Kinderfernsehen in Deutschland zwischen Qualitätsansprüchen und

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Kinderfernsehen in Deutschland zwischen Qualitätsansprüchen und
Kinderfernsehen in Deutschland
zwischen Qualitätsansprüchen und Ökonomie
unter Berücksichtigung der Vorschulserie Sesamstrasse
Fachbereich für Geistes- und Erziehungswissenschaften der
Technischen Universität Carolo–Wilhelmina zu Braunschweig
zur Erlangung des Grades Doktorin der Philosophie (Dr. phil.),
genehmigte
Dissertation
von
Dipl. - Päd. Marina Wladkowski
geboren in: Salzgitter
Eingereicht am:
06. Januar 2003
Rigorosum am:
Referent:
Prof. Dr. Hein Retter
Korreferentin:
PD Dr. Petra Korte
Titelbild:
Sesamstrasse (vgl. http:// www.ndrtv.de/start.html
(24.05.01))
Braunschweig, Januar 2003
Danksagung
____III
Danksagung
Mein Dank gilt Prof. Dr. Hein Retter für die wissenschaftliche Betreuung dieser Arbeit und die
interessante Themenstellung. Frau PD Dr. Petra Korte danke ich für die Bereitschaft, das
Koreferat übernehmen zu wollen.
Ich danke Frau Angelika Paetow vom Programmbereich `Kinder und Familie` des Norddeutschen
Rundfunks, Frau Bettina Bergwelt vom Studio Hamburg sowie der Redaktion Sesamstrasse und
dort speziell Frau Anke Schmidt-Bratzel für die Hintergrundinformationen zu der Vorschulsendung.
Für Korrekturen, zahlreiche Anregungen und guten Zuspruch danke ich Andrea Papenburg, Antje
Laskowski, Bernd Quoika, Claudia Romahn, Eva Hanel, Familie Jung, Familie Schneider, Familie
Sonnit, Felix Langer, Kaj Krüger, Konni Müller, Kroll`s, Manu Hofmann, Nele Beiss, Peggy
Schimke, Sonja Paschke und Xenia Kooiker.
Meiner Familie danke ich herzlichst für die finanzielle und moralische Unterstützung während
meines gesamten Studiums und der Promotion. Meinem Neffen Jannik Wladkowski sage ich
danke für die fleißige Mithilfe als Fotomodell und `Anschauungsobjekt`.
Mein ganz besonderer Dank gilt in Liebe, Holger Jung.
Inhaltsverzeichnis
IV
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung und Aufgabenstellung…………………………………………………………………
6
1.1.
Methode………………………………………………………………………………………………...
7
1.2.
Kinderfernsehen: Eine Begriffsbestimmung………………………………………………………..
8
2.
Geschichte des Kinderfernsehens……………………………………………………………….
10
2.1.
Die Anfänge im Dritten Reich………………………………………………………………………..
10
2.2.
1950er Jahre - geprägt von der Bewahrpädagogik……………………………………………….
11
2.3.
1960er Jahre - das ZDF als Kontrastprogramm…………………………………………………..
14
2.4.
1970er Jahre - Erfolg der Vorschulserien………………………………………………………….
16
2.5.
1980er Jahre - Konkurrenz der Privatsender……………………………………………………...
19
3.
Kinderfernsehen heute……………………………………………………………………………..
23
3.1.
Aktuelle Entwicklung und Marktförmigkeit…………………………………………………………
23
3.2.
Einschaltquoten……………………………………………………………………………………….
30
3.3.
Organisation der Fernsehsender……………………………………………………………………
33
3.4.
Gesetzliche Rahmenbedingungen………………………………………………………………….
35
3.4.1.
Jugendschutz……………………………………………………………………………….
37
3.4.2.
Finanzierung………………………………………………………………………………..
42
3.4.3.
Werbung…………………………………………………………………………………….
42
4.
Kinder als Fernsehrezipienten…………………………………………………………………….
44
4.1.
Fernsehnutzung von Kindern………………………………………………………………………..
44
4.1.1.
Sehdauer……………………………………………………………………………………
46
4.1.2.
Genrepräferenzen………………………………………………………………………….
51
4.1.3.
Sendungs- und Senderpräferenzen……………………………………………………...
52
Kindliche Wahrnehmung und Verarbeitung……………………………………………………….
58
4.2.1.
Kindliche Entwicklungsprozesse…………………………………………………………
59
4.2.2.
Motive des Fernsehkonsums……………………………………………………………..
66
4.2.3.
Rezeptionsverhalten……………………………………………………………………….
69
Strittige Themen im Kinderprogramm……………………………………………………………...
76
4.3.1.
Merchandising als neue Werbeform……………………………………………………..
76
4.3.2.
Zeichentrickserien………………………………………………………………………….
82
5.
Fernsehen und Erziehung………………………………………………………………………….
87
5.1.
Qualität im Kinderfernsehen…………………………………………………………………………
87
5.1.1.
Qualitätskriterien für das Kinderfernsehen………………………………………………
88
5.1.2.
Kindgerechte Fernsehdramaturgie……………………………………………………….
97
5.1.3.
Informationsprogramme…………………………………………………………………...
99
Fernsehpädagogische Überlegungen……………………………………………………………...
100
5.2.1.
Sozialisationsfunktion des Mediums Fernsehen………………………………………..
101
5.2.2.
Familien und Fernsehen…………………………………………………………………...
106
5.2.3.
Medienerziehung…………………………………………………………………………...
109
5.2.4.
Fernsehfreie Erziehung……………………………………………………………………
113
4.2.
4.3.
5.2.
Inhaltsverzeichnis
V
6.
Die Vorschulserie Sesamstrasse………………………………………………………………….
117
6.1.
Geschichtlicher Hintergrund………………………………………………………………………….
117
6.1.1.
Die amerikanischen Wurzeln………………………………………………………………
117
6.1.2.
Sesame Street für Deutschland…………………………………………………………..
121
Struktur und Konzept der Sesamstrasse heute…………………………………………………..
123
6.2.1.
Philosophie der Sendung………………………………………………………………….
126
6.2.2.
Protagonisten……………………………………………………………………………….
128
6.2.3.
Rahmengeschichten……………………………………………………………………….
135
6.2.4.
Comedy als Konzeptmittel………………………………………………………………...
138
6.2.5.
Die Marke Sesamstrasse………………………………………………………………….
139
6.3.
Wirkungsforschung zur Sendung…………………………………………………………………...
143
6.4.
Qualitätsmerkmale……………………………………………………………………………………
148
6.4.1.
Charaktere…………………………………………………………………………………..
149
6.4.2.
Geschichten………………………………………………………………………………...
150
6.4.3.
Dramaturgie…………………………………………………………………………………
153
6.4.4.
Pädagogische Schwerpunkte……………………………………………………………..
155
6.5.
Weiterentwicklung und Perspektiven……………………………………………………………….
157
7.
Zusammenfassung und Ausblick………………………………………………………………...
160
8.
Literatur………………………………………………………………………………………………..
163
Literatur aus dem Internet……………………………………………………………………………
181
Glossar der Autoren……………………………………………………………………………………………….
184
Abkürzungsverzeichnis……………………………………………………………………………………………
187
Interview mit Frau Schmidt-Bratzel………………………………………………………………………………
190
Lebenslauf der Verfasserin……………………………………………………………………………………….
196
Eidesstattliche Erklärung…………………………………………………………………………………………
197
6.2.
Anhang
1. Einleitung und Aufgabenstellung
Seite 6
1. Einleitung und Aufgabenstellung
Seit mehr als fünf Jahrzehnten gibt es in Deutschland Kinderfernsehen. In dieser Zeit haben sich
die Fernsehlandschaft und das damit angebotene Kinderprogramm erheblich verändert. Mit dem
Aufkommen der privaten Fernsehanbieter in den 1980er Jahren wird die Konkurrenz unter den
einzelnen Sendern immer stärker. Auswirkungen auf das Kinderfernsehen sind – wie im
Folgenden ausgeführt – zu erkennen. Die Zielgruppe Kinder wird von Fernsehverantwortlichen
und der werbetreibenden Wirtschaft mit zunehmendem Interesse beobachtet. Da sich die
1
Kaufkraft dieser Zielgruppe enorm erhöht , gelten Kinder schon als ernstzunehmende Konsumenten und sollen durch ein ansprechendes Kinderprogramm frühzeitig an den Sender gebunden
werden (vgl. Köser 1998, S. 583; Kruse 1994, S. 454f.). Heute besitzen 99% der Haushalte in
Deutschland mindestens einen Fernsehapparat (vgl. Bundesforum Familie 2002, S. 21). Die Hälfte
von ihnen verfügt über einen Kabelanschluss oder eine Satellitenempfangsanlage (vgl. Helbig
2001, S. 44ff.). Mindestens 29% der Kinder besitzen einen eigenen Fernseher (vgl. mpfs 2000, S.
56) und können selbstständig über ihr Programm bestimmen. Kinderfernsehen befindet sich heute
im Zwiespalt zwischen verschiedenen Qualitätsansprüchen und ökonomischen sowie markt2
politischen Anforderungen. Viele Autoren haben sich des Themas Kinderfernsehen mit seinen
zahlreichen Facetten angenommen. Im öffentlichen Diskurs steht vor allem das Thema Gewalt im
Fernsehen mit seiner Auswirkung auf Kinder (vgl. z.B. Glogauer 1993, Theunert 1995, Aufenanger
3
1995c, Nolting 1999). Durch das Erfurter Attentat im April 2002 wird die Diskussion erneut
verstärkt und gilt als Auslöser für eine umgehende Erneuerung des Jugendschutzgesetzes. Doch
nicht nur die gezeigte Gewalt im Kinderfernsehen ist ausschlaggebend für eine Qualitäts4
diskussion. Eventuelle Diskrepanzen zwischen den Ansprüchen der Kinder, Eltern
sowie
Pädagogen an das Kinderfernsehen und den Interessen der Fernsehverantwortlichen sind zu
beachten.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema Kinderfernsehen in Deutschland zwischen
Qualitätsansprüchen und Ökonomie. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die
deutschsprachige Literatur ab 1990. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die ökonomischen Ziele
und der Quotendruck für die Fernsehverantwortlichen so vorrangig sind, dass diese die Qualität
des Kinderfernsehens nachhaltig beeinflussen. Hierbei soll auf mögliche Unterschiede zwischen
den öffentlich-rechtlichen Sendern und den privaten Fernsehanbietern eingegangen werden.
Qualität wird definiert über die Bedürfnisse der Kinder, ihr Rezeptionsverhalten sowie über die
Ansprüche der Eltern und Pädagogen.
Im Folgenden wird in Kapitel 1.1. die Methode der Arbeit erläutert und in Kapitel 1.2. eine
Begriffsbestimmung des Kinderfernsehens durchgeführt.
1
vgl. Kapitel 3.2.
Im Text wird vereinfachend nur die männliche Form verwendet.
3
vgl. http://www.welt.de/daten/2002/04/30/0430mm329415.htx (20.09.02)
4
bzw. relevante Bezugspersonen der Kinder. Der Begriff Eltern impliziert im Folgenden auch alternativ andere relevante
Bezugspersonen (z.B. Großeltern, Pflegeeltern).
2
1. Einleitung und Aufgabenstellung
Seite 7
Einen Überblick zur Geschichte des Kinderfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland bietet
das zweite Kapitel. Dieser historische Abriss dient in erster Linie dazu, aufzuzeigen, mit welcher
Haltung die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bisher Fernsehen für Kinder produziert haben
und wie sich der Kinderfernsehmarkt durch die Konkurrenz der privaten Anbieter verändert hat.
Ein Einblick in die Entwicklungen und Zusammenhänge ist von Relevanz, um die heutige Situation
ganzheitlich zu erfassen, Parallelen aufzuzeigen und die Auswirkungen des Quotendrucks der
Fernsehverantwortlichen nachvollziehbar zu machen.
Daraufhin wird im dritten Kapitel die Situation des heutigen Kinderfernsehens beleuchtet. Es
umfasst einen Überblick zum Kinderfernsehmarkt in den letzten zwölf Jahren sowie aktuelle
gesetzliche Rahmenbedingungen, Organisation und Finanzierung der verschiedenen Sendeanstalten. Zudem wird die Bedeutung der Einschaltquoten dargelegt.
Die Kinder selbst treten im vierten Kapitel als Rezipienten ins Blickfeld. Ihre Fernsehnutzung und gewohnheiten sowie Entwicklungsprozesse und Motive der Rezeption werden näher betrachtet.
Die kindliche Wahrnehmung und Verarbeitung spielt eine entscheidende Rolle im Hinblick auf den
Anspruch der jungen Zuschauer an das für sie eigens entworfene Programm. Die im öffentlichen
Diskurs strittigen Kinderprogrammthemen werden am Beispiel des Merchandisings und anhand
von Zeichentrickserien dargestellt. Sie können zur Abgrenzung von Qualitätskriterien für das
Kinderfernsehen beitragen.
Die Erziehung wird im fünften Kapitel unter dem Aspekt der Nutzung des Mediums Fernsehen
betrachtet. Ein Ansatz zur Definition des Qualitätsfernsehens für Kinder wird dargestellt.
Fernsehpädagogische Überlegungen verknüpfen das Fernsehen mit der gesellschaftlichen
Funktion des Mediums und dem Erziehungsaspekt in der Familie. Hierbei werden verschiedene
Medienerziehungskonzepte vorgestellt.
Abschließend wird die Vorschulserie Sesamstrasse im sechsten Kapitel näher betrachtet. Sie soll
als Beispiel für eine Kindersendung dienen, die die scheinbare Widersprüchlichkeit zwischen
Qualitätsansprüchen und ökonomischem Handeln seit fast 30 Jahren erfolgreich verbindet.
Eine Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit beinhaltet das siebte Kapitel. Es soll einen
Ausblick auf die weitere Entwicklung des Kinderfernsehens in Deutschland geben und eine
Empfehlung zur Erziehung im Zusammenhang mit dem Fernsehen.
Im achten Kapitel wird der Literaturnachweis aufgeführt und der Anhang beinhaltet sowohl ein
Glossar der Autoren, ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein Interview mit der verantwortlichen
Redakteurin der Sesamstrasse, Frau Schmidt-Bratzel.
1.1.
Methode
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um einen Literaturbericht. Die dabei angewandte
Methode kann als hermeneutisch bezeichnet werden. Allgemeine Hermeneutik ist der Versuch,
die erkenntnistheoretischen Bedingungen des Verstehens zu analysieren. Ziel ist es, „ein
objektives, nachprüfbares und logisch stringentes […] Bild vom Sinnzusammenhang“ (Retter
1997, S. 44) des bearbeiteten Textes zu vermitteln. Das Interpretieren bedeutet nach Retter
zudem
die
Einordnung
des
zu
interpretierenden
Textes
in
einen
geistig-kulturellen
Gesamtzusammenhang (vgl. ebenda). Niemand geht aber `voraussetzungslos` an das Verstehen
1. Einleitung und Aufgabenstellung
Seite 8
eines Textes heran, jeder bringt ein Verständnis mit ein. Das kann durch sein Wissen, seine
Biographie oder eine fest bestehende Meinung geprägt sein.
„Indem wir von diesem Vorverständnis her einen Text [...] nachvollziehen, erweitert sich
unsere (Er-) Kenntnis, mit dieser gehen wir an einen anderen Text heran (oder an
denselben), wir bewegen uns im Grunde in einer Art Kreis oder Spirale“ (Gudjons 1995, S.
59).
Die Tatsache des bereits durch eigene subjektive Erfahrung präsenten Wissens um das, was
Objekt vertieften Verstehens sein soll, bezeichnet man daher als `hermeneutischen Zirkel`. Das
Subjekt und sein kultureller Kontext sind also schon notwendige Bedingungen sowohl für die
Gestaltung eines Sinnträgers als auch für seine Auslegung. Hermeneutisches Verstehen ist
demzufolge nie abgeschlossen, denn das Verstehen als Ziel hermeneutischer Bemühungen hat
hierbei nicht Produkt-, sondern Prozesscharakter (vgl. Gudjons 1995, S. 60).
Die
Informationen
basieren
hauptsächlich
auf
deutschsprachiger
Fachliteratur
aus
der
Medienpädagogik ab 1990. Sie wurde aus der Universitätsbibliothek der Technischen Universität
Braunschweigs bezogen, sowie der Datenbank ERIC, die einen umfassenden Überblick über
pädagogische Literatur gibt. Da es sich bei der vorliegenden Fragestellung um ein aktuelles
Thema handelt, wurde überdies viel im Internet recherchiert. Der Einsatz von Suchmaschinen u.a.
5
entsprechender online-Buchhändler oder Verlage im Internet erwies sich als besonders hilfreich.
In der Arbeit werden Umfragen von Fachinstitutionen wie etwa der GfK und Forschungen der
Kinder und Medien-Studien (KIM) des mpfs genutzt. Überdies sind Fachzeitschriften wie z.B.
6
Tendenz , TelevIZIon
7
8
oder merz
hinzugezogen worden. Für das sechste Kapitel „Die
Vorschulserie Sesamstrasse“ kann ferner ein persönliches Interview mit der verantwortlichen
Redakteurin der Sesamstrasse, Frau Schmidt-Bratzel, dienen. Es wird dem Anhang dieser Arbeit
beigefügt. Zudem liegt das neue Konzept der Sesamstrasse für das Jahr 2003 vor, das von der
NDR-Redaktion und dem Produzententeam des Studio Hamburgs zur Verfügung gestellt wird.
Aufgrund
von
qualitativen
Untersuchungen
des
Programms
und
unter
entwicklungs-
psychologischer Sicht wurde dieses Konzept gemeinsam von Anke Schmidt-Bratzel, Bettina
Bergwelt und Angelika Bartram entwickelt. Dabei übernahm Dr. Jan-Uwe Rogge die pädagogische
Beratung. Da es (noch) keine Einheitlichkeit im Zitieren und Angeben von online–Recherchen gibt,
wird in der vorliegenden Arbeit die Methode von Stefan Engel angewandt (vgl. Engel 2000, S. 66
u. S. 189). In denen als `Kommentar` gekennzeichneten Passagen der Arbeit wird die persönliche,
kritische Meinung der Verfasserin zu dem jeweiligen Thema dargestellt.
1.2.
Kinderfernsehen: Eine Begriffsbestimmung
„Kinderfernsehen ist, wenn Kinder fernsehen“, sagte Gert K. Müntefering Anfang der 70er Jahre
9
(Schwanebeck 2000, S.11). Dieser vielzitierte Satz macht das Dilemma des Kinderfernsehens
sichtbar: Einerseits gibt es eigens für Kinder konzipierte Sendungen und andererseits werden von
5
z.B. Amazon oder Kopäd-Verlag
Zeitschrift der BLM
7
Zeitschrift des IZI
8
Zeitschrift des JFF
9
vgl. ebenda; Esser 1994, S. 363; Grewenig 1994, S. 55 u.a.
6
1. Einleitung und Aufgabenstellung
Seite 9
den Kindern aber zweifelsohne so genannte Erwachsenensendungen konsumiert. Dieses
„heimliche Kinderprogramm“ (vgl. Paus-Haase 1997; Kruse/Tarnow 1998, S. 461) beinhaltet vor
allem Spielfilme, Unterhaltungssendungen, Familienserien, Gameshows, Sportsendungen, sowie
Musikvideos und –sendungen. Zunehmend wird dementsprechend in Kinderprogrammen diesen
bevorzugten Sendearten Rechnung getragen (vgl. Hammerstein 2001).
Der Begriff `Kinder` umfasst im Kontext dieser Ausführungen sämtliche Personen in der
10
Bundesrepublik zwischen drei und dreizehn Jahren . Bernhard Schäfers setzt `Kinder` mit dieser
Altersspanne gleich, die Jugendphase fängt mit dreizehn Jahren an (Schäfers 1998, S. 22f.).
Daher wird die Gruppe der Drei- bis Dreizehnjährigen bei der Messung des Fernsehverhaltens
durch die GfK dem Synonym Kinder zugeteilt. Zunehmend sind bereits Jüngere schon
Fernsehkonsumenten (vgl. Kupczik 2001), jedoch wird diese Gruppe der sogenannten Fernsehanfänger (noch) nicht bei empirischen Untersuchungen zum Fernsehverhalten berücksichtigt.
“Die einschaltquotenstärksten Sendungen werden meist nicht von den Kinderredaktionen
verantwortet. Um es böse zu sagen: Kinderfernsehen ist, wenn Kinder fernsehen, aber
wenn Kinder fernsehen, dann läuft kein Kinderfernsehen, sondern [Erwachsenenprogramm]” (Grewenig 1994, S. 55).
Es wäre wissenswert, was für die jungen Zuschauer die Faszination des Erwachsenenprogramms
ausmacht. Aus methodischen Gründen wird jedoch in der vorliegenden Arbeit auf diese
Fragestellung verzichtet. Im Folgenden wird das Kinderfernsehen als solches betrachtet, das sich
mit seinem Angebot speziell an Kinder richtet und ausdrücklich für diese Zielgruppe produziert ist.
Der Tatbestand als solcher, dass Kinder häufig Sendungen sehen, die nicht ausdrücklich für sie
angeboten werden, sollte bei den Überlegungen dieses Themas aber stets mitbedacht werden.
10
Soziodemographische Gruppen (vgl. http://db.ard.de/abc/main.index_ abc (11.06.01))
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 10
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Die Darstellung der Geschichte des Kinderfernsehens ist für die vorliegende Arbeit aus folgenden
Gründen relevant: Die heutige Entwicklung des Kinderfernsehens in den öffentlich-rechtlichen und
den privaten Sendern hängt eng mit seiner Geschichte zusammen. Die deutsche Kinderfernsehgeschichte ist in erster Linie – jedenfalls bis Mitte der 1980er Jahre – die Entwicklung des
Kinderprogramms von ARD und ZDF. Durch die Einführung des dualen Rundfunksystems wird
diese Situation grundlegend geändert. Der Wettbewerb mit den kommerziellen Anbietern um die
Gunst der kindlichen Rezipienten beeinflusst nicht nur die Quantität des Kinderfernsehens in
Deutschland, sondern löst zudem Diskussionen um deren Qualität aus (vgl. z.B. Aufenanger 1996,
S. 34ff.; Schwanebeck 2000, S. 21ff., 63ff.). Die Konkurrenzentwicklung der Sender beginnt schon
mit dem Sendestart des ZDF und ist somit kein neumodernes Problem.
Im Folgenden wird die Geschichte des Kinderfernsehens exemplarisch für die Bundesrepublik
Deutschland aufgearbeitet. Ein Bericht über das Kinderfernsehen in der DDR bis zur
Wiedervereinigung 1990 wird ausgelassen, da das damals von sozialistischen Erziehungszielen
geprägte Kinderfernsehen keinen wesentlichen Einfluss auf die Fragestellung der vorliegenden
Arbeit hat. Die Frage nach Diskrepanzen zwischen Anspruch und Quote lag in der DDR nicht vor,
denn der Bestandteil des Einheitlichen sozialistischen Bildungssystems waren drei Erziehungs11
träger: Schule, Elternhaus und Pionierorganisation . Es wurde „sogar inoffiziell vom vierten
Erziehungsträger, dem Kinderfernsehen gesprochen“ (Kohlsdorf 1995, S. 125). Es konnte kein
Plan der Kinderfernsehmacher realisiert werden, ohne die Zustimmung von Margot Honecker, der
Ministerin für Volksbildung. Ihr klares Ziel ist „die Erziehung zur kommunistischen Moral“ (zit. in:
ebenda). Einschaltquoten als Maß für den wirtschaftlichen Erfolg einer Sendung waren
demzufolge überflüssig. Der folgende historische Überblick dient dazu, aufzuzeigen, wie bisher
Kinderfernsehen gestaltet wurde und wie sich der Kinderfernsehmarkt vor allem durch die
Konkurrenz der privaten Anbieter in den zwölf Jahren geändert hat. Zudem sollen gewisse
mediale und gesellschaftliche Entwicklungsetappen dargestellt werden, die das Kinderfernsehen
grundlegend beeinflusst haben.
2.1.
Die Anfänge im Dritten Reich
Die Geburtstunde des Fernsehens in Deutschland liegt mitten im Nationalsozialismus, als
vollelektronische Fernsehbilder erste Übertragungen möglich machen. Da das Medium Fernsehen
in Deutschland zu dieser Zeit nur weniger als 1.000 Teilnehmer findet, kann es noch nicht als
öffentliches Massenmedium bezeichnen werden (vgl. Saldecki 1998, S. 19). Ab Ende 1939
12
werden Kindersendungen im Berliner Fernsehsender „Paul Nipkow “ sonntags von 15.00 bis
16.00 Uhr ausgestrahlt. Das Hauptprogramm für Erwachsene wird während des Krieges täglich
von 18.00 bis 20.00 Uhr gesendet. Die damaligen Kindersendungen befassen sich mit Themen,
die schon aus dem Rundfunk für Kinder bekannt sind: Kindergymnastik, Märchen (Schatten-,
11
12
Kinderorganisation der Freien Deutschen Jugend (FDJ)
Benannt nach dem deutschen Erfinder Paul Gottlieb Nipkow.
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 11
13
Puppen- und Fernsehspiele ) sowie Handarbeitstätigkeiten. Die Nationalsozialistische RundfunkKorrespondenz schreibt im November 1939 über die Kindergymnastiksendung mit Detlef
Neumann-Neurode:
„Er tritt regelmäßig mit einer Schar kleinster Jungen und Mädchen vor die Bildfänger und
zeigt den Müttern, von welcher Wichtigkeit eine sachgemäße Kindergymnastik ist. Er führt
das den Zuschauern so anschaulich vor, dass sie zu Hause ohne weiteres diese Übungen
mit ihren Kindern nachmachen können“ (Hickethier 1991b, S. 94).
Da diese Sendungen jedoch nur in ca. 30 so genannten öffentlichen „Fernsehstuben“ in Berlin und
Hamburg angeschaut werden können (vgl. Karstens 1999, S. 16), ist der Wunsch des massenhaften Animierens eher verfehlt worden. Im Juni 1940 wird die Sendung eingestellt. Ab Februar
1940 beginnt ein neues Sendeformat auf dem Berliner Sender mit dem Name „Husch, husch –
aus dem Busch! Schaut und hört, was unsre Knaben diesmal Euch zu melden haben“ (Hickethier
1991b, S. 95). Im Blickfeld dieser fünfminütigen Sendungen stehen Kinder, die etwas vorführen
oder mit denen die Fernsehtante „Käthe“ etwas unternimmt. Dies sind u.a. Bastelnachmittage,
Singen oder spielende Kinder im Blickfeld der Kamera. Knut Hickethier ist der Meinung, dass die
Sendung „den Eindruck einer Gemeinschaft zwischen den Kindern auf dem Bildschirm und den
Kindern
davor
durch
allerlei
Mitmachaktionen
[...]
wecken“
(ebenda)
möchte.
Das
nationalsozialistische Propagandaprogramm geht an der Zielgruppe Kinder nicht vorbei. So
werden z.B. im Nachmittagsprogramm für Kinder Propagandafilme aus Hermann Görings
Luftfahrtministerium gezeigt, welche sich mit den Themen Segelfliegen, dem „Feldzug in Polen“
oder den „imperialistischen“ Engländern – meist in Spielfilmfassung – beschäftigen. Hickethier
beschreibt ein Sonntagnachmittagsprogramm wie folgt:
„Von der eher lustigen Geschichte, wie ein jugendlicher Til Eulenspiegel einen
Schabernack macht, geht die Reihe immer stärker zu den `erwachseneren` Themen und
endet schließlich bei einem Propagandafilm […]. Über das Segelfliegen, eine dem
Anschein nach ganz und gar unmilitärische Form des Fliegens, hatte der
Nationalsozialismus schon vor dem Krieg viele Jungen für das Fliegen gewonnen – und
damit zugleich für die SS, bei der sie das Segelfliegen kostenlos betreiben konnten“
(Hickethier 1991b, S. 95f.).
In den Jahren 1943 und 1944 wird das gesamte NS-Fernsehen auf das so genannte
„Lazarettfernsehen“ zur Betreuung verwundeter Soldaten umgestellt (vgl. ebenda, S. 99). Von
1944 bis 1950 findet eine fernsehfreie Zeit in Deutschland statt, welche durch die politischen
Umstände während und nach dem Krieg bedingt ist.
2.2.
1950er Jahre – geprägt von der Bewahrpädagogik
Ab April 1951 beginnt die ehemalige Rundfunk- und Fernsehgestalterin Ilse Obrig mit dem Aufbau
der Fernsehsendungen für Kinder beim NWDR. „Vom 25.04.1951 lassen sich jedenfalls bereits in
den Programmausdrucken von ihr geleitete Kinderfernsehsendungen für Hamburg und ab dem
23.03.1952 für Berlin nachweisen“ (Hickethier 1991b, S. 99). Die promovierte Psychologin ist
nach Karstens nicht die einzige Fernsehverantwortliche mit nationalsozialistischer Vergangenheit.
Namen wie Gerhard Eckert oder Werner Höfer werden von Karstens erwähnt (vgl. Karstens 1999,
13
Live-Ausstrahlung einer theatermäßigen Inszenierung im TV-Studio. Heute: Spielfilm, der direkt für eine Ausstrahlung im
Fernsehen hergestellt worden ist (auch: TV Movie o. Fernsehfilm).
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 12
S. 16). Doch sind deren Erfahrungen mit dem neuen Medium Fernsehen zu diesem Zeitpunkt von
großer Bedeutung für den Neubeginn und die weitere Entwicklung des Fernsehens (Hickethier
1991b, S. 100). Die erste Kindersendung im Hamburger Programm wird damals von der Zeitschrift
`Fernseh-Informationen` in der 2. April-Ausgabe 1951 ausführlich beschrieben:
„[...] Fünf Minuten vor 4 Uhr erschien auf dem Bildschirm eine geschnitzte Kuckucksuhr –
ein reizender `Pausenzeichen`-Einfall, der die kleinen Zuschauer an den Empfänger mit
dem vollen Stundenschlag in höchste Spannung versetzte: Würde wirklich mit dem vollen
Stundenschlag der Kuckuck erscheinen? Dann öffnete sich der Blick ins Studio, wo über
30 Kinder versammelt waren, ein kleines Mädchen begrüßt die Zuschauer, das `Lied vom
Fernseh-Kinderfunk` wurde zum ersten Mal gesungen, und schließlich stellte Frau Dr.
Obrig den `Spielmann` am Flügel und die Mitwirkenden vor. Gemeinsam packten sie ein
Paket aus, das ein von einer Rundfunkzeitschrift gestiftetes Stofftier enthielt (es handelte
14
sich hier um das Maskottchen der `Hör Zu`, das deren Chefredakteur, Eduard Rhein [...]
werbewirksam gespendet hatte [...]), das sofort seinen Ehrenplatz auf dem Flügel bekam.
Und dann entwickelt sich aus ungezwungenem Gespräch das Programm dieses
Nachmittags: wir wollen zaubern! Die Kinder waren eifrig dabei, ihre Kunststücke
vorzubereiten, durchstöberten eine Bastelkiste nach dem notwendigen Material, und
während die Kamera immer wieder die kleinen, völlig mit sich beschäftigten Gruppen
aufsuchte, sangen die anderen Kinder ein Lied, spielte der `Spielmann` fröhliche
Melodien, fanden sich kleine Künstler, die mit Akkordeon und Klavier umzugehen wussten.
[...]
Als die Vorbereitungen abgeschlossen waren, führten die Fernsehkinder ihre
Zauberstücke vor, und als sie dann zum Abschied noch einmal ihr Lied sangen und den
kleinen Zuschauern am Empfänger einen Abschiedsgruß zuwinkten, war eine volle Stunde
im Fluge vergangen.“ (Hickethier 1991b, S. 101).
Diese Fernsehkinderstunde mit Dr. Ilse Obrig (vgl. Abb. 1) wird wöchentlich einmal ausgestrahlt.
Abbildung 1
Ilse Obrig mit Kindern in der Fernsehkinderstunde15
Die Kinderstunde aus dem Studio ist laut Schürmann-Mock als führender Typus der fünfziger
Jahre und Ilse Obrig als seine Vertreterin zu bezeichnen. Der Psychologin wird Geschick bei der
spielerischen Belehrung und eine besondere Gabe im Umgang mit Kinder attestiert: „[...] geballte
Aufmerksamkeit, wenn sie vorlas oder Geschichten erzählte. Brave Antworten, wenn sie
Zwischenfragen stellte“ (Schürmann-Mock 1999, S. 123). Daneben gibt es im Abendprogramm
Sendungen, die sich durch ihre Form und ihren Inhalt „durchaus an Kinder wandten“ (Hickethier
14
Der Igel Mecki ist das erste deutsche Merchandising-Produkt. Es wird zum populären Aushängeschild der
Fernsehzeitschrift Hörzu. Verschiedene Mecki-Produkte werden hergestellt wie ein Film, Postkarten, Bildergeschichten,
Stoffpuppen von der Firma Steiff, eine Kinderbuchreihe, Stellschilder, Zahlteller und andere Werbematerialien (vgl. Kübler
1994, S. 345f.).
15
vgl. Erlinger 1994, S. 381.
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 13
1991b, S. 103). Dies betrifft vor allem Puppentheatersendungen und Schattenspielfilme, die
teilweise schon in der NS-Zeit zu sehen waren. Ab 1953 werden zudem Zeichentrickfilme wie Kalif
Storch und Spielfilme wie Das doppelte Lottchen ausgestrahlt. Bis Ende 1953 erweitert sich das
Kinderfernsehangebot auf fünf verschiedene Sendungen pro Woche, eine Differenzierung des
Angebots findet jedoch nicht statt. Das Nachmittagsprogramm, in dem bisher u.a. Sendungen für
Kinder platziert sind, fällt nicht unter den 1953 geschlossenen ARD-Fernsehvertrag und wird somit
von den Fernsehanstalten als eine freiwillige Leistung betrachtet. Dies bedeutet, dass sich das
Nachmittagsprogramm „mit geringen finanziellen und organisatorischen Mitteln zufrieden geben
musste” (Löhr 1991, S. 47). Es wird an dem Konzept „aus Mitmachspielen, Kasperletheater,
Schattenspiel, Basteln und Singen“ (Hickethier 1991b, S. 104) festgehalten. Ende der 50er Jahre
unterteilt das Nachmittagsprogramm seine Beiträge für das Kinderfernsehen in zwei Kategorien:
„[...] für Kinder von vier Jahren an und für Kinder ab acht Jahren [...]“ (Mundzeck 1991, S. 28). Zu
den schon bekannten Sendeformaten kommen amerikanische Serien wie Fury, Union Pacific oder
Texas Ranger hinzu. Dies sind Abenteuer- und Wildwestformate, die hauptsächlich sonntags
gezeigt werden. Die wenigen Zeichentrickfilme werden von den Kindern gut angenommen, jedoch
verzichtet die ARD auf den Einkauf der in den USA erfolgreichen Walt Disney Produktionen. Der
deutsche Erziehungswissenschaftler Horst Wetterling lobt dies mit der Begründung, dass diese
Cartoons lediglich ein „Geschäftsprodukt einer Fabrik von Plattheit und Mache“ (Kübler 1994b, S.
358) seien. Heike Mundzeck beschreibt diese Situation so, dass es „unter den professionellen
Kulturkritikern schon bald Proteste gegen die Verwüstung des Menschen, die Reizüberflutung und
Suchtgefährdung [gab] und daran anschließend die beschwörende Forderung: Kinder unter acht
Jahren sollten aus psychologischen und pädagogischen Erwägungen grundsätzlich nicht
fernsehen“ (Mundzeck 1991, S. 28).
Dieter Saldecki erklärt, dass Realität und Fiktion schon
damals ein Problem aufwerfen, denn „Martin Keilhacker versuchte zu belegen, dass kleinere
Kinder Filminhalte nur in Einzelbildern erfassen könnten, Filmsequenzen oder längere Handlungen
würden sie überfordern [...]“ (in: Erlinger 1998, S. 19). Paul Löhr zählt die damaligen Forderungen
der Fachgutachter im Einzelnen auf:
•
„weitere Ausdehnung und langfristige Planung des Kinderprogramms,
•
kindgemäße Auflockerung des Programms und dessen Orientierung an den Alltagserfahrungen der Kinder,
•
betonte Hinwendung des Programms zu den 6- bis 10jährigen,
•
Balance zwischen informativen und fiktiv-unterhaltenden Programmteilen,
•
Entspannte und gelassene Präsentation und Moderation des Kinderprogramms,
•
Ausstattung der verantwortlichen Redaktionen mit ausreichend finanziellen und
organisatorischen Mitteln“ (Löhr 1991, S. 48).
Die Werbung wird Thema der Diskussionen, denn die Kinder fasziniert besonders „das Werbeund Werberahmenprogramm sowie ein großer Teil der Erwachsenen-Unterhaltung“ (Löhr 1991, S.
48). Da die Eltern zu der damaligen Zeit selbst erst wenig Fernseherfahrungen haben, stellt es für
sie eine besondere Schwierigkeit dar, mit der Fernsehfaszination ihrer Kinder zurechtzukommen.
Laut Löhr (vgl. ebenda, S. 48) gibt es drei typische Formen des Elternverhaltens:
•
Das generelle Fernsehverbot für ihre Kinder
•
Die Nutzung des Fernsehens als eine `Art` des Babysittings
2. Geschichte des Kinderfernsehens
•
Seite 14
Die Rechtfertigung des Fernsehens als erzieherische Instanz
Hierbei war das Fernsehverbot nicht so weit verbreitet wie die zwei letztgenannten Formen des
elterlichen Verhaltens gegenüber dem Medium Fernsehen.
„Irritiert waren Sozialpädagogen und Lehrer aus zweierlei Gründen: Einerseits mussten sie
sich gegen einen konkurrierenden und gleichzeitig unkontrollierbaren `Neben- und
Miterzieher` durchsetzen. Andererseits sahen sie […] die Gefahr, dass die Kinder durch
den Fernsehkonsum und dessen Nachwirkungen daran gehindert werden, sich
aufmerksam, konzentriert sowie lern- und spielbereit auf die Anforderungen der
Kindergarten- und Spielsituationen zu beziehen“ (Löhr 1991, S. 48).
Diese Phase einer nach Esser bezeichneten `bewahrpädagogischen Grundhaltung` Kindern
gegenüber hält sich noch bis in die 60er Jahre (vgl. Esser 1994a, S. 364). Kinder sollen in einem
„medienfreien Schonraum“ (Six 1999, S. 21) aufwachsen, um sie vor den Gefährdungen seitens
der Massenmedien zu schützen.
KOMMENTAR
Die Bezeichnungen `bewahrpädagogisch` oder `medienfreier Schonraum` finden sich in weiten
Teilen der Sekundärliteratur. Sie implizieren negative Assoziationen beim kritischen Umgang mit
dem Medium Fernsehen. Die ernstzunehmenden Ängste und Sorgen der Eltern bzw. Pädagogen
werden nicht ausreichend dargestellt.
Der Durchbruch des Fernsehens in den Familien wird durch die Kritik an dem Medium nicht
aufgehalten, obwohl die Anschaffung eines Fernsehgerätes zudem teuer ist. Die erste Million der
Fernsehteilnehmer wird im Herbst 1957 erreicht, damit steigen die Einnahmen der Sender aus der
Fernsehgebühr von fünf Mark auf einen ertragreichen Standard (vgl. Karstens 1999, S. 19). In
diesem Jahr werden Video-Aufzeichnungen mit Hilfe der MAZ realisierbar. Dieses Verfahren zur
Speicherung von Fernsehsignalen macht es möglich, Sendungen in größerem Umfang
vorzuproduzieren, anstatt sie zeitgleich zur Ausstrahlung im Studio aufführen zu müssen. Dies
erleichtert die Planung und Koordination und wirkt sich auf das Gesamtprogramm aus, denn
Wiederholungen sind von nun an durchführbar (vgl. Karstens 1999, S. 18). 1958 besitzen zwei
Millionen Haushalte einen Fernseher, 1960 schon vier Millionen und drei Jahre später sind es acht
Millionen Haushalte (vgl. Mayer-Ebeling 1999, S. 21; Kübler 1994b, S. 352). „Industrie und Handel
erzielen Traumumsätze, es gibt täglich 5000 Käufer und endlose Lieferzeiten“ (Mayer-Ebeling
1999, S.21).
2.3.
1960er Jahre – das ZDF als Kontrastprogramm
Die ARD beschließt 1960, keine Sendungen mehr für Kinder unter sechs Jahren auszuarbeiten.
„Trotz bald aufkommender Zweifel […] hielt man sich fast zehn Jahre lang bei der ARD
und dem seit 1963 bundesweit auf Sendung gegangenen ZDF daran, kein Programm für
Vorschulkinder zu produzieren“ (Mundzeck 1991, S. 28).
Das ZDF wird als Konkurrenz- und Kontrastprogramm ab dem 1. April 1963 ins Leben gerufen und
ist wie die ARD eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts. Der ARD-Programmbeirat
plädiert von nun an für den intensiven Ausbau des Kinderprogramms sowie der finanziellen und
organisatorischen Mitteln. „Dass hinter diesem Plädoyer die Befürchtung stand, man könnte den
zu erwartenden Kinderfernseh-Aktivitäten des ZDF nicht Paroli bieten, liegt auf der Hand“ (Löhr
1991, S. 49). Das Kinderprogramm des ZDF wird ab 1966 jedoch nur sporadisch ausgestrahlt. Es
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 15
werden in beiden Sendern kostengünstige ausländische Produktionen erworben wie z.B. Flipper,
Die kleinen Strolche, Lassie, Die Kinder von Bullerbü, Tarzan. Deutsche Produktionen sind u.a.
Augsburger Puppenkiste (vgl. Abb. 2), Der Hase Cäsar, Die Höhlenkinder (vgl. Löhr 1991, S. 47ff.;
Saldecki in: Erlinger 1998, S. 20f.).
Abbildung 2
Augsburger Puppenkiste (HR)16
1969 bringt Gerd Albrecht, Dozent an der Berliner Hochschule für Film und Fernsehen, die
Diskussion um das Kleinkinderfernsehen wieder in den Vordergrund:
„Die Kinder tun, was sie nach wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen gar nicht tun
sollten. Sie sehen Sendungen, die sie nach diesen Erkenntnissen gar nicht begreifen und
verstehen können. Allerdings: Sie begreifen, verstehen und verarbeiten sie aber nun doch
– allen bisherigen Erkenntnissen der Wissenschaft zwar nicht zum Trotz, wohl aber zur
Widerlegung. […] Dies geschieht nur auf der Ebene ihrer beschränkten Erkenntnis- und
Verallgemeinerungsfähigkeit. Aber immerhin! Die Kinder wurden dem Fernsehen
ausgesetzt. Und – ob sie sollten oder nicht […] – sie lernten die Sprache dieses
Kommunikationsmittels. Sie mussten sie lernen, falls sie nicht scheitern wollten. […] Die
soziale Wirklichkeit hat also die Wissenschaft überholt“ (Albrecht zit. von Mundzeck 1991,
S. 28f.).
Er fordert demzufolge Fernsehsendungen, die in Sprache und Inhalt, Form und Zielsetzung der
kindlichen Verstehensstruktur angemessen seien. Müntefering ist davon überzeugt, dass „Kinder
ein Recht haben auf Unterhaltung und Information über den Bildschirm“ (ebenda, S. 29). Seine
WDR-Redaktion stellt 1967 10 Thesen zum Kinderprogramm auf, die u.a. besagen, dass „Unterhaltung keine, für besonderes Liebsein verabreichte, süße Sonderration, sondern essentieller
Bestandteil des Lebens der Kinder und damit eines Fernsehprogramms für Kinder sein müsste“
(Saldecki 1998, S. 21). Untersuchungsergebnisse aus den Bereichen der Soziologie und
Psychologie zeigen laut Saldecki Ende der 60er Jahre zudem, „dass die kindliche Entwicklung
nicht mit einer inneren Notwendigkeit abläuft, sondern sehr stark von äußeren Einflüssen
abhängig ist […]“ (ebenda, S. 21). Das Fernsehen wird von nun an zur Frühförderung von Kindern
neu entdeckt und genutzt. Andere Fernsehsender folgen dieser Intention und so sendet der
17
Bayrische Rundfunk 1969 die erste deutsche Vorschulserie Die Spielschule . Mundzeck ist der
Meinung, dass diese gut vorbereitet sowie pädagogisch-didaktisch konzipiert sei und sich als
Bildungshilfe im Vorschulbereich eignet (vgl. Mundzeck 1991, S. 29). Zudem gibt es Begleit-
16
17
vgl. http://db.ard.de/abc/main.index_abc (11.06.01)
später : Das feuerrote Spielmobil
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 16
materialien zur Sendung für Eltern und Kinder. So wird die Vorschulserie schnell zum Erfolg und
gilt heutzutage als Vorläufer dieser Kinderprogrammsparte.
2.4.
1970er Jahre – Erfolg der Vorschulserien
Kinderfernsehen gewinnt in den 70er Jahren zunehmend internationale Bedeutung. So bilden sich
Ausschüsse für Kinderprogrammbeurteilungen, wie z.B. der Prix Jeunesse in München, dem
18
internationalen Fernsehwettbewerb von Kinder- und Jugendsendungen . 1970 begeistert die
amerikanische Vorschulserie Sesame Street die Juroren und Kritiker beim Prix Jeunesse und
erreicht den ersten Preis. Ein Jahr später gewinnt sie zudem den Japan Prize in Tokio (vgl.
Saldecki 1998, S. 21). Nie zuvor hat ein Kinderprogramm international soviel Aufmerksamkeit
19
geerntet . Der NDR und WDR senden 1971 in ihren dritten Programmen fünf Folgen der Sesame
Street in Originalfassung. Kurz darauf bildet sich die ARD-Arbeitsgemeinschaft `Vorschulerziehung`, die den Auf- und Ausbau des Kleinkinderprogramms zum Ziel hat und ein Diskussionsforum für die Planung und Produktion bieten soll (Löhr 1991, S. 53). Ende Januar 1973 wird die
Vorschulserie zum ersten Mal unter dem Namen Sesamstrasse im Ersten und den dritten
Programmen von NDR, Radio Bremen, SFB, HR und WDR ausgestrahlt. Die ARDArbeitgemeinschaft `Vorschulerziehung` bemüht sich zudem um eigenständig produzierte
Vorschulprogramme, woraus sich u.a. die Lach- und Sachgeschichten / Sendung mit der Maus
und das feuerrote Spielmobil entwickeln. Diese Projekte sind als Serien konzipiert und werden in
Magazinform ausgestrahlt. Als pädagogische Ziele werden genannt: „Realitätsbewältigung,
Identitätsfindung, soziales Lernen, Anregung von Phantasie und Kreativität, Vermittlung von Spaß
und Abenteuer, Förderung von Selbständigkeit und Selbsttätigkeit.“ (Löhr 1991, S. 54). Saldecki
beschreibt die Entwicklung der Sendung mit der Maus:
„Wir dachten [...] an ein Magazin, das von Bildern und weniger von Worten leben sollte.
Ein ganz entscheidender Unterschied [...] war es, die alte Sprache des Dokumentarfilms
zu vermeiden.
[...]
Wir beschlossen die Lach- und Sachgeschichten zu planen, mit Bildern aus der Umwelt,
die der Kindergarten, die Schule, die Kinderbücher nicht liefern konnten“ (Saldecki 1998,
S. 23).
Diese Einspieler in dem dreißigminütigen Kindermagazin sollen seiner Meinung nach jedoch nicht
belehrend wirken, denn wenn z.B. „die Herstellung von Seife in der Maus gezeigt [wird], dann ging
es nicht darum, dass Kinder am nächsten Tag selber Seife herstellen konnten, sondern dass sie,
wenn sie abends die Seife (hoffentlich) in die Hand nahmen, ein anderes Gefühl dazu hatten, als
noch am Tag zuvor“ (ebenda, S. 23). Im WDR-Pressetext vom 7. März 1971 heißt es:
„Eine so genannte Lachmaus hat sich im WDR-Kinderprogramm breit gemacht. Friedrich
Streich hat sie gezeichnet, eine komische, amüsante Trick-Maus, die wie ein Chamäleon
ihren Charakter wechselt. Es handelt sich um eine emanzipierte Maus, sagt der Redakteur
Gert K. Müntefering dazu. [...] Sie wurde erdacht, um die kurzen Lach- und
Sachgeschichten zu verbinden, die an diesem 7. März erstmals im deutschen Fernsehen
gesendet werden“ (Saldecki 1998, S. 23).
Ab 1973 wird dieses Kindermagazin Sendung mit der Maus (s. Abb. 3) genannt und trägt nur noch
als Untertitel den Namen „Lach- und Sachgeschichten“. Das ZDF bemüht sich ebenfalls Anfang
18
19
vgl. http:/www.prixjeunesse.de (28.05.02)
siehe z.B. Erlinger 1998, S. 597-617
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 17
der 70er Jahre, ein eigenes Vorschulprogramm aufzubauen. Das Kleinkinderprogramm der Dreibis Sechsjährigen wird eingeteilt in die Abteilung `Bildung und Erziehung` (untergeordnet der
Abteilung `Kultur`) und das Kinderprogramm der Sieben- bis Dreizehnjährigen wird der Abteilung
`Kinder und Jugend` zugeteilt. Zudem wird ein Gremium `Jugend, Bildung und Erziehung` des
ZDF-Fernsehrates gebildet, um die Programmentwicklung zu fördern. Ab Herbst 1973 sendet das
ZDF als erstes Vorschulprogramm die eigens produzierte Rappelkiste.
Abbildung 3
Sendung mit der Maus: Elefant, Maus, Ente20
Hierbei legt der Mainzer Sender den Schwerpunkt „auf das `soziale Lernen` und die `emotionale
Verständigung` durch entsprechende Geschichten“ (Mundzeck 1991, S. 31). Josef Göhlen meint
hierzu:
„Kinderprogramme sind für mich Konkurrenzprogramme [...]. Es (das Kinderprogramm) ist
ein pädagogisches Journal, das folgende Stichworte berücksichtigen muss:
• Hilfe zur Emanzipation des Kindes [...],
• Hilfen zur Orientierung in dieser Gesellschaft und in der Welt [...],
• Hilfen zu seiner Entspannung, zu seiner Erholung, zum Aufbau neuer Kräfte: Spaß,
Spiel, Spannung, Anregung zur Phantasie, zur Kreativität [...]“ (Löhr 1991 zit. nach
Göhlen, S. 56).
Zudem wird ein kritisches Bewusstsein der Kinder gegenüber dem Medium Fernsehen, seinen
Verantwortlichen und seinen Verführungsabsichten gefordert, die im Zentrum eines soziologisch
orientierten Ansatzes stehen (vgl. Six 1999, S. 21). Die Aktivitäten der beiden Fernsehsender sind
laut Löhr „entscheidend vom Konkurrenzkampf zwischen ARD und ZDF geprägt“ (Löhr 1991, S.
52). Zum einen legt das ZDF werktags sein Kinderprogramm ebenfalls wie die ARD in die Zeit
zwischen 17.00 und 18.00 Uhr und zum anderen werden im ZDF zunehmend „kommerziell
gestylte Großserien offeriert“ (ebenda), die das Kinderpublikum an den Sender binden sollen. ARD
und ZDF bauen beide darauf, jedem Sendetag eine bestimmte Programmsparte (sog. Programmfarbe) zuzuweisen (s. Tab. 1). Damit wird das wöchentliche Kinderprogramm für das junge
Publikum transparenter. Die Programme kommen jedoch mit dieser Konzeption „ausgenommen
einige Zeichentrickserien wie Biene Maja und Heidi, in ihrer Reichweite nicht an das Interesse, das
dem Werberahmenprogramm galt, heran“ (Löhr 1991, S. 56). Werbung findet schon hier ein
großes Interesse bei den Kindern. Beim ZDF wird das Werberahmenprogramm zudem
wochentags von den Zeichentrickfiguren Mainzelmännchen präsentiert und schafft somit einen
zusätzlichen Anreiz für Kinder. Diese werden von der Wiesbadener `Neue Film-Produktion –
20
vgl. http://db.ard.de/abc/main.index_abc (11.06.01)
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 18
Animation Film GmbH` entwickelt und dienen bis heute als Markenzeichen des ZDF nicht nur als
Identifikation mit der Stadt Mainz, sondern sollen an die „gutmütigen und aufgeweckten
Heinzelmännchen“
Tabelle 1
21
erinnern.
Programmfarben für das Kinderprogramm bei ARD und ZDF in den 70er Jahren
Wochentag
Montag
Dienstag
ARD
ZDF
Unterhaltungsmagazine (z.B.
Das Montagsmagazin)
Problemserie, Puppen- u. Tiergeschichten
Serien
(z.B. Poly und der schwarze
Diamant)
Infosendungen
(z.B. Technik für
Kinder, Galerie für Kinder)
Spielfilme
Abenteuerserien
Informationsmagazine
(z.B. Was sagst Du dazu?)
Zeichentrickfilme
(z.B. Biene Maja, Heidi, Sindbad,
Wickie)
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
Serien und Spielfilme
Sonntag
Kindersendungen im
nachmittäglichen
Familienprogramm
Literaturserien
(z.B. Merlin, Timm Taler)
Die ARD-Anstalten bieten im Werberahmenprogramm gezielt kurze Einspielfilme, die Kinder
ansprechen (vgl. Löhr 1991, S. 56). Mitte der 70er Jahre werden erste Merchandisingprodukte der
beliebten Fernsehfiguren wie Biene Maja, Heidi, Mainzelmännchen oder Pumuckl erfolgreich
vermarktet. Die Fernsehsender nutzen hierbei eine neue Finanzierungsmöglichkeit neben den
Rundfunkgebühren und können somit zusätzlich die Steigerung des Bekanntheitsgrades einer
bestimmten Sendung oder Figur erzielen. Laut Albert Schäfer konsolidiert sich das Kinderprogramm des ZDF in den Jahren 1974 bis 1977 u.a. mit den Sendungen Wickie, Black Beauty,
Karlsson vom Dach, der umweltorientierten Abenteuerserie Aktion Grün, der Ratesendung 1, 2
oder 3 und der Kindersportsendung Pfiff (vgl. Schäfer 1998a, S. 33ff.). Gesellschaftlich wird der
Fernseher in den 70er Jahren in das Familienleben integriert. Im Wohnzimmer werden die Möbel
um das Fernsehgerät gruppiert, damit jeder einen guten Blick auf den Bildschirm genießen kann
(vgl. Aufenanger 1996, S.8). „Der Fernsehapparat ist zu einem Familienmitglied geworden“ (Hesse
1999, S. 25) und das gemeinschaftlich abendliche Fernsehen wird fast zu einem Ritual im
Familienleben.
21
http://www.zdf.de/treff/ mainzelmaennchen/17114/index.html (25.05.01)
2. Geschichte des Kinderfernsehens
2.5.
Seite 19
1980er Jahre – Konkurrenz der Privatsender
In den 80er Jahren legt das ZDF mehr Wert auf das nachmittägliche Familienprogramm. Göhlen
möchte mit der Abteilung `Kinder und Jugend` die „Qualität widerspiegeln, die laut Programmnutzungsdaten von der Familie insgesamt gewünscht werden: leichte und aktionsreiche Unterhaltung. Bezugspunkt der Programmgestaltung war also nicht die Herausbildung von Gefühls-,
Denk- und Handlungseigenschaften auf Seiten der Kinder, sondern das, was sie `wollen`“ (Löhr
1991, S. 60). Aus konzeptionellen Gründen wird die Kooperation mit den Abteilungen
`Unterhaltung`, `Fernsehspiel`, `Film` und `Reihen/Serien` gesucht, die für das Werberahmenprogramm zuständig sind. Daraufhin wird das offizielle Kinderprogramm nur noch dreimal
wöchentlich ausgestrahlt: sonntags, montags und mittwochs. An den restlichen Tagen stehen den
Kindern lediglich die so genannten Familienprogramme zur Verfügung, die wiederum das
Werberahmenprogramm beinhalten (vgl. ebenda, S. 61). Im Gegensatz dazu hat die Redaktion
`Bildung und Erziehung` die Vorstellung, Sendungen für Klein- und Vorschulkinder sollen „Ruhe,
Sicherheit, Selbstwertgefühl, Eigenständigkeit und Horizonterweiterung“ (Hermann zit. von Löhr
1991, S. 61) vermitteln. Dies soll besonders für die Serien Rappelkiste, Neues aus Uhlenbusch,
Bettkantengeschichten und das Umweltmagazin Pusteblume
23
Produktionen, die das ZDF in ihr Programm aufnimmt
22
gelten sowie für die ausländischen
(vgl. ebenda, S. 61). Bei der ARD wird
entschieden, vier Aktivitäten von der Koordination `Familienprogramm` zu realisieren:
1. Anspruchsvolle Filme (Rosi und die große Stadt, Die rote Zora u.a.)
2. Ausbau der Kooperation mit den Produzenten der CSSR (Die kleine Hexe; Luzie, der
Schrecken der Straßen; Der fliegende Ferdinand u.a.)
3.
Ausstrahlung
teils
eigen
produzierter,
teils
gekaufter
Abenteuer-
und
Unterhaltungsserien (Matt und Jenny, Klamottenkiste, Tom & Jerry - Cartoons sowie
Disneyproduktionen)
4. Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Rundfunkwerbung im Hinblick auf
Sendungen, die im Werberahmen- und zugleich im Kinderprogramm Platz finden sollen
(Meister Eder und sein Pumuckl, Tom Sawyer und Huckelberry Finn, Michel aus Lönneberg u.a.)
(vgl. Löhr 1991, S. 59)
Gerade der letzte Punkt dieses Beschlusses wird aufgrund von erheblichen Finanzierungsproblemen verwirklicht. Obwohl es 1969 sowie 1974 Rundfunkgebührenerhöhungen gegeben hat
und die letzte sogar mit einer Sparauflage verbunden ist (vgl. Karstens 1999, S. 24), scheint dieser
Schritt unumgänglich. Waren die Erlöse aus den Fernsehgebühren in den ersten zwanzig Jahren
des Fernsehbestehens stetig gestiegen, allein aus dem Grunde, dass immer mehr Haushalte
einen Fernsehapparat erworben und anmeldeten (vgl. Abb. 4), stagnierten die Teilnehmerzahlen
derzeit und somit auch die Erträge.
„Und das zu einer Zeit, in der das Fernsehen sein Sendevolumen gegenüber den fünfziger
Jahren insgesamt etwa verdreifacht hatte und in der die Kosten ungebrochen weiter
anstiegen“ (Karstens 1999, S. 24).
22
23
Ab 1981 unter dem Namen Löwenzahn ausgestrahlt.
z.B. Mathis, ein Junge aus Norwegen; Ferien auf Saltkrokan und Anderland
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 20
Das Sparpaket betrifft hauptsächlich das Programm der Sieben- bis Elfjährigen Kinder und führt
„zu einer leichten Reduzierung des wöchentlichen Programmvolumens, zu einem vermehrten
Einsatz von Wiederholungssendungen und dazu, den Montagstermin mit der Wiederholung des
Sonntagnachmittags gesendeten Kinderprogramms auszufüllen“ (Löhr 1991, S. 59).
25
20
in Mio.
15
10
5
0
1952
1955
1960
1965
1970
1975
1980
Jahr
Abbildung 4
Angemeldete Fernsehteilnehmer in der BRD von
1952 bis 1980 in Mio.24
Es werden neue Sendungen entwickelt, wie z.B. 1982 der Weltspiegel für Kinder, ein Magazin,
das vor allem aus Portraits von Kindern aus aller Welt besteht; Tiersendungen wie
Tiergeheimnisse, Kleine Fische – große Fische oder ABC der Tiere und Dokumentationsreihen
wie Bilder unserer Erde sowie Natur und Technik (vgl. Saldecki 1998, S. 25f.). Im ZDF erfolgt
1985 eine wichtige organisatorische Änderung: Nach Göhlens Weggang legt man die Abteilungen
`Kinder und Jugend` sowie `Bildung und Erziehung` zusammen und eine Hauptredaktion `Kinder,
Jugend und Familie` entsteht unter der Leitung von Michael Albus. Hierbei betreut das
Kinderprogramm Markus Schächter und das Kleinkinderprogramm Bärbel Lutz-Saal und Elmar
Lorey. Zwei Jahre wird das Kinderprogramm des ZDF von der neuen Hauptredaktion umgestaltet
und neue Konzepte werden erstellt. Im Januar 1988 läuft das Programm in neuer Form an,
„dessen Zielvorstellung – so Michael Albus – Realitätsaneignung, Identitätsfindung und
Fantasieentfaltung sind, die vor allem mit journalistischen und erzählerischen Mitteln erreicht
werden sollen“ (Löhr 1991, S. 62). Das Kinderprogramm wird als ein täglicher Stundenblock
angeboten, wobei diese Blöcke wieder mit verschiedenen Programmfarben versehen werden. Das
Kleinkinderprogramm ist hierbei sonntags und mittwochs vorgesehen. Die neuen Programminhalte
sind u.a. die Kindernachrichtensendung logo (vgl. Abb. 5), das Vorschulprogramm Siebenstein,
das Astrid-Lindgren-Festival, die Serien Anne auf Green Gables, Mino, Wind in den Weiden oder
die Informationssendungen Komm Puter und mittendrin. Nach Albert Schäfer „hat das Kinder- und
Nachrichtenprogramm des ZDF in der Tat sein Gesicht verändert. Zahlreiche Auszeichnungen auf
nationalen und internationalen Festivals bescherten der Redaktion, die bislang zwar ein treues
Publikum, jedoch wenig öffentliche Aufmerksamkeit hatte, ein neues Image“ (Schäfer 1998, S. 37).
Mit Einführung des dualen Rundfunksystems 1984 sind private Fernsehanbieter auf Sendung
24
vgl. Hickethier 1998b, S. 201
2. Geschichte des Kinderfernsehens
gegangen und haben sich zunehmend dem Kinderprogramm gewidmet
Seite 21
25
(vgl. Köser 1998, S.
585). In der Konkurrenz zwischen den tradierten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und den
neuen kommerziellen Anbietern werden unterschiedliche Programmkonzepte propagiert (vgl.
Bleicher 1997, S. 10).
„Wurden programmstrategische Entscheidungen bis tief in die 80er Jahre hinein noch
weitgehend in einem Schutzraum getroffen, beeinflusst lediglich durch den notwendigen
Seitenblick zum Konkurrenten ARD, so entstand spätestens Ende des Jahrzehnts eine
grundlegend neue Situation durch das immer umfangreicher werdende Kinderprogramm
der sich etablierenden kommerziellen Konkurrenz“ (ebenda, S. 38).
Auf den Markt der jungen Zuschauer drängt eine Fülle von neuen Programmangeboten, „die zwar
kein konkretes medienpädagogisches Ziel mit dem Programmsegment Kinderfernsehen
verbanden, die Zuschauergruppe als Fernsehkonsument jedoch durchaus ernst nahmen“
(Volkmer 1997, S. 242).
Abbildung 5
logo – Nachrichten für Kinder26
Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern dominieren Vorschulserien und bei den kommerziellen
Anbietern Zeichentrick (vgl. ebenda). Dieser Druck der kommerziellen Anbieter macht sich ab
1988 stark bemerkbar in sinkenden Einschaltquoten bei ARD und ZDF.
„Als Folge des Quotenrückgangs tauchen erste Ahnungen von künftigen Finanzproblemen
auf, und damit verbunden waren Sendeplatzdiskussionen, die in den folgenden Jahren
zwar zu einer quantitativen Ausweitung, zugleich aber zu einer qualitativen Verschlechterung der Sendeplätze für das Kinder- und Jugendprogramm führten“ (ebenda).
Diese schlechteren Sendeplätze tragen ferner nicht dazu bei, die Quoten für das Kinderfernsehen
zu erhöhen. Laut Löhr haben ARD und ZDF trotz aller Einschränkungen „ein Kinderfernsehprogramm zuwege gebracht, das einen unverwechselbaren und unverzichtbaren Pluspunkt im
Gesamtangebot der Anstalten darstellt“ (1991, S. 62). Nach über 36jähriger Tätigkeit für den WDR
blickt Müntefering heute zurück und meint zur Gründung der privaten Sender:
„Ich habe diese Entwicklung erst mal als Chance gesehen, weil ich Anhänger des
Geldausgebens für Kinder bin. Ich habe mich dann doch gewundert, dass das
kommerzielle Fernsehen bis heute den gesellschaftlichen Auftrag im Hinblick auf Kinder
nur ökonomisch definiert. [...] Was man unterschätzt hat, war die Tatsache, dass die
Bedrohung für uns [die öffentlich-rechtlichen Sender] weniger von den Kindersendungen
der Privaten ausging als vom gesamten Zwischenreich der Action- und Trickserien, die im
eigentlichen Sinn kein Kinderfernsehen sind, die aber vor allem am frühen Abend ein
hohes Potential an Zuschauern binden“ (in: Schwanebeck 2000, S. 165).
25
26
u.a. RTL, ProSieben, Kabelkanal (ab 24.12.1994 Kabel 1), Sat.1 (vgl. Hollstein 1998, S. 181)
vgl. http://www.zdf.tivi.de/logo (18.05.01)
2. Geschichte des Kinderfernsehens
Seite 22
KOMMENTAR
Das Aufkommen der privaten Fernsehanbieter hat die Entwicklung auf dem Kinderfernsehmarkt
der 80er Jahre stark beeinflusst, aber nicht nur im negativen, sondern auch im positiven Sinne.
Die Programmgestalter der einzelnen Fernsehsender mussten sich nun stärker mit dem Inhalt und
dem Anspruch der jungen Rezipienten auseinandersetzen, um bei der wachsenden Konkurrenz
mithalten zu können.
3. Kinderfernsehen heute
Seite 23
3. Kinderfernsehen heute
Seine Geschichte prägt die heutige Entwicklung des Kinderfernsehens entscheidend. Die
Marktentwicklung richtet sich in den 1990er Jahren bis heute nach Senderstrategien und
Produktionsentscheidungen, die historisch begründet sind. Programmstrategische Differenzen
zwischen den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten lassen sich nachvollziehen durch
ihre unterschiedlichen Voraussetzungen, ihre Organisation sowie den gesetzlichen Richtlinien für
das Kinderfernsehen.
3.1. Aktuelle Entwicklung und Marktförmigkeit
In den 90er Jahren setzt sich die Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten
Fernsehanstalten um die Gunst der jüngsten Zuschauergruppe potenziert fort. Im Kampf um die
Marktführerschaft im deutschen Fernsehen sind Kinder eine ebenso interessante wie schwierige
Publikumsgruppe. Nicht nur die kommerziellen Fernsehveranstalter „haben ihr Herz für Kinder
entdeckt und bieten ihren Financiers, der werbetreibenden Wirtschaft, mithin eine Zielgruppe, wie sie
homogener und marktbewusster, kaufwilliger und aufnahmebereiter kaum denkbar ist” (Smith 1993,
S. 40). Sie und die geldgebende, werbetreibende Wirtschaft haben die jüngste Zuschauergruppe
schnell als lukrative Zielgruppe entdeckt:
„Freie Programm- und Medienselektion in Kombination mit einer gestiegenen Kaufkraft,
sowie einer Beteiligung an vielen wichtigen Konsumentscheidungen in der Familie lassen
Kinder zu einer besonders interessanten und deshalb von der Industrie stark umworbenen
Zielgruppe werden” (Mattusch 1995, S. 430).
Die Sechs- bis Neunzehnjährigen verfügen im Jahr 2001 über eine Kaufkraft von mehr als 16,36
27
Mrd. Euro , im Jahr 1996 waren es noch 8,82 Mrd. Euro
28
(vgl. Mayer 1998, S.49) und allein bei
29
den Sechs- bis Dreizehnjährigen stieg die Kaufkraft von 2001 bis 2002 nochmals um 3% . Für die
Öffentlich-rechtlichen steht neben der Erfüllung ihres Programmauftrages vor allem die Imagepflege
durch ein qualitativ wertvolles Kinderprogramm im Vordergrund. Mit hochwertigem Kinderfernsehen
lassen sich nicht nur die Jüngsten gewinnen; gutes und ansprechendes Kinderprogramm garantiert
den Sendern Sympathien der Eltern und allgemeine Anerkennung in der Öffentlichkeit (vgl. Theunert
1995, S.16). Für private wie öffentlich-rechtliche TV-Anstalten ist das Kinderprogramm als integrativer Bestandteil ihres Gesamtprogramms gleichermaßen von Bedeutung, „weil [das] Kinderpublikum
von heute das Erwachsenenpublikum von morgen sein wird” (Stolte 1991, S. 3). Insofern ist das
Kinderfernsehen nicht mehr nur durch redaktionelle und inhaltliche Aspekte bestimmt, sondern
ökonomische Gesichtspunkte spielen ebenso - genau wie in anderen Programmbereichen - eine
entscheidende Rolle.
Der Begriff Medienkompetenz wird zum `Schlagwort` der Medienpädagogen der 90er Jahre und ist
bis heute wiederholt Thema in der öffentlichen Diskussion um Kinder und ihren Medienumgang (vgl.
Gapski 2001, S. 13ff.). Winterhoff-Spurk meint:
27
28
29
vgl. http://www.bauermedia.com/news-3.php (20.07.2001), damals 32 Mrd. DM
damals 17,25 Mrd. DM
vgl. http://www.bauermedia.com/presse/september2002/ kidsVa2002. php (05.09.2002)
3. Kinderfernsehen heute
Seite 24
„Der Begriff Medienkompetenz wird im öffentlichen Sprachgebrauch und in der Fachliteratur
häufig sehr ungenau gebraucht – manchmal bezeichnet er undifferenziert alles menschliche
Verhalten, das irgendwie mit einem Bildschirm zu tun hat, etwa die Bedienung von
technischen Geräten.“ (Weidenbach 2000 zit. nach Winterhoff-Spurk, S. 46)
Laut Moser lässt sich dieser Begriff zurückführen auf eine von Baacke geführte Adaption des
Konzeptes der kommunikativen Kompetenz des Soziologen Habermas (vgl. Moser 2000, S. 213 zit.
nach Baacke 1972, Habermas 1971). Baacke beschreibt 1997 Medienkompetenz als einen aus vier
Dimensionen bestehenden Begriff:
•
Medienkritik (man sollte fähig sein, sich analytisch, ethisch und reflektiv auf Medien zu
beziehen)
•
Medienkunde (Das Wissen über Medien im Sinn der Informiertheit über das Mediensystem,
im Rahmen einer instrumentell-qualifikatorischen Fähigkeit, die entsprechenden Geräte
bedienen zu können)
•
Mediennutzung (sowohl durch Rezeption als auch aktiv als Anbieter fungieren zu können)
•
Mediengestaltung (innovativer und kreativer Umgang mit den Medien)
(vgl. ebenda, S. 214 u. Baacke 1997b, S. 221f.).
Beim ZDF gibt es ab 1992 wieder eine Neustrukturierung des Kinderfernsehens, als Markus
Schächter die Redaktionsleitung verlässt. Die bisherige Redaktion `Kinder und Jugend` wird erneut
eingeteilt in zwei Abteilungen: Die Redaktion `Kinder I` (Leitung: Susanne Müller) und `Kinder II`
(Leitung: Albert Schäfer). Dabei ist `Kinder I` hauptsächlich für Unterhaltung, Trick, Serie und
Spielfilm verantwortlich und `Kinder II` für Informations-, Magazin- und Kleinkinderprogramme.
Zudem ist die Redaktion `Kleine Reihe – Familienprogramm`, die ehemals aus der Abteilung
`Erziehung und Bildung` hervorgegangen ist, verantwortlich für Fernsehspielreihen, die u.a. spezielle
Angebote für Kinder aufweist (vgl. Schäfer 1998, S. 38). Es entstehen neue Programmangebote wie
z.B. das Informationsmagazin PuR, Fernsehspielreihen wie Achterbahn und Karfunkel, die
Kinderredeshow Basta! oder die Zeichentrickserie Alfred J. Kwak. Die Konkurrenz zu den privaten
Fernsehsendern wird immer stärker und Einzelne der privaten Kanäle entwickeln sich laut Müller zu
Quasi-Spartensender für Kinder. „40 Stunden Kinderprogramm in der Woche – regelmäßig,
zuverlässig, großflächig, leicht konsumierbar, fast ausschließlich Zeichentrickserien“ (Müller 1998, S.
43). Müller und Schäfer machen im ZDF-Jahrbuch 1992 die Schwierigkeit deutlich, in der sich die
öffentlich-rechtlichen Programmanbieter befinden:
„Wir müssen uns stärker als das Gesamtprogramm der Diskussion über das expandierende
Angebot stellen. Wir sollen beweisen, dass das Gebührenfernsehen seinem Bildungs- und
Informationsauftrag gerecht wird. Wir sollen attraktiv sein und zugleich Distanz ermöglichen.
Mit anderen Worten:
Wir haben die Aufgabe, die jungen Zuschauer zu begeistern und ihnen dennoch nicht jeden
heimlichen und unheimlichen Wunsch zu erfüllen. Öffentlich-rechtlichen Kinderprogrammmachern ist nicht alles erlaubt, was Kindern gefällt“ (Müller 1992, S. 61f.).
Die privaten Anbieter kämpfen um das Interesse der jungen Zuschauer und stellen im Laufe der
90er Jahre ihr Kinderprogramm um oder stellen spezielle Kindersendungen ein: Sat.1 lässt im
Herbst 1993 seine Kinderprogrammstrecke „Querbeet“ auslaufen, da die werberechtlichen
Grundsätze vom Sender nicht zu tragen sind. Der Grund hierfür ist das Verbot der Werbung
innerhalb einer solchen Programmstrecke für Kinder. Einzelne Kindersendungen werden dagegen
3. Kinderfernsehen heute
Seite 25
noch ausgestrahlt. Kabel 1 stellt sein gesamtes Kinderangebot ein. ProSieben gibt ab 1994 das
explizite Kinderprogramm auf. Das sogenannte „Familienprogramm“ wird aber weiterhin angeboten,
das besonders von Kindern konsumiert wird und bei dem ungehindert Werbung laufen darf (vgl.
Erlinger 1998, S. 184). Ab April 1995 gründet die RTL Group unter ihrer Dachmarke einen neuen
Sender, der sich hauptsächlich der Zielgruppe Kinder und Familien widmen soll: Super RTL (vgl.
Voß 2000, S. 439).
Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von ARD und ZDF erarbeitet 1994 ein Konzept für einen öffentlichrechtlichen Kinderkanal. Doch die kommerziellen Sender kommen ihnen zuvor und der erste private
Kinderkanal namens Nickelodeon etabliert sich in Deutschland. Dies ist ein amerikanischer, weltweit
operierender Medienkonzern. Die Medienfirma Kirch kündigt das digitale Fernsehen an, das
Kinderkanäle enthalten soll. Andere Medienkonzerne haben die Absicht, eigene Kinderkanäle zu
schaffen wie z.B. der Pay-TV-Sender Premiere sowie Disney und Fox (vgl. Müller 1998, S. 45). Im
Januar 1995 beschließen die Intendanten von ARD und ZDF die Einrichtung eines gemeinsamen
werbefreien Spartenkanals für Kinder. Am 01.01.1997 wird der Sendebetrieb vom Standort Erfurt
aufgenommen. Obwohl der Name `Der Kinderkanal` vorerst nur ein Arbeitstitel sein soll, wird die
Bezeichnung beibehalten und gilt bis heute. Das Logo, das vorerst mit einem Doppel-X als
unbekannte Größe für ein endgültiges Logo stehen soll, wird heutzutage durch `Ki.Ka` ersetzt. Laut
Müller und Schäfer bietet der Kinderkanal „die Vielfalt der öffentlich-rechtlichen `Elternprogramme`:
Anregendes, Unterhaltendes, Bildendes, Informierendes. [...] Sensibler Umgang mit der Gewaltfrage, altersgerechte Themenwahl, professionelle Sorgfalt, Werbefreiheit.“ (ebenda, S. 49). Daher
lautet der erste PR-Slogan „gewaltfrei – werbefrei – frei ab drei“ (vgl. Neuß 1997, S. 117), der sich
stark an besorgte Eltern richtet. Der Erfolg ist schon nach einem halben Jahr Sendebetrieb zu
erkennen, der Kinderkanal erreicht 10% Marktanteil in der Zielgruppe. Müller und Schäfer
beschreiben das Angebot des Kinderkanals folgendermaßen:
„Wir setzen auf großflächige programmliche Vielfalt, zeigen Spielfilme neben Serien,
szenische Programme neben nonfiktionalen Produktionen, Zeichentrick neben Realsendungen. [...] Wir zeigen die Klassiker wie etwa die Sesamstrasse und Löwenzahn, von
denen jedoch ständig neue Folgen produziert werden. Gleichzeitig strahlen wir Premierenprogramme aus, die modern in der Themenwahl und Gestaltung sind.“ (Müller 1998, S. 49).
Zu dem Programm im Ki.Ka kommen zu den klassischen ARD und ZDF-Angeboten neue
Sendungen hinzu, die sich an der Lebenswelt der jungen Rezipienten orientieren. Wie etwa im
September 1998 die erste `Kinder-Weekly`
30
im deutschen Fernsehen, Schloss Einstein, das
interaktive Magazin AKTIV BOXX oder Die Pfefferkörner. Ab März 1999 wird die Vorschulserie
Teletubbies im Ki.Ka und der ARD ausgestrahlt. Diese wird von dem englischen Sender BBC
erworben und sorgt in Deutschland für kontroverse Diskussionen in Eltern- sowie in
Pädagogenkreisen (vgl. Schäfer 2000, S. 37; Förster 1999, S. 242; Neuß 2001, S. 7ff.). Mit langen
Bildeinstellungen, nur wenigen Schnitten und vielen Wiederholungen sollen die Sendungen für
Kinder im Vorschulalter gut zu verstehen sein. Die Hauptkritikpunkte an der Sendung richten sich
gegen die Form der Sprache und löst Debatten über das generelle Einstiegsfernsehalter der Kinder
aus. Der Erfolg der Teletubbies zieht noch andere Vorschulserien nach sich, die schon an
Kleinkinder gerichtet sind wie etwa Der Bär im großen blauen Haus seit September 2000 und
30
Wöchentlich ausgestrahlte Serie
3. Kinderfernsehen heute
Tweenies
31
Seite 26
(vgl. Abb. 6) seit April 2001 bei Ki.Ka oder Toggolino, ein Vorschulblock seit April 2000
bei Super RTL, u.a. mit der erfolgreichen Kleinkindersendung Bob der Baumeister (vgl. Schosser
2001, S. 5; Der Kinderkanal ARD/ZDF 2001 (Pressemappe)).
Abbildung 6
Die Tweenies32
Mit einem durchschnittlichen Marktanteil von über 40% in der Zielgruppe hat sich Bob der
Baumeister mittlerweile „in die Herzen der kleinen TV-Zuschauer gebahnt“ (Schmit 2002, S. 7). In
der Serie sollen Werte wie Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Solidarität vermittelt werden (vgl.
ebenda).
KOMMENTAR
Hierbei sollte beachtet werden, dass diese Sendungen auch von Kindern unter drei Jahren
konsumiert werden, die in der Fernsehforschung noch gar nicht bedacht und aufgeführt werden.
Im Mai 1998 muss Nickelodeon aus finanziellen Gründen seinen Sendebetrieb in Deutschland
einstellen (vgl. Erlinger 1998, S. 5f.). RTL und Sat.1 legen ihr Kinderprogramm gezielt auf den
Vormittag des Wochenendes (vgl. Rosenbaum 2000, S. 107). Es haben sich fünf private Sender auf
dem Kinderfernsehmarkt herauskristallisiert: RTL, RTL 2, ProSieben, Sat.1 und vor allem Super
RTL. Bei ARD und ZDF gehen die Werbeeinnahmen von 1992 bis 1997 wegen der großen Konkurrenz der privaten Anbieter zurück. Bei der ARD sinken die Einnahmen von fast 307 Mio. Euro
33
34
auf ca. 153 Mio. Euro . Beim ZDF sieht es ähnlich aus: Die Erlöse aus Werbespots verringern sich
von gut 358 Mio. Euro
35
36
auf fast 153 Mio. Euro
(vgl. Chill 1999, S. 94). Die ARD und das ZDF
verzichten aus diesem Grund kurz nach dem Start des Ki.Ka montags bis freitags auf die
Ausstrahlung des Kinderprogramms (vgl. Rosenbaum 2000, S. 107). Jedoch ist das Programm des
31
auch vom englischen Sender BBC übernommen wie die Teletubbies
vgl. Der Kinderkanal ARD/ZDF 2001 (Pressemappe)
33
damals ca. 600 Mio. DM
34
damals ca. 300 Mio. DM
35
damals ca. 700 Millionen DM
36
damals ca. 300 Millionen DM
32
3. Kinderfernsehen heute
Seite 27
Ki.Ka nur über Satellit oder Kabeleinspeisung zu empfangen. Das bedeutet, dass die rund fünf
Millionen Haushalte mit terrestrischem Empfang keine „umfassende Grundversorgung der Kinder
durch Programme des Kinderkanals“ (Rosenbaum 2000, S. 107) erhalten. Beim Pay-TV-Sender
DF1 gibt es ab Mitte der 90er Jahre unter den Labels `Junior TV` und `K-Toon` eigene Kinderkanäle,
die ganztägig senden (vgl. Mikat 2000, S. 44). Im November 1998 streicht der Sender sein Kinderund Jugendprogramm aus wirtschaftlichen Gründen (ebenda, S. 13). Der Schwerpunkt des
Sendeinhalts liegt bei den privaten Anbietern hauptsächlich in Zeichentrickserien wie z.B. Tom &
Jerry, Familie Feuerstein, Die Schlümpfe, Captain Future, Sailor Moon, Power Rangers oder
Mummies Alive, in denen eine eindeutige Gut-Böse-Polarisierung stattfindet. Mikat, ist der Meinung,
dass lediglich Super RTL hierbei eine Ausnahme bildet, die nicht nur eingekaufte Zeichentrickserien
anbietet, sondern „eigens für Kinder produzierte(n) Dokumentationen und Magazine(n)“ (Mikat 2000,
S. 53) ausstrahlen. Zudem bietet er eine „große Anzahl an Tiermagazinen und –dokumentationen,
die sich zum Teil an die ganze Familie richten [...]“ (ebenda, S. 52). Zudem gibt es bei Super RTL
Kindermagazine wie Art Attack
oder `Super, Metty`. In der von Super RTL eigenproduzierten
Actionspielshow Super Toy Club treten zwei Mannschaften aus je vier Mädchen und vier Jungen in
unterschiedlichen Spielrunden jeweils gegeneinander an (vgl. Abb. 7).
Abbildung 7
Super Toy Club: Kinder mit Moderator David Wilms37
Diese aktionsreiche Show, die seit 1999 von der holländischen „TV-Trashfabrik Endemol (`Big
Brother`) produziert wird, ist so erfolgreich, dass ihre Idee sogar eine Zeitlang von ProSieben fürs
Abendprogramm kopiert wurde“ (Hammerstein 2001, S. 74). Mit einem durchschnittlichen
Kindermarktanteil von über 30 % ist der Super Toy Club eine der erfolgreichsten Kindershows im
deutschen Fernsehen
38
und nutzt die Werbeform des Product Placement, um sich zu finanzieren.
Dies bedeutet, dass im Rahmen der Spielhandlung tatsächlich existierende Produkte verwendet,
deutlich gezeigt und platziert werden, um sie zielgruppengerecht zu bewerben (vgl. Felser 1997, S.
21f.). Insbesondere im Finale beim Parcourslauf durch ein riesiges Spielwarengeschäft der Firma
„Toys`R`us“ werden der Hauptsponsor selbst und seine Waren gewinnbringend dargestellt und als
39
Hauptgewinne eingesetzt : In einer vorgegebenen Zeit versuchen die zwei Teams so viele
Spielsachen wie möglich im Einkaufswagen über die Ziellinie zu bringen, die sie dann als Gewinn
behalten dürfen. Der Moderator David Wilms ist davon überzeugt, dass diesem Konzept eine
pädagogische Bedeutung zukommt:
37
38
39
vgl. http://www.grundy-le.de/seiten/shows/02_005_001.html (13.09.02)
vgl. ebenda
vgl. http://www.toysrus.de (03.09.02)
3. Kinderfernsehen heute
Seite 28
„Die Kinder müssen sich untereinander absprechen, wer welche Aufgabe übernimmt. Sie
lernen, was Teamarbeit bedeutet“ (David Wilms zit. in: Super RTL Kommunikation 2001, S.
15).
Was die öffentlich-rechtlichen Sender betrifft, so ist mehr Vielfalt im Kinderprogramm zu beobachten.
Dabei werden sowohl Kaufproduktionen als auch eigenproduzierte Formate eingesetzt, die zeigen,
„dass die Tendenz vieler Medienanbieter, im Kind den Kunden zu sehen, sich bei den öffentlichrechtlichen Sendeanstalten verstärkt” (Hollstein 1997, S. 50). So nehmen sie zunehmend auch
Actionspielshows mit Clubcharakter in ihr Kinderprogramm auf, um die jungen Zuschauer an sich zu
binden: Tigerenten Club (ARD/Ki.Ka), Pumuckl TV (BR), Tabaluga Tivi (ZDF/Ki.Ka), Käpt`n Blaubär
Club (WDR/Ki.Ka), TKKG – Der Club der Detektive (ZDF/Ki.Ka), Maus Club (WDR/Ki.Ka) oder
Wenn. Dann. Die.. – Show im Ki.Ka (vgl. Gangloff 2000, S. 29). Derartige Clubsendungen setzen
sich aus einer situativen Rahmenhandlung sowie Einspielfilmen, bestehend aus Realserien und
Zeichentrick, zusammen. Außerdem sind Spiele ein wesentlicher Bestandteil, wobei es neben
Aktionsspielen der Studiogäste Gewinnspiele gibt, an denen sich die zuschauenden Kinder
beteiligen können, in denen auch Product-Placement-Konsumgüter präsentiert und als Gewinne
angeboten werden.
„Selbstverständlich hat Kinderprogramm immer etwas mit Markt zu tun. Marktpreise,
Marktanteile und Vermarktung sind unser tägliches Geschäft. Auch der Ki.Ka kann sich
diesen Marktgesetzen nicht entziehen“ (Beckmann 2002, S. 4).
Die Sendestrecken und einzelne Sendungen für das Kinderfernsehen erhalten in allen Sendern zur
40
schnellen kindlichen Identifizierung einen Dachnamen, der sich mit dem Sender verbinden soll .
Meist führen Moderatoren durch die Sendung, ähnlich wie bei Magazinen (Hollstein 1997, S. 50).
Laut Theunert entdecken Kinder „nicht nur Sendungen, sondern früh Sender. Ihnen prägt sich
schnell ein, wo sie gut und regelmäßig bedient werden, und die Chance, dass sie ihrem Sender treu
bleiben, wächst“ (Theunert u.a. 1995, S. 16). Zuschauerbindung ist demnach auf dem
fortschreitenden dualen Fernsehmarkt zu einem `magic word` (Volkmer 1997, S. 243) geworden und
soll bereits bei den jüngsten Fernsehzuschauern kultiviert werden:
„Kinderfernsehen ist im kommerziellen Medienmarkt mehr als nur die Produktion und
Rezeption fernsehmedialer Angebote. In Zeiten sich stetig ausdifferenzierender
Programmangebote stellt für Kinderprogramme die Bindung der immer knapper werdenden
Ressource ‘Aufmerksamkeit’ eines der obersten Ziele dar, um im Medienmarkt zu bestehen”
(Mattusch 1997, S.9).
Ab September 1999 sorgt zudem eine neue Zeichentrickserie aus Tokio im Kinderprogramm von
41
RTL 2 für Aufsehen: Pokémon . Diese sind von dem japanischen Computerhersteller Nintendo in
Auftrag gegeben worden, um den Absatz des entsprechenden Gameboy-Programms und der
dazugehörigen Sammelkarten zu fördern (vgl. Hammerstein 2001, S. 76). Zu diesem Zeitpunkt ist
das Produkt Pokémon schon seit drei Jahren in Japan und in Amerika seit einem Jahr ein
42
Verkaufsschlager . In Deutschland werden ausnahmslos gute Einschaltquoten für RTL 2 erzielt und
im Merchandisingbereich große Umsätze erlangt. Im Jahr 2001 wird der dritte Kinofilm produziert.
„Die Bandbreite [des Merchandising] reicht von Marketing, Verkaufsförderung bis zum Prozess des
40
z.B. bei Super RTL, wo alle Sendungen `Super` im Namen enthalten oder beim ZDF, das speziell für Kindersendestrecken
die Untermarke `tivi` einführt, die auch für die Kleinsten sofort erkennbar neben dem ZDF Logo auf dem Bildschirm platziert
wird.
41 Abkürzung für „pocket monster“ (Taschenmonster)
42 vgl. http://www.stern.de/computer-netze/spezial/3042.html (12.06.01)
3. Kinderfernsehen heute
Seite 29
reinen Lizensierens“ (Salm 1998, S. 251). Nach Hammerstein erfüllen diese Zeichentrickserien
„faktisch den Tatbestand der Dauerwerbesendung“ (ebenda). Die Mehrfachvermarktung dieses
Produkts wird allein schon durch die Schöpfung von 150 verschiedenen Charakteren erleichtert und
durch eine „künstliche Verknappung (von manchen Figuren gibt es nur wenig Spielkarten) der
Kaufrausch der Kinder weiter angeheizt“ (Eck 2/2000, S. 23). Das Beispiel Pokémon zeigt, dass
Werbung in und um das Kinderprogramm zur Normalität wird und besonders der Merchandisingbereich für Produkte aus dem Kinderfernsehen kann bis zu 50% der Produktionskosten abdecken
(vgl. Böll 1997, S. 15).
„Wenn wir uns die Produktionsbudgets von heute anschauen, müssen wir bei qualitativ
43
hochwertigen Animationen mit Produktionskosten von 15 bis 20 TDM pro Minute (und
sogar mehr) rechnen. Diese hohen Aufwendungen sind selbst bei den öffentlich-rechtlichen
Sendern kaum mehr ohne die Unterstützung der Industrie zu finanzieren“ (Böll 1997, S. 14).
Mittlerweile sind auch schon andere Serien in der gleichen Art und Weise wie Pokémon als
Nachfolger etabliert, bei denen die Nebenlizenzen weit mehr Gewinn versprechen sollen, als die
Serie an sich: Die Serien auf RTL 2 wie Digimon, Dragon Ball, Dragon Ball Z, die auf die Bedürfnisse
der hauptsächlich männlichen Rezipienten nach Stärke und Kampf ausgerichtet sind (vgl. Götz
2002, S. 43) oder die seit August 2002 auf Super RTL ausgestrahlte Serie Sponge-BOB, die in einer
44
Unterwasserwelt spielt und für die Kleinsten unter den Rezipienten entwickelt wurde .
„Das Format ist extrem innovativ und konnte sich international sowohl kommerziell als auch
in der Akzeptanz bei den Zuschauern bewähren“ (Schmit 2002, S. 7).
In den USA wird SpongeBOB schon seit drei Jahren erfolgreich gesendet und lockt täglich 17
Millionen Kinder vor den Fernseher (vgl. Braunschweiger Zeitung 2002b, S. 8). Der MerchandisingErfolg ist mit dem der Pokémons vergleichbar und soll demnächst auch in Deutschland folgen:
„Sollte SpongeBOB bei uns so toll blubbern wie in den USA, kommen nächstes Jahr auch
hier jede Menge Fan-Artikel auf den Markt“ (Direktor Sales & Marketing bei Super RTL,
Florian Ruckert, zit. in: Braunschweiger Zeitung 2002b, S. 8).
Die passenden Gameboy- und Playstationspiele gibt es aber jetzt schon auf dem deutschen Markt
(vgl. Abb. 8). Die Richtlinien des Rundfunkstaatsvertrages und der Landesmedienanstalten für die
Werbung, die im Umfeld von Kinderprogrammen platziert wird, veranlassen Programmverantwortliche auf dem Kinderfernsehmarkt indirekte Werbung wie Merchandising, Product Placement und
Sponsoring nicht nur als zusätzliche Finanzierungsform zu nutzen, sondern von vorn herein als
elementarer Finanzierungsbestandteil eines Programms zu integrieren (vgl. Sander u.a. 1998, S.
239-250 und Salm 1998, S. 251-269). Laut Kids Verbraucher Analyse 2002 verfügen die rund 6,37
45
Mio. Sechs- bis Dreizehnjährigen z.Zt. über eine Kaufkraft von 5,12 Mrd. Euro . Super RTL ist seit
1998 Marktführer bei den Kindern.
„Seit drei Jahren ist Super RTL Marktführer unter Deutschlands Kinderprogrammen – und
mit großem Abstand vor dem öffentlich-rechtlichen Kinderkanal (Ki.Ka) und RTL 2“
(Hammerstein 2001, S. 74).
Das Geschäft mit Nebenlizenzen und Merchandisingprodukten ist erfolgreich (vgl. Super RTL 2001,
S. 3f.). Die Erlöse werden laut Susanne Schosser bei Super RTL „komplett reinvestiert – in
43
8.000,- bis über 10.000,- Euro
vgl. http://.super-rtl.de (13.09.02)
45
vgl. http://www.bauermedia.com/presse/september2002/kidsVa 2002.php (05.09.2002)
44
3. Kinderfernsehen heute
Seite 30
Programminhalte und die vier medialen Plattformen der Unterhaltungsmarke Super RTL, in
Fernsehen, Internet, Merchandising und Printmagazin“ (Schosser 2001, S. 4).
Abbildung 8
PlayStation-Spiel der Serie SpongeBOB46
Claude Schmit nennt hierbei als grundlegende Ziele für das Kinderfernsehen: Eigenproduktionen
und Rechteerwerb. Die Bruttoeinnahmen stiegen bis 2001 auf knapp 174 Mio. Euro
47
und der
Jahresüberschuss hat sich von 2000 innerhalb eines Jahres um rund 10% gesteigert (vgl. Schmit
2001, S. 3).
KOMMENTAR
Das Beispiel Super RTL zeigt, dass ein Sender, der hauptsächlich Kinder als Zielgruppe anspricht,
wirtschaftlich sehr erfolgreich agieren kann. Diese Erfolge können jedoch nur mithilfe der vielen
Lizenzverkäufe, Merchandisingprodukten und anderen wirtschaftlichen Strategien erzielt werden.
Kinderfernsehen ist mittlerweile zu einem normalen Wirtschaftsgut geworden.
3.2. Einschaltquoten
Einschaltquoten geben im Wesentlichen an, wie viele Zuschauer eine Sendung bzw. einen
Fernsehkanal innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingeschaltet haben. Sie fungieren demnach
als Indikator der Fernsehnutzung. Die Quote gibt in Prozent oder Millionen an, wie viele Fernsehgeräte in den Fernsehhaushalten eines bestimmten Gebiets innerhalb eines bestimmten
48
Zeitintervalls durchschnittlich eingeschaltet waren . Laut Karstens wird der Einschaltquote seit dem
Sendestart des ZDF 1963 als Konkurrenzprogramm der ARD Rechnung getragen:
„Prompt wurde denn auch ein erstes System etabliert, das den Erfolg der einzelnen
Sendungen beim Publikum zahlenmäßig erfassen konnte: Die Geburtstunde des ZDF ist
zugleich die der Einschaltquote“ (Karstens 1999, S. 22).
Hans-Joachim Kuhlenkampff soll einmal gesagt haben: „Wenn ich mal unter 70% habe, hör ich auf“
(Drösser 1995, S. 30). Diese Quote ist heute reine Illusion. Die prozentualen Haushaltsquoten aus
den früheren Jahren wie z.B. 1962 mit 95% für Mainz wie es singt und lacht oder 1974 mit 87% für
Drei nach Neun sind heute nicht mehr erreichbar (vgl. ebenda). Solange noch keine privaten
46
47
48
vgl. www.amazon.de
entspricht ca. 340 Mio. DM
vgl. http://db.ard.de/abc/main.index_abc (18.05.01)
3. Kinderfernsehen heute
Seite 31
Fernsehanstalten existierten, waren die Ergebnisse und Analysen danach ausgerichtet, wie viele
Fernsehgeräte auf welchen der wenigen Kanäle eingeschaltet waren. Von 1963 bis 1974 ermittelte
diese Zahlen das Institut Infratam und von 1975 bis 1984 das Institut Teleskopie (vgl. Karstens 1999,
S. 405). Erst seit 1975 werden Zuschauer genauer erfasst. Ab 1985 werden die Meßmethoden
erheblich verfeinert und von nun an sind detaillierte soziodemographische Analysen möglich.
Seitdem ist die GfK für die Fernsehforschung zuständig, fast zeitgleich mit dem Beginn des dualen
Rundfunksystems. Bei der GfK handelt es sich um ein großes Marktforschungsunternehmen, das in
49
den verschiedensten Bereichen der Konsumgüterindustrie und Dienstleistungsbranche forscht . Der
Wert wird in der Bundesrepublik in einem repräsentativen Panel von Haushalten mit Messgeräten
50
der GfK kontinuierlich erhoben . Er ist nach Programmen und Sendungen differenzierbar. Die
Ergebnisse ermittelt man anhand sozialwissenschaftlicher Methoden, die u.a. Aussagen machen
über gemeinsame Merkmale dieser Rezipienten, wie z.B. Alter, Geschlecht, Einkommen (vgl.
Karstens 1999, S. 495). Die Daten werden in Sehdauer, Verweildauer und Nettoreichweite
aufgeteilt. Dabei gibt die Sehdauer an, wie viel die Zielgruppe an einem Tag durchschnittlich
fernsieht, wobei die Nichtseher in die Bewertung eingehen. Die Verweildauer gibt die zeitliche
Zuwendung derjenigen an, die tatsächlich fernsehen. Mit der Nettoreichweite wird der Prozentsatz
der Rezipienten bezeichnet, die während eines Tages mindestens eine Minute hintereinander
fernsehen (vgl. Feierabend 1998, S. 167ff.).
Kein anderes Medium kann seine Leistungswerte so schnell, so verlässlich und überprüfbar
51
dokumentieren wie das Fernsehen . Ausgewählt werden rund 5.600 repräsentative Fernsehhaushalte der Bundesrepublik und hierbei erfasst die GfK alle Zuschauer ab drei Jahren (vgl. Voß
2000, S. 431). Mit der Einführung der Privatsender 1984 wird die Konkurrenz der Anbieter immer
größer und die Quote wird zur „Ikone der modernen Fernsehgesellschaft“ (Elitz 1995, S. 24).
„Jeden Morgen schlägt in Deutschland für Programmverantwortliche in Fernsehsendern,
Produzenten von TV-Programmen, Mediaverantwortliche der Markenartikelindustrie und für
Planer oder Einkäufer bei Werbe- und Mediaagenturen die Stunde der Wahrheit. Jeweils am
Tag nach der Ausstrahlung des Programms übermittelt die GfK Fernsehforschung noch vor
52
9.00 Uhr die Fernsehnutzungsdaten des Vortags.“
Der Blick auf die Einschaltquoten des Vorabends beeinflusst langfristig die Strategien von öffentlichrechtlichen und privaten Fernsehanbietern. „Beleidigt vom sinkenden Zuspruch der Zuschauer,
verschanzen sich ARD und ZDF in ihren Anstalten und halten die Fahne des anspruchsvollen
Programms hoch“ (Drösser 1995, S. 101). Einerseits rechtfertigt die Fernsehgebühr der öffentlichrechtlichen Sender die Forderung nach Qualität sowie der Grundversorgung und andererseits
werden sinkende Quoten als Argument gegen die Gebührenfinanzierung begründet (vgl. Elitz 1995,
S. 24). Doch die Quote ist jene „Währung, mit der allein der Werbemarkt funktioniert“ (ebenda), sie
ist bei den privaten Sendern mittlerweile die Grundlage jeder Programmentscheidung. Sind die
Einschaltquoten einer Sendung zu gering, wird diese aus dem Programm entfernt. Die Höhe der
Einschaltquote bestimmt den Preis der Werbung innerhalb dieses Programms (vgl. LerchenmüllerHilse u.a. 1998, S. 90).
49
vgl. http://www.gfk.de (13.08.02)
vgl. http://db.ard.de/abc/main.index_abc (18.05.01)
51
vgl. http://www.gfk.de/ (13.08.02)
52
vgl. http://www.gfk.de/ (13.08.02)
50
3. Kinderfernsehen heute
Seite 32
„[...] wenn einer sagt, er macht eine Sendung und braucht keine Einschaltquote, dann ist das
dummes Zeug, dann frage ich mich, was machen die dann mit unseren Gebühren bei den
Öffentlich-Rechtlichen“ (Hans Meiser zit. in: Moser 2000, S. 78)
In den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten werden die Etats für Kinderprogramme zunehmend
gekürzt. „Der Rückgriff auf die Programmarchive wird zunehmend notwendiger“ (Schwanebeck
2000, S. 13). Unter Quotengesichtspunkten behindern die Kinderprogramme nach Schwanebeck
den Programmfluss des Senders. Was für die Kinder bedeutet, dass sie bei allen Sendern auf
Programme für Erwachsene ausweichen müssen (vgl. ebenda). Die privaten Anbieter stehen offen
zu ihrem rein ökonomischen Anliegen und Helmut Thoma erklärt: „Wir lassen den ÖffentlichRechtlichen die Gebühren und damit die Querelen um Qualität. Wir verlassen uns auf die Quote“
(Thoma zit. in: Drösser 1995, S. 101). Das Kinderprogramm bildet hierbei keine Ausnahme. Die
Sendeplätze für das junge Publikum werden von allen Anstalten nach marktorientierten Kriterien
ausgewählt, damit das Programm seine Zielgruppe mit größerer Wahrscheinlichkeit erreicht (vgl.
Köser 1995, S. 583). Hierbei spielt die frühzeitige Senderbindung eine große Rolle und die
zunehmende Kaufkraft der Kinder ist ein weiteres Argument für die Werbewirtschaft. So ist das
Rezipientenverhalten bei verschiedenen Altersgruppen im Tages-, Wochen- oder Jahresverlauf
53
sowie im Fernsehkonsum unterschiedlich . Betrachtet man die durchschnittliche Sehdauer des
Jahres 2001 nach einzelnen Altersgruppen, fällt auf, dass die Sehdauer pro Tag zwischen den
Gruppen variiert. Die Kinder schauen rund 98 Minuten pro Tag fern. Die Vierzehn- bis Neunundzwanzigjährigen Fernsehzuschauer 134 Minuten und die Dreißig- bis Neunundvierzigjährigen 191
Minuten. Die über Fünfzigjährigen tragen am meisten zum Fernsehkonsum in der Bundesrepublik
54
bei. Sie verbringen rund 250 Minuten am Tag vor dem Fernsehgerät
Abbildung 9
(vgl. Abb. 9).
Durchschnittliche Sehdauer 2001 nach einzelnen Altersgruppen55
Bei der Sehbeteiligung im Tagesverlauf sind ähnliche Einschaltmuster in den vergangenen Jahren
und im Jahr 2001 zu beobachten. Die Schwerpunkte der Fernsehnutzung werden bei allen
53
54
55
vgl. http://www.gfk.de/ (13.08.02)
vgl.ebenda
vgl. http://www.gfk.de/ (13.08.02)
3. Kinderfernsehen heute
Seite 33
Altersgruppen zusammen zu der Tageszeit zwischen 19.30 Uhr und 22.00 Uhr, mit einem
Spitzenwert von etwa 40 Prozent um 21 Uhr erreicht
Abbildung 10
56
(vgl. Abb. 10).
Durchschnittliche Sehbeteiligung im Tagesverlauf 2001, Zuschauer ab 3 Jahre57
„Ist ein Mehr an Einschaltquoten [...] gleichzusetzen mit einem Mehr an Erfolg?“ (Stolte 1996, S.
135). Nachweisbar ist der Erfolg nur da, wo er messbar ist. Dies ist am einfachsten mit Quantitäten,
aber das Zuschauerverhalten verändert sich z.B. durch das Zapping enorm und stellt die Quote als
Instrumentarium in Frage (vgl. Theunert 1995, S. 101):
„Das Argument der Quote, das heute den Fernsehmarkt reguliert, wackelt mehr und mehr.
Für den künftigen Fernsehmarkt mit noch mehr Programmen und mit Möglichkeiten,
Sendungen individuell zu variieren, wird es kaum noch taugen. Publikumsakzeptanz und –
wünsche müssten auf anderen Wegen, die mehr Sicherheit bieten, erfasst werden, wenn die
Fernsehanbieter die Zuschauerschaft wirklich bedienen wollen und sich nicht nur mit dem
eingeschalteten Apparat oder einem kurzen Moment Aufmerksamkeit begnügen möchten“.
KOMMENTAR
Es stellt sich die Frage, ob man tatsächlich diese telemetrisch erhobenen Daten als alleinige
Indikatoren für den Erfolg oder Misserfolg eines Kinderprogramms heranziehen kann. Erfolg ist ein
zielgerichteter Vorgang, er trägt immer den Bezug auf jemanden oder etwas in sich, bei dem man
erfolgreich sein will. Sogar die GfK selbst weist darauf hin, dass ihre Daten unter Vorbehalt zu
bewerten sind, denn vor allem jüngere Kinder haben möglicherweise Schwierigkeiten mit der
58
Bedienung der Personentaste des GfK-Rekorders . Dessen korrekte Handhabung jedoch Voraussetzung ist, um überhaupt als Zuschauer registriert zu werden.
3.3. Organisation der Fernsehsender
Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen am Beispiel des ZDF dargestellt werden, das in drei
Instanzen eingeteilt ist. Es sind der Fernsehrat, der Verwaltungsrat sowie der die Anstalt
56
57
58
vgl. http://www.gfk.de/ (13.08.02)
vgl. ebenda
vgl. http://www.gfk.de/ (13.08.02)
3. Kinderfernsehen heute
Seite 34
59
repräsentierende und für das Programm verantwortliche Intendant . Dieser wird für jeweils fünf
Jahre vom Fernsehrat
60
gewählt. Dies ist ein Aufsichtsgremium, das sowohl beratend als auch
kontrollierend fungiert und in dem 77 Mitglieder vertreten sind. Sie kommen aus den verschiedenen
Bereichen
der
Gesellschaft
und
sollen
damit
die
pluralistische
Gesellschaftsordnung
61
repräsentieren : Vertreter von Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen und
kulturellen Institutionen (vgl. Chill 1999, S. 87). Der Verwaltungsrat setzt sich aus vierzehn
Mitgliedern zusammen: Fünf Vertreter der Länder, ein Vertreter des Bundes und acht weitere
Mitglieder, die weder in einer Regierung noch in einer gesetzgebenden Körperschaft eingebunden
62
sein dürfen . Der Verwaltungsrat überwacht die Tätigkeit des Intendanten vor allem in
Haushaltsfragen. Die gemeinnützige Fernsehanstalt gliedert sich in sechs Geschäftsbereiche:
Intendanz,
Programmdirektion,
Chefredaktion,
Direktion
Europäischer
Programmbeteiligung,
Technische Direktion, Verwaltungsdirektion (vgl. Baum 1999, S. 274 ff.). Das Organisationsschema
(vgl. Abb. 11) zeigt die Eingliederung des Programmbereichs Kinder und Jugend. Die Organisation
im privaten Fernsehsektor sieht im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern anders
strukturiert aus, weil diese privatwirtschaftlichen Unternehmen das grundlegende Ziel haben,
Gewinne zu erwirtschaften.
Verwaltungsrat
Chefredaktion
Programmdirektion
Intendanz
Verwaltungsdirektion
Fernsehrat
Intendanz
etc.
Hauptredaktion
Kultur und Wissenschaft
Programmbereich
Spielfilm
Programmbereich
Kinder und Jugend
etc.
Abbildung 11
Organisationsschema des ZDF63
Die RTL Group ist z.Zt. Marktführer und soll als Beispiel dienen. Bei der RTL Group ist die
Gesellschafterstruktur wie folgt aufgeteilt: Bertelsmann besitzt 53,2%, BWTV gehört 37%, diese
setzen sich wiederum aus 80% Bertelsmann sowie 20% WAZ-Verlag zusammen. Die restlichen
9,8% sind Streubesitz verschiedener Aktionäre (vgl. Abb. 12). Effektiv unterhält der BertelsmannVerlag demnach 82,8% der RTL Group. Wenn ein privater Fernsehsender entsteht, müssen seine
59
seit März 2002 Markus Schächter (löst Prof. Dr. h.c. Dieter Stolte nach zwanzigjähriger Intendanz ab)
bei den ARD-Anstalten: Rundfunkrat
61
vgl. http://www.zfd.de/ZDFde/.html(12.08.02)
62
vgl. . http://www.zfd.de/ZDFde/.html(12.08.02)
63
vgl. http://www.gfk.de/ (20.05.01)
60
3. Kinderfernsehen heute
Seite 35
Gesellschafter zunächst investieren. Das Management erwirbt z.B. „Lizenzen für Spielfilme und
Serien, vergibt Aufträge für Produktionen, kauft Dienstwagen und vieles mehr“ (Karstens 1999, S.
353). Der Sender erzielt Erlöse, indem er mit dem investierten Geld ein Programm ausrichtet, das
z.B. durch den Verkauf von Werbezeiten oder Einnahmen von Gebühren daraufhin Gewinne abwirft.
Die Zulassung und Programmkontrolle wird über die Landesmediengesetze der
Bundesländer
geregelt (vgl. Kapitel 3.4.).
Abbildung 12
RTL Gesellschafterstruktur64
Diese sind seit 1984 in allen Bundesländern eingerichtet worden und ihre Beschlussgremien sind
Medienräte, in denen wie in den Rundfunk- und Fernsehräten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
die gesellschaftlich relevanten Gruppen vertreten sind (vgl. Chill 1999, S. 104).
3.4. Gesetzliche Rahmenbedingungen
Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter sind wesentlich
geprägt von der geschichtlichen und politischen Situation Deutschlands in der Zeit des
Nationalsozialismus. Das Regime Hitlers hat alle Medien `gleichgeschaltet` und das Medium
Fernsehen für eigene Propagandazwecke ausgenutzt. Daher wird in der Nachkriegszeit die
Dezentralisierung des Rundfunks auf die Länder von den Alliierten gefördert, um die Beherrschung
der Massenmedien durch die Regierung zu verhindern. Leitende Strukturprinzipien sind die
„staatsferne, dezentrale Organisation des Rundfunks sowie die Sicherung politischer, kultureller und
gesellschaftlicher Vielfalt“ (Holznagel 1999, S. 27). Basis hierfür bildet das Grundgesetz (GG) in
seinem Artikel 5, Absatz 1, Satz 1:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“
Um einen Missbrauch der Medien für die Zukunft auszuschließen, verleiht die verfassungsgebende
Versammlung der Medienfreiheit einen so hohen Stellenwert. Die festgeschriebenen Rechte der
64
vgl. http://www.rtl.de(21.08.02)
3. Kinderfernsehen heute
Seite 36
Meinungs- und Informationsfreiheit, Pressefreiheit und Freiheit der Berichterstattung sowie das
Zensurverbot werden als essentielle Grundlage für eine funktionierende Demokratie begriffen (vgl.
Karstens 1999, S. 32).
KOMMENTAR
Jedoch ist der Begriff `Meinung` hierbei ein unkonkreter, denn zugrunde liegende Motive oder gar
Beweise sind dabei nicht nötig. Damit sind auch durchaus falsche, rein emotionale oder polemische
Äußerungen durch das Grundgesetz weitgehend geschützt. Nur Tatsachenbehauptungen, die
bewusst oder erwiesenermaßen falsch sind, fallen nicht unter den Schutz des Grundgesetzes.
Damit sind die Medien mehr als nur ein Wirtschaftsgut. Ohne die Massenmedien ist in einer
modernen Gesellschaft die notwendige demokratische Meinungs- und Willensbildung nicht möglich
(vgl. Karstens 1999, S. 32). Auf diese Weise wird die Grundlage für die föderale Struktur des
deutschen Rundfunkwesens gelegt. 1950 wird die `Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten Deutschlands` gegründet und am 1. November 1954 geht das ARD-Fernsehgemeinschaftsprogramm auf Sendung. Die Bundesregierung versucht kurz darauf, die Rundfunkverhältnisse zu ihren Gunsten zu ändern (vgl. Hickethier 1991a, S. 28). Laut Karstens sei die
Adenauer-Regierung unzufrieden mit der „einseitig politisch linksorientiert“ (Karstens 1999, S. 19)
eingestellten ARD und der Meinung, dass die Interessen des Bundes vernachlässigt würden. Daher
strebt sie eine Bundesfernsehanstalt an, die von der Bundesregierung kontrolliert und
privatwirtschaftlich organisiert werden soll. Dies führt zur Gründung der `Deutschland-Fernseh65
GmbH` mit einem Stammkapital von knapp 11.800,- Euro . Den elf Bundesländern soll jeweils ein
geringer Anteil in Höhe von ca. 511,- Euro
66
zugeteilt werden und der Bund sichert sich hierbei die
Anteils- und Stimmenmehrheit. Gegen diese Maßnahme der Bundesregierung erheben die Länder
Klage und im Februar 1961 wird beim Bundesverfassungsgericht das erste Fernsehurteil gefällt: Die
`Deutschland-Fernseh-GmbH` wird als rechtswidrig aufgelöst und dem ZDF wird als öffentlichrechtliche Anstalt der Weg geebnet für ein Konkurrenz- und Kontrastprogramm.
„Nachdem Adenauer mit dem Bundesfernsehen gescheitert war, übernahmen es die Länder,
ein verfassungsrechtlich unbedenkliches bundesweites Fernsehprogramm auf die Beine zu
stellen, das zugleich mit den bei Regierung und Regierungspartei unbeliebten LänderAnstalten der ARD nichts zu tun haben sollte“ (Karstens 1999, S. 21).
Die Kompetenzen bezüglich des Post- und Fernmeldewesens werden in diesem Urteil geklärt und
67
fallen ab sofort unter die Funkhoheit der Deutschen Post , sowie das Fernsehen unter die
Kulturkompetenz der Länder gestellt wird. Betont wird „insbesondere die Staatsfreiheit des
Rundfunks und seine Funktion als `Medium` und `Faktor` der öffentlichen Meinungsbildung“
(Holznagel 1999, S. 29). Am 06. Juni 1961 wird der Staatsvertrag der Länder der Bundesrepublik
Deutschland beschlossen und begründet ARD und ZDF als
gemeinnützige Anstalten des
öffentlichen Rechts. Der erste Sendetag eines bundesweiten Vollprogramms des ZDF ist der 1. April
1963. Mit den Landesrundfunkanstalten der ARD schließt das ZDF 1964 einen Koordinierungsabkommen ab. Heutzutage ist die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen und
privaten Fernsehsender der Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland in der
65
damals in DM 23.000,damals in DM 1.000,67
Hierbei nimmt die Bundespost lediglich eine zentrale Aufgabe beim Bereistellen der technischen Einrichtungen ein (laut
Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.1961).
66
3. Kinderfernsehen heute
Seite 37
konsolidierten Fassung des fünften Rundfunkstaatsvertrags (RStV), der sich seit dem 1. Januar
68
2001 in Kraft befindet . Die Rundfunkstaatsverträge, die von den Regierungschefs der Länder und
von den Länderparlamenten beschlossen werden, legen im Einzelnen die duale Rundfunkordnung
fest. Sie beinhalten demnach das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk
(vgl. Chill 1999, S. 45f.). Die Rundfunkgesetze bestimmen den Aufbau der Landesrundfunkanstalten
und geben Auskunft über die Befugnisse der Gremien (Intendant, Rundfunkrat, Verwaltungsrat). Die
Landesmediengesetze legen die Regeln für den privaten Rundfunk fest. Dies schließt die
Bedingungen für eine Sendererlaubnis und die Befugnisse der Aufsichtsorgane ein (vgl. ebenda).
Die öffentlich-rechtlichen Sender haben im Gegensatz zu den privaten Sendern den Auftrag der
`Grundversorgung`. Diesen Begriff hat das Bundesverfassungsgericht im vierten Rundfunkurteil von
1986 eingeführt (vgl. Strasser 2000, S. 11). Hierzu zählt zunächst eine Übertragungstechnik, die
einen Empfang der Sendungen für alle Zuschauer ermöglicht (vgl. ebenda, S. 12). Damit ist bis auf
weiteres die terrestrische
69
Technik gemeint. Das Bundesverfassungsgericht erläutert den Inhalt der
Grundversorgung in seinem Urteil vom 6. Oktober 1992:
„Grundversorgung bedeutet weder eine Mindestversorgung noch beschränkt sie sich auf
den informierenden und bildenden Teil des Programms. Sie ist vielmehr eine Versorgung mit
Programmen, die dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechen [...] und die technisch für
alle empfangbar sind.“ (in: Chill 1999, S. 96).
Hierzu gehören nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Unterhaltung und Sport. Daher
verlangt es von den öffentlich-rechtlichen Sendern „ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit,
Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung“ (in: Chill 1999, S. 97). Folglich gehören zum klassischen
Programmauftrag Information, Bildungssendungen und Unterhaltung gleichermaßen. Die ARD und
das ZDF haben sich darauf geeinigt, diese Ausgewogenheit für das ganze Programm und für
Sparten zu gewährleisten (vgl. ebenda). Der Auftrag der Grundversorgung der öffentlich-rechtlichen
Sender rechtfertigt u.a. die Rundfunkgebühren.
3.4.1.
Jugendschutz
Der Kinder- und Jugendmedienschutz für den Bereich des Fernsehens ist Teil des gesamten
Jugendmedienschutzes. Dieser umfasst alle auf dem Markt befindlichen Medien wie etwa das
Internet oder Computerspiele. Die wichtigste gesetzliche Grundlage hierfür ist das Grundgesetz, das
laut Art. 5, Absatz 2 besagt, dass die Rechte auf Meinungs- und Pressefreiheit ihre Schranken in
den folgenden Vorschriften findet: Im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften
(GjS), in Teilen des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG), des
Strafgesetzbuches (§ 131; § 184 StGB) sowie im Rundfunkstaatsvertrag, der zum 01.01.2001
aktualisiert wurde. Speziell in § 3 RStV bezieht dieser sich auf den Jugendschutz im Fernsehen (vgl.
Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 85 u. Appelhoff 1994, S. 564ff.). Sendungen, die das körperliche,
geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen beeinträchtigen, dürfen danach nur
noch in der Zeit zwischen 23.00 und 6.00 Uhr ausgestrahlt werden. Bei Filmen, die ab zwölf Jahren
freigegeben sind, „ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen“ (§
3, Absatz 2, Satz 2 RStV). Filme ab Sechzehn Jahren dürfen ab 22.00 Uhr gezeigt werden. Neu ist
68
69
vgl. http://www.artikel5.de/gesetze/rstv.html (18.06.01)
d.h. ohne Kabelanschluss o. Satellitenanlage
3. Kinderfernsehen heute
Seite 38
zudem im novellierten Rundfunkstaatsvertrag die Bestimmung hinsichtlich der Ausstrahlung
indizierter Sendungen: Dies ist in Zukunft von der Erlaubnis des zuständigen Kontrollorgans
(Landesmedienanstalt, Rundfunkrat) anhängig.
„Bisher konnten alle Sender die abweichende Beurteilung selbst treffen, die Ausstrahlung
wurde erst nachträglich kontrolliert“ (Gangloff 1999a, S. 6).
Im Falle der Ablehnung kann ein erneuter Ausnahmeantrag gestellt werden, wenn durch
Bearbeitung solche Teile verändert worden sind, die die Indizierung offenkundig veranlasst haben
(vgl. § 3, Absatz 3). Außerdem müssen laut § 3, Absatz 4 RStV Sendungen, die nach den vorstehenden Bestimmungen nur zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr verbreitet werden dürfen, durch
akustische Zeichen angekündigt oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung
kenntlich gemacht werden. Dies entspricht den EU-Fernsehrichtlinien (vgl. Gangloff 1999a, S. 5).
Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob es dann nicht den erhöhten Reiz des Verbotenen für Kinder
darstellt.
70
„Eine optische Kennzeichnung könnte [...] Jugendliche, die durch das Programm zappen ,
erst auf die `verbotenen Früchte` aufmerksam machen“ (ebenda).
Die akustische Kennzeichnung vor dem Beginn der Sendung stellt keine Garantie dar, denn viele
Zuschauer schalten sich laut Tilmann P. Gangloff erst später zu (vgl. ebenda). In diesem Fall würde
der Hinweis ungeachtet bleiben.
KOMMENTAR
Die Sender haben sich auf eine einheitliche Variante geeinigt. Sendungen, die nach dem
Jugendschutzgesetz nur zwischen 22.00 und 6.00 Uhr ausgestrahlt werden dürfen, werden mit
einem akustischen Zeichen vor der Ausstrahlung angekündigt. Die Zweifel an dieser Regelung
scheinen begründet, denn genau wie bei Medikamentenhinweisen im Fernsehen oder Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen, wird vermutlich auch diese Warnung größtenteils unbeachtet
bleiben. Nichtsdestotrotz gibt es z.Zt. keine besser Alternative, um auf die Zielgruppenrelevanz des
Films aufmerksam zu machen.
Die Landesmedienanstalten können nach § 3, Absatz 5 RStV für digital verbreitete Programme des
privaten Fernsehens festlegen, unter welchen Voraussetzungen von den Sendezeitbeschränkungen
der Absätze 2 und 3 ganz oder teilweise abgewichen werden kann. Dies gilt nur dann, wenn der
Sender diese Sendungen mit einer allein für diese verwandte Technik verschlüsselt und vorsperrt
(z.B. durch einen Decoder). Zudem muss er sicherstellen, dass die Freischaltung durch den Nutzer
nur für die Dauer der jeweiligen Sendung oder des jeweiligen Films möglich ist. Die
Landesmedienanstalten bestimmen hierbei, welche Anforderungen an die Verschlüsselung und
Vorsperrung von Sendungen zur Gewährleistung eines effektiven Jugendschutzes zu stellen sind.
Jedoch gilt dieser Paragraph versuchsweise nur bis zum 31. Dezember 2002 (laut § 53a RStV).
„Hintergrund dieser Novellierung waren die – aus Sicht des Jugendschutzes –
ernüchternden Erfahrungen bei einem Praxistest mit der d-box, dem Decoder für digitales
Fernsehen. Die d-box-Kindersperre, lautete damals das Resümee des Medienforschers
Bernd Schorb, sei für den Jugendschutz unbrauchbar“ (Gangloff 1999a, S. 7).
Die Ergebnisse dieser von der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) in Auftrag
gegebenen Studie widersprechen den Erwartungen der Sender deutlich: Die Kindersperre ist
70
Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Fernsehkanälen mit Hilfe der Fernbedienung.
3. Kinderfernsehen heute
Seite 39
fehlerhaft entwickelt, unzureichend erläutert und schwer zu handhaben. Deshalb, aber auch aus
Unkenntnis und Bequemlichkeit, benutzen die Eltern die Kindersperre nicht. Zudem sind die Eltern
kaum über Regelungen und Institutionen des Kinder- und Jugendschutzes informiert (vgl. Voß
3/1999, S. 13).
„Die neue Jugendschutzregelung für das digitale Fernsehen [...] läuft also auf eine
Kombination zwischen Sender- und Elternverantwortung hinaus. Wenn die Eltern jedoch `die
PIN-Nummer an den Fernseher kleben`, kommentiert Stefan Schmitz, Jusitziar von
Premiere World, `kann man nichts machen`“ (Gangloff 1999a, S. 7).
Laut § 3, Absatz 6 RStV dürfen Trailer
71
für Sendungen, die der Sendezeitbeschränkungen
unterliegen, nur zu den Zeiten ausgestrahlt werden, in denen der Film oder die Sendung selbst
laufen darf. Neu ist in dem Rundfunkstaatsvertrag, dass die Landesmedienanstalten ein komplettes
Sendeformat bewerten können (z.B. eine Talkshow-Reihe). Laut § 3, Absatz 7 RStV können
Sendeformate beispielsweise zeitlich nach hinten verlegt werden, wenn die Ausgestaltung des
Themas, der Themenbehandlung, Gestaltung oder Präsentation in einer Gesamtbewertung einem
Verstoß des Rundfunkstaatsvertrages gleich kommt. Verschiedene Institutionen befassen sich mit
der Prüfung von Film- und Fernsehinhalten wie z.B. die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften (BPjS), die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) oder die Freiwillige
Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Hierbei prüft die FSK im Auftrag der Jugendministerien der
Bundesländer Kino- und Videofilme, die in der Öffentlichkeit aufgeführt werden sollen und
kennzeichnet sie für entsprechende Altersgruppen als freigegeben. Die fünf Kategorien der
Altersgrenzen sind hierbei: ohne Altersbeschränkung, ab 6 Jahren, ab 12 Jahren, ab 16 Jahren und
ab 18 Jahren.
KOMMENTAR
Die Jugendschutzaltersbegrenzungen sind im novellierten Staatsvertrag nicht eindeutig geregelt. So
ist z.B. bei Filmen, die freigegeben sind ab zwölf Jahren in § 3, Absatz 2, Satz 2 RStV nachzulesen,
dass „bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen“ ist. Diese
Aussage ist unkonkret formuliert und daher von der Auslegung der einzelnen Sendeanstalten
abhängig.
Nach einem ähnlichen Modell gründet sich 1993 die FSF, die sich hauptsächlich mit den Produkten
der privaten Anbieter beschäftigt wie z.B. mit Serien, TV-Movies
72
oder Talkshows (vgl.
Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 86f.). Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern verpflichtet sich der Rundfunkrat die Einhaltung der empfohlenen Zielgruppe und der damit verbundenen Sendezeit
einzuhalten und bei den privaten Sendern übernimmt dies die jeweilige Landesmedienanstalt. Da die
Fernsehanbieter zumeist eine bundesweite Ausstrahlung ihres Programms anstreben, ist eine enge
Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten erforderlich (vgl. Appelhoff/Schober in: Deutsches
Jugendinstitut 1994, S. 567f.). Zu diesem Zweck bildet sich die Gemeinsame Stelle Jugendschutz
der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (KDLM). Diese und die jeweiligen Landesmedienanstalten können laut dem neuen Staatsvertrag bei Verstößen gegen Jugendschutzbestimmungen Bußgelder von bis zu 500.000,- Euro erheben (vgl. § 49, Absatz 1, Nr. 5 in
Verbindung mit Absatz 2 RStV).
71
72
Programmankündigungen mit bewegten Bildern
Spielfilme für das Fernsehen
3. Kinderfernsehen heute
Seite 40
In den letzten Jahren ist bereits eine Debatte darüber geführt worden, dass die gegenwärtigen
Gesetze zum Jugendschutz unübersichtlich und inhaltlich zu wenig aufeinander abgestimmt seien
(vgl. Gottberg 2002, S. 4). Auslöser für eine neue Mediengewaltdiskussion sowie einer schnelleren
73
Jugendschutzreform ist die Tat eines Erfurter Abiturienten , der am 26. April 2002 in seiner Schule
16 Menschen erschossen hat und sich danach selbst tötete (vgl. ebenda). Der neue Gesetzentwurf
soll die bisherige Trennung der Zuständigkeiten im Jugendschutz beseitigen und gemeinsam mit
einem neuen Jugendmedienschutzvertrag der Länder einen einheitlichen Ordnungsrahmen für den
74
gesamten Jugendschutz schaffen . Ziel dabei ist, die verschiedenen Jugendschutzgesetze
quantitativ zu reduzieren und die Koordination der unterschiedlichen Institutionen zu verbessern. Die
bisherigen Gesetze zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und über jugendgefährdende
Schriften werden in einem Gesetz zusammengefasst, das nur noch als Jugendschutzgesetz
(JuSchG) benannt wird (vgl. Gottberg 2002, S. 4). Dieser neue Gesetzentwurf wurde vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet und nach Zustimmung der Landtage wird das neue Jugend75
schutzgesetz voraussichtlich im April 2003 in Kraft treten . Es umfasst allgemeinen Jugendschutzbestimmungen, wie z.B. Rauchen in der Öffentlichkeit, Abgabebestimmungen für alkoholische
Getränke und Besuch von Tanzveranstaltungen, sowie Vorschriften für Offline-Medien, die neben
Printmedien, Kino und Video nun auch Computerspiele beinhalten (vgl. Bundesgesetzblatt 2002, S.
2731ff.). Neu ist im Jugendschutzgesetz u.a. eine Regelung, wonach Kinder ab 6 Jahren auch
Kinofilme besuchen dürfen, die erst ab 12 Jahren freigegeben sind, wenn sie von einem sorgeberechtigten Erwachsenen begleitet werden (vgl. Bundesgesetzblatt 2002, S. 2732). Der
Hintergrund dieser neuen Regelung nach § 11, Absatz 2 JSchG scheint die Stärkung der
Erziehungsverantwortung der Eltern zu sein (vgl. Gottberg 2002, S. 4).
KOMMENTAR
Zwar gibt es auch in anderen Ländern diese sog. Parental-Guidance-Regelung, wie etwa in
Großbritannien oder Dänemark, doch gilt es dort für alle nächsthöheren Altersstufen. Fraglich ist,
warum in Deutschland diese Ausnahme nur für die Altersstufe sechs bis zwölf gilt und nicht auch für
die jeweils anderen Altersstufen. So dass ein Sechsjähriger mit einem Elternteil in einen Film ab
zwölf Jahren gehen kann, aber ein Zwölfjähriger nicht in einen Film ab sechzehn Jahren. Eine
Begründung für diese einzige Ausnahme gibt es nicht. Auch wenn die FSK-Angabe nur eine
Empfehlung darstellt, verlassen sich die meisten Eltern auf die Meinung der Experten. Eine Freigabe
ab zwölf Jahren mit einer gleichzeitigen Option für Kinder ab sechs Jahren, könnte die Eltern
verunsichern. Fraglich ist, warum man nicht eher die fünf Kategorien der Altersgrenzen
76
genauer
einteilt. Der Sprung zwischen der Altersgrenze sechs und zwölf Jahren ist groß, denn er beinhaltet
zwei verschiedene Entwicklungsstufen. Zu diskutieren wäre, ob eine zusätzliche Altersstufe (evtl. bei
neun Jahren) eingeführt werden sollte.
Nach Auffassung der Kirchen verschärft diese Regelung das Problem altersgemäßer Freigabe von
Kinofilmen in Deutschland weiter (vgl. Braunschweiger Zeitung 2002d, S. 31):
73
Robert Steinhäuser hat nachweislich gewalthaltige Computerspiele konsumiert und seine Tat ähnelt im Ablauf stark einem
dieser Spiele.
74
vgl. http://www.jugend.rlp.de/aktuell/aktuelles_jugendschutz.htm (18.10.02)
75
vgl. http://www.politik-digital.de/netzpolitik/jugendschutz/ jugendschutz.shtml (18.10.02)
76
ohne Altersbeschränkung, ab 6 Jahren, ab 12 Jahren, ab 16 Jahren und ab 18 Jahren
3. Kinderfernsehen heute
Seite 41
„Zu kritisieren sei […] der Automatismus der neuen Regelung. […]
Im schlimmsten Fall könnte die Freigabe ab zwölf nahezu überflüssig werden, weil in der
Diskussion im Prüfungsausschuss immer berücksichtigt werden müsse, dass eine Freigabe
ab zwölf den Film automatisch auch für Sechsjährige öffnet“ (ebenda).
Die Freigabeprüfer der katholischen und der evangelischen Kirchen regen nun dazu an, dass der
Prüfungsausschuss zusätzlich entscheiden könnte, ob ein Film ab 12 Jahren eine zusätzliche
Kennzeichnung für die Parental Guidance erhält (vgl. ebenda). Im neuen Jugendschutzgesetz wird
zudem in § 11, Absatz 5 festgelegt, dass Werbefilme oder –programme, die für Tabakwaren oder
alkoholische Getränke werben, nur nach 18.00 Uhr in Filmveranstaltungen vorgeführt werden
dürfen. Der § 12 JSchG regelt die Freigabe von Bildträgern mit Filmen oder Spielen. Sie dürfen
Kindern in der Öffentlichkeit nur zugänglich gemacht werden, wenn sie von der Obersten
Landesjugendbehörde oder einem Organ der Freiwilligen Selbstkontrolle für die entsprechenden
Alterskategorien freigegeben sind. Dasselbe gilt auch für elektronische Bildschirmspielgeräte, die
öffentlich aufgestellt sind (vgl. § 13, Absatz 1 JSchG). Genauso wie Kinofilme sollen auch
Spielprogramme eine Altersfreigabe erhalten (vgl. § 14 JSchG). Zudem werden in dem neuen
Jugendschutzgesetz u.a. einzelne Veränderungen in Bezug auf die Sicherheit im Internet stattfinden
(vgl. Bundesgesetzblatt 2002, S. 2733ff.).
KOMMENTAR
Unter Spielprogrammen fallen nicht nur erwerbbare Computerspiele, sondern auch Spiele, die den
Kindern über das Internet zugänglich sind. Hier stellt sich das Problem des Anbieters dieser Spiele.
Solange es auf einem deutschen Server herunterzuladen oder zu spielen ist, greift das neue Gesetz
eindeutig. Doch wenn der Server für das Spiel nicht in Deutschland stationiert ist, wird das Gesetz
hinfällig. Anbieter dieser Internetspiele werden diese Gesetzeslücke voraussichtlich zu nutzen
wissen. Da zudem eine immer größere Verschmelzung von TV und Internet stattfindet, gilt das
gleiche Problem bei Spielfilmen. Mittlerweile ist es mögliche jegliche Filme, Musik und Spiele im
Internet zu finden und auch auf den eigenen Computer herunterzuladen. Da das Herunterladen von
Daten für jedermann, der sich mit dem Medium Internet auskennt, möglich ist, steht der
Jugendschutz hier vor neuen und schwierigen Aufgaben. Es kann kaum kontrolliert werden, wer sich
einen Film oder ein Spiel auf den eigenen Computer lädt, der z.B. erst ab achtzehn Jahren
freigegeben ist oder sogar indiziert wurde.
Besondere Bestimmungen für elektronisch verbreitete Medien, die das Fernsehen oder Internet
umfassen,
werden
demnächst
in
einem
Jugendmedienschutzstaatsvertrag
(JMStV)
zusammengefasst, der sich derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren befindet (vgl. Gottberg 2002,
S. 4). Er soll nach Verabschiedung des Länderparlaments gemeinsam mit dem JSchG im April 2003
in Kraft treten.
„Bezüglich des Internets ist ein erheblicher Fortschritt darin zu sehen, dass die bisherige
rechtliche Trennung von Telediensten und Mediendiensten aufgehoben wird, sie heißen von
nun an Telemedien und für beide gelten die gleichen Bestimmungen“ (Gottberg 2002, S. 6).
Als gemeinsame Aufsicht für Fernsehen und Internet wird eine Kommission für Jugendmedienschutz
(KJM) gegründet (vgl. ebenda). Die öffentlich-rechtlichen Sender werden jedoch nicht der Aufsicht
der KJM unterliegen. Ziel des Jugendmedienschutzstaatsvertrages ist u.a. das Verhältnis von
Selbstkontrolle und staatlicher Aufsicht klar zu regeln (vgl. Gottberg 2002, S. 7).
3. Kinderfernsehen heute
3.4.2.
Seite 42
Finanzierung
Nach § 12, Absatz 1 des Rundfunkstaatsvertrages finanziert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk
durch Rundfunkgebühren, Einnahmen aus Rundfunkwerbung und sonstigen Einnahmen. Vorrangige
Finanzierungsquelle soll die Rundfunkgebühr sein. Diese sind in den Jahren zwischen 1992 bis
1998 nur minimal gestiegen
(vgl. Abb. 13). Die Rundfunkanstalten melden jährlich einen
Finanzbedarf an, der von der KEF auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprüft wird. Über die
Höhe der Gebühren entscheiden dann die Ministerpräsidenten der Länder in einem Staatsvertrag,
der von allen 16 Landtagen genehmigt werden muss (vgl. Chill 1999, S. 92).
IST-Plan in Mio. DM
25000
20000
15000
10000
5000
0
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
Jahr
ARD
andere*
Abbildung 13
ZDF
gesamt
Ki.Ka
Gebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten von 1992 bis 1998 (Ist-Plan in
Mio. DM)77
Die privaten Veranstalter können ihre Rundfunkprogramme laut § 43 RStV durch Einnahmen aus
78
Werbung und Teleshopping , durch sonstige Einnahmen, insbesondere durch Entgelte der
Teilnehmer (Abonnements oder Einzelentgelte), sowie aus eigenen Mitteln finanzieren. Eine
Finanzierung privater Veranstalter aus der Rundfunkgebühr ist unzulässig.
3.4.3.
Werbung
Die Dauer der Werbung wird in § 15 RStV festgelegt, so besagt der Absatz 1 dieses Paragraphen,
dass die Gesamtdauer der Werbung im Ersten Fernsehprogramm der ARD und im ZDF jeweils
höchstens 20 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt betragen soll. In den dritten Programmen
der öffentlich-rechtlichen Sender wird die Werbung durch § 15, Absatz 2 des Rundfunkstaats-
77
78
vgl. Chill 1999, S. 91 / *andere sind: arte, Deutschlandradio, Phoenix, KEF, LMA
Dauerwerbesendungen
3. Kinderfernsehen heute
Seite 43
vertrages untersagt. Das Satellitenprogramm und die digitalen Angebote von ARD und ZDF bleiben
von dieser Vorschrift unberührt. Nach 20.00 Uhr sowie an Sonntagen
79
dürfen Werbesendungen
überhaupt nicht ausgestrahlt werden (vgl. § 15, Absatz 1, 3. Satz RStV).
KOMMENTAR
Hierbei nutzen die öffentlich-rechtlichen Sender eine Lücke im Gesetz, indem sie z.B. sonntags oder
nach 20.00 Uhr statt Werbung zu schalten, dann das Product Placement oder das Sponsoring von
Sendungen einsetzen.
Zudem dürfen nach § 14, Absatz 1 RStV Sendungen für Kinder
80
nicht durch Werbung oder
Teleshopping-Spots unterbrochen werden. Dieser Grundsatz für das Kinderfernsehen gilt ebenso für
die privaten Anbieter laut § 44, Absatz 1 RStV. Die Dauer der Werbung bei den privaten Anbietern
ist in § 45, Absatz 1 ausführlich geregelt, so darf der Anteil an Sendezeit für Teleshopping,
Werbespots und andere Formen der Werbung 20% der täglichen Sendezeit nicht überschreiten.
Schwarze Zahlen kann ein privater Sender demnach nur mit Werbeeinnahmen erzielen. Diese
bedingen sich durch die für die Werbeplatzinteressenten vielversprechenden Sendezeiten. Werbung
ist demnach abhängig von der Einschaltquote, d.h. wie viele der Zielgruppenpersonen erreicht
werden. Diese Brutto-Reichweite bestimmt den Preis pro 20 Sekunden Werbezeit (vgl. IP
81
Deutschland 2000, S. 27ff.). Zusatzerlöse können hierbei sein: Merchandising, Teletext , Internet,
82
0190-Service-Nummern, Gewinnspiele, Printobjekte , Programmverkauf oder der Konzept- und
Formatverkauf (vgl. Karstens 1999, S. 365ff.).
79
sowie an Feiertagen, die im ganzen Bundesgebiet anerkannt sind
sowie Übertragungen von Gottesdiensten
81
bzw. Videotext
82
Zeitschriften und Magazine (z.B. Sendung mit der Maus -Magazin o. Pokémon-Comic)
80
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 44
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Um die Qualität des Fernsehens für Kinder einschätzen zu können, ist es notwendig, die Kinder
selbst als Fernsehrezipienten zu beobachten. Basis der Rezeptionsforschung sind repräsentative
Befragungen, qualitative Untersuchungen und Einzelfallstudien. Quantitative Untersuchungen
werden von der GfK durchgeführt, deren telemetrischen Daten als Grundlage der Rezeptionsforschung gelten (vgl. Feierabend 1996, S. 186). Kinder sind eine heterogene Zielgruppe der
wissenschaftlichen Untersuchungen und ihr Umgang mit dem Medium Fernsehen variiert aufgrund
differenter entwicklungspsychologischer Voraussetzungen in den unterschiedlichen Lebensphasen. Dem wird in den Studien Rechnung getragen, indem man die Kinder zumeist in drei
84
verschiedene Altersgruppen
teilt: Vorschulkinder (3-5 Jahre), Grundschulkinder (6-9 Jahre)
und die Zehn- bis Dreizehnjährigen (vgl. Feierabend 1996, S. 186). Darüber hinaus
differenzieren Beschreibungen zum kindlichen Fernsehverhalten neben dem Alter, das Geschlecht
auch die Herkunft. So unterscheiden die Studien seit der Wiedervereinigung zwischen ostdeutschen und westdeutschen Kindern, die Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts noch
markante Unterschiede aufwiesen (vgl. Feierabend 1998, S. 167). Das kindliche Rezeptionsverhalten hat sich bei ihnen jedoch in den letzten Jahren so weit angenähert (vgl. ebenda), dass in
der vorliegenden Arbeit nicht weiter darauf eingegangen wird. Nicht zuletzt wird das kindliche
Fernsehverhalten entscheidend von der sozialen Schichtzugehörigkeit der Kinder und der Bildung
ihrer Eltern beeinflusst (vgl. Böhme-Dürr 1991, S. 186ff.).
Die Daten werden in Sehdauer, Verweildauer und Nettoreichweite aufgeteilt. Dabei gibt die
Sehdauer die Zeit an, die Kinder an einem Tag durchschnittlich fernsehen, wobei die Nichtseher
berücksichtigt werden und in die Bewertung eingehen. Die Verweildauer gibt die zeitliche
Zuwendung derjenigen Kinder an, die tatsächlich fernsehen. Mit der Nettoreichweite wird der
Prozentsatz der Rezipienten bezeichnet, die während eines Tages mindestens eine Minute
hintereinander fernsehen (vgl. Feierabend 1998, S. 167ff.).
4.1. Fernsehnutzung von Kindern
61% aller Kinder in der Bundesrepublik Deutschland schalten täglich den Fernseher ein, diese
Nettoreichweite umfasst rund 5,36 Millionen junger Zuschauer (vgl. Feierabend 2002, S. 222).
Die neuesten Daten aus der Fernsehforschung der GfK zeigen, dass im Jahr 2001 in Deutschland
93% der Kinder in einem Kabel- oder Satellitenhaushalt leben. Über Kabel stehen ihnen durchschnittlich 36 und über Satellit 43 Fernsehprogramme zur Verfügung. Eine geringere Programmauswahl von ungefähr neun Sendern
85
haben noch rund 7% der Drei- bis Dreizehnjährigen (vgl.
Feierabend 2002, S. 222). Nach der Analyse von Feierabend und Klingler lässt sich ein korrelativer Zusammenhang zwischen dem Programmangebot und der Fernsehnutzung von Kindern
feststellen (vgl. Abb. 14). An einem durchschnittlichen Tag sehen in einem terrestrisch ausge-
84
Diese Altersangaben sind nur als Näherungswerte zu verstehen. Die Übergänge in den Entwicklungsstufen sind fließend
(vgl. Kapitel 4.2.)
85
Haushalte mit einem terrestrischen Empfang
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 45
statteten Haushalt nur 49% der Kinder fern, während in einem Kabelhaushalt 61% und in einem
Satellitenhaushalt 63% fernsehen (vgl. Feierabend 2002, S. 222).
Sehdauer von Kindern nach Empfangsebene
Mo-So, 3.00-3.00 Uhr, 3-13 Jahre
120
100
80
60
40
20
0
terrestrisch
Kabel
Jahr 2000
Abbildung 14
Satellit
Jahr 2001
Sehdauer von Kindern in Min./Tag nach Empfangsebenen im Vergleich 2000/200186
KOMMENTAR
Bei dem dargelegten Zusammenhang, dass in Haushalten mit weniger Senderangebot weniger
Kinder das Fernsehgerät nutzen, müsste überprüft werden, ob dies auf das geringere Programmangebot zurückzuführen ist oder vielmehr auf die Erziehungsmethoden und Einstellungen der
Eltern. Aus den Daten geht eine Überprüfung nicht hervor. Im Folgenden wird in diesem Kapitel
die Wichtigkeit der Vorbildfunktion der Eltern auf die Kinder näher erläutert. Es wäre daher überprüfungswürdig, aus welchen Gründen die Eltern mit terrestrisch geführten Haushalten, kein
Interesse an einem Kabel- oder Satellitenempfang haben. Zudem sollten die Sehgewohnheiten,
Lebensumstände, die Schulbildung sowie die generelle Einstellung zum Fernsehen dieser
Familien bewertet werden (vgl. u.a. Hurrelmann 1989, S. 63ff.). Dies hat einen großen Einfluss auf
die Fernseherziehung der eigenen Kinder und könnte somit ausschlaggebend für die vorliegenden
Ergebnisse sein.
Bei den liebsten Freizeitbeschäftigungen der Sechs- bis Dreizehnjährigen spielt das Fernsehen
eine große Rolle (vgl. Feierabend 2002, S. 221). Es liegt in der Beliebtheitsskala in den letzten
Jahren kontinuierlich auf Platz zwei hinter dem Treffen mit Freunden (vgl. Abb. 15). Das Spielen
ist nur fast so beliebt wie das Fernsehen. 18% aller Kinder machen am liebsten Sport und 15%
beschäftigen sich gern mit einem Tier. Etwa jedes zehnte Kind gibt als Lieblingsbeschäftigung das
Hören von Tonträgern, Malen oder Basteln, Computernutzung und Unternehmungen mit den
Eltern an (vgl. Feierabend u.a. 2000, S. 10). Die größte Bindungskraft eines Mediums für die
Gruppe der Sechs- bis Dreizehnjährigen besitzt heutzutage das Fernsehen. Drei Viertel von ihnen
könnte eher auf den Computer, das Radio oder Zeitschriften verzichten (vgl. Feierabend 2002, S.
86
vgl. Feierabend 2002, S. 223
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 46
221). Es ist demnach unbestritten, dass das Fernsehen nach wie vor eines der beliebtesten
Freizeitvergnügen von Kindern darstellt.
Video sehen
Telefonieren
Gameboy
lesen (kein Schulbuch)
Eltern/Familie
PC (spielen/lernen)
Malen/Zeichnen/Basteln
CD/Kassette/Schallplatte
mit Tier beschäftigen
Sport treiben
Spielen
Fernsehen
Freunde treffen
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
in Prozent
Abbildung 15
4.1.1.
Liebste Freizeitbeschäftigung der Sechs- bis Dreizehnjährigen87
Sehdauer
Die durchschnittliche Sehdauer der Kinder beträgt im Jahr 2001 am Tag 98 Minuten (vgl. Abb. 16).
101
100
99
98
97
96
95
94
93
92
1992
Abbildung 16
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
Entwicklung der durchschnittlichen Sehdauer von Kindern in den Jahren 1992 bis 2001 in
Min./Tag88
In Anbetracht der deutlich gestiegenen Programmangebote für Kinder ist die gesamte Entwicklung
von 1992 bis heute laut Sabine Feierabend und Erik Simon als kontinuierlich zu interpretieren (vgl.
87
88
vgl. Feierabend 2000, S. 10
vgl. Feierabend u.a. 2002, S. 221
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 47
Feierabend 2001, S. 178). Bachmair vermutet, dass das Fernsehen langsam seine Funktion als
Leitmedium verliert und der Computer mit seinen vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten zum
Zentrum des kindlichen Medienhandelns avanciert (vgl. Bachmair 1997b, S. 13ff.). Immerhin ist er
in der Beliebtheitsskala der Kinder in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und 1999 schon
mit 9% vertreten (vgl. Feierabend u.a. 2000, S. 10). Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass der
kindliche Fernsehkonsum so stabil geblieben ist. Im Gegensatz dazu ist der Fernsehkonsum der
Erwachsenen in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Kinder sehen etwa nur halb soviel fern
wie Erwachsene (vgl. Klingler 1994, S. 52-56 u. S. 120ff.). Die jüngeren Rezipienten scheinen
demnach seit dem Zuwachs des Fernsehangebots bei ihrer Fernsehnutzung vermehrt zu
selektieren (vgl. Feierabend 1998, S. 169). Der Fernsehkonsum steigt jedoch mit dem Alter der
Kinder kontinuierlich an. Die Gruppe der Drei- bis Fünfjährigen weist eine Sehdauer von 76
Minuten auf, bei den Grundschulkindern steigt der Konsum auf täglich 93 Minuten und die ältesten
Kinder bis dreizehn Jahren schauen am Tag durchschnittlich 113 Minuten fern (vgl. Abb. 17).
120
100
80
60
40
20
0
1992
1993
1994
1995
3- 5 Jährige
Abbildung 17
1996
1997
1998
6- 9 Jährige
1999
2000
2001
10- 13 Jährige
Sehdauer in Min./Tag der Kinder im Gruppenvergleich von 1992 bis 200189
Herauszuheben ist hierbei, dass in der Langzeitbetrachtung nur die jüngste Zuschauergruppe der
Drei- bis Fünfjährigen einen Anstieg der Sehdauer aufweist. Lag in dieser Altersgruppe der
Durchschnitt im Jahr 1992 noch bei 66 Minuten pro Tag, so sind es im Jahr 2001 zehn Minuten
mehr (vgl. Feierabend 2002, S. 221). Bei Kindern, die über ein eigenes Fernsehgerät verfügen,
liegt die Sehdauer um 20 Minuten über dem Durchschnitt und die Verweildauer beträgt bei
Kindern mit eigenem TV-Gerät sogar 34 Minuten mehr als bei den Rezipienten ohne eigenen
Fernsehapparat (vgl. Feierabend 2002, S. 224). Die Verfügbarkeit des Fernsehens in den
Kinderzimmern steigt zudem kontinuierlich, denn waren 1999 noch 29% der Kinder zwischen
sechs und dreizehn Jahren im Besitz eines eigenen Gerätes, sind es 2000 schon 34% (vgl.
Feierabend 2001, S. 176). Mittlerweile hat jedes dritte Kind zwischen sechs und 13 Jahren einen
eigenen Fernsehapparat (vgl. Feierabend 2002, S. 221). Werner Glogauer sieht diesen Trend als
89
vgl. Feierabend 2002, S. 221
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 48
Gefahr für ausschweifenden Fernsehkonsum. Bei den Kinder mit einem eigenen Fernsehgerät
„beträgt [...] der Anteil der Frühseher 65,5% und 81% sehen Sendungen des Vorabend- und des
Abend- und Spätprogramms“ (Glogauer 1998, S. 28). Auch Theunert bestätigt, dass der Besitz
eines eigenen Fernsehapparats spätes Fernsehen begünstigt (vgl. Theunert 1995, S. 17f.). Nach
einer Untersuchung von Jo Groebel beträgt der Anteil sogenannter Vielseher 6% aller Kinder (vgl.
Riemann 8/2000, S. 12). Die Untersuchungsdaten einer repräsentativen Fragebogenerhebung von
1999 über Schüler der Klassen 1 bis 5 von Sabine Riemann weisen ihrer Meinung nach auf, dass
das Interesse für das Fernsehen „geringer ausgeprägt ist als erwartet“ (Riemann 8/2000, S. 12).
Indessen ist Glogauer davon überzeugt, dass „viele Kinder mehr Zeit vor dem Fernseher
verbringen als in der Schule“ (Glogauer 1998, S. 28). Er errechnet allein unter den Grundschülern
20% Exzessivseher und 35% Vielseher
90
(vgl. ebenda). Bei den Vorschulkindern gehört laut
Rainer Peek und Wolfgang Tietze schon fast ein Viertel zu den Vielsehern (vgl. Peek 1994, S.
102). Genausogross ist der Anteil der Wenigseher in dieser Altersgruppe, die durchschnittlich bis
zu 15 Minuten pro Tag fernsehen. Die Normalseher unter den Drei- bis Sechsjährigen machen
rund ein Drittel der Kinder aus, die ungefähr 15 bis 45 Minuten pro Tag den Fernseher nutzen.
Jedes siebte Kind dieser Altersgruppe ist Nichtseher (vgl. ebenda).
KOMMENTAR
Diese Angaben der Autoren sind kritisch zu betrachten, da es zu der Definition der Fernsehtypen
keine allgemein gültige Regel für die Zuordnung gibt: Glogauer unterscheidet bei den
Grundschulkindern Vielseher unter mit mehr als 2,6 Stunden und Exzessivseher mit mehr als 4
Stunden Fernsehen am Tag (vgl. Glogauer 1998, S. 143). Seine Ergebnisse umfassen jegliche
Fernsehrezeption, so auch Videofilme. Dahingegen werden in der Untersuchung von Feierabend /
Klingler Kinder mit einer Sehzeit von mehr als 3 Stunden am Tag als Vielseher bezeichnet (vgl.
Feierabend 1998, S. 170). Löhr wiederum setzt die obere Grenze für die Durchschnittsseher unter
den Kindern bei bis zu zwei Stunden Fernsehkonsum täglich (vgl. Löhr 1995, S. 47). In der
Altersgruppe der Vorschulkinder definieren Peek und Tietze als Vielseher Kinder mit einem
Fernsehkonsum von über 45 Minuten Sehzeit (vgl. Peek 1994, S. 102). Dies sollte bei der
Bewertung der einzelnen Aussagen der Autoren beachtet werden. Hierbei wird deutlich, wie
unterschiedlich Medienexperten bei der Definition von `normalem` und `überdurchschnittlichem
Fernsehkonsum` bei Kindern sind.
Karin Richter hält es für wenig sinnvoll aufzuzählen, wie viele Kinder Exzessivseher, Vielseher
oder Normalseher sind (Richter 8/2000, S. 11). Ihrer Meinung nach ist es notwendig, dass die
Schule „weitaus konsequenter und produktiver als bisher auf gesellschaftliche Entwicklungen und
Erfordernisse – auch und gerade im neuen medialen Rahmen – reagiert“ (ebenda). Zudem sollen
politisch Verantwortliche Rahmenbedingungen für multimediale Entwicklungen schaffen (vgl.
ebenda). Im Vergleich zwischen den Geschlechtern wird eine stärkere Zuwendung des
männlichen Nachwuchses zum Medium Fernsehen deutlich (vgl. Feierabend 2002, S. 223). Eine
mögliche Erklärung ist laut Windgasse, dass Fernsehinhalte in der Regel eher auf die Bedürfnisse
von Jungen als auf die von Mädchen ausgerichtet sind (vgl. Windgasse 1998, S. 55f.). Feierabend
stellt fest, dass Kinder die Sehgewohnheiten der Erwachsenen adaptieren, denn es ist eine
90
Diese Ergebnisse umfassen auch Videorezeptionen der Kinder.
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 49
zunehmende Verschiebung der Fernsehnutzung von Kindern zu beobachten (vgl. Feierabend
2001, S. 180 u. S. 188). Ab 17.00 Uhr steigt die Fernsehnutzung der Kinder kontinuierlich an und
die Prime Time liegt zwischen 18.45 und 20.00 Uhr, die sich am Samstag noch mehr nach hinten
verschiebt (vgl. Abb. 18). Die Verweildauer ist um diese Zeit für alle Altersgruppen am Höchsten
(vgl. Best 1996, S. 58).
„[...] morgens kommen die schlechten Filme und abends die guten, wo Kinder nicht
gucken dürfen“ (Haydar, 12 Jahre, in: Theunert 1995, S. 20).
Abbildung 18
Fernsehnutzung von Kindern im Tagesverlauf91
Je älter die Kinder sind, desto später wird der Nutzungshöhepunkt am Tag erreicht, dieser Trend
zeichnete sich schon in den Anfangsjahren des Fernsehens ab. Mögliche Gründe für den
Zuwachs der Fernsehnutzung mit steigendem Alter könnten in der Haltung der Eltern zu finden
sein. Wie in anderen Bereichen auch räumen sie ihren Kindern mit wachsendem Alter beim
Umgang mit dem Fernsehgerät mehr Freiheiten ein. Hinzu kommt die Möglichkeit der älteren
Kinder, in anderen Haushalten fern zusehen. Für sie hat das gemeinsame Fernsehen mit
Freunden z.B. einen hohen Stellenwert (vgl. Theunert 1995, S. 17f.). Besonders beliebt waren in
der Prime Time im Jahr 2000 Spielfilme wie Asterix oder Titanic und Unterhaltungsformate wie
Wetten, dass.. oder Wer wird Millionär (vgl. Feierabend 2001, S. 183) und im Jahr 2001 ähnlich
wie im Vorjahr mit Sendungen wie Domino Day und wieder Wer wird Millionär (vgl. Feierabend
2002, S. 229). Diese favorisierten Sendungen stellen kein explizites Kinderfernsehen dar. Am
Wochenende verschiebt sich die Fernsehnutzungskurve nochmals, so dass freitags um 21.30 Uhr
noch jedes fünfte Kind vor dem Fernsehgerät sitzt und um 22.30 Uhr immerhin noch jedes zehnte
(vgl. Feierabend 2002, S. 225). Bereits morgens schauen die Kinder fern (hauptsächlich am
91
vgl. IP Deutschland 1998, S. 9
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 50
Wochenende): „Samstags und sonntags dann gucke ich so, wenn ich aufstehe, um acht oder so.
Dann gibt’s auch schon Kinderfilme“ (zehnjähriges Mädchen, zit. in Theunert 1992, S. 6). Das
Medienhandeln der Kinder wird durch das Vorbild der Eltern beeinflusst (vgl. Fischer 2000, S. 47).
Die Intensität des kindlichen Fernsehkonsums ist u.a. abhängig von der formalen Bildung und dem
sozialen Status der Eltern:
„Die Familie als wichtigste Sozialisationsinstanz im Leben insbesondere jüngerer Kinder
setzt sozusagen die Rahmenbedingungen für das kindliche Medienverhalten – quantitativ
wie qualitativ“ (Horn 1990, S. 241).
Sowohl die quantitativen als auch die qualitativen Merkmale des Fernsehverhaltens der Eltern
haben somit einen großen Einfluss auf den Fernsehkonsum der Kinder (vgl. Hurrelmann 1996, S.
89ff.). Zwischen dem Fernsehkonsum der Eltern und Kinder besteht ein „konsistenter positiver
Zusammenhang“ (Wilhelm 1997, S. 115). Je länger die Eltern fernsehen, umso länger sitzen die
Kinder vor dem Bildschirm (vgl. ebenda, S. 116). Besonders groß ist der Einfluss der Eltern bei
Einzelkindern (vgl. ebenda, S. 188ff.). Die Senderpräferenzen der Eltern und ihrer Kinder sind
ähnlich. Hurrelmann, Hammer und Stelberg haben festgestellt, dass die Einschaltroutine der
Eltern die Kinder beeinflusst (vgl. Hurrelmann 1996, S. 75ff.). So zeigt sich eine Übereinstimmung
bei Vorlieben von Privatsendern oder öffentlich-rechtlicher Sender und dem spezifischen
Programm (vgl. ebenda).
„Die meisten Eltern vergessen, dass sie ihren Kindern auch beim Fernsehen als Vorbild
dienen. Sie regen sich zwar über den hohen Fernsehkonsum der Kinder auf, stellen ihr
eigenes, wenig vorbildhaftes Medienverhalten aber nicht in Frage“ (Kruse 1998, S. 447).
Es ist anzunehmen, dass zur Übernahme des Fernsehverhaltens der Eltern ein regelmäßiges
Fernsehen in der Familie beiträgt (vgl. Hurrelmann 1996, S. 66ff.). Die weitaus häufigste Form des
Fernsehens findet mit den Geschwistern statt (vgl. Fischer 2000, S. 48). Am Abend sehen die
Kinder vorwiegend mit ihrer gesamten Familie fern. Bei der Programmauswahl entscheiden
nachmittags eher die Kinder oder Mütter und abends vorwiegend die Väter (vgl. Bretz 2/1997, S.
105f.). Das Erwachsenenprogramm übt auf die Kinder einen großen Reiz aus. Sie zeigen einen
Einblick in die fremde (Erwachsenen-) Welt und zudem erfüllt es die Kinder mit stolz, wenn sie den
`richtigen` Spielfilm nach 20.00 Uhr sehen dürfen (vgl. Kruse 1998, S. 461). Doch weil im
Erwachsenenprogramm Identifikationsmöglichkeiten und die Nähe zum Kinderalltag in der Regel
fehlen, „gestaltet sich der Fernsehgenuss am Abend für die Kinder meist zum `leeren` Konsum,
der – in bezug auf Krimis und Actionserien – allenfalls noch hilft, `abzuhärten` und die
Angstgrenze weiter auszudehnen“ (ebenda, S. 459). Die für Kinder relevanten Inhalte, die ihnen
Anknüpfungspunkte an den Alltag, Orientierungs- und Identifikationsmöglichkeiten bieten könnten,
fehlen demnach. Kinderkanäle könnten helfen, den Kindern zu ihrer individuellen Sehzeit
angemesseneres Programm anzubieten, da Vollprogrammsender dies nicht leisten können (vgl.
Theunert 1995, S. 95f.). Doch würde dies laut Kruse eher zu einer „Vereinzelung und
Vereinsamung der Kinder innerhalb der Familie“ (Kruse 1998, S. 462) führen, denn wie oben
erwähnt, entscheiden abends im Wohnzimmer die Eltern (bzw. vorwiegend die Väter) über das
Fernsehprogramm. So müssten abends die Kinder allein und getrennt von ihrer Familie in ihrem
Zimmer fernsehen, um einen Kinderkanal einschalten zu können (vgl. ebenda).
KOMMENTAR
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 51
Derzeit wird im deutschen Free-TV kein Kinderprogramm nach 19.00 Uhr angeboten, obwohl
gerade hier – wie bei den Erwachsenen auch – erst die Prime Time beginnt. Aber eben weil es
auch die Hochphase der erwachsenen Fernsehrezipienten ist, steht das Kinderprogramm in
Konkurrenz mit dem Erwachsenenprogramm der Vollprogrammsender. Der Ki.Ka wird ab 2003
sein Angebot zeitlich nach hinten erweitern. Fraglich ist, ob das die Kinder in der Familie `isoliert`,
wie es Kruse befürchtet (vgl. Kruse 1998, S. 462) und damit das Eigentum eines Fernsehgerätes
für die jungen Rezipienten immer wichtiger wird. Oder aber die Kinder ignorieren das für sie
laufende Programm, damit sie bei ihrer Familie fernsehen können. Dies ist auch der Fall, wenn sie
keinen eigenen Apparat besitzen und abends das Programm im elterlichen Wohnzimmer kaum
selbst bestimmen können.
Wünschenswert wäre, wenn Eltern stärker die Möglichkeit nutzen
würden, Kinderprogramme gemeinsam mit den Kindern anzusehen. Der Kinderfernsehmarkt wird
auf das erweiterte Sendeverhalten des Spartensenders Ki.Ka vermutlich mit einem verstärkten
Familienangebot reagieren, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Zeit, die dem Fernsehen täglich gewidmet wird, unterliegt zudem saisonalen Schwankungen.
Wie bei den Erwachsenen ebenso zu beobachten, schauen Kinder in den kälteren, kurzen
Wintermonaten mehr fern als an den Tagen der hellen und langen Sommermonaten (vgl.
Feierabend 2002, S. 224).
„Verlockt die Jahreszeit und das Wetter zu außerhäuslichen Aktivitäten, ist das Fernsehen
bei Kindern weniger gefragt [...]“ (Peek 1994, S. 101).
Gemessen am Durchschnittswochentag liegt die Nettoreichweite im letzten Jahr in diesen
Wintermonaten 14 Prozentpunkte über der Reichweite in den Sommermonaten (vgl. Feierabend
2002, S. 224). Unverändert bleibt die verstärkte Fernsehnutzung der Kinder – ob Sommer oder
Winter – an den Tagen des Wochenendes (vgl. Feierabend 2002, S. 223).
4.1.2.
Genrepräferenzen
Ein Viertel aller Kinder zwischen sechs und dreizehn Jahren gibt an, nahezu täglich
Zeichentrickfilm und/oder Serien anzuschauen (vgl. Feierabend 2000a, S. 20). Hierbei wird das
Zeichentrickgenre stärker von den jüngeren und Serien eher von den älteren Kindern bevorzugt
(vgl. ebenda). Die Lieblingsgenres der Kinder sind ferner geschlechterspezifisch zu unterscheiden:
Bei Jungen dominieren die Zeichentrickfilme und bei Mädchen die Daily Soaps (vgl. Abb. 19). Die
Prioritätenliste der Sechs- bis Dreizehnjährigen wird danach von Kindersendungen, Sportsendungen und Tiersendungen fortgesetzt, wobei die Sportsendungen hauptsächlich von den
Jungen gesehen werden (vgl. Feierabend 2000a, S. 22). Kindersendungen und Tiersendungen
sind bei beiden Geschlechtern annähernd gleich beliebt. Musiksendungen, Quizsendungen und
Familienfilme werden eher von den Mädchen bevorzugt; Actionfilme sowie Sciencefictionserien
stoßen hingegen bei Jungen auf größeres Interesse (vgl. ebenda). Das Interesse an Zeichentrickfilmen sinkt jedoch mit zunehmendem Alter (vgl. Feierabend 2001, S. 185). Der höchste Teil
der Nutzungsdauer dieser Altersgruppe entfällt auf fiktionale Angebote, diese steigt wiederum mit
dem Alter der Kinder (vgl. ebenda). Mit zunehmendem Alter schwindet das Interesse an
fantastischen Inhalten und realistischere Darstellungen werden von den Kindern bevorzugt (vgl.
Schumacher 1998, S. 50).
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 52
Zeichentrickfilme/-serien
Daily Soaps
Kindersendungen
Sportsendungen
Tiersendungen
(Pop-)Musiksendungen
Show- u. Quizsendungen
Krimis
Familienfilme
Actionfilme/-serien
Science-Fiction-Filme/-Serien
Talkshows (nachmittags)
Mysterie-Serien
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
in Prozent
gesamt
Abbildung 19
Mädchen
Jungen
Lieblingsgenres der Sechs- bis Dreizehnjährigen92
Während sich die kleineren Kinder bis neun Jahren hauptsächlich mit Animationen vergnügen,
suchen sich die Zehn- bis Dreizehnjährigen im Bereich Fiktionales vermehrt Sendungen mit dem
Inhalt Unterhaltung, Spannung und Komödie (vgl. Feierabend 2001, S. 186). Die Drei- bis
Dreizehnjährigen insgesamt rezipieren im Jahr 2001 zu 61 Prozent Fiktion, je 12 Prozent Information und Unterhaltung, rund 3 Prozent Sport und ganze 11 Prozent Werbesendungen (vgl.
Feierabend 2002, S. 229).
4.1.3.
Sendungs- und Senderpräferenzen
Fast drei Viertel aller Kinder in der Bundesrepublik können eine Lieblingssendung aus dem
Fernsehen nennen (vgl. Feierabend 2000a, S. 16). Sie kennen sich demnach gut in dem Fernsehprogramm aus und entwickeln bestimmte Vorlieben. Kinder bevorzugen unterhaltsame und
regelmäßige Angebote (vgl. BLM 2000b, S. 22).
„Alles was so witzig und so spannend ist, und wo ein Held drinne ist“ (Heiko, zwölf Jahre,
zit. in: Theunert 1995, S. 32).
Im Winter des Jahres 1996 haben Hans-Dieter Kübler und Wolfgang Swoboda 220
Vorschulkinder im Auftrag der ALM nach ihren Lieblingssendungen und -videotiteln befragt und
kamen zu dem Ergebnis, dass bei den jungen Zuschauern weiterhin traditionelle Vorschulprogramme der öffentlich-rechtlichen Sender und Trickfilm der meist privaten Anbieter beliebt sind
(vgl. Kübler 1998, S. 237). Oben auf der Liste sind Sesamstrasse, König der Löwen und Sendung
92
vgl. Feierabend 2000a, S. 23
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 53
mit der Maus zu finden (vgl. ebenda). Die Daten der Fernsehnutzung der Kleinsten zeigen auf,
dass im Jahr 2000 Vorschulsendungen des Ki.Ka an erster Stelle stehen, jedoch hierbei
vorwiegend die neueren Sendungen wie Teletubbies und Die wunderbare Reise des kleinen Nils
93
Holgersson mit den Wildgänsen bevorzugt werden . Unter diesen zehn beliebtesten Sendungen
des Jahres sind sechs der Teletubbies – Folgen befindlich (vgl. Tab. 2). Vorschulkinder sehen
vorwiegend Sendungen, die für sie bestimmt sind. In diesem Alter ist dies jedoch noch auf das
restriktive Kontrollverhalten der Eltern zurückzuführen (vgl. Theunert 1995, S. 29). NeumannBraun spricht hierbei von der „gate keeper“-Funktion der Eltern (vgl. Neumann-Braun 1993, S.
498f.). Umso jünger die Kinder sind, umso seltener schalten sie den Fernseher selbst ein,
vielmehr bestimmen die Älteren über das Programm (vgl. Theunert 1995, S. 29). Dadurch
kommen sie mit dem Erwachsenenprogramm in Kontakt (vgl. Kruse 1998, S. 459).
„Informations- und Unterhaltungssendungen am Abend kennen Vorschulkinder nur in Ausnahmefällen, und auch am frühen Abend halten sie sich nur begrenzt und sicher nicht
immer primär wegen des Fernsehprogramms im Wohnraum der Familie auf“ (Kübler 1998,
S. 239).
Tabelle 2
Rang Sender
Hitliste der Sendungen 2000 bei den Drei- bis Fünfjährigen94
Titel
In Mio
MA in
%
1.
Ki.Ka
Die
wunderbare
Reise.. 0,37
57,8
Reise.. 0,37
55,9
Folge 52, Wdh.
2.
Ki.Ka
Die
wunderbare
Folge 51, Wdh.
3.
Ki.Ka
Teletubbies, Wdh.
0,36
49,1
4.
Ki.Ka
Teletubbies, Wdh.
0,36
49,3
5.
Ki.Ka
Teletubbies, Wdh.
0,36
48,2
6.
Ki.Ka
Teletubbies, Wdh.
0,34
55,4
7.
Ki.Ka
Die Biene Maja, Folge 14, 0,33
52,1
Wdh.
8.
Ki.Ka
Teletubbies, Wdh.
0,33
44,1
9.
Ki.Ka
Teletubbies, Wdh.
0,32
47,9
10.
Ki.Ka
Die
Reise.. 0,32
57,7
wunderbare
Folge 41, Wdh.
Bewusst nehmen sie, laut Kübler und Swoboda, nur ihre Lieblingssendungen in den Kinderprogrammen und Zeichentrickserien wahr. Die Medien bieten den Kindern außerdem diverse
Identifikationsmuster. Mit diesen Medienlieblingen „bestreiten, bekräftigen und versinnbildlichen
Kinder ihre Beziehungen und Interaktionen untereinander“ (Kübler 1998, S. 333). So wird das
Kinderspiel heute mit aktuellen Medienvorlagen vermengt. Hierbei lassen sich geschlechterspezifische Akzente beobachten: Mädchen beschäftigen sich vorwiegend mit weibliche Figuren
wie etwa Pippi Langstrumpf oder mit Zeichentrickfilmen in denen die Protagonisten Tiere sind und
93
94
vgl. http://www.gfk.de (20.09.01)
Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 54
Jungen begeistern sich hauptsächlich für männliche Heldenfiguren aus Zeichentrickserien wie
etwa den Power Rangers. Im Spiel äußert sich dies folgendermaßen, dass Jungen kämpfen und
siegen
möchten,
wohingegen
Mädchen
Spielhandlungen
entwerfen,
in
denen
soziale
Beziehungen überwiegen (vgl. ebenda).
Grundschulkinder nutzen das Fernsehen verstärkt als Unterhaltungsmedium (vgl. Riemann
8/2000, S. 12). Ausgewiesenes Kinderprogramm – vor allem der öffentlich-rechtlichen Sender –
erfährt „nur relativ geringe Akzeptanz“ (ebenda). Bei den Kindern im Grundschulalter verändert
sich diese Wahrnehmung und das Interesse für Erwachsenensendungen nimmt zu (vgl. Kübler
1998, S. 239). Erwachsenen- sowie Familiensendungen besitzen von nun an vermehrte
Anziehungskraft für die Grundschüler (vgl. Riemann 8/2000, S. 13). Am Beliebtesten sind
weiterhin Zeichentrickformate der privaten Sender und besonders bei den Mädchen Daily Soaps
wie etwa Gute Zeiten – Schlechte Zeiten (vgl. Tab. 3).
Tabelle 3
Rangfolge der von Grundschülern häufig gesehenen Sendungen 199995
Rang Lieblingssendung
Sender
1.
Gute Zeiten – Schlechte Zeiten
RTL
2.
Darkwing Duck
Super RTL
3.
Sailor Moon
RTL 2
4.
Käpt`n Balu
Super RTL
5.
Simpsons
ProSieben
6.
Arielle, die Meerjungsfrau
Super RTL
7.
Tabaluga Tivi
ZDF
Tex Avery Show
Super RTL
8.
101 Dalmatiner
Super RTL
9.
Unter uns
RTL
10.
Meister Eder und sein Pumuckl
Ki.Ka
Jan-Uwe Rogge ist der Meinung, dass Kinder intuitiv spüren, warum sie einige Sendungen mögen
und andere nicht. Sie schauen nicht wahllos irgendeine Fernsehsendung an (vgl. Rogge 1999, S.
30). Ein informierter Umgang mit dem Medium Fernsehen ist in diesem Alter zu beobachten. Die
Programmzeitschrift spielt bei den Kindern bereits eine wichtige Rolle für die Sendungsauswahl
(vgl. Klingler 1994, S. 5). Viele der jungen Zuschauer kennen Programmplätze und Uhrzeiten der
Fernsehangebote, die sie bevorzugen und schalten gezielt ein (vgl. Theunert 1995, S. 29f.). Von
den Kindern werden durch das Zappen für sie interessante Programme gefunden, jedoch
konsumieren sie auf diese Weise verschiedene Sendungen parallel und daher häufig nur
bruchstückhaft (vgl. ebenda, S. 32ff.).
Die Zuschauergruppe der Zehn- bis Dreizehnjährigen ist nur schwer mit Kinderfernsehen zu
erreichen, diese Kinder wenden sich bereits verstärkt dem Erwachsenenprogramm zu (vgl.
Hofmann 13/2000, S. 40). Diese Kinder schauen zu 74,1% kein explizites Kinderprogramm mehr.
Kruse erkennt einen Trend, dass zunehmend jüngere Kinder sich dem Erwachsenenprogramm
zuwenden. Sie ist der Meinung, dass das Publikum traditioneller Kinderprogramme wie Sendung
95
vgl. Riemann 8/2000, S. 12f.
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 55
mit der Maus immer jünger werden und die Sesamstrasse heute „allenfalls noch die Kleinkinder“
(Kruse 1998, S. 449) gewinnen kann. Besonders beliebt sind bei den Zehn- bis Dreizehnjährigen
Sendungen wie Simpsons oder Bravo TV und Daily Soaps (vgl. Hofmann 13/2000, S. 40). Die
reinen Unterhaltungsprogramme nutzen hierbei 87,1% dieser Zielgruppe
96
(vgl. ebenda). Die
genutzten Unterhaltungssendungen des angebotenen Kinderfernsehens beinhalten zum einen
Realhandlungen, in deren Mittelpunkt die Zielgruppe selbst steht (z.B. Schloss Einstein) und zum
anderen Zeichentrickserien (z.B. Pokémons), die gut ein Drittel der Zehn- bis Dreizehnjährigen
bevorzugen (vgl. Hofmann 2000a, S. 41f.). Ole Hofmann ist der Meinung, dass das Angebot im
Kinderfernsehen für diese Altersgruppe ungenügend ausgebaut ist und ein Programm ermöglicht
werden sollte, „das sie versteht, das sie ernst nimmt und in ihrer Kompetenz dort abholt, wo sie
sind“ (Hofmann 2000a, S. 40). Auch wenn sich diese Kinder am Ende ihrer Lebensphase der
Kindheit befinden, sollten sie seiner Meinung nach im Kinderfernsehen nicht unbeachtet bleiben
(vgl. ebenda, S. 44). Das explizite Kinderfernsehangebot des deutschen Fernsehens bietet
hauptsächlich Programme für die Gruppe der Sechs- bis Siebenjährigen an (vgl. Abb. 20).
120
100
80
60
40
20
0
3-5 J.
3-5 & 6-9 J.
6-9 J.
6-9 & 10-13
10-13 J.
Altersgruppen
Abbildung 20
Angebot im expliziten Kinderfernsehen nach Zielgruppen
Zu den populärsten Kindersendungen bei den Kindern insgesamt zählen im Jahr 2000 die
Pokémons und deren Nachfolger Digimons
97
(vgl. Feierabend 2001, S. 176), die auf RTL 2
ausgestrahlt werden. Sie erreichen vor allem die Altersgruppe der Sechs- bis Neunjährigen, deren
Marktanteile häufig über 70% liegen (vgl. Feierabend 2001, S. 187). Die beliebtesten Kindersendungen bei den anderen Sendern sind bei Super RTL Zeichentrickformate wie Doug, Chip und
Chap, Disneys Gummibärenbande; bei Ki.Ka sind es Serien wie Biene Maja, Die wunderbare
Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen, Pinoccio und Sandmännchen oder
Märchenfilme wie König Drosselbart (vgl. Feierabend 2001, S. 186f.). RTL und ProSieben
erreichen die meisten Kinder ohne explizites Kinderprogrammangebot. Hier sind die nutzungsstärksten Sendungen Gute Zeiten – Schlechte Zeiten oder Simpsons, welche von den Sendern
selbst als Familienprogramm gekennzeichnet werden (vgl. ebenda). Bei den Kinderprogrammen
der öffentlich-rechtlichen Vollprogrammsender werden traditionelle Sendeformate von den jungen
96
97
nach einer Sekundäranalyse der IZI zu den Daten der GfK-Fernsehforschung von 1999
Digitale Monster
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 56
Zuschauern bevorzugt, wie etwa Die Sendung mit der Maus und Löwenzahn, sowie Formate wie
die Spiel- und Clubsendungen Tigerenten Club und Tabaluga Tivi oder Familienprogramme, wie
etwa Unser Charly (vgl. ebenda). Im ersten Quartal des Jahres 2001 belegen laut GfK-Forschung
die Sender Super RTL, RTL und RTL 2 die ersten Plätze bei der Zielgruppe Kinder (vgl. Abb. 21).
Im weiteren Verlauf des Jahres 2001 ändern sich diese Marktverhältnisse kaum. Bei der
Ganztagsbetrachtung bleibt SuperRTL Marktführer, gefolgt von RTL, RTL II und dem Ki.Ka (vgl.
Feierabend 2002, S. 230).
Super RTL
RTL
RTL 2
KI.KA
ProSieben
Sat.1
ARD
ZDF
Kabel 1
VOX
DSF
0
5
10
15
20
25
in Prozent
Abbildung 21
TV-Marktanteile ganztägig erstes Quartal 2001 bei den Drei- bis Dreizehnjährigen98
Die Betrachtung von Tagesmarktanteilen, die von 3.00 – 3.00 Uhr gelten, lässt jedoch außer Acht,
dass der Ki.Ka nur zwischen 6.00 und 19.00 Uhr ausgestrahlt wird. Wenn man nur diese Zeit des
Tages vergleicht, verschiebt sich die Rangliste der kinderfavorisierten Sender folgendermaßen:
Super RTL ist mit 21,6% weiterhin auf dem ersten Platz, dann aber folgt schon der Ki.Ka mit
16,6% und RTL 2 mit 13,4% landet erst auf dem dritten Rang und RTL kommt mit 8,6% auf Platz
vier (vgl. Feierabend 2002, S. 227). In dieser Zeitbetrachtung sind die ersten 15 Lieblingssendungen der Kinder beim Ki.Ka und bei SuperRTL zu finden, wie etwa Nils Holgerson, Der kleine Bär
und Jim Knopf beim Ki.Ka und bei SuperRTL Sendungen wie Marsurpilami, Der Löwe von Oz oder
Die Biber Brüder (vgl. Feierabend 2002, S. 228). Die Marktführerschaft im Kinderfernsehen sollte
dabei differenziert betrachtet werden. So können – je nach Zeitabschnitt und Bezugsgruppe –
verschiedene Anbieter den Titel für sich beanspruchen. Das ZDF z.B. ist am Marktanteil des
Kinderfernsehens auf einem der hinteren Ränge platziert, jedoch am Samstagvormittag zwischen
6.00 und 13.00 Uhr
99
ist es mit 16,1% Marktanteil führend vor RTL, Sat.1 und dem Ki.Ka (vgl.
Kuchenbuch 2002, S. 12). Die in den Jahren zuvor so erfolgreichen Programmformate Pokémons
und Digimons befinden sich im Jahr 2001 erst ab dem Rang 15 in der Beliebtheitsskala der
98
99
vgl. tendenz 1/2001, S. 46f.
Zu dieser Zeit wird die ZDF-Kinderprogrammstrecke tivi ausgestrahlt.
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 57
Kinder und die damit verbundenen Vorjahresgewinne des Senders RTL 2 können sich mittlerweile
nicht mehr halten (vgl. Feierabend 2002, S. 230). Eindeutig profitieren konnte davon laut Feierabend der Ki.Ka, der bei den jüngsten Fernsehzuschauern deutliche Zugewinne erzielt und seit
seiner Gründung 1997 in seiner Sendezeit wochentags erfolgreich an Marktanteilen dazu
gewonnen (vgl. Abb. 22).
25
20
15
10
5
0
1997
1998
Ki.Ka
Super RTL
Abbildung 22
1999
RTL
ProSieben
2000
2001
RTL 2
Entwicklung der Marktanteile in Prozent des Ki.Ka und seiner Hauptkonkurrenten wochentags
von 6.00 – 19.00 Uhr bei Kindern im Fünfjahresvergleich100
Super RTL steht trotzdem weiterhin mit über 20% Marktanteil mit Abstand für die Kinder an der
Spitze aller Sender, mit einem Programm zwischen Zeichentrickserien, Vorschulprogrammen und
Spielfilmen. Susanne Schosser definiert das Programm von Super RTL folgendermaßen:
„Klassiker vermischen sich dabei mit schrillen Cartoons; familientauglicher Zeichentrick am
Vorabend wird durch originelle Vorschulprogramme am Vormittag ergänzt“ (Schosser
2001, S. 5).
Wobei sie großen Wert auf die `Zeichentrickkompetenz` – wie sie es nennt - ihrer Firma legt (vgl.
Pregel 2/2000, S. 38). So ist die Serie Pokémon zuerst Super RTL angeboten worden, „entsprach
aber den Ansprüchen des Senders nicht“ (vgl. ebenda) und verschafft ab 1999 RTL 2, einem
anderen Mitglied der RTL Group, beachtlichen Quotenaufschwung. Der Ki.Ka kann nach der RTL
Group erst den vierten Platz bei den jungen Zuschauern im Ganztagesvergleich besetzen. Er kann
mittlerweile von mindestens 80% der Fernsehhaushalte empfangen werden (vgl. Feierabend
2001, S. 176). Als einziger Sender, der ausschließlich Kinderprogramm anbietet, ist er zur Prime
101
Time
der Kinder nicht aktiv (vgl. ebenda). Ab dem Jahr 2003 wird der Ki.Ka sein Angebot jedoch
bis 21.00 Uhr aus diesem Grund ausweiten und ab dem Jahr 2005 bis 22.00 Uhr
100
vgl. Feierabend 2002, S. 227
18.45-20.00 Uhr (vgl. Kapitel 4.1.)
102
vgl. http://www.digitv.de/news/viewnews.cgi?newsid1014895912,490 18, (10.07.02)
101
102
. Knapp gefolgt
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 58
in der Rangfolge wird der Kinderspartensender von ProSieben, ein Sender der gar kein explizites
Kinderprogramm mehr ausstrahlt. Kinder nutzen im großen Maße solche Fernsehinhalte, die nicht
für sie produziert sind (vgl. Windgasse 1998, S. 56). Der Anteil der Fernsehnutzung der Kinder, die
nur auf das Kinderprogramm entfällt, ist bei den Vorschulkindern fast 60%, bei den Grundschülern
nur noch 53% und bei der Zielgruppe der Zehn- bis Dreizehnjährigen lediglich 25,9% (vgl.
Hofmann 13/2000, S. 42). Dies macht deutlich, warum Sender, die kein explizites Kinderfernsehen
(mehr) anbieten, trotzdem einen hohen Marktanteil bei den Kindern erzielen können. Differenziert
man die Sendervorlieben nach dem Geschlecht, zeigt sich eine unterschiedliche Nutzung. Die
Angebote von RTL, RTL 2, ARD, ZDF und den dritten Programmen der öffentlich-rechtlichen
Sender sowie des Ki.Ka werden intensiver von Mädchen genutzt. Wohingegen Serienangebote
von ProSieben und Super RTL eher die Jungen bevorzugen (vgl. Windgasse 1998, S. 56). Kinder
mit einem eigenen Fernsehgerät ziehen die Programme der kommerziellen Fernsehanbieter vor
(vgl. Weiler 1997, S. 47).
KOMMENTAR
Unbeachtet werden in der Statistik der GfK die Musikkanäle MTV und VIVA, die jedoch gerade für
die älteren Kinder an Interesse gewinnen (vgl. Volkmer 1997, S. 243). Laut einer Umfrage von
Infratest Burke im November 1997 schalten 21% der älteren Kinder und Jugendlichen täglich 21%
VIVA und 13% MTV ein (vgl. Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 18). Es ist anzunehmen, dass sich
diese Zahlen in den letzten Jahren eher noch erhöht haben. Aktuellere Daten hierzu lassen sich
jedoch nicht finden und die Musiksender sind in der allgemeinen Kinderfernsehforschung seit
Jahren unbeachtet.
Die Nutzung der diversen Fernsehsender unterliegt täglichen Schwankungen, was laut Feierabend
ein Indiz dafür ist, dass für die kindliche Senderauswahl eher die Sendung selbst eine Rolle spielt
als eine Kanalbindung (vgl. Feierabend 1998, S. 176ff.).
4.2. Kindliche Wahrnehmung und Verarbeitung
Um die kindliche Wahrnehmung und Verarbeitung von Fernseheinhalten verstehen zu können, ist
es nötig, das Rezeptionsverhalten, den Entwicklungsstand der Kinder sowie ihre Problemfelder
und die damit verbundenen Motive des Fernsehkonsums mit in Betracht zu ziehen. Jedes Kind
rezipiert Fernsehangebote geprägt von seinem kognitiv-emotionalen, sozialen und moralischen
Entwicklungsstand und verarbeitet sie individuell in Abhängigkeit dieser Prozesse (vgl. PausHaase 1998b, S. 77). Im Verlauf ihrer Entwicklung werden Kinder mit einer Vielzahl von Anforderungen und Problemen konfrontiert, die bei ihnen häufig Angst und Unsicherheit verursachen
(vgl. Fischer 2000, S. 52). Ihre Entwicklungsaufgaben bestehen darin, mit anderen Menschen
umzugehen und Ereignisse einschätzen sowie beurteilen zu können. Außerdem müssen sie ihre
personale und soziale Identität ausbilden. Emotionale Reaktionen auf Medienreize sind abhängig
vom kognitiven Entwicklungsstand des Kindes (vgl. Wilhelm 1997, S. 31). Während der gesamten
Kindheit unterscheiden sich die Art und Weise, wie Kinder das Fernsehen wahrnehmen und
nutzen. Innerhalb des Entwicklungsprozesses differenziert sich das Verständnis und die
Beurteilungsfähigkeit der Kinder gegenüber den Fernsehinhalten und –darbietungsweisen immer
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 59
mehr (vgl. Theunert 1995, S. 41ff.). Entwicklungsprozesse laufen bei Individuen unterschiedlich
ab, daher ist die Wirkung von Medien bei jedem anders einzuordnen (vgl. Kübler 1998a, S. 255).
Die Verarbeitung von Fernsehinhalten ist demnach individuell. Kinder und Erwachsene gehen mit
unterschiedlichen Sichtweisen an Fernsehsendungen heran (vgl. Rogge 1999, S. 34). Die
Wahrnehmung von problematischen Inhalten ist bei den Kindern demnach differenzierter als
Erwachsene vielfach annehmen (vgl. BLM 2000b, S. 44).
4.2.1.
Kindliche Entwicklungsprozesse
Kinder lernen ihre Umwelt sukzessiv kennen und entschlüsseln das Fernsehen mit seinen Inhalten
und Gestaltungsmitteln erst nach und nach (vgl. BLM 2000b, S. 28). Im Verlauf ihrer Entwicklung
verfeinern die Kinder ihre kognitiven und sozial-moralischen Fähigkeiten. Das Fernsehen als
Bestandteil des kindlichen Alltags unterliegt dem besonderen Entwicklungsstandpunkt des
einzelnen Kindes.
„Die Vorlieben der Kinder für Genres, Sendungen und Protagonisten zeigen, welche
Fernsehangebote Kinder verschiedenen Alters und Geschlechts ansprechen. Da jedoch
die Vorlieben auch innerhalb der Alters- und Geschlechtsgruppen variieren, ist davon
auszugehen, dass jenseits der biologischen Komposition Alter und Geschlecht weitere
Faktoren die Vorlieben steuern. Um ihnen auf die Spur zu kommen, ist ein tieferer Blick in
die Kinder selbst, in ihre Entwicklung und ihre Lebens- und Alltagswelt notwendig“
(Theunert 1995, S. 40).
Jean Piaget untersuchte die kognitive Entwicklung des Menschen (vgl. Zimbardo 1992, S. 65ff.)
und stellte zur globalen Einteilung der kognitiven Entwicklung vier qualitativ verschiedene
Phasen
103
dar, die noch heute die Grundlage für medienpädagogische Ansätze bilden:
1. Sensomotorische Phase (0-2 Jahre)
Das Kind kommt von einfachen reflexhaften Bewegungen zu koordinierten Handlungen, die das
Wissen um einfache Tatbestände offenbart. Das Kind verinnerlicht teilweise dieses Verhalten und
muss nicht mehr alle Handlungen praktisch durchprobieren.
2. Präoperationale Phase (2-7 Jahre)
Das Weltbild des Kindes ist egozentrisch, es kann noch nicht abstrahieren. Diese Phase wird
durch den wachsenden Gebrauch abstrakter Symbole charakterisiert, der sich z.B. beim fantasievollen Spielen beobachten lässt.
3. Phase der konkreten Operationen (7-11 Jahre)
Diese Phase ist geprägt durch ein relativ hoch entwickeltes Problembewältigungsverhalten und
dem Erwerb erwachsenen Denkens. Hiermit wird die egozentrische Weltsicht korrigiert und
Selbstreflexion ist möglich. Geistige Operationen wie etwa Logik und schlussfolgerndes Denken
werden zum konkreten Problemlösen eingesetzt.
4. Phase der formalen Operation (11-13 Jahre)
In dieser Entwicklungsphase lernen die Kinder Hypothesen zu formulieren und neue Konzepte
herzuleiten. Sämtliche kognitive Operationen lassen sie Klassifikationen, Hierarchien und
Inklusionen, Begriffsdefinitionen, elementare logische Operationen und Kategorisierung von
Zahlen ausführen.
103
vgl. Zimbardo 1992, S. 66ff.; Kübler 1998a, S. 43
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 60
Piaget ist der Auffassung, dass alle Kinder diese Phasen in derselben Reihenfolge durchlaufen.
Die Entwicklungsgeschwindigkeit könne dabei aber unterschiedlich sein (vgl. Zimbardo 1992, S.
66). Das biologische Alter gibt Anhaltspunkte für den Entwicklungsstand des Kindes, ist aber nicht
allein dafür verantwortlich. Daneben gewinnen sozial-räumliche Umweltfaktoren an Bedeutung für
die Fernsehrezeption (vgl. Paus-Haase 1997b, S. 257). Entwicklungsprozesse werden demnach
zusätzlich von der sozialen Umwelt beeinflusst.
„In welchem Ausmaß die Eltern dem Kind Dinge erklären und sich mit ihm
auseinandersetzen, die Offenheit und Vielfältigkeit der Erfahrungsräume u.ä.m.
beeinflussen die kindliche Entwicklung [...]“ (Theunert 1995, S. 43).
Daher gibt die biologische Altersentwicklung nur eine und keinesfalls eine generell gültige
Rahmung ab. Neben dem Alter, Geschlecht, entwicklungsbedingten Persönlichkeitsmerkmalen
sind die Motive zum Fernsehkonsum von weiteren Faktoren abhängig, wie z.B. dem sozialen
Umfeld (vgl. Charlton 1992, S. 51). Die Erwerbsprozesse werden demnach durch verschiedene
soziale Räume und Institutionen äußerlich beeinflusst wie etwa die Familie, Peergroup,
Kindergarten und Schule (vgl. Sutter 1999, S. 73). Was ein Kind wahrnimmt, hängt von seinem
persönlichen Situationsverständnis ab und kann sich sogar sehr von der Intention des Autors oder
Regisseurs unterscheiden (vgl. Wilhelm u.a. 1997, S. 31). Die vier Entwicklungsstufen von Piaget
gelten noch heute in der medienpsychologischen Forschung als Orientierung, obwohl es nach
Kübler zur „kontinuierlichen Prüfung solcher Modelle herausfordert und die integrative
Einbeziehung sämtlicher Umweltfaktoren verlangt – also auch oder heute gerade der Medien, da
sie als mögliche Stimuli Entwicklungsprozesse verändern können“ (Kübler 1998a, S. 42f.). Die
veränderten Lebensbedingungen der Kinder mit ihrer physischen und sozialen Umwelt legen laut
Paus-Haase eine Überprüfung des Stufenmodells von Piaget nahe, da es auf jahrzehnte altem
Beobachtungsmaterial basiert (vgl. Paus-Haase 1998b, S. 87). Bachmair geht sogar davon aus,
dass Kinder heutzutage die Protagonisten ihrer gesellschaftlichen Entwicklung sind und den
eigenen Alltag sowie ihren Lebenslauf selbst gestalten (vgl. Bachmair 1998a, S. 88f.). Dies ist ein
Phänomen der „Enttraditionalisierung der industriegesellschaftlichen Lebensformen“ (Beck zit. von
Bachmair 1998a, S. 87), denn der hohe materielle Lebensstandard und soziale Sicherheit in
dieser Gesellschaft haben die Menschen aus den traditionellen Klassenbedingungen und
Versorgungsbezügen der Familie herausgelöst. Die „recht pauschale Annahme“ (Kübler 1998a, S.
255), dass Kinder erst ab dem Alter von zehn bis zwölf Jahren Inhalte wie Erwachsene
wahrnehmen und davor (noch) anderen Wahrnehmungs- und Verstehensmodi folgen, müsse nach
Kübler zu der Einsicht führen, dass sie nicht mühelos befragt werden können. Piaget verließ sich
bei seinen Befragungen ausschließlich auf die verbalen Beschreibungen der Kinder, die er mit
dem Denkprozess gleichsetzte. Doch heute geht man davon aus, dass Kinder durchaus etwas
verstehen können, ohne in der Lage zu sein, es erklären zu können (vgl. Zimbardo 1992, S. 70).
Bei der Erforschung der Metakognition zeigt sich, dass eine Diskrepanz besteht zwischen dem,
was Kinder über ihre Denkprozesse berichten und dem, was sie im nichtverbalen Verhalten
zeigen. Dies lässt darauf schließen, dass Piaget die kognitiven Fähigkeiten von Kindern
unterschätzt hat (vgl. ebenda). Theunert ist der Meinung, dass neben den geistigen und sozialen
Fähigkeiten auch sogenannte fernsehspezifische Fähigkeiten vom Kind erlernt werden müssen:
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 61
„Um das Fernsehen in adäquater Weise nutzen zu können, müssen die Kinder neben
ihren geistigen und sozialen, spezifische fernsehbezogene Fähigkeiten ausbilden“
(Theunert 1995, S. 45).
Das Fernsehverständnis steht im engen Zusammenhang mit den kognitiven Fähigkeiten und
sozialen Erfahrungen des Kindes (vgl. Fischer 2000, S. 54). Fernsehinhalte und –darbietungsweisen zu verstehen, markiert demnach eine weitere Entwicklungsaufgabe, die in den übrigen
Entwicklungsprozess integriert werden soll (vgl. BLM 2000b, S. 28). Basierend auf Teilen des
Modells von Piaget stellt Theunert drei Entwicklungsstufen vor, die die kognitiven, sozialmoralischen und fernsehbezogenen Fähigkeiten ab dem Vorschulalter beinhalten (vgl. Tab. 4).
Tabelle 4
Alter
Entwicklungsverlauf der Kinder mit fernsehbezogenen Fähigkeiten104
Kognitive Fähigkeiten
Sozial-moralische
Fähigkeiten
Fernsehbezogene
Fähigkeiten
3-6
Denken ist an den
unmittelbaren Augenschein
gebunden.
Beziehungen werden nur
egozentrisch betrachtet.
Ausschnitte und Personen
werden aufgenommen, wenn
ein Bezug zum eigenen Ich
entdeckt wird.
6-10
An konkreten Beispielen
werden verschiedene Aspekte
gedanklich verbunden und
Handlungsfolgen abgeschätzt.
Situationsbezogen wird
zunächst die Sichtweise eines
direkten Gegenübers
nachvollzogen. Allmählich
gelingt es, sich selbst aus der
Warte des Gegenübers zu
beurteilen.
Inhalte und Personen mit
Bezug zur eigenen Lebenswelt werden in größeren
Handlungskontexten verortet,
zunächst in Episoden, dann in
Geschichten. Sendungen
werden zunehmend differenziert betrachtet.
10-13
Abstrakte Zusammenhänge
werden begriffen und können
verallgemeinert werden.
Verschiedene Sichtweisen
von mehreren Menschen
werden realisiert und können
gleichzeitig koordiniert
werden. Beziehungen können
distanziert beobachtet
werden.
Rezeption ist gebunden an
eigene Interessen, die über
die unmittelbare Lebenswelt
hinausreichen. Die formalen,
dramaturgischen und
inhaltlichen Dimensionen des
Fernsehverständnisses
werden ausgeformt.
Dabei gibt die kognitive Stufe des Entwicklungsverlaufs das Niveau an, auf dem das Kind z.B.
physikalische Zusammenhänge und logische Probleme versteht. Die Stufe der sozialmoralischen Entwicklung zeigt auf, ob es soziale Beziehungen eingehen und erfassen kann
sowie von welchen moralischen Orientierungen es sich dabei leiten lässt (vgl. Theunert 1995, S.
48). Die Moralentwicklung wird als Fähigkeit moralischen Urteils untersucht, die „das Vermögen
voraussetzt, verschiedene Perspektiven zu differenzieren und zu koordinieren“ (Sutter 1999, S.
75). Fernsehbezogene Fähigkeiten umfassen den Grad, in welchem Umfang das Kind
Fernsehangebote verfolgen, begreifen und beurteilen kann (vgl. Theunert 1995, S. 48).
Das
Fernsehen nimmt verschieden Sinne gleichzeitig in Anspruch: Sehen und Hören müssen
miteinander verknüpft werden. Zudem sind Erzählmuster, Handlungsablauf und die damit
verbundenen Botschaften schwer zu erfassen. Der innere Aufbau von Szenen und deren
Verknüpfung zu Handlungssträngen müssen von den Kindern nachvollzogen werden können, um
sie zu entschlüsseln (vgl. Theunert 1995, S. 46ff.). Entwicklungspsychologisch müssen die
104
vgl. Theunert 1995, S. 49
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 62
Kinder beim Fernsehen drei kognitive Fähigkeiten erlernen: Die Segmentierung des Ereignisablaufes in einzelnen Einstellungen, das Konzentrieren auf die wesentlichen Aspekte und
Handlungsteile rekonstruieren, die nicht explizit ausgeführt werden (vgl. Winterhoff-Spurk 2001, S.
58). Die Aufmerksamkeit bei Kleinkindern ist aus entwicklungspsychologischer Sicht in starkem
Maße abhängig von der Auffälligkeit des Wahrgenommenen (vgl. ebenda). Schon mit etwa sechs
Monaten reagieren Kinder auf verschiedene visuelle und akustische Signale des Fernsehens.
Zwei- bis Dreijährige interessieren sich besonders für schnelle visuelle Handlungsabfolgen und
Vier- bis Neunjährige für schnelle, aktionsreiche Inhalte (vgl. Winterhoff-Spurk 2001, S. 55).
Bordwell spezifiziert die Entwicklungsstufen anhand der Entwicklung kognitiver Schemata:
Personen-, Szenen-, Format- und Narrationsschemata (vgl. Barth 1995, S. 28). Bei jüngeren
Kindern in der präoperationalen Phase sind vorerst die Personen- und Szenenschemata
relevant (vgl. ebenda). Die tiefere Bedeutung einer Geschichte sowie die Absichten der
Protagonisten erschließt sich den Vorschulkindern noch nicht, sie lassen sich von markanten
Personen und Figuren faszinieren (vgl. Winterhoff-Spurk 2001, S. 58). Demnach konzentrieren sie
sich auf die vorkommenden Personen (personenorientierte Schemata) und auf die konkrete
Umgebung, in denen die Personen handeln (Szenenschemata).
„Die phasenweise hohe visuelle Aufmerksamkeit in dieser Altersgruppe kann als Bemühen
des Kindes gewertet werden, die fortlaufend auf die Sinnesorgane einwirkenden Reize in
irgendeiner Form zu ordnen. Wesentlicher Anker dieser Informationsverarbeitung bildet für
Kinder im Vorschulalter zunächst das bloße Wiedererkennen des Gesehenen und dessen
Benennung“ (Barth 1995, S. 28f.).
Sie verstehen nur lineare, einfach Handlungsstränge (vgl. Schumacher 1998, S. 49). Das
Verstehen und Erkennen ist fragmatisch und zufällig (vgl. Barth 1995, S. 29). In diesem Alter
interpretieren die Kinder die einzelnen Szenen, jedes Bild als eigene Geschichte und können
Rahmenhandlungen nicht als gesamten integrierten Handlungsablauf definieren (vgl. Groebel
1998, S. 63f.). Sie sind zwar in der Lage einzelne Szenen oder isolierte Episoden nachzuerzählen,
können aber noch nicht alle Elemente einer Geschichte zu einem Ganzen zusammenfügen
(Moser 2000, S. 137). Kinder bis zum neunten Lebensjahr haben Schwierigkeiten damit, Hauptvon Nebenhandlungen oder räumliche wie zeitliche Handlungsabläufe zu unterscheiden (vgl.
Rogge 1999, S. 69). So haben die einzelnen Sequenzen einer Handlung für das Kind oft einen
stärkeren eigenständigen Aussagecharakter, den Erwachsene so nicht nachvollziehen können, da
sie es automatisch im Gesamtkontext einbetten (vgl. Groebel 1998, S. 64). Die Film- und
Fernsehdramaturgie, wie das Nebeneinander von hörbaren und visuellen Elementen, stellen hohe
Anforderungen an die kindliche Wahrnehmung und Verarbeitung dar. Diese können den
Gefühlshaushalt eines Kindes überfordern (vgl. Rogge 1999, S. 83). Im Vorschulalter ist
entwicklungsbedingt die Angst vor dem Verlassensein das zentrale Thema (vgl. Jörg 1994b, S.
28ff.). Trailer können z.B. für Kinder zum Problem werden und Ängste hervorrufen, wenn darin
zusammenhanglose Ausschnitte aus Filmen für Erwachsene gezeigt werden (vgl. Groebel 1998,
S. 64).
„Für Kinder sind die zusammengeschnittenen `Highlights` ob des fehlenden Kontextes
häufig nicht einordenbar; da sie als `Scharfmacher` fungieren und entsprechend
aufregende Szenen ins Zentrum gestellt werden, sind die zusätzlich oft schwer zu
verkraften“ (Theunert 1995, S. 154).
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 63
Außerdem können Kinder das Programm schwer von der Werbung sowie Fiktion oft nicht von der
Realität unterscheiden (vgl. Groebel 1998, S. 61). Fiktion lässt sich für sie lediglich durch äußere,
formale Merkmale erkennen wie Musik, Gelächter oder Zeichentrickdarstellung (vgl. WinterhoffSpurk 2001, S. 59). Für die Vorschulkinder ist ein Unterhaltungsprogramm gleichermaßen real wie
eine Nachrichtensendung und die Werbeeinblendung genauso wirklich wie eine Dokumentation,
sofern Elemente vorkommen, die sie aus ihrer Lebenswelt kennen (vgl. Groebel 1998, S. 63). Eine
deutliche Trennung ist erst im Alter von etwa sieben bis acht Jahren möglich (vgl. ebenda).
Medien transportieren nicht nur Informationen und Unterhaltung, sie vermitteln `Welten`.
Vermitteln bedeutet hierbei nicht nur Transfer, sondern Konstruktion von Realität, medienspezifische Gestaltung und Suggestion von Wirklichkeit als objektives Kommunikationsangebot
sowie als subjektive Wahrnehmung (Perzeption). Dabei bedingen sich mediale Wirklichkeitspräsentationen und ihre subjektive Übernahme bzw. mentale Verarbeitung wechselseitig (vgl.
Kübler 1994a, S. 78). `Welt` meint nach Kübler zugleich Abbilder von Realität, symbolische
Kodifikationen, medienspezifische Formate und imaginierte, fiktive Szenarien, und dies jeweils in
unzähligen Mischvariationen. Es wird für den Rezipienten jedoch immer schwerer, zwischen
existenter Wirklichkeit und der medial vermittelten Realität zu unterscheiden
105
. Es setzt somit eine
hohe Abstraktionshandlung voraus, um die Bilder auf dem Fernsehmonitor als Abbildung zu
verstehen (vgl. Kübler 1998a, S. 258). So kann die Kameraeinstellung zu Missverständnissen wie
im Fall der vierjährigen Anja führen. Als sie in einem Tierfilm Ameisen in Großaufnahme sieht,
erschrickt sie:
„Bei uns sind die viel kleiner, sonst könnten die mich ja fressen. So kann ich unsere im
Garten zermatschen“ (zit. in Rogge 1999, S. 69).
Außerdem dauert es eine Zeitlang, bis sich die Kinder von der Vorstellung lösen, dass sie mit den
Figuren am Bildschirm direkt in Kontakt treten können (vgl. Theunert 1995, S. 41). Kinder im
Vorschulalter sind häufig davon überzeugt, dass Fernsehfiguren fühlen und handeln wie sie selbst
und dass sie vor dem Bildschirm von diesen Figuren gesehen werden können (vgl. Paus-Haase
1998b, S. 92). Sie sind noch nicht in der Lage konsequent zwischen Medienfiguren und Personen,
mit denen sie im Alltag Kontakt haben, zu unterscheiden (vgl. Wilhelm 1997, S. 31). Erst im Laufe
ihrer Entwicklung erwerben die Kinder Fähigkeiten, mit denen sie die Fernsehwelt differenzierter
und umfassender beurteilen können. Fernsehtechniken wie Schnitt, Montage, Zoom, Zeitsprünge
und Rückblenden lernen die Kinder erst mit der Zeit zu verstehen (vgl. Paus-Haase 1998b, S. 92).
Patricia M. Greenfield bezeichnet die Begabung, visuelle, hörbare und dramaturgische Techniken
von Medien zu entschlüsseln und zu deuten als `Viewing Literacy` (vgl. Rogge 1999, S. 69).
Basierend auf Greenfields Definition übernimmt Rogge diesen Begriff ins Deutsche und
bezeichnet ihn als `Filmlesefähigkeit` (vgl. ebenda).
Ab dem achten Lebensjahr und mit Beginn der operationalen Phase nach Piaget werden die
Schemata verfeinert. Während vorher die äußere Handlung Ausgangspunkt der kindlichen
Wahrnehmung ist, kann das Kind nun komplexere Handlungen verstehen (vgl. Barth 1995, S.
24ff.). Die Kinder sind flexibler im Denken, treffen eigene Schlussfolgerungen und die
reizdominierte Fernsehaktivität wird abgelöst durch eine gezielte Informationssuche (vgl.
105
z.B. Realityshows wie Big Brother, die selbst von Erwachsenen schlecht einzuordnen sind
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 64
Winterhoff-Spurk 2001, S. 58). Da das Kind nun selbst in seine soziale Rolle hineinwächst, rückt
die Vielfalt mentaler Einstellungen von Personen in den Fokus der kindlichen Aufmerksamkeit (vgl.
Fischer 2000, S. 54). Es bewertet und betrachtet Absichten, Motive, Gefühle, Handlungen und die
äußeren Merkmale einer Person als Einheit und kann bereits von der eigenen Person abstrahieren
(vgl. Schumacher 1998, S. 49). Das Kind ist nun also in der Lage, sich in die Perspektive einer
anderen Person zu versetzen und durchschaut Filmtechniken wie etwa Überblendungen oder
Zeitsprünge (vgl. Barth 1995, S. 26f.). Während der Werbeeinblendung sind diese Kinder weniger
aufmerksam und nutzen das Medium Fernsehen verstärkt als Informationslieferant (vgl.
Winterhoff-Spurk 2001, S. 59). In dieser Phase seiner Entwicklung eignet sich das Kind
sogenannte Format- und Narrationsschemata an (vgl. Barth 1995, S. 29f.). Das Formatschemata umfasst das Genrewissen des Kindes, es kann bestimmte Ereignisfolgen und
Handlungsmuster erkennen und hat ein besseres Verständnis der Sendung. So kann es zwischen
Fiktion und Realität besser unterscheiden (vgl. Schumacher 1998, S. 49). Das Narrationsschemata ermöglicht dem Kind, die Gesamtdramaturgie von Fernsehsendungen zu verstehen
(vgl. Barth 1995, S. 29f.). Ab dem zehnten bis zwölften Lebensjahr beginnt das Kind deduktiv
zu denken und stellt eigene Hypothesen auf, um sie wiederum zu überprüfen. Die Akteure im
Fernsehen werden auf abstrakter Ebene miteinander in Beziehung gesetzt und Konflikte sowie die
Position aller Beteiligten sind für das Kind durchschaubar (vgl. Schumacher 1998, S. 51). Es kann
in diesem Alter mehrere Aspekte von Situationen erfassen und reflektieren (vgl. Winterhoff-Spurk
2001, S. 59). Die Phase der formalen Operation lässt das Kind je nach Filmformat, Rezeptionskontext und Umfang persönlichen Modells ein vielfältiges Rezeptionsverhalten zeigen (vgl. Barth
1995, S. 30). Hierfür ist nach Bordwell das erworbene Situationsmodell verantwortlich (vgl.
ebenda). Dieses Modell beinhaltet das persönliche Modell und das Kontextmodell:
Das persönliche Modell repräsentiert persönliches Wissen, Erfahrungen, Meinungen und
Bewertungen des Individuums. Situationsmodelle verbinden mittels Schemata diese persönlichen
Wissensbestände einerseits mit den Inhalten aus dem Fernsehen und andererseits mit den
jeweiligen Einstellungen und Wissensbeständen des Rezipienten (vgl. Barth 1995, S. 29). Auf der
Suche nach der eigenen Identität ist die Perspektive der Kinder nicht mehr auf konkrete Personen
zentriert, sondern vielmehr auf allgemeinen Handlungsoptionen (vgl. Schumacher 1998, S. 51).
„Sie beschäftigen sich schon auf abstrakter Ebene mit ethisch-moralischen Fragen und
allgemeinen Themen wie z.B. soziale Beziehungen, globalen Phänomenen und ihren Ursachen
[...]“ (ebenda). Das Kontextmodell hat die Aufgabe, mentale Repräsentation an die jeweils
aktuelle Rezeptionssituation zu adaptieren. Das bedeutet, dass das Kind z.B. Kommentare und
Bewertungen der Eltern oder Freunde zu einer Filmhandlung registriert und dies dann Einfluss
nimmt auf seine eigene Rezeption (vgl. ebenda).
„Da die soziale Umgebung, in der ein Kind fernsieht, zu einem nicht unerheblichen Teil
dessen Einstellung und Bewertung gegenüber dem Fernsehen sowie verschiedenen TVGenres mitbestimmt, und deren Niederschlag im Kontextmodell die Grundlage für eine
dekontextualisierte und generalisierte, dauerhafte Repräsentation im Langzeitgedächtnis
bildet, sind der gemeinsamen Herstellung und Aufrechterhaltung einer Rezeptionssituation durch das Kind und seine Partner wichtige Größen für den Erwerb
medienspezifischer Kenntnisse und Schemata“ (Barth 1995, S. 29f.).
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 65
Durch Zuordnung der elterlichen Kommentare kann also das Kontextmodell wichtige Verstehensund Bewertungshilfe sein und das Format- sowie Narrationsschema beim Kind fördern (vgl.
ebenda). Bachmair ist der Meinung, dass die Rolle des Fernsehens vom „Muster der individuellen
Erlebnis- und Handlungswelt“ (1998a, S. 85) der Kinder abhängt. Die schema- und wissensbasierte Fernsehinterpretation der Kinder umfasst demnach eine allgemeine kognitive Entwicklung, die soziale Umgebung und die Interessen des Kindes. Dieses allgemeine Modell von
Bordwell gibt einen Überblick über die vorgestellte kognitive Organisation für ältere Kinder, in der
verschiedene rezeptionsrelevante Themenbereiche spezifiziert und durch Relation miteinander
verbunden werden (vgl. Abb. 23).
Abbildung 23
Schema- und wissensbasierte Fernsehinterpretation nach Bordwell106
Die Zielgruppe Kinder stellt demnach eine heterogene Gruppe dar, die laut Löhr beim
Programmgestalten beachtet werden sollte. Jener Mannigfaltigkeit sollten Kindersendungen
Rechnung tragen, denn die jüngsten der kindlichen Zuschauer wollen und brauchen andere
Inhalte und Formen als die ältesten dieser Zielgruppe (vgl. Löhr 1995, S. 56ff.). Sutter steht auf
dem Standpunkt, dass Kinder Medienangebote aktiv für die eigene Entwicklung nutzen können
(vgl. Sutter 1999, S. 80). Eine Vielzahl an Serien und Filmen greifen Alltagserfahrungen auf und
bieten den Kindern gefühlsmäßige Identifikationen. Jedoch fliehen vielsehende Kinder in
multimediale Welten, wenn ihre Umwelt Kreativität, Fantasie und Träume nicht mehr zulässt (vgl.
Rogge 1999, S. 12). „Besorgniserregend ist für mich“ - so Rogge - „die Kluft zwischen jenen
Kindern, die mehr oder minder bewusst mit dem Fernsehen, ja dem Medienangebot insgesamt
umgehen, und jenen, die in mediale Traumwelten fliehen“ (ebenda). Um mit Problemen zurecht zu
kommen, flüchten sich Kinder oft in phantastische Welten und „versuchen, sich im Spiel langsam
an die Lösung der (Entwicklungs-) Aufgabe heranzuwagen“ (Fischer 2000, S. 53). Die Fantasie
bildet hierbei eine wichtige Verbindungsfunktion zwischen Selbst und Realität (vgl. ebenda). Vor
allem die soziale Situation der Kinder gewinnt bei der Beurteilung der Realitätsfrage eine zentrale
Funktion. Isolierte Kinder tendieren eher als gesellige dazu, Fernsehinhalte für real zu halten (vgl.
Paus-Haase 1998b, S. 93).
106
vgl. Barth 1995, S. 30
4. Kinder als Fernsehrezipienten
4.2.2.
Seite 66
Motive des Fernsehkonsums
Die Nutzungsdaten zeigen, dass für Kinder das Medium Fernsehen eine zentrale Stelle in ihrem
Alltag einnimmt. Ihre Motive für den Fernsehkonsum sowie ihre Bedürfnisse im Hinblick auf das
Fernsehen und die Funktionen, die das Medium für sie erfüllen kann, müssen erkannt werden, um
die Sichtweise der jungen Zuschauer zu verstehen. Dies ist nicht einfach, da Kinder „vermutlich
noch weniger als Erwachsene darüber nachdenken und Auskunft geben können, welche
Bedürfnisse sie mit der Rezeption eines bestimmten Mediums oder einer bestimmten
Programmsparte befriedigen” (Charlton 1992, S. 51). Dadurch bleiben viele Antworten auf die
Frage nach Motiven und Bedürfnissen unbeantwortet. Neben Alter, Geschlecht und entwicklungsbedingten Persönlichkeitsmerkmalen sind die Motive zum Fernsehkonsum von einer Menge
weiterer individueller Faktoren abhängig, wie z.B. dem sozialen Umfeld (vgl. Fischer 2000, S.
226). Demnach sind sie einer großen Variabilität unterworfen und können nicht durch eine einfach
`Ursache-Wirkungs-Beziehung` dargestellt werden. Nichtsdestotrotz gibt es eine Reihe von
Motiven, die im Zusammenhang mit dem kindlichen Fernsehkonsum stehen und deswegen im
folgenden Erwähnung finden sollen. Gemeinsam mit den kindlichen Fernsehumgangsweisen
können diese Hintergründe Hinweise darauf geben, welche Ansprüche Kinder haben und somit
wie Kinderfernsehen qualitativ gestaltet sein sollte, um von seiner Zielgruppe akzeptiert zu sein.
Ihr Umgang mit dem Bildschirmmedium zeigt, „welche Erwartungen und Wünsche sie an das
Fernsehen und seine Angebote richten, aber auch was ihnen Schwierigkeiten bereitet und welche
Ansprüche sie aufgrund dessen an das Fernsehen haben” (Theunert 1995, S. 95). Die
Fernsehlandschaft bietet den Kindern Erfahrungsmöglichkeiten, denen die jungen Rezipienten mit
ihren „Bedürfnissen nach Sinneserregung und Erkundung, nach Sicherheit und Ordnung, nach
Zugehörigkeit und Liebe, nach Achtung und Geltung, nach Verstehen und Selbstverwirklichung“
(Tulodziecki 1998, S. 535) begegnen. Ein Grundmotiv für den kindlichen Fernsehkonsum ist die
Neugier. Kinder scheinen sich von allem, was sie noch nicht kennen angezogen zu fühlen. Die
Neugier ist mit vielen anderen Motiven verwoben. Neben ihr sind Vermeidung von Langeweile und
Ablenkung die am häufigsten genannten Gründe für den Fernsehkonsum von Kindern (vgl.
Groebel 1994, S. 24f.). Die Befriedigung dessen erreichen Programme, wenn sie zum einen dem
kindlichen Unterhaltungs- und Spannungsbedürfnis genügen (vgl. ebenda). Die kindliche
Nutzung von Fernsehunterhaltung ist primär mit dem Wunsch verknüpft, Langeweile zu umgehen.
Kinder in reizarmen Situationen erwarten vom Fernsehen eine gewisse Anregung ihrer
Erlebniswelt. Langeweile ist das bei allen Kindern am weitesten verbreitete Motiv zum Fernsehen
(vgl. Fischer 2000, S. 228). Fernsehunterhaltung hat eine Eskapismus-Funktion, was bedeutet,
dass sie zur Vermeidung oder zur Ablenkung von belastenden Situationen dient: Die Flucht in die
andere, leicht fassbare Fernsehwelt lenkt von den Schwierigkeiten des Alltages ab, denn im
Gegensatz zur Realität löst sich in der ‘schönen Welt des Fernsehens’ am Ende alles zum Guten
(vgl. Theunert 1995, S. 64ff.).
„Durch das Fernsehen versuchen sich Kinder auch einer schönen, freundlichen und
menschlichen (Um-) Welt zu versichern und sich somit emotional zu entlasten;
insbesondere dann, wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben“ (Fischer 2000, S.
61).
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 67
Aus diesem Grunde sind dem jungen Publikum die in den meisten Geschichten des
Kinderfernsehens vorkommenden Happy-Ends so wichtig. Kindern suchen zum einen Hilfen und
Anregungen für die Bewältigung aktueller Erfordernisse und Probleme, und zum anderen Modelle
und Vorbilder für ein richtiges und erfolgreiches Handeln, was nicht nur ihr jetziges, sondern auch
ihr zukünftiges Leben betrifft (vgl. Theunert 1995, S. 77ff.). Das Fernsehen dient dort als
Orientierungshilfe, wo unmittelbare Erfahrungen verwehrt sind: Stadtkinder haben z.B. die
Möglichkeit durch die Sendung Neues aus Uhlenbusch das Leben auf dem Land kennen zu
lernen, und Landkinder können durch die Rappelkiste eine Einblick in die Lebenswelt von
Stadtkindern gewinnen (vgl. Haen 1986, S. 141f.). Doch der Fernseher kann die Realität nur
nachzeichnen.
„Alles, was aus dem Fernsehen kommt, ist Kost aus zweiter und dritter Hand. [...] Die im
Programm präsentierte Umwelt ist nicht natürlich. Sie ist konstruiert und künstlich –
geschnitten und nachvertont – auch bei den sogenannten Umweltsendungen“ (Tarnow
1998, S. 261).
Für viele Kinder sind die Bindung und die Orientierung an Fernsehpersonen von großer
Bedeutung, weil es für sie laut Klingler in ihrer eigenen Lebenswelt kaum zuverlässige
Bezugspersonen gibt (vgl. Klingler 1994, S. 219f.). Ist dies der Fall, so entwickeln sie eine sehr
intensive Beziehung zu Fernsehfiguren.
„In manchen Fällen bauen Kinder, insbesondere solche, die sonst nicht so viel Kontakt zu
Gleichaltrigen haben, `parasoziale Beziehungen` zu den Fernsehfiguren auf“ (Fischer
2000, S. 60f.).
Spätestens ab dem Grundschulalter hat das Fernsehen für Mädchen andere Orientierungsfunktionen als für Jungen: Generell suchen sie eher weibliche Identifikationsfiguren, in denen sie
Aspekte der traditionell weiblichen Geschlechtsrolle wiederfinden. Die Identifikationsfiguren des
männlichen Nachwuchses verkörpern vermehrt durchsetzungsstarke Handlungskonzepte, zumal
Jungen Fernsehen zum Teil als “Mutprobe” betrachten (vgl. Bachmeier 1998, S. 104 u. Theunert
1992, S. 75-86). Zur persönlichen Identitätsfindung der Kinder kann das Fernsehen nur eine
latente Rolle einnehmen (vgl. Fischer 2000, S. 229). Die Befriedigung des Spannungsbedürfnisses wird ebenfalls in Unterhaltungsprogrammen gesucht und umfasst ein Erleben
intensiver Gefühle (vgl. Fischer 2000, S. 60). Kinder brauchen eine Welt in Aktion, in Spannung
und Bewegung. Wenn dieses Bedürfnis in ihrem Alltag nicht ausreichend befriedigt wird, ist das
Unterhaltungsangebot im Fernsehen für sie eine Möglichkeit, die fehlende Anregung zu
kompensieren (vgl. Theunert 1995, S. 67ff.). Das Spannungsbedürfnis variiert jedoch nicht nur mit
dem Alter, es ist einer geschlechtsspezifischen Variation unterlegen: Der männliche Nachwuchs
wird eher durch den Konsum von Actionsendungen befriedigt, während Mädchen körperliche
Gewalt – die häufig Bestandteil von Actionsendungen ist – ablehnen und die Befriedigung ihres
Spannungsbedürfnisses mehr in Geschichten suchen, die soziale Ereignisse und Begegnungen
zum Inhalt haben (vgl. Groebel 1994b, S. 24f.). Die Unterhaltungslust der jungen Fernsehzuschauer ist zudem mit dem Wunsch nach der sogenannten Angstlust und einer harmonischen
Auflösung von bedrohlichen Situationen verbunden (vgl. Theunert 1995, S. 68ff.). Das Erleben
intensiver Gefühle umfasst demnach nicht nur lustige, spannende Inhalte, sondern ein negatives
Erleben von Trauer und Angst (vgl. Fischer 2000, S. 60). Dies wird durch den dramaturgischen
Aufbau der meisten Unterhaltungssendungen erfüllt: Ein Akteur – mit
dem sich das Kind
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 68
identifiziert – gerät in Gefahr. Am Ende der Geschichte kann er sich jedoch wieder befreien bzw.
wird befreit (vgl. Theunert 1995, S. 97f.).
Das Beispiel Die Pfefferkörner
Die Kinderserie Pfefferkörner erfüllt das kindliche Bedürfnis nach Spannung, Gemeinschaftsgefühl, Humor, Lebensmodellen und Happy-End. Sie wird seit 1999 auf dem Ki.Ka und der ARD
ausgestrahlt und handelt von fünf Freunden, die gemeinsam einige Abenteuer in Hamburg
bestehen (vgl. Filmförderung Hamburg 1999, S. 5). Das Konzept richtet sich an Acht- bis
Zwölfjährige. Im Zentrum jeder Folge steht eine abgeschlossene, spannende Kriminalgeschichte,
die die fünf Pfefferkörner gemeinsam lösen (vgl. Abb. 24).
Abbildung 24
Die Pfefferkörner107
Themen sind dabei u.a. Tierschutz, Jugendbanden, Umweltsünder, erster Liebeskummer oder
Streit mit den Eltern (vgl. Mestre 1999, S. 3).
„Um viele Themen, die Kinder von sich selbst und ihren Freunden kennen, die spannend
sind, mal zum Lachen reizen, die das Herz bewegen und zum Schluss doch immer wieder
Mut machen zur Fröhlichkeit.
Egal, ob sie in einen Fall hineinstolpern oder intuitiv ein Abenteuer wittern – mit sensiblem
Gespür für Recht und Unrecht folgen die Pfefferkörner ihrem Verdacht. Selbst aktiv zu
werden, bringt Spaß, schafft Selbstbewusstsein und das wachsende Gefühl von
Unabhängigkeit“ (ebenda).
Normale Probleme der Kinder und ihre Lebensumstände werden thematisiert, z.B. der Verlust
eines geliebten Haustieres oder die Scheidung der Eltern. Die Protagonisten sind drei Mädchen
und zwei Jungen zwischen acht und zwölf Jahren, die jeweils für einen speziellen Kindertyp sowie
einer anderen Biografie stehen und mit denen sich die Rezipienten identifizieren können.
Kinder haben neben dem ausgeprägten Unterhaltungsbedürfnis ein Bedürfnis nach
Information, welches eng mit der kindlichen Neugier verbunden, im Gegensatz dazu aber
zielgerichtet ist (vgl. Theunert 1995, S. 70). Für die Befriedigung des Informationsbedürfnisses ist
das Fernsehen eine mögliche Quelle. Die Informationen müssen jedoch nach Theunert in
‘kindgerechter’ Form dargeboten sein:
107
vgl. http://www.pfefferkoerner.de (24.09.02)
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 69
“Mit ausführlichen Erklärungen, die sie verstehen können, anschaulich, aber nicht betulich
präsentiert, sachlich aber nicht trocken vorgebracht. Und wenn es zwischendrin etwas
zum Schmunzeln oder Lachen gibt, schätzen sie das besonders” (Theunert 1995, S. 98).
Das zielgerichtete kindliche Informationsbedürfnis ist stark altersabhängig. So steht bei den
Vorschulkindern der Erwerb von Wissen über Erscheinungsweisen und Erklärungen über ihre
Umwelt im Vordergrund. Daher sind bei ihnen Magazine wie Die Sendung mit der Maus, die u.a.
die Funktionsweisen von alltäglichen Gebrauchsgegenständen und Phänomenen erklärt, sehr
beliebt (vgl. Schumacher 1998, S. 49). Ältere Kinder hingegen haben sich bereits ein größeres
Fakten- und Funktionswissen angeeignet. Sie sind nun daran interessiert, dieses Wissen zu
strukturieren, und Verbindungen zwischen den einzelnen Wissensbestandteilen herzustellen.
Dabei kann wiederum das Fernsehen Hilfestellung geben, jedoch nicht nur mit Informationssendungen, sondern gleichfalls mit fiktionalen Programmen. Kinder suchen im Fernsehen zudem
Wissen über das Alltagsleben, welches ihnen hilft, ihr tägliches Leben zu gestalten. Bei den
Älteren kommt zusätzlich ein Interesse an Weltwissen hinzu, da für sie nicht mehr nur ihre
unmittelbare Umgebung wichtig ist. Sie beginnen nunmehr, sich mit der ‘Erwachsenenwelt’, wie
z.B. gesellschaftlichen Phänomenen, zu beschäftigen. Ein Interesse an den Grenzen der
Wirklichkeit und des Möglichen, tritt verstärkt bei älteren Kindern auf (vgl. Theunert 1995, S.7277). Eine aktive Motivation, etwas vom Fernsehen zu lernen, scheint aber laut Fischer eher für
Kinder aus dem gehobeneren sozialen Milieu von Bedeutung zu sein (vgl. Fischer 2000, S. 229).
Die sozialen Rahmenbedingungen, insbesondere das familiäre Umfeld der Kinder, hat einen
erheblichen Einfluss auf den kindlichen Fernsehkonsum und die Fernsehmotive. Die elterliche
Fernsehrestriktionen, Wohnverhältnisse, Freizeitverhalten, Tagesablauf, Freundeskreis, Familienform sowie der Stellenwert des Fernsehens für die Eltern und Geschwister stehen im engen
Zusammenhang mit dem quantitativen und qualitativen Fernsehkonsum (vgl. Fischer 2000, S.
227). So ist z.B. ein wichtiges Motiv der Kinder fernzusehen, um mit der Familie zusammen zu
sein. „Häufig ist das gemeinsame Fernsehen habitualisiert, das allabendliche Fernsehen `Ritual`“
(Fischer 2000, S. 228). Dabei ist auffällig, dass das gemeinsame Fernsehen dazu führt, dass
Fernsehinhalte konsumiert werden, die nicht unmittelbar zu den Programmpräferenzen der Kinder
zählen oder nicht für sie geeignet sind (vgl. Fischer 2000, S. 213).
4.2.3.
Rezeptionsverhalten
Kinder sind selbstverständlich in der Lage, Fernsehprogramme je nach Stimmungslage
auszuwählen (vgl. Groebel 1998, S. 62). Die Programme, bei denen sie sich nicht ernst genommen fühlen, schalten sie gezielt ab (vgl. Rogge 1999, S. 31). Bei hohem Anregungsbedürfnis
wählen sie aufregende Sendungen mit schnellem Schnitt und bei niedrigem, tendieren sie eher zu
Sendungen, die beruhigend wirken (vgl. Groebel 1998, S. 62). Ein Film wird von Kindern nicht nur
gesehen, sondern ganzheitlich erlebt. Je mehr Sinne ein Film anspricht, desto intensiver nimmt er
das Kind emotional ein (vgl. Rogge 1999, S. 41). Das rationelle Erfassen eines Films oder einer
Sendung ist für Vor- und Grundschulkinder unwichtig. Das emotionale Erleben eines Film oder
einer Serie steht viel stärker im Vordergrund als das Verstehen (vgl. Neuß 2000, S. 222). Die
kindliche Wahrnehmung stellt eine gefühlsbetonte Aktivität dar, bei der das psychische Erleben
körperlich ausgelebt wird (vgl. ebenda). Während des TV-Konsums ist die Aufmerksamkeit nicht in
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 70
erster Linie auf den Bildschirm gerichtet, sondern es werden Umgebungsreize von den jungen
Zuschauern permanent wahrgenommen (vgl. Groebel 1998, S. 63). Rogge hat über Gespräche
mit Kindern herausgefunden, wie sie sich selbst während des Sehens erleben:
„Da bin ich richtig mitgegangen!“
„Ich habe gezittert“
„Feuchte Hände habe ich gehabt“
„Mit den Füßen habe ich getrampelt und in die Hände geklatscht“ (zit. in Rogge 1999, S.
70).
Kinder lachen, schreien und kommentieren einen Film. Sie ahmen die Mimik und Gestik von
Helden und Heldinnen nach, sie übernehmen deren Bewegungen und lassen sich von den
Gefühlen anstecken. Der Film macht etwas aus dem Kind, aber das Kind macht daraus genauso
seinen eigenen Film, sein ganz persönliches Erleben (vgl. ebenda). Die Kinder `komponieren` sich
aus dem Angebot ihre eigene Sendung zusammen (vgl. Groebel 1998, S. 63). Das Filmerleben
der Kinder kann nach Rogge als ganzheitliches Empfinden, eine körperlich-seelische Einheit
bezeichnet werden. Es wird durch das Hören aufgebaut. Im Gegensatz zu den Erwachsenen
werden Geräusche und Musik von Kindern weniger distanziert wahrgenommen als optische Reize
(vgl. Rogge 1999, S. 41). Auch spüren Kinder eher als Erwachsene die Schallwellen über die Haut
und die Knochen, so dass „manch helle Töne [...] eine Gänsehaut“ hervorrufen, „während die
dunklen Töne in die Knochen gehen“ (Rogge 1999, S. 43). Beim Hören liegt der Schwerpunkt laut
Rogge auf dem Gefühl, beim Sehen überwiegen hingegen Klarheit und Rationalität. Er möchte
dies an einem Beispiel verdeutlichen: „Wenn man in einem dunklen Zimmer ein unbekanntes
Geräusch hört, macht man das Licht an, um sich Eindeutigkeit und Distanz zu verschaffen“
(Rogge, 1999, S. 42). Viele Kinder halten sich daher bei spannenden Szenen zuerst die Ohren zu,
dann die Augen oder verlassen den Raum, um sich vollends zu distanzieren. Bei Erwachsenen ist
dies andersherum: Sie würden sich zuerst die Augen zuhalten, da sie mehr visuell bewerten (vgl.
Rogge 1999, S. 42f.). Erwachsene und Kinder nehmen demnach Filme und Sendungen
unterschiedlich wahr. Zudem beurteilen Kinder Handlungen inhaltlich nicht nach einem
„erwachsenen“ Maßstab, sondern ausschließlich in Bezug auf ihr eigenes Ich, ihr Empfinden und
sozialen Bindungen (vgl. Brungs 2000, S. 31). Sie nehmen Handlungen selektiv wahr.
„Wenn sie sich also von einer Szene besonders angesprochen fühlen, dann durchleben
die Kinder das Filmgeschehen, als wären sie in die entsprechende Szene integriert. Ihre
Freude und Angst, ihr Schaudern, ihr Ekel oder ihre Traurigkeit sind ernsthaft, wirklich und
echt“ (Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 25).
Die angstmachende Wirkung, die vom Fernsehen ausgeht, wird von Erwachsenen daher oft falsch
eingeschätzt. Kinder ängstigen sich bei anderen Szenen, als Erwachsene vermuten oder bleiben
dabei erstaunlich gelassen (vgl. Brungs 2000, S. 30f.). Was folglich für Erwachsenen bei einer
Fernsehsendung ein Problem sein kann, muss für Kinder keins darstellen, weil sie es übersehen.
Andererseits kann etwas für ein Kind eine gefühlsmäßige Belastung sein, was die Eltern gar nicht
bemerken (vgl. Rogge 1999, S. 43).
Rogge unterscheidet drei verschiedene Beteiligungsgrade der kindlichen Rezeption (vgl.
ebenda):
1. Phase der intensiven Beteiligung und Abwendung
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 71
Intensive Beteiligung und Abwendung findet wechselseitig statt. Häufig bei kleineren Kinder, die
einer Sendung intellektuell nicht gewachsen sind oder bei Kindern, die ein Thema gefühlsmäßig
nicht aushalten.
2. Phase des intensiven Mitgehens / aktives Beteiligtsein
Eine hohe Aufmerksamkeit der Kinder, ohne völlig in den Bann gezogen zu sein. Die Kinder sind
mit allen Sinnen aktiv beteiligt, sie kommentieren Handlungen, drücken Gefühle aus und ihre
Körperhaltung zeigt, wie intensiv sie mitgehen.
3. Phase des Mitfühlens
Die Kinder reagieren weniger auf Ansprache von Außen und leben in ihrer eigenen Gefühlswelt.
Nebentätigkeiten, Kommentare und Sprache treten in den Hintergrund. Die intensivste Zuwendung
äußert sich in einem Gebannt- und Überwältigtsein. Meist steigt die Pulsfrequenz an und der Atem
stockt oder beschleunigt sich. Die Augen werden weit aufgerissen und der Mund steht offen.
KOMMENTAR:
Die verschiedenen Phasen und Beteiligungsgrade vermischen sich und wechseln naturgemäß bei
den Kindern von Situation zu Situation und die Phasen sind selbst auch in verschiedenen
Abstufungsgraden zu beobachten. So sind in der Phase des intensiven Mitgehens zeitweise auch
Anzeichen der dritten Phase bei den Kindern zu beobachten, wie z.B. das Rezipieren mit einem
halboffenen Mund (vgl. Abb. 25).
Abbildung 25
Der fünfjährige Jannik beim Rezipieren mit halboffenem Mund und aufrechter Sitzhaltung108
Und während derselben Rezeptionssendung wiederum Abwendung bzw. Entspannung des
gesamten Körpers zu beobachten (vgl. Abb. 26). Dieser Wechsel zwischen Anspannung und
Entspannung kann u.a. mit der Dramaturgiegestaltung der Sendung zusammenhängen. So gibt
z.B. eine Wellendramaturgie den jungen Zuschauern innerhalb einer Sendung immer wieder Zeit,
sich zu entspannen.
Die körperlichen Bewegungen während des Fernsehens zeigen den Eltern, was in den Kindern
vor geht (vgl. Rogge 1999, S. 70). Sie beugen somit unbewusst einer Übererregung vor, fühlen
108
Foto: Wladkowski, 2001
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 72
sich von dem, was sie dort gerade sehen, zu sehr beansprucht und `klinken` sich daher aus dem
Film oder der Sendung aus (vgl. Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 32).
Abbildung 26
Jannik, fünf Jahre, beim Rezipieren in entspannter Körperhaltung und mit geschlossenem
Mund109
Ein anderer Gesichtspunkt ist die sogenannte Aufmerksamkeitsträgheit. Anderson hat
herausgefunden, dass ein Programm, das ein Kind in den ersten zehn Sekunden fesselt, mit
immer größerer Wahrscheinlichkeit weiterhin für Aufmerksamkeit sorgt (vgl. Groebel 1998, S. 63).
Es wird hierbei von einer Art Sogwirkung gesprochen, die auch bei Erwachsenen beobachtet wird
(vgl. ebenda).
„Zwar kann man hier noch nicht von einer Suggestiv- oder Hypnosewirkung des
Fernsehens sprechen, doch immerhin ist festzustellen, dass eben auch die bereits
angesprochenen Umweltreize zunehmend ausgeklammert werden“ (Groebel 1998, S. 63).
Fischer hat festgestellt, dass hinsichtlich der Rezeptionsweise die Wenigseher dem Fernsehen
während der Rezeption mehr Aufmerksamkeit schenken, als Vielseher. Bei diesen ist der
Aufmerksamkeitsgrad abhängig vom Inhalt der Sendung (vgl. Fischer 2000, S. 229). Im Hinblick
auf die Rezeptionssituation muss unterschieden werden, ob das Kind alleine fernsieht oder mit
anderen. Nur selten konsumieren Kinder Sendungen alleine, meistens sind Geschwister und
abends häufig die Eltern dabei (vgl. Fischer 2000, S. 199). Kindern geht es mehr um das Erleben
von Sendungen als um das Verstehen. Sie verlangen nach den ihnen bekannten und vertrauten
Strukturen, nach dem Helden, von dem sie wissen, dass er trotz aller Gefahren am Ende siegt.
Nur, weil sie ihre filmischen Formate kennen, können sie sich auf das Filmerleben einlassen. Dazu
gehört das Wissen um das Happy-End und, dass sich in Cartoons, Tierfilmen oder Krimis alles
zum Erträglichen wendet. Ansonsten würden die Angst, die gefühlsmäßige Überforderung und die
Verunsicherung dominieren (vgl. Rogge 1999, S. 70).
Das Beispiel der Teletubbies
Die Teletubbies ist eine Vorschulserie, die seit 1999 in Deutschland zu kontroversen Diskussionen
führt:
109
Foto: Wladkowski, 2001
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 73
„Das ist Fernseh-Folter für Erwachsene, ein guter Gag für Schulkinder, von denen sich
viele mittlerweile spaßeshalber mit einem gesäuselten `Winke winke` verabschieden, und
ein netter, harmloser Spaß für Windelträger“ (Maus 2000, S. 38).
Am Beispiel der Teletubbies (vgl. Abb. 27) hat das Internationale Zentralinstitut für das Jugendund Bildungsfernsehen (IZI) eine Studie im Jahr 1999 durchgeführt, in der das Rezeptionsverhalten der Vorschulkinder während der Teletubbies-Sendungen im Vordergrund steht (vgl. Götz
2001, S. 93). Diese hat gezeigt, dass die Kinder während der Rezeption äußerst aktiv sind: Sie
reden, erklären und kommentieren Szenen, sie bewegen sich, winken, tanzen und springen (vgl.
Götz 2001, S. 103). Nach Götz sind die Grundlagen hierfür in der spezifischen Gestaltung der
Sendung zu finden. Der Ablauf ist immer gleich, zuerst gibt es den Vorspann, der mit den Worten
eines Erzählers beginnt: „Hinter den Hügeln und keinem bekannt, hier liegt das Teletubby-Land“
(vgl. Neuß 2001, S. 7). Dann geht die Sonne auf, die das Gesicht eines Babys trägt und die
Teletubbies erscheinen gemeinsam mit dem Eröffnungslied (vgl. Höller 2001, S. 53).
Abbildung 27
Die vier Teletubbies: Tinky Winky, Dipsy, Laa Laa und Po110
Es folgt eine kleine Geschichte im Teletubby-Land und danach gibt es ein Auswahlverfahren, bei
dem einer der Teletubbies ausgewählt wird, um den kommenden Film zu zeigen. Dies findet auf
dem Bildschirm seines Bauches statt. Die Kinder nutzen diese Situation gern, um mit ihrer Familie
zu raten, wer von den vier Teletubbies diesmal ausgewählt wird (vgl. Götz 2001, S. 97f.).
„Ein Viertel der gesamten Sendung ist vom Ablauf nahezu gleich, es ändert sich nur die
jeweilige Figur, die herausspringt, auf deren Bauch der Film zu sehen ist [...]. Kinder lieben
derartige Spiele, bei denen immer wieder das Gleiche geschieht, sich nur weniges ändert
und die Wahrscheinlichkeit für ein Erfolgserlebnis hoch ist.“ (Götz 2001, S. 98).
Nach dem Auswahlverfahren folgt die Bauchgeschichte, die als Einspielfilm doppelt hintereinander
gezeigt wird. Im Mittelpunkt dieser Einspieler stehen immer Kinder im Vorschulalter, also der
Zielgruppe entsprechend, die aktiv etwas machen wie basteln, spielen, singen oder tanzen (vgl.
Götz 2001, S. 100). Die Wiederholung des Einspielfilms während einer Folge, soll dem Wunsch
der Kinder nach Wiederholung nachkommen und ihren verschiedenen Sinneseindrücken Zeit zur
Koordinierung geben (vgl. Gangloff 2000, S. 34). Das soll nicht nur das Verstehen des Gesehenen
110
vgl. http://www.tvshows.de/teletubbies/tubby-gallery3/gallery.htm (30.05.01)
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 74
steigern, sondern auch das Selbstbewusstsein, da die Kinder beim zweiten Sehen des Films
Dinge wiedererkennen können und Erfolgserlebnisse empfinden (vgl. ebenda).
„Denn genauso wie sie wieder und wieder die gleichen Kassetten hören oder zum zehnten
Mal dieselbe Geschichte erzählt bekommen möchten, genauso lieben sie es, eine
Sendung öfter anzusehen, dabei neue Facetten zu entdecken, Unverstandenes zu
begreifen, Handlungsmuster zu durchschauen“ (Theunert 1995, S. 155).
Danach finden sich die Kinder im Teletubby-Land wieder, in dem nun eine größere Geschichte mit
den vier Teletubbies gezeigt wird. Diese spielen Ball, fahren Roller, singen oder tanzen, was den
Spielvorlieben der Zielgruppe entspricht (vgl. Höller 2001, S. 47). Daraufhin folgt eine
Animationssituation, bei der die Teletubbies tanzen und ausgelassen sind. Diese Bewegungen der
Figuren faszinieren die Kinder, sie versuchen, diese nachzuahmen. Im Mittelpunkt steht hierbei
laut Götz das lustvolle Erleben des eigenen Körpers. Die Bewegungen der Teletubbies kommen
dem kindlichen Körpergefühl dabei sehr nahe.
„In den Teletubby-Bewegungen geht es nicht darum, `den Bauch einzuziehen` oder Bewegungsfreude zu disziplinieren. Die Teletubbies machen es vor: Jeder kann sich so
bewegen, wie er oder sie dazu Lust hat“ (Götz 2001, S. 95).
Danach folgt die Verabschiedung mit winkenden Teletubbies und untergehender Sonne. Die
Symbolik der auf- und untergehenden Sonne markiert laut Höller und Müller einen festgelegten
Zeitraum mit klarem Beginn und Ende (vgl. Höller 2001, S. 53). Der Aufbau der Sendung spricht
die Kinder – so Götz – auf verschiedene Weisen an und laden sie ein, sich jeweils unterschiedlich
einzubringen (vgl. Götz 2001, S. 104). Die einfachen Handlungsstränge ohne Nebenschauplatz
und die wiederholten Einspieler mit langen Bildeinstellungen sowie sprachlich und musikalisch
ruhige Gestaltung, motivieren die Kinder zum Nachsprechen und aktiven Mitmachen (vgl. Höller
2001, S. 51ff.). Durch wiederkehrende direkte Ansprache, entstehen Räume zum Mitmachen,
Mitdenken und Vorausdenken (vgl. Götz 2001, S. 105). Die ritualisierenden Elemente und Spielszenen bieten den Kindern Sicherheit und Orientierung (vgl. Höller 2001, S. 57). Anhand einer
Grafik werden die typischen Momente der Rezeptionssituation dargestellt (vgl. Abb. 28). Es zeigt
sich, dass schon ein- bis zweijährige Kinder Gefallen an den
Teletubbies finden. Besonders
interessiert sind sie an den bunten Figuren, die sie laut Götz aufgrund ihrer einfachen, einfarbigen
Gestaltung gut aufnehmen und wiedererkennen können (vgl. Götz 2001, S. 107). Zudem
entsprechen Körperform, Bewegung und Sprache dem Bewegungsablauf und Körperwahrnehmung der Zielgruppe. Sie identifizieren sich mit den Teletubbies aufgrund ihres kleinkindhaften
Aussehens und Verhaltens (vgl. Höller 2001, S. 44 u. 47). Gangloff ist der Meinung, dass die
Teletubbies für Vorschulkinder problemlos zu verarbeiten sind und Anregungen zum Mitmachen
bieten (vgl. Gangloff 2001, S. 32). Die inhaltliche Gestaltung der Sendung hat keine Angst
auslösenden Elemente und Gewalt oder Spannung bleiben außen vor (vgl. Höller 2001, S. 52).
Die Serie soll den Kindern Zeit zum Verarbeiten geben und entspricht seiner Meinung nach
„perfekt kindlichen Wahrnehmungsfähigkeiten“ (ebenda). Die ruhige, langsame Gestaltung, die
vielen Wiederholungen lassen den Kindern Zeit, sich zwischenzeitlich vom Fernseher
abzuwenden und sich kleine `Fernsehpausen` zu nehmen, sich zu entspannen und dann wieder
aufmerksam zuzuschauen (vgl. Höller 2001, S. 52).
„Keines der Kinder, die wir beobachteten, `klebte` mit den Augen am Fernseher. Immer
wieder wendeten sich die Kinder auch anderen Tätigkeiten zu, spielten oder suchten das
Gespräch mit anderen“ (ebenda).
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Abbildung 28
Seite 75
Typische Momente der Rezeptionssituation von Vorschulkindern bei den Teletubbies111
Laut Götz haben die Kinder während des Sehens der Serien permanente Erfolgserlebnisse, weil
die Teletubbies diversen Ritualen gehorchen und dies die Sendung entsprechend vorhersehbar
macht (vgl. Götz 2001, S. 98f.). Je älter die Kinder sind, umso geringer ist das Bedürfnis nach
Wiederholung und Ritualisierung. Daher gibt es für Vier- bis Fünfjährige laut Höller und Müller
keine neuen Anreize durch diese Sendung (vgl. Höller 2001, S. 58). Trotzdem besteht Zweifel an
der Wirkung der bruchstückhaften Sprache, die die Teletubbies von sich geben. Große Bedenken
haben viele Eltern und Erzieher wegen negativer Auswirkungen auf den Sprachgebrauch ihrer
Kinder:
„Der gesamte Kindergarten meiner Tochter befindet sich in einer Art Sprachauflösung.
Bald kann gar kein Kind mehr `Hallo` sagen. Ich höre schon jetzt fast nur `Ah-Oh, Ah-Oh`“
(Mutter zit. in: Gangloff 2001, S. 31).
Die Sprachform in der Sendung besteht aus drei unterschiedlichen Ebenen: Die Teletubbies
sprechen in der oft kritisierten `Babysprache`. Aber in den kleinen Dokumentarfilmen werden
Kinder gezeigt in ihrem Lebensalltag und diese benutzen die ganz normale Alltagssprache (vgl.
Röll 2001, S. 21f.). Hinzu kommt eine dritte Ebene der Sprachform, die des Erzählers.
„Kinder lernen somit, ganz wie im Alltagsleben, dass Sprache mehrere Dimensionen
aufweisen und die Welt mit unterschiedlichen kommunikativen Mitteln erschlossen werden
kann“ (Röll 2001, S. 22).
111
vgl. Götz 2001, S. 105
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 76
Beobachtungen haben zudem ergeben, dass Kinder Ausdrücke der Teletubbies nicht mit ihrer
eigenen Sprache verwechseln (vgl. Gangloff 2001, S. 31). Den Grammatikerwerb der Kinder
können einige Minuten Teletubby-Sprache pro Tag laut Szagun nicht beeinflussen:
„Dagegen stehen täglich Tausende von Äußerungen der Erwachsenen in der Umwelt
eines Kindes. Die Häufigkeit der normalen gesprochenen Erwachsenensprache ist also
ungleich viel höher. Damit können die Teletubbies nicht konkurieren.
Die Befürchtungen, die Sprache der Teletubbies könne zu Sprachstörungen führen, sind
ungerechtfertigt“ (Szegun 2001, S. 76).
Die Kinder lernen diese Sprache eher wie Vokabeln und nutzen sie dementsprechend. Szegun
meint, dass dieses Phönomen der Jugendkultur ähnelt, bei dem die Nutzung bestimmter
Ausdrücke nichts mit richtig oder falsch zu tun hat, sondern eine Frage der sozialen Zugehörigkeit
ist (vgl. Szegun 2001, S. 77).
„Mit einem Zerfall der Sprache […] hat es jedenfalls nichts zu tun. Was die Natur als ein
robustes Kommunikationssystem geschaffen hat, wird nicht so schnell zerstört durch den
etwas eigenartigen Sprachgebrauch harmloser, pummeliger Fernsehkerlchen“ (ebenda).
KOMMENTAR
Doch ist hierbei grundsätzlich zu diskutieren, ab welchem Alter Kinder den Fernseher nutzen
sollten. Eine Zielgruppe unter drei Jahren ist nicht wünschenswert. Trotzdem sollte diese Gruppe
beobachtet und in die GfK-Forschung aufgenommen werden.
4.3. Strittige Themen im Kinderprogramm
Werbung, irreale Zeichentrickserien und gewaltvolle Fernsehinhalte in der Rezeption von Kindern
erzeugen bei den Erwachsenen Befürchtungen, dies könne negative Auswirkungen auf die Kinder
haben: Konzentrationsstörungen, verminderte Kommunikationsfähigkeit, Werbedruck, Kommerzialisierung der Kindheit, Verlust von Kreativität und Fantasie, Zunahme von Aggression sowie
stereotype Identifikationsfiguren (vgl. Schäfer 2000, S. 7; Schneider 1997, S. 111). „Ein Problem,
dass mit der zunehmenden Verkabelung der Haushalte zugenommen hat und noch zunehmen
wird“ (Hövel van den 1991, S. 186). In diesem Kapitel soll ein kurzer Einblick in die Themen
werbewirksames Merchandising und Cartoons beispielhaft gewährt werden. Das Thema Gewalt
im Fernsehen wird hierbei am Beispiel der Zeichentrickserien behandelt.
4.3.1.
Merchandising als neue Werbeform
Mit Sendebeginn der privaten Fernsehanstalten beginnt in den 1980er Jahren ein „regelrechter
Werbeboom“ (Hollstein 1998, S. 185). Nicht zuletzt steigt das Interesse an der Vermarktung von
Kindersendungen mit Hilfe alternativer Werbeformen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass
explizite Werbung im Kinderfernsehen gesetzlich untersagt ist. Merchandising bildet eine solche
Werbeform, die das Marketing, die Verkaufsförderung und reine Lizenzierung umfasst (vgl. Salm
1998, S. 251ff.). Nach Kübler meint das Merchandising im engeren Sinn ein Zusatzgeschäft der
Medienbranche, „um geistige Erzeugnisse so in verschiedenen Bereichen zu konkretisieren und
zu produzieren, dass sie als Begleitware verkauft werden können und zugleich wieder für das
Ausgangsprodukt werben“ (Kübler 1991, S. 149). Der Bekanntheitsgrad und die Popularität von
Sendungselementen oder die Kompetenz eines Programms wird für ein bestimmtes Themenfeld
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 77
genutzt (vgl. Karstens 1999, S. 365). Der Sinn des Merchandisings ist demnach die Popularität
einer Sache auszunutzen, und sich mit dem Produkt in diesen Erfolg einzuklinken (vgl. Felser
112
1997, S. 23). Diese Art der Vermarktung hat Walt Disney
schon in den 30er Jahren des 20.
Jahrhunderts betrieben, als er mit seinen Zeichentrickfiguren wie etwa Mickey Mouse den
Lizenzhandel erschuf (vgl. Mattusch 1998, S. 430). Damals sind mehr als 50.000 Disney-Lizenzen
vertrieben worden (vgl. Kagelmann 1992, S. 32). In Deutschland sind ab Mitte der 70er Jahre
Fernsehfiguren öffentlich-rechtlicher TV-Anbieter wie die Biene Maja, Heidi oder Pumuckl
erfolgreich vermarktet worden, was jedoch in keinem Vergleich zu dem perfektionierten
Merchandising-Geschäft seit der Dualisierung des Rundfunksystems steht (vgl. Kagelmann 1992,
S.31-38). Neu ist in den 90er Jahren, dass die Produktionsfirmen von vorn herein gezielt
Fernsehfiguren aufbauen, bei denen die gesamte Bandbreite der Auswertungskette ausgeschöpft
werden kann. Diese Merchandising-Konzepte sind multinational umsetzbar (vgl. Gangloff 2001, S.
29).
„Wir entwickeln die Figuren so, dass sie merchandisingfähig sind. Ich finde es
deprimierend, dass man mit Merchandising mehr Geld verdient als mit dem eigentlichen
Produkt, in das man Kreativität und Risiko investiert hat. Ich kriege durch Benjamin
Blümchen jedes Jahr einen bestimmten Betrag an Merchandisingeinnahmen. Das bringt
mir Geld. Die Produktionen sind ein reines Verlustgeschäft – das glaubt mir keiner“ (Hahn
1992, S. 16).
Diese strategisch geplante Nutzung von Lizenzen verläuft so, dass man für bestimmte Charaktere
oder Motive schon vor dem offiziellen Erscheinen einer neuen Figur, Serie oder eines Films
Lizenzen vergibt (vgl. Kagelmann 1992, S. 33). Die Lizenznehmer versuchen möglichst viele
Verträge abzuschließen, um sich die hoffentlich positive Resonanz des Publikums zu sichern (vgl.
ebenda). Die beliebten Figuren und Motive werden dann für den Verkauf von Produkten des
täglichen Lebens verwendet, sie reichen vom Computerspiel, über die TV-Serie, Kinofilm,
Plüschtiere, Hörspiele, Bettwäsche (vgl. Abb. 29), Magazine, Uhren, Brettspiele, Kleidung, Internet
bis hin zu Lebensmitteln wie Joghurts und Kelloggs mit Motiven, Sammelbildern oder -figuren.
Abbildung 29
112
Merchandisingprodukt: Biene Maja–Bettwäsche113
Walter Elias Disney (1901-1966), amerikanischer Filmproduzent, machte ab 1922 Zeichentrickfilme und errang dadurch
Weltruhm.
113
Foto: Wladkowski, 2001
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 78
Sogar die Weingummis nehmen die Form der Figuren der Sendung mit der Maus oder Käpt`n
Blaubär an (vgl. Stern 30/2001, S. 130). Die Verflechtung zwischen Kinderfernsehen und
Merchandising ist nicht nur als reines Zusatzgeschäft zu bezeichnen, sondern erfährt den
Stellenwert eines elementaren Finanzierungsbestandteils von Fernsehprogrammen (vgl. Salm
1998, S. 251ff.).
„Angetreten sind wir mit dem Anspruch, dass `die Maus` kein Kind zum Kauf von
irgendwas anregen soll. Aber mittlerweile hat sich die Landschaft gewandelt, so dass es
wahrscheinlich sein muss“ (Armin Mailwald zit. von Hollstein 1997, S. 49).
Wie bei den Pokémon-Produkten ist auch bei He-Man, Super-Mario und Ninja Hero Turtles zu
beobachten, dass von Anfang an eine konsequent durchgeplante Spielzeugwelt erschaffen wird,
die dann Produkte wie Puppen, Computerspiele und Fernsehserien nach sich ziehen (vgl. Felser
1997, S. 24). Die natürliche Neigung in der Kindheit Geschichten nachzuahmen, wird bei dieser
Vermarktungsstrategie zielgenau ausgenutzt (vgl. Baacke 1997a, S. 71). Zudem wollen Kinder
das Vertraute und Bekannte immer wiedersehen genauso wie Geschichten mehrmals hintereinander hören. Alles, was bei den Kindern beliebt ist, lässt sich gut vermarkten (vgl. Hollstein
1998, S. 185). Wenn sie also eine Fernsehfigur mögen, wollen sie diese gern öfter sehen und um
sich haben (vgl. Kagelmann 1992, S. 38). Plüschmäuse verkaufen sich daher besser, wenn sie so
aussehen wie in der Sendung mit der Maus. Viele Jungen und Mädchen lieben diese
Fernsehmaus und möchten mit ihr spielen (vgl. Karstens 1999, S. 365). Beckmann ist der
Meinung, dass die Ki.Ka-Fans ihre Sympathie mit dem Sender durchaus mit einem T-Shirt
ausdrücken dürfen und eine TV-Figur, die positive Werte verkörpert, auch einen Platz im
Kinderzimmer verdient (vgl. Beckmann 2002, S. 5).
„Wir begreifen das Merchandising als programmbegleitende Maßnahme, die den
Interessen der Kinder folgt und nicht der Gewinnmaximierung“ (ebenda).
Nach Kline hat diese Werbeform in erster Linie das Ziel, das Produkt „in den Herzen und Köpfen
der Kinder zu verwurzeln“ (Kline 1991, S. 224). Kinder sind daher besonders gut für Merchandisingprodukte zu begeistern (vgl. Felser 1997, S. 23).
„Die [Kinder] mögen die Biene Maja oder die Turtles, und dann entdecken sie die Figuren
überall. Auf jedem Ding. Und dann heißt es, die und die will ich haben. Da ist die Maja
drauf. Da kannst du argumentieren, wie du willst. Die beharren einfach darauf. Du bist
machtlos gegen die Macht der Werbung“ (eine Mutter zit. in Rogge 1999, S. 159).
Der Film oder die Sendung hört nicht mit dem Happy-End auf, wenn die Protagonisten später beim
Einkauf wieder gesehen werden, beginnt der Konflikt zwischen Eltern und Kindern. Dieser kann in
einer lautstarken Auseinandersetzung enden, wenn Eltern nicht bereit sind, diese Produkte zu
kaufen (vgl. Rogge 1999, S. 161). 1997 gibt es etwa 400 Lizenzprodukte in Deutschland (vgl.
Schneider 1997, S. 111). An Hand der Teletubbies sieht man die Vielfalt der Lizenznehmer und
Produkte (vgl. Tab. 5). Über 100 Merchandisingartikel gibt es allein von den Teletubbies in
Deutschland (vgl. Televizion 12/1999/2, S. 6), weltweit beläuft sich die Zahl auf ungefähr 4.000
(vgl. Gangloff 2001, S. 36).
„In der Hitliste der `Top Lizenzen` haben die Teletubbies laut Spieleriese Hasbro auf dem
deutschen Spielwarenmarkt sämtliche anderen Verkaufsknüller hinter sich gelassen,
darunter immerhin solch global erfolgreiche Marken wie Star Wars, Sesamstrasse, Disney
und Pokémon“ (ebenda).
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 79
Grundsätzlich dürfen sich nur solche Produkte mit den Teletubbies schmücken, die auf die
Zielgruppe zugeschnitten sind. „[...] also keine Feuerzeuge und Kleidung nur bis zu einer
bestimmten Größe“ (Gangloff 2001, S. 37). Esser nennt diese Art des Merchandisings eine
`sensible` Vermarktung, die auch bei Käpt`n Blaubär funktioniert. Bei diesem Produkt hat es
einen „ersten, zaghaften Versuch einer finanziell gewinnbringenden innerdeutschen Koproduktion“
gegeben (vgl. Esser 1992, S. 19). Es ist wichtig, dass eine Lizenz in hohem Maße auf den
Faktoren Bekanntheit, Beliebtheit und Identifikation basiert. „Die Zielgruppenaffinität muss schon
stichhaltig sein“ (Eck 2/2000, S. 22). Es macht wenig Sinn, sich einer neuen Marke zu versichern,
die aber beispielsweise nicht zur Zielgruppe des neuen Produkts passt. Zudem müssen die
Kommunikations- und Marketingmaßnahmen auf diesen Lizenzcharakter abgestimmt werden, so
dass der Verbund zwischen ihm und der Marke funktioniert (vgl. ebenda). Der Merchandisingartikel muss zum Image der Sendung und des Senders passen (vgl. Karstens 1999, S. 367). Im
Idealfall für den Verkauf wird das Bedürfnis durch eine Sendung geweckt und direkt ein
Kaufimpuls ausgelöst (vgl. Karstens 1999, S. 366). Die Begleitprodukte zu den einzelnen
Sendungen werden nicht ausschließlich in klassischen Werbespots vorgestellt, sie dienen zudem
als Gewinnprodukte in entsprechenden anderen Sendungen der Fernsehanstalt.
Tabelle 5
Teletubbies Lizenznehmerliste (Auszug)114
Firma
Ki.Ka
À la carte AG
Produkt
TV-Serie
Masken, Schlüsselanhänger, Schlüsselanhänger mit
Geldbörse, Wecker, Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel
Amscan Partyartikel GmbH
Partyprodukte
Ardek-Arbeitsgemeinschaft der Baby- und Sitz- und Liegebuggy, Shopper, Sportwagen, Jogger
Kinderausstatter
Besteam int. Spielwaren Vertriebs GmbH Puppenwagen, Puppenbuggies, Puppenbetten etc.
Bike Fashion Vertriebs GmbH
Kinderfahrradaccessoires: Korb, Trinkflasche,
Fahrradhandschuhe, Klingel, Hupe, Flaggen, Helme
EMI Electrola GmbH
CDs, MCs, Compilations
Hasbro Deutschland GmbH
Spielwaren und Plüsch
Panini Verlags GmbH
Monatliches Magazin u. Sammelsticker mit Album
Ravensburger Buchverlag Otto Maier
Buchprogramm
GmbH
Ravensburger Interactive Media GmbH
Videos u. Hörspielkassetten
Ravensburger Spieleverlag GmbH
Puzzles und Spiele
TV Media Limited
Nacht- und Unterwäsche für Kinder, Bekleidung
Verlag Jürgen Döll
Schreibwarenlinie (u.a. Malstifte, Radierer, Geschenkpapier,
Malblöcke, Geschenktüten etc.)
u.a.
u.a.
So können sie wiederum zu einer Steigerung des Bekanntheitsgrades des neuen Lizenzprodukts
sowie des Senders selbst genutzt werden (vgl. Hollstein 1998, S. 185). Im Jahre 1999 werden
115
über 6 Milliarden Euro
allein mit Lizenzartikeln in Deutschland umgesetzt (vgl. Eck 2/2000, S.
22). Bei den Sechs- bis Dreizehnjährigen kann jedes fünfte Kind Bücher oder Zeitschriften seiner
Fernsehlieblinge nennen und ungefähr genauso viele Kinder besitzen Kleidungsstücke oder
Spielfiguren ihrer Bildschirmhelden (vgl. Abb. 30). Mit Ausnahme der Begleitbücher und Zeitschriften zu Sendungen scheint das Interesse an Merchandisingartikeln jedoch mit steigendem
Alter zu sinken (vgl. Feierabend 2000a, S. 19). Mit Hilfe des Merchandisings lassen sich die
114
115
vgl. Eck 2/2000, S. 25
damals 12 Milliarden DM
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 80
Einspielergebnisse eines Spielfilms oder einer Serie erheblich übertreffen. So liegt z.B. der Profit
an Merchandisingartikeln bei dem Film Der König der Löwen von Walt Disney mit fast einer
Milliarde Dollar um das Dreifache über dem Ergebnis an der Kinokasse (vgl. Winkler 1995, S. 28
u. Bode 1997, S. 135). Das Interesse der Werbewirtschaft und die damit verbundenen
Werbeaufwendungen stellen im kommerziellen Fernsehen die Finanzierungsgrundlage der
Kindersendungen – genauso wie die des Erwachsenenprogramms – dar. Für die Sender ist
Merchandising laut Karstens „ein Geschenk des Himmels“ (Karstens 1999, S. 348). Statt für
Werbung Geld ausgeben zu müssen, können die Sender sogar zusätzlich Geld verdienen.
„Kindersendungen müssen sich durch Werbung bezahlt machen. Kindersendungen, die
keine schwarzen Zahlen machen, haben im Programm eines privaten Fernsehunternehmers aus diesem Grund keine besondere Chance. Kindersendungen, die in ihren
Produktionskosten höher sind als die zu erwartenden Werbeeinnahmen, finden nicht statt”
(Schneider 1994, S. 150).
Oft werden daher Merchandisingprodukte damit legitimiert, dass das ersparte Geld es ermöglicht,
qualitativ bessere und pädagogisch wertvolle, aber kostspielige Produktionen zu verwirklichen
(vgl. Salm 1998, S. 262). Merchandising ist ein wirkungsvolles Absatzinstrument, jedoch gibt es
keine schlüssige, empirisch überprüfte Theorie, die erklären oder beweisen kann, wann und
warum eine Merchandisingfigur Waren besser verkaufen lässt (vgl. Kagelmann 1992, S. 37).
nichts davon
Buch/Magazin
Kleidung
Spielzeug/-figur
Schreibutensilien
Bettwäsche
Tasche/Rucksack
0
10
20
30
40
50
60
in Prozent
Abbildung 30
Merchandising-Produkte der Sechs- bis Dreizehnjährigen 1999116
Nichts desto trotz sprechen die Umsatzzahlen der Werbewirtschaft für sich und Kinder sind die
treuesten Merchandisingkonsumenten. Zudem verfügen sie über ein immer größer werdendes
Taschengeldbudget und sind wichtige Einflussfaktoren bei Kaufentscheidungen der Eltern (vgl.
Aufenanger 1997a, S. 10). Sie haben ein umfangreiches Produktwissen und Markenbewusstsein
(vgl. IP Deutschland 1998, S. 11). Kinder haben bei der Kaufentscheidung der Erwachsenen einen
Einfluss auf alle Waren, doch am meisten beim Kauf von Süßwaren mit 68% Einflussnahme, 62%
116
vgl. Feierabend 2000a, S. 19
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 81
auf Sport-/Turnschuhe, 60% bei Getränken, 59% bei Hosen und Jeans, 56% auf Sportartikel aller
Art und auf Lebensmittel immerhin 54% (vgl. ebenda). Werbeslogan wie `Gotta catch ´em all`
117
bei den Pokémon üben auf die Kinder einen enormen Druck aus (vgl. Gangloff 2001, S. 29).
Dieser hohe direkte und indirekte Werbedruck auf Kinder fördert eine „Kommerzialisierung der
Kindheit“ (Schneider 1997, S. 111) und zudem eine Ausweitung der Verführung, sich in künstlich
aufgebaute Scheinwelten zu flüchten (vgl. ebenda). In diesen medialen Scheinwelten können die
jungen Zuschauer alles erleben, ohne auf Grenzen zu stoßen, denen sie in der realen Welt allzu
oft begegnen.
„Die vielen Grenzen im komplizierten Leben der modernen Industriegesellschaft sind ein
schwerwiegendes Problem für die Kinder. Wenn die Grenzen sich mit Unfreundlichkeit und
Lieblosigkeit paaren, sind sie auch deutlich erkennbar. Die Grenzen bleiben jedoch auch
bei größtem Verständnis für Kinder und ihre aktive Weise, das Leben und die Welt zu
entdecken“ (Bachmair 1993, S. 21).
Die Medienwelt mit ihren Konsum- und Produktangeboten steht in einem engen Dreiecksverhältnis
mit dem einzelnen Kind sowie der Kinderkultur (vgl. Abb. 31). Ein Zusammenhang zwischen der
Medienwirkung und der Sozialisation der Kinder ist hierbei zu beobachten. Medien und Werbung
nutzen Veränderungen der Kindheit für moderne und dynamische Werbetaktiken und beeinflussen
wiederum die Trends und Veränderungen der Kindheit selbst (vgl. Baacke 1993, S. 168).
Abbildung 31
Wirkung der Werbung als Wechselverhältnis118
Die Wirkung ist keine gerichtete, eindimensionale Beziehung zwischen Werbung und Kindern,
sondern
es
besteht
ein
Wechselwirkungsverhältnis.
Es
gibt
keine
Untersuchung,
die
„längerfristige, direkt auf Werbeeinflüsse nachweisbare Wirkungen“ (Baacke 1993, S. 166)
belegen könnte. Allerdings weist Baacke darauf hin, dass unbewiesene Zusammenhänge
trotzdem existieren können und es bisher nur an verlässlichen Untersuchungsmethoden mangeln
könnte (vgl. Baacke 1999, S. 334ff.). Zweifelsohne können sich emotionale Einflüsse der Fernsehwerbung nur im Zusammenhang mit einem Konsumklima entfalten, in dem Kinder heute aufwachsen (vgl. ebenda). Durch die Werbung werden Weltbilder transportiert. Rogge ist der
Meinung, dass Werbung nicht manipuliert, aber ihre Macht ausnutzt, indem mit Motiven des
Dazugehörens, des Lebensstils und des Erfolgsgefühls gearbeitet wird (vgl. Rogge 1999, S. 164).
117
118
`Du musst sie alle kriegen`
vgl. Baacke u.a. 1993, S. 167
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 82
Esser glaubt, dass es heutzutage ohne Merchandising keinen wirtschaftlichen Fernseherfolg mehr
geben kann (vgl. Esser 1992, S. 19).
„Merchandising wird also bewusst zum Verbreitungsinstrument von Inhalten eingesetzt,
mit dem Ziel, ein engstmögliches Netz der Aufmerksamkeitserzeugung um den Konsumenten zu ziehen, das keine Lücke mehr lässt. Wenn die Kinder überall sind, dann ist
auch das Lizenzprodukt omnipräsent“ (Salm 1998, S. 262).
Rogge ist davon überzeugt, dass Werbung für Kinder in Zukunft noch umfassender und
allgegenwärtig sein wird (vgl. Rogge 1999, S. 161).
4.3.2.
Zeichentrickserien
Neben Spielfilm und Dokumentation stellt die Animation
119
eine dritte Hauptgattung des
Fernsehfilms dar (vgl. Esser, 1992, S. 17). Es ist ein Verfahren der Filmtechnik, welches zweioder dreidimensionale Objekte im Film scheinbar belebt. Diese Illusion wird durch computergesteuerte Einzelbildaufnahmen erreicht, wobei jede einzelne Bewegungsphase abfotografiert und
im Film fortlaufend präsentiert wird. Zeichentrick ist eine Animationstechnik, die heute zu der
bekanntesten und populärsten Form der Animation gehört (vgl. ebenda).
„Die Zeichentricks sind noch älter als der Film – und wie sie funktionieren, lehrt schon ein
Blick ins Daumenkino. 24 Zeichnungen pro Sekunde ergeben die Illusion von fließender
Bewegung. Doch wo früher die Zeichner tatsächlich jedes Bild in Handarbeit fertigten, hilft
heute der Computer. Er ist schneller und billiger“ (Seidl 1995, S. 72).
Sie stammen ursprünglich aus dem Comicbereich und zeichnen sich durch temporeiche
Handlungen und fantasievolle Protagonisten aus (vgl. Baacke 1997b, S. 47). Zeichentrickserien
werden im deutschen Fernsehen hauptsächlich im Rahmen des Kinder- oder Familienprogramms
angeboten (vgl. Esser 1992, S. 17). Der Schwerpunkt im Kinderprogramm der privaten Sender
liegt auf diesem Genre, das bei den jungen Zuschauern bevorzugt wird.
„Während die Kleinen in den 50er und 60er Jahren noch für ruhig erzählte
Bildergeschichten zu begeistern waren, bezeichnen heute sogar schon Kindergartenkinder
solche Angebote als `Babykram` und wenden sich oft lieber den schnell geschnittenen
Action-Cartoons zu“ (Esser 1994b, S. 386).
Daher können Zeichentrickserien im deutschen Fernsehen dem Kinderprogramm zugeordnet
werden (vgl. ebenda). Zeichentrickserien liefern den Kindern die gewünschten intensiven Gefühle
mit Spaß, Spannung und das Erzählmuster ist nach mehrmaligem Sehen leicht durchschaubar. So
erhalten die Kinder eine gewisse Sicherheit, sie kennen sich bei den Protagonisten aus und
können sich auf das Happy-End verlassen (vgl. BMFSFJ 1999, S. 20). Private und öffentlichrechtliche Sender bieten diese Form der Fernsehunterhaltung, die sich für das Marketing gut
eignet und somit kein Finanzierungs- oder Refinanzierungsproblem darstellt. Jede Serie hat
andere Ausrüstungen, Monsterfiguren oder Helden, die es der Spielzeugindustrie erlauben,
ständig neue Merchandisingprodukte absetzen zu können.
„Zeichentrickprodukte sind konfektionierte Massenware, sie werden von den großen, meist
US-amerikanischen Produktionsgesellschaften angeboten und sind relativ billig, sie lassen
sich international besser vermarkten, weil kulturelle Besonderheiten bei den animierten
Charakteren weniger eine Rolle spielen als bei Realfilmproduktionen“ (Mikat 2000, S. 46).
Zudem lassen sich diese zeitlosen Cartoons beliebig oft wiederholen, ohne unmodern zu wirken,
wie es z.B. bei Realfilmproduktionen geschehen kann. Zeichentrickserien mit bis weit über
119
animare [lat]: beseelen, beleben
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 83
einhundert Einzelfolgen sind keine Seltenheit und bestimmen in immer komprimierterer Form das
Programmschema der kommerziellen Sender (vgl. Esser 1998, S. 345).
Alle Zeichentrickserien bieten Inhaltselemente, die sie miteinander verbinden und können daher in
fünf Serientypen zusammengefasst werden (vgl. Theunert 1993, S. 27):
Typ 1: Bewegter Alltag
Dieser Serientyp präsentiert alltägliche Situationen und Erlebnisse, wie sie sich (fast) überall
zutragen könnten (z.B. in der Familie o. im Freundeskreis). Der Inhalt kann Streiche, Streitereien,
Alltagsschwierigkeiten o.ä. darstellen. Bsp.: Die Simpsons, Familie Feuerstein, Die Schlümpfe.
Typ 2: Gerechte Kämpfe
In den Serien dieses Typs treten die Helden gegen `das Böse` an. Oft findet die Handlung auf
fremden Planeten, in anonymen Großstädten oder fernab jeglicher Zivilisation statt. Im Mittelpunkt
des Geschehens steht der Kampf des `Guten` gegen das `Böse`. Die gerechten, guten Kämpfer
sind verlässliche Kameraden, die den Schwächeren helfen. Bsp.: Ninja Turtles, Pokémon.
Typ 3: Kleine Abenteuer
In diesen Serien erfahren die Protagonisten außergewöhnliche Erlebnisse in einer fremden
Umgebung oder entdecken Vertrautes völlig neu. Freiwillig oder unfreiwillig geraten sie in
Abenteuer, aus denen sie sich mit Geschick oder Glück befreien können. Bsp.: Arielle, Aladdin.
Typ 4: Persönliche Scharmützel
Der Inhalt dieser Serien ist der `tägliche Kleinkrieg` in dem die Protagonisten Rivalen darstellen,
die sich gegenseitig das Leben erschweren. Mit Gemeinheiten, hinterlistigen Tricks und
handfesten Grobheiten versuchen sie sich gegenseitig hereinzulegen, sind aber meist selbst das
Opfer. Bsp.: Tom und Jerry.
Typ 5: Erfolgreiche Gaunerjagd
In diesem Serientyp sorgen die Protagonisten (Detektive, Ordnungshüter o.ä.) für Recht und
Ordnung. Die Amtsträger in den Serien bewältigen dies eher mit Glück, während die Amateure
meist mit einfallsreichen Ideen an ihr Ziel kommen. Bsp.: Blinky Bill, Chip und Chap.
Theunert und Schorb haben Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren nach ihren Vorlieben
befragt und erfahren, dass die Serientypen Bewegter Alltag und Gerechte Kämpfe am
Beliebtesten sind (vgl. Abb. 32). Hierbei bevorzugen die Mädchen eher den Typ Bewegter Alltag
und die Jungen den Serientyp Gerechte Kämpfe (vgl. ebenda). Welche Schwierigkeiten die
Helden der Animationsserien des Typs Bewegter Alltag meistern müssen, ist zwar von Serie zu
Serie unterschiedlich, doch lassen sich einige Grundkonflikte und Themen zusammenfassen, die
an der kindlichen Lebenswelt anknüpfen (vgl. Mikat 2000, S. 47). Ein solcher Konflikt kann ein
Streich oder eine Gedankenlosigkeit der Kinder sein, die zu Problemen
120
führen kann. So stehen
im Mittelpunkt der Geschichten Verwirrungen und ein Durcheinander, welches am Ende glücklich
aufgelöst und in Ordnung gebracht wird. Zudem spielen Konflikte und Streitereien unter den
Protagonisten eine Rolle, die die Kinder aus eigener Erfahrung mit Erwachsenen, Geschwistern
oder Freunden aus ihrem Alltag kennen (vgl. Baacke 1997b, S. 71). Die Akteure sind oft tierischer
Gestalt oder Fantasiefiguren. In vielen Serien lassen sich außerdem Handlungen finden, in denen
120
meist mit den Erwachsenen
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 84
sich die kleineren und schwächeren Akteure gegen die Großen durchsetzen und eigene Wege
gehen. Die Dramaturgie findet ohne Verfolgungsjagd oder spektakuläre Action statt (vgl. ebenda).
Bewegter Alltag
Gerechte Kämpfe
Kleine Abenteuer
Persönliche Scharmützel
Erfolgreiche Gaunerjagd
0
10
20
30
40
50
60
Basis: 130 positive Nennungen
Jungen
Abbildung 32
Mädchen
gesamt
Beliebte Serientypen in Cartoons bei den Sieben- bis Elfjährigen121
Die Konfliktlösungen sind gewaltfrei. Streitereien werden friedlich beglichen und durch großen
Einfallsreichtum, magische Kräfte oder Freundschaft erreicht (vgl. Mikat 2000, S. 47). Die jungen
Zuschauer nutzen diesen Serientyp zur Orientierung im eigenen Alltag (vgl. Baacke 1997b, S. 71).
„Das Rezept dieser Serien ist die Kombination aus Vertrautem und Kuriosem. Bekannte
Handlungsorte wie die Familie oder die Schule und bekannte Konflikte und Themen der
Kinder – groß werden, sich durchsetzen, Streitigkeiten aushandeln – werden mit
phantastischen Wesen oder magischen Lösungen verknüpft“ (Mikat 2000, S. 48).
Gegenüber diesen bewegten Alltagsgeschichten dominieren in den aktionsreichen Zeichentrickserien des Typs Gerechte Kämpfe menschliche Figuren wie Jugendliche oder Erwachsene.
Tierfiguren und Fantasiewesen kommen selten vor. Die Protagonisten zeichnen sich durch
magische oder starke kämpferische Kräfte aus, sind klug und verfügen über umfangreiches
technisches Wissen (vgl. ebenda). Sie treten gegen übermächtige Gegner an, um ihre hehren
Zielen durchzusetzen. Im Mittelpunkt der Handlung steht der Kampf zwischen dem `Guten` und
dem `Bösen`. Die Abwehr vielfältiger Bedrohungen, der Kampf ums Überleben oder sogar die
Rettung der Welt sind Themen, die eine gewaltvolle Konfliktlösung rechtfertigen sollen (vgl.
Baacke 1997b, S. 47). Die Kämpfe gehen ohne Blutvergießen von sich und selbst die Figuren, die
getötet oder explodiert sind, tauchen völlig unversehrt wieder auf (vgl. Theunert 1994, S. 101). Die
Dramaturgie ist temporeich und endet grundsätzlich mit einem Happy-End. Mikat ist der Meinung,
dass dieser Serientyp unter pädagogischen Gesichtspunkten weniger empfehlenswert ist (vgl.
Mikat 2000, S. 49). Die Zeichnung einer stets bedrohten Welt, in der die einzigen Strategien zur
Lösung von Konflikten Gewalt und Zerstörung sind, lässt diesen Schluss zu. Unter dem Aspekt
121
vgl. Theunert 1993, S. 28f.
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 85
des Jugendschutzes gelten diese Serientypen jedoch als entlastend. Sie entsprechen dem
bekannten Muster des Märchens mit Hexen, guten Feen und finsteren Protagonisten. Kindliche
Ängste und Machtfantasien werden projiziert und dramaturgisch wieder aufgefangen (vgl. Mikat
2000, S. 49). Laut Baacke bieten die Protagonisten dieses Serientyps fantasievolle Identifikationsfiguren, die den Kindern kurzfristig emotionale Unterstützung in Konfliktsituationen liefern können
(vgl. Baacke 1997b, S. 47). Indessen ist Theunert der Meinung, dass irreale und folgenlose
Darstellungen von Gewaltanwendung dazu führen, dass die enthaltene Gewalt den Kindern kaum
auffällt und nicht ernst genommen wird (vgl. Theunert 1994, S. 101f.). Sie tritt gegenüber der
Faszination für die Helden und für die mit Technik und Zauberei inszenierten Kampfhandlungen in
den Hintergrund. Mikat ist davon überzeugt, dass unter Jugendschutzgesichtspunkten vornehmlich die gestalterischen Aspekte gegen eine Ausstrahlung am frühen Morgen sprechen, „denn
Erregung und Spannung werden oft durch einen aufputschenden Sound und schnelle Bildfolgen
erzeugt. Das Kampfgetümmel wirkt meist hektisch und lädt jüngere Zuschauer förmlich auf“ (Mikat
2000, S. 49). In der Schule gibt es jedoch direkt nach einer Rezeption keinen Freiraum, um diese
Spannung abzubauen.
Das Beispiel He-Man (Serientyp Gerechte Kämpfe)
Als Prinz Adam lebt He-Man mit seinen Eltern auf dem Planeten Eternia im Schloss Grayskull und
ist ein durchschnittlicher, nicht sonderlich mutiger Mensch. Doch sobald die Bösen, vor allem sein
Widersacher Skeletor, auftauchen und Eternia oder anderen Gefahr droht, verwandelt sich Prinz
Adam in He-Man mittels eines Zauberschwerts und wird zum unbesiegbaren Helden (vgl. Abb.
33).
Abbildung 33
Zeichentrickheld He-Man mit Zauberschwert122
He-Man sucht niemals Streit oder greift an, seine Gewaltaktionen sind damit legitimiert, dass er
Eternia, das Schloss Grayskull oder in Not geratene Freunde retten muss. Sein Schwert verleiht
ihm dabei magische Kräfte, es kann Lasergeschosse oder Angreifer in Luft auflösen und macht
He-Man unbesiegbar im Zweikampf. Physische Gewalt steht sowohl inhaltlich als auch
dramaturgisch im Mittelpunkt (vgl. Theunert 1994, S. 48f.; S. 98). Während die Mädchen, vor allem
ältere, die Serie eher langweilig finden, ist sie für die Jungen altersunabhängig voller Action (vgl.
Theunert 1994, S. 74f.).
122
vgl. http://www.he-man-power.de/indexjav.htm (20.08.01)
4. Kinder als Fernsehrezipienten
Seite 86
Jedes Kind entwickelt in der Auseinandersetzung mit der eigenen Welt eine individuelle
`Gewaltschwelle`, die ein persönlicher Maßstab dafür ist, welche Gewaltdarstellungen Kinder als
harmlos, belastend oder als belustigend ansehen (vgl. BMFSFJ 1999, S. 29). „Diese Kritik an
gewalthaltigen Inhalten ist nicht unberechtigt, sie greift aber zu kurz, wenn sie nur das Fernsehen
als Ursache für aggressives Verhalten macht“ (ebenda, S. 28). Genau wie alle Fernsehinhalte sind
diese Auswirkungen entwicklungspsychologisch und individuell von der Lebenswelt des Kindes
abhängig. Alle Kinder haben Ängste wie z.B. vor dem Alleinsein, vor Dunkelheit, vor konkreten
Erlebnissen wie einen Raubüberfall oder mysteriösen Dingen wie Gespenstern oder Monster (vgl.
BMFSFJ 1999, S. 24). In der Gewaltwirkungsforschung gibt es verschiedene Theorien (vgl.
Nolting 1999, S. 52ff.), doch Einigkeit herrscht in der Annahme, dass Ängste nicht (nur) durch
Fernsehsendungen entstehen, sondern in der Verbindung des Fernseherlebnisses mit vorhandenen Ängsten und Unsicherheiten.
KOMMENTAR
Im deutschen Fernsehen sind jedoch nicht nur gewalthaltige Zeichentrickserien zu sehen. Es ist
zu unterscheiden zwischen gewalthaltigen und kindgerechten Produktionen. So gibt es im Ki.Ka
oder bei Super RTL auch Zeichentrickserien zu sehen, die sich an den Bedürfnissen, der
Lebensumwelt und der Fantasie der Kinder orientieren und den dramaturgischen Rahmen nicht
überziehen. Zu nennen sind hierbei Serien im Zeichentrickformat wie Tabaluga, Marcius, Jim
Knopf, Pettersson und Finuds (alle Ki.Ka) oder Bob der Baumeister, Die Biber Brüder, SpongeBOB (alle Super RTL).
Bei dem Serientyp Kleine Abenteuer lassen sich keine gravierenden Unterschiede in der
Beliebtheit bei den Geschlechtern feststellen (vgl. Theunert 1993, S. 28f.). Die persönlichen
Scharmützel werden dahingehend eher von den Mädchen beachtet, wohingegen den Jungen die
Erfolgreiche Gaunerjagd offensichtlich mehr zusagt. Theunert und Schorb vermuten, dass der
Grund dafür darin zu finden ist, dass der Typ Erfolgreiche Gaunerjagd mit dem Einsatz für recht
und Ordnung dem kämpferischen Wesen der Gerechten Kämpfe eine gewisse Nähe aufweist (vgl.
ebenda). Die Geschichten sind fesselnd, lustig oder fantasievoll, je nach anvisierter Altersgruppe
auch temporeich. Sie liefern den Kindern Material zum Rätseln und Mitfiebern (vgl. Baacke 1997c,
S. 23). Die Persönlichen Scharmützel hingegen sind Serientypen, die Schadenfreude ermöglichen, wenn den Akteuren ein Unheil passiert. Physische Gewalthandlungen spielen eine
nachrangige Rolle und psychische Gewalt findet in subtiler Weise statt (vgl. Theunert 1993, S. 30).
„Wortwitz, temporeiche lustige Action, schrille Gestalten und Verhaltensweisen sind hier
besonders häufig zu finden“ (Baacke 1997b, S. 95). Indem was Kinder bevorzugt schauen und wie
sie es in ihr Spiel einbauen, teilen sie latent mit, was sie bewegt. Ihre Wünsche, Sorgen, Ängste
und ihre Fragen, mit denen sie sich gerade beschäftigen, werden sichtbar (vgl. Hövel van den
1991, S. 186). Dabei versuchen sie ihre Ängste und handlungsleitenden Themen, zu verarbeiten.
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 87
5. Fernsehen und Erziehung
Alle Ergebnisse der Rezeptionsforschung weisen darauf hin, dass Fernsehen im alltäglichen
Leben von Kindern einen zentralen Stellenwert einnimmt und sie nachhaltig beeinflussen kann.
Das Fernsehen wirkt auf (fast) jedes soziale Handeln der Kinder oder steuert es sogar (vgl. Kübler
1994a, S. 97). Ein von dem Medium Fernsehen ausgehender Stimuli veranlasst als „heimlicher
Miterzieher“ (Schäfer 2000, S. 10) kindliche Sozialisations- und Lernprozesse. Der amerikanische
Medienökonom Marshall McLuhan sagt:
„Alle Medien massieren uns gründlich durch. Sie sind dermaßen durchgreifend in ihren
persönlichen, ökonomischen, ästhetischen, psychologischen, moralischen, ethischen und
sozialen Auswirkungen, dass sie keinen von uns unberührt, unbeeinflusst, unverändert
lassen“ (McLuhan zit. in: AG Kinder- und Jugendschutz u.a. 1995, S. 33).
Dies betrifft besonders die Kinder in der Gesellschaft, die einen sinnvollen und angemessenen
Umgang mit dem Fernseher lernen müssen. Das Ziel der Erziehung müsste daher sein, den
Kindern ein aufgeklärtes Rezeptions-, Informations- und Kommunikationsverhalten zu vermitteln.
Fernsehverantwortliche sollen den Kindern Qualitätsfernsehen bieten (vgl. Cippitelli 2000, S.
22ff.). Qualitätskriterien für das Kinderfernsehen sind jedoch schwer universal zu bestimmen, da
die Kinder eine inhomogene Gruppe darstellt. Dennoch haben Medienpädagogen versucht,
Empfehlungen für ein qualitativ hochwertiges Kinderprogramm herauszuarbeiten. Fernsehpädagogische Überlegungen sollen im letzten Teil dieses Kapitels helfen, den Einfluss des Mediums
Fernsehen auf die Sozialisation, das Familienleben und auf die Erziehung selbst sichtbar zu
machen. Verschiedene Medienerziehungskonzepte werden dargestellt, zu denen auch ein
alternatives Konzept gehört, das den Fernseher gänzlich ausschließt.
5.1. Qualität im Kinderfernsehen
Seit Beginn des Kinderfernsehens und verstärkt seit der Einführung des dualen Rundfunksystems,
sind die Ansichten bezüglich der Kriterien, die qualitätsvolle Kindersendungen kennzeichnen,
höchst unterschiedlich (vgl. Lenssen 1997, S. 239). Das Kinderfernsehen befindet sich als ein
Segment mit allen seinen Teilbereichen jeweils in enger Relation zur Entwicklung einer Gesellschaft und ihren Wert- und Normenvorstellungen. Von einem Kinderprogramm, das inhaltlich den
nationalsozialistischen Erziehungsidealen folgte, von der `Bewahrpädagogik` der 50er Jahre, von
dem Vorschulfernsehboom der 60er Jahre, von der Einführung des dualen Rundfunksystems in
den 80er Jahren mit einer Ausweitung des Unterhaltungsangebots für Kinder im Fernsehen bis zu
der Forderung nach Medien- und Fernsehkompetenzen hat jede Zeit ihre Meinungsführer und
wiederum ihre Kritiker gefunden.
„Die seit mehr als 50 Jahren geführte Debatte um das Kinderfernsehen hat auf dem
Hintergrund der Kommerzialisierung, bestimmt durch die Frage nach Einschaltquoten und
Marktanteilen, seit Etablierung der dualen Rundfunkordnung erneut an Brisanz gewonnen.
Auch die Diskussion um Qualität im Kinderfernsehen scheint wieder entbrannt.“ (PausHaase 1997b, S. 245).
Faktoren für eine Überlegung der Qualität im Kinderfernsehen sind also heutzutage geprägt durch
Bildungspolitik und Bildungsökonomie ebenso wie durch Marktinteressen und spezielle Marketingstrategien. Demzufolge ist es nicht einfach, Qualität für das Kinderfernsehen universal festzu-
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 88
legen, da sich nicht nur die Massenkommunikation stetig ändert, sondern mit der Individualisierung das funktionale Zusammenspiel der vertrauten Kultur (vgl. Bachmair 1997a, S. 226).
Kinder sind überdies Individuen, die je nach Alter, Geschlecht, Entwicklungsstand, kognitiven und
sozialen Fähigkeiten, ihrer Umgebung und persönlichen Lebensumstände andere Qualitäten von
Sendungen bevorzugen und benötigen. Entsprechend sind ihre Erwartungen an das, was ihnen
Fernsehen bieten soll, verschieden (vgl. Lenssen 1997, S. 239). Eltern und Pädagogen äußern
häufig den Wunsch nach einer besseren Qualität des Kinderprogramms (vgl. Esser 1992, S. 18).
Wissenschaftler haben versucht anhand der Entwicklung der Kinder, ihres Rezeptionsverhaltens
und pädagogischer Praxiserfahrungen, Qualitätskriterien herauszuarbeiten und daraus Empfehlungen für Pädagogen, Eltern und nicht zuletzt für die Programmverantwortlichen selbst
abzuleiten.
5.1.1.
Qualitätskriterien für das Kinderfernsehen
Der Begriff Qualität wird meist im Zusammenhang mit vergleichenden Bewertungen mehrerer
gleichartiger Produkte verwendet. Richtet sich die Untersuchung dabei auf die messbare
Beschaffenheit des überprüften Gegenstandes, so spricht man von objektiver Qualität. Diese
unterscheidet sich von der subjektiven Qualität, die sich aus der Prüfung gleichartiger Produkte
nach den Kriterien des individuellen Nutzens ergibt (vgl. Microsoft Corporation 1998). Es gibt
wenig Einigkeit darüber, was im Kinderfernsehen qualitativ hochwertig sein soll (vgl. Wiedemann
1997, S. 191). Die derzeitigen Argumentationslinien befassen sich einerseits mit Qualität, die vom
Publikum selbst entschieden wird (vgl. Baacke 1997c, S. 31), das die Qualität mit der Quote
gleichsetzen würde. Andererseits gibt es die Argumentation, dass Qualität am Produkt festgemacht werden sollte und so normative Maßstäbe festgelegt werden können (vgl. Neuß 1997, S.
118). Qualität kann nach Nikken lediglich subjektiv bestimmt werden, da es keinerlei objektiven
Instrumente gibt, mit denen das Qualitätsniveau gemessen werden könnte (vgl. Nikken 1995, S.
30). Medienpädagogen betrachten sowohl die medialen Angebote als auch die sich anschließende
Bedeutungshaltigkeit im Alltag als symbolische Texte in der kindlichen Lebenswelt (vgl. Bachmair
1997c, S. 59ff.). Mit der Beschreibung einer Mensch-Medien-Beziehung bleiben sie auf einer
deskriptiven Ebene.
„Qualität – so steht zu vermuten – ist ein Annährungswert, multifaktoral, mehrperspektivisch, auf eine Vielfalt von Angeboten ausgerichtet, um die zunehmend komplexer
werdende Alltagswelt von Kindern angemessen zu thematisieren, damit Kinder daran
wachsen können“ (Jacobi 1998, S. 14).
Rogge ist davon überzeugt, dass Kinder nicht wahllos irgendeine Fernsehsendung ansehen, sie
spüren intuitiv, warum sie einige Sendungen mögen und andere nicht (vgl. Rogge 1999, S. 31). Er
hat in Gesprächen mit Kindern herausgefunden, dass Kinder und Erwachsene mit ganz
unterschiedlichen Sichtweisen an Fernsehsendungen herangehen.
Malte, 8 Jahre: „Meine Eltern sagen, ich guck mir jeden Scheiß an. Stimmt gar nicht. Ich
guck mir nur an, was mich interessiert. Also die Turtles oder He-Man find ich ätzend. [...]
Irgendwie sind die nicht spannend. Und auch nicht richtig echt. Daraus kann ich doch
nichts lernen. Und so doof wie in diesen Serien stellen sich die Bösen doch auch nicht an.
Nicht mal unser beknackter Nachbar, der immer gleich meckert.“
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 89
Sophie, 9 Jahre: „Also Zeichentrick mag ich nicht so. Das geht mir zu schnell. Und
meistens wird dort nur geschlagen und geprügelt. Das finde ich blöd. [...] Ich finde Lassie
oder Black Beauty gut. So Tierfilme jedenfalls, wo`s um Abenteuer geht. [...] ..da weiß ich,
dass es gut ausgeht.“
Thomas, 7 Jahre: „Früher, als ich noch kleiner war, da mochte ich Lucky Luke nicht. Ich
hab das nicht verstanden. Aber nun find ich die Sprüche cool. Absolut Klasse. Meine
Eltern mögen das nicht, weil die denken, bald rede ich auch so. Tu ich aber nicht,
höchstens, um die zu ärgern.“ (Alle Zitate aus: Rogge 1999, S. 31ff.)
Aus den Aussagen der Kinder zu Wünschen und Bedürfnissen an ihr Fernsehprogramm, lassen
sich Vorschläge herausfiltern, was qualitativ hochwertiges Kinderfernsehen ist. Kinder bevorzugen
unterhaltsame und regelmäßige Angebote (vgl. Schell 2000, S. 22). Spannung, „ein bisschen
`kribbeln im Bauch` und ein gutes Ende“ (Schumacher 1998, S. 47) erwarten die jungen
Rezipienten. Genauso wichtig ist den Kindern eine Verlässlichkeit von vertrauten Strukturen und
Protagonisten. Kinder haben – so Rogge – ein Gespür für Qualität, sie legen nur andere Maßstäbe
an als ihre Eltern (vgl. Rogge 1999, S. 40).
„Wer Kinder als Publikumsgruppe ernst nimmt und ihnen ein angemessenes Programm
anbieten will, das ihre Wünsche und Ansprüche befriedigt, muss sie in größerem Umfang
mit qualitätsvollen Angeboten bedienen und die Programmstrukturen an ihren
Rezeptionsbedingungen ausrichten“ (Theunert 1995, S. 167).
Qualität kommt jedoch nicht allein dadurch zustande, dass die Angebote, die Kinder favorisieren,
bereits als Qualität deklariert und dann per Einschaltquote gemessen werden kann. „Kinder sind
von vornherein offener, unvoreingenommener und gutgläubiger als Erwachsene“ (Aufenanger
1996, S. 34). Sie haben sich noch kein festes Urteil über bestimmte Dinge des Lebens und der
Welt gebildet. Trotzdem sollten die Rezeptionsweisen von Kindern im Mittelpunkt der Programmgestaltung stehen und als Qualitätskriterium Beachtung finden. Denn es kann nur das Kinderfernsehen gut sein, das Kinder tatsächlich ansehen (vgl. Paus-Haase 1997b, S. 258). Die Interessen
der Kinder sind also ernst zu nehmen, können aber nicht als alleiniger Maßstab für Qualität
fungieren (vgl. Jacobi 1998, S. 14). Das den Kindern angemessene Programm ist nicht nur vom
Inhalt und der Gestaltung abhängig
(vgl. Theunert 1995, S. 152). Programme mit Qualitäts-
anspruch können Kinder laut Paus-Haase nur dann erreichen, wenn diese an den Interessen der
heutigen Generation anknüpfen. Die Wahrnehmungsweisen und die Lebensumstände haben
sich seit der ersten Fernsehgeneration grundlegend geändert und sollten von den Programmverantwortlichen beachtet werden (vgl. Paus-Haase 1997b, S. 256). Theunert ist der Meinung,
dass in allen Sendern kaum angemessen berücksichtigt wird, dass sich im Tagesverlauf das
Kinderpublikum verändert hat (vgl. Theunert 1995, S. 154). Der Sendeplatz markiert daher eins
der Kriterien für qualitativ hochwertiges Kinderfernsehen, denn Programme müssen dann
angeboten werden, wenn Kinder zuschauen (vgl. Groebel 1994c, S. 29).
„Kinder erwarten `ihre` Sendungen zu den Zeiten, zu denen sie sehbereit sind, sie
möchten sich darauf verlassen können, dass diese regelmäßig auf festen
Programmplätzen auftauchen, und sie schätzen es, wenn sie die Sendeschienen und
Sendungen, die sich an sie wenden, leicht identifizieren können“ (Theunert 1995, S.
152f.).
So ist die wichtigste Zeit für Kinder der Vorabend, wobei zu dieser Zeit viele verschiedene
Generationen gemeinsam fernsehen. Laut Theunert müssten dort Sendungen angeboten werden,
die für Kinder ab dem Grundschulalter und zugleich für Erwachsene interessant sind, aber dabei
die Jüngsten nicht emotional überfordern (vgl. Theunert 1995, S. 155). Kinder befinden sich noch
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 90
in der Entwicklung und verdienen laut Paus-Haase daher eine besondere Beachtung und
Verantwortung. Programminhalte sollten z.B. auf die Unterschiede der Geschlechter eingehen,
das Alter, sozial-räumliche Umweltfaktoren sowie die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der
Kinder beachten (vgl. Paus-Haase 1997b, S. 256). Die Frage nach der Qualität im Kinderfernsehen hängt eng mit den Entwicklungsaufgaben von Kindern, ihrem Geschlecht und ihren
spezifischen Lebensbedingungen in dieser hochtechnisierten `Informationsgesellschaft` zusammen. Wiedemann ist der Meinung, dass Kinderfernsehen als ein Bestandteil von Kinderkultur
primär daran gemessen werden sollte, was es zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
beitragen kann (vgl. Wiedemann 1997, S. 192).
Die Zielgruppe Kinder ist ferner eine kommerziell ernst zu nehmende Gruppe, die über eine
enorme Kaufkraft verfügt und darüber hinaus großen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Eltern
hat (vgl. Paus-Haase 1997b, S. 245). Trotzdem werden Kinder laut Theunert nachrangig zum
Hauptprogramm der Erwachsenen behandelt:
„Die oft von der Finanznot diktierte Gewohnheit, Kindersendungen wegen Sportereignissen oder ähnlichem aus dem Programm zu `kicken`, steht im krassen Gegensatz
zu dem kindlichen Wunsch nach Verlässlichkeit `ihrer` Sendungen“ (Theunert 1995, S.
153).
Laut Kübler und Swoboda scheinen die „anspruchslosen Programme“ (Kübler 1998a, S. 340)
immer mehr an Akzeptanz zu verlieren, und Qualität für alle Sender und ihr Image wichtiger zu
werden. „Aber letztlich zählen fallende Einschaltquoten und sinkende Werbeschaltungen“
(ebenda). Nur über eine breite Diskussion und Initiativen im Publikum können ihrer Meinung nach
Qualitätsmaßstäbe für das Kinderprogramm durchgesetzt werden. Dies versuchen die
evangelische und katholische Kirche, die seit 1995 das Kinderfernsehen beobachten und es in
Fachtagungen wie „Der Runde Tisch: Qualitätsfernsehen für Kinder“ regelmäßig bewerten (vgl.
Cippitelli 2000, S. 21f.). Das Ziel soll die Qualitätssteigerung und Vielfaltsicherung in den
Programmen für Kinder sein, jedoch nicht auf der Basis von Gesetzesnovellierungen, sondern
durch eine umfassende Selbstverpflichtung der Programmverantwortlichen (vgl. Jacobi 1998, S.
14). Daher nehmen an den Fachtagungen Vertreter der verschiedenen Sender und
Landesmedienanstalten, Medienpädagogen, Programmkritiker und Stellvertreter der UNICEF- und
UNESCO-Kommission genauso teil wie Vertreter des Prix Jeunesse und des Deutschen KinderFilm & Fernseh-Festivals Goldener Spatz (vgl. ebenda). Dieses Expertenforum hat 1996 ein
Thesenpapier zusammengestellt, das ein „erstes Kriterienraster für Programmqualität im
Kinderfernsehen“ (Jacobi 1998, S. 17) bilden soll:
•
Kinder sollen einen Anspruch auf qualitativ hochwertiges Fernsehprogramm haben
(sie sollen den professionellen und ästhetischen Standard anderer Programme
entsprechen).
•
Die vielen Genres, Formate und Inhalte im Kinderfernsehen sollen den Kindern in angemessener dramaturgischer Weise aufbereitet werden und sollen sich durch Innovation
und Originalität ausweisen.
•
Kinderprogramme sollen unterhaltend und informierend sein. Sie sollen die
Bedürfnisse und Erwartungen, Hoffnungen und Neugier sowie die Erfahrungen und
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 91
Erlebnisse der Kinder berücksichtigen. Damit soll ihnen Orientierung und Raum für
eigene Gefühle gegeben werden. Der Programminhalt soll Mut machen, Stärke vermitteln und bei der altersgerechten Entwicklung mithelfen.
•
Kinderprogramme sollen die Fragen, Themen und Interessen von Kindern ernst
nehmen und alters- sowie geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen. Es sollte
das Bewusstsein der jungen Rezipienten für die eigene Lebenswelt und für fremde
Kulturen fördern und deren Wertschätzung unterstützen.
•
Kinderprogramme brauchen verlässliche Sendezeiten. Die Platzierung der Programme
sollte altersangemessen und für Kinder leicht auffindbar sein.
•
Kinderprogramme benötigen eine gute finanzielle Ausstattung sowie qualifizierte
Programmmitarbeiter. Dies soll unterschiedliche Formen der Finanzierung voraussetzen.
•
Die Kriterien für die Qualität im Kinderfernsehen sind einerseits die Beschaffenheit des
Produkts selbst: gegenständliche, sprachliche und akustische Artikulation oder
Zeichnung und die damit verbundene Form der kindlichen Rezeption. Andererseits soll
die Resonanz des Publikums ein Kriterium darstellen, also die Einschaltquoten (vgl.
Jacobi 1998, S. 15).
Beide Seiten der Qualitätsbeschreibung sollen hierbei gleichermaßen ernst genommen werden.
Zudem sollen Rahmenbedingungen des Mediensystems nach Jacobis und Jankowskis Meinung
entscheidend sein:
„Wenn die Angebote der dualen Fernsehwelt nicht in der Unterscheidung zwischen
qualitäts- und quotenfixierten Programmen für Kinder stecken bleiben sollen, müssen
produktionsspezifische Werte wie Aktualität, Relevanz, Glaubwürdigkeit und
handwerkliche Beschaffenheit im publizistischen Wettbewerb mit marktspezifischen
Werten wie Finanzierung, Rechteerwerb und (internationale) Verwertbarkeit verbunden
werden“ (Jacobi 1998, S. 15).
In
Kindersendungen
schlägt
sich
laut
Bachmair
die
Welt-
und
Lebensdeutung
der
Erwachsenengeneration nieder, so z.B. welche Vorstellungen Erwachsene von einem sinnvollen
Leben haben und was davon für die nächste Generation bedeutsam sein soll (vgl. Bachmair
1997a, S. 233). Kübler und Swoboda sind der Meinung, dass bei der Debatte über das
Kinderfernsehen meist die Kinder selbst ins kritische Visier geraten. „Angeblich sind sie es, die
ständig nach Action, Klamauk und bunter Rasanz, nach Cartoons, Shows und Spots auf der
Mattscheibe gieren [...]“ (Kübler 1998, S. 341). Die Befunde und Erkenntnisse zeigen aber
deutlich, dass hier die Eltern selbst den Umgang mit dem Fernsehgerät so `vorleben`, ohne es
explizit zu merken.
Bachmair hat sechs Kriterien für Qualitätskinderfernsehen zusammengestellt (vgl. Bachmair
1997a, S. 233):
1. Der Planungs- und Produktionsprozess von Qualitätssendungen soll reflektiert
und explizit verantwortet ablaufen. Themen und Dramaturgie sollen unter dem Aspekt
der an Kinder weitergegebenen Lebens- und Weltdeutungen überprüfbar sein. Dabei
sollen aber nicht die spezifische Gestaltungsmöglichkeiten des Fernsehens wie Fantasie,
Kreativität, Assoziativität, intensive Bilder, Spaß und Banalität fehlen.
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 92
2. Qualitätssendungen sollen ein utopisches Moment gelingendes Kinderlebens
vorstellen. Es sollte Freiheit, Autonomie, Geborgenheit, Verstehen, Bewunderung,
Aufregung und Abenteuer, Ruhe und Gelassenheit beinhalten.
3. Zu den Hoffnungen auf ein gelingendes Leben gehören auch die Ängste zu scheitern,
Bedrückung und die Geborgenheit zu verlieren. Intensive und überzogene bis groteske
Darstellungen sind in diesem thematischen Kontext nicht auszuschließen. Wichtig ist,
extreme fiktionale Darstellungen daraufhin zu prüfen, ob sie den subjektiven Themen
und dem jeweiligen Alter mit seinen spezifischen Medien- und Genreerfahrungen
angemessen sind.
4. Kindersendungen können zudem die Aufgabe haben, zu kompensieren, was in der
aktuellen Welt für Kinder verloren gegangen ist. Ihnen sollen demnach nicht nur die
dunklen Seiten des Lebens gezeigt werden.
5. Kindersendungen sollen einfühlsam sein für Themen, Handlungs- und Erlebnisweisen der Kinder und offene Ausdrucksformen von ihnen übernehmen.
6. Kindersendungen sollen helfen, die psychische Innenwelt und die äußere soziale
Lebenswelt der Kinder zu ordnen, zu klären und zu deuten.
Eltern und Pädagogen beklagen sich speziell über das ungleiche Verhältnis zwischen Qualität
und Quantität im Zeichentrick (vgl. Esser 1992, S. 19). Seit der Einführung des dualen
Rundfunksystems ist das Angebot an Zeichentrickserien gestiegen. Der Einfluss auf die
inhaltliche und ästhetische Gestaltung ist in Deutschland jedoch gering, da 80-90% der
123
Zeichentrickserien Kaufproduktionen aus dem Ausland
sind (vgl. Salm zu 1998, S. 267). Serielle
Animationsprodukte sind in Europa kaum bezahlbar (vgl. Müntefering 1995, S. 26). Albus ist der
Meinung, dass „die Explosion des Genres“ einher geht mit einer Verschlechterung der Qualität
(vgl. Albus 1994, S. 384) und möchte mit dem ZDF-Kinderprogramm eine „Offensive gegen die
Gewaltspirale im Zeichentrick“ (ebenda) starten. Enrico Platter vom WDR versucht drei
wesentliche Kriterien einer Trickfilmästhetik für Europa hervorzuheben:
1. Inhalt
Es sollen Geschichten mit Protagonisten entwickelt werden, die human und trotzdem spannend
sind.
2. Bildästhetik
Graphisch sollte die Geschichte auf der europäischen Bilderbuchtradition basieren, die der Kunst
näher steht als dem Comic.
3. Musik
Die musikalische Untermalung der Geschichte sollte nicht zu dominant sein und die Rezipienten
mit „Plastik-Musik und schrecklichen Stimmen“ (Platter zit. in Esser 1992, S. 19) zuschütten,
sondern eine Hörbildung gewährleisten.
Das ZDF setzt auf den neuen europäischen Zeichentrick und kündigt Serien mit „komödiantischer
Qualität, die sich im Tempo, der Dramaturgie und der Ästhetik der Figuren vom schwarz-weiß-
123
hauptsächlich USA u. Japan
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 93
Klischee vieler Serien unterscheiden soll. [...] in denen Humor nicht für Verdummung steht, Spaß
nicht zur Schadenfreude verkommt, Spannung nicht brutal werden muss und Konfliktlösungen
nachvollziehbar sind“ (zit. in Esser 1992, S. 19) an.
Aufenanger gibt einige pauschale Ratschläge für die Auswahl von qualitativem Kinderfernsehen.
Die Sendung sollte seiner Ansicht nach altersgemäß ausgesucht werden, sie sollte spannend
und unterhaltend sein, manchmal auch informativ. Sie sollte wenig Gewaltszenen beinhalten
und sich mit kindgerechten Themen befassen (vgl. Aufenanger 1996, S. 38). Hinweise z.B. auf
das Alter können dabei Fernsehzeitungen, die Sender selbst oder auch der Videotext geben.
Seine Bewertungskriterien sind Witz und Humor, Spannung, Konfrontation und Konflikte,
Freundschaft,
ästhetische
Aspekte,
Problemlösungsvorschläge,
Lebenswelt
der
Kinder,
Rollenbilder, Charaktere und der Sinn der Sendung (vgl. Aufenanger 1996, S. 76ff.).
Eltern sind bei ihren Kindern im Umgang mit dem Fernsehen wichtige Berater. Sie haben
genauso wie Erziehungswissenschaftler differenzierte Vorstellungen von Qualität im Kinderfernsehen. Doch gibt es in Deutschland bisher keine repräsentative Erhebung, die sich eigens
damit befasst (vgl. Schmidtbauer 2000). Eine niederländische Studie kann einen Einblick geben,
welche Maßstäbe Eltern an die Qualität einzelner Kinderprogramme anlegen (vgl. Nikken 1995, S.
30). Diese sind nicht gleichzusetzen mit der Meinung der Eltern in Deutschland, können aber
europäische Tendenzen aufzeigen. Als wichtigste Qualitätskriterien werden Verständlichkeit,
ästhetische Qualität und Engagement angegeben. Weniger bedeutsam scheinen Unterhaltung,
Unschädlichkeit
124
und Glaubwürdigkeit zu sein. Dem Kriterium Anwesenheit von Identifikations-
modellen wird am wenigsten Bedeutung von den Eltern zugestanden. Nikken ist der Meinung,
dass dieser Punkt trotzdem ein starkes Qualitätskriterium sein sollte, da für die sozial-emotionale
Entwicklung geeignete Vorbilder menschlichen Verhaltens den jungen Zuschauern geboten
werden sollten (vgl. Nikken 1995, S. 31). Dabei zeigt sich in weiteren Umfragen dieser Studie,
dass Eltern mit jüngeren Kindern den Nutzen von geeigneten Identifikationsmodellen im
Fernsehen höher bewerten. Außerdem messen Väter und Mütter mit älteren Kindern der
Unschädlichkeit von Fernsehsendungen weniger Gewicht zu.
„Die jüngeren Kinder sollen wohl mehr geschützt werden. Erst wenn sie ein bestimmtes
Alter erreicht haben, halten die Eltern es für weniger problematisch, dass ihre Kinder mit
brutaler Realität konfrontiert werden“ (Nikken 1995, S. 32).
Im April 2001 hat das IZI eine Online-Umfrage
125
unter deutschen Eltern erhoben, die jedoch keine
Repräsentativität darstellt (vgl. Götz 2001b, S. 41). Die Ergebnisse dieser Umfrage weist auf
qualitative Tendenzen hin. Danach sind sich die Erwachsenen einig, dass es Fernsehregeln in der
Familie geben muss. Diese orientieren sich an zeitlichen Limitierungen und dem gezeigten Inhalt,
bei dem sie vor allem Wert auf Bildungs- und Informationssendungen und das Merkmal kindbzw. altersgerecht legen. Mit deutlichem Abstand dazu folgen die Merkmale unterhaltende und
lustige Sendung sowie als negatives Merkmal: Gewalt. Diese Qualitätsvorstellungen sind laut Götz
eher als allgemein zu werten, daher sind die Eltern nach konkreten Sendungen befragt worden.
Sie sollten die vorgelegten Nennungen als geeignet oder ungeeignet einstufen (vgl. Götz 2001b,
124
Programminhalte ohne gewalthaltige und angstauslösenden Szenen
in Internetforen wie www.Eltern.de, www.kinder.de, www.familie.de, www.elternnetz.de u.a., es nahmen 153 Mütter u. 9
Väter teil.
125
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 94
S. 42). Hierbei zeigt sich eine deutliche Dominanz der öffentlich-rechtlichen Anbieter für die als
geeignet angebotenen Sendungen (vgl. Tab. 6).
Tabelle 6
Nennung der Eltern für geeignete Kindersendungen126
Elterliche Nennungen geeigneter Kindersendungen
Die Sendung mit der Maus (ARD/Ki.Ka)
91
Löwenzahn (ZDF/Ki.Ka)
58
Sesamstrasse (ARD/Ki.Ka)
48
Biene Maja (ZDF/Ki.Ka)
31
Teletubbies (ARD/Ki.Ka)
28
Sandmänchen (MDR/Ki.Ka)
23
Tiersendungen (allgemein)
17
Der Bär im großen blauen Haus (Ki.Ka)
15
Heidi (ZDF/Ki.Ka)
13
Die Sendung mit der Maus belegt eindeutig die Spitzenposition, gefolgt von Löwenzahn und
Sesamstrasse. Bei der Frage nach ungeeigneten Sendungen steht Pokémon mit großem
Abstand mit 42 Nennungen auf Platz eins bei den Eltern. Auch die viel diskutierten Teletubbies
finden sich hier auf Platz fünf der Nennungen ungeeigneter Sendungen. Danach kommt die
Genreangabe Krimis, daraufhin folgt Digimon
127
, das Genre Nachrichten
128
und die Teletubbies
(vgl. Tab. 7).
Tabelle 7
Nennung der Eltern für ungeeignete Kindersendungen129
Elterliche Nennungen ungeeigneter Kindersendungen
Pokémon (RTL 2)
42
Krimis (allgemein)
27
Digimon (RTL 2)
21
Nachrichten (allgemein)
20
Teletubbies (ARD/Ki.Ka)
13
Talkshows (allgemein)
12
Die Simpsons (ProSieben)
8
Horrorfilme (allgemein)
7
130
Sailor Moon (Sat.1
)
7
Pokémons werden aufgrund ihrer gewalthaltigen Inhalte von den Erwachsenen als ungeeignet
eingestuft. Zudem entsprechen die Serien Pokémon, Digimon und die Teletubbies nicht der
Ästhetik und den Vorstellungen der Eltern (vgl. Götz 2001b, S. 44). Diese Ergebnisse erklärt sich
Götz u.a. durch den öffentlichen Diskurs über Kindersendungen. So steht dieser auf Seiten der
Sendung mit der Maus und trägt somit dazu bei, diese zur Marke zu stilisieren, die das
gesellschaftliche Verständnis von Qualitätsprodukten im Kinderfernsehen prägt (vgl. Götz 2001b,
126
vgl. Götz 2001b, S. 42
Nachfolgerserie der Pokémons
128
Diese Nennung erfolgt hauptsächlich bei Eltern mit Vorschulkindern
129
vgl. Götz 2001b, S. 44; Kindersendungen sind es im explizitem Sinne nicht, man kann sagen, es sind allgemein
Sendungen oder Genres, die Eltern nicht für Kinder als geeignet empfinden.
130
Seit 7. Oktober 2000 läuft Sailor Moon auf Sat.1, vorher lief die Serie auf RTL 2.
127
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 95
S. 43). Weitere Befragungen zeigen, dass Eltern sich von den Sendungen, die sie selbst als
Kinder gesehen haben, emotional angesprochen fühlen und aufgrund ihrer eigenen positiven
Rezeptionserfahrung als geeignet für Kinder einstufen (vgl. Götz 2001b, S. 45).
„So schön es ist, dass es hier scheinbar etwas gibt, wo sich Produzierende, Eltern,
PädagogInnen und JournalistInnen einig sind, so besteht auch die Gefahr, eine Ikone zu
produzieren“ (Götz 2001b, S. 45).
Die Sendungen, die als ungeeignet genannt werden, stehen ebenso in der öffentlichen Kritik.
Daher sind Eltern vermutlich in ihrer Meinung geprägt (vgl. Götz 2001b, S. 43). Gerade die
Pokémons (vgl. Abb. 34) sind ein Beispiel für einen öffentlichen Diskurs in Medien und
Erziehungseinrichtungen wie Schule oder Kindergarten. Eltern fühlen sich zudem häufig davon
unter Druck gesetzt, dass ihre Kinder aus der Peergroup ausgeschlossen werden könnten, wenn
sie sich dem Trend nicht anpassen und lassen sie diese Sendungen widerwillig doch anschauen.
Abbildung 34
Protagonisten der Zeichentrickserie Pokémon131
„Hier entsteht für die Eltern eine Zwickmühle, die durch den nicht zu unterschätzenden
finanziellen Aufwand, den die Pokémon-Begeisterung bedeutet, noch verstärkt“ (Götz
2001b, S. 44).
Insgesamt lassen sich aus den Ergebnissen der nicht-repräsentativen Umfrage folgende
Qualitätskriterien der Eltern herausfiltern: Kindersendungen sollen ihrer Meinung nach
hauptsächlich lehrreich und altersadäquat sein (vgl. Abb. 35). Zudem setzen Erwachsene den
Schwerpunkt für die Kindersendungen auf das Merkmal gewaltfrei und informativ. Lustige
Sendungen sind für die Eltern ein geeigneter Faktor, danach folgen die Merkmale Unterhaltsamkeit und Verständlichkeit von Kindersendungen, die weniger häufig genannt werden. Götz
findet diese Ergebnisse, auch wenn sie lediglich als qualitative Tendenzen zu werten sind,
durchaus verständlich. Eltern entwickeln Regeln im Umgang der Kinder mit dem Fernsehen und
die häufigste Einflussnahme richtet sich auf den Inhalt des Gesehenen. Die tradierten und vom
öffentlichen Diskurs als empfehlenswert eingestuften Sendungen werden dabei von den Eltern
bevorzugt. Denn Fernsehen für Kinder ist „nach wie vor als pädagogisch wenig wünschenswert
131
Vgl. http://www.stern.de/computer-netze/spezial/3042.html (12.06.01)
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 96
stigmatisiert“ (Götz 2001b, S. 42). Fernsehsendungen sind dann bei Eltern beliebt, wenn sie
meinen, dass ihre Kinder daraus etwas lernen können.
lehrreich
altersadäquat
gewaltfrei
informativ
lustig
unterhaltsam
verständlich
0
Abbildung 35
20
40
60
80
100
120
140
160
Liste der am häufigsten genannten Begründungen für geeignete Kindersendungen (über alle
Sendungen)132
„Fernsehen ist ja auch Chance: zur Erweiterung des eigenen Horizonts, zur Teilnahme an
Erfahrungen und Erlebnissen anderer Menschen, zur Vertiefung von Kenntnissen und
Informationen“ (Herbert 1991, S. 209).
Tendenzen für Qualitätskriterien des Kinderfernsehens lassen sich demnach erfassen, doch die
Umsetzung dessen stößt häufig auf finanzielle Grenzen. Kinderfernsehen ist ein Wirtschaftsmarkt
und solange die kostspieligen Produktionen ihren Einsatz nicht honoriert bekommen, werden
ausländischer Fremdproduktionen genügen müssen, die lediglich den Einsatz von minimalen
Synchronisationen erfordern (vgl. Müntefering 1995, S. 29).
„Lassen sie uns nicht darüber streiten, ob und warum Janosch besser ist als Power
133
Rangers. 800.000 Videokassetten mit `Tiger und Bär ` im preiswerten Sortiment an den
Kassen einer Billigkette sind aber sicher auch eine qualitativ bessere Botschaft als ein in
evangelischen Akademien aufgestellter Wertekatalog“ (ebenda).
Das bedeutet, dass eine Vermarktung wie etwa das Merchandising heutzutage weiterhin eine
feste Größe im Kinderfernsehmarkt darstellen wird, um Finanzierungen zu ermöglichen. Die
Fernsehverantwortlichen sollten den Grad zwischen dem Anspruch der Kinder, ihrer Eltern und
Pädagogen sowie den eigenen internen finanziellen Zwängen zu verbinden wissen.
„Das Ziel einer neuen Generation von Kinderredakteuren ist daher, Unterhaltung und
Qualität miteinander zu koppeln und sogar mit der Vermarktung eine glückliche
Verbindung einzugehen“ (Esser 1992, S. 19).
132
133
vgl. Götz 2001b, S. 42
Eine Folge von Janosch.
5. Fernsehen und Erziehung
5.1.2.
Seite 97
Kindgerechte Fernsehdramaturgie
Kinder sollen – je nach Alters- und Entwicklungsstand – erproben, wie sie das Fernsehen nutzen
können. Daher sind Eltern, Pädagogen, aber auch Produzenten, Redakteure und Autoren
gleichermaßen gefragt, sich mit diesem Thema eingehend zu befassen (vgl. Rogge 1999, S. 44).
Die Dramaturgie eines Films oder einer Serie hat Einfluss darauf, ob ein Kind überfordert ist oder
die Chance einer emotionalen Distanzierung bekommt. Das Medium Fernsehen erzählt den
Kindern Geschichten und gibt ihnen Informationen.
„Und die gut erfundene und medial gut erzählte Geschichte vermittelt, so eine wichtige
Botschaft, Lebenserfahrung als Angebot. Die traditionelle Narration erfordert Geduld bei
Dramatik und Dramaturgie.“ (Erlinger 1998, S. 151).
Es ist laut Rogge wenig verwunderlich, wenn sich bei Kindern nach einem actionreichen Film die
aufgestaute Spannung in überzogener Lautstärke und starkem Bewegungsdrang entlädt (vgl.
Rogge 1999, S. 44). Dies geschieht meist bei Dramaturgien, die bis zum Schluss anhalten und
erst in letzter Minute ein Happy-End folgen lassen. Die Spannungskurve wird den ganzen Film
über nicht entlastet und somit kann eine Entspannung für das betrachtende Kind erst in letzter
Minute stattfinden.
„Hierdurch kommt es bei Kindern auf Grund der ständig steigenden Spannungsbögen zu
einer Übererregung und damit zu einer Überforderung, wenn nämlich ihre Aufnahme- und
Verarbeitungskapazitäten überstrapaziert werden“ (vgl. Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 25).
Dies entspricht in keinem Fall einer Dramaturgie, die Kindern zugute kommt und kann eine
Steigerung der Körpertemperatur, erhöhten Herzschlag oder Albträume zur Folge haben (vgl.
ebenda). Viele Sendungen und Regisseure versuchen, eine „kindgerechte“ Dramaturgie einzusetzen, was jedoch nicht bedeutet, dass dies mit belehrendem Ton, langweiligen Kameraeinstellungen und nichtssagenden Bildern stattfinden muss. Serien wie Sesamstrasse, Die Biene
Maja (vgl. Abb. 36), Die Sendung mit der Maus oder PuR bieten Unterhaltung und Vergnügen,
nehmen aber zugleich kindliche Gefühle ernst.
Abbildung 36
Die Biene Maja134
Diese Sendungen sind nicht auf den großen Spannungsbogen mit dem abschließenden HappyEnd ausgerichtet. Sie bestehen aus mehreren kleinen Spannungsbögen, zwischen denen sich
die Kinder beruhigen können. „Das wird durch den sparsamen Einsatz von Geräuschen, Musik
und Sprache noch unterstützt […]“(Rogge, 1999, S. 45). Hörbare Gestaltungselemente sind
enthalten, ohne die jungen Zuschauer zu überfordern, wie etwa ein ruhiges Lied oder farbenfrohe
Landschaftsaufnahmen. Die Möglichkeit zur Distanzierung bleibt dem zusehenden Kind somit
offen.
134
vgl. http://www.diebienemaja.de/ (21.09.01)
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 98
„Eine Spanne von etwa 10 Minuten entspricht zudem etwa der durchschnittlichen
Aufmerksamkeitsspanne eines Grundschulkindes. Diese `Häppchendramaturgie`
erleichtert folglich das Verständnis [...]“ (Esser 1998c, S. 121).
Häufig rezipieren Kinder lustige Fernsehsendungen nur zur Entspannung. Langweilige Szenen in
einem Film beurteilen sie durchweg positiv, da diese ihnen Zeit zur `Erholung` geben (vgl. Fischer
2000, S. 217). Das Ziel hierbei ist nicht das still und starr vor dem Fernseher sitzende Kind,
sondern das, welches während des Fernsehens Aktivität zeigen darf. Dieses Kind wird dann in der
Lage sein, mit den gefühlsmäßigen Herausforderungen von Fernsehsendungen produktiv
umzugehen (vgl. Rogge 1999, S. 46). Die kindlichen Qualitätsansprüche an eine Sendung sind
Überschaubarkeit und Erleben. Die jungen Zuschauer wollen von ihrer Lieblingsserie emotional
mitgerissen werden, doch um das aushalten zu können, brauchen sie die Sicherheit und
Verlässlichkeit eines ihr vertrauten, dramaturgischen Rahmens. Dieser sollte aus acht
Elementen bestehen (vgl. Rogge 1999, S. 47ff.)
1. Ein klarer, überschaubarer Aufbau der Sendung. Dazu gehören der Vorspann, die
Haupthandlung und der Abspann. Die Haupthandlung weist einen Spannungsbogen auf,
der mit einem Happy-End schließt.
2. Eine Wellendramaturgie (mit kleinen Spannungsbögen) gibt dem jungen Zuschauer die
Möglichkeit, kurzfristig aus der Handlung auszusteigen oder sich Nebenaktivitäten zu
widmen, was zur Entspannung während des Films dient.
3. Ein klares, gutes Ende ist wichtig, da z.B. ein offener Schluss zu erheblichen
Verunsicherungen bei Kindern führen kann. Kinder versuchen, offene Spannungsbögen
zu Ende zu fantasieren oder zu deuten, wobei sie sich mit dem unsicheren Schicksal des
Protagonisten identifizieren.
4. Kinder favorisieren eine überschaubare Zahl an Darstellern. Beliebt sind Konstellationen
mit einem Helden und einem Nebenhelden (z.B. Die Biene Maja). Hierbei verkörpert der
Nebenheld meist die Wirklichkeit mit vielen Schwächen, menschlichen Fehlern und ist
trotzdem sehr liebenswert. Wegen einer verwirrenden Zahl an Darstellern oder wenn die
Zuordnung von „Gut“ und „Böse“ sich als schwierig erweist, lehnen Kinder einen Film oft
ab.
5. Ein weicher Zeichenstil löst positive Assoziationen aus. Schon Walt Disney zeichnete
seine Zeichentrickfiguren in einem weichen, runden Stil: runder Kopf, runde Körper, große,
runde Augen und Pupillen. Dies löst positive Assoziationen und Gefühle aus. Kinder
malen positive Figuren selbst rund und negative stellen sie meist automatisch eher mit
eckigen Formen dar.
6. Bewegung und Action
sind bedeutsame Gestaltungsprinzipien. Kinder mögen
Verfolgungsjagden und Wettrennen, doch sollte alles in einem erträglichen Rahmen
stattfinden. Zudem müssen die Kinder nachvollziehen können, warum ihr Held so handelt.
7. Ein räumliches und zeitliches Koordinationssystem. Kinder brauchen eine Kulisse als
Orientierungsmoment, um Held und Handlung einordnen zu können. Diese Bezugspunkte
können ruhig frei erfunden sein (z.B. Bullerbü oder Takatukkaland).
8. Die Hörwelt der Bilder ist entscheidend. Sprache, Musik und Geräusche: Je mehr Sinne
ein Film anspricht, umso intensiver wird er von Kindern erlebt, umso mehr lassen sie sich
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 99
in den Bann ziehen. Damit kann ein besonderes Filmerleben aufgebaut werden.
Insbesondere Geräusche und Musik, die die Bilder bzw. die Handlung begleiten, sind
wichtig.
KOMMENTAR
Die acht o.g. Punkte von Rogge zeigen, dass kindgerechte Dramaturgie durchaus nicht langweilig
sein muss und den Wünschen von Kindern nach Spannung und Unterhaltung sowie Informationen
nachkommen kann. Es ist z.B. nicht nötig, eine chaotische Geräuschkulisse zu fabrizieren, um die
Spannung zu erhöhen und damit von der schlechten Handlung des Kinderfilms abzulenken. Der
Wunsch der Kinder nach einem auflösenden Happy-End lässt sich im Kindergenre relativ einfach
erfüllen, doch bei z.B. Trailern für das Erwachsenenprogramm, die auch tagsüber den Film vom
Abend ankündigen, ist dies oft nicht der Fall. Hier werden Ausschnitte aus Erwachsenenfilmen
gezeigt, die spannende Szenen enthalten und oft für Kinder in skurrilen inhaltlichen
Zusammenhängen stehen. Eine Auflösung oder ein Happy-End gibt es in Trailern nicht, sie sollen
offen bleiben und die Neugier der Erwachsenen wecken, den Film am Abend einzuschalten. Oft
stehen die Kinder dann allein mit den angsteinflößenden Bildern in ihrem Kopf da. Auch wenn
diese Trailer nur einige Sekunden lang sind, können die zusammenhanglosen Bilder für Kinder
zum Problem werden.
5.1.3.
Informationsprogramme für Kinder
Neben Zeichentrickserien und Shows haben es Informationsprogramme für Kinder schwer, ihr
Publikum zu erobern und zu halten. Es gibt aber auch erfolgreiche Informationsprogramme, die
von einer großen Zahl Kinder gesehen und geschätzt werden. Hier sind die klassischen
Sendungen wie Löwenzahn und Die Sendung mit der Maus zu erwähnen. Den öffentlichrechtlichen Sendern ist laut Rundfunkstaatsvertrag vorgeschrieben, dass sie mit ihren Sendungen
außer unterhalten, auch bilden und informieren sollen. Die Eltern erwarten zudem ein lehrreiches
Programm für ihre Kinder. In der Studie Kinderwelten 2000 zeigt sich, dass Eltern dem Fernsehen
zutrauen, Wissen über kindliche Lebenswelt sowie globale Informationen zu vermitteln (vgl. RTL
Disney Fernsehen 2000, S. 32). Der Fernseher wird nicht nur von den Eltern als Wissensvermittler
gesehen, sondern auch von den Kindern. Spaßbefriedigung steht nicht allein im Mittelpunkt der
Rezeptionsgründe. Tatsächlich kann das Fernsehen das sichtbar machen, was sich für das
menschliche Auge normalerweise nicht erschließt: Die Welt des Mikro- und Makrokosmos. Sie
kann jeden Menschen über seinen Bildschirm erreichen, fremde Tiere, rätselhafte Pflanzen und
Bilder aus der Wüste oder den kältesten Regionen der Antarktis lassen sich so bequem aus dem
Fernsehsessel betrachten (vgl. Rogge 1999, S. 21). Die Zeit kann gerafft oder gedehnt werden
und zeitgleich lassen sich Ereignisse von jedem Punkt der Erde oder aus dem Weltraum mit
moderner Technik ins Wohnzimmer senden. Die Neugier der Kinder ist grenzenlos, auch wenn
sich Kinder im Vorschulalter auf Ereignisse in ihrem Nahbereich konzentrieren, suchen sie bald
135
Auskunft auf Fragen abstrakter Natur, außerhalb ihres Alltagslebens. Die Kinderredaktionen
reagieren darauf, indem sie eine Vielzahl an Informationsprogrammen anbieten: Naturdoku135
besonders in öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 100
mentationen, Reportagen über Musik, Technik, Politik und den Kinderalltag. Beispielhaft können
genannt werden: Löwenzahn (vgl. Abb. 37), Kinderweltspiegel, Sendung mit der Maus, Was-istwas-TV, logo oder PuR. Überwiegend werden diese Inhalte in Magazinformen verpackt und von
einem Moderator oder einer Moderatorin präsentiert. In zunehmendem Maße vermitteln
Zeichentrickfiguren oder Puppenfiguren die Information oder fungieren als Co-Moderatoren (z.B.
bei PuR, logo). Diese Programme sollen nicht nur die Neugier der Kinder befriedigen, sondern es
sollte den Kindern Spaß machen, hinzuschauen, mitzudenken und mitzuentdecken. Zweifelsohne
können Sendungen und Filme Wissen vermitteln und den kognitiven Entwicklungsstand von
Kindern erhöht, doch dies allein gibt keine Garantie eines Wissenszuwachses bei Kindern.
Abbildung 37
Peter Lustig, Moderator bei Löwenzahn136
Der Anspruch jedes Kindes ist individuell und damit seine emotionale Aufnahme des Gesehenen.
Rogge ermutigt Erzieherinnen und Eltern dazu, „die in den Filmen angesprochenen Gegenstände
aufzusuchen, um so der filmischen Vermittlung von Wissen die direkte hinzuzufügen“ (Rogge,
1999, S. 100). Das Miteinander von mittelbaren und unmittelbaren Erfahrungen ist für den
Fernsehgebrauch von Kindern empfehlenswert und sollte in ein soziales und kommunikatives
Netzwerk eingeflochten werden. Dies hat positive Auswirkungen auf die Kreativität, die Fantasie
und die Medienkompetenz von Kindern (vgl. ebenda).
5.2. Fernsehpädagogische Überlegungen
Das Fernsehen ist in der Alltagswelt in den meisten Familien Deutschlands allgegenwärtig und
erscheint den Erwachsenen zunächst eher als eine manipulative und bedrohliche Welt (vgl. Götz
2000b, S. 195). Die Kinder sind im Umgang mit dem Fernsehen dagegen unbefangen und
akzeptieren es als selbstverständlichen Teil ihres Lebens. Sie nutzen die Welt der Medien und des
Konsums als ihre direkte und unmittelbare Erfahrungswelt (vgl. Bachmair 1993, S. 21). Bei der
Erziehung spielt das Medium Fernsehen eine zunehmend große Rolle, denn es wirkt nicht nur auf
die Sozialisationsprozesse der Kinder, sondern nimmt Einfluss auf das Familienleben und das
Erziehungsverhalten der Erwachsenen.
136
vgl. http://www.kika.de/_inhalte/tv/sendungen/l/loewenzahn/ index.shtml (01.10.02)
5. Fernsehen und Erziehung
5.2.1.
Seite 101
Sozialisationsfunktionen des Mediums Fernsehen
Seit der Erfindung des Buches, des Radios oder Fernsehens und der elektronischen Medien
besteht ein begründetes Interesse, zu verstehen, wie die Medien das Verhalten der Menschen in
der Gesellschaft beeinflussen. Die Medienwirkung erschließt sich letztlich in Kategorien des
Verhaltens. Denn nur das Verhalten ist über Befragungen und Beobachtungen hinlänglich
registrier- und messbar. Dabei muss die Forschung nach Kübler davon ausgehen, dass Elemente
medialer Wirkungen heutzutage in (fast) jedes soziale Handeln der Individuen eingelagert sind
oder es sogar steuern (vgl. Kübler 1994a, S. 97). Soziales Handeln wird daher als abhängige
Variable betrachtet. Es ist ein Resultat der von den Medien ausgehenden Stimuli. Das soziale
Handeln wird nach Max Weber als ein solches Handeln definiert, „welches seinem von dem oder
den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in
seinem Ablauf orientiert ist“ (zit. in: ebenda). Eine Wirkung des Fernsehens als „heimlicher
Miterzieher“ (Schäfer 2000, S. 10) auf die kindlichen Sozialisations- und Lernprozesse ist somit
unbestritten. „Mit seinen Inhalten und Darstellungen transportiert es Botschaften, Werte und
Normen und prägt unsere Alltagserfahrungen“ (Herbert 1991, S. 209). Sozialisation bedeutet und
verkörpert den Prozess der individuellen Vergesellschaftung jedes einzelnen. Das Individuum
passt sich den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Handlungsmustern und Normen nicht
bloß an. Indem es sie kennen lernt, ausprobiert, interpretiert und sich schließlich aneignet, erzeugt
das Kind nicht nur für sich kognitive Muster, sondern modifiziert, verändert, kreiert die wahrgenommenen und ausagierten bis zu einem gewissen Grad. Denn soziale Strukturen und Normen sind
nie ganz statisch (vgl. Schäfers 1995, S. 29ff.). Da sich das soziale Gefüge erst im Handeln
reproduziert, wird jedes Individuum unweigerlich zum aktiv produzierenden Teilhaber desselben,
sobald es in diesem Gefüge lebt
137
.
„Denn die mediale Sozialisationswelt ist stets eine symbolische, die kognitiv
wahrgenommen, gedeutet, verarbeitet, rekonstruiert und artikuliert werden muss“ (Kübler
1994a, S. 104).
Daneben sind noch Handlungen zu lernen, die sich zum einen auf die Medien als materielle
Apparatur richten und die zum anderen bei der Rezeption der Medien als soziale
Kontextbedingungen anfallen. So sind für die Mediensozialisation immer mehrschichtige Prozesse
anzunehmen und in geeigneten Erkenntnismodellen abzubilden. Dies ist nötig, um die Komplexität
und Kontingenz der medialen Sozialisation – der Sozialisation via medial vermittelte Symbole – zu
analysieren (vgl. ebenda). Für G.H. Mead konstituiert sich Gesellschaft aus dem dynamischen
Gefüge individueller, nicht naturhaft festgelegter Interaktionen der Menschen untereinander (vgl.
Kübler 1994a, S. 19). Kommunikation stellt sich hierbei als als Symbolische Interaktion dar.
Fundamental ist hierfür, dass sich jedes Individuum in Interaktionen reflexiv verhalten kann. Das
bedeutet, sich selbst und den anderen, aber auch sich selbst in Bezug auf den anderen und
diesen wiederum in Bezug auf das eigene Ich unwillkürlich – metakommunikativ – zu beobachten,
sich in dessen Rolle und dessen Selbstidentifikation zu versetzen und darauf wiederum das
eigene Verhalten abzustellen (vgl. ebenda). So vollzieht sich ein permanenter Prozess
137
der
z.B. Ein Paar wird durch die Geburt eines Kindern zu Eltern, ihre Rollen verändern oder zumindest ergänzen sich; Die
Beziehung zur Verwandtschaft wird durch die Existenz des Kindes anders, auch Nachbarschaften ergeben sich neu oder
situieren um. So sozialisieren sich alle gegenseitig, selbst wenn das Baby noch nicht selbständig handeln und sich
artikulieren kann, nimmt es hier Einfluss.
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 102
Selbst- und Fremdidentifikation und – interpretation wie in einer unendlichen Spirale. Dies
geschieht parallel zum expliziten Rollentausch der Kommunikationspartner.
KOMMENTAR
Ein Individuum zeigt demnach ein „signifikantes Symbol“ (z.B. Geste) und darauf folgt eine offene
oder
auch
verdeckte
Reaktion
durch
eine
andere
Person,
das
Gegenüber.
Beide
Interaktionspartner gewinnen daraus eine Vorstellung von der eingegangenen kommunikativen
Handlung. Dieser Prozess der wechselseitigen Interpretation und Re-Interpretation, das `roletaking`, geschieht nicht nur in der konkreten, individualisierten Kommunikationssituation, sondern
auch als kollektiver Prozess in der Gesellschaft und deren dauernder Konstitution, mit
`generalisierten Anderen`. Das ist eine Entwicklungsaufgabe der Kinder, die zum Sozialisationsprozess gehört.
Die rezipientenorientierten Ansätze der Medienwirkungsforschung sehen das Publikum und
das Individuum als aktiv handelndes Wesen (vgl. Kübler 1994a, S. 100). Individuen handeln nicht
nur gegenüber den Inhalten und Programmen, sie entwickeln Handlungen gegenüber dem
Fernsehen, bevor sie mit ihm in kognitiven Kontakt treten. Für das Handeln der Kinder, das sich
auf die Medien bezieht, lassen sich nach Kübler vier Ebenen und Dimensionen unterscheiden:
1. Elementare, universale Perzeptions138- und Rezeptionshandlungen: Sie sind einerseits von
der Entwicklung und Beschaffenheit des Fernsehens, andererseits von den vorherrschenden
Sozialisationsformen und damit den jeweiligen mentalen Dispositionen des einzelnen sowie der
sozialen Gruppe (Familie) abhängig.
2. Handlungen in der jeweiligen konkreten Rezeptionssituation: Diese müssen nicht
unmittelbar auf die Medienrezeption (bestärkt oder abwehrend) bezogen sein, aber in ihrem
Kontext habituell und/oder situativ geschehen und dadurch die Medienrezeption auf unterschiedliche Weise beeinflussen (z.B. gemeinsames Abendessen der Familie, das fast immer zur
gleichen Zeit und während eines bestimmten Fernsehprogramms stattfindet).
3. Handlungen, die Medien zum Bezugspunkt oder zum Thema haben: Hier haben diese
Medien eine postrezeptive
139
Integrationsfunktion: Medien als Gesprächsthema in anderweitig
strukturierten sozialen Situationen (z.B. auf dem Schulhof).
4. Handlungen, die anscheinend unabhängig von Medien sind: Diese Handlungen dürften den
größten Anteil des alltäglichen Lebens ausmachen. Denn die Medien „sind nur ein Teil der
sinnstiftenden symbolischen Umwelt des Menschen, und ihr Stellenwert wird wesentlich
determiniert von den jeweiligen Gegebenheiten der sozialen Situation und der Persönlichkeit der
Rezipienten“ (Hunziker zit. in Kübler 1994a, S. 101).
Aus solchen Erfahrungen hat sich ein vielseitiges Medienwissen gebildet, das täglich bestärkt
wird.
„Es bezieht sich auf Geräte und Fabrikate, auf technische Qualitäten aller Art, auf
Programmstrategien und -strukturen, auf deren Verantwortliche und auf medienpolitische
Positionen, auf materielle und ideologische Hintergründe der Produktion, auf Stars,
Genres und Highlights der Medienszenerie etc.“ (ebenda).
138
139
Erfassen, Wahrnehmen als erste Erkenntnisstufe
nachher aufnehmend, empfänglich
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 103
Je länger es die Medien gibt, desto historischer wird dieses Wissen, umso länger und
umfangreicher wird seine Tradition. Solche Wissensbestände sind bis zu einem gewissen Grad
erforderlich, um das Fernsehen und seine Inhalte kompetent in das Alltagsleben zu integrieren, sie
als Teile oder Stimulanzien und Themen des alltäglichen Lebens nutzen zu können (vgl. Pross u.
Rath zit. in Kübler 1994a, S. 101). Dieses Wissen entscheidet darüber, welche Medien ausgewählt
und genutzt werden und mit welcher Qualität die Nutzung und Rezeption erfolgt.
Medien gelten für Kinder und ihrer Identitätsfindung als unentbehrlich und einflussreich.
Sozialisation gilt als nie abgeschlossen, mithin ein lebenslanger Prozess. Der Sozialisation von
Kindern wird aber nach wie vor die höchste Beachtung entgegengebracht und das größte Gewicht
beigemessen. So gibt Kübler fünf verschiedene Sozialisationsinstanzen an, die aufeinander
aufbauend zu betrachten sind (vgl. Kübler 1994a, S. 102f.):
1. Familie als primäre Sozialisationsinstanz: Sie vermittelt zwischen Individualität und intimer
Offenheit, sozialer Regelhaftigkeit und Funktionalität und nimmt somit eine elementare Sozialisationsaufgabe wahr.
2. Bildungseinrichtungen (Kindergarten, Schule): Hier werden kollektive Regeln und
Rollenmuster gelernt, die die der Familie ergänzen, aber diesen auch entgegengesetzt sein
können.
3. Peergroup: Für ältere Kinder (und stärker noch in der Jugendphase) kommt die Gruppe der
Gleichaltrigen hinzu. Sie verkörpern weitere informelle, affektiv bedeutsame Sozialisationswelten,
die – zumal für Einzelkinder – zusätzliche ungeregelte, intersubjektiv auszuhandelnde
Handlungsmuster und Wertigkeiten anbieten.
4. Tertiäre Sozialisationswelten (Ausbildung, Berufstätigkeit): Offensichtlich erweitern sich mit
diesen Sozialisationswelten die Aktions- und Lebensradien des einzelnen, vergrößern sich seine
sogenannten sozial-ökologischen Zonen.
5. Konsum- und Freizeitangebote (z.B. Vereine, Kirche): Weil die Wahrnehmung der Individuen
stark divergiert, werden sie selten systematisch in den Sozialisationskonzepten berücksichtigt.
Gänzlich quer zu diesen fünf Stadien und Schichtungen von Sozialisation fungieren die Medien
und insbesondere das Fernsehen (vgl. Kübler 1994a, S. 103).
Nach Charlton geht das Lernen vom Fernseher mit dem Lernen für die Fernsehkompetenz einher
(vgl. Charlton 2001b, S. 75ff.). Seiner Meinung nach braucht es „die Schule des wirklichen
Lebens, um Fernsehangebote“ (Charlton 2001b, S. 78) richtig zu verstehen. Das Selbstverständnis des Kindes wird in großem Maße durch das Fremdverstehen gefördert, welches z.B.
beim Verstehen von Geschichten geübt wird. Durch das Beobachten von fiktiven Geschichten,
kann ein Mensch Handlungsmotive, Handlungssituationen und Handlungserfolge beobachten.
Demnach können Kinder auch Mithilfe von Fernsehgeschichten lernen, ihre eigene Handlungssituation und eigene Handlungsmotive mit den Augen des anderen zu sehen (Charlton 2001b, S.
78).
„Das Kind muss also im realen Leben lernen, um Fernsehangebote angemessen
verstehen zu können.
Umgekehrt übt es anhand von (Fernseh-) Geschichten zum Beispiel sein Fremdverstehen,
was ihm im Alltag zum Vorteil gereicht“ (Charlton 2001b, S. 75).
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 104
In den meisten Familien ist das Fernsehen ständig präsent, steuert oder prägt sogar mehr oder
weniger das Alltagsleben, bestätigt oder verunsichert die sozialen Muster der Erziehung.
„Die überkommenen Stufen der Sozialisation, nämlich vom Intim-Persönlichen zum
Anonym-Funktionalen, vom erzieherisch Dosierten zum marktgängigen, permissiven
Überfluss, werden von den Medien unentwegt durchbrochen, sie überlagern sie
womöglich ganz“ (Kübler 1994a, S. 103).
Neil Postman geht sogar davon aus, dass das Fernsehen die Kindheit gänzlich beseitigt hat, weil
es Tabuthemen mit seinen ständig zugänglichen Bildern schonungslos anböte (vgl. Postman
1999, S. 97ff.). Er ist der Meinung, dass das Fernsehen nicht über Ereignisse berichtet, sondern
sie künstlich herstellt und sich dafür jedes kulturelle Tabu zunutze macht (vgl. Postman 1999, S.
98f.). Denn die schonungslose Aufdeckung aller Geheimnisse der Kultur stellt eine schwere
Herausforderung für die Autorität der Erwachsenen und die Neugier der Kinder dar. Sie blicken
hinter die Kulissen des Erwachsenenlebens und entwickeln infolgedessen Einstellungen, die
Postman als erwachsenenmäßig bezeichnet – eine zynische oder gleichgültige Haltung
gesellschaftlicher Vorgänge (vgl. Postman 1999, S. 112).
„Nichts ist rätselhaft, nichts erfurchtgebietend, nichts bleibt dem öffentlichen Blick verborgen. Eine allgemein verbreitete Ansicht, die vor allem Fernsehleute gerne ins Feld
führen, wenn sie kritisiert werden, hebt gerade hervor, dass die Kinder heute – ungeachtet
dessen, was man sonst noch über die Auswirkungen des Fernsehens auf junge Menschen
sagen könne – jedenfalls besser informiert seien als Kinder jemals zuvor.
[...]
Es bedeutet, dass sie zu Erwachsenen geworden sind oder zumindest den Erwachsenen
ähnlich geworden sind. Es bedeutet, dass sie aus dem Garten der Kindheit vertrieben
werden, indem man ihnen die Frucht des Erwachsenenwissens zugänglich macht“
(Postman 1999, S. 114).
In der allmählichen Aufdeckung und Entschlüsselung der Welt erkennt Postman eines der
symbolischen Fundamente für die neuzeitliche Phase der Kindheit, wie sie sich seit dem
Buchdruck als erzieherisches und biographisches Ideal verbreitet hat. Das Fernsehen macht es
sich seiner Meinung nach zur Aufgabe, Informationen mit Bildern zu bewegen, nicht sie zu
sammeln. Die statische und lineare Form eines Buches hingegen kann bei einem Thema
verweilen und es infolgedessen gründlicher untersuchen (vgl. Postman 1999, S. 98).
„Das Fernsehen bietet eine ziemlich primitive, freilich unwiderstehliche Alternative zur
linearen, sequentiellen Logik des gedruckten Wortes und tendiert dazu, die Härten einer
an der Schrift orientierten Erziehung irrelevant zu machen. [...] Das Fernsehen verlangt
keine besonderen Fähigkeiten und entwickelt auch keine Fähigkeiten“ (Postman 1999, S.
93).
Schulte-Markwort ist der Meinung, dass Kindheit – zumindest die unbeschwerte Kindheit – heute
nicht mehr existiert und bezeichnet sie als einen „Mythos“ (Schulte-Markwort zit. in Metzner 2001,
S. 22). Die Kinder dieser Gesellschaft sind körperlich sowie psychisch erkrankt. Nahezu jedes
dritte Kind leidet unter Stresssymptomen wie Kopfschmerzen, Nervosität, oder ständiger
Müdigkeit. Vergleichbar mit gestressten Managern werden die Kinder von Asthma, Rückenschmerzen, Schwindel oder Fettleibigkeit geplagt (vgl. ebenda). „Kinder werden heute groß in
einer Welt von Erwachsenen, die genug mit sich selbst zu tun haben“ (Gless 2001, S. 66).
Familienstrukturen haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Zugleich wird
sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen noch erheblich
verschieben. Laut Statistischem Bundesamt werden die Menschen bis zum Jahr 2050 im Alter von
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 105
58 bis 63 Jahren zu den am stärksten besetzten Jahrgängen gehören
140
. Waren 1950 etwa
doppelt so viele Menschen unter 20 Jahre wie über 59 Jahre alt, so wird es 2050 mehr als doppelt
so viele ältere als junge Menschen geben. Der Altersaufbau der Bevölkerung am 31.12.1998 gibt
einen Überblick zur Aufteilung zwischen älteren und jüngeren Bundesbürgern (vgl. Abb. 38). Viele
Formen der Großfamilie sind aufgebrochen und selbst eine klassische Vater-Mutter-Kind-Familie
kann in Deutschland nicht mehr als die häufigste Lebensform bezeichnet werden (vgl. Petzold
2001, S. 16ff.). Neue Familienformen sind u.a. Ein-Eltern-Familien, Adoptivfamilien, Lebensabschnittspartnerschaften, nichteheliche Lebensgemeinschaften, Patchwork-Familien, Pflegefamilien
oder Wohngemeinschaften. Für den Nachwuchs gibt es einen Beziehungsersatz in Form vom
Fernsehen und anderen elektronischen Medien wie etwa Computer, Gameboy, Discman, Radio,
Playstation. Gless nennt diese Ersatzliebe E-Love
141
(vgl. Gless 2001, S. 66). Die Orientierung
bieten nicht mehr die Eltern sondern die ganze Welt. „Die Eltern begreifen immer seltener, dass
Kinder eine lebenslange Aufgabe sind“ (Schuster zit. in Gless 2001, S. 66).
Abbildung 38
Altersaufbau der Bevölkerung am 31.12.1998142
Die Lebenswirklichkeit der Kinder scheint problematisch.
„Kinder, die nach dem Terminkalender leben, die wenig Abenteuerumwelten zu entdecken
haben, aber mit pädagogisch gestalteten Umwelten fertig werden müssen, die mehr
drinnen, in der Wohnung, als draußen spielen müssen, die viel Kontrolle und wenig
Freiraum haben, von denen Selbständigkeit verlangt wird, ohne dass sie selber
Entscheidungen zu treffen vermögen“ (Hövel van den 1991, S. 192).
Pädagogen reagieren laut Neuß seismographisch auf die Veränderung von gesellschaftlichen
Strukturen (vgl. Neuß 1997, S. 121). Was für Kinder dieser Kulturepoche als qualitativ hochwertiges Kinderfernsehen betrachtet werden kann, wird davon abhängig gemacht. Qualitätsdebatten
140
141
142
http://www.destatis.de/allg/d/veroe/d_bevoe.htm (01.09.01)
electronic love / elektronische Liebe
http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoegra2.htm (01.09.01)
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 106
sind nach Paus-Haase Kulturdebatten und eng verbunden nicht nur an die Vorstellung der Kinder
selbst, „sondern ebenso an das Bild von Kindern und Kindheit, das eine Gesellschaft in ihren
Normen und Wertvorstellungen in bezug auf Kinder und ihre Erziehung prägt und das diese selbst
in starkem Maße charakterisiert“ (Paus-Haase 1997c, S. 54).
5.2.2.
Familien und Fernsehen
Beleuchtet man die Geschichte des Kinderfernsehens im Zusammenhang mit der Familie, erkennt
man durch das Fernsehen bedingte Veränderungen. In den 50er Jahren und noch zu Beginn der
60er Jahre des 20. Jahrhunderts ist der Fernsehapparat in den deutschen Familien noch nicht weit
verbreitet und hat für das Familienleben keine nachhaltigen Wirkungen. Fernsehen ist zu dieser
Zeit ein „öffentliches Ereignis, das Kontakte schafft[e]“ (Aufenanger 1996, S. 8). Beliebte Sendungen werden in der Gaststätte oder bei Freunden gemeinsam erlebt. Mit der Verbreitung des
Fernsehens als Massenmedium in den 70er Jahren nimmt der Bildschirm in den Familien einen
höheren Stellenwert ein. Im Wohnzimmer gruppiert man die Möbel um den Fernseher und das
gemeinschaftlich abendliche Fernsehen wird in das Familienleben integriert. Der Bildschirm ist in
den Kreis der Familie aufgenommen wie ein weiteres Familienmitglied (Hesse 1999, S. 25). Mit
Aufkommen der Privatsender in den 80er Jahren erweitert sich das angebotene Programm und
führt dazu, dass die unterschiedlichen Familienmitglieder ihren individuellen Programminteressen
nachkommen können (vgl. Aufenanger 1996, S. 8). Das Fernsehen der Kinder ist stark an das
Familienleben gebunden und einen angemessenen Umgang mit dem Fernsehen können die
jungen Rezipienten mit Unterstützung der Eltern erlernen. Haben die Kinder das Fernsehen erst
einmal für sich entdeckt, zieht es häufig Konflikte und Diskussionen in der Familie nach sich (vgl.
Kübler 1998a, S. 176). Es liegt bei den Streitthemen in der Familie auf Platz zwei gleich nach der
Auseinandersetzung um das „Zubettgehen“ (vgl. Krotz 1999, S. 119f.). So zentral das Thema in
den Familien sein mag, erst Mitte der 90er Jahre liegen richtungsweisende und repräsentative
Daten zum Fernsehgebrauch in den Familien vor (z.B. Kübler 1998a; Hurrelmann 1996; Charlton
2000).
„Im Gegensatz zu dieser starken Betonung der Familien aus medienpädagogischer Sicht,
hat sie in der deutschsprachigen Medienforschung bis in die Mitte der achtziger Jahre
hinein nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Erst mit der Diskussion um den Videokonsum von Kindern und Jugendlichen unter dem Aspekt des Jugendmedienschutzes
sowie mit der Einführung des erweiterten Programmangebots im Fernsehen [...] wurden
Forschungsprojekte angeregt und gefördert, die sich der Beziehung zwischen der Familie
und dem Fernsehen widmeten“ (Aufenanger 1991a, S. 83).
Kinder benötigen die Beratung ihrer Eltern in der Programmauswahl, ihr Verständnis bei der
Verarbeitung von Filminhalten und – vor allem die Fernsehanfänger – die Geduld beim
Nachspielen der Filminhalte sowie Anhaltspunkte im Umgang mit dem Medium Fernsehen. Dabei
fungieren die Erwachsenen als Vorbilder, auch wenn es ihnen nicht bewusst ist. Bis weit ins
Jugendalter hinein orientieren sich die Kinder am Vorbild der Eltern, sie beobachten ihr Verhalten
und ahmen es weitgehend nach. Eltern stellen demnach die wichtigsten Lernmodelle für die
Kinder dar (vgl. Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 71). Aber die jungen Rezipienten sind nicht nur in
der Nutzung des Mediums Fernsehen durch das Imitationslernen von den Erwachsenen
beeinflusst, sondern auch in der Bewertung und dem Umgang mit Fernsehinhalten. Gleichzeitig
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 107
wird das Verhalten der Erwachsenen in Bezug auf ihre Gefühle von den Kindern latent beobachtet
und aufgenommen. Die Orientierung an den offen oder verdeckt vermittelten Werten und Normen
der Erwachsenen ist umso wirkungsvoller, je mehr sich das Kind mit demjenigen identifiziert (vgl.
Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 73). So ist dies geschlechtsspezifisch in der Regel bei Mädchen die
Mutter und bei Jungen der Vater. Zeigt beispielsweise ein Vater deutlich Gefühle bei einem
traurigen Film, äußert er Ablehnung gegenüber dem Gebrauch von Gewalt als Konfliktlösungsmittel oder verurteilt er die Darstellung von Frauen als `Dummchen`, so prägt dieses Verhalten die
Wertmaßstäbe und Einstellungen bei seinen Nachkommen.
„Lobt der Vater hingegen den harten Helden, billigt er Gewalt und lässt bei rührenden oder
traurigen Filmszenen keine Regung erkennen, trägt dies dazu bei, dass die traditionelle
Männerrolle von seinem Sohn übernommen wird“ (Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 73).
KOMMENTAR
Eltern sind also wichtige Vorbilder und sollten insbesondere ihre eigenen Fernsehgewohnheiten
regelmäßig reflektieren. Sie müssen sich bewusst sein, dass sie einen großen Einfluss nicht nur
auf das Fernsehverhalten ihrer Zöglinge haben, sondern auch auf deren Beurteilung und
Einschätzung des Inhalts und so ihre Meinung nachhaltig prägen.
Familien bieten Kindern Formen der Alltagsorganisation, stellen vermittelnd den Zusammenhang
zu ihrer Umwelt her und gestalten zwischenmenschliche Beziehungen. In diesem Gefüge von
Beziehungsgestaltung, Alltagsorganisation und Umweltvermittlung entwickeln Kinder ihr Verhältnis
zur Schule bzw. Kindergarten, zu Konsum und Arbeit, zu Freizeit, Kultur u.ä. (vgl. Hurrelmann
1996, S. 24). Als Teil des Familiensystems geht das Fernsehen daher in den Sozialisationskontext der Familien ein (vgl. Abb. 39).
Abbildung 39
Fernsehgebrauch im Sozialisationskontext der Familie143
Mit der Art der Familienform werden wichtige Voraussetzungen für dieses Gefüge gegeben. Die
Fernseherziehung
143
und
vgl. Hurrelmann 1996, S. 24
der
Gebrauch
des
Fernsehgeräts
sind
einerseits
von
diesen
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 108
Gegebenheiten bestimmt und andererseits sind Rückwirkungen des Umgangs mit dem Fernsehen
auf die Alltagsorganisation die Gestaltung der persönlichen Beziehungen und die Vermittlung von
Umwelt in der Familie anzunehmen (vgl. Hurrelmann 1996, S. 24). Es findet eine gegenseitige
Wechselwirkung statt. Die gesellschaftlichen Systeme wirken zusätzlich extern auf den Fernsehgebrauch und die Erziehung in den Familien ein. Der Fernsehgebrauch gliedert sich vor diesem
Hintergrund in die Alltagsorganisation ein oder konstituiert sich gar. Er hat seine Funktion für das
Gesamtsystem Familie, für die verschiedenen Subsysteme und jedes einzelne Familienmitglied
(vgl. Hurrelmann 1996, S. 160).
„Mittels Fernsehen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Familienmitglieder
betont, stellt man Nähe her oder grenzt sich von den anderen ab. Fernsehen ermöglicht
Erfahrungen außerhalb der familialen Grenzen und dient den Eltern zur Normvermittlung“
(ebenda).
Wenn Familien gemeinsam fernsehen ist das durchaus auch etwas Schönes. Dabei kommt es
aber auch vor, dass Kinder durchaus Sendungen sehen, die sie gar nicht wirklich interessieren
oder die nicht für sie geeignet sind (vgl. Götz 2002, S. 42). Auf die Frage, wieso sie darauf kam die
Daily-Soap Gute Zeiten, schlechte Zeiten regelmäßig zu sehen, antwortet die neunjährige Vivien
folgendermaßen:
„Das waren eigentlich meine Eltern, weil die haben da jeden Tag reingeguckt und ich
wollte immer Kinderkanal oder so gucken, und dann haben sie gesagt: `Nein Vivian, du
gehst entweder ins Bett oder guckst mit uns Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (zit. in Götz
2002, S. 41).
Für dieses Mädchen scheint die Sendung zweitrangig zu sein und der familiäre Akt des
gemeinsamen Fernsehens steht im Mittelpunkt. Vivien genießt die Gemeinsamkeit und ob die
Inhalte der Serie ihr schaden oder sie verunsichern, ist vom familiären Rahmen abhängig. Ob
Kinder viel fernsehen oder problematische Nutzungsmuster entwickeln, Programme weder
kognitiv noch emotional einordnen können, steht in engem Zusammenhang mit der Problembelastung in der Familie (vgl. Hurrelmann 1996, S. 88ff.).
Dass durch Rezeption hervorgerufene kindliche Ängste die Eltern beunruhigt, ist verständlich
und kommt laut Hurrelmann häufig bei vielsehenden Kindern vor. Diese entwickeln nämlich
ungünstige Nutzungsroutinen, so dass der Konsum oft wahllos erscheint (vgl. Hurrelmann 1996,
S. 98). Der Rezeptionsstil ist zudem vielfach durch Ablenkung und mangelnde Aufmerksamkeit
geprägt. So können die Inhalte nicht verarbeitet werden. Kinder haben aber eigene Mittel, um ihre
Spannung abzubauen. So schauen sie sich aufregende Filmszenen gern noch mal an, hüpfen
herum während des Fernsehens oder lenken sich mit anderen Dingen ab. Viele Eltern scheinen
dies als Desinteresse zu deuten, doch liegen sie mit dieser Interpretation nicht immer richtig.
Kinder lenken sich oft ab, indem sie beim Fernsehen malen oder spielen, was ein Anzeichen für
eine Schutzfunktion des Kindes sein kann. Erwachsene sollten nicht sofort den Fernseher
ausmachen, bevor sie das rezipierende Kind nicht näher betrachtet haben. Bei einem
tatsächlichen Desinteresse des Kindes an dem Fernsehgeschehen, sollten die Erwachsenen das
Kind auffordern, das Gerät selbst abzustellen. Ist jedoch bei dem Kind eine Erregung zu spüren,
sollte es die Möglichkeit haben, das Gesehene im Fernsehen zu Ende zu verfolgen und das
Happy-End als erlösendes Stilmittel zu erfahren (vgl. Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 33). Hilfreich ist
bei einer deutlichen Anspannung des Kindes eine Unterhaltung über das Gesehene und das
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 109
gemeinsame Fernsehen mit einem Erwachsenen. Die Voraussetzung für ein Gespräch mit
Kindern beim Fernsehen und über deren Fernsehvorlieben oder -ängste ist ein aktives, nicht
reglementiertes Zuhören (vgl. Gordon 1993, S. 252ff.). Hierbei sollten die Eltern das Kind ernst
nehmen, weil sie sonst nicht als Gesprächspartner akzeptiert werden. Körperliche Geborgenheit
ist eine weitere Hilfe insbesondere für kleinere Kinder
144
. Bei älteren Kindern hilft eine verbale
Verarbeitung. Rogge ist davon überzeugt, die Eltern sollten ohnehin in der Nähe ihres
rezipierenden Kindes sein, es beobachten und ihm bei der Verarbeitung des Gesehenen helfen,
indem sie versuchen, vom Kind aus zu denken und es emotional dort aufzufangen, wo es hängen
geblieben ist (vgl. Rogge 1999, S. 71). Viele Erzieher oder Lehrer klagen über das sogenannte
Montagssyndrom, d.h. dass viele Kinder sich montags lauter, aggressiver und unruhiger als an
anderen Tagen der Woche verhalten (vgl. Neuss 2000, S. 217). Die Kleinen berichten von ihren
intensiven Fernseherlebnissen vom Wochenende und spielen viele Szenen nach. In der
Medienwirkungsforschung wird oft von einer Reizüberflutung der Kinder ausgegangen (vgl.
ebenda). Hinzu kommt, dass vielsehende Kinder allein oder gemeinsam mit Familienangehörigen
ungeeignete oder zumindest nicht altersgemäße Inhalte konsumieren. Unverständliches führt
dann zu Ängsten und starke emotionale Beteiligung am Fernsehgeschehen kann zur dominanten
Erlebnisform führen, die die kognitive Verarbeitung beeinträchtigt (vgl. Hurrelmann 1996, S. 98).
Kinder benötigen Figuren und Symbole, mit deren Hilfe sie die Erfahrungen und Erlebnisse ihres
Alltags bearbeiten können. Das kann He-Man genauso sein wie ein Protagonist von Pokémon
oder auch Sailor Moon (vgl. Hövel van den 1991, S. 189). Diese Figuren sind im Spiel der Kinder
integriert und Verbote wirken hier nur selten (vgl. S. 185). Kinder teilen im Spiel und im Gespräch
bewusst oder latent ihre Wünsche, Sorgen und Ängste mit. Es sollten daher noch andere
Fantasie- und Gestaltungsräume für die Kleinen angeboten und die Ursachen der kindlichen
Konflikte hinterfragt werden (vgl. Hövel van den 1991, S. 189f.). Es ist durchaus notwendig, dass
Erwachsene Grenzen aufzeigen oder Alternativen anbieten. Bedingungslos alles zu akzeptieren,
was Kinder in dieser Hinsicht wollen und nutzen, ist nach Van den Hövels Sicht nicht der richtige
Erziehungsweg (vgl. Hövel van den 1991, S. 189).
KOMMENTAR
Leider können oder wollen nicht alle Erziehungsberechtigten ihre Kinder auf diese Weise
kontrollieren oder mit ihnen über Fernsehinhalte sprechen. Die Alleinerziehenden und/oder
Berufstätige haben wenig Zeit, um sich so konsequent um ihre Kinder zu kümmern. Viele
genießen die Zeit des rezipierenden Kindes als freie Zeit für sich und wiederum andere sind
desinteressiert und stören sich nicht am großen Fernsehkonsum ihrer Kinder. Es wäre
wünschenswert, wenn mehr Aufklärung unter den Erwachsenen stattfinden würde. Zuvor müsste
das Interesse der Eltern an medienpädagogischen Themen geweckt werden.
5.2.3. Medienerziehung
Medienerziehungskonzepte sind in fast allen Situationen, bei denen es um den Umgang mit dem
Fernsehen geht, leitend (vgl. Aufenanger 1994, S. 485). Sie stellen eine Art Alltagstheorie dar, die
144
z.B. es in den Arm nehmen oder auf den Schoß
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 110
das Denken über das Medium Fernsehen bestimmt. Je nach Ausprägung dieser Konzepte
ergeben sich unterschiedliche Vorstellungen über die Begrenzung des Fernsehkonsums oder die
Qualitätskriterien der Eltern. Es lassen sich nach Aufenanger fünf verschiedene Typen von
Medienerziehungskonzepten herleiten (vgl. Tab. 8).
Tabelle 8
Fünf verschiedene Typen von Medienerziehungskonzepten145
Medienerziehungskonzepte
Zentrales Merkmal
Lizenzierung: Einteilung der Fernseherlaubnis
Erlaubnis bzw. Reglementierung nach qualitativen,
inhaltlichen Kriterien
Limitierung: Einschränkung der Fernsehdauer
Reglementierung bzw. Erlaubnis hauptsächlich
nach zeitlichen Kriterien
Akzeptanz: Laufen- und Sehenlassen
Unreglementiertes Gewährenlassen
Ablehnung: Fernsehverbot
Verzicht auf Fernsehgerät
Akzeptanz: Familienintegriertes Fernsehangebot
Situationsabhängig tolerierendes Gewährenlassen
Das erste Konzept ist die Lizenzierung (Einteilung der Fernseherlaubnis), das bedeutet im
engeren Sinne, dass die Eltern den Fernsehkonsum ihrer Kinder einteilen. Hierbei wird die
Stellung des Fernsehens in der Familie und dessen Bedeutung nach Qualitätskriterien bestimmt
werden (vgl. Aufenanger 1994, S. 486). Die Einteilung in qualitative und ungeeignete Sendungen
bestimmen die Erwachsenen und die Kinder müssen fragen, bevor sie das Fernsehgerät anstellen
dürfen. Mit Limitierung (Einschränkung der Fernsehdauer) wird das zweite Medienerziehungskonzept beschrieben, bei dem die Eltern den Fernsehzugang der Kinder rein zeitlich beschränken.
Beispielsweise dürfen jüngere Kinder weniger Minuten am Tag fernsehen, als ihre älteren
Geschwister. Oft überlegen sich die Erwachsenen bestimmte Systeme, damit die Kinder lernen,
ihren Fernsehkonsum selbst zu kontrollieren (vgl. ebenda). So wird jedem Kind ein bestimmtes
Kontingent an wöchentlicher Fernsehzeit zugesprochen, das es sich selbst einteilen darf. Hierbei
soll es lernen, selbständig abzuwägen und seine Zeitreserven sinnvoll einzuteilen. Für dieses
Konzept gilt, dass das Fernsehen eher „eine Notlösung [darstellt], wenn andere Freizeittätigkeiten
ausgeschöpft sind“ (Aufenanger 1994, S. 487). Das dritte Medienerziehungskonzept ist die
Akzeptanz (Laufen- und Sehenlassen). Hierbei gibt es keine Trennung zwischen dem Fernsehen
für Erwachsenen und dem für Kinder (vgl. ebenda). Die Kinder dürfen alles sehen, was im
Fernsehen gezeigt wird und werden nicht von den Erwachsenen reglementiert. Die Vorstellung der
Eltern beruht auf der Annahme, dass das Fernsehen keinen Einfluss auf die Entwicklung der
jungen Rezipienten hat (vgl. ebenda). Die Ablehnung (Fernsehverbot) stellt genau das Gegenteil
des Akzeptanzkonzepts dar. Dieses vierte Konzept basiert auf grundsätzlichen Vorbehalten der
Eltern gegenüber dem Medium Fernsehen und wird vorwiegend wegen seines Inhalts abgelehnt.
Die Familie bevorzugt ein fernsehfreies Leben und verzichtet ganz auf das Fernsehgerät. Das
fünfte Medienerziehungskonzept Akzeptanz (Familienintegriertes Fernsehangebot) beinhaltet ein
situationsbezogenes Gewährenlassen der Kinder im Umgang mit dem Fernsehen. Das bedeutet,
dass die Eltern den Kindern einen freien Zugang zu Fernsehsendungen erlauben, da sie ihnen
Fernsehkompetenz zutrauen (vgl. Aufenanger 1994, S. 488). Das Erziehungskonzept der Familien
145
vgl. Aufenanger 1994, S. 486
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 111
ist geprägt von Selbständigkeit und Selbstverantwortung. Fernsehen wird als etwas Alltägliches
angesehen, das von allen Familienangehörigen unbefangen genutzt wird.
„Das Medienerziehungskonzept dieser Eltern ist von der Vorstellung geprägt, dass die
Medien Stärken und Schwächen haben und Kinder schon sehr früh lernen können, mit
Medien sinnvoll umzugehen, wenn ihnen entsprechende Erfahrungsräume verschafft
werden“ (ebenda).
Insgesamt ist Aufenanger davon überzeugt, dass Kindern ein kompetenter, selbstbestimmter
und kritischer Umgang mit dem Medium Fernsehen ermöglicht und vermittelt werden sollte.
Hierbei sollten ihnen möglichst viele selbständige Erfahrungen gestattet werden und nur dann von
den Eltern eingegriffen werden, wenn die jungen Rezipienten die Folgen ihres Medienhandelns
nicht überschauen können (vgl. Aufenanger 1994, S. 489). Die Medienerziehung sollte sich nach
gleichen Prinzipien richten wie die anderen Erziehungsfragen einer Familie. Der Umgang mit dem
Fernsehen sollte demnach nicht weniger eigenständig ablaufen als z.B. der Umgang mit dem
Taschengeld (vgl. ebenda). Die Fernseherziehung sollte sich zudem an dem Entwicklungsstand
des Kindes orientieren, was folglich bedeutet, dass älteren Kindern mehr Kompetenz zugetraut
werden kann als jüngeren. Dabei sollte aber laut Aufenanger darauf geachtet werden, dass
individuelle Unterschiede auftreten können.
„So kann es sein, dass im gleichen Alter das eine Kind problemlos mit angstauslösenden
Szenen im Fernsehen umgeht, indem es wegguckt oder das Fernsehen abbricht, während
das andere Kind gebannt die entsprechenden Szenen verfolgt, sich nicht davon lösen,
dann aber nachts vor Angst nicht schlafen kann“ (Aufenanger 1994, S. 489).
Eine Frage, die mit Aufkommen der Teletubbies in Deutschland neu angeregt wurde, ist der
Zeitpunkt, ab wann Kinder mit dem Fernsehen beginnen dürfen (vgl. Kapitel 4.2.3.). Laut
Kübler geht die internationale Publikumsforschung davon aus, dass Kinder sich im Alter von zwei
bis drei Jahren dem Bildschirm zuwenden (vgl. Kübler 1998, S. 256). In Japan sollen Kinder im
Alter von einem bis eineinhalb Jahren schon täglich durchschnittlich zwei Stunden fernsehen und
Zwei- bis Dreijährige sogar drei Stunden (vgl. ebenda). In den USA verfolgen schon Säuglinge
unter einem halben Jahr das Fernsehprogramm und reagieren vor allem auf akustische Reize und
auffallenden Bewegungen auf dem Bildschirm (vgl. ebenda). Ab einem Jahr lässt sich feststellen,
dass die Fernsehinformationen hauptsächlich visueller Art von den Kindern gemerkt werden und
mitunter eine Figur dann zu einem späteren Zeitpunkt nachgeahmt wird (vgl. Kübler u.a. 1998, S.
256f.). Die kindlichen Fernsehzeiten steigen kontinuierlich ab dem ersten Kontakt mit dem Gerät
bis etwa einem Alter von 12/13 Jahren (vgl. ebenda, S. 257). Es zeigt sich, dass schon 1-2jährige
Kinder Gefallen an den Teletubbies finden. Eine aktuelle Studie aus den USA hat herausgefunden, dass in Amerika ein Viertel der unter Dreijährigen täglich mindestens drei Stunden vor
einem Fernsehapparat verbringen
146
. Allein in der Gruppe der Zweijährigen sind es 40%
147
. Der
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ist der Meinung, dass die Teletubbies „unter dem
Deckmantel des pädagogisch Wertvollen als Ersatzbabysitter herhalten“ (Gangloff 2001a, S. 36).
Wenn Eltern ihre Kinder fernsehen lassen, um mehr Zeit für sich selbst und für andere zu haben,
wird diese Funktionalisierung des Fernsehens als „Babysitter“ bezeichnet und geht mit einem
höheren Fernsehkonsum der Kinder einher (vgl. Neumann-Braun u.a. 1993, S. 503). Demnach
146
147
vgl. http://www.welt.de/daten/2001/05/06/0506med251687.htx (11.05.01)
vgl. ebenda
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 112
sollen Zweijährige noch nicht vor den Fernseher gesetzt werden, denn immer mehr deutsche
Kinder seien fernsehgeschädigt (vgl. ebenda). Es sind auffällige Verhaltensmerkmale festzustellen
und es wird geraten, dass Kinder unter zwei Jahren überhaupt nicht fernsehen sollten
148
.
Interessant ist hierbei zu erwähnen, dass selbst der Fötus im Mutterleib schon durch das
Fernsehen und andere Medienreize konditioniert werden kann (vgl. Wender 1999, S. 14f.). Dies ist
ein entwicklungspsychologisches Forschungsergebnis, das Eltern ferner zur Kenntnis nehmen
sollten.
KOMMENTAR
Trotz dieser Beobachtungen im In- und Ausland, ist es verwunderlich, dass es bisher nicht üblich
ist, bei statistischen Fernseherhebungen (z.B. der GfK), Kinder unter drei Jahren zu beachten. Es
wäre doch interessant zu erfahren, wie viele Kleinkinder in Deutschland schon direkt oder indirekt
rezipieren und inwiefern Familien die Kleinsten mitgucken lassen bzw. eigens für sie den
Fernseher einschalten.
Nur wenige Eltern haben tatsächliches Interesse an medienpädagogischen Angeboten nach
Auskunft von Einrichtungen wie etwa Familienbildungsstätten, Jugendämtern, Vereine, Volkshochschulen, Medienkompetenzzentren, Kindergärten, Medienzentren, Stiftungen, Verbraucherzentralen u.ä. (vgl. Abb. 40). Nur ein Drittel der Befragten haben ein großes Interesse an medienpädagogischen Informationen und Veranstaltungen und nur jeder Zwanzigste bekundet sehr großes
Interesse (vgl. Burkhardt 2001, S. 267). Die Hälfte aller Eltern und Familien haben nur wenig und
7% sogar überhaupt kein Interesse. Die Platzierung des Fernsehers innerhalb der Familie spielt
zudem keine unwesentliche Rolle in der Fernseherziehung.
kein Interesse
7%
sehr groß
7%
groß
36%
weniger groß
50%
Abbildung 40
Interesse der Eltern und Familien an medienpädagogischen Informationen und Veranstaltungen149
So kann ein Fernseher im Esszimmer zum Fernsehkonsum während der Mahlzeiten verleiten oder
im Mittelpunkt des Wohnzimmers hierbei das zentrale Familienleben beeinflussen (vgl. Lerchen-
148
149
vgl. http://www.welt.de/daten/2001/05/06/0506med251687.htx (11.05.01)
vgl. Burkhardt 2001, S. 268
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 113
müller-Hilse 1998, S. 75). Ein unwichtiger Eckplatz z.B. könnte nach Lerchenmüller-Hilse nicht nur
ein optisches Zeichen geben, sondern auch unwichtiger im Familienleben werden (vgl. ebenda, S.
76). Viele Kinder haben schon ihren eigenen Fernseher im Kinderzimmer stehen und verfügen
selbständig über ihr Programm. Die Frage, ob dies sinnvoll ist, muss jede Familie für sich selbst
beantworten. Doch sollten Kinder möglichst erst dann über einen eigenen Fernseher verfügen,
wenn sie eine hinreichende Kompetenz im Umgang mit diesem Medium erworben haben (vgl.
Lerchenmüller-Hilse 1998, S. 76). Hierbei wird oft die Entwicklung von so genannter Medienkompetenz der Kinder gefordert (vgl. Baacke 1997a, S. 96ff.).
KOMMENTAR
Für viele Kinder – besonders für ältere – bedeutet ein eigenes Fernsehgerät allerdings eine
erhebliche Bedeutung als Statussymbol für sich selbst und vor der Peergroup. Diese Gleichaltrigengruppe hat neben der Familie einen erheblichen Einfluss auf das Medienverhalten der
Kinder. Die Kinder sind auf dem Weg des Abnabelungsprozesses von der Familie und die
Peergroup bieten wichtige Bezugspersonen zur Bildung der eigenen Selbständigkeit. Trotzdem
sollte dieser Schritt gut überlegt sein und die Eltern sollten mit den Kindern das Für und Wider
diskutieren. Zu bedenken ist hierbei, dass Kinder mit eigenem Fernsehgerät im Durchschnitt öfter
und länger rezipieren als andere in ihrem Alter. Trotzdem ist es einigen mediengeschulten Kindern
sicherlich zuzutrauen, ein eigenes Gerät zu besitzen. Die Eltern sollten hierbei trotzdem weiterhin
das Rezeptionsverhalten der Kinder beobachten und notfalls eingreifen.
5.2.4. Fernsehfreie Erziehung
Wie bereits erwähnt, gibt es ein Medienerziehungskonzept, dass die generelle Ablehnung des
Fernsehens beinhaltet. Dieses Konzept gründet sich auf zum Teil weltanschaulichen Positionen
wie z.B. die anthroposophische Lebensweise oder auf grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber
dem Medium Fernsehen und seinen Inhalten, was vornehmlich von der Sorge um das Kindeswohl geprägt ist (vgl. Aufenanger 1994, S. 487). Ein Anreiz für die Fernsehverweigerung kann von
einer ehemaligen Fernsehsucht ausgehen (vgl. Lakotta 1995, S. 134). Es stehen oftmals
bildungsbürgerliche Einstellungen im Vordergrund, in denen dem Wort und der Schrift für die
Bildung der Persönlichkeit mehr Gewicht eingeräumt wird als dem Bild (vgl. Postman 1999, S. 98).
53,3% der Nichtseher haben einen Hochschulabschluss, rund die Hälfte verfügt über ein
Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 2.000,- Euro und 80,3% von ihnen leben in Großstädten
oder zumindest in Vororten
Fernsehen
150
. Zwei Millionen Deutsche gestalten ihr Leben mittlerweile ohne das
151
. Über sie liegen kaum kommunikationswissenschaftlich abgesicherte Kenntnisse vor
(vgl. Sicking 1998, S. 9). Im Vergleich mit dem Beginn der Zuschauerforschung werden heute
andere Untersuchungsziele definiert, die sich hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen mit
quantitativen Fernsehnutzungsdaten und aus kulturkritischer Sicht mit der Vielseherforschung
beschäftigt (vgl. Sicking 1998, S. 9). Nichtseher finden in den Studien als eine vernachlässigende
Restgröße eher beiläufig eine Erwähnung. Vor dem Hintergrund einer sich differenter darstellen-
150
151
vgl. http://www.welt.de/daten/2000/04/06/0406mm160901.htx (11.05.01)
vgl. ebenda
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 114
den Lebens- und Mediennutzungsweise sowie der Qualitätsdebatte ist eine Betrachtung dieser
vernachlässigten Kategorie angebracht.
Die Eltern möchten ihre Kinder vor den schädigenden, gewalthaltigen und unmoralischen
Fernsehinhalten schützen (vgl. Lakotta 1995, S. 135). Die Nachteile des Fernsehkonsums
können neben Werbe- sowie Konsumdruck, dem Montagssyndrom oder dem Verlust der
natürlichen Fantasie physischer Natur sein. Rainer Patzlaff warnt vor den Folgen des Fernsehens
für Kinder und Erwachsene. Es soll Gefahren für das Auge darstellen, dessen sonst lebhafte
Tätigkeit sinnlos geworden ist und einer „hochgradigen Passivität“ (Patzlaff 2000, S. 24) weicht.
Das Blickfeld des Betrachters wird dauerhaft auf einen kleinen Ausschnitt beschränkt. Dies führt
zu einem allgemeinen Bewegungsstau (vgl. ebenda, S. 25). Zudem wird durch die Kameraführung
und Darstellung eine unterschwellige Meinungssteuerung und Manipulation der Zuschauer bewirkt
(vgl. Patzlaff 2000, S. 36-42).
„Die Leute sehen was und denken, sie seien informiert, und dabei bleibt doch nur ein
dumpfer Eindruck“ (TV-Verweigerer zit. in: Lakotta 1995, S. 136).
Patzlaff wertet das Ganze „als Angriff auf die Willenskräfte des Menschen, von denen alle
Eigenaktivität ausgeht. Aktivitätsverhinderung findet statt, Willensstau, und damit eine IchVerhinderung“ (Patzlaff 2000, S. 26). Mander ist der Meinung, dass das Fernsehen die
schöpferische Fantasie des Menschen unterdrückt und die Massenpassivität verstärkt (Mander
1979, S. 301). Zudem ist das Fernsehen nach Mander „eine Form der sensorischen Deprivation;
es bewirkt Desorientierung und Verwirrung“ (ebenda). Glogauer hält die Gruppe der Viel- und
Exzessivseher zweifellos für fernsehsüchtig. Er macht eine Fernsehsucht an sechs Kriterien fest:
1. Es besteht ein innerer Zwang, sich möglichst uneingeschränkt dem Fernsehen zuzuwenden.
2. Bestimmte Entzugserscheinungen wie Unruhe oder Verstimmungen treten auf, wenn kein
ferngesehen wird.
3. Die Fernsehdosis muss quantitativ und qualitativ gesteigert werden, um den gleichen
gefühlsmäßigen Zustand zu erreichen.
4. Fernsehen beherrscht das Freizeitverhalten so, dass der gesamte Lebens- und
Tagesrhythmus sowie die sozialen Kontakte davon betroffen sind.
5. Psychische Veränderungen und Störungen treten auf. Es kommt zu Realitätsverlust,
Angstphobien, Depressionen.
6. Gesundheitliche Schäden können die Folgen sein. Dazu gehören Übergewicht
152
,
Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Beschwerden (vgl. Glogauer 1998, S. 146f.).
Ein Beispiel hierfür sind die Eheleute Neumann, die den Fernseher abgeschafft haben, als ihnen
auffiel, dass ihr Baby zum „Störfaktor im Abendprogramm“ (Lakotta 1995, S. 135) wurde und es
pünktlich zum Spielfilm nicht mehr stören sollte. „Man macht sich und die Kinder zu Sklaven des
Geräts“ (Neumann zit. in: ebenda). Genauso verhält es sich mit Kindern, die ihren Tagesablauf der
Lieblingsserie anpassen (vgl. Götz 2002, S. 41):
„Zu Hause beeilen wir uns jetzt abends mit dem Essen, um Dragon Ball nicht zu
verpassen“ (Amelie, 9 Jahre).
152
Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie aus den USA (vgl. Kapitel 5.2.2. und
http://www.welt.de/daten/2001/05/06/0506med251687.htx (11.05.01)).
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 115
„Manchmal ist es mir zu stressig mit der Uhrzeit. Ich muss dann ja zu Hause sein, wenn es
anfängt“ (Sven, 13 Jahre).
Die Kinder versuchen rechtzeitig zu Sendebeginn mit ihren Aufgaben fertig zu sein oder kommen
gezielt vom Spielen nach Hause. Zum Teil kann das als Strukturhilfe des Tagesablaufs gesehen
werden, aber setzt die jungen Rezipienten auch unter Druck und lässt sie andere Aktivitäten
zurückstellen (vgl. Götz 2002, S. 41). Mit steigender Fernsehnutzung scheint die Kommunikation
in den Familien abzunehmen:
„Wo viel ferngesehen wird, da wird auch weniger geredet, da kommen seltener Probleme
zur Sprache, werden seltener Konflikte im Gespräch angegangen“ (Eurich 1980, S. 96).
Nach Ulrich Skambraks überlassen die Eltern ihre Kinder denen, die eigentlich kein Recht dazu
haben: Autoren und Regisseure „der Scheinwelt“ (Skambraks 1988, S. 236). Marie Winn ist der
Meinung, dass man lernen kann, den Fernseher mit starkem Willen zu beherrschen und sich nicht
davon einnehmen lassen sollte (vgl. Winn 1979, S. 307). Eltern müssten sich bewusst machen,
wie groß der Einfluss des Fernsehens auf das Familienleben ist. Es hat negative Auswirkung auf
die Mahlzeiten, Gespräche, Spiele und Rituale der Familie (vgl. Winn 1979, S. 306).
Kinder, die mit einer fernsehfreien Erziehung aufwachsen, werden aber oft als Außenseiter
eingeordnet und von Gleichaltrigen ausgeschlossen (vgl. Aufenanger 1994, S. 487). Bei den
Peergroups hat die Medienerfahrung mit dem Fernsehgerät und seinen Inhalten ohnehin eine
große Bedeutung. Den Serien und Fernsehhelden wird in den Spielen und Gesprächen der Kinder
eine zentrale Rolle zugedacht. Über das Fernsehen lässt sich auf dem Schulhof leicht
Kommunikation herstellen, in der Peersgroup finden sich dabei schnell Moden und Trends, die
aber auch gleichzeitig „unter Druck setzen, über das nötige Wissen zu verfügen“ (Götz 2002, S.
42). Auch im Unterricht sind TV-Ereignisse heutzutage häufig Thema (vgl. Lakotta 1995, S. 135).
„Bei uns in der Klasse reden sie nur noch vom Fernsehen“ (Christoph, 11 Jahre, zit. in: ebenda).
Er fühlt sich oft ausgeschlossen und hat den Eindruck, dass seine Mitschüler „ganz nebenbei
mehr Informationen aufschnappen als er“ (ebenda). Peinlich empfindet er es zudem, dass seine
Klassenkameraden glauben, seine Eltern könnten sich keinen Fernseher leisten. Aufenanger ist
der Meinung, dass die Kinder aus fernsehfreien Familien zur Unehrlichkeit gezwungen werden
und heimlich bei Freunden oder Nachbarn fernsehen (vgl. Aufenanger 1994, S. 487). Rogge warnt
vor striktem Fernsehverbot und den Folgen einer Außenseiterkindheit (vgl. Lakotta 1995, S. 135).
Laut Peter Sicking sollen die meisten fernsehsuchtgefährdeten Erwachsenen als Kinder niemals
fernsehen oder „der Fernseher wurde als Sanktionsgerät verwendet“
153
. Er ist der Meinung, dass
man Kindern das Fernsehen nicht rigoros verbieten, sondern selektiert und mit den Kindern
gemeinsam fernsehen sollte, da es wichtig ist, sofort Fragen der Kleinen beantworten zu
können
154
. Die Familien ohne Fernseher finden kreative Alternativen der Freizeitgestaltung und
sind glücklich mit ihrer Entscheidung. „Die Abende zwischen uns sind wieder brisanter geworden“
(zit. in: Lakotta 1995, S. 136). Sicking sieht das Fernsehen ohnehin nicht mehr als das Leitmedium der nächsten zehn Jahre, sondern das Internet und den Computer
153
154
155
vgl. http://www.welt.de/daten/2000/04/06/0406mm160901.htx (11.05.01)
vgl. ebenda
vgl. http://www.welt.de/daten/2000/04/06/0406mm160901.htx (11.05.01)
155
. Einigkeit herrscht
5. Fernsehen und Erziehung
Seite 116
darüber, dass kein Fernsehfilm und keine Fernsehserie in der Lage sind, das Gespräch und
Zusammensein mit Eltern oder Freunden zu ersetzen (vgl. Hövel van den1991, S. 187).
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
6.
Seite 117
Die Vorschulserie Sesamstrasse
Nachdem in den vorherigen Kapiteln u.a. das deutsche Kinderfernsehen, das Rezeptionsverhalten
und die aktuelle Situation auf dem Kinderfernsehmarkt dargestellt wurde, wird in diesem Kapitel
eine etablierte deutsche Vorschulserie genauer betrachtet: Die Sesamstrasse. Seit gut 30 Jahren
ist diese Sendung in Deutschland im Programm und wird erfolgreich auf dritten Programmen der
ARD und seit Gründung des Ki.Ka auch dort ausgestrahlt. Sie ist beliebt bei Eltern, Pädagogen
sowie bei den Kindern selbst. Doch was ist der pädagogische Anspruch dieser Sendung, und wie
kann sie als eine der wenigen Serien auf dem Kinderfernsehmarkt über einen so langen Zeitraum
erfolgreich sein? Im Folgenden werden der geschichtliche Hintergrund der Sendung und das
aktuelle Konzept dargestellt, die Marktförmigkeit veranschaulicht und die Qualität der Serie
analysiert. Entwicklung sowie die Perspektiven der Sesamstrasse werden aufgezeigt.
6.1. Geschichtlicher Hintergrund
Die Entstehung der Vorschulsendung Sesamstrasse ist eng verbunden mit den gesellschaftlichen
Ereignissen in den USA Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Daher werden in diesem
Kapitel die geschichtlichen Hintergründe in den USA dargestellt. Die Serie wurde Anfang der
1970er Jahre weltweit bekannt und in viele Länder verkauft. Auch die gesellschaftlichen Veränderungen sowie die Bildungsreformdiskussion in Deutschland, boten positive Voraussetzungen für die
Übernahme der Kindersendung. Aus der amerikanischen Vorschulserie Sesame Street wurde die
deutsche Version Sesamstrasse.
6.1.1. Die amerikanischen Wurzeln
Die vorherrschende soziale Ungerechtigkeit in den USA Anfang der 1960er Jahre speziell
gegenüber afroamerikanischen Staatsbürgern führt zur Gründung von Bürgerrechtsbewegungen
156
und der Forderung nach mehr Chancengleichheit unter der Bevölkerung. Es kam zu
Aufständen und Unruhen in fast allen Großstädten des Landes. Im Verlauf des Kalten Krieges
zwischen den USA und der Sowjetunion bestärkte die Bildungsdiskussion um den Sputnikschock
157
den Ruf nach einer Verbesserung der Ausbildung an amerikanischen Schulen. Zudem
kamen eine hohe Anzahl an `Schulversagern` sowie Analphabeten in der amerikanischen
Gesellschaft hinzu und es standen nur wenige Vorschuleinrichtungen zur Verfügung (vgl.
Arbeitsgruppe Sesamstrasse 1973b, S. 10). Besonders zeichnete sich eine Benachteiligung der
Kinder ab, die in sog. Slums
158
aufwachsen:
„Bei vergleichenden Untersuchungen zeigte sich, dass keine von neun Slumschulen auch
nur annähernd die Leseleistung des nationalen Durchschnittes erreichte, während alle
neun Schulen aus wohlhabenden Bezirken weit darüber lagen. Im Median zeigten die
Kinder der Slumschulen 3,2 Jahre Rückstand gegenüber den Schülern der anderen
Schulen. Im Vergleich zum nationalen Durchschnitt lagen sie 1,2 Jahre zurück“ (US
Department, Office of Education, Washington 1970, zit. in: Scherell 1980, S. 16f.).
156
z.B. SNCC, Black Muslims, Black Panther Party
1957 wurde von der UdSSR der Sputnik (erster künstlicher Satellit) in die Erdumlaufbahn gebracht. Ein Zeichen für den
fortgeschrittenen technischen Ausbildungsstandard in der Sowjetunion.
158
[engl.] “schmutzige Hintergasse”. Am Rande von Großstädten gelegene Wohngegenden, die von sozialen Minderheiten,
benachteiligten und ärmlichen Bevölkerungsgruppen bewohnt werden.
157
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 118
Eine intensivere Förderung sollte daher bereits im Vorschulalter und in allen Schichten der
Bevölkerung stattfinden (vgl. Paus-Haase 1998a, S. 201). Das sog. `Head-Start-Programm
159
`
sollte ab 1964 dazu beitragen, Bildungsrückstände aufzuholen sowie die Gesundheits- und
Ernährungsversorgung zu verbessern (vgl. Schaub 1995, S. 212).
„Die Head-Start-Zentren sind in Schulen, Gemeindehäusern, Kirchen und privaten
Gebäuden eingerichtet. Das Programm soll Kinder in Gruppen von mindestens 15
Teilnehmern durch ein breit gefächertes Curriculum auf die schulischen Anforderungen
vorbereiten, sie kulturell bereichern und ihren Familien die Integration in die Gemeinden
erleichtern“ (Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 136).
Latente Bildungsreserven sollten erschlossen werden und die Integration von Kindern aus sozial
schwachen Teilen der Bevölkerung in das kulturelle und politische System stand im Vordergrund
(vgl. Paus-Haase 1998a, S. 201). Iben bezeichnete dies als „eine Initiative im `Krieg gegen die
Armut`“ (Iben 1993, S. 58). Zudem begründeten die damals neu publizierten Forschungsergebnisse zur kindlichen Entwicklung, die kognitive sowie soziale Entwicklungsförderung von
allen Kindern, auf wissenschaftlicher Ebene (vgl. Kapitel 2.3.). Das Fernsehprogramm z.B. kann
demzufolge „kognitive Entwicklungen fördern, Möglichkeiten zum sozialen Lernen vermitteln,
Wissenslücken und […] Erziehungsdefizite bei Unterschichtkindern ausgleichen“ (Saldecki 1998,
160
S. 21). Unter dem Begriff `kompensatorische Erziehung
` wird diese Nutzbarkeit des Fernsehens
verstanden, die schon bei Vorschulkindern Entwicklungsrückstände ausgleichen soll. Ungefähr
96% der amerikanischen Familien besaßen zu dem Zeitpunkt einen Fernsehapparat und der
Fernsehkonsum der Kinder beträgt ca. 30-50 Stunden pro Woche (vgl. Arbeitsgruppe
Sesamstrasse 1973b, S. 10). Diese hohe Aufmerksamkeit der Kinder zum Medium Fernsehen soll
zur Vorschulförderung genutzt werden. Es soll eine entsprechende Fernsehserie in Zusammenhang mit dem `Head-Start-Programm` entwickelt werden, um die Vorschulförderung massenwirksam über das Bildschirmmedium zu betreiben (vgl. Schaub 1995, S. 212). Daraufhin konstituierte sich im März 1968 der Children`s Television Workshop
161
in New York mit der Fernseh-
journalistin Joan G. Cooney als Präsidentin (vgl. Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 138f.). In
Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Beirat wurde eine `Feasibility Study` erarbeitet, die
die anfallenden Personal- und Sachkosten kalkuliert sowie die Bedingungen und Möglichkeiten
einer Vorschulsendung erarbeitet (vgl. Paus-Haase 1998a, S. 204). Hierbei diente das Frühleseund Sprachtrainingsprogramm von Carl Bereiter und Siegried Engelmann aus dem Jahre 1966 als
Orientierungsgrundlage für das Konzept der daraus resultierenden Sendung Sesame Street (vgl.
Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 136). Der Name basiert auf dem Zauberspruch `Sesam,
öffne dich!` aus dem Märchen Ali Baba und die vierzig Räuber und soll auf die verborgenen
Möglichkeiten nach Chancengleichheit und Förderung der Begabungsreserven bei Kindern
hinweisen (vgl. Paus-Haase 1986, S. 39). Ein Lernzielkatalog des CTW fasste die Erkenntnisse
verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen zusammen. Die daraus resultierende Konzeption der Sesame Street wird von Scherell und Jacobi in zehn Punkten aufgegliedert (vgl. Scherell
1980, S. 20f.):
1. Das Material soll für Kinder aufgebaut sein und sie direkt und persönlich ansprechen.
159
head start = [engl.] Vorsprung
compensatory education
161
CTW, heute: Sesameworkshop (vgl. http://www.ctw.org/corporate namechange.php (21.08.02))
160
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 119
2. Die Kinder erinnern sich an Gesehenes, wenn es 4-5 Mal in der Stunde wiederholt wird.
Das wird von den Kindern nicht als langweilig empfunden.
3. Ein Wortreim in einer Fernsehsendung fasziniert die Kinder und sie merken sich den Inhalt
besser.
4. Cartoons halten die Aufmerksamkeit von Kindern aufrecht.
5. Die Aussage der Sendung sollte vordergründig zu verstehen sein. Die Aussage muss für
sich selbst sprechen und logisch aufgebaut sein.
6. Kinder verlieren das Interesse am Programm, wenn ein Erwachsener in Frontalaufnahme
zu ihnen spricht. Das gesprochene Wort können sie noch nicht kognitiv umsetzen.
7. Das Interesse der Kinder kann nur dann aufrechterhalten werden, wenn eine Person
spricht und gleichzeitig das Aufgeführte im Bild zu sehen ist.
8. Der Dialog der Protagonisten in der Sendung sollte wiederholt an den Zuschauer gerichtet
sein, sonst verlieren die Vorschüler das Interesse an dem Programm.
9. Eine fesselnde Melodie oder ein humorvolles Ende mögen die Vorschulkinder. Auch die
Art der Stimme und die sonstige Akustik sollten für die Kinder interessant gestaltet sein.
10. Das Material sollte wirklichkeitsnah sein, aber auch von Ungewöhnlichem und Neuheit
besetzt. Die Beiträge sollen immer wechseln und vom Inhalt sind für die Vorschüler z.B.
Tiere, kleine Kinder und Erwachsene wichtig, die eine freundliche und warme Ausstrahlung haben.
Cooney ist der Meinung, dass Vorschulkinder in der Lage sind, vom Fernsehen zu lernen. Der
Beweis dafür seien Werbespots, „von denen die Kinder fasziniert seien“ (Projektgruppe
Kinderfernsehen 1975, S. 139):
„Durch häufige Wiederholungen, kluge visuelle Präsentation, Kürze und Klarheit seien die
Kinder in der Lage, Werbeslogans zu wiederholen, Produktnamen zu erkennen und
Werbesongs zu singen.
Sei der Inhalt der Werbebotschaft auch fragwürdig, so sei doch eines erwiesen: `Durch
das Fernsehen können die Kinder etwas lernen und tun es auch im traditionellen
erzieherischen Sinn`“ (ebenda).
Formal orientiert sich die Sesamstrasse daher stark an der Präsentation von Werbung. Mit kurzen,
unterhaltsamen Beiträgen und Wiederholungen soll bei Kindern die Aufmerksamkeit und ein hoher
Lerneffekt erzielt werden
162
. Die kognitiven Lernziele stehen dabei im Vordergrund, wie etwa das
Alphabet, Zahlen, Wortschatz, Symbolverständnis, Wahrnehmung, Ordnen, logisches Denken u.ä.
(vgl. Iben 1993, S. 59). Das Hauptziel der Sendung ist: „Vieles in kurzer Zeit bei vielen zu
erreichen“ (Arbeitsgruppe Sesamstrasse 1973b, S. 10). Die Protagonisten sind sog. MuppetPuppen (vgl. Abb. 41), die in der Jim Henson Company
163
in New York entwickelt werden. Zudem
werden erwachsene Schauspieler eingesetzt, die freundliche, verständnisvolle, tolerante Vorbilder
verkörpern sollen und die die Leitfunktion in der Sendung übernehmen (vgl. Projektgruppe
Kinderfernsehen 1975, S. 142). Die Filmsequenzen werden gemischt aus kurzen Trickfilmen,
Real- und Puppenszenen (vgl. Kübler 1994b, S. 360).
162
vgl. http://www.ndrtv.de/start.html (20.05.01)
James Maury Henson, amerikanischer Puppenfilmproduzent, der u.a. die Muppet-Show und Fraggles erschuf (19361990).
163
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 120
„Außen- und Studioaufnahmen, Trickfilme, Puppenszenen und die Mittel der Werbung:
Kürze, Klarheit und Wiederholungen sollen eingesetzt werden, um ein breites Publikum zu
gewinnen“ (Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 140).
164
Nach ca. 15 Monaten Forschungs- und Erprobungsphase
wurde die Pilotsendung der Sesame
Street 1969 in allen Staaten der USA über das Bildungsfernsehen NET gesendet und erreichte
von 13 Millionen möglichen Kindern im Vorschulalter ganze 10 Millionen (vgl. Arbeitsgruppe
Sesamstrasse 1973b, S. 11).
Abbildung 41
Muppets der amerikanischen Sesame Street165
Um die Serie effizienter zu verbreiten, schloss sich CTW später dem Public Broadcasting Service
an und wird mittlerweile über kommerzielle Sender der USA ausgestrahlt (vgl. Paus-Haase 1998a,
S. 204). Die amerikanische Vorschulserie begeisterte im Herbst 1970 die Juroren und Kritiker
beim Münchner Prix Jeunesse und erreichte den ersten Preis (vgl. Projektgruppe Kinderfernsehen
1975, S. 37). Ein Jahr später gewann sie zudem den Japan Prize in Tokio. Nie zuvor hat ein
Kinderprogramm laut Saldecki international soviel Aufmerksamkeit geerntet (vgl. Saldecki 1998, S.
21)
166
. Bis zum Jahre 1975 wurde die Sendung in 50 Länder verkauft (vgl. Projektgruppe
Kinderfernsehen 1975, S. 153) und bis heute sogar in über 140 Ländern ausgestrahlt
167
(vgl. Tab.
9). Seit April 2002 hat die Sesame Street ein neues Format, das 45 Minuten das klassische
Programm bietet und danach zusätzlich 15 Minuten `Elmo`s World
168
`. Hier werden Rubriken
eingeführt, wie etwa `Die Zahl des Tages` oder `Der Buchstabe des Tages`, die zu einer
verstärkten Ritualisierung in der Sendung führen sollen (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Der
inhaltliche Schwerpunkt liegt weiterhin auf der Vermittlung kognitiver Lernziele (vgl. ebenda).
164
u.a. Testläufe an der Zielgruppe, Expertenbefragungen
vgl. http://www.wer-wie-was.de (22.09.02)
166
siehe auch Erlinger 1998, S. 597-617
167
vgl. http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/Medienzentrum/zmm-news/ (02.10.02)
168
Elmo ist ein Muppet-Monster
165
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Tabelle 9
Seite 121
169
Internationale Koproduktionen der Sesame Street (einige Beispiele)
Land
Brazilien
Mexiko
Kanada
Deutschland
Niederlande
Frankreich
Kuwait
Spanien
Schweden
Israel
Philippinen
Türkei
Portugal
Norwegen
Russland
Polen
China
Ägypten
Südafrika
Titel der Serie
Vila Sésamo
Plaza Sésamo
170
Sesame Street Canada
Sesame Park
Sesamstrasse
Sesamstraat
1, rue Sésame
Iftah Ya Simsim
Barrio Sésamo
171
(Barri Sèsam )
Svenska Sesam
Rechov Sumsum
Sesame!
Susam Sokagi
Rua Sésamo
Sesam Stasjon
Ulitsa Sezam
Ulica Sezamkowa
Zhima Jie
‘Alam Simsim
Takalani Sesame
Erste Ausstrahlung
Oktober 1972
November 1972
Januar 1973
Oktober 1996
Januar 1973
Januar 1976
April 1978
September 1979
Dezember 1979
(1996)
Oktober 1981
September 1983
Dezember 1983
Oktober 1989
November 1989
Februar 1991
Oktober 1996
Oktober 1996
Februar 1998
August 2000
Juli 2000
6.1.2. Sesame Street für Deutschland
Die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland waren in den 1970er Jahren geprägt von den
Studentenbewegungen, deren sozialpolitischen Konzepten und im Zuge der Zunahme erwerbstätiger und emanzipierter Frauen zudem von der Forderung nach einer moderneren und
verbesserten Kleinkindererziehung (vgl. Paus-Haase 1998a, S. 202; Gudjons 1995, S. 108). „Der
Begriff Chancengleichheit wird zum Schlagwort für die Bildungsreformvorhaben“ (Projektgruppe
Kinderfernsehen 1975, S. 11). Im Rahmen dieser Bildungsreformdiskussion wurde der international beachteten Sesame Street auch in Deutschland große Aufmerksamkeit geschenkt. Eine
mögliche Übernahme der Serie für das bundesdeutsche Fernsehen stieß auf positive Resonanz
(vgl. Schaub 1995, S. 212). Die amerikanischen Produzenten der Vorschulreihe erwarteten bei
einer Adaption der Sendung die Gewährleistung des pädagogischen Anliegens. Dazu wären ein
wissenschaftlicher Beirat, Begleituntersuchungen sowie die Bereitstellung von Begleitmaterialien
für Kinder, Eltern und Erzieher vonnöten (vgl. Iben 1993, S. 59). Sowohl ARD als auch das ZDF
verhandelten mit der CTW um die Rechte der Ausstrahlung und Bearbeitung einer deutschen
Fassung. Der NDR in Hamburg bekam schließlich den Zuschlag (vgl. Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 86). Auch die Bundesrepublik hatte Interesse an diesem Projekt und so
beteiligte sich das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW) im Mai 1971 mit rund
1,5 Millionen Euro
169
172
an der Übernahme der Vorschulserie (vgl. Paus-Haase 1998a, S. 202). Die
Vgl. Labin 2002.
Das war die Originalfassung der Sesame Street. Dahingegen ist Sesame Park die kanadisch Koproduktion, bei der die
kanadischen Teile der Serie in einem lokalen Sender produziert werden.
171
In der 5. Staffel im Jahr 1996 wird die spanische Koproduktion in zwei Segmente eingeteilt: Eine davon in katalanischer
Sprache (Barri Sèsam) für das Regionalfernsehprogramm.
172
damals 3 Millionen DM
170
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 122
Hauptgründe für die Förderung der Sendung in Deutschland waren u.a. (vgl. Arbeitsgruppe
Sesamstrasse 1973b, S. 14):
•
Die zunehmende Verbreitung des Fernsehens.
•
Das Interesse der Kinder am Fernsehen und der Mangel an bundesdeutschen
Vorschulsendungen.
•
Die zu geringe Anzahl von Kindergärten und Vorschuleinrichtungen.
•
Die
Absicht
vieler
Schulreformer,
möglichst
allen
Kindern
zumindest
ähnliche
Startmöglichkeiten für die Schule einzuräumen.
Aus einem Brief der damaligen Staatssekretärin im BMBW Hildegard Hamm-Brücher, ging hervor,
dass das Ministerium in der „bundesweiten Ausstrahlung [einen] bedeutsamen ersten Schritt“ (zit.
in: Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 87) sehe, um die Chancengleichheit der Vorschulkinder zu verbessern. Kritiker der Regierung behaupteten, dass das Fernsehen herhalten müsse,
„um `sitzengebliebene Reformen` zu kaschieren“ (ebenda, S. 90). Paus-Haase ist der Meinung,
dass hiermit das Kinderfernsehen vom „Sündenbock zum `Nothelfer` avancierte“ (Paus-Haase
1998a, S. 200). Schon im Frühjahr 1971 sendeten NDR, RB, SFB und WDR fünf Folgen der
Sesame Street versuchsweise in Originalfassung aus. Die Resonanz des Publikums war positiv
(vgl. Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 88), trotzdem sollte die Sesame Street u.a. noch
übertragen werden auf „bundesdeutsche Lebens- und Fernsehverhältnisse“ (Löhr 1991, S. 53).
Daher bildete sich die ARD-Arbeitsgemeinschaft `Vorschulerziehung`, die den Auf- und Ausbau
des Kleinkinderprogramms zum Ziel hatte. Sie bot außerdem ein Diskussionsforum für die
Planung und Produktion der Sendung. Im Januar 1973 wurde die deutsche Fassung der
Vorschulserie zum ersten Mal unter dem Namen Sesamstrasse im Ersten und den dritten
Programmen von NDR, RB, SFB, HR und WDR erfolgreich ausgestrahlt. Die südlichen ARDAnstalten BR, SDR, SWF und SR wollten zunächst abwarten. So wurde der in der damaligen
Bildungsreformdiskussion „allseits beklagte Kultur- und Bildungsföderalismus in der BRD […]
praktiziert“ (Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 88). Im Mai desselben Jahres übernahmen
SDR, SWF und SR die Serie doch in ihr Programm (vgl. ebenda, S. 89). Nur der Bayrische
Rundfunk weigerte sich mit der Begründung, dass sich die Vorschulreihe formal zu stark an der
Präsentation von Werbung orientiere und die soziale Situation in Deutschland nicht der
dargestellten entspräche
173
:
„Denn deutsche Kinder, so BR-Fernsehdirektor Helmut Oeller [damals], könnten sich mit
den `in der Sendung auftretenden Negern` nicht identifizieren“ (Keller 1999, S. 133).
KOMMENTAR
Der Bayrische Rundfunk wehrte sich hierbei eindeutig gegen eine Amerikanisierung des
deutschen Fernsehens und der Kultur. Die Anpassung der Sendung an die deutschen Lebensverhältnisse genügte dem BR bis dato nicht. Die Straße selbst zeigt in der Sendung einen sehr
realistischen Straßenzug, der an eine Slumsiedlung erinnert und dem Erfahrungshorizont der
amerikanischen Rezipienten weitestgehend entsprach. Die Protagonisten sind selbstverständlich
u.a. afroamerikanische Schauspieler, was aber den in Deutschland zuschauenden Kindern
definitiv nicht schadet und vielmehr ein multikulturelles Denken fördert. Kinder gehen ohnehin
173
vgl. http://www.ndrtv.de/start.html (20.05.01)
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 123
ganz unvoreingenommen und selbstverständlich an andere Menschen heran. Die Resonanz auf
die Sendung und Protagonisten sind daher sehr positiv (vgl. Projektgruppe Kinderfernsehen 1975,
S. 88). Seltsam erscheint, dass der BR sich gegen die Sesamstrasse entscheidet, die aber einige
Jahre zuvor vom Prix Jeunesse bejubelt und ausgezeichnet wurde. Diese Stiftung wurde 1964
gemeinsam vom BR, dem Freistaat Bayern sowie der Landeshauptstadt München gegründet,
welche auch einige Jurymitglieder stellen (vgl. Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 98f.). Laut
der Meinung der Projektgruppe Kinderfernsehen aus dem Jahr 1975, ist die bayrische Absage
„wohl eher damit zu begründen, dass der BR seinen Plan, die `Vorherrschaft` im Vorschulprogramm der ARD zu erlangen, gefährdet sah“ (Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 90).
Die deutsche Fassung der Vorschulserie ist eine Mischung aus synchronisierten amerikanischen
Originalszenen und deutschen Einspielfilmen. Im Gegensatz zu der amerikanischen Serie stehen
in der deutschen Fassung das soziale und emotionale Lernen im Vordergrund (vgl. Iben 1993, S.
59). Durch eigenproduzierte Realfilme werden Lebenssituationen von deutschen Kindern und
Erwachsenen dargestellt oder Sachfilme zur Wissensvermittlung präsentiert (vgl. ebenda).
Außerdem werden Ende der 70er Jahre eigene Puppen für die Studioszenen bei der Jim Henson
Company in Auftrag gegeben, die als Identifikationssymbole besser den deutschen Verhältnissen
angepasst scheinen. Dies sind u.a. Samson, der große Bär und Tiffy, der rosa Vogel. Sie führen
gemeinsam mit menschlichen Erwachsenen
174
durch die Sendung. Saldecki ist der Meinung, dass
die Sesamstrasse „neue Programmrealitäten, andere Sehgewohnheiten und Zuschauer“ (Saldecki
1998, S. 21) schafft. „Mit Sesamstrasse begann eine neue Ära im deutschen Kinderprogramm“, so
Mundzeck (1991, S. 30).
6.2. Struktur und Konzept der Sesamstrasse heute
Die Sesamstrasse ist ein dreißigminütiges Vorschulmagazin das sich nach der „Erlebniswelt,
den Bedürfnissen, Fähigkeiten und Wünschen“ (Bergwelt 2002, S. 1) der Drei- bis Sechsjährigen
richtet. Jede Folge besteht aus je der Hälfte des Materials aus synchronisierten Einspielfilmen
des amerikanischen Originals und die andere Hälfte stammt aus deutscher Eigenproduktion
175
.
„Die 50% amerikanische Anteile der Sendungen bestehen zur Hälfte aus […] neuen amerikanischen Spots und zur Hälfte aus alten amerikanischen Klassikern.
Genauso ist es im deutschen Bereich. Weil wir am 08.01.2003 bereits dreißig Jahre
Sesamstrasse produzieren, bedeutet das, dass wir mittlerweile viele deutsche Klassiker im
Archiv haben und senden können. Natürlich müssen wir dabei auf die Zeitlosigkeit der
Stücke achten“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Die einzelnen Sequenzen dauern jeweils nicht länger als fünf Minuten (vgl. Bergwelt 2002, S. 3).
Die Sendung gliedert sich in zwei Teile:
-
Rahmengeschichten (Studioszenen in der Straße)
-
Einspieler aus verschiedenen Genres (u.a. Muppetsketche, Realfilme, Bildergeschichten,
Animation)
174
Das waren u.a. bekannte deutsche Schauspieler wie Liselotte Pulver oder Manfred Krug.
vgl. http://rhein-zeitung.de/on/02/01/28/magazin/news/sesamstrasse.
html (04.03.02)
175
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 124
Die Puppensketche der Magazinsendung sind entweder Einspieler aus den USA, z.B. mit Ernie
und Bert (vgl. Abb. 42) oder Kermit, aber es werden auch eigene Puppensketche verwendet mit
z.B. Pferd und Wolle (vgl. Bergwelt 2002, S. 3).
Abbildung 42
Ernie und Bert176
Bei den Realfilmen, Trickfilmen und Bildergeschichten, gibt es entweder fertiges Material aus
Amerika oder eigenproduzierte Einspieler. Die Studioszenen bildet die sog. Rahmengeschichte,
sie wird mit den Protagonisten der deutschen Sendung im Studio Hamburg gedreht, wie z.B.
Samson, Tiffy, Finchen, Rumpel und den menschlichen Darstellern. Der inhaltliche Aufbau der
Sendung wird seit dem Jahr 2000 monothematisch gestaltet. Laut Schmidt-Bratzel führte der
frühere assoziative Ablauf dazu, „dass man sich in der Sendung nicht mehr zurecht gefunden hat“
(Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Daher wurde das Konzept neu überdacht und neben der
Monothematik eine neue Geschichtenstruktur geschaffen.
„Wir setzen heute auf die Zuordnung der Sendungen zu verschiedenen Themenblöcke:
Kinder und Kunst, Farben, Emotionen usw. […] Davon verspreche ich mir, dass man
bestimmte Themenschwerpunkte bedient, tiefer eintauchen kann und eine Sendewillkür
vermeidet. Der Zuschauer kann sich gezielt heraussuchen, was ihn interessiert“ (SchmidtBratzel 2002, Interview).
Als Bezugspersonen für die Rezipienten werden zudem neue Protagonisten eingesetzt, die
lebensfrohe und positive Charaktere haben, wie etwa Feli Filu und der Zauberer Pepe
177
. Der
ursprünglich kompensatorische Charakter der Sendung wird bewahrt (vgl. Iben 1993, S. 60).
Hierbei hilft die Dekonstruktion bei der Lernwahrscheinlichkeit, etwa von Buchstaben oder
Zahlen (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Das Thema wird dabei reduziert und regelmäßig
wiederholt, was u.a. auch komödiantisch wirken kann und soll (vgl. ebenda).
„Wiederholungen sind erwünscht, zum einen, weil sie den Lerneffekt vertiefen, zum
anderen, weil an vielen Stellen durch Wiederholungen auch Comedy erreicht wird“
(ebenda).
Um mehr Comedy zu erreichen, gibt es seit 2002 Pferd und Wolle, die für klassische
Slapstickeinlagen sorgen. Der Schwerpunkt der Sesamstrasse liegt aber im Vermitteln von
sozialem Verhalten, Kreativität und Selbstbewusstsein
176
178
.
vgl. http://www.db.ard.de/abc/CONTENT.ergebnis?p_id=877&p _typ=eg (21.08.02)
vgl.http://rhein-zeitung.de/on/02/01/28/magazin/news/sesamstrasse. html (04.03.02)
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/index.html (14.10.02)
177
178
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 125
„Wir haben einen sog. Lernzielkatalog, den wir jedes Jahr aktualisieren. Dort sind
kognitive, emotionale und soziale Lernziele beschrieben. Wir achten streng darauf, dass
ein Thema konsequent durchgeführt und altersgerecht umgesetzt wird.
Einen besonderen Schwerpunkt legen wir auf das soziale Lernen, wie z.B. emotionale
Verarbeitungskurven oder Konfliktlösungen“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Die Sendekonzepte werden mitsamt dem Lernzielkatalog regelmäßig der Lebenswelt der jungen
Rezipienten angepasst und ergänzt
179
.
„Ein Programm wie die Sesamstrasse über Jahrzehnte nicht nur am Leben zu erhalten,
sondern weiterzuentwickeln und immer wieder kritisch zu hinterfragen, verlangt genaue
Beobachtung und Analyse kindlicher Bedürfnisse und gesellschaftlicher Entwicklungen –
180
dieser Aufgabe hat sich der NDR kontinuierlich gestellt“ .
So ist z.B. auch der Computer in der deutschen Vorschulsendung integriert, der von Tiffy
bevorzugt zur Recherche im Internet genutzt wird
Abbildung 43
181
(vgl. Abb. 43).
Tiffy am PC182
Samson hingegen liebt Wortspielereien, was sich in seiner Vorliebe für das Rappen widerspiegelt
(vgl. Bergwelt 2002, S. 9). Dieser rhythmische Sprechgesang der Jugendkultur Hip Hop spiegelt
den Zeitgeist wieder. Auch in anderen Ländern will die Serie der Kultur sowie dem
gesellschaftlichen Umfeld der Kinder gerecht werden und sog. Problemthemen ansprechen. In
den Ausstrahlungen z.B. für Mexiko oder Ecuador werden Überlebensstrategien gezeigt, die bei
Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüchen, Wirbelstürmen oder Erdbeben wichtig sein können (vgl.
Gangloff 1994, S. 12).
„Heute konfrontiert Monsterchen Elmo nach dem 11. September 2001 verstörte Kinder in
den USA mit dem Terrortrauma, während muslimische Mädchen in Ägypten die
183
Bedeutung einer guten Schulausbildung verklickert wird“.
Seit 1998 gibt es die Sesamstrasse sogar als israelisch / palästinensische Koproduktion, um den
dortigen Vorschulkindern Toleranz und gegenseitigen Respekt beizubringen
184
. Ab Herbst 2002
wird in Südafrika aufgrund der hohen AIDS-Erkrankungen die eigens entwickelte Muppet-Puppe
179
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/geschichte.html (04.03.02)
http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/sendung.html (04.03.02)
181
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/geschichte.html (04.03.02)
182
vgl. http://www.blinde-kuh.de/interviews/tiffy.html(08.10.02)
183
vgl. http://www.aids-presseschau.de/html/se2_10_02.html (02.10.02)
184
vgl. http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/Medienzentrum/zmm-news/ (02.10.02)
180
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 126
Kami eingesetzt, die HIV positiv ist und Aufklärung in Bezug auf den tödlichen Virus betreiben soll
(vgl. Braunschweiger Zeitung vom 13.07.02).
KOMMENTAR
Obwohl die Sendung von der amerikanischen Kultur inspiriert ist, wird darauf Wert gelegt, dass
jede Sendung das eigene landesspezifische Gesicht bekommt. In verschiedenen Kulturen
wachsen die Kinder mit unterschiedlichen Lebens- und Erlebniswelten auf, also auch mit anderen
Problemen und Anforderungen an ihr Leben. Diese sind für die jungen Rezipienten entscheidend
und werden in der Entwicklung der Sendung berücksichtigt. Die HIV-positive Puppe in Südafrika
beispielsweise kann hilfreich sein für die zukünftige Lebensgestaltung der Kinder. In keinem Land
der Welt sind die Aidserkrankungen so hoch – jeder neunte Südafrikaner ist mit dem Virus
infiziert
185
. Im Jahr 2000 sind 40% der Todesfälle in Südafrika auf Aids zurückzuführen
186
. Jedes
der Kinder kennt zumindest eine Person, die HIV positiv ist. Viele der Kinder haben Eltern,
Geschwister oder Bekannte durch den Virus verloren
187
. Nur durch frühe Aufklärung kann
dagegen angekämpft werden. Die neue Puppe Kami ist lebensfroh, witzig und selbstbewusst. Die
Immunschwächekrankheit ist bei ihr noch nicht ausgebrochen und so lebt sie mit den anderen
Protagonisten ganz selbstverständlich gemeinsam in der Straße. Sie soll in der südafrikanischen
Gesellschaft eine höhere Akzeptanz der HIV-Positiven erreichen und eine Stigmatisierung verhindern. Vor allem unter den Heranwachsenden soll Kami Aufklärung schaffen in Bezug auf HIV,
den Ansteckungswegen und dem natürlichen Umgang mit den Virusinfizierten.
6.2.1. Philosophie der Sendung
Die Welt der Sesamstrasse zeigt eine geschlossene, fantasievolle und magische Realität (vgl.
Bergwelt 2002, S. 3). Es ist alles möglich, „was aus einem kreativen Chaos entstehen kann“
(Bergwelt 2002, S. 4). Voraussetzung hierbei ist:
•
Die Einheit von Raum und Zeit bleibt gewahrt
•
Die Charaktere und ihre Motivationen sind ihrem Typen entsprechend (verlässlich und für
den Rezipienten nachvollziehbar)
•
Die Logik der Geschichte ist nachvollziehbar und in sich schlüssig
Die Sesamstrasse nimmt eine offene, optimistische, selbstbewusste und von Vorurteilen und
Gewalt freie Haltung gegenüber der Erlebniswelt von Kindern ein. Dazu gehören:
„1. Eine tolerante Haltung gegenüber anderen Kulturen und Menschen, egal, welcher
Herkunft und Erscheinung.
2. Die Vermittlung von physisch und emotional sicheren Situationen.
3. Eine bekennend gewaltfreie und verantwortungsbewusste Haltung gegenüber sich
selbst und seiner Umwelt.“ (Bergwelt 2002, S. 2).
Diese Haltung der Sesamstrasse soll „durch positive Beispiele im selbstverständlichen Umgang
miteinander“ (ebenda) veranschaulicht werden. Markenzeichen der Sendung sind die Monster
188
,
die als Identifikationsfiguren der rezipierenden Kinder dienen und die mit den Menschen und
185
vgl. http//www.mdr.de/brisant/327946.html (02.10.02)
vgl. http://morgenpost.berlin1.de (13.07.02)
187
vgl. http//www.mdr.de/brisant/327946.html (02.10.02)
188
Muppet-Puppen
186
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 127
menschliche Fantasiefiguren nebeneinander in der Sesamstrasse leben (vgl. Bergwelt 2002, S. 1
u. 3). Sie kommen auch zum Einsatz in den Einspielfilmen, die in der Sendung ausgestrahlt
werden. Die Ziele, die die Figuren bewegen, begleiten und lenken sind (vgl. Bergwelt 2002, S.
A8f.):
•
Ich-Identität (Entwicklung von Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit und Vertrauen in die
eigene Stärke)
•
Gleichwertige männliche und weibliche Rollendarstellung (Akzeptanz des eigenen
Geschlechts, sowie Achtung und Respekt vor dem jeweils anderen)
•
Interkulturelles Verständnis (Verständnis für die Unterschiede der Lebensweisen von
Menschen unterschiedlicher Herkunft und selbstverständliche Akzeptanz)
•
Schwächen und Behinderungen akzeptieren (und lernen mit ihnen umzugehen, bzw.
an beeinflussbaren Schwächen zu arbeiten)
•
Konflikte lösungsorientiert erzählen (Zeigen, dass Konfliktlösungen alters- und
entwicklungsabhängig sind und man sich trotz verschiedener Standpunkte und Haltungen
mögen und respektieren kann)
•
Positiv erzählen (Zeigen, wie negatives Denken schwächt und positives Denken dagegen
Kreativität fördert und Menschen ermutigt)
•
Atmosphäre von Sicherheit und Vertrauen (Veranschaulichen, wie emotionale
Zuwendung hilft, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen)
•
Positives Körpergefühl (Für die Entwicklung eines Kindes ist geistige und körperliche
Bewegung gleichermaßen wichtig)
•
Umweltbewusstsein (Auf positive Beispiele des Naturschutzes aufmerksam zu machen)
•
Gesundheitsbewusstsein (Zeigen, dass z.B. Ernährung oder Bewegung wichtig für das
eigene Wohlbefinden sind)
•
Unterschiedliche Familienformen berücksichtigen (z.B. Alleinerziehende Elternteile,
gleichgeschlechtliche Paare, Patchworkfamilien)
•
Verständnis und Respekt für ältere Menschen
•
Umgang mit Medien und Technik (Durch die Beschäftigung mit dieser Thematik
erfahren Kinder, dass es unterschiedliche Formen von Kommunikation gibt; nämlich die
unmittelbare von Mensch zu Mensch und die vermittelte mit Hilfe eines Mediums)
•
Autorität hinterfragen (Vorgegebenes nicht einfach hinnehmen, sondern hinterfragen)
Comedy steht neben bzw. in edukativen Lerninhalten. „Sesamstrasse ist Edutainment
best`” (Bergwelt 2002, S. 3). Die neuen Comedy-Figuren Pferd und Wolle
190
189
`at it`s
stehen für Slapstick
und Pointen im klassischen Sinne (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Der besondere ComedyStil der Sendung wird durch Reduzierung und Wiederholung erzielt (vgl. Bergwelt 2002, S. 1).
Zudem soll dadurch auch der Lerneffekt wahrscheinlicher werden (vgl. Schmidt-Bratzel 2002,
Interview).
„Wir haben also versucht, Komplexität herauszunehmen, um nicht nur die schöne
Geschichte zu erzählen, sondern gleichzeitig auch den Lerneffekt zu verbessern“
(ebenda).
189
190
Mischung aus Education und Entertainment (lehrreich und unterhaltsam)
vgl. Kapitel 6.2.2.
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 128
Inhalte und Ziele der Sesamstrasse sollen sich grundsätzlich durch die Geschichten selbst
vermitteln, nicht durch bloße Situationsbeschreibungen (vgl. Bergwelt 2002, S. 2). Die
Handlungsebene wird generell nicht auf einen Erwachsenen verlagert, „der erklärend handelt oder
lösend eingreift“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview), sondern die Entwicklung der Geschichte wird
auf der Ebene der Kinder gezeigt. Die Geschichten und Beiträge der Sendung erzählen „vom
Miteinander-Umgehen, vom Aneinander-Wachsen, vom Füreinander-Dasein, vom Entdecken der
Welt und vom Spaß am Chaos“ (Bergwelt 2002, S. 3). Schmidt-Bratzel erklärt, dass die
Philosophie der Sendung im kindlichen Hinterfragen von Informationen besteht. Für sie heißt das,
dass in der Welt der Sesamstrasse Fragen gestellt werden: „[…] verrückte Fragen stellen, freche
Fragen stellen. Fantasie und Wirklichkeit gehören zusammen“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Im Eröffnungslied der Sendung wird dies zusätzlich ausgedrückt:
„Der, die, das. Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt bleibt dumm.
Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen. Manchmal muss man fragen, um sie
191
zu verstehen.“
Dieses Grundprinzip fließt in alle Beiträge mit ein (Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Die
Sesamstrasse soll als Ort in dem Magazin und als Haltung deutlich werden.
6.2.2. Protagonisten
Die Protagonisten in den Studioszenen
192
der Sesamstrasse sind Monster, Menschen und
menschlichen Fantasiefiguren. In den Einspielfilmen kommen noch Protagonisten aus Trick- oder
Realfilmen hinzu. Bei den Studioszenen, die im Studio Hamburg gedreht werden, sind
Gastauftritte von Schauspielern oder anderen Muppetfiguren, z.B. aus den USA möglich (vgl.
Bergwelt 2002, S. 6). In den amerikanischen Einspielfilmen, die in der deutschen Sesamstrasse
eingesetzt werden, gibt es noch mehr Monster. Dies sind u.a. Grobi, das Krümelmonster, Graf
Zahl oder Kermit, der Frosch. Sie sind bei den deutschen Kindern genauso bekannt wie in
Amerika. Im Folgenden werden jedoch nur die Protagonisten vorgestellt, die in der
Rahmengeschichte, also den deutschen Studioszenen, kontinuierlich präsent sind.
DIE MONSTER
Die Monster sind das Markenzeichen der Sendung und gelten für die Rezipienten als
Identifikationsfiguren (vgl. Bergwelt 2002, S. 5). Jede der Puppen besitzt einen archetypischen
Charakter, der für Kinder wiedererkennbar und leicht einschätzbar ist.
Samson
(vgl. Bergwelt 2002, S. 9):
Er ist ein Bär und entspricht dem Charakter eines Fünfjährigen (vgl. Abb. 44). Samson ist
neugierig, gutmütig und fast ein bisschen zu naiv. Er ist musikalisch und erfindet gern
Wortspielereien sowie Klangmalereien. Daher gehört das Rappen zu seinem Lebensgefühl.
Samson ist in seiner Art sehr gemütlich und vorsichtig. Seine Erscheinung ist groß und er ist stark,
aber das ist ihm selbst nicht bewusst. Er unterschätzt seine eigene Kraft sowie sein Körpergewicht
191 vgl. http://www-user.rhrk.uni-kl.de/~einsfeld/projekt.html (23.06.02)
192 Rahmengeschichten der Sendung
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 129
meist. Seine Bewegungen wirken daher ungelenk und behäbig. Gespielt wird Samson als einzige
Ganzkörperpuppe der Sendung von dem Opernsänger Klaus Esch
Abbildung 44
193
.
Samson194
Finchen
(vgl. Bergwelt 2002, S. 7f.):
Sie ist eine Schnecke und ungefähr drei Jahre alt (vgl. Abb. 45). Finchen ist sensibel, fantasievoll,
wissbegierig und selbstbewusst.
Abbildung 45
Finchen195
Sie ist sehr zielstrebig und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann lässt sie sich davon
auch nicht abbringen. Sie liebt Laub und wohnt daher in einem Laubhaufen in der Sesamstrasse.
Das ist ihr Lieblingsplatz. Finchen hat ihrem Alter entsprechend die Fähigkeit, die Realität magisch
zu sehen und erlebt daher viele fantastische Geschichten. Für sie sind diese Geschichten immer
wahrhaftig. Mit Ausnahme von Samson, stehen die anderen Muppets und Menschen in der
Sesamstrasse ihren Geschichten skeptisch gegenüber. Doch Finchen lässt sich dadurch nicht
beirren. Sie wird von der Puppenspielerin Andrea Bongers gespielt
196
.
Tiffy
(vgl. Bergwelt 2002, S. 11):
Sie ist ein Vogel und entspricht dem Charakter einer Sechsjährigen (vgl. Abb. 46). Tiffy ist
neugierig, optimistisch, ungeduldig, begeisterungsfähig und versucht immer, alles gleichzeitig zu
machen. Sie ist selbstbewusst und benimmt sich manchmal unbedarft überheblich. Sie provoziert
hin und wieder durch ihre Lebendigkeit und wirkt dann überdreht. Sie lernt gern – vor allem Zahlen
193
vgl. ebenda
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
195
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
196
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
194
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 130
und Buchstaben – und ist an technischen Dingen interessiert. Daher besitzt sie auch einen
Computer und weiß damit umzugehen.
Abbildung 46
Tiffy197
Sie geht jedes Problem mit Begeisterung an und hat Spaß daran, sich Lösungswege auszudenken. Dabei ist es ihr egal, ob sie zum gewünschten Ziel führen. Ihr Motto ist: Der Weg ist das
Ziel und er muss Spaß machen. Sabine Falkenberg spielt u.a. den Part der Tiffy
198
.
Feli Filu
(vgl. Bergwelt 2002, S. 10):
Das Monstermädchen Feli Filu (vgl. Abb. 47) bewohnt ein buntes Haus neben Pepe und ist
ungefähr so alt wie ihre Freundin Tiffy. Feli Filu ist aufgeweckt, kreativ, selbstbewusst und
neugierig, aber auch mitfühlend und verständnisvoll. Ihre Lebenseinstellung ist grundsätzlich
positiv, sie ist allem gegenüber unbefangen und direkt. Gern umarmt sie auch andere Lebewesen.
Abbildung 47
Feli Filu199
Feli Filu ist besonders neugierig auf fremde Sprachen und findet immer einen Weg der
Verständigung. Sie ist lernbegierig und hat besonders viel Interesse am Lernen von Worten und
Liedern aus anderen Ländern. Ihre Problemlösung ist pragmatisch und für sie ist die schnelle
Lösungsfindung wichtig. Darin unterscheidet sie sich von ihrer besten Freundin Tiffy. Feli Filu wird
von der gleichen Puppenspielerin wie Finchen und Gustav gespielt, daher können die drei Figuren
z.Zt. nicht gemeinsam auftreten. Ab November 2002 ist sie als Reporterin unterwegs und befragt
Prominente und Kinder
197
200
.
vgl. http://www.blinde-kuh.de/interviews/tiffy.html(08.10.02)
ebenda
199
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
200
vgl. ebenda.
198
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 131
Rumpel
(vgl. Bergwelt 2002, S. 12f.):
201
Er ist ein Grautsch
und der Vetter von Oskar
202
. Sein Alter ist nicht schätzbar, erwachsen ist er
aber noch nicht. Rumpel hat eine aufmüpfige, anarchische Art und stellt sich gern gegen die
Meinung der anderen, will damit aber niemandem schaden (vgl. Abb. 48).
Abbildung 48
Rumpel203
Er wohnt in seiner Tonne, die er nur selten verlässt und in der er Unmengen an `grautschigem
Krempel` sammelt. Das sind kaputte Gegenstände, mit denen andere nichts mehr anfangen
können, wie etwa ein durchlöcherter Schuh, ein kaputter Regenschirm oder eine alte Radkappe.
Rumpel liebt diese Art von Müll, genauso wie Gestank und schlechte Laune. Am Liebsten mag er
sein Haustier Gustav, eine Raupe. Er ist sein bester Freund, den er fürsorglich behandelt: z.B.
Geschichten erzählt oder etwas vorsingt. Im Umgang mit ihm sieht man seine starke Emotionalität.
Geprägt von seiner Grautsch-Herkunft zeigt er diese gutmütige Seite aber ungern den anderen
Bewohnern der Sesamstrasse. Sein größter Wunsch ist es, einen echten Schlammregen zu
erleben und seine Lieblingsredewendungen sind „rattabumbäng!“, „scheußlich schön“ oder
„ekelhaft klasse“. Rumpel wird von dem Schauspieler Joachim Hall gespielt
204
.
Pferd und Wolle
(vgl. Bergwelt 2002, S. 15f.):
Pferd und Wolle, das Schaf, sorgen seit April 2002 vor allem für Spaß und Situationskomik
205
in
der Sesamstrasse. Sie sind humorvoll, sympathisch, liebenswert, aber etwas einfältig. Sie sind die
besten Freunde und erleben gemeinsam ihre Abenteuer. Pferd ist gemütlich, extrem verfressen
und knabbert alles an, auch, wenn es nicht genießbar ist (vgl. Abb. 49). Er strahlt positive Energie
aus und gibt durchaus einige Lebensweisheiten von sich, denen er sich aber meist selbst kaum
bewusst ist. Pferd kommentiert alles mit einem „Jou“ und ist ziemlich vergesslich. Er lebt in einem
Gatter in der Sesamstrasse. Der Puppenspieler Carsten Haffke spielt die Rolle von Pferd. Wolle
wirkt etwas pfiffiger als Pferd, tut allerdings meist nur so (vgl. Abb. 50). Er ist lebensfroh und davon
überzeugt, dass für alles eine Lösung zu finden ist. Wolle ist etwas hektisch und schnell
201
eingedeutscht vom englischen `grouch` (Griesgram)
Oskar (aus der Mülltonne) war zu Beginn der deutschen Staffeln in den 70er Jahren der Grautsch und ist weiterhin in
der amerikanischen Serie zu sehen.
203
vgl. http://www.rumpelonline.de (23.06.02)
204
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
205
Beide sind in Deutschland für das neue Comedy-Konzept entworfen worden und in den USA bei der Jim Henson
Company hergestellt.
202
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 132
begeisterungsfähig. Daher reagiert er oft überschwänglich. Wolle kommentiert alles mit einem
„Aha“, bevor er darüber nachdenkt.
Abbildung 49
Pferd206
Sein bester Freund Pferd, bringt ihn durch seine entgegengesetzte ruhige Art oft zur Verzweiflung.
Martin Paas spielt Wolle
Abbildung 50
207
.
Wolle208
Gastmuppets
(vgl. Bergwelt 2002, S. 19f.):
Gastmuppets sind Charaktere neben den feststehenden deutschen Protagonisten, die vom
Sesameworkshop
209
in den USA ausgeliehen werden können und gelegentlich in die Rahmen-
handlungen der Geschichte eingefügt werden. Das können Puppen sein, wie Schmetterlinge oder
Rumpel`s Vetter Oskar mit seiner Freundin Grieshilde (vgl. Abb. 51) oder auch ein anderes
Monster der amerikanischen Serie.
Abbildung 51
206
Grieshilde und Oskar aus Amerika210
vgl. ebenda
vgl. ebenda
208
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
209
ehemals: Children`s Television Workshop (CTW)
210
vgl. http://www.rumpelonline.de (23.06.02)
207
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 133
In der Staffel für das Jahr 2003 werden z.B. Ernie und Bert den Figuren der deutschen
Sesamstrasse einen Besuch abstatten.
DIE MENSCHEN
Die realen Schauspieler stehen für die Welt der Erwachsenen, die aber nicht als allwissende und
unantastbare Autoritäten dargestellt werden (vgl. Bergwelt 2002, S. 5). Sie stehen mit den
Monstern auf einer Ebene und sie können jeweils freundschaftlich und partnerschaftlich von den
anderen lernen. Die Erwachsenen geben zwar mal Ratschläge, aber belehren die Monster nicht
und nehmen sie ernst. Die Problemlösung liegt immer bei den Monstern selbst und sie wenden
sich erst mit Fragen an die Menschen, wenn sie einige Lösungsmöglichkeiten selbst ausprobiert
haben (vgl. ebenda). Die Erwachsenen machen auch Fehler oder wissen in einigen Situationen
nicht weiter, wobei die Sicht der Monster ihnen oft hilft, auf überraschende Lösungen zu kommen.
Monster und Menschen leben und lernen in der Sesamstrasse nebeneinander und voneinander,
sie „sind Partner, Freunde, die sich aufeinander verlassen können“ (Bergwelt 2002, S. 5). Fest in
der Sesamstrasse etabliert als Erwachsene sind Caro und Nils, die unten vorgestellt werden.
Zudem gibt es von Zeit zu Zeit noch andere Menschen in der Straße, wie z.B. eine selbstbewusste Hotelbesitzerin oder ein türkisches Mädchen (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Nils und Caro
(vgl. Bergwelt 2002, S. 17):
Nils und Caro leben in einer modernen, harmonischen Beziehung, in der Gefühle gezeigt und
Spannungen lösungsorientiert durchlebt werden (vgl. Abb. 52).
Abbildung 52
Nils und Caro mit Tiffy211
Sie führen gemeinsam einen Gemüseladen und sind gleichberechtigt. Sie sind unkompliziert und
natürlich im Umgang miteinander und mit den Monstern. Nils ist ein kumpelhafter Typ und geht
strukturiert an Dinge und Probleme heran. Caro hingegen ist spontaner und probiert mehr intuitiv
aus, um zu einer Lösung zu finden. Zeitweise passen sie auf das Baby von Caro`s Schwester auf.
Gespielt werden die beiden von Miriam Krause und Nils Julius
212
.
DIE MENSCHLICHEN FANTASIEFIGUREN
Zauberer Pepe ist die menschliche Fantasiefigur in der Sesamstrasse, die fest zum deutschen
Ensemble des Studios Hamburg gehört. Zudem gibt es gelegentlich prominente Gastschauspieler
in der Sendung, die unterschiedliche Fantasiefiguren darstellen.
211
212
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/schauspieler.html (04.03.02)
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 134
Pepe
(vgl. Bergwelt 2002, S. 18):
Pepe ist eine menschliche Fantasiefigur (vgl. Abb. 53) und bewohnt seit April 2001 als Zauberer
ein Haus in der Sesamstrasse.
Abbildung 53
Zauberer Pepe213
Er ist lebensfroh, grundlegend optimistisch und sehr experimentierfreudig. Mit seiner fröhlichen Art
steckt er die anderen an. Pepe liebt P-Wörter wie etwa Pampelmuse oder Pilzpüree und erfindet
damit neue Zaubersprüche. Sein Lieblingswort ist „pompös“, das er ständig für Wortspielereien
nutzt, wie z.B. „pompös grandiös“ oder „pompös sensationös“. Wenn er versucht zu zaubern,
gelingt es ihm aber nicht auf Anhieb. Pepe gibt trotzdem nie auf, bis er sein Ziel erreicht hat
214
. Er
lässt sich durch Misserfolge nicht entmutigen. Sein unerschöpfliches Bemühen, auch wenn mal
etwas nicht so läuft, wie er es sich gewünscht hatte, soll Kindern Mut geben und erfüllt eine
positive Vorbildfunktion (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Gespielt wird Pepe von dem Kölner
Schauspieler Dirk Bach.
Prominente Gäste
(vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview):
Mehrere Prominente haben in der Sesamstrasse eine Gastrolle angenommen und in den
Fantastischen Geschichten menschliche Fantasiefiguren verkörpert. Diese Figuren sind allesamt
mit Prominenten besetzt worden, die ihre Gage der UNICEF gespendet haben. So hat z.B. Esther
215
Schweins die Hexe Mümü
gespielt (vgl. Abb. 54). In weiteren Gastauftritten spielen Hape
Kerkeling als Zwillinge, Mariele Millowitsch als Fee Alfea, Jürgen Vogel als Schutzengel und
Markus Maria Profitlich als Flaschengeist
216
. Martin Armknecht stellt Prinz Panik dar, der Angst vor
Pferden hat. Andere prominente Mitwirkende sind Axel Milberg, Thomas Heinze und Suzanne von
Borsody. Frau Schmidt-Bratzel ist der Meinung, dass „mit so hochkarätigen Schauspielern […]
notgedrungen gutes Programm für Kinder“ (Interview) entsteht. In der Staffel für das Jahr 2003 soll
diese Reihe mit Prominenten fortgeführt werden
213
217
.
vgl. http://www.br-online.de/jugend/izi/text/rogge15_1.htm (02.11.02)
vgl. http://www.ndr.de/ndr/derndr/presse/archiv/200102262.html (10.07.02)
215
vgl. http://www.das-erste.de/kinder/sesamstrasse/ (23.06.02)
216
vgl. http://www.liljan98.de/mmws/news/01a.html (12.10.02)
217
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/index.html (14.10.02)
214
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Abbildung 54
Seite 135
Schauspielerin Esther Schweins als Mümü218
6.2.3. Rahmengeschichten
Die Rahmengeschichten der Magazinsendung werden im Studio Hamburg gedreht und daher
auch als Studioszenen bezeichnet. Auftragsproduzent ist das Studio Hamburg und fünf bis sechs
freie Autoren sind dort ständig für das Schreiben der Geschichten engagiert (vgl. Schmidt-Bratzel
2002, Interview). Diese richten sich nach den Vorgaben und dem Lernzielkatalog der Redaktion
Sesamstrasse. Nach Absprache mit der Redaktion und dem Studio Hamburg werden die
Rahmengeschichten dann gedreht. Pro Jahr werden 52 der Geschichten produziert. Für die
Entwicklung und den Dreh der Studioszenen benötigt es für alle zusammen durchschnittlich ein
halbes Jahr (vgl. ebenda). Die Darsteller sind Puppen und Menschen. Eine Rahmengeschichte
dauert sechs Minuten und wird in der neuen Staffel 2003 in fünf Teilen erzählt, bestehend aus drei
längeren Hauptteilen und zwei Brücken, in denen die Handlung der Geschichte kurz aufgegriffen
wird (vgl. Bergwelt 2002, S. A1). Ein besonderer Schwerpunkt wird in den Geschichten inhaltlich
auf das soziale Lernen gelegt, wie z.B. emotionale Verarbeitungskurven oder Konfliktlösungen.
Bei diesem Format beschränken sich die Autoren pro Geschichte auf einen Konflikt, um die
Vorschulkinder nicht zu überfordern und als Happy-End die Auflösung als erlösendes Moment zu
präsentieren (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Der Formale Ablauf einer Rahmengeschichte nach dem neuen Sendekonzept ist folgender (vgl.
ebenda):
Teil 1: Schneller Einstieg in die Geschichte: Thema, Problem, Motivation, Emotionen etablieren.
Brücke 1: Kurze Zusammenfassung der Geschichte. Gag als Überleitung zum nächsten Teil.
Teil 2: Welche Komplikationen treten beim Versuch der Lösung auf?
Brücke 2: Kurze Fortführung der Geschichte. Gag als Überleitung zum nächsten Teil.
Teil 3: Lösung, Happy-End, evtl. noch überraschender Schlussgag.
Die einzelnen Teile beginnen in der Regel mit einer Großeinstellung und der direkten Ansprache
der Kinder durch einen Muppet (vgl. ebenda). Die Brücken sollen mitten in der Sendung „daran
erinnern `Wir sind in der Sesamstrasse`“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Die restlichen
Einspielfilme gehen monothematisch auf die Inhalte der Rahmengeschichten ein:
„Um den Ort Sesamstrasse zu etablieren, habe ich über die Sendung ganz klar ein Thema
gesetzt und versuche dieses Thema entweder inhaltlich oder bildlich abzuholen“ (SchmidtBratzel 2002, Interview).
218
vgl. http://www.tinuviel.ch/Html/eressea-htm/ES-htm/mumud.htm (12.10.02)
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 136
Damit soll zudem ein Wiedererkennungseffekt erzielt werden, der es den kleineren Kindern
erleichtert, aktiv mitzumachen und die Geschichten zu verstehen (vgl. ebenda). Für die älteren
Kinder hat das einen humoristischen Wert. Es gibt drei Arten der Rahmengeschichten (vgl.
Bergwelt 2002, S. 21f.):
1. Muppet-Sketche
Hierbei wird ein kleines, einfaches Grundthema mit einem klaren, emotionalen Konflikt dargestellt.
Dieser bildet sich aus oder um den Alltag der Monster, wie z.B. neue Erfindungen, Spiele,
Zusammentreffen mit anderen Menschen oder Monstern (evtl. andere Kulturen).
2. Fantastische Geschichten (mit Finchen)
Das sind Imaginationsgeschichten, bei denen Finchen auf fantastische Wesen trifft. Das können
Sternschnuppen oder Schneeflocken sein oder auch alltägliche Dinge wie ein Wecker, die für
Finchen zum Leben erwachen. Diese Imaginationswesen werden meist von Prominenten oder von
Gastmuppets dargestellt.
3. Zaubergeschichten mit Pepe
Das sind stark emotionale Geschichten, bei denen Pepe etwas zaubert und dabei etwas schief
geht. Wichtig ist dabei, dass Pepe eine Motivation, d.h. einen tatsächlichen Grund zum Zaubern
hat. Der Konflikt, der beim Zaubern für Pepe entsteht, muss eindeutig dargestellt sein. Die
Monster sind dabei immer involviert und ihnen sollte etwas an der Lösung des entstandenen
Problems liegen.
Als ein Beispiel für eine Rahmengeschichte des Typs Muppet-Sketche wird nachfolgend der
inhaltliche Ablauf der Folge 2142 vorgestellt
219
:
• Vorspann / 0‘47“
• Klingelsprache / Teil 1 / 2‘18“
Rumpel hat eine neue Klingel an seiner Tonne installiert. Er erklärt Wolle auch gleich, warum:
Er will nicht mehr unnötig gestört werden – alle sollen jetzt über die Klingel mit ihm
kommunizieren. 1x klingeln heißt „Ich habe eine kurze Frage“, 2x klingeln heißt „Rumpel,
komm mal kurz“ und 3x klingeln heißt „Machst Du was mit mir?“. Als Samson dazu kommt, hat
Wolle das schon wieder vergessen, also klopfen beide an Rumpels Tonne, der davon gar
nicht begeistert ist...
• Ernie + Bert: Count telephone (Puppe) / 1‘49“
• Number dances 3 (Real) / 0‘34“
• Klingelsprache / Brücke 1 / 0‘36“
Samson und Wolle sind sich immer noch klar, wie oft sie eigentlich klingeln müssen...
• Wolle & Pferd: Schlafengehen – Sprichwort (Puppe) / 0‘34“
• Wölfe: Wolfssprache (Real) / 5‘05“
• Klingelsprache / Teil 2 / 2‘24“
Inzwischen kommt auch Pferd an die Tonne und versucht Rumpels Klingelsprache zu
verstehen. Auch Rumpel ist plötzlich verwirrt und nicht mehr in der Lage, genau zu erklären,
wie oft die anderen klingeln sollen. Verwirrt lässt Rumpel die anderen zurück...
• Cookie rings the bell (Puppe) / 2‘18“
• Kinder und Kunst: Wir spitzen die Ohren (Real) / 2‘14“
• Klingelsprache / Brücke 2 / 0‘34“
Die Muppets rätseln: Sollen sie jetzt einmal, zweimal oder dreimal klingeln?
• Rhythm of door, window, can (Trick) / 0‘25“
• Song: Bells (Puppe) / 3‘05“
• Spacee: Telefon (Trick) / 0‘24“
220
• Grover Bells 5 (Puppe) / 1‘18“
219
220
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion Sesamstrasse des NDR und des Studios Hamburg.
Grobi ist der deutsche Name des amerikanischen Grover.
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 137
• Klingelsprache / Teil 3 / 2‘00“
Wolle, Pferd und Samson probieren weiter Rumpels Klingel, aber nicht einmal mehr Rumpel
kann sich erinnern, was die von ihm festgelegten Klingeltöne bedeuten. Am Ende baut
Rumpel die Klingel entnervt wieder ab...
KOMMENTAR
Die Sprache und die diffizile Kommunikationsfähigkeit ist das Grundlegende, das den Menschen
ausmacht und seine Sozialisation ermöglicht. In dem Sozialisationsprozess lernen Kinder die
Verhaltensweisen, die sie zur Erfüllung sozialer Rollen und zum Erwerb der Ich-Identität benötigt.
„Und ebenso offensichtlich ist, dass der Mensch von den ersten Tagen seines Lebens an
die Regeln der Kommunikation zu erlernen beginnt, obwohl diese Regeln selbst, dieser
Kalkül der menschlichen Kommunikation, ihm kaum jemals bewusst werden“ (Watzlawick
1993, S. 13).
Auch Kommunikationsschwierigkeiten treten in unserer Gesellschaft häufig auf. Kinder müssen
früh lernen, was es für Kommunikationswege gibt und dass diese auch gelegentlich zu
Missverständnissen führen können. Rumpel denkt sich in der Rahmengeschichte eine neue
Kommunikationsform aus, die den Umgang untereinander vereinfachen soll. Doch stellt sich diese
Form der Kommunikation als äußerst kompliziert heraus. Diese einfache Geschichte zeigt den
Kindern bildhaft, wie kompliziert sich Kommunikation gestalten kann, wenn nicht jeder den
gleichen Sprachcode nutzt bzw. kennt. Zudem zeigt die Geschichte mit Humor, dass die
menschliche Kommunikation logisch, sinnvoll und wichtig im und für das Miteinander ist.
Verschiedene Kommunikationswege werden in den dazwischen gezeigten Einspielern dargestellt
wie z.B. das Telefon und die Türklingel und andere Kommunikationsarten wie z.B. das Heulen der
Wölfe.
Als ein Beispiel für eine Rahmengeschichte des Typs Fantastische Geschichten wird der
inhaltliche Ablauf der Folge 2145 dargestellt
221
:
• Vorspann / 0‘47“
• Der Herbst / Teil 1 / 2‘27“
Der Herbst kommt in die Sesamstrasse. Es stellt sich heraus, dass er keine Lust mehr hat,
Herbst zu sein – er wäre lieber der Frühling...
• Ernie + Bert: School pageant – Seasons (Puppe) / 3‘36“
• Korean spring dance (Real) / 0‘42“
• Der Herbst / Brücke 1 / 1‘34“
Der Herbst überlegt sich jetzt, wie es wäre, Sommer zu sein...
• Naftaline: La neige en été (Trick) / 2‘28“
• Der Herbst / Teil 2 / 1‘03“
Der Herbst ist inzwischen davon überzeugt, dass der Winter auch eine gute Jahreszeit für ihn
wäre. Finchen und Samson allerdings wollen den Herbst überzeugen, das zu bleiben, was er
ist...
• Frutties: Kastanie mit Blättern im Wind (Real) / 0‘22“
• Ookiook (Winter) Song (Trick) / 2‘02“
• Der Herbst / Brücke 2 / 0‘20“
Finchen erklärt dem Herbst, wie sehr sie die Jahreszeit Herbst mag...
• Frutties: Traube mit Blättern im Wind (Real) / 0‘29“
• Song: I’ll love you in springtime (Puppe) / 2‘46“
• Mamemo: Kalendergeschichten (Trick) / 3‘17“
• Prairie Dawn: Walk in the woods (Puppe) / 3‘03“
• Der Herbst / Teil 3 / 2‘12“
221
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion Sesamstrasse des NDR und des Studios Hamburg.
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 138
Samson und Finchen überzeugen den Herbst weiterhin, als sie ihm dann noch den
langweiligen alten Mantel schön schmücken, ist der Herbst begeistert. Fröhlich singt er nun
ein Lied über den Herbst.
KOMMENTAR
Mit dem Oberthema „Herbst“ wird hier eine Folge geschaffen, die dem Herbst eine menschliche
Form gibt. Diese fantastische Geschichte erlebt Finchen mit Samson gemeinsam. Die Jahreszeiten werden vorgestellt und die Unterschiede klar hervorgehoben. Andere kulturelle Traditionen
werden dargestellt, wie der koreanische Frühlingstanz. Die Rahmengeschichte endet – wie immer
– in einem Happy-End und es wird klar, dass jede Jahreszeit ihre eigenen Vorteile und
besonderen Reize hat.
6.2.4. Comedy als Konzeptmittel
Von Kultur zu Kultur ist die Einschätzung von Humor eine andere. Kinder lieben besonders
humorvolle Sendeinhalte. Da das Fernseherleben der Vorschulkinder durch das Hören aufgebaut
wird, bevorzugen sie speziell sensorischen Humor. Eine lustige Situation sollte daher in einer
Geschichte akustisch und/oder visuell ansprechend sein (vgl. Bergwelt 2002, S. 32). Wichtig ist,
dass dabei der Witz keine erzieherischen Botschaften in Frage stellt. Einige Beispiele für den
visuellen bzw. sensorischen Humor, der in der Sesamstrasse eingesetzt wird:
•
Physical Comedy
Kleinkinder lieben körperbetonte Comedy. Sie sind visuell und einfach mit den Protagonisten
im Fernsehen umsetzbar (z.B. Samson rutscht aus Versehen aus und landet im Gemüsebeet.
Kinder mögen es, wenn dabei auch akustische Elemente eingesetzt werden, wie Gelächter,
witzige Stimmen oder Toneffekte).
•
Slapstick
Bei Vorschülern ist diese Art des Humors sehr beliebt und beinhaltet sowohl Physical Comedy
(s.o.) als auch Elemente der Absurdität oder Albernheit. Die Kinder freuen sich besonders
über Slapstick-Inhalte, bei denen der vermeintlich Benachteiligte am Ende doch der Klügere
ist und den anderen überlistet (z.B. einige Folgen von Ernie und Bert).
•
Einsatz von Überraschungselementen
Dies kann inhaltlich ein überraschendes Ereignis in einer normal anmutenden Handlung sein
oder eine unerwartete Wendung in einer bekannten
222
Geschichte wie in einem berühmten
Märchen (z.B. Rotkäppchen und der Wolf treffen sich im Wald und sind wider Erwarten alte
Freunde, die gemeinsam die Großmutter besuchen gehen). Außerdem kann auch mit
verbalen Überraschungselementen gearbeitet werden, was Vorschulkinder auch fasziniert,
sind
erfundene, lautmalerische oder komisch klingende Worte (z.B. blubbern, wabern),
übertriebene Aussprache (z.B. leiernde Sprache, sehr hohe oder tiefe Stimme) und Worte
oder Sätze, bei denen eines ersetzt wird durch ein anderes Wort oder einen witzigen Ton (z.B.
singt das Krümelmonster mit einem Mädchen das ABC-Lied und das Mädchen sagt statt dem
Buchstaben immer nur „Krümelmonster“).
•
222
Visuelle / sensorische Deplaziertheit
je nach kulturellem Hintergrund auszusuchen
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 139
Beispielsweise sind unerwartete Kostüme, seltsame Hüte und Brillen, komische Frisuren oder
Schuhe für Vorschulkinder ein Spaßauslöser. Ähnlich ist die Wirkung bei Gegenständen oder
Tieren, die unerwartete Töne von sich geben (z.B. eine Banane, die hupt oder eine Ente, die
bellt). Einfachheit, Eindeutigkeit und Auflösung ist hierbei wichtig, damit die Kleinsten unter
den Rezipienten nicht mit einer falschen Erkenntnis zurückgelassen werden.
•
Einfache Reime
Kleinkinder mögen einfache, wiederholende Reime, die aus wenigen Worten bestehen. In der
Wiederholung wird es für die Kinder zum Vergnügen.
Diese Comdeyvarianten werden durch Dekonstruktion und Wiederholung noch verstärkt. Pferd
und Wolle werden als neue Comedy-Figuren in die Vorschulserie eingeführt (vgl. 6.2.2.):
„Pferd ist ganz gezielt deswegen entwickelt worden, um eine Figur zu haben, die im ganz
klassischen Sinne eine Comedy-Figur ist. Sie ist sehr reduziert, ein bisschen blöd, aber
gleichzeitig auch unerwartet lebensweise. Sie garantiert viel Slapstick und komische
Pointen, ist dabei liebenswert mit ihren Fehlern. […]
Wolle ist pfiffiger als Pferd, zieht aber leider immer den Kürzeren. Die beiden schlingern
von einem Fettnäpfchen ins nächste“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
KOMMENTAR
Comedy wird hierbei als neues Konzeptmittel der Sendung eingesetzt. Im Zusammenhang mit den
neuen Geschichtenstrukturen der Rahmengeschichten soll laut Schmidt-Bratzel eine „ganz
spezifische deutsche Sesamstrassen-Kultur geschaffen werden“ (ebenda). Hinter dem Vordergrund, dass Kinder gerne lachen und Sendungen größtenteils nach ihrem Humorgehalt beurteilen,
ist das neue Comedy-Konzept für die Kleinen eine Aufwertung der Sendung. Schwierig ist hierbei
nur, den feinen Grad des Humors zwischen Witz und Diskriminierung zu treffen (z.B. wenn eine
übertriebene Aussprache witzig sein soll, ein Kind aber selbst so einen `Sprachfehler` hat). Hierbei
müssen die Redaktion und das Produktionsteam sensibel darauf achten, dass keine Witze auf
Kosten von einer Menschengruppe bzw. einer Behinderung stattfindet. Das würde gegen die
Philosophie der Sendung sprechen. Ansonsten ist der Ansatz des neuen Comedy-Konzepts
sicherlich der richtige Weg, um Kinder und Familien gemeinsam vor dem Fernseher zu amüsieren.
Schmidt-Bratzel erinnert hierbei an das alte „Phänomen der Sesamstrasse und z.B. auch der
Muppetshow“ (Interview), dass sie der ganzen Familie Spaß gemacht haben. Das möchte sie mit
dem neuen Konzept wieder in Erinnerung rufen und mit der Sendung auch das Interesse der
Erwachsene wecken.
6.2.5. Die Marke Sesamstrasse
Die Fernsehsendung Sesamstrasse ist eine Lizenzproduktion mit dem Sesameworkshop in New
York. Der aktuelle Vertrag über die Lizenzrechte läuft noch bis zum Jahr 2009 und die Sendung
wird vom NDR in Deutschland gemeinsam mit dem HR, SWR, SR und WDR finanziert, wobei der
Hauptanteil der TV-Lizenzsumme der NDR selbst trägt (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Die
Rahmengeschichten werden dem Studio Hamburg in Auftrag gegeben. Die Vorschulserie erzielt
im deutschen Fernsehen einen Marktanteil von über 50% bei der Zielgruppe der Drei- bis
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Sechsjährigen
Seite 140
223
. Die Einschaltquoten sind demnach für ein Kinderprogramm äußerst zufrieden-
stellend und konnte durch die Ausstrahlung des neuen Comdey-Konzeptes sogar insgesamt einen
Quotenanstieg verzeichnen (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Doch die Sesamstrasse ist weit
mehr
als
eine
Fernsehserie.
Weltweit
genießt
sie
den
Status
eines
wirtschaftlichen
Markenprodukts, das sich auch in anderen Bereichen als über das Fernsehen profiliert. Merchandisingprodukte
der
Sendung
lassen
sich
beispielsweise
erfolgreich
verkaufen.
Die
amerikanischen Produzenten der Vorschulserie erkennen früh, dass nicht nur die Fernsehsendung
den Kindern Spaß macht, sondern durch die weltweite Anerkennung der Serie auch
Nebenprodukte einen hohen Marktwert besitzen. Infolge der Popularität der Sendung, schließt die
damalige CTW schon im Jahre 1973 mit über 20 amerikanischen Firmen Merchandisingverträge
224
über die Marke Sesamstrasse ab (vgl. Projektgruppe Kinderfernsehen 1975, S. 146).
Es wird ein 32seitiger Verkaufskatalog herausgegeben, der eine Auswahl der Produkte anbietet.
Darin werden u.a. Bücher, Comics, Kalender, Spielzeug, Poster, Filme und Schallplatten
präsentiert. In dem Katalog wird behauptet, „alle angebotenen Produkte sollten nicht nur Spaß
machen, sie seien auch `didaktisch wertvoll` und setzten den `Lernprozess` fort, den die
Fernsehserie in Gang gesetzt hat“ (ebenda).
KOMMENTAR
Diese `pädagogisch wertvolle` Aussage soll den Eltern anscheinend ein gutes Gefühl beim Kauf
dieser Produkte geben. Natürlich werden nur Produkte angeboten, die zu der Zielgruppe passen.
Trotzdem steckt hinter dieser sog. „sensiblen Vermarktung“ eine ausgeklügelte Marketingstrategie, die auch einen Gewinnzuwachs erzielen soll.
Mittlerweile sind mehrere Tausend Merchandising-Produkte der Marke Sesamstrasse auf dem
internationalen Markt, wie z.B. Kleidung, Bettwäsche, Bücher, Puppen, Spiele und vieles mehr
(vgl. Abb. 55).
Abbildung 55
T-Shirt mit Ernie als Motiv225
Die Rechte an der Marke Sesamstrasse besitzt die amerikanische Jim Henson Company, die u.a.
auch für die Produktion der Muppet Show, Fraggles und Der Bär im großen blauen Haus
verantwortlich ist
226
. Die Firma gehört zu den weltweit führenden Lizenzgebern und hat in den
vergangenen zehn Jahren allein über 5.000 lizenzierte Produkte auf den Markt gebracht
223
vgl. http://www.ndr.de/tv/sesamstrasse/sendung.html (04.03.02)
vgl. Kapitel 4.3.1.
225
vgl. http://www.Sesamstrasse.de (21.08.02)
226
vgl. http://www.henson.de (06.10.02)
227
vgl. http://www.em-ag.de/dasat/index.php (06.10.02)
224
227
. Als
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 141
öffentlich-rechtlicher Sender ist es dem NDR nicht gestattet, kommerziell tätig zu werden und an
diesen Produkten mitzuverdienen. Daher ist es für die Redaktion der Sesamstrasse ein Thema,
das sie „nur marginal tangiert“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Die Lizenzen für das Merchandising sind an EM.TV vergeben (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Trotzdem hat der NDR eine
beratende Funktion bei der Produktentwicklung:
„Wir werden natürlich mit einbezogen, weil es das Interesse von EM.TV ist, die
Produktentwicklung parallel zur Entwicklung der Sendung zu machen“ (Schmidt-Bratzel
2002, Interview).
Zudem gibt es die NDR Media, ein Tochterunternehmen des NDR, die mit EM.TV in engerem
Kontakt steht und sich u.a. um das Merchandising der Sesamstrasse kümmert (vgl. ebenda). Der
Medienkonzern EM.TV wird 1989 von Thomas Haffa gegründet und vermarktet international
228
Fernseh- sowie Merchandisingrechte und produziert Kinder- und Familienprogramme
. Im Jahr
1997 geht die Firma an die Börse, um die Internationalisierung voranzutreiben und den Markt zu
erweitern. Im März 2000 übernimmt EM.TV für 680 Millionen Euro 100% der Rechte an den
Produkten der Jim Henson Company. Dazu gehören nicht nur die Merchandisingrechte an der
Sesamstrasse und anderen Henson-Produkten, sondern auch TV-Lizenzrechte z.B. an der
Muppet-Show. Aufgrund von Fehlkalkulationen sinken die Gewinne des Medienkonzerns jedoch
danach rapide (vgl. Abb. 56).
„EM.TV […] hatte zu seinen Glanzzeiten eine Marktkapitalisierung von 15 Milliarden Euro
– bis die EM.TV-Aktien nach wiederholten Gewinnwarnungen und finanziellen
229
Ungereimtheiten im Sturzflug rund 95 Prozent an Wert verloren“ .
120
100
80
60
40
20
0
1997
1998
Abbildung 56
1998
1999
1999
2000
2000
2000
2000
2000
2001
2001
2002
2002
EM.TV-Aktienwert in Euro von 1997 bis 2002230
Die Kurseinbrüche sollen u.a. mit dem überteuerten Kauf von Formel 1-Fernsehrechten und der
Henson-Rechte im Februar/März 2000 zusammenhängen
bestreitet das jedoch im Dezember 2000 in einem Interview:
228
229
230
vgl. http://www.em-ag.de/dasat/index.php (06.10.02)
vgl. http://www.heise.de/newsticker/data/pmz-11.05.02-000/ (04.11.02)
vgl. Deckstein 2002, S. 222f.
231
. Der Firmenchef Thomas Haffa
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 142
„Ich will nicht ausschließen, dass wir in der Euphorie vielleicht auch ein bisschen zu viel
bezahlt haben. Die `Muppets` aber lohnen sich, glauben Sie mir. Wir sind ein Anbieter von
Kinder- und Familienprogramm und leben von Marken. […] Bislang bekam Henson jährlich
[…] 18 Millionen Dollar für diese Rechte. Es war hundertprozentig richtig, sich diesen Cash
232
jetzt zu sichern“ .
233
Dennoch legt Vizechef Stefan Haffa
noch Ende 2000 sein Amt nieder (vgl. Deckstein 2002, S.
223). Nach massivem Druck der Aktionäre tritt auch Firmengründer Thomas Haffa im Sommer
2001 zurück. Seit September 2001 leiten Werner E. Klatten und Rainer Hüther das
Unternehmen
234
. Die Brüder Haffa stehen seit November 2002 vor Gericht wegen des Verdachts
des Kursbetrugs und bewusster Bekanntgabe falscher Halbjahreszahlen von EM.TV (vgl.
Deckstein 2002, S. 222ff.).
KOMMENTAR
Dem Erfolg der Marke Sesamstrasse tut dies keinen Abbruch. Die äußerst hohe Summe, mit der
die Henson-Rechte gehandelt wurden, zeigt noch einmal deutlich, wie groß die wirtschaftliche
Wertigkeit des Kinderfernsehens sein kann. Die Sesamstrasse ist als Klassiker unter den
Kindersendungen nicht nur im Fernsehen beliebt, sondern sämtliche Nebenlizenzen nehmen
großen Einfluss auf diverse Wirtschaftszweige.
Als ein weiteres Beispiel für die Vielseitigkeit der Ausschöpfungsmöglichkeiten der Vorschulserie,
kann zudem die Bühnenshow Sesame Street Live genannt werden. Seit 21 Jahren gibt es zur
amerikanischen Vorschulserie verschiedene Musicals. 1993 wird das deutsches Pendant
Sesamstrasse Live gegründet
235
. Die `Family Entertainment Factory` produziert diese Bühnen-
shows und führt bundesweite Tourneen durch (vgl. Ingold 2002, S. 2). Kooperationspartner ist der
NDR, der dem Autorenteam der Sesamstrasse Live beratend zur Verfügung steht
236
. Die
Produktion erfolgt unter Mitarbeit des Sesameworkshops und die dazugehörigen Ganzkörperpuppen werden unter Absprache mit der Jim Henson Company von der VEE International
237
entwickelt. Mittlerweile wird die fünfte Produktion der Sesamstrasse Live unter dem Titel „Wenn ich
groß bin“ auf deutschen Bühnen präsentiert. Die Puppen führen ein Musical auf, in dem die Kinder
zu Aktivität und zum Mitmachen angeregt werden. Laut Ingold ist die Bühnenshow eine
„aufdringliche, laute, knallbunte Angelegenheit“ (Ingold 2002, S. 2), die zu Unaufmerksamkeit und
Verwirrtheit bei den Kindern führt. Die Veranstalter sehen das naturgemäß anders:
„Die Shows sind keine Theatervorstellungen, bei der absolute Ruhe erwünscht ist. Im
Gegenteil: Sobald der Vorhang sich öffnet und die Stars aus der Sesamstrasse Live
anfangen zu singen, zu lachen und zu tanzen, werden die Kinder sogar aufgefordert
mitzumachen. […]
Die Geschichten in der Sesamstrasse Live sind bewusst so gestaltet, dass sie möglichst
die Inhalte der Fernsehshows aufgreifen und weiter führen. Auch die Bühnenfassung
versucht, dabei die unterhaltende Komponente mit einem gewissen Bildungsanspruch zu
kombinieren.
231
ebenda
vgl. http:/www.spiegel.de/spiegel/0,1518,107028,00.html (09.03.02)
Bruder des Firmengründers Thomas Haffa
234
vgl. http://www.em-ag.de/dasat/index.php (06.10.02)
235
vgl. http://www.sesamstrasse-live.de/backstage.html (10.07.02)
236
vgl. http://www.sesamstrasse-live.de/backstage.html (10.07.02)
237
Musicalagentur aus Minneapolis, USA
232
233
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 143
In `Wenn ich groß bin` erfahren die Kinder viel über die Bedeutung von Freundschaft, das
238
Erlernen von Verantwortung, Selbstbewusstsein und die Kraft der Phantasie.“
Dabei hat die Produktion aber einen weitaus amerikanisierteren Stil als die deutsche
Fernsehserie: „Die US-amerikanische Vorlage wird schlicht kopiert – bis hin zum Drive-In mit
Cadillacs und Fritten am Autofenster“ (Ingold 2002, S. 2). Dieser amerikanische Stil zeigt sich
auch in den Geschichten und Liedern, was die Kinder aber zu faszinieren scheint. Am Ende der
Show wird die Interaktion zwischen den Darstellern und den kleinen Zuschauern weitergeführt,
indem die Kinder auf die Bühne eingeladen werden, um gemeinsam mit den Puppen zu tanzen
und sich zu verabschieden (vgl. Abb. 57). Die Bühnenshow ist in Deutschland erfolgreich und
erreichte bei der vorigen Produktion mit dem Titel „1-2-3… wir träumen!“ bundesweit eine
Besucherzahl von 200.000 Menschen
239
. Selbstverständlich gibt es auf der Homepage der
Veranstalter und auf der Tour die dazugehörigen Fanartikel wie CD oder MC des Bühnenstückes
und diverse Merchandisingartikel zu kaufen
Abbildung 57
240
.
Kinder mit den Puppen der Sesamstrasse Live241
KOMMENTAR
Mit den Merchandisingprodukten und der hier als Beispiel aufgeführten Sesamstrasse Live wird
dem kindlichen Wunsch nach Nähe zu ihren Medienlieblingen entsprochen. Natürlich stehen bei
den Firmen, die sich an diese klassische Marke des Kinderfernsehens `hängen` ökonomische
Ziele im Vordergrund. Mit der Sesamstrasse Live kommen die Produzenten jedoch einem Wunsch
der Fernsehkritiker entgegen: Sie holen die Kinder aus ihren Fernsehsesseln heraus und kommen
ihnen auf der Ebene der Theaterbühne mit den Identifikationsfiguren aktiv entgegen.
6.3. Wirkungsforschung zur Sendung
Um die Wirkung der Serie bei den Rezipienten zu überprüfen, wird schon 1973 eine Begleituntersuchung in den USA zur Sesame Street durchgeführt. Im Auftrag von CTW übernimmt die
Forschergruppe Education Testing Service
242
diese Aufgabe (vgl. Dericum 1976, S. 19). Sie bringt
folgende Ergebnisse hervor (vgl. Arbeitsgruppe Sesamstrasse 1973b, S. 12):
238
vgl. http://www.sesamstrasse-live.de/faq.html (10.07.02)
vgl. ebenda
240
vgl. http://www.sesamstrasse-live.de (10.07.02)
241
vgl. http://www.sesamstrasse-live.de/news/galerie.html (10.07.02)
242
ETS
239
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
•
Seite 144
Alle Kinder profitieren von der Sendung, vor allem die Kleineren der Rezipienten
(Dreijährige mehr als Fünfjährige).
•
Sozial benachteiligte Kinder, die oft zusehen, haben einen größeren Lernzuwachs als
Kinder, die weniger häufig zusehen.
•
Kinder, die mit einer Bezugsperson (z.B. Mutter) die Sendung sehen und darüber reden,
haben größere Lernzuwachse als diejenigen, die allein fernsehen.
•
Buchstaben und Zahlen werden am besten gelernt.
Die Forscher konzentrieren sich dabei ausschließlich auf die quantitative Untersuchung der
Programmwirkung und sind laut Scherell „von einer kritischen Würdigung der Sendereihe […] weit
entfernt“ (1980, S. 22). Nach einer Gesamtauswertung mehrerer Untersuchungen 1975 ist der
Lernzuwachs der rezipierenden Kinder nach Cook weitaus geringer als es der ETS
herausgefunden haben will. Diese Ergebnisse sind nicht notwendigerweise der Sesamstrasse
zuzuschreiben, da in der Untersuchung der ETS weder die soziokulturellen Hintergründe noch die
Persönlichkeit der einzelnen Kinder beachtet wurden (vgl. Scherell 1980, S. 23):
„Vielmehr sind die häufigsten Zuschauer überhaupt aufgeweckte Kinder, die bereits mehr
wussten, bevor sie die Sendereihe kannten und auch ansahen“ (ebenda).
In Deutschland belegen die Untersuchungen des Hans-Bredow-Instituts und einer Elternbefragung
zur Sesamstrasse Mitte der 1970er Jahre diese Annahme, dass besonders die Kinder von der
Sendung profitieren, die ohnehin schon über bessere Bildungsvoraussetzungen verfügen und
durch ihre Eltern eine Hilfestellung bei der Verarbeitung der Sendeinhalte bekommen (vgl. PausHaase 1998a, S. 210). So bleibt die Lernwirkung der Sendung beschränkt. Eine kompensatorische
Erziehung findet dadurch nicht statt, eher wird die sog. `Bildungsschere` weiter zu öffnen (vgl.
ebenda). Scherell und Jacobi stellen 1980 in einer Forschungsarbeit über die Wirkung der
Vorschulsendung Sesamstrasse bei Kindergartenkindern aus der deutschen Mittelschicht
folgende Schlussthesen zusammen (vgl. Scherell 1980, S. 298):
•
Die Sesamstrasse geht in seiner Struktur nur ungenügend auf die verschiedenen
Altersgruppen und deren Bedürfnisse ein. So wird der Entwicklungsstand der Kinder nur
geringfügig bedacht.
•
Es wird stark auf eine attraktive Darstellungsweise gesetzt, aber nicht auf altersadäquate
Inhalte.
•
Die Wiederholungen und die Muppets erzeugen bei den Kindern einen positiven
Vertrautheitsgrad und die Übernahme der intendierten Aussagen.
•
Die Kinder wissen, was gezeigt wurde, aber trotzdem verstehen sie den Inhalt nicht. Ein
Lernen im Sinne von „Verstehen“ findet nicht statt.
KOMMENTAR
Die verschiedenen Untersuchungsergebnisse zeigen die Problematik einer solchen Forschungsarbeit. Die Lernwirkung dieser Serie hängt von verschiedenen Indikatoren ab, die von den
Sendemachern selbst nicht alle beeinflussbar sind. So z.B. die Familiensituation der Kinder, das
Vorwissen, die Persönlichkeitsentwicklung, die Sozialisation sowie die kognitiven Fähigkeiten. Die
Kinder weisen in dieser Zielgruppe eine heterogene Masse auf, die nicht als eine Einheit
betrachtet werden kann. Daher sind bei der Entwicklung einer Kindersendung lediglich einige
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 145
Faktoren zu beachten, die bei fast allen Kindern auf positive Resonanz treffen und die die
Lernwahrscheinlichkeit erhöhen kann. Das Sendungskonzept der Sesamstrasse wurde seit der
Adaption für das deutsche Fernsehprogramm stetig erneuert und den Bedingungen der hier
lebenden Kinder angepasst. Große Veränderungen im inhaltlichen (z.B. Rahmengeschichten) und
der bildlichen Gestaltung (z.B. Studio, Vorspann) gab es 1995 und 2000. Neue deutsche
Kognitionsforschungen wurden bisher zur Sendung nicht erhoben. Das neue Konzept für das Jahr
2003 ist unter entwicklungspsychologischer Sicht ausgearbeitet worden. Die aktuellen Ergebnisse
der zugrunde liegenden qualitativen Untersuchung von Rogge werden im Folgenden dargestellt.
Im Mittelpunkt einer qualitativen Untersuchung der Vorschulserie von Rogge
244
stehen Beobachtung der Rezeption von zwei Folgen
243
im Jahr 2001
sowie Gruppen- und Einzelinterviews
(Rogge 2002, S. 8f.). Dies erfolgt bei 310 Kindern in 12 Kindertagesstätten von denen sich fünf im
Hamburger Stadtgebiet befinden und sieben südlich von Hamburg in einer ländlichen Gegend. Die
Rezipienten kommen aus mittleren sozialen Schichten und sind im Vorschulalter. Der
Fernsehkonsum der Kinder liegt im Durchschnitt der Altersgruppe und als Lieblingssendungen
werden von ihnen folgende Serien genannt: Die Sendung mit der Maus, Sandmännchen,
Sesamstrasse, Löwenzahn, Siebenstein, Teletubbies, Disney Club und Tigerenten Club. Von den
älteren unter den Rezipienten werden folgende Zeichentrickserien zusätzlich erwähnt: Heidi und
Pokémon (vgl. Rogge 2002, S. 9). Die Vorschulserie Sesamstrasse ist allen Kindern der
Untersuchungsgruppe bekannt. Bei der häuslichen Rezeption der Sendung gibt es keinerlei
Probleme mit den Eltern. Diese sind durchgehend mit dem Konzept der Sendung einverstanden.
Sie wird von ihnen als kindgerecht bezeichnet, weil sie werbefrei, gewaltfrei und ohne
angsteinflößende Inhalte sei (vgl. ebenda). Daher erlauben sie ihren Kindern den Konsum der
Serie. Hinzu kommt, dass die Kinder diese Sendung allein rezipieren dürfen: „Sesamstrasse
dürfen wir alleine sehen, weil wir dort etwas lernen“ (Rogge 2002, S. 9) erklärt der sechsjährige
Michael. Der kindliche Umgang mit der Sendung wirkt rituell und selbstbewusst. Allein die
Tatsache, dass die Sendung ganz selbständig und allein rezipiert werden darf, gibt den Kindern
Selbstbewusstsein: „Dann redet Mama nicht immer dazwischen. Samson ist eben mein Freund
und Mami hat die Lindenstraße
245
“ (Rogge 2002, S. 10). Die Kinder wissen genau, wann die
Sesamstrasse kommt, richten sich vor dem Fernsehgerät ein und vertrauen dem Ablauf der
Sendung. Laut Rogge sind Vertrauen und Vertrautheit zum Sendungsablauf größten Teils durch
die Muppets aufgebaut, auf die sich die Kinder einlassen, deren Charakter und Temperament sie
einschätzen können (vgl. Rogge 2002, S. 9). Beliebte Figuren, die die jungen Rezipienten
vermehrt erwähnen, sind Samson, Pepe, Ernie und Bert sowie das Krümelmonster (vgl. Abb. 58).
Die fünfjährige Anne findet Samson kuschelig und würde ihn gern als großen Bruder haben. Der
sechsjährige Jan empfindet die Muppets als gute Freunde und erklärt beschreibt das so:
„Irgendwie weiß ich, was bei denen kommt. Ernie, der nervt so ein bisschen und Bert ist
der etwas Ruhigere“ (Rogge 2002, S. 9).
Die Kinder stellen dabei Bezüge zu ihrem eigenen Alltag her und auch Jan vergleicht das
Verhältnis von Ernie und Bert mit dem zwischen ihm und seinem älteren Bruder. Für die Kinder
243
244
245
In Zusammenarbeit mit Eva Schäfer von der Universität Hamburg.
Folge 2046 u. Folge 2055
wöchentlich ausgestrahlte Familienserie auf der ARD
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 146
sind die Muppets mehr als nur bloße Unterhaltung, sie verkörpern Charaktere, Haltung und
Lebensprinzipien der jungen Rezipienten.
Abbildung 58
Ernie und das Krümelmonster246
Rogge ist der Meinung, dass dies auf eine „geistreich-witzige, nicht vordergründig-oberlehrerhafte
Art“ (Rogge 2002, S. 10) geschieht. So haben die Kinder auch eine klare Meinung zu dem
Sendeformat: Lob für die Mischung aus Unterhaltung und Wissensvermittlung sowie das
Gefühl, ernstgenommen zu werden und als eigenständige Persönlichkeit anerkannt zu sein.
Die Verhaltensbeobachtungen während der kindlichen Rezeption der beiden Folgen sind
abwechselnd Faszination und Abgewandtheit. Rogge ist der Meinung, dass dieses Verhalten
der kindlichen Wahrnehmungsbesonderheit in dem Alter entspricht (vgl. Rogge 2002, S. 10). Fast
30 Minuten einer Sendung konzentriert zu folgen, würde die Kinder kognitiv und emotional
überfordern. Auffallend bei der Beobachtung der Rezipienten ist, dass die Muppets eine
besondere Aufmerksamkeit erhalten. Sie und ihre Geschichten stehen ganz klar im Mittelpunkt
des kindlichen Interesses. Jegliche Nebenaktivitäten und Unaufmerksamkeit werden beendet,
sobald die Muppetpuppen auf dem Bildschirm erscheinen.
„Für viele Kinder dienen die kurzen Einspielfilme dazu, abzuschalten, sich neu zu
besinnen, um sich dann wieder auf die Muppets und deren Storys einzulassen“ (Rogge
2002, S. 10).
Von den Rezipienten kritisch betrachtet wird ein Realfilm-Einspieler über türkische Kinder
247
, bei
dem die kindliche Aufmerksamkeit schnell nachlässt und die Rezipienten sich abwenden. Sie
nehmen Kontakt zu den anderen Kindern auf. Der sechsjährige Jonas kommentiert den RealfilmEinspieler mit den Worten: „Das ist langweilig“ (zit. in: Rogge 2002, S. 10). Rogge vermutet, dass
dieses Verhalten der Kinder auf die Qualität des Einspielfilms zurückzuführen ist:
„Die Storys über die türkischen Kinder, deren Absichten zweifellos wichtig sind und die in
den Lernzielkatalog des Sesamstrassen-Konzepts passen, unterscheiden sich von der
Qualität und der ästhetischen Umsetzung der Muppet-Geschichten grundlegend.
Viele Storys der Einspielfilme haben keinen Spannungsbogen, die ästhetische Umsetzung
ist wenig ansprechend, der Sprecher kindertümelnd.
Die Konsequenz: Kinder fühlen sich nicht ernst genommen, sie wenden sich ab“ (Rogge
2002, S. 10).
Eine Wissensvermittlung, die lediglich auf das Kognitive ausgerichtet ist, langweilt die Kinder. Sie
empfinden es als einseitig und belehrend (vgl. Rogge 2002, S. 11). Aus Sicht der kindlichen
Rezipienten geht das Lernen nur gemeinsam mit der Unterhaltung einher, denn Kognition und
246
247
vgl. http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/Medienzentrum/zmm-news/ (02.10.02)
aus der Serie Mischa in der Türkei
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 147
Emotion gehören für sie zusammen (vgl. ebenda). Die Emotionalität finden die Kinder bei den
Muppets, in den Songs oder auch in der Musik der Einspieler. Sie können die Aufmerksamkeit der
Rezipienten laut Rogge wecken, ohne sie gefühlsmäßig zu überfordern. Beim Rezipientenverhalten ist dies zu beobachten, wenn die Kleinen mitsingen, klatschen, sich im Takt bewegen
oder gestisch und mimisch mitmachen (vgl. Rogge 2002, S. 11). Trotzdem bedeutet diese
sendungsbezogene Aufmerksamkeit der Kinder nicht, dass Nebenaktivitäten völlig ausgeschlossen sind. Rogge hat zwei Formen der Beteiligung beobachtet (vgl. ebenda):
•
Den Kindern sind die Sendungsinhalte unwichtig. Nur wenn ihre Lieblingsprotagonisten
kommen, wenden sie sich dem Programm zu. Da sie den Ablauf der Sendung kennen,
wissen sie genau, wann sie aufmerksam sein müssen und wann nicht.
•
Die Kinder führen sendungsbezogene Unterhaltungen miteinander und parasoziale
Gespräche während der Rezeption. Sie kommentieren die Inhalte, sprechen direkt mit
den Protagonisten, diskutieren mit ihren Freunden über Lösungen für die Probleme der
Muppets oder geben stolz bekannt, dass sie die Lösung kennen.
Daher mögen es die Kinder auch, wenn sie direkt von den Protagonisten angesprochen werden
und z.B. von den Muppets begrüßt werden.
„Durch diese Ansprache fühlen sich die Kinder angenommen, es wird eine quasi
persönliche Beziehung zu ihnen hergestellt, die für die weitere Wissensvermittlung, die
Umsetzung der intendierten Lernziele wichtig ist.
Denn je sympathischer der Protagonist, je kompetenter seine Erklärungen, je mehr er
Kinder dort abholt, wo sie sind – und dies ist räumlich und intellektuell gemeint –, desto
mehr sind Kinder bereit, sich auf ihn und seine Fähigkeiten einzulassen“ (Rogge 2002, S.
11).
Die Auswertungen der Interviews haben gezeigