen für die Errichtung eines Deutschen Historischen Instituts in
organisiert das jeweilige Deutsche Historische Institut vor Ort die Lecture. Mit der
Moskau sind weit vorangeschritten. Mit der Eröffnung ist im Herbst 2003 zu rechnen.
Finanzierung des Lehrstuhls von Timothy Garton Ash, der zu den profiliertesten
Dieses jüngste Auslandsvorhaben ist ein Gemeinschaftsprojekt der ZEIT-Stiftung und
Kennern der jüngsten Geschichte Osteuropas gehört und dessen Bücher auch in
der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die das Deutsche Historische
Deutschland großes Echo finden, hat die Stiftung 2002 das Förderinstrument der
Institut in Moskau die ersten fünf Jahre tragen werden. Danach übernimmt die
Stiftungsprofessur erstmalig im Ausland eingesetzt. Diese Professur am St. Antony’s
Bundesregierung die weitere Finanzierung. Einer der nachfolgenden Artikel gibt
College in Oxford hat ihr Pendant am Londoner International Institute for Strategic
einen Überblick über das mittlerweile umfangreiche Engagement der ZEIT-Stiftung
Studies, wo die Stiftung 2001 ein Helmut Schmidt Fellowship einrichtete. Dort
in Osteuropa, das in besonderer Weise auch durch den bereits vier Mal verliehenen
arbeitet gegenwärtig mit Kurt Becher ein deutscher Wissenschaftler an aktuellen
Gerd Bucerius-Förderpreis Junge Presse Osteuropas geprägt ist.
Sicherheitsfragen.
[24]
[25]
An der Harvard University ließ die Stiftung 2001 ein Förderprogramm wieder
aufleben, das Gerd Bucerius bereits in den 1970er Jahren begründet hatte: Jährlich
können zwei deutsche Nachwuchsjournalisten am Center for European Studies der
Harvard University für jeweils vier Monate forschend tätig sein. Die Stiftung gibt mit
diesem Stipendienprogramm jungen, besonders qualifizierten Journalisten die
Gelegenheit, losgelöst vom Tagesbetrieb in ihren heimischen Redaktionen, ungestört
und ausdauernd für größere Projekte zu recherchieren und sich mit dem neuesten
Stand der Forschung vertraut zu machen.
Über Fördervorhaben im Ausland hinaus hat die Stiftung die internationale Komponente bei ihrer inländischen Arbeit verstärkt. Das wird besonders augenfällig bei der
jüngsten Entwicklung der Bucerius Law School, die einer der nachstehenden Beiträge
ausführlicher darlegt, und bei der Bucerius Summer School on Global Governance, die
Sonja Lahnstein-Kandel, Lord Ralf Dahrendorf
und Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt
bei der Eröffnung der Bucerius Summer School
on Global Governance 2002
2001 erstmalig stattfand und sowohl 2001 wie 2002 Teilnehmer und Referenten aus 25
Ländern versammelte. Die Summer School-Teilnehmer bleiben auch nach Ende der
zweiwöchigen Veranstaltung durch das Internet verbunden, so dass die Stiftung hier
auf ein schnell wachsendes und weit gespanntes internationales Netzwerk zurückgreifen kann (siehe auch Seite 40).
Die Auslandsförderung der Stiftung erreichte 2001 mit 2,1 Mio. Euro 9,6 Prozent
der Gesamterträge, 2002 mit 3,6 Mio. Euro 12,8 Prozent. Die Stiftung wird ihr internationales Engagement auch in den kommenden Jahren fortsetzen und vor allem die
Verbindung zu verschiedenen inländischen Fördervorhaben, zur Bucerius Summer
School und zu den Tochtergesellschaften Bucerius Law School und Bucerius Kunst
Forum stärken.
[26]
[27]
INTERNATIONALE
AKTIVITÄTEN
ISRAEL
Projekte in Israel
Manfred Lahnstein
Seit dem Jahre 1996 hat sich die Stiftung in Israel engagiert. Von Anbeginn an
haben dabei drei Aspekte im Vordergrund der Arbeit gestanden:
• Förderung herausragender wissenschaftlicher Vorhaben im Grenzbereich
zwischen Geistes- und Naturwissenschaften
• Förderung eines fruchtbaren Zusammenlebens von jüdischen und
arabischen Studierenden
• Förderung des israelischen Verständnisses für Deutschlands jüngere
Geschichte und Gegenwart
Die Stiftung konzentriert sich auf die Universität Haifa, weil dort an allen drei Schwerpunkten über lange Jahre hinweg erfolgreich gearbeitet wird. Diese Arbeit steht in
der Tradition einer Hochschule, die ebenso wie Haifa selbst durch unersetzbare
Beiträge von Juden aus Deutschland geprägt worden ist. Sie anerkennt aber auch die
zwingende Notwendigkeit, jenseits aller aktuellen Fährnisse immer wieder Wege zu
Auf dem Campus der Universität Haifa
Frieden, Toleranz und Zusammenarbeit zu bahnen.
Einige Projekte seien besonders erwähnt:
• Das Laboratorium für neuro-kognitive Forschung (Professor Zvia Breznitz)
Frau Breznitz betreibt in enger internationaler Kooperation und mit erheblichem
Erfolg Forschungsarbeiten zu Ursachen, Diagnose und Therapie verschiedener
Lernbehinderungen. Nachdem die Stiftung zunächst ihre Studien auf dem Gebiet
der Dyslexie begleitet hat, fördert sie derzeit die Forschung zu Gehirnaktivitäten
leseschwacher Kinder. Diese Forschung beruht auf einem Großversuch mit insgesamt 5.000 Kindern und Jugendlichen.
• Das Jewish Arab Center (Dr. Faisal Azaiza)
Das Zentrum widmet sich seit vielen Jahren der wissenschaftlichen Begleitung
und Durchführung von Projekten, die Dialog und Zusammenarbeit zwischen
den verschiedenen in Israel lebenden Völkern befördern. Hier nimmt die Universität Haifa eine Sonderrolle ein, da rund 20 Prozent der Studierenden der arabischen, drusischen oder einer anderen Minorität entstammen.
[28]
[29]
Wissensgemeinschaft in einem zerrissenen Land
Derzeit fördert die Stiftung in Haifa und in Galiläa ein breit angelegtes Dialogprogramm für Lehrer aus den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Es sollen Wege
gefunden werden, die den interkulturellen Kontakt in einem möglichst frühen
Lebensalter erleichtern.
• Das Projekt Social Leadership for Arab Students (Professor Ron Robin)
Die Universität Haifa steht vor der Herausforderung, auch arabischen Studierenden
dabei zu helfen, zivilgesellschaftliches Engagement zu wecken und zu vertiefen.
Hierbei steht die wissenschaftlich begleitete Arbeit in kommunalen Problemgebieten im Vordergrund. Mit der Hilfe der Stiftung können derzeit rund 110
Studierende gefördert werden, ein erheblicher Teil davon sind Studentinnen, die
vor ihrem besonderen kulturellen Hintergrund mit zusätzlichen Schwierigkeiten
zu kämpfen haben.
• Das Bucerius Center for Research
of Contemporary German History and Society (Dr. Yfaat Weiss)
Dieses längerfristig angelegte Projekt startete im Herbst 2001. Inzwischen sind die
ersten Gastprofessoren aus Deutschland tätig geworden; mehrere Stipendiaten
arbeiten an ihren Dissertationen und anderen akademischen Graden. Einige
Tagungen und eine Vortragsreihe runden die Arbeit des Zentrums ab. Erste
Im engagierten Gespräch
Veröffentlichungen sind in Vorbereitung.
Es bleibt zu hoffen, dass eine veränderte Sicherheitslage in Israel es deutschen
Wissenschaftlern leichter machen wird, sich zu einem auch längeren Aufenthalt im
Lande zu entschließen.
Außerhalb der Universität unterstützt die Stiftung das Bemühen der Stadt Haifa, die
historisch außerordentlich bedeutsame Restaurierung der »German Colony«, einer
Siedlung deutscher Templer aus dem 19. Jahrhundert, abzuschließen. Hierbei geht es
insbesondere um die ehemalige Schule der Templergemeinde, die zusammen mit
dem bereits hergestellten Gemeindehaus das Stadtmuseum Haifa aufnehmen wird.
[30]
[31]
INTERNATIONALE
AKTIVITÄTEN
MITTEL- UND OSTEUROPA
Der Königsberger Dom vor …
… und nach der Restaurierung
Stiftungsengagement für
Mittel- und Osteuropa
Klaus Asche
Fast zeitgleich mit dem Erscheinen dieses Tätigkeitsberichts begeht
St. Petersburg die Dreihundertjahrfeier seiner Gründung durch Peter den
Großen. Bei dessen Suche nach geeigneten Modellen für Reformen in Russland
vor allem in Wirtschaft und Technik spielte auch Hamburg eine Rolle. Die
zweite Hauptstadt Russlands schickt sich nun an, mit ihrem Jubiläum im
Sommer 2003 den gesellschaftlichen und staatlichen Aufbruch des Landes zu
feiern - nach Jahrzehnten der Trennung und allenfalls frostiger Begegnungen
auf offizieller Ebene stehen wir endlich vor einer Neubelebung der deutschrussischen Beziehungen in Europa.
St. Petersburg 2003 ist als Symbol auch für die ZEIT-Stiftung wichtig: Es steht für den
Beginn der Neuzeit in der Geschichte Russlands und für dessen »Fenster nach Europa«
und damit für die außenpolitische Öffnung nach Zeiten drohender Stagnation.
Ebenso verkörpert es den kühnen Versuch, eine Hauptstadt zu planen und zu errichten – ein guter Bezugspunkt auch für uns Deutsche bei dem Unterfangen, unsere
eigene Kapitale des 21. Jahrhunderts auf den Trümmern von Krieg und Diktaturen neu
einzurichten. Bei aller Konzentration auf die deutsch-russischen Beziehungen verliert
die Stiftung die anderen Staaten Osteuropas keineswegs aus den Augen.
[32]
[33]
Der aufmerksame Gang durch die Stadt an der Newa, dieses »Laboratorium der
Moderne« (Karl Schlögel), zeigt noch heute, wie intensiv das Verhältnis zwischen
Deutschen und Russen in allen Bereichen seit dem 18. Jahrhundert war – am
Zarenhof, in Bibliothek und Kabinett, in Armee und Flotte, Kontor und Werkstatt.
Monarchen wie Philosophen war indes klar, dass jeder Aufbruch und Neuansatz eine
tragfähige Verankerung in der Gesellschaft benötigt, um wirken zu können. Die
Fundamente der Petersburger Paläste, deren Schauräume bei der Dreihundertjahrfeier St. Petersburgs im Licht stehen, ruhen auf den Pfählen des 18. Jahrhunderts.
Marion Gräfin Dönhoff, die uns bis zu ihrem Tode im Jahr 2002 eng verbunden war,
Sie verkörpern die Anziehungskraft von Überzeugungen, die sicherlich auch aus
hat diese Überzeugung verkörpert und weitergetragen. Vorhaben wie das Kant-
russischer Sicht in dem Werk Immanuel Kants gipfelten, dessen 200. Todestag
Stipendienprogramm, der Einsatz für die Junge Presse Osteuropas oder das deutsch-
mehrere Vorhaben der Stiftung in Königsberg, St. Petersburg und Berlin gelten.
polnische Lyceum Marion Dönhoff in Nikolajken/Masuren tragen dazu bei, die ihr
wichtigen Werte zu bewahren. Die von der Gräfin gelebte Maxime, dass die Förder-
Der historischen Betrachtung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Das Doktoran-
initiativen der Stiftung in Russland und den weiteren Ländern Osteuropas nur in
denprogramm der Stiftung »Deutschland und seine östlichen Nachbarn – Beiträge
aufrichtiger Zusammenarbeit gedeihen, begleitet uns auch in Zukunft.
zur europäischen Geschichte« sowie das in Kürze zu eröffnende Deutsche Historische
Institut in Moskau, das die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung sowie die
Russland hat seit jeher führende Köpfe in Europa mit seinen schier grenzenlosen Per-
ZEIT-Stiftung gemeinsam initiierten und tragen, unterstreichen diese Zielsetzung.
spektiven, der Tatkraft und der Bereitschaft zu radikaler Überprüfung von Traditionen
immer wieder angezogen. Ein Streifzug durch die Geschichte dieser Faszination, die
Die Stiftung setzt sich als Erbin eines erfolgreichen Journalisten, Unternehmers und
spätestens bei den Herzögen von Holstein-Gottorf im frühen 17. Jahrhundert ansetz-
Politikers aus Hamburg in Osteuropa dafür ein, die Menschen – insbesondere die
te, würde zu neuen Begegnungen mit Leibniz, Voltaire, Schlözer, Clausewitz, Weber,
Nachwuchskräfte – zu stärken und an Wissenschaft, Bildung und Kunst heran-
Benjamin und vielen anderen führen. Kaum ein Land erscheint daher geeigneter, die
zuführen. Von ihnen wird es abhängen, ob die Neubelebung der deutsch-russischen
Chance der Begegnung und des Dialoges wahrzunehmen. Deutschland steht nach
Beziehungen gelingt und welches Leitbild sie dabei verfolgen. Sie schließt auch die
einem Jahrhundert beispielloser Umbrüche hinsichtlich seiner Institutionen und
Presse ein, die – wie der Blick auf die Geschichte der Demokratie in Europa seit dem
Lebensformen vor großen Aufgaben; liebgewonnene Traditionen und Besitzstände
18. Jahrhundert lehrt – zugleich Ausdruck und Motor von Bürgersinn und Gedanken-
müssen auf ihre Zukunftsfähigkeit hin überprüft werden. Wie könnten wir da auf die
freiheit ist. Der von Präsident Wladimir Putin und Kanzler Gerhard Schröder initiierte
Erfahrungen, die die Menschen im Osten in den letzten Jahren in Staat und Gesell-
»Petersburger Dialog«, der von der Stiftung gefördert wird, soll den Prozess der
schaft gesammelt haben, verzichten? Die Zeit erscheint günstig für »Erweiterung und
Annäherung in diesem Sinn unterstützen.
Vertiefung« auf diesem weiten Feld.
[34]
[35]
INTERNATIONALE AKTIVITÄTEN
BUCERIUS LAW SCHOOL
Hoher Stellenwert der
Internationalisierung an der
Bucerius Law School
Andrea Leuck-Baumanns
Es gab viele Motive, die die ersten hundert Studierenden im Oktober 2000 nach
einem anspruchsvollen Auswahlverfahren bewogen, ihr Studium an der soeben
eröffneten Bucerius Law School in Hamburg aufzunehmen. Für die meisten gab
die internationale Ausrichtung der Hochschule den Ausschlag – und die Erwartung, an der Bucerius Law School optimal auf ein durch starke internationale
Vernetzung geprägtes Berufsleben vorbereitet zu werden. Das Beherrschen
möglichst mehrerer Fremdsprachen, die Kenntnis anderer Rechtssysteme
und eine gewisse Auslandserfahrung sind heute für die Tätigkeit in Anwaltskanzleien, Unternehmen und Verbänden unverzichtbar. Die Bucerius Law
School widmet sich deshalb gerade auch der Einführung in andere Rechtsordnungen, der Rechtsvergleichung und der Vermittlung der erforderlichen
Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere in der Rechtssprache. Ein Pflichttrimester im Ausland und Praktika an internationalen Standorten von Kanzleien, Unternehmen und Institutionen vermitteln die nötige Auslandserfahrung.
Studierende der Bucerius Law School werden nicht nur intensiv auf das 1. StaatsDie Kraft der Argumente
examen vorbereitet, sondern können zugleich den international anerkannten
Bachelor auf Laws (LL.B.) erwerben. Neben den deutschsprachigen Lehrveranstaltungen gehören deshalb auch Vorlesungen, Vorträge und Kleingruppenarbeit in
englischer Sprache zum Lehrangebot der Bucerius Law School. Über die Kurse in
englischer Rechtsterminologie und Konversation hinaus werden nachfrageorientiert
Französisch- und Spanischkurse angeboten. Jegliche Leistung der Studierenden der
Bucerius Law School wird nach einem europaweit anerkannten Credit Point System
beurteilt.
[36]
[37]
Im Herbst 2002 wurde erstmalig eines der wesentlichen Elemente des Ausbildungskonzepts der Bucerius Law School Realität: Die Studierenden des ersten Jahrgangs
verbrachten ein Pflichttrimester im Ausland. Sie hatten die Wahl unter 58 Partnerhochschulen im englisch-, französisch- und spanischsprachigen Ausland, darunter
27 in den USA, 21 in Europa und 10 in Afrika, Asien und Südamerika. Von September
bis Dezember 2002 waren 66 Studierende aus 9 Ländern zum Austausch in Hamburg
zu Gast. Sie belegten Lehrveranstaltungen im Rahmen eines Programms zum »International and Comparative Law«, das von ausländischen Gastprofessoren in englischer
Sprache unterrichtet wurde. Darüber hinaus konnten die Gaststudierenden deutsche
Sprachkurse und zahlreiche Veranstaltungen und Exkursionen wahrnehmen, die
ihnen deutsche Kultur und Geschichte näher brachten.
Mit diesem internationalen Profil stößt die Bucerius Law School nicht nur in
Deutschland und Europa auf Interesse. In einem bis dahin einmaligen Vorgang haben
22 amerikanische Partner Law Schools die Anerkennung ihres Austauschprogramms
mit »Bucerius« bei der American Bar Association (ABA) beantragt. Die ABA hat die
Anerkennung für das Programm 2002 ausgesprochen, Ende 2002 entsandte sie eine
Inspektion, um die Grundlagen für eine mögliche Akkreditierung des Programms für
weitere fünf Jahre zu ermitteln.
Die Bucerius Law School - weithin vernetzt
Die Leitung der Bucerius Law School wurde im Berichtszeitraum zu mehreren
internationalen Konferenzen, vor allem im amerikanischen Raum, eingeladen, um das
Auswahlverfahren und das Austauschprogramm vorzustellen. Aspekte wie die
Auswahl der Studierenden, ständige Leistungskontrollen, Kleingruppenarbeit, Betonung der social skills in der Ausbildung, Evaluation von Lehre und Management der
Hochschule, obligatorischer Auslandsaufenthalt, Unterricht in fremdländischen
Rechtssprachen und rechtsvergleichende Inhalte des Curriculums lösten auf den
Konferenzen Diskussionen aus und gaben Denkanstöße.
Die Bucerius Law School wirkt damit bereits jetzt nicht nur auf der nationalen Ebene,
sondern auch international als Impulsgeberin für neue Entwicklungen im Hochschulbereich. Das gegenwärtig geplante Master-Programm insbesondere auch für
ausländische graduierte Studierende wird die Internationalisierung der Bucerius Law
School noch weiter verstärken.
[38]
[39]
INTERNATIONALE AKTIVITÄTEN
BUCERIUS SUMMER SCHOOL
Die Bucerius Summer School
on Global Governance –
Globalisierung steuern, Netzwerke
zwischen Akteuren stärken
Bernhard Lorentz
Die ZEIT-Stiftung setzt mit Global Governance einen neuen Schwerpunkt innerhalb
ihrer internationalen Förderaktivitäten. Im Zentrum der Projekte steht die Aus- und
Weiterbildung sowie die Vernetzung von Akteuren aus den drei für den Globalisierungsprozess entscheidenden Sektoren Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen. Die abnehmende Bedeutung staatlicher Souveränität und die
geringere Handlungsfähigkeit des Nationalstaats gehören zu den entscheidenden
Erfahrungen des Globalisierungsprozesses, daher haben internationale Organisationen und nationale Regierungen damit begonnen, neue Formen des Regierens
jenseits des Nationalstaats zu entwickeln. Die Stiftung möchte die Diskussion um
innovative Steuerungsmodelle im Zusammenhang mit der Globalisierung anstoßen.
Verantwortlich für die Bucerius Summer School on Global Governance –
Theo Sommer und Bernhard Lorentz
Governance umfasst mehr als staatliches Regieren, es verknüpft die Interaktion von
Verfassungsinstitutionen und Institutionen der Zivilgesellschaft sowie der Wirtschaft.
Der Begriff zielt auf den Prozess, in dem verschiedene staatliche Instanzen, politische
Organisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen innerhalb des Gemeinwesens
Macht, Autorität und Einfluss ausüben, um Entscheidungen über öffentliche
Angelegenheiten und gesellschaftliche Fortentwicklung herbeizuführen. Der Begriff
Governance bezieht sich auf Regime und Netzwerke, auf Normen und Regeln,
Prozeduren und Praktiken, die den Entscheidungen zugrunde liegen. Bei Global
Governance geht es also um Regelwerke für den politischen, ökonomischen und
kulturellen Verkehr auf lokaler, nationaler, regionaler und internationaler Ebene.
Global Governance ist zugleich ein heuristisches Werkzeug, eine analytische Methode, eine normative Vision und ein politisches Projekt.
Die Bucerius Summer School on Global Governance bildet den Mittelpunkt der
Stiftungsprojekte in diesem Bereich. Sie findet 2003 bereits zum dritten Mal statt.
Besonders begabten young professionals im Alter zwischen 28 und 35 Jahren ermöglicht die englischsprachige Bucerius Summer School die Diskussion mit hochrangigen
Vertretern der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus aller Welt, zugleich schafft sie
bleibende internationale Kontakte.
[40]
[41]
Zu den beiden ersten Bucerius Summer Schools hat die ZEIT-Stiftung je 55 Nachwuchsführungskräfte aus mehr als 20 verschiedenen Ländern eingeladen. Beyond the
Nation State – Governance in a Globalized World – der Titel der Bucerius Summer
School 2003 knüpft an das Programm der vergangenen Jahre an. Persönlichkeiten aus
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft debattieren aktuelle Fragen der
Global Governance mit den Teilnehmern, vertiefen sie in Workshops und Gruppendiskussionen. Unter den Referenten der Jahre 2001 und 2002 waren Helmut Schmidt
(Bundeskanzler a.D.), Dr. Hans Tietmeyer (Bundesbankpräsident a.D.), Lord Ralf
Dahrendorf, Professor Dr. Rudi Dornbusch (MIT), Professor Dr. John Ruggie (Harvard),
Professor Dr. Anne-Marie Slaughter (Princeton), die lettische Staatspräsidentin
Waches Interesse an der
Bucerius Summer School on Global Governance
Professor Dr. Vaira Vike-Freiberga und die Staatssekretäre Dr. Gunter Pleuger und
Caio Koch-Weser. Dean und Moderator der Summer School ist Dr. Theo Sommer,
das Programm verantwortet der Verfasser.
Zu den Global Governance-Aktivitäten der Stiftung gehört über die Bucerius Summer
School hinaus die Unterstützung wissenschaftlicher Tagungen und die Veranstaltung
Parlamentarischer Abende zu Governance-Themen, zusammen mit der EnqueteKommission »Globalisierung der Weltwirtschaft: Herausforderungen und Antworten«
des Deutschen Bundestages. Damit stärkt die Stiftung die konzeptionelle Agenda
des Global Governance-Diskurses.
Die positiven Erfahrungen der Bucerius Summer School zeigen den großen Bedarf
für die Aus- und Weiterbildung von internationalem Führungsnachwuchs angesichts
der globalen Herausforderungen. Die aktuellen und kommenden globalen Probleme
können weder allein von nationalen Regierungen noch von klassischen zwischenstaatlichen Institutionen, sondern nur durch das Zusammenwirken zivilgesellschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure gelöst werden. Deshalb entwickelt die
ZEIT-Stiftung mit dem Schwerpunkt Global Governance innovative und dynamische
Vorhaben – und treibt damit das Projekt Global Governance selbst voran. In den
Jahren 2003 und 2004 wird die Stiftung den Governance-Schwerpunkt ausbauen –
mit »The Future of Europe«, einem gemeinsam mit der Dräger-Stiftung, Lübeck, und
dem American Council on Germany, New York, vorbereiteten Konferenzprojekt, sowie
mit der Reihe Bucerius Governance Gespräche.
[42]
[43]
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
Ingmar Ahl
Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung bildet eine wesentliche Voraussetzung
einer lebendigen Zivilgesellschaft. Gemeinnützige Stiftungen als eigentliche Instrumente der Bürgergesellschaft spielen daher in der Wissenschaftsförderung eine
gewichtige Rolle. Sie ermöglichen mit stetig wachsender Bedeutung die Bewahrung
und Schaffung von Freiräumen abseits ökonomischer, administrativer oder politi-
Dem schon von Gerd Bucerius initiierten und von der Studienstiftung des deutschen
scher Zwänge. Dies erscheint in der modernen Wissensgesellschaft notwendiger
Volkes durchgeführten Juraprogramm, das jungen Juristen einen Auslandsaufenthalt
denn je, denn Wissenschaft und Forschung eröffnen gerade im 21. Jahrhundert
ermöglicht, folgte die Bucerius Law School - die erste private Rechtshochschule in
persönliche Bildungschancen, ermöglichen Innovationen und gesellschaftliche
Deutschland mit ihrem in Struktur, Curriculum und Finanzierung neuartigen Hoch-
Entwicklung. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung ist der ZEIT-Stiftung
schulmodell. Sechs Stiftungsprofessuren, vor allem in den östlichen Bundesländern,
daher besonders wichtig. Die Zukunftsfähigkeit wissenschaftlicher Debatten und
suchen über neue Fragestellungen die Erschließung innovativer Lehr- und
Erkenntnisse ist ein entscheidender Faktor zur verantwortungsvollen Gestaltung der
Forschungsfelder in ihren jeweiligen Disziplinen und tragen somit zur Stärkung des
Gesellschaft von morgen. Dies gilt für das wiedervereinigte Deutschland, in einem
Wissenschaftsstandortes Ostdeutschland bei. Im Stipendienprogramm »Deutschland
sich nach Osten erweiternden Europa, im Dialog von Juden, Christen und dem Islam
und seine östlichen Nachbarn« fördert die Stiftung Dissertationen zur Geschichte
sowie in einer globalisierten Welt - womit die wesentlichen Motive und Arbeitsfelder
Mittel- und Osteuropas und stärkt damit die Zusammenarbeit und Vernetzung
der Wissenschaftsförderung der ZEIT-Stiftung benannt sind.
gerade junger Nachwuchswissenschaftler aus Deutschland und Osteuropa in den Geschichtswissenschaften. Gemeinsam mit der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-
Die Stiftung engagiert sich besonders für innovative und internationale
Stiftung betreibt die ZEIT-Stiftung die Gründung eines Deutschen Historischen
Ausbildungs-, Lehr- und Forschungsstrukturen, unterstützt innovative, zukunftsträch-
Instituts in Moskau, das sich besonders der Erforschung der deutsch-russischen
tige Wissenschaftsfelder und fördert den besonders begabten internationalen wis-
Geschichte in europäischem Rahmen widmen wird. An der Universität Haifa hat
senschaftlichen Nachwuchs. Im Vordergrund der Arbeit stehen dabei eigene und von
sie das Bucerius Center for Research of Contemporary German History and Society
der Stiftung angeregte Vorhaben. Sie konzentriert sich auf die Rechtswissenschaften,
gegründet. Hinzu treten Fördervorhaben in der Philosophie – vor allem im Rahmen
die Geschichtswissenschaften und benachbarte Geistes- und Kulturwissenschaften,
der Werkausgabe des Philosophen Ernst Cassirer und in der Kant-Forschung. Im
vor allem die Philosophie und Kunstgeschichte sowie die Politikwissenschaften.
Kontext des Bucerius Kunst Forums engagiert sie sich auch für die kunsthistorische
Besonderes Interesse gilt dem Standort Hamburg, der deutschen Wissenschafts-
Forschung und unterstützt durch Stipendien die Forschungsarbeit und den Dialog
landschaft und ihrer Internationalisierung, einem nach Osten erweiterten europä-
junger deutscher und französischer Kunsthistoriker am Deutschen Forum für
ischen Wissenschaftsraum und Israel.
Kunstgeschichte in Paris.
[44]
[45]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
RECHTSWISSENSCHAFTEN
Gerd Bucerius-Stiftungsprofessuren in
Rostock, Greifswald und Jena etablieren
neuartige Lehr- und Forschungsgebiete
Gerd Bucerius, dessen Karriere als Politiker, Publizist und Verleger ihren
Ausgang in einer juristischen Ausbildung nahm, hat durch eigene Förderaktivitäten einen Arbeitsschwerpunkt Rechtswissenschaften initiiert. Dessen
Flaggschiff, die Bucerius Law School, sieht sich der Ausbildung eines international ausgerichteten, gesellschaftlich verantwortungsbewussten Juristennachwuchses verpflichtet (siehe Seite 18 und Seite 36). Die Förderung
des besonders begabten deutschen juristischen Nachwuchses und seiner
Internationalität steht im Zentrum eines gemeinsam mit der Studienstiftung
des Deutschen Volkes verwirklichten Auslandsstipendienprogramms. Drei
juristische Stiftungsprofessuren in den neuen Bundesländern stärken mit
neuartigen Widmungen in der Forschung und Lehre auch den Wissenschaftsstandort Ostdeutschland.
Von sechs Stiftungsprofessuren, die die ZEIT-Stiftung eingerichtet und nach ihrem
Die traditionsreiche Friedrich-Schiller-Universität Jena
Stifter benannt hat, sind drei den Rechtswissenschaften gewidmet. Die behandelten
Lehrgebiete wurden vorher an den Universitäten nicht vertreten. Da die ZEIT-Stiftung
die Stiftungsprofessuren für fünf Jahre finanziert und die anschließende Fortführung
durch die jeweilige Universität sichergestellt ist, können wichtige innovative Aspekte
der Rechtswissenschaften auch perspektivisch erforscht und gelehrt werden.
An der Universität Rostock hat Professor Hubertus Gersdorf seit 1999 die Gerd
Bucerius-Stiftungsprofessur für Kommunikationsrecht inne. Professor Dr. Helmut
Heiss, Gerd Bucerius-Stiftungsprofessor für Bürgerliches Recht, Rechtsvergleichung
und Rechtsharmonisierung im Ostseeraum an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in
Greifswald, hat im Berichtszeitraum mehrere Tagungen zu aktuellen Rechtsfragen des
baltischen Raums mit international renommierten Rechtswissenschaftlern durchgeführt. Der Inhaber des Gerd Bucerius-Lehrstuhls für Bürgerliches Recht mit
deutschem und internationalem Gewerblichen Rechtsschutz an der FriedrichSchiller-Universität Jena, Professor Dr. Volker Michael Jänich, veranstaltet mit dem
Deutschen Patent- und Markenamt die »Jenaer Vorträge zum Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht«.
[46]
[47]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN
Stipendienprogramm »Deutschland
und seine östlichen Nachbarn –
Beiträge zur europäischen Geschichte«
Deutschland und seine östlichen Nachbarn verbindet eine mehr als tausendjährige gemeinsame Geschichte in Europa, die mit dem Ende der Teilung neue
Bedeutung gewonnen hat. Das Wissen um die Entstehungsgründe unterschiedlicher kultureller und politischer Identitäten, aber auch ihrer Gemeinsamkeiten
muss kennen, wer die europäische Zukunft wie auch die der Nationen Mittelund Osteuropas gestalten will. Nur im Wissen um seine ganze Vergangenheit
wird das neue Europa mehr sein können, als es das alte war.
Das seit 2001 jährlich ausgeschriebene Stipendienprogramm »Deutschland und seine
Das ist hier die Frage: »Europa auf dem Stier, auf der Mauer balancierend.
Vorwärts oder rückwärts?« von Johannes Grützke
östlichen Nachbarn – Beiträge zur europäischen Geschichte« möchte angesichts der
bevorstehenden Osterweiterung der Europäischen Union die Beschäftigung mit der
Geschichte des mitteleuropäischen Raumes befördern. Es zielt auf Nachwuchshistoriker aus Deutschland und den mittel- und osteuropäischen Staaten – die
Förderung des Wissenschaftstransfers von und nach Mittel- und Osteuropa und die
nationenübergreifende Zusammenarbeit gerade junger Wissenschaftler. Die
Arbeiten sollen das östliche Europa in seinen vielfältigen historischen Bezügen zur
deutschen und europäischen Geschichte aufzeigen.
[48]
[49]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
Timothy Garton Ash hat die
Bucerius-Stiftungsprofessur in Oxford inne
GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN
Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur
für Contemporary History
am St. Antony´s College, Oxford
Die ZEIT-Stiftung trägt seit 2002 Timothy Garton Ashs Senior Research Fellowship in
Contemporary History am European Studies Centre des St. Antony´s College in
Oxford – eine der wichtigen europäischen und internationalen Ausbildungs- und
Forschungsstätten für die jüngere und jüngste Zeitgeschichte. Ash wirkt mit seinen
Büchern, Untersuchungen und Essays zur »Geschichte der Gegenwart« Europas,
den Neubegründungen, Revolutionen und Demokratisierungsbewegungen in Mittelund Osteuropa weit über die Fachgrenzen hinaus. Auch angesichts der Herausforderungen des Endes der Teilung und der bevorstehenden EU-Osterweiterung erforscht
Ash den historischen, politisch-ideellen Gehalt des neuen Europa. Kaum ein anderer
europäischer Wissenschaftler und Intellektueller der jüngeren Generation hat
sich vergleichbar um eine wissenschaftliche Integration und öffentliche Vermittlung
der osteuropäischen Zeitgeschichte verdient gemacht – Anliegen, die auch die
ZEIT-Stiftung in ihrer Arbeit leiten.
[50]
[51]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN
Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur
»Geschichte und Theorie der
Kulturtechniken« an der
Bauhaus-Universität Weimar
Die Bauhaus-Universität Weimar
Der an der Bauhaus-Universität Weimar eingerichtete Stiftungslehrstuhl »Geschichte
und Theorie der Kulturtechniken« will die Etablierung der Kulturgeschichte in
Forschung und Lehre fördern und gleichermaßen die junge Bauhaus-Universität und
damit auch die ostdeutsche Hochschullandschaft in ihrem Profil und Innovationspotenzial stärken. Der Kulturwissenschaftler Bernhard Siegert forscht und lehrt vor
allem zur Geschichte der klassischen Kulturtechniken des »gelehrigen Körpers«
der Schrift bzw. des Schreibens, des Lesens und Rechnens sowie operationaler
Beschreibungssysteme wie Karten, Katalogen und Kalküle. Auch Bildtechniken
der Moderne – von der Fotografie bis zum Film, vom Fernsehen bis zum Internet –
werden berücksichtigt.
[52]
[53]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN
Deutsches Forum für Kunstgeschichte
in Paris
Das Deutsche Forum für Kunstgeschichte an der
Place des Victoires, Paris
Soll das Zusammenwachsen der europäischen Wissenschaftslandschaften keine
Utopie der Wissenschaftsbürokratie bleiben, sind – gerade in den Geisteswissenschaften – Räume vonnöten, in denen gemeinsame Debatten und Forschungsvorhaben stattfinden können. Das 1997 von dem Berliner Kunsthistoriker Thomas
W. Gaehtgens gegründete Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris gibt der
traditionsreichen deutschen Frankreichforschung ein Forum und bietet jungen
französischen Kunsthistorikern die Möglichkeit, mehr über die deutsche Kunsttopographie zu erfahren. Ziel des Forums ist die wechselseitige Vermittlung der
jeweiligen Geistes- und Kunstgeschichte, die Erforschung ihrer gegenseitigen
Rezeption und Schnittfelder, der fachliche und personelle Transfer kunsthistorischer
Forschung zwischen Deutschland und Frankreich. Dabei steht der wissenschaftliche
Nachwuchs im Vordergrund. Zu jährlich wechselnden Forschungsschwerpunkten –
2002 Bauhaus in Frankreich – vergibt das Deutsche Forum Kunstgeschichte Stipendien, es organisiert hierauf abgestimmte Kolloquien und Vortragsveranstaltungen.
Die ZEIT-Stiftung trägt auch hier dazu bei, Brücken für eine Begegnung und Orte des
Austausches für junge Wissenschaftler aus Deutschland und dem französischen
Nachbarland zu bauen. Sie finanziert am Deutschen Forum für Kunstgeschichte
Stipendien bzw. Forschungsvorhaben, die sich mit Frankreich und den deutschfranzösischen Beziehungen im Rahmen der europäischen Kunstgeschichte auseinander setzen. Im Mittelpunkt der Förderarbeit stehen die Erprobung methodisch
innovativer Ansätze und die Bearbeitung neuer Themen in der Kunstgeschichte.
[54]
[55]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN
Geschichte des Hamburger
Stiftungswesens –
»Für Gotteslohn und Vaterstadt«
Der 1. Hamburger Stiftungstag stößt auf reges Interesse
»Nicht Potentaten haben der Stadt große Prachtstraßen und Paläste, weder Staatsopern noch große Gemäldegalerien, kein Fürst hat eine Universität oder eine Kathedrale errichtet. Hamburg ist eine bedeutende Stadt geworden wegen der opferwilligen Tatkraft seiner Bürger. Hier gibt es achthundert gemeinnützige Stiftungen. Hinter
manchen stehen große Namen wie Laeizs, Siemers, Sieveking, Warburg, Toepfer,
Körber, Otto, Greve oder Bucerius. Andere Stifter sind bescheiden im Hintergrund
geblieben, und wieder andere sind mühsam aus Arbeitergroschen finanziert worden«
(Helmut Schmidt). Nur wenige deutsche Städte haben eine vergleichbar lange und
breite, lebendige, jedoch in ihrer Bedeutung kaum erforschte Stiftungsgeschichte.
Der Blick in die Geschichte des Hamburger Stiftungswesens macht die historische
Wirkungsmacht und die Bedeutung stifterischen und mäzenatischen Handelns für
die Gesellschaft deutlich. Die ZEIT-Stiftung leistet mit ihrem mehrteiligen Publikations- und Forschungsvorhaben einen exemplarischen Beitrag zur Geschichte der
Bürgergesellschaft in Deutschland.
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[57]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
PHILOSOPHIE
Ernst Cassirers Gesammelte Werke
Ernst Cassirer (1874 bis 1945), der von 1919 bis 1933 an der Universität Hamburg lehrte,
war einer der bedeutendsten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts – und
wohl wie kaum ein anderer von internationalem Rang. Sein Versuch einer kulturalistischen Einung der Wissenschaften, seine Kultur- und Sprachphilosophie fanden
schon in den 1920er Jahren breite Wirkung. Gerade seine jüngste internationale
Wirkungsgeschichte spiegelt Cassirers Aktualität, seine Bedeutung für die sich zu
Kulturwissenschaften transformierenden Geisteswissenschaften. Seine Arbeiten zu
Leibniz, Kant und zum deutschen Idealismus – ebenfalls viel beachtet – suchen eine
Rückbettung der deutschen Geistesgeschichte in die republikanische Tradition Europas. Er folgerte in seiner berühmten Rede zum Weimarer Verfassungstag 1928, »dass
die Idee der republikanischen Verfassung als solche in der deutschen Geistesgeschichte keineswegs ein Eindringling ist, dass sie vielmehr auf deren eigenem
Boden erwachsen und durch ihre ureigensten Kräfte der idealistischen Philosophie
genährt worden ist.«
Der Vernunftrepublikaner Cassirer war ein entschiedener Streiter für die Weimarer
Republik. Wie viele andere jüdische Gelehrte, die deren geistiges, wissenschaftliches
Leben prägten, wurde er 1933 aus Deutschland vertrieben, sein Werk verfemt und
seine Wirkung verhindert. Die von der ZEIT-Stiftung getragene Cassirer-Werkausgabe
begreift sich daher auch als Wiedergutmachung an diesem großen deutschen
Philosophen.
Ernst Cassirer, 1929/1930 Rektor der
Hamburger Universität
Die auf 25 Bände angelegte, seit 1997 erscheinende Cassirer-Werkausgabe sichert
das breite und verstreut erschienene Gesamtwerk Cassirers, gewährt eine verlässliche
Textbasis und ermöglicht über die Entschlüsselung seiner Quellen die Beschäftigung
mit seinem Denken. Sie wird von der Hamburger Philosophin Birgit Recki ediert,
erscheint im Verlag Felix Meiner und enthält alle zu Lebzeiten Cassirers veröffentlichten Werke und Schriften in chronologischer Reihenfolge. 2002 konnte Cassirers
Schlüsselwerk Philosophie der symbolischen Formen (Bd. 11, 12 und 13 der Werkausgabe) vollständig vorgelegt werden.
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WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
PHILOSOPHIE
Kant-Aktivitäten
Der große Aufklärer Immanuel Kant (1724 bis 1804) wirkte weit über Königsberg
hinaus, machte die Stadt und ihre Universität Albertina im 18. Jahrhundert zu einem
Zentrum des geistigen Lebens Europas. Die Erforschung seines Werks und Lebens
gerade durch Nachwuchswissenschaftler in seiner Stadt Königsberg – dem heutigen
Kaliningrad – und in Russland ist der ZEIT-Stiftung wichtig. Sie erinnert damit auch
an das Geschichte und Gegenwart verknüpfende Versöhnungswerk ihres 2002
verstorbenen Kuratoriumsmitglieds Marion Gräfin Dönhoff, die, aus Ostpreußen
stammend, als Journalistin dem philosophischen Programm Kants und seinen
politischen Konsequenzen in besonderer Weise verbunden war.
Das Kant-Stipendium gewährt seit 1997 jährlich bis zu fünf jungen Philosophiehistorikern einen einsemestrigen Forschungs- und Studienaufenthalt an einer
deutschen oder westeuropäischen Universität. Es ermöglicht das Kennenlernen
der Quellen des Königsberger Philosophen sowie der deutschen und internationalen
Kant-Forschung und regt den Austausch gerade junger Philosophiehistoriker
und ihrer Universitäten zwischen Russland und Deutschland bzw. Europa an. Die
Strahlkraft des Philosophen und die Bedeutung dieser Wissenschaft für das europäische Selbstverständnis legten schon bald die Ausweitung des Stipendienprogramms
nahe. Es umfasst nun auch die Staatliche Universität sowie die Herzen-Staatsuniversität von St. Petersburg – der Stadt, in der sich heute aufklärerische Tradition und
administrative Kraft treffen.
Der Kant-Arbeitskreis an der Universität Kaliningrad bemüht sich um die Erforschung
von Kant in Kaliningrad und Russland, vor allem um die Erarbeitung zeitgemäßer
Denker der Aufklärung
russischer Ausgaben der Werke des Philosophen. Seit 2001 unterstützt die ZEITStiftung die von der Universität Osnabrück koordinierten Forschungsarbeiten zur
Rekonstruktion und Auffindung der seit 1945 in Russland und den Nachbarländern
verschollenen Bestände der alten Königsberger Universität Albertina, insbesondere
ihrer Handschriften, von Kant-Autographen und Vorlesungsmitschriften.
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[61]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
PHILOSOPHIE
Immanuel Kants Opus postumum
Gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder und der Bundesregierung ermöglichte
die ZEIT-Stiftung der Staatsbibliothek zu Berlin den Erwerb von Immanuel Kants
letztem Werk, dem sogenannten Opus postumum. Kant selbst betrachtete das Opus
postumum als »Chef d’oeuvre«, als Schlussstein seines Gesamtwerks. Er wollte hierin
die Frage beantworten, wie Natur objektiv verfasst sein muss, das heißt welche
Verknüpfungen in ihr angenommen werden müssen, um sie überhaupt erst zum
Gegenstand empirischer Naturwissenschaft machen zu können. Sein Versuch einer
materialen Naturerkenntnis, des »Übergangs von den metaphysischen AnfangsKants Schriftzüge im Opus postumum
gründen der Naturwissenschaft zur Physik«, galt der Forschung als krudes Alterswerk
und wurde wissenschaftlich kaum beachtet. Die Handschrift, im Zweiten Weltkrieg
verschollen geglaubt, blieb unzureichend ediert.
Mit Unterstützung der ZEIT-Stiftung richteten der Berliner Philosoph Volker Gerhardt
und die Kant-Gesellschaft an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften eine Arbeitsgruppe ein, die eine wissenschaftliche Edition des Werks
vorbereitet. Mit der konservatorischen Sicherung, der Transkription des Manuskripts
und dem Verfilmen bzw. Scannen konnten die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen
werden. Die Edition verantwortet der renommierte Kant-Forscher Eckehard Förster
(Stanford/München). Die historisch-kritische Edition des Opus postumum, die 2007
vorliegen wird, schließt zugleich die vor über hundert Jahren begonnene AkademieAusgabe der Werke Kants ab – »ein nicht nur philosophisches, sondern auch kulturelles und politisches Ereignis ersten Ranges« (Volker Gerhardt).
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[63]
WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
PHILOSOPHIE
Hamburg Lectures
Jürgen Habermas als Gastredner der Hamburg Lectures
Die Hamburg Lectures, gemeinsam getragen vom Ersten Bürgermeister, den
Hamburger Universitäten und der ZEIT-Stiftung, wirken in die Hansestadt – mit
kontroversen Debatten zu aktuellen Zeitfragen. Prominente Gastredner treffen
auf Hamburger Wissenschaftler, die den Hauptvortrag mit einer Replik
kommentieren und so die anschließende Diskussion befördern.
Seit 1999 gibt es die Hamburg Lectures, seither waren Saskia Sassen und Franz
Vranitzky, Hans-Joachim Schellnhuber, André Rosenthal und andere zu Gast an den
Universitäten Hamburgs. Die Molekularbiologin Regine Kollek sprach über die Risiken
der Genforschung, der französische Soziologe Alain Touraine über das alte und neue
europäische Sozialmodell. Jürgen Habermas Reflexionen über die Notwendigkeit
einer europäischen Verfassung zogen mehr als tausend Zuhörer an. Die zehnte
Lecture mit General a.D. Klaus Reinhardt fand im Oktober 2002 an der Universität der
Bundeswehr Hamburg statt. Mit dem Thema »Das Leitbild vom ›Bürger in Uniform‹
auf dem Prüfstand« traf sie ins Zentrum der Diskussion über einen drohenden Krieg.
Die Bildungsforscher Jürgen Baumert und Wilfried Bos diskutierten bei der elften
Hamburg Lecture Anfang Dezember 2002 »Bildungsnotstand Deutschland: Hat die
Schule versagt?«
Die Hamburg Lectures 2001 und 2002 fanden großen Publikumszuspruch und
überzeugten durch thematischen Aktualitätsbezug und rege Debattenbeiträge.
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WISSENSCHAFT UND
FORSCHUNG
PHILOSOPHIE
Hamburger Köpfe – lesenwerte Porträts von
Persönlichkeiten aus Musik …
Hamburger Köpfe
»Geschichte wird von Menschen gemacht. Und die Geschichte meiner Vaterstadt
haben Menschen aller Schichten gemacht. Einige wohnten großartig an der
Elbchaussee oder an der Alster, andere wohnten bescheiden in Barmbek, Eimsbüttel
oder Hammerbrook. Im Laufe der Generationen haben sich immer wieder einige der
Hamburger Bürger große Verdienste um ihre Stadt erworben. Die jetzigen Generationen an jene Leistungen zu erinnern, auch an die Fehlschläge, erscheint mir
… Theater und Politik
wünschenswert, um den heute lebenden Nachfahren ihre mitbürgerliche Verantwortung ins Bewusstsein zu heben« (Helmut Schmidt).
Die ZEIT-Stiftung gibt – angeregt von Ihrem Kuratoriumsmitglied Helmut Schmidt –
seit 1999 die Biographien-Reihe Hamburger Köpfe heraus. In knappen, anschaulich geschriebenen Einzelbiographien erzählen sie die Lebensgeschichten von Menschen –
Frauen und Männern, Politikern, Unternehmern, Künstlern und Wissenschaftlern, die
Hamburgs Geschichte geprägt haben. Bislang sind Bände über Albert Ballin,
Carl Petersen, Konrad Hansen, Otto Stolten, Justus Brinckmann, Ida Ehre, Max Brauer,
Friedrich Klopstock, Barthold Hinrich Brockes und Alfred Lichtwark erschienen. Ihre
Biographien handeln von Hamburger Stadtgeschichte – und zugleich auch von
deutscher Geschichte aus Hamburger Perspektive.
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KUNST UND KULTUR
Betrachtet man die Arbeit der ZEIT-Stiftung in den beiden vergangenen Jahren, so
könnte man den Eindruck gewinnen, sie sei unabhängig von tages- und kulturpolitischen Diskussionen. Das trifft zwar weitgehend, aber nicht generell zu: Natürlich hat
die Entwicklung auf den Finanzmärkten auch Konsequenzen für Stiftungen, die ja mit
den Erträgen ihres Stiftungskapitals arbeiten. Neue Projekte müssen sorgfältig
ausgewählt, die laufenden Vorhaben ruhig und adäquat abgeschlossen werden. Die
Zusammenarbeit der Stiftung mit der Hamburger Kunsthalle zur wissenschaftlichen
Aufarbeitung der Bestände des Kupferstichkabinetts beispielsweise verläuft
planmäßig bis 2005/2006. Das Hamburger Musikfest findet auch 2003 statt, die
wieder entdeckte Prussia-Archäologie-Sammlung ist im Stadtmuseum von Königs-
Philipp Adlung
berg in einer Dauerausstellung von europäischem Rang zu sehen. Besonders nach-
Kultur hat es schwer in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation oder gar Rezession. Sinken-
haltige Akzente setzt das Orgelrestaurierungsprojekt für Mecklenburg-Vorpommern.
de Steuereinnahmen stellen Bund, Länder und Kommunen vor besondere Probleme,
37 Orgeln konnten berücksichtigt werden, mehr als die Hälfte ist bereits restauriert.
sie, die über 90 Prozent der kulturellen Aufgaben in der Bundesrepublik abdecken
Die strukturell gebeutelte und kulturell eher benachteiligte Region erfährt dadurch
und finanzieren. Zur Sanierung der öffentlichen Finanzen werden Einschnitte häufig
Impulse quer durch alle Bevölkerungskreise. Menschen, die bislang kaum einmal eine
da vorgenommen, wo eigentlich kaum etwas zu holen ist – in den Kulturetats:
Kirche von innen gesehen haben, lassen sich die faszinierende Welt des Orgelbaus
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht von der geplanten Zusammenlegung von
zeigen. Der Schreibwettbewerb der Stiftung zum Thema »Hamburg_Underground«
Orchestern, Theatern oder gar deren Schließung zu lesen ist.
beweist mit mehr als 700 eingesandten Beiträgen, welche Kreativität und Fantasie
Kinder und Jugendliche auch – oder vielleicht gerade – im Computerzeitalter
Auch private Einrichtungen, Mäzene, Sponsoren oder kulturfördernde Stiftungen
aufzubringen in der Lage sind.
sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Amerikanische Museen, die sich
vorwiegend aus privaten Mitteln finanzieren, berichten von Zuwendungskürzungen
»Die Kunst wäscht den Staub des Alltags von unserer Seele« – dieses Zitat des
von über 50 Prozent. Wissenschaftliches Personal wird entlassen, geplante Aus-
berühmten spanischen Malers Pablo Picasso könnte als Motto über dem sicherlich
stellungen werden abgesagt. Es mag vermessen klingen, aber steht die deutsche
anspruchvollsten Kulturprojekt der ZEIT-Stiftung stehen, dem Bucerius Kunst Forum
Kulturlandschaft nicht vergleichsweise gut da? Wo gibt es diese Dichte an Theatern,
am Hamburger Rathausmarkt. In diesem neuen Kulturzentrum werden jährlich bis zu
Opernhäusern oder Orchestern? Wenn wir ehrlich sind: wohl nirgendwo. Welche
vier Kunstausstellungen gezeigt, ergänzt von Lesungen, Kammerkonzerten und Fach-
Folgerungen lassen sich nun aus diesem Umstand ziehen? Lethargie auf der einen
seminaren. Noch vor der eigentlichen Eröffnung am 12. Dezember 2002 mit der
oder Politikerschelte auf der anderen Seite helfen wenig. Die Kulturschaffenden und
Ausstellung »Picasso und die Mythen« wurde ein Auswahl von Meisterwerken aus der
die kulturermöglichenden Einrichtungen in Deutschland dürfen sich ihrer Stärken
Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden präsentiert. Mantegna, Rubens und Tizian auf
bewusst sein. Ihre Sammlungen werden auch künftige Generationen von Wissen-
der einen, Picasso auf der anderen Seite verdeutlichen, welche Bandbreite an Kunst
schaftlern und Kunstfreunden herausfordern und anregen. Theater und Opernhäuser,
und Kulturen die Besucher in den nächsten Jahren hier erwartet. Nach zwölf Wochen
die an sieben Tagen der Woche sieben verschiedene Stücke spielen – das gibt es nur
bestätigt der Zustrom von 70.000 Menschen die Idee des Bucerius Kunst Forums:
in Deutschland.
Kunst auf höchstem Niveau im Herzen der Stadt zu etablieren und zu vermitteln.
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[69]
KUNST UND KULTUR
KUNST- UND MUSEUMSFÖRDERUNG
Kupferstichkabinett in der
Hamburger Kunsthalle
In Hamburg gegründet und ansässig, fühlt sich die ZEIT-Stiftung besonders den
hamburgischen Kunstmuseen verpflichtet. Neben dem Museum für Kunst und
Gewerbe wird insbesondere die Hamburger Kunsthalle gefördert.
Das Kupferstichkabinett in der Hamburger Kunsthalle gehört zu den bedeutendsten
Sammlungen ihrer Art in Deutschland. Die Bestände – über 100.000 Blätter von hoher,
teilweise sehr hoher Qualität – wurden von den Direktoren der Hamburger Kunsthalle seit den Anfängen der Sammlung 1835 ausgebaut. Heute umfasst sie Werke von
Lippi, Leonardo, Raffael, Brueghel, van Dyck, Altdorfer, Dürer, Elsheimer, Lorrain, Goya,
Runge, Friedrich, Liebermann, Nolde u.a.
Bislang gibt es keine vollständige Katalogisierung und wissenschaftliche Bearbeitung
der Sammlung, dies geschieht jetzt. Die in die verschiedenen europäischen Malschulen unterteilten Bestände werden von ausgewiesenen Wissenschaftlern im
Hinblick auf Inhalte, Interpretation, Zuschreibungen sowie Einordnung ins Gesamtwerk des jeweiligen Künstlers bearbeitet und systematisch erfasst. Darüber hinaus
erscheinen kritische Bestandskataloge, eine Gesamtpublikation sowie eine über das
Eva (1519) von Hans Baldung, gen. Grien
Internet abrufbare Datenbank.
Nach dem Auftakt des Großprojektes im Frühjahr 2000 mit einer Übersichtsausstellung konnte die Sammlung »Alte Niederländer« vollständig bearbeitet werden, Mitte
2004 werden die Sammlungen italienischer und deutscher Kupferstiche vorliegen.
Mit der Erschließung der spanischen Sammlung endet das auf sechs Jahre angelegte
Projekt. Wissenschaftliche Symposien und regelmäßige Ausstellungen begleiten es.
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KUNST UND KULTUR
KUNST- UND MUSEUMSFÖRDERUNG
Panorama eines Jahrhunderts
Hamburg im 20. Jahrhundert
Ein Jahrhundert und seine Wirkungen in der eigenen Stadt erfassen – das
Museum für Hamburgische Geschichte stellt fortan hundert Jahre Vergangenheit aus, die für viele noch jüngst erlebte, selbst erfahrene Gegenwart ist.
Hamburg im 20. Jahrhundert heißt die in vier zentrale Themenbereiche gegliederte
neue Dauerausstellung: Mitbestimmungsrecht der Bürger, Veränderungen der
Lebensbedingungen, Entwicklungen des Wirtschaftsstandortes Hamburg und Wandel im Stadtbild. So kommen zahlreiche Facetten des großstädtischen Lebens in den
Blick – politische und wirtschaftliche, soziale, kulturelle und städtebauliche Aspekte.
Kernstück der neuen Abteilung des Museums für Hamburgische Geschichte ist ein
dreigeschossiger Mitteltrakt, in dem sechs Räume aus sechs Jahrzehnten nachgebaut
wurden. Zusammen mit der Stadt Hamburg hat die ZEIT-Stiftung das Vorhaben
unterstützt. So konnte das Museum erheblich umgebaut und erweitert werden – ein
Beispiel für gelungenes Hand-in-Hand öffentlicher und privater Förderung.
[72]
[73]
KUNST UND KULTUR
KUNST- UND MUSEUMSFÖRDERUNG
2. Triennale der Photographie
Hamburg 2002
Zwischen April und September 2002 wurde Hamburg zur Hauptstadt der
Fotografie – insgesamt 101 Ausstellungen und Veranstaltungen in allen großen
Museen und mehr als sechzig Galerien widmeten sich diesem Medium unter
André Lützen, Safari
dem Motto »reality check«.
Die Triennale zeigte in unterschiedlichsten Bildern, wie Fotografie die Wirklichkeit
vermittelt und welche Wirklichkeiten vermittelt werden. Neben historischem Bildmaterial – im Museum für Völkerkunde wurden frühe Indianeraufnahmen gezeigt,
Ergebnis eines mehrjährigen, von der ZEIT-Stiftung geförderten Erschließungsprojektes – stellte die Triennale auch zeitgenössische Fotokunst vor: »Mythos St. Pauli«, »Das
zweite Gesicht« (Walter Schels), »famous eyes« oder eine Retrospektive zum Werk
Jürgen Klaukes waren Höhepunkte. Die 2. Triennale der Photographie Hamburg 2002
prägte das Kulturangebot der Hansestadt, zugleich verband sie die Hamburger
Kultureinrichtungen durch das gemeinsame Thema. Zahlreiche Fachvorträge und
drei Symposien mit nationalen und internationalen Referenten rundeten das
Programm ab. Die Stiftung ermöglichte die umfangreichen organisatorischen Vorarbeiten und die Internet-Präsenz der Triennale.
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[75]
KUNST UND KULTUR
MUSIKFÖRDERUNG
Hamburger Musikfest
Im Rahmen der Kunst- und Kulturförderung der ZEIT-Stiftung nimmt die Musikförderung einen bedeutenden Platz ein. Die Stiftung möchte mit ihrem
Engagement Foren für die Aufführungen der zeitgenössischen klassischen
Musik sowie benachbarter Disziplinen schaffen. In unmittelbarem ZusammenIm Mittelpunkt: die neue Musik
hang dazu steht die Unterstützung besonders begabter Nachwuchsmusiker.
Die Tradition der Hamburger Musikfeste reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Die
Uraufführung der »Fest- und Gedenksprüche« von Johannes Brahms etwa fand 1889
im Rahmen eines solchen Musikfestes statt. Die Hamburger Musikfeste, bald ein überregional bekanntes Forum für die Musik der Avantgarde, wurden nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten eingestellt.
In einer Public Private Partnership der Stadt Hamburg und der ZEIT-Stiftung gibt es
das Hamburger Musikfest seit dem Jahre 2000 wieder. Künstlerischer Leiter ist der
Hamburgische Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher, einer der prononciertesten
Anwälte der neuen Musik. Im Mittelpunkt des Konzepts steht die klassische Musik des
20. Jahrhunderts, Jazz und Gesprächskonzerte erweitern das Angebot. Seit 2002 ist
auch eine Opernpremiere der Hamburgischen Staatsoper integraler Bestandteil des
Hamburger Musikfestes. Besonders beliebt sind die zahlreichen Konzerteinführungen
sowie Angebote für Schüler und Jugendliche; zugleich wird damit der Anspruch des
Musikfestes erfüllt, junge Menschen an die Musik der Gegenwart heranzuführen. Zu
den Akteuren in der Musikhalle gehören neben den drei großen Orchestern (Philharmonisches Staatsorchester, NDR-Sinfonieorchester und Hamburger Symphoniker)
internationale Gastensembles und Gastorchester.
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KUNST UND KULTUR
MUSIKFÖRDERUNG
Meisterkursprogramm des
Schleswig-Holstein Musikfestivals
Meister-Erfahrungen
Die Meisterkurse gehören seit Anbeginn zu den prägenden Elementen des
Schleswig-Holstein Musikfestivals (SHMF), gleichberechtigt neben den
Konzertreihen oder der Orchesterakademie.
Die ZEIT-Stiftung unterstützt besonders begabte Nachwuchsmusiker und fördert
deshalb seit 1999 das Meisterkursprogramm des SHMF. Gemeinsam mit der Lübecker
Possehl-Stiftung hat sie Mittel bereitgestellt, damit diese in Deutschland einmalige
Talentschmiede erfolgreich arbeiten kann. International renommierte Dozenten
lehren in den Sommermonaten in den Räumen der Lübecker Musikhochschule und
geben ihre Erfahrungen an junge Musiker weiter. In Anspruch und Niveau sind die
Meisterkurse den entsprechenden Programmen des Festivals in Salzburg oder Luzern
vergleichbar. Zu den Lehrenden der letzten Jahre gehören u.a. die Sopranistin
Montserrat Caballé, der Bariton Thomas Quasthoff, der Cellist Stephen Isserlis, die
Pianistin Alicia de Larrocha oder das Alban Berg Quartett.
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LITERATURFÖRDERUNG
KUNST UND KULTUR
SCHREIBMAL – ein Wettbewerb
für Schülerinnen und Schüler
Die Schwächen deutscher Schülerinnen und Schüler im Lesen haben die PISAErgebnisse dokumentiert. Über das Schreiben jedoch, die unmittelbar
verwandte Kulturtechnik und ebenso zentrale Fähigkeit für Bildung und Beruf,
wird in der Studie nichts gesagt. Dabei leuchtet ein: Wer nicht gut liest, schreibt
auch nicht gut. Deshalb rief die ZEIT-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem
Hamburger Abendblatt im August 2002 zu einem Schreibwettbewerb für
Schülerinnen und Schüler aus Hamburg und Umgebung auf.
Der Titel SCHREIBMAL (im Jahr 2002 SCHREIBZEIT) soll Schreiblust bei den Jugendlichen der Klassen 7 bis 13 wecken und mit einer außerschulischen Initiative kreative
Fähigkeiten fördern. Das Thema des ersten Wettbewerbs, »Hamburg_Underground«,
In Schreibgedanken
öffnete einen breiten Interpretationsraum: von der Fantasiegeschichte, die in U-Bahn
oder Kanalisation spielt, über nacherzählte Hexenprozesse bis zur Science-FictionProjektion Hamburgs im 22. Jahrhundert und dem Gedicht über Drogengefahren.
Eingereicht werden konnten Geschichten, Gedichte und szenische Texte, maximal 5
Seiten lang. Mehrere Workshops im Oktober 2002, an denen rund 200 Schülerinnen
und Schüler teilnahmen, motivierten zum Schreiben.
Mit über 700 Einsendungen aus Gymnasien, Gesamtschulen, Real- und Hauptschulen
bewiesen die Jugendlichen zum Einsendeschluss im Dezember 2002 eindrucksvoll
ihre Leistungsbereitschaft und Spaß am kreativen Schreiben. Der große Zuspruch
ebenso wie das bunte inhaltliche und formale Spektrum der Beiträge bezeugen, dass
Schülerinnen und Schüler sich auch im Zeitalter multimedialen Konsums gern engagieren, viel Fantasie besitzen und Freude an der eigenen Textproduktion haben.
Wenn die 15köpfige Jury im April 2003 die besten Einsendungen in drei Altersgruppen
prämiert hat, finden die Gewinner ihre Geschichte im Hamburger Abendblatt abgedruckt, können an einem weiteren Schreibworkshop teilnehmen oder Reisen im
In- und Ausland machen. Der Wettbewerb wird im Schuljahr 2003/2004 fortgesetzt.
[80]
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KUNST UND KULTUR
KULTURERHALT
Orgelrestaurierungen in
Mecklenburg-Vorpommern
Noch zu Lebzeiten von Gerd Bucerius hat sich die ZEIT-Stiftung für die
Erhaltung wertvoller historischer Orgeln eingesetzt. Sie hat maßgeblich dazu
beigetragen, dass die berühmte Arp Schnitger-Orgel in St. Jacobi, Hamburg,
seit 1993 wieder zu einem Magnet für Orgelfreunde aus aller Welt geworden ist.
Das aktuelle Stiftungsengagement für die Orgellandschaft in MecklenburgVorpommern ist vor diesem Hintergrund zu sehen.
Das nördliche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern besitzt rund 800 Instrumente
aus der barocken und vor allem der romantischen Zeit, und so gehört diese Orgellandschaft zu den interessantesten und vielseitigsten in ganz Europa. Es war
weniger Kriegseinfluss als natürlicher Verschleiß, der den Instrumenten übel mitgespielt hat: Während der DDR-Zeit war die finanzielle Ausstattung der Kirchen zu
knapp, um die wertvollen Instrumente zu erhalten. Aber auch nach der Wende stehen
die Instrumente von Orgelbauern wie Friese, Lütkemüller, Grüneberg oder Sauer – zu
unrecht – im Schatten derjenigen von Silbermann oder Schnitger.
Durch die Initiative der ZEIT-Stiftung werden bis 2004 im Rahmen einer Public
Private Partnership 2,5 Mio. Euro aufgebracht, um die wichtigsten und zugleich
Die Orgel in Neustrelitz, 1893 von der Firma Grüneberg erbaut
gefährdetsten Instrumente der Region zu retten. Beteiligt sind außer der ZEITStiftung die Hermann Reemtsma Stiftung, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die
beiden Landeskirchen Mecklenburg und Pommern sowie das Landesamt für Denkmalpflege. Im Jahre 2000 ging eine Ausschreibung an alle Kirchengemeinden des
Landes, eine Fachjury wählte dann 37 besonders wertvolle Instrumente aus, die seitdem restauriert werden, rund die Hälfte ist inzwischen wieder geweiht. Besonders
ragen dabei die Grüneberg-Orgel in Neustrelitz, die Friese-Orgeln in Malchin und
Parchim sowie die Buchholz-Orgel in Barth heraus, die zu den wertvollsten Instrumenten der ersten Hälfe des 19. Jahrhunderts gezählt wird.
[82]
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KUNST UND KULTUR
KULTURERHALT
Prussia-Sammlung
Königsberg/Kaliningrad
Bis Januar 1945 beherbergten zwei Flügel des Königsberger Schlosses eine der
berühmten archäologischen Sammlungen Europas: die so genannte »PrussiaSammlung«. Umfassend dokumentiert sie Wurzeln und Kultur der Pruzzen und
ihrer Nachfahren, der Preußen. Ursprünglich als Sammlung von Hobby-Archäologen Mitte des 19. Jahrhunderts begründet, erlangte sie schnell legendäre
Bedeutung und wurde Gegenstand zahlloser wissenschaftlicher Publikationen.
Kaliningrader Prussia-Fund
Im Januar 1945 bemühte man sich, die Sammlung vor der heranrückenden russischen
Armee Richtung Westen zu sichern. Während die Magazinbestände und Archivalien
nach Berlin gelangten, war die Schausammlung des Museums verschollen und galt
Präsentation der wieder entdeckten Prussia-Sammlung
als Kriegsverlust. Umso erstaunlicher war es, als in den Kasematten einer bis 1999 von
der russischen Armee genutzten Befestigungsanlage am Stadtrand Kaliningrads
mehr als 30.000 Stücke der Prussia-Schausammlung wieder entdeckt wurden. Was
die westliche Presse als Sensation feierte, stellte die russischen Behörden allerdings
vor Probleme: Es fehlte sowohl an Know-how als auch an finanziellen Mitteln, um
die Stücke aus der Stein-, Bronze- und Eisenzeit zu restaurieren.
Die ZEIT-Stiftung hat in Kooperation mit dem Archäologischen Landesmuseum
Schleswig eine Arbeitsstelle im Museum für Geschichte und Kunst Kaliningrad aufgebaut. Seit dem Herbst 2000 restaurieren und katalogisieren russische Archäologen
die Funde sorgfältig. Im Dezember 2001 konnte unter lebhafter Anteilnahme von
Politik, Presse und Öffentlichkeit die erste Prussia-Ausstellung seit 1945 eröffnet
werden. Das Projekt wird im Frühjahr 2003 mit einer umfassenden Retrospektive der
Prussia-Sammlung seinen Abschluss und zugleich Höhepunkt finden. Die Ausstellung
wird fortan im Museum für Geschichte und Kunst Kaliningrad zu sehen sein.
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[85]
KUNST UND KULTUR
KULTURERHALT
Staatliche Eremitage St. Petersburg
Eingang zur Neuen Eremitage
Zarin Katharina die Große gründete 1764 in St. Petersburg die Eremitage,
heute eines der fünf bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. Ihre reichhaltigen
Sammlungen von der Antike bis zur Malerei der klassischen Moderne gelten
als einzigartig.
Mit dem rasanten Wachstum der Sammlung konnten die räumlichen Gegebenheiten
des Hauses schon bald nicht mehr mithalten. 1851 wurde deshalb auf Befehl des Zaren
Nikolaus I. die so genannte Neue Eremitage unter der Leitung des deutschen Architekten Leo von Klenze erbaut. In diesen Räumen ist seit 1852 die Sammlung
griechisch-römische Antike ausgestellt.
Die Neue Eremitage gilt aufgrund ihrer Einheit von Architektur und Sammlung als
Kleinod im gewaltigen Museumskomplex, ihre Erhaltung stellt deshalb eine besondere Verpflichtung dar. Die ZEIT-Stiftung ermöglichte die dringend erforderliche
Restaurierung des Eingangssaales, der rechtzeitig zum 300-jährigen Jubiläum der
Stadt 2003 fertig gestellt wurde.
[86]
[87]
KUNST UND KULTUR
KULTURERHALT
Rekonstruktion des Barockgartens
von Schloss Gottorf
Die ZEIT-Stiftung widmet sich seit ihrer Gründung 1971 den verschiedensten
Bereichen der Denkmalpflege: Ob es sich um die Erhaltung von Baudenkmälern, Orgeln oder wertvollen Handschriften und Autographen handelt, stets
steht das Bewahren von elementarem Kulturgut für zukünftige Generationen
im Mittelpunkt – wie beim Engagement für die Restitution des Barockgartens
von Schloss Gottorf in Schleswig.
Nahe dem prachtvollen Renaissance- und Barockschloss Gottorf in Schleswig
befindet sich der letzte erhaltene von ursprünglich drei fürstlichen Lustgärten – der
barocke so genannte Neuwerk-Garten. Er ist heute stark verwildert und größtenteils
unzugänglich.
Schloss Gottorf – Landesmuseum für Kunst
und Kulturgeschichte, Schleswig
Angelegt ab 1637 unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf und von
seinem Sohn und Nachfolger Herzog Christian Albrecht erweitert, wurde der Neuwerk-Garten (»Neues Werck«) im 17. und 18. Jahrhundert in ganz Europa und bis nach
Russland hin bekannt. Seine Attraktion war ein Riesenglobus, den Herzog Friedrich III.
ab 1650 bauen ließ.
Der Globus, das eigens für ihn geschaffene Lusthaus, der Herkulesteich, ein Irrgarten
und eine vielteilige Terrassenanlage sind durch eine reiche archivalische Quellenlage
und zahlreiche erhaltene Gartenpläne rekonstruierbar. Neben der ZEIT-Stiftung beteiligen sich die Hermann Reemtsma Stiftung und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt an der Rekonstruktion, die im Frühjahr 2003 nach einer gründlichen Analyse der
hydrologischen Bedingungen des Geländes begonnen hat.
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BILDUNG UND ERZIEHUNG
Der Bildungsbereich ist hierzulande aufgrund der jahrhundertelangen Verbindung
von Fürst und Schulwesen, Staat und Bildung nach wie vor national geprägt. Entsprechend dem Selbstverständnis der Stiftung als Erfinderin, Erkunderin und
Erproberin drängt sie auf Ausweitung des Horizonts – bei den geförderten Schülern
Albrecht Graf von Kalnein
oder Stipendiaten sowie bei den Institutionen selbst. Im einen Fall ermöglicht sie
Bildung geht uns alle an. Die bemerkenswerte Reaktion in Deutschland auf die PISA-
begabten Schülern aus Hamburg Auslandsschuljahre in St. Petersburg, Osaka oder
Studie hat erneut verdeutlicht, welchen Stellenwert die Menschen ihr zumessen. Dem
Shanghai, im anderen bezieht sie Fachleute aus Finnland und Dänemark ein bei der
Einzelnen ist seine Lehr- und Wanderzeit, den Eltern der Schul- und Bildungsweg
Bewertung des LERN-WERK zur Förderung Hamburger Hauptschüler. Bildung sollte
ihrer Kinder besonders wichtig, und die »hohe Politik« betont die Bedeutung des
keine Grenzen achten, gleich ob sozialer, finanzieller oder auch sprachlicher Art; und
Kultusbereichs. Die ambitionierten Politiker stehen dabei in einer achtbaren Tradition.
wo herkömmliche Unterschiede hochgehalten werden, sollten wir es uns und
Seit der Reformation bemüht sich in Deutschland die Obrigkeit darum, das Gut
anderen abverlangen und ermöglichen, auf deren Überwindung hinzuwirken.
Bildung zu pflegen, zu mehren, zu kontrollieren. Dies bedeutet Fürsorge und Verlässlichkeit, aber auch Gängelung und Abhängigkeit. Doch wie das Verhältnis Zögling -
Der Internationalisierung der Bildung in Hamburg und in Deutschland entspricht auf
Erzieher auch Spielräume und Freiheit braucht, benötigt das Feld der Bildung das
der auswärtigen Seite die fördernde und zunehmend operative Tätigkeit der Stiftung
richtige Maß an Staatsferne, um Früchte zu tragen.
im Ausland selbst. Nach dem dramatischen Ende des »kurzen 20. Jahrhunderts« (Eric
Hobsbawm) durch den Zerfall des so genannten Ostblocks und der Sowjetunion 1989
Die ZEIT-Stiftung möchte Beiträge zum rechten Verhältnis zwischen den Akteuren –
bis 1991 erscheint es angemessen, sich innerhalb Europas auf dessen östliche Völker
Politik und Gesellschaft, Individuum und Gemeinwesen – leisten. Sie setzt sich in
und Kulturen zu konzentrieren. Diese lange abgeschottete Region kann durch ihre
eigenen operativen Vorhaben sowie in ihren Förderprojekten dafür ein, Denk-
Bereitschaft zur und Erfahrung mit Traditionskritik und Reform ein Muster für
anstöße umzusetzen und modellartige Lösungen durch die Praxis zu prüfen. Den
Deutschland und die »alten Länder« der Europäischen Union werden. Derzeit erfah-
Programm- und Projektpartnern ermöglicht dies auf eine bestimmte Zeit zusätzliche
ren wir die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grenzen des früher scheinbar
Maßnahmen, die den Horizont erweitern und die Erfahrung bereichern. Zugleich soll
allmächtigen nationalen Anstaltsstaates, tiefgreifende Reformen sind notwendig –
das Maßnahmenspektrum im überwiegend staatlich bestimmten Bildungsbereich
der Zahl wie den Strukturen nach –, die den Menschen in Westeuropa einiges
ergänzt oder erweitert werden. Es wäre blauäugig, eine ganz neue Schule konzi-
abverlangen werden. Da mag der EU-Beitritt von Deutschland nahen Ländern, die
pieren und errichten zu wollen, die allen alles böte – am besten noch kostenfrei.
leidvoll-intensive Erfahrungen mit Reform und Transformation einbringen, gerade
Dagegen ist uns wichtig, beispielsweise die herkömmlichen Fördermöglichkeiten für
zur rechten Zeit kommen. Die Überprüfung sozialer Besitzstände und staatlicher
lernschwächere Jugendliche um neue, im Feldversuch bewährte Komponenten zu
Strukturen wirft im Übrigen neues Licht auf andere Akteure des Gemeinwesens, die
erweitern – wie beim LERN-WERK Hamburg – oder eine Bibliothek in Deutschland
wie etwa Stiftungen bereitstehen, im Bewusstsein der jahrhundertealten Tradition
herauszustellen, die sich durch besondere Maßnahmen und Angebote zusätzliche
des Stiftungswesens mehr Verantwortung in Form von tragfähigen, bewährten und
Spielräume und Attraktivität erworben hat.
neuartigen Lösungsmodellen für die anstehenden Probleme zu übernehmen.
[90]
[91]
BILDUNG UND ERZIEHUNG
INITIATIVEN IM BILDUNGSBEREICH
LERN-WERK Hamburg
Das 2000 initiierte LERN-WERK Hamburg zur Förderung von Hauptschülern
ermöglicht es mittlerweile acht Hauptschulen bzw. Haupt- und Realschulen,
konkrete Reformmodelle einzuführen und in der Praxis zu erproben.
Die Institution, die 1964 als »Hauptschule« konzipiert und deutschlandweit eingeführt
wurde, gilt mittlerweile als Reste-Schule, als Sammelbecken für lernschwächere
Jugendliche, mit entsprechend schlechtem Ansehen und bedrohter Funktionalität.
Auf der anderen Seite sind die Anforderungen im Berufsleben weiter angestiegen,
während das schulische und oft auch soziale Umfeld dieser Jugendlichen gelitten hat.
Beide Missstände belasten die Anschlussquote dieser Schüler; in den etwa 65
Hamburger Schulen dieses Typs erlangen im Durchschnitt nur rund zehn Prozent der
Absolventen nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz. Den meisten aber
droht ein Karussell an öffentlich geförderten »Maßnahmen« der Vorbereitung oder
Qualifikation, aus dem es oft kein Fortkommen gibt.
Die ZEIT-Stiftung ermöglicht folgenden Schulen, eigenständige Wege aus diesem Dilemma aufzuzeigen: Schule Altonaer Straße, Schule Hermannstal, Schule Königstraße,
Schule Tieloh, Schule Am Falkenberg, Schule Friedrichstraße, Schule Richard-LindeEngagement für den Schülerbetrieb Tieloh-Fahrrad
Weg, Produktionsschule Altona.
Übergreifend geht es darum, praktische Arbeitssituationen mit hohem Ernstcharakter
unter Einbezug externer Fachkräfte zu schaffen, die Eltern und die direkte Umgebung
der Schulen stärker einzubeziehen und den Lehrern dieser Schulen übergreifenden
Austausch und Anregungen zu vermitteln. Die Verantwortung für die Projekte und
Fördermittel liegt bei den Schulen. Ihre Arbeit wird koordiniert und flankiert von
einer Steuerungsgruppe mit Professor Dr. Reiner Lehberger (wiss. Leitung) und der
ZEIT-Stiftung sowie einer unabhängigen Jury. Hierbei wie bei der für 2003 geplanten
Evaluation bezieht die Stiftung Experten aus Finnland und Dänemark ein.
Die Verbesserung des Lernklimas und die Einbindung der Schule in ihren Stadtteil
erfordern auch angemessene Bauten. Die Grundlast hierfür trägt die öffentliche
Hand, doch reicht dies nicht immer aus. Die katholische Bonifatiusschule in
Hamburg-Wilhelmsburg hat es mit einem überzeugenden Konzept und erfolgreicher
Einwerbung von Drittmitteln – darunter rund 225.000 Euro der ZEIT-Stiftung –
vermocht, eine Mehrzweckhalle zu errichten: Vormittags dient sie dem Sport und
nachmittags den Wahlpflichtfächern der Schüler; abends schließlich finden dort
Kurse der Bildungs- und Kulturarbeit für den ganzen Stadtteil statt. Die Schule
wird hier zum Entwicklungsmotor für ihr Quartier – ein beispielhafter Fall für die
Hamburger Schullandschaft.
[92]
[93]
BILDUNG UND ERZIEHUNG
INITIATIVEN IM BILDUNGSBEREICH
Globale Partnerschaften Hamburgs
Schulen und überhaupt Institutionen tut der Blick über politische und
sprachliche Grenzen hinaus gut; dies gilt umso mehr für die einzelnen Schüler –
Aufenthalte im Ausland bedeuten für sie bleibende Bereicherung und
Erfahrung. Die Stiftung hat zusammen mit dem Verein AFS Interkulturelle
Begegnungen, Hamburg, ein Austauschprogramm eingerichtet, das Schülern
aus Hamburg bzw. dessen östlichen Partnerstädten St. Petersburg, Osaka und
Shanghai jeweils ein Austauschjahr mit Einbindung in eine Gastfamilie und
eine Schule am Ort ermöglicht.
Schülertreffen auf der Alster
Die ersten Gäste aus St. Petersburg trafen mit dem Schuljahr 2002/2003 in Hamburg
ein; die ersten hiesigen Schüler brachen im Frühjahr 2003 nach Osaka auf. Das
Vorhaben fördert zugleich die Idee der politisch begründeten Städtepartnerschaften:
Sie können sich nur entfalten, wenn die Bürger gleich welcher Generation sie mit
Leben erfüllen.
Erwähnung verdient hier ein kleineres Programm mit dem Internat Schule Schloss
Salem. Das Internat hat mit Unterstützung der Stiftung erstmals Stipendiatenplätze
für Schüler aus Osteuropa eingerichtet. Zwischen 2002 und 2004 haben Schüler aus
dem früheren Jugoslawien und aus Estland die Möglichkeit, auf Salem zu leben
und zu lernen.
[94]
[95]
BILDUNG UND ERZIEHUNG
INITIATIVEN IM BILDUNGSBEREICH
Lyceum Marion Dönhoff,
Nikolajken (Polen)
Neubau des Lyceums Marion Dönhoff
Das Vorbild Marion Gräfin Dönhoffs, die Gerd Bucerius und seiner Stiftung bis
zu ihrem Tode tätig verbunden war, bewog die einst staatliche Schule im
strukturschwachen Masuren, der Heimat der Dönhoffs, ihren Namen anzunehmen als Symbol für grenzüberwindende Verständigung und aufrichtigen
Umgang mit der Geschichte.
Die Einrichtung der Schule nach neuem pädagogischen Leitbild und die Errichtung
eines neuen Gebäudes, das im Frühjahr 2002 eingeweiht wurde, ermöglichte die
Zusammenarbeit von öffentlicher und privater Hand (darunter die ZEIT-Stiftung),
Polen und Deutschen. Dem Lyceum Marion Dönhoff ist es in kurzer Zeit gelungen,
den oft geforderten Dialog zwischen Polen und Deutschen vor Ort mit jungen
Menschen zu praktizieren sowie ein seiner Umgebung angepasstes Schulprogramm
zu entwickeln. Die Schule und ihr engagierter Förderverein arbeiten nun an deren
weiterer Profilierung und an dem Vorhaben, sie zu einem Internat auszubauen.
[96]
[97]
BILDUNG UND
ERZIEHUNG
FORUM BUCH
Bibliothek des Jahres
Wie Schulen befinden sich auch Bibliotheken in Deutschland im Spannungsfeld
zwischen der grundgesetzlich verankerten »Gleichheit der Lebensverhältnisse«
und dem Wunsch nach eigenständigem Profil, zwischen wachsenden fachlichen
Anforderungen und stagnierenden oder rückläufigen staatlichen Zuschüssen.
Der von der Stiftung in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv), Berlin, eingerichtete Preis der Bibliothek des Jahres setzt hier seit
2000 Zeichen. In Würdigung des generell hohen Leistungsniveaus im deutschen
Bibliothekswesen wird jährlich ein Haus geehrt und gefördert, das durch besondere
Leistungen aufgefallen ist. Im Jahr 2000 wurde die Stadtbibliothek »Heinrich Heine«
Bibliotheksneubau am Rande der Göttinger Altstadt
in Halberstadt ausgezeichnet für das gelungene Wagnis, trotz klammer öffentlicher
Kassen einen mittelalterlichen Klosterbau im Herzen der Stadt umzubauen und als
neuen Sitz der Bibliothek einzurichten. Der Preis 2001 wurde der Johannes a Lasco
Bibliothek in Emden verliehen, die dank der umsichtigen, fundierten Erschließung
ihres einzigartigen Buchbestandes aus der Zeit von Humanismus und Reformation
ungeachtet der peripheren Lage zu einem weithin wirksamen Zentrum für Wissen,
Kultur und Bildung geworden ist. Die Niedersächsische Staats- und Universitäts-
Blick in die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
bibliothek Göttingen errang den Preis für 2002 dank der beispielhaften Verbindung
von altem Buch und neuen Medien sowie für die überregional wirksame bibliothekarische Arbeit zum Wohl der Wissenschaft und der Leser. Beide beispielhaft herausgegriffenen Aspekte sind unmittelbar nachzuvollziehen durch den Schule machenden Bibliotheksneubau am Rande der Göttinger Altstadt, der die Funktionen des
Altbaus in der Paulinerkirche im Stadtzentrum ergänzt und fortführt.
Der Preis von 25.000 Euro wird auf der Grundlage eines Vorschlagsverfahrens
zuerkannt durch eine unabhängige Jury von Fachleuten mit Vertretern des dbv, des
Deutschen Städtetages, der Kultusministerkonferenz, des Bundesforschungsministeriums, der Bertelsmann Stiftung sowie der ZEIT-Stiftung.
[98]
[99]
BILDUNG UND ERZIEHUNG
WANDEL IN OSTEUROPA
Deutsches Historisches Institut in Moskau
Bücher und Akten gehören zum täglich Brot der Historiker. Gerade dieser
wissenschaftlichen Zunft kommt durch den Aufbruch verkrusteter ideologischer Systeme und den Umbruch eines ganzen Staatensystems in Osteuropa
eine besondere Orientierungsfunktion zu. Es kann kaum verwundern, dass die
Menschen etwa in Russland nach dem ernüchternden Ende des Kommunismus
mit neuem Blick auf die überaus vielfältige Geschichte ihres Landes und des
»russländischen« Imperiums blicken. Auch die erstrebte Neudefinition des
Verhältnisses zum politischen Europa (EU) und im Besonderen zu Deutschland
benötigen Tiefenschärfe und Weitblick.
Auf Impuls der ZEIT-Stiftung, den die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
mit aufgegriffen hat, soll das Deutsche Historische Institut (DHI) dafür in Moskau ein
eigenes Forschungszentrum und Forum sein. Mit Blick auf die vergleichbaren
Institute in Rom, Paris, London, Washington und insbesondere Warschau soll das 2003
einzurichtende DHI in Moskau die Erforschung der russischen bzw. sowjetischen und
der deutschen Geschichte im internationalen Kontext fördern, Zugänge zu den reichen
Quellenbeständen vor Ort erschließen, die wechselseitige Vermittlung der Geschichtsschreibung in beiden Ländern unterstützen und speziell den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern. Das DHI in Moskau erscheint als die logische Fortsetzung und
Verstetigung mehrerer bilateraler Forschungsvorhaben und -gremien seit den späten
1980er Jahren wie beispielsweise der deutsch-russischen Historikerkommission.
Moskau-Ansicht: Das Deutsche Historische Institut in
Moskau – Forschungszentrum und
Forum für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Das Jahr 2003 steht im Zeichen des dreihundertsten Jahrestages der Gründung
St. Petersburgs, der Öffnung des so genannten russischen Fensters nach Europa und
gerade auch nach Deutschland. Bei der Errichtung dieser Hauptstadt, besonders aber
der Begründung der großen Institutionen der russischen Wissenschaft in St. Petersburg und (später) Moskau spielten die deutsche Frühaufklärung (G. W. Leibniz, C. Wolff
u.a.) und der Pietismus (A. H. Francke u.a.) eine wichtige Rolle. Das Jahr 2003 ist der
ideale Zeitpunkt für die Errichtung des Deutschen Historischen Institutes, das einen
nachhaltigen Beitrag zu einem fundierten Dialog beider Völker leisten kann.
Mit Blick auf die Struktur solcher Institute in den genannten Hauptstädten wird das DHI
in Moskau mittels der öffentlich-rechtlichen Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland, Bonn, errichtet und betrieben. Die Trägerstiftungen achten
darauf, dass das Institut, dessen Direktor und der Beirat nach den bewährten Regeln
des Fachs ausgewählt werden und frei arbeiten können. Das Institut soll über den
deutsch-russischen Dialog hinaus das Profil der Deutschen Historischen Institute durch
den frühen, auch strukturellen Einbezug russischer Fachleute und durch eine nach
St. Petersburg und in die Regionen des Gastlandes verstrebte Arbeitsweise erweitern.
[100]
[101]
BILDUNG UND ERZIEHUNG
WANDEL IN OSTEUROPA
Gerd Bucerius-Förderpreis
Junge Presse Osteuropas
Mit diesem 1999 eingerichteten Programm zieht die Stiftung im Geist ihres
Gründers eine Parallele zu dessen eigenem Leben. Für den politisch begabten
Juristen und Verleger zählte es nach dem Ende der braunen Diktatur zu den
Ausgezeichnet mit dem Gerd Bucerius-Förderpreis
Junge Presse Osteuropas 2002
vorrangigen Zielen, am Wiederaufbau eines freien Pressewesens mitzuwirken.
Blätter wie seine im Februar 1946 gegründete ZEIT, wie Der Spiegel und die
Frankfurter Allgemeine Zeitung erwiesen sich letztlich als beachtliche Faktoren
für die geistige Öffnung und die Hinführung der Menschen zur Demokratie, zu
deren Pfeilern die Meinungsfreiheit gehört.
Der Gedanke, diese Überzeugung auch in den osteuropäischen Ländern nach
dem Ende der roten Diktatur durch Pressepreise zu stärken, scheint sich zu bewähren.
Die Auszeichnung wendet sich an Zeitungen, da eine solche Unternehmung zugleich
für Beständigkeit, Zivilcourage und unternehmerischen Mut spricht.
Bislang konnte die Stiftung dreizehn Bucerius-Pressepreise mit einem Fördervolumen
von insgesamt rund 330.000 Euro verleihen, 2001 und 2002 u.a. an Obschtsaja Gazeta,
Moskau, Zerkalo Nedeli, Kiew, Belarusskaya Delavaya Gazeta, Minsk; an Nowaja
Gazeta, Moskau, Vysokiy Zamok, Lemberg, und Sega, Sofia. Das weit gespannte
Programm lebt von der Zusammenarbeit mit ausgewiesenen, unabhängigen Institutionen vor Ort und der fachlichen Kompetenz der Jury, der Christoph Bertram, Jo
Groebel, Hermann Meyn, Thomas Roth, Theo Sommer, Michael Thumann, Markus
Wehner und Hans-Georg Wieck angehören (Stand April 2003). Die Stiftung übergibt
die Auszeichnungen jeweils am Geburtstag des Stifters, dem 19. Mai, in Hamburg.
[102]
[103]
BILDUNG UND ERZIEHUNG
WANDEL IN OSTEUROPA
Kant-Stipendienprogramm
Die nach dem politischen Aufbruch von 1989/1991 in Osteuropa erforderlichen
Neuanfänge in Gesellschaft und Wissenschaft werden nur mit der jungen
Generation gelingen. Den Universitäten kommt dabei eine besondere Verantwortung und Bedeutung zu. Auf Anregung Marion Gräfin Dönhoffs richtete die
Stiftung 1997 zusammen mit zunächst der Staatlichen Universität Kaliningrad
und nun auch den beiden staatlichen Universitäten St. Petersburgs das KantStipendienprogramm zur Förderung von wissenschaftlichen Nachwuchskräften
der Philosophie ein.
Dieses Programm hat bislang rund zwanzig Stipendiaten einen je einsemestrigen
akademischen Aufenthalt an einer deutschen oder westeuropäischen Hochschule
ihrer Wahl ermöglicht, um sich dort einer selbstgewählten Forschungsarbeit zum
Themenfeld »Kant und die Philosophie des Idealismus« zu widmen.
Der Respekt vor dem Königsberger Denker verbindet noch heute Deutsche und
Russen, Alt und Jung, Fachmann und Zaungast. Das Stipendienprogramm möchte
sein Andenken auch im europäischen Verständnis fruchtbar machen, den Universitäten zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten erschließen und dazu beitragen, das
Ansehen der Geisteswissenschaften in Russland zu fördern angesichts der Gefahr,
dass der talentierte russische Forschungsnachwuchs dieses Themenfeld aus
wirtschaftlicher Drangsal wider Willen verlässt. Beispielhaft seien Themen von
Stipendiaten der Jahre 2001 und 2002 benannt: »Die philosophische Grundlegung
der Anthropologie bei J. G. Fichte« (Anton Ivanenko, St. Petersburg), »Immanuel
Kant-Denkmal vor der Universität Kaliningrad
Kants Amtstätigkeit« (Julija Makarova, Königsberg); »Patriotismus als Begriff der
persönlichen Kultur in Deutschland und Russland um 1800« (Maxim Tchernobrovyi,
St. Petersburg).
Weitere Maßnahmen flankieren dieses Engagement, etwa die Mitwirkung (bis
Dezember 2001) bei dem Herder-Programm Emeriti für Hochschulen Mittel- und Osteuropas, das dank eines Konsortiums aus fünf privaten Stiftungen der Deutsche
Akademische Austausch Dienst und die Hochschulrektorenkonferenz unterhalten,
oder die Mithilfe bei der virtuellen Rekonstruktion der Buchbestände der großen
Bibliotheken des untergegangenen Königsbergs.
[104]
[105]
BILDUNG UND ERZIEHUNG
WANDEL IN OSTEUROPA
Detail des Hauptgebäudes in Kalvarija
Herkunft und Zukunft –
Bauten jüdischen Lebens in Osteuropa
»Osteuropa« übt auf viele Menschen an der Wende zum 21. Jahrhundert eine
eigentümliche Faszination aus – vielleicht, weil die Geschichte seiner Menschen
eine eigene, mit westeuropäischen Mustern wenig konforme Haltung zum
hehren Begriff des »Nationalstaats« zeigt.
Der Blick auf Entwicklungslinien heutiger Politik zumindest im Rahmen der EU lehrt,
dass solche Relativität in einer Zeit zunehmender überstaatlicher Zusammenarbeit
und schwindenden Zugriffs auf die Gesellschaft durch den Nationalstaat selbst
neuen Stellenwert gewinnt. Der tragischen Geschichte der Juden im polnischrussischen Raum, die lange Zeit als Vermittler zwischen Ständen, Städten und Staaten
wirkten, kommt hier besondere Bedeutung zu. Die ZEIT-Stiftung ruft mit dem
Programm Herkunft und Zukunft dazu auf, sich der wenigen Baukomplexe, die Krieg,
Diktaturen und Mangel überstanden haben, mit Engagement und kreativem Zugang
anzunehmen.
Die Pilotphase des Projektes gilt in enger Zusammenarbeit mit dem litauischen
Kulturministerium der Restaurierung des Synagogenbereichs von Kalvarija/Marijampole. Das Vorhaben gibt zudem den Anstoß zur Entwicklung zeitgemäßer Nutzungsformen im Bereich Kultur und Bildung, die allein imstande erscheinen, den Gebäuden
in der heute rein christlich geprägten (wenn überhaupt religiös bestimmten) Region
im Westen Litauens Perspektive und Pflege zu sichern. Die Stiftung prüft derzeit mit
den Projektpartnern in Wilna und Leipzig die Ergebnisse dieses Ansatzes und dessen
Übertragbarkeit.
Auch die Fördermaßnahmen der Stiftung zugunsten der Jüdischen Museen in Riga
und Wilna weisen auf das grenzüberwindende Potenzial der Beschäftigung mit der
Geschichte der Juden in den Gesellschaften und Staaten Osteuropas – auch als historischer Faktor eines europäischen Selbstverständnisses.
[106]
[107]
EVALUIERUNG UND IHRE WACHSENDE
BEDEUTUNG FÜR DIE STIFTUNGSARBEIT
vergeben, so muss überprüft werden, wie sich die politischen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Staaten verändern und wo
die Preisvergabe besonders sinnvoll ist. Werden Hauptschüler in Hamburg gefördert,
muss nach einer gewissen Laufzeit gemessen werden, welchen Erfolg die Einzelmaßnahmen hatten. Die Stiftung informiert ihre Projektpartner jeweils frühzeitig von der
geplanten Evaluierung. Diese sind in der Regel selbst an einer kritischen Begutach-
Hannah Jacobmeyer
tung interessiert.
Das Thema der Evaluierung - zunächst einzelner Projekte, dann der Stiftungsarbeit
insgesamt, hat in den letzten Jahren neue Aktualität gewonnen. Die zunehmende
Für die ZEIT-Stiftung gilt, wie für alle Stiftungen, dass ein auf sie zugeschnittenes
Bedeutung von Stiftungen wie die große Zahl der Organisationen belebt auch die
Evaluierungs-»Handbuch« entwickelt werden muss. Die Unterschiedlichkeit der
Frage nach best practice im Stiftungswesen. Zum einen entspringt diese Frage
Projekte bedingt die unterschiedliche Ausrichtung der Evaluierung. Auch gelten von
dem Wunsch der Stiftungen nach Optimierung ihrer Aktivitäten und Schärfung des
Fall zu Fall verschiedene Erkenntnisinteressen: Ist die Evaluierung ergebnis- oder
eigenen Profils, denn im Zuge wachsender Professionalisierung von Stiftungsarbeit
prozessorientiert? Hängt von ihr die Entscheidung über eine Fortsetzung ab? Worauf
und wachsenden Wettbewerbs der Stiftungen werden verlässliche Aussagen über
richtet sich das primäre Interesse – Projektkosten, Projektergebnisse, Innovations-
die Qualität von Projekten immer wichtiger. Zum anderen fragt eine zunehmend
grad, zeitliche oder personelle Zusammenhänge? An wen richtet sich die Evaluierung
aktive Zivilgesellschaft kundiger und kritischer als zuvor nach der Arbeits- und
– Mitarbeiter, Gremien, Partner, die Öffentlichkeit? Wie sollen ihre Ergebnisse
Wirkungsweise von Stiftungen. Auch vor dem Hintergrund, dass Stiftungsmittel
präsentiert werden?
steuerlich privilegiert sind, muss es geradezu selbstverständlich sein, dass die Förderergebnisse bewertet werden. Stiftungen sollten daher Evaluierung als inhärenten
Obgleich die ZEIT-Stiftung den Aufwand maßgeschneiderter Evaluierungen für
Bestandteil ihrer Arbeit begreifen.
herausragende Projekte nicht scheut, nutzt sie auch die Vorteile von ClusterEvaluierungen. Beispielsweise können juristische Projekte auf einen vorhandenen
Die ZEIT-Stiftung hat begonnen, Projekte aus ihren drei Satzungsbereichen zu eva-
Pool von Gutachtern zurückgreifen; auch Methoden sind hier bereits erprobt. Ähnlich
luieren. Dabei haben profilbildende Projekte Priorität, also in erster Linie operative,
lässt sich auf Grund vorhandener Mitarbeitererfahrung die interne Beurteilung, etwa
finanziell umfangreiche und besonders innovative Vorhaben. So findet an der
im Monitoring, für ein unaufwändiges Verfahren nutzbar machen. Nur in seltenen
Bucerius Law School ab 2003 eine differenzierte Evaluierung der Lehre durch die
Fällen geht es tatsächlich um »bilanzierende« Evaluierungen; besonderen Gewinn für
Studierenden statt. Die Einschätzungen und Anregungen fließen in die Gestaltung
die Stiftungsarbeit bringen Zwischengutachten im Sinne gestaltungsorientierter
des Studiums und seiner Rahmenbedingungen ein, Lehrende, Studierende und
Evaluierungen. Selbst Gutachten, die nach Abschluss eines Projekts erstellt werden,
Management sind im regelmäßigen, kritischen und konstruktiven Dialog. Eine
wirken auf die weitere Zusammenarbeit mit entsprechenden Institutionen ein und
externe Beurteilung der Lehrstühle und des Hochschulmanagements durch eine
stellen insofern ein wesentliches Steuerungsinstrument dar. Entscheidend ist stets,
mehrköpfige Expertenkommission erfolgt 2003. Die Bucerius Summer School on
dass das gewonnene Wissen klar erkennbar ist und konsequent angewandt wird.
Global Governance lässt ihr Programm durch die Teilnehmenden evaluieren und
reagiert von Jahr zu Jahr in ihrer Planung auf die Ergebnisse der Befragung. Zugleich
Soweit die Evaluierungen der ersten größeren ZEIT-Stiftungsprojekte abgeschlossen
fängt sie dadurch seismographisch aktuelle Kristallisationspunkte des brisanten
sind, haben ihre Erkenntnisse die Stiftungsarbeit konstruktiv beeinflusst. Sie haben
und sich wandelnden Themas Global Governance ein. Im Wissenschaftsbereich
weit überwiegend positive Resultate gezeitigt und bestätigen die ZEIT-Stiftung in
beginnt 2003 die Evaluierung der drei juristischen Stiftungslehrstühle an ost-
ihrer Arbeit. Dort, wo im Einzelfall die Ergebnisse den Erwartungen nicht ganz
deutschen Hochschulen.
gerecht geworden sind, war der Lernprozess und damit der Gewinn für die künftige
Stiftungsarbeit besonders groß.
Leitfragen im Satzungsbereich Wissenschaft und Forschung – erreichen die Projekte
die vorgesehenen Ziele? Müssen Kurskorrekturen vorgenommen werden? Ist eine
Zum Nutzen der Stiftungsarbeit und der Gesellschaft, für mehr Transparenz und ein
Fortsetzung sinnvoll? Kann die Umsetzung verbessert werden und wenn ja, wie?
wachsendes Vertrauen in ihre Aktivitäten wird die ZEIT-Stiftung weiterhin Evaluierun-
Stehen die eingesetzten Fördermittel in vernünftiger Relation zum Ertrag? – beschäf-
gen durchführen. Zur Stärkung einer Evaluationskultur in deutschen und europäi-
tigen auch die Evaluierung im Satzungsbereich Bildung und Erziehung. Wird alljähr-
schen Stiftungen begrüßt sie Austausch und Initiativen zu diesem wichtigen
lich ein Preis für unabhängige Presseberichterstattung in osteuropäischen Ländern
Aspekt ihrer Arbeit.
[108]
[109]
ENGLISH SUMMARY
The Ebelin and Gerd Bucerius
ZEIT Foundation
Report on Major Funding Activities in 2001 and 2002
Gerd Bucerius established the Ebelin and Gerd Bucerius ZEIT Foundation in 1971.
The Foundation pursues objectives intended to benefit society as a whole. In
One of the highlights of the past two years was the opening of the art forum
accordance with its statutes it provides funding in the areas of science, research and
Bucerius Kunst Forum in October 2002. This exhibition hall in the centre of the
education, as well as for the arts and for cultural activities. The Foundation aims at
city of Hamburg (at Rathausmarkt) already proved to be a cultural attraction in
strengthening civil society by supporting the development of innovation, creativity
the first few months. Information on current exhibitions is available under
and responsibility.
www.buceriuskunstforum.de.
After the death of Gerd Bucerius in 1995 and of his wife, Ebelin, in 1997, the ZEIT
International Projects
Foundation grew quickly and is meanwhile one of Germany’s five largest private
foundations. During the past two years returns on Foundation capital came to a total
The Foundation has intensified its foreign activities, beginning new projects in a
of 49.7 million euros. Financial assistance was granted for 300 projects. Project
large number of countries. The net now stretches from Kaliningrad to Oxford, from
expenses for 2001 and 2002 amounted to 32.5 million euros, 58.2% of which was
Paris to Cambridge/Mass., from Haifa to Shanghai, and from London to Jerusalem.
devoted to scientific and research projects, 31.2% to the arts and to cultural activities,
The Bucerius Law School, the first private university for law in Germany, has a
and 10.6% to education and training.
strong international orientation. It has partnerships with 58 universities and higher
On 31st December 2002, the ZEIT Foundation Board of Trustees was comprised of the
educational establishments throughout the world. The students spend their
following members: Manfred Lahnstein (Chairman), Klaus Asche, Roman Herzog
compulsory trimester abroad, while the Bucerius Law School for its part welcomes
(Former German President), Georg Dieter von Holtzbrinck, Martin Kohlhaussen
guest students from around the globe to Hamburg.
Siegfried Luther, Hubert Markl, Jobst Plog, Helmut Schmidt (Former German
Chancellor), Karsten Schmidt, Theo Sommer, Henning Voscherau, and Bernd Wrede.
And speaking of »globes«, it is clear – from its name – where the focus of the
The members of the Board of Directors were Klaus Asche, Michael Göring (Managing
Bucerius Summer School on Global Governance lies. Politicians, businessmen and
Director), and Karsten Schmidt. On 31st December 2002, the Foundation had 25
representatives of Non-governmental Organisations gather here to discuss innova-
permanent employees.
tive models for regulating globalization.
Following an increase in financial volume the ZEIT Foundation was able to expand its
The German Historical Institute in Moscow – a joint project of the Alfried Krupp von
funding activities in 2001 and 2002 along existing lines and to enlarge its range of
Bohlen und Halbach Foundation and the ZEIT Foundation, – will be opened in the
projects, both nationally and internationally. About 7% of project funding in 2001 and
autumn of 2003 with the aim of promoting interest in the common European history
2002 went into projects abroad.
of Germany and Russia. The more recent history of each of these countries should be
researched in an international context, source archives identified, German-Russian
Due to the great number of projects supported in 2001 and 2002, the following pages
research cooperation strengthened, the historiographies of both countries mediated
can present only a few of the Foundation’s major activities:
and a variety of lectures and conferences held.
[110]
[111]
ENGLISH SUMMARY
The Bucerius Center for Research of Contemporary German History and Society has
established itself as a window of the University of Haifa to Europe. It promotes Israeli
understanding of Germany’s most recent history right up to the present time. With its
commitment to Israel, the ZEIT Foundation stands for fruitful coexistence between
Jewish and Arabic students.
The ZEIT Foundation supports the Petersburg Dialogue established by President
Vladimir Putin and German Chancellor Gerhard Schröder. As a forum for open
The Gerd Bucerius Doctorand Scholarships »Germany and its Eastern Neighbours –
discussion on contemporary social issues between the prominent representatives
Contributions to European History« are aimed at young Central and Eastern
and young elite of both countries, the Dialogue can fertilize German-Russian relations
European historians who address, in the theses, topics exploring the relationship of
and extend them considerably.
the Germans to their eastern neighbours.
With its Gerd Bucerius Lectures in Washington, London and Jerusalem, the Founda-
The German Forum for Art History in Paris aims at a mutual exchange on German-
tion heralds the liberal spirit of its founder – a publisher, lawyer and politician – far
French art history and the humanities; the ZEIT Foundation finances scholarships and
beyond the boundaries of the city of Hamburg.
research in these areas.
Science and Scholarship
Few German cities have a history of foundations as long and lively as that of
Hamburg, yet scarcely researched with regard to their significance. With a multi-part
Science and scholarship are at the heart of the Foundation’s activities. The ZEIT
publication and research project into the nature of foundations in the Hanseatic city,
Foundation supports innovative international teaching and research structures, as
the ZEIT Foundation is making an exemplary contribution to the history of bourgeois
well as innovative fields of research. It promotes talented young scholars who are
society in Germany.
active at an international and inter-disciplinary level, concentrating on jurisprudence
and history, as well as on the related fields of the arts and cultural studies, and espe-
The editing of the Collected Works »Gesammelte Werke« of the major philosopher
cially on the history of art and philosophy, political science and governance research.
Ernst Cassirer will be borne by the ZEIT Foundation; his key work, Philosophie der
symbolischen Formen (The Philosophy of Symbolic Forms), has already been
Three ZEIT Foundation chairs in jurisprudence at the universities of Rostock,
completed.
Greifswald and Jena, all in the new German federal states, have established new areas
of teaching and research. At the European Studies Centre, St. Antony’s College,
The works Hamburger Köpfe (Heads of Hamburg), a vivid series of biographies on
Oxford the Foundation has created its first foreign chair in Contemporary History,
Hamburg's personalities from the fields of politics, cultural activities, commerce and
which has been eminently filled by Timothy Garton Ash.
science, has meanwhile been extended to 11 volumes.
[112]
[113]
ENGLISH SUMMARY
Art and Culture
With the excavation campaign for the Prussia Collection and the establishment of a
With the opening of its own exhibition hall – the Bucerius Kunst Forum – in 2002, the
»Prussia-Arbeitsstelle«, the foundation has been contributing, since the year 2000,
ZEIT Foundation has completed yet another large project of its own. Other art
towards uncovering and reviving the deep and independent roots of the
exhibitions continue to be organized in cooperation with museums in Hamburg, but
Kaliningrad/Königsberg region. The extensive collections will be put on permanent
also beyond the city’s boundaries. In the field of music the focus is on contemporary
display in the Kaliningrad History and Art Museum.
music and on promoting young musicians. There are also measures to preserve and
maintain our cultural heritage, such as the safeguarding of valuable monuments and
Education and Training
the restoration of historical organs, or precious handwritten works and manuscripts.
The ZEIT Foundation promotes innovative schooling concepts and international
The Copper Engravings Cabinet Kupferstichkabinett in the arts centre Hamburg
school exchanges; and with a National Library Prize it underlines the importance of
Kunsthalle can now catalogue and research its entire collection, thanks to the support
the book as a medium for education, cultural concepts, knowledge transfer, recording
of the ZEIT Foundation. These unique artefacts will be systematically ordered for
traditions and safeguarding content for future reference. The ZEIT Foundation also
display in three synoptical exhibitions.
has a commitment to the press and journalists of the nations of Eastern Europe.
»Reality check« – the motto under which the 2nd triennial festival of Photographie
Eight five-form secondary modern schools meanwhile belong to LERN-WERK
Hamburg 2002, with a total of 101 exhibitions and organized events, succeeded in
Hamburg – these schools are both encouraged and enabled, with the support of the
drawing the city's attention to, and attracting its interest in, the field of photography.
Foundation, to test concrete models for reform in practice. Whether this involves
training for job applications, a bicycle workshop, a school kitchen or active parent
A new writing competition with annually changing topics is encouraging young
participation, the pupils learn to enjoy learning.
people to write their own texts, enhancing their creative abilities. Hamburg
Underground was the motivating topic in the first competition year, 2002, and drew a
A guest year for pupils in one of Hamburg’s partner cities – whether St. Petersburg,
resounding response.
Osaka or Shanghai – can open up new horizons. The pupil-exchange initiative
»Globale Partnerschaften« is a living example of international understanding.
The Hamburg Music Festival, which was held for the third time in 2002, was again a
great success, presenting the audience with an attractive range of contemporary
Every year an institution is awarded the title Library of the Year. The winner is
classical music. As a means of promoting especially talented young musicians, the
selected on the basis of outstanding performance, quality and innovation, and
ZEIT Foundation has been supporting the Meisterkurs programme of the Schleswig-
exemplary library work.
Holstein Music Festival since 1999.
The Foundation annually awards the Gerd Bucerius Promotional Prize »Eastern
The restoration of 37 particularly valuable instruments in the »organ landscape« of
Europe’s Young Press« – a signal for freedom of speech and free journalism. The
Mecklenburg Western-Pomerania will be completed by 2004. This is a joint endeavour
award is intended to encourage individual media and journalists in their informative
by the ZEIT Foundation, the Hermann Reemtsma Foundation and the German
work, and to support and strengthen the democratic press in the young, reformed
Foundation for Monument Protection aimed at restoring baroque instruments, and
countries of Eastern Europe, thereby contributing towards the creation of a free
particularly those from the romantic period, to a playable state.
media landscape.
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DIE ZEIT-STIFTUNG 2001 UND 2002
IN ZAHLEN
Jährliche Bewilligungen seit 1995 (in Mio. Euro)
Im Berichtszeitraum erfolgten insgesamt 300 Bewilligungen mit einem Volumen von
Michael Berndt
32,5 Mio. Euro. Regionaler Schwerpunkt der Förderungen war mit einem Anteil von
Vermögensverwaltung
etwa 75 Prozent der Fördersumme Hamburg. Auf Projekte im Ausland entfielen gut
Das Vermögen der ZEIT-Stiftung ist überwiegend in festverzinslichen Wertpapieren
17 Prozent des Fördervolumens.
und zu einem kleineren Teil in Dividendenwerten angelegt. Außerdem befinden sich
drei Liegenschaften in Hamburg im Eigentum der Stiftung: Feldbrunnenstraße 56,
10,6 %
Sitz der Stiftung, Ecke Marseiller Straße 7/Jungiusstraße 6/8, Gebäude der Bucerius
Law School, und Schwanenwik 38, Standort des Literaturhauses.
31,2 %
Wissenschaft und Forschung
Kunst und Kultur
Bildung und Erziehung
58,2 %
Verteilung der Bewilligungen auf die Förderbereiche
Ordentliche Erträge (in Mio. Euro)
Verwaltung und Mitarbeiter
Die Verwaltungskosten der Stiftung beliefen sich im Berichtszeitraum auf insgesamt
Fördermittel
5 Mio. Euro, davon entfallen auf die Personalkosten 3 Mio. Euro und auf die Sach-
Seit ihrer Gründung hat die Stiftung Mittel für Förderungen in Höhe von knapp 90
kosten 1,7 Mio. Euro. Die Personalkosten entsprechen damit etwa 6 Prozent der
Mio. Euro bewilligt; hiervon wurden bisher 74 Mio. Euro ausgezahlt. Auf Vorhaben in
ordentlichen Erträge.
Hamburg entfallen etwa 60 Prozent des Fördervolumens. Insgesamt wurden bisher
Die Stiftung beschäftigte Ende 2002 insgesamt 25 festangestellte Mitarbeiter, davon
900 Bewilligungen ausgesprochen, die sich auf rund 640 Einzelprojekte verteilen.
4 Mitarbeiter mit Teilzeit-Verträgen.
[116]
[117]
FÖRDERBEDINGUNGEN
ORGANE DER STIFTUNG
Vorstand
Dr. Klaus Asche
Professor Dr. Michael Göring (geschäftsführend)
Professor Dr. Dr. h.c. mult. Karsten Schmidt
Kuratorium
Die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius konzentriert ihre Förderungen auf von ihr
selbst initiierte Vorhaben. Sie nimmt darüber hinaus Anträge auf Projektförderung
entgegen, sofern die Vorhaben ihrer Satzung und ihren Förderschwerpunkten
entsprechen. Dabei sind die Innovationsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Vernetzung des
Vorhabens zur Schaffung von Synergieeffekten – gerne über Landesgrenzen hinaus –
sowie die Originalität des Projektes entscheidend. Die Stiftung misst ferner dem
Professor Manfred Lahnstein (Vorsitzender)
Dr. Klaus Asche
Bundespräsident a.D. Professor Dr. Roman Herzog
Georg Dieter von Holtzbrinck
Dr. h.c. Martin Kohlhaussen
Dr. Siegfried Luther
Professor Dr. Dr. h.c. mult. Hubert Markl
Professor Jobst Plog
Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt
Professor Dr. Dr. h.c. mult. Karsten Schmidt
Dr. Theo Sommer
Dr. Henning Voscherau
Dipl.-Kfm. Bernd Wrede
Eigenanteil des Antragstellers sowie seinem Bemühen um die Gewinnung von
Förderpartnern große Bedeutung zu. Sie vergibt keine Mittel zur Schließung von
allgemeinen Haushaltslücken.
Stipendien, auch Forschungsstipendien, werden nur im Rahmen von Programmen
und Druckkostenzuschüsse nur für Stiftungsprojekte vergeben. Die Stiftung empfiehlt, eine schriftliche Voranfrage zu stellen. Anträge können formlos an die Stiftung
gerichtet werden. Der Antrag muss in knapper Form Auskunft über Ziele, geplante
Durchführung und beantragte Förderhöhe des Vorhabens geben. Bestandteil des
Antrags sollte ferner neben einem Zeitplan ein differenzierter Kosten- und Finanzierungsplan sein.
Berater des Kuratoriums sind:
Dr. F. Wilhelm Christians
Hilde von Lang
Anschrift
ZEIT-Stiftung
Ebelin und Gerd Bucerius
Feldbrunnenstraße 56
20148 Hamburg
Telefon: 040/ 41 33 66
Telefax: 040/ 41 33 67 00
E-Mail: [email protected]
Internet: www.zeit-stiftung.de
Je nach Förderhöhe entscheiden Vorstand oder Kuratorium über die Bewilligung.
In fachlich erforderlichen Fällen werden externe Gutachter einbezogen und um
qualifizierte Voten gebeten.
[118]
Die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius ist Mitglied des
Bundesverbandes Deutscher Stiftungen e.V.
und des European Foundation Centre, Brüssel.
[119]
IMPRESSUM
BILDNACHWEIS
Titel Sitz der ZEIT-Stiftung, Feldbrunnenstr. 56,
Hamburg, Bodo Dretzke
60 AKG Images
62 Staatsbibliothek zu Berlin
6 Bodo Dretzke
64 Bertram Solcher
8 Wolfgang Wiese
66 Büro Brückner und Partner, Bremen
10 Bodo Dretzke
68 Bodo Dretzke
14 Hako Holding GmbH
70 Elke Walford
16 Ingrid von Kruse
72 Museum für Hamburgische Geschichte
18 ZEIT-Stiftung
Herausgeber:
21 Bernd Solcher
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
22 Ulrich Perrey
74 André Lützen
76 Hamburger Musikfest
78 Robert Bittner
24 Bodo Dretzke
Verantwortlich:
80 Frederika Hoffmann
27 Stefan Wolf Lucks
Professor Dr. Michael Göring
82 Matthias Gretzschel
28 Universität Haifa
Redaktion:
84 Thoralf Plath
31 Universität Haifa
Frauke Hamann
86 Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
32 ZEIT-Stiftung
Textredaktion:
36 Stefan Wolf Lucks
Frauke Hamann
39 Ronald Frommann
88 Stiftung Schleswig-Holsteinische
Landesmuseen Schloss Gottorf
90 Bodo Dretzke
40 Stefanie Brinkkötter
Bildredaktion:
92 Frederika Hoffmann
43 Stefanie Brinkkötter
Kirsten Drees
94 AFS Interkulturelle Begegnungen e.V.
44 Bodo Dretzke
Design:
96 ZEIT-Stiftung
46 Universität Jena
achtung! werbeagentur
98 Niedersächsische Staats- und
Universitätsbibliothek Göttingen
48 Johannes Grützke
Druck:
50 Wolfgang Volz
100 Otto Kirchner
Brandt Offset
52 Falko Behr
102 Frank Scymanska
54 Deutsches Forum Kunstgeschichte, Paris
104 ZEIT-Stiftung
56 ZEIT-Stiftung
106 Thoralf Plath
58 Universität Hamburg
114 Bodo Dretzke
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius,
Hamburg, im April 2003
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