Seit zwei Jahren sind Berater der EVOLOG Beratersozietät in

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Seit zwei Jahren sind Berater der EVOLOG Beratersozietät in
Controlling und Industrialisierung in der Finanzdienstleistung
I.
Einleitung
Der Begriff Industrialisierung kommt zwar aus der Industrie, mittlerweile hat
er aber auch in anderen Wirtschaftszweigen Bedeutung erlangt. So werden
z. B. in der Finanzdienstleistungsbranche Ansätze aus der Industrialisierung
auf die Gestaltung der Arbeitsabläufe übertragen. In dem Aufsatz „Zukunft
durch Unternehmenstransformation – Industrialisierung durch Differenzierung des Geschäftssystems erfolgreich nutzen“ haben Michael Doering
(Vorsitzender des Vorstands, Öffentliche Versicherung Braunschweig) und
Franz Arnold (Executive Berater der EVOLOG Beratungsgesellschaft, Köln)
die konkrete Umsetzung in einer Versicherung beschrieben (den Aufsatz
finden Sie in unserem Know-how-Center in der Rubrik Projektberichte unter
der Überschrift „Industrialisierung der Versicherungswirtschaft“).
Die folgenden Ausführungen behandeln einige Aspekte des Controllings im
Zusammenhang mit der Industrialisierung der Finanzdienstleistung; sie beziehen sich zum Teil auf Überlegungen aus dem o. g. Projekt bei der Öffentlichen Versicherung in Braunschweig (ÖVBS), lassen sich aber ohne Weiteres auf vergleichbare Situationen übertragen.
II.
Controllingverständnis
Controlling beschäftigt sich im Wesentlichen mit zwei Fragen (siehe dazu
auch den Aufsatz „Von der Effektivität zur Effizienz“, den Sie ebenfalls in
unserem Know-how-Center finden, und zwar in der Rubrik EVOLOG Fachartikel):
1. Tun wir die richtigen Dinge? Mit dieser Frage löst man in der Regel eine
Diskussion über die Strategie einer Organisation aus. Damit ist die Frage nach der Effektivität gestellt.
2. Tun wir die Dinge richtig? Dies ist demgegenüber die Frage nach der
operativen Umsetzung der Strategie und damit nach der Effizienz.
Controlling hat also zwei wesentliche Komponenten, eine strategische (Effektivität) und eine operative (Effizienz).
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Etwas konkreter lassen sich die Aufgabenfelder eines Controllers aus dem
Controller-Leitbild der IGC International Group of Controlling ableiten:
„Controller gestalten und begleiten den Management-Prozess der Zielfindung, Planung und
Steuerung und tragen damit Mitverantwortung für die Zielerreichung. Mit dieser Definition
sind Strategie und deren operative Umsetzung abgedeckt.“
Erfolgreiches Controlling setzt also an der Strategie an. Jedes Unternehmen
muss zunächst die Strategie für die kommenden Jahre festlegen, den Masterplan gewissermaßen. Diese sollte (möglichst) messbar sein. Daraus leiten sich dann die operativen (Jahres-) Pläne ab, die Basis für das Controllingsystem werden. Anders formuliert: Mit dem operativen Controllingsystem
sollten keine Ziele verfolgt werden, die nicht mindestens einem strategischen Ziel zugeordnet werden können.
III.
Industrialisierung in der Finanzdienstleistung
Ein wesentlicher Aspekt des Industrialisierungsprozesses ist die Segmentierung des Unternehmens in unternehmerisch eigenständig agierende Geschäftssysteme. In dem o. g. Referenzprojekt war das die Aufteilung in einen Finanzdienstleister (Vertriebsfunktion), einen Fertiger (Abwicklungsfunktion) und einen Produktgeber (Produkt-/Kapitalanlagefunktion). Daneben gibt es sogenannte Systembereiche, die für diese Geschäftssysteme
Dienstleistungen bereitstellen, im Wesentlichen sind dies: (1) Informatik, (2)
Facility Management und (3) Stabsfunktionen. Diese Systembereiche sind
ebenfalls eigenständige Einheiten und übernehmen unternehmerische Verantwortung für die Bereitstellung effizienter Systemleistungen oder sind in
einer zentralen Einheit (Holding) angesiedelt. Die Steuerung des Gesamtsystems nimmt die Holding wahr.
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IV.
Konsequenzen für das Controlling
Bezogen auf das Thema dieses Aufsatzes ist der folgende Aspekt von Bedeutung: Controlling findet auf zwei Ebenen statt, nämlich zum einen bezogen auf die Gesamtsteuerung des Unternehmens und zum anderen bezogen auf die Geschäftssysteme und die Systembereiche. Die Differenzierung
in Geschäftssysteme und Systembereiche mit verschiedenen geschäftsstrategischen Ausrichtungen hat damit auch eine weitreichende Differenzierung
des Controllings zur Folge.
In den einzelnen Geschäftssystemen/Systembereichen werden eigene Strategien erarbeitet. Sie agieren als eigenständige Einheiten, die zwar in ein
Gesamtunternehmen eingebunden sind, aber selbstständig Ergebnisbeiträge generieren und an das Gesamtunternehmen abliefern.
Das Controlling wird also für jedes Teilunternehmen bzw. jede Einheit separat aufgebaut und wird sinnvollerweise auch dort angesiedelt werden. Entsprechend der festgelegten Geschäftsstrategie liefert das jeweilige Controllingsystem Informationen darüber, wie erfolgreich das jeweilige Unternehmen bei der Erreichung dieser Ziele ist.
Auf dem Weg der Transformation – also der Differenzierung des VorUnternehmens in Teilunternehmen - ist es Aufgabe des Controllings, die
Erarbeitung sogenannter Businesspläne zu unterstützen. Das ist nichts anderes als die konkrete Darstellung der jeweiligen Geschäftsstrategie in
Planzahlen.
Ein wichtiger Baustein ist dabei eine aussagefähige Profitcenterrechnung
(PR). Damit ist es möglich, die geforderten Ergebnisbeiträge transparent
und strukturiert nach den jeweiligen Einnahmen und Ausgaben darzustellen
(dazu s. a. weiter unten). Wenn schon eine solche PR für das Unternehmen
existiert, ist sie „nur“ auf die Geschäftseinheiten „runterzubrechen“. Ansonsten muss spätestens jetzt eine PR eingeführt werden, eine nicht zu unterschätzende Arbeit, weil zunächst sehr viel Grundlagenarbeit zu leisten ist,
um die notwendige Datenbasis bereitzustellen.
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Ergibt sich nun die Strategie des Gesamtunternehmens aus der Summe der
strategischen Ziele der neuen Geschäftssysteme und Systembereiche?
Natürlich nicht – ganz nach dem Motto: „Das Ganze ist mehr als die Summe
der Einzelteile“ würde das nicht die Realität abbilden. Beispiel: Eine wesentliche unternehmerische Funktion des Gesamtunternehmens besteht darin,
den Geschäftssystemen/Systembereichen Eigenkapital (EK) zur Verfügung
zu stellen, damit diese ihre Strategien umsetzen können. Daraus leiten sich
die folgenden Ziele ab:

Das Eigenkapital muss optimal verteilt (Kapitalallokation) werden das bedeutet also, dass die Geschäftssysteme/Systembereiche ausreichend mit EK ausgestattet werden, und

das zur Verfügung gestellte EK muss möglichst rentierlich arbeiten.
Wie sie dies machen, ist - in gewissem Rahmen - ihrer unternehmerischen Verantwortung überlassen. Aber eben nur „im gewissen
Rahmen“ – schließlich verfolgt das Gesamtunternehmen eigene
wirtschaftliche Interessen und Ziele.
Zwischenfazit:

Die jeweiligen Strategien der Geschäftssysteme, der Systembereiche und des Gesamtunternehmens sind die Basis für die einzelnen
Controllingsysteme.

Im Rahmen eines Gesamtsystems haben sie alle unterschiedliche
Schwerpunkte in ihren Zielen.
Dass wir es hier mit durchgreifenden Veränderungen zu tun haben, wird
daran deutlich, dass die Geschäftssysteme und die Systembereiche Einnahmen generieren sollen. Also stellt sich für diese Einheiten erstmalig die
Frage nach den Preisen für ihre Dienstleistungen (teilweise gab es sicher
schon im Rahmen von internen Verrechnungspreisen Ansätze dazu). Damit
ist aber auch offensichtlich, dass die Geschäftssysteme/Systembereiche
zunächst definieren müssen, was ihr Kerngeschäft ist, also welche Dienstleistungen sie selbst „produzieren“ und welche sie gegebenenfalls einkaufen wollen. Neben den Einnahmen spielen nun auch die Ausgaben eine
Rolle mit zunehmender Bedeutung. Die Dienstleistungen sollen so günstig
wie möglich erstellt werden, das bedeutet also, dass alle „Produktionsprozesse“ effizient gestaltet werden müssen.
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Hiermit kommen wir in das Themenfeld des Prozesscontrollings. In aller
Kürze seien an dieser Stelle nur einige Aspekte stichwortartig beleuchtet:

Zunächst müssen die Geschäftseinheiten ein Prozessmodell ihres
Unternehmens aufstellen.

