2011-12 Haifa

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2011-12 Haifa
ERFAHRUNGSBERICHT
Auslandssemester an der Universität Haifa, Israel
01.08.2011-31.01.2012
Seit ich im Jahr 2006 an einem zweiwöchigen Schüleraustausch mit der israelischen
Partnerschule meines Gymnasiums teilgenommen hatte, hatte ich vor, einmal längere Zeit in
Israel zu leben und vor allem die Sprache zu lernen. Deswegen wollte ich unbedingt mein
obligatorisches Auslandssemester im Rahmen meines Studiums der Integrierten Europastudien
in Israel verbringen.
Von Anfang August 2011 bis Ende Januar 2012 studierte ich nun an der Universität Haifa,
welche eine Partnerhochschule der Uni Bremen ist. Da der Kooperationsvertrag zwischen den
beiden Universitäten leider ausgelaufen und nicht verlängert worden war konnte ich zuerst nicht
sicher sein, ob der neue Kooperationsvertrag noch vor meinem Auslandssemester unterzeichnet
werden würde.
Meine Vorbereitung begann deswegen ca. ein Jahr vor Beginn meines Auslandssemesters, indem
ich einen Intensivsprachkurs im Sommer an der TU Berlin belegte und mich intensiv dafür
einsetzte, dass ein neuer Kooperationsvertrag zwischen der Uni Bremen und der Uni Haifa
unterzeichnet werden wird. Glücklicherweise hat das auch geklappt und ich musste mich dann
nur noch online – wie jeder andere Overseas-Student – bei der International School der
Universität Haifa bewerben.
Die International School der Universität Haifa organisiert, neben mehreren Ulpanim
(Sprachschulen) im Sommer, Winter und während des Semesters, jedes Jahr ein Programm aus
Vorlesungen und Seminaren für Bachelor-Studenten auf Englisch sowie ein Honors Programm
in Peace and Conflict Studies und eines in Psychologie. Darüber hinaus kann man auch einen
Masterabschluss in Peace and Conflict Management oder Global Law erlangen. Für die Honors
Programme muss man während der Online-Bewerbung zusätzlich Empfehlungsschreiben von
Professoren aus dem jeweiligen Bereich beifügen.
Ich ging im August nach Haifa, um dort einen Intensivsprachkurs zu machen und den Sommer
ein wenig zu genießen. Den September hatte ich frei und somit viel Zeit, um Freunde zu
besuchen, zu reisen und mein Hebräisch unterwegs anzuwenden. Wäre ich danach schon nach
Hause gefahren, hätte ich schon viel zu erzählen gehabt, aber viele meiner Freunde aus aller
Welt noch nicht kennengelernt.
Am Anfang des Semesters, im Oktober, entschied ich mich nach der zweiwöchigen
Kursauswahlphase dazu, kein Honors Programme zu belegen. Das lag vor allem daran, dass das
Programm im Endeffekt für mich nicht so interessant klang, wie es im Internet beschrieben war
und ich mich lieber auf das Lernen der hebräischen Sprache konzentrieren wollte. Deswegen
belegte ich einen Politikkurs auf Hebräisch und noch einen Sprachkurs während des Semesters.
Außerdem war das sonstige Kursangebot der International School wirklich groß und reichte von
Kursen in Soziologie, über Religionswissenschaft, Psychologie, Wirtschafts- und
Medienwissenschaften bis zu Politik.
Da mein Studienschwerpunkt in Bremen sich vor allem auf Politikwissenschaft konzentriert,
wählte ich überwiegend Kurse aus diesem Bereich. Gewöhnlich bekommt man drei Credits für
einen Kurs und alle Kurse dauern jeweils drei Stunden pro Woche. Der Hebräischkurs hingegen
dauerte zwei Stunden pro Tag, dafür aber viermal die Woche morgens um 8.00 oder 10.00 Uhr.
Eine Regel der International School ist es, dass man pro Semester mindestens 12 aber maximal
1 18 Credits erreichen muss. Ich belegte 18 Credits in der International School und einen Kurs in
der regulären Universität. Allerdings sind die Credits nicht mit ECTS gleichzusetzen.
Die Betreuung der Studenten war gut konzipiert. Es gab drei Madrichim (social activity
coordinators), die für uns Wanderungen, Tagesausflüge und gemeinsame Abende geplant und
durchgeführt haben. Was mir besonders in Erinnerung blieb, war die Wanderung „Yam el Yam“.
Wir wanderten drei Tage lang vom Mittelmeer zum See Genezareth und schliefen im Freien.
Wenn man allerdings Fragen zu Kursen etc. hatte, konnte es schon mal passieren, dass man
wirklich oft zum Büro der Angestellten der International School geordert wurde, um dann von
dort wieder weggeschickt zu werden, weil die Angestellten dann gerade doch keine Zeit hatten.
Bevor ich nach Israel ging, hatte ich mich dazu entschieden auf dem Campus in einem der
Wohnheime zu wohnen. Das ist nicht nur praktisch, weil die Busse in Haifa öfters mal zu spät
kommen und wirklich viel Zeit für kurze Strecken brauchen, sondern auch, weil es im Vergleich
zu einer Wohnung oder einem Zimmer in einer WG in der Stadt billiger ist. Es gibt insgesamt
drei verschiedene Wohnheime: Federmann, Talia und Britannia. Ich habe in Talia gewohnt und
kann es wirklich nur empfehlen. In Talia gibt es Wohnungen und Häuser mit drei bis sechs
Zimmern. Jedes Zimmer hat sein eigenes Badezimmer und man hat zusammen mit seinen
Mitbewohner/innen eine kleine Küche und ein Wohn-und Esszimmer. Die Wohnungen sind
strikt nach Geschlechtern getrennt und arabische und jüdische Studenten wohnen eigentlich auch
nicht zusammen. Das Besondere an den Wohnheimen ist, dass jede Wohnung ihren eigenen
Schutzraum besitzt, in den man bei militärischen Angriffen flüchten muss. Da wirklich viele von
meinen Freunden auf dem Campus gewohnt haben, konnte man einfach schnell zwei Häuser
weiter laufen und sich auch nach dem Unterricht treffen und zusammen etwas kochen oder ein
Bier trinken. Der Wohnheimkomplex ist das eine Ende des Campus. Von dort kann man durch
mehrere Sicherheitskontrollen durch bis zum anderen Ende laufen oder für zwei Stationen den
Bus nehmen.
Bevor man nach Israel geht sollte man sich vor allem der Geschichte bewusst sein, die
Deutschland und Israel verbindet. Denn manchmal, aber weniger oft, als ich erwartet habe, wird
man darauf angesprochen, wie man zum Holocaust steht oder was denn die Großeltern während
des Krieges getan haben. Was ich aber viel erstaunlicher fand, war, dass viele junge Israelis total
begeistert von ihren Aufenthalten in Deutschland erzählt haben und einem überhaupt keine
Vorwürfe gemacht haben.
Ich denke, dass der Aufenthalt in Israel mir viel gebracht hat, aber da ich schon länger nicht
mehr zu Hause lebe und eher selbständig bin, hatte ich auch nicht viele Probleme, mich in Haifa
einzuleben und anzupassen. Allerdings habe ich gelernt, dass man nicht unbedingt immer überall
anstehen muss, sondern ruhig mal seine Ellenbogen benutzen kann, um weiter nach vorne zu
kommen. Israelis stehen nämlich prinzipiell nicht an.
Ich kann meinen Auslandsaufenthalt nur positiv bewerten und empfehlen, in Israel zu studieren.
Es war wirklich interessant und ich hatte viel Spaß und habe wirklich viele nette Leute
kennengelernt. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass viele Dozenten in den Kursen der
International School als auch das Programm der Madrichim sehr Amerika-zentriert sind.
Ungefähr 50 Prozent der Studenten waren Amerikaner, gefolgt von Deutschen und ein paar
wenigen anderen Europäern und Asiaten. Außerdem befindet sich die Uni auf dem Berg Karmel,
mitten im Naturpark und ein wenig vom Zentrum entfernt. Dafür hat Haifa einen der schönsten
Strände des Landes und das Sprachkursangebot an der Uni ist sehr gut. Neben Hebräisch kann
man auch Arabisch lernen. Auch muss man sich auf Sicherheitskontrollen einstellen und sollte
sich darüber bewusst sein, dass die Sicherheitslage angespannter ist als in Deutschland.
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