Es muss kritisch hinterfragt werden, ob alle Prozesse sinnvoll und
erforderlich sind.

Den einzelnen Prozessen und ihren Teilschritten müssen die damit
verbundenen Kosten zugeordnet werden.

Ein Mengengerüst muss erstellt werden. Es muss also die Frage
beantwortet werden: Wie oft werden die Prozesse in einer bestimmten Zeiteinheit durchlaufen?

Insgesamt ist man dann in der Lage, den gesamten Aufwand einer
Einheit auf die jeweiligen Prozesse zu verteilen.

Damit
ist
im
Übrigen
auch
die
Basis
für
„Make-or-buy-
Entscheidungen“ geschaffen worden.

Neben den Prozesskosten spielen auch die Durchlaufzeiten der
Prozesse ein besondere Rolle. Diese werden wesentliche Bestandteile eines Controllingsystems sein (nicht nur beim Fertiger, bei dem
es offensichtlich ist).
Also: Kosten und Zeiten für die einzelnen Prozesse zur Erstellung der
Dienstleistungen müssen ermittelt werden. Das ist nicht trivial, sondern bedeutet für jedes Geschäftssystem und für jeden Systembereich eine komplizierte Veränderung – und damit einen enormen Lernprozess. Aus der Sicht
des Controllings betrachtet, müssen wir auf eine valide Datenbasis Wert
legen. Das ist für alle Beteiligten eine ungewohnte, aber notwendige Arbeit.
Mit der Differenzierung des Controllings stehen wir vor einer weiteren Herausforderung: Der Umfang und die Anzahl der zu erstellenden ControllingBerichte sollte klein gehalten werden. In der Vergangenheit sind solche
Controllinginstrumente häufig überfrachtet worden, umfassend und vollkommen transparent musste berichtet werden. Eine für alle Seiten belastende Bürokratie wurde etabliert, die keinen Zusatznutzen lieferte.
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Der Erfolg einer Geschäftseinheit misst sich an den strategischen Vorgaben
der „Mutter“, hauptsächlich werden dies im Wirtschaftsleben Ergebnisbeiträge sein. Die Steuerung der einzelnen Komponenten, mit denen diese
Ergebnisse erarbeitet werden, ist die Aufgabe des jeweiligen Geschäftssystems und der Systembereiche (also: Selbstorganisation).
V.
Zusammenfassung

Industrialisierung in der Finanzdienstleistung bedeutet Segmentierung mit gleichzeitiger Übertragung von unternehmerischer Verantwortung auf die einzelnen Segmente.

Das Controlling muss sich parallel zu diesem Prozess ebenfalls neu
aufstellen: Differenzierung des Gesamtunternehmens zieht eine Differenzierung des Controllings nach sich.

Das Controlling muss darauf ausgerichtet werden, dass die einzelnen Segmente des Unternehmens wie Teilunternehmen geführt
werden, also z. B. auch mit Ergebnisverantwortung.

Konkret heißt dies im Wesentlichen: (1) Orientierung des Controllings an der jeweiligen Strategie des Segmentes, (2) innerhalb des
Segmentes Kosten und Einnahmencontrolling und (3) Controlling der
Prozesse innerhalb eines Segments.

Wichtige Elemente der zu schaffenden Controllingsysteme sind ein
Businessplan und eine Profitcenterrechnung.

Bei der Gestaltung des Controllingsystems für das Gesamtunternehmen sollte die Tatsache berücksichtigt werden, dass die neu gebildeten Teilunternehmen (Segmente) sich selbst organisieren werden und (mittelfristig) nur wenige Impulse durch die „Mutter“ nötig
sind, um die Segmente zu steuern.
Weitere Informationen erhalten Sie gern bei
Ludger Bettmer
Beratungsleiter
EVOLOG Beratersozietät GbR
Else-Lang-Str. 1, 50858 Köln
Tel.: 0221 / 92 15 95 -0, Fax 0221 / 92 15 95 -25
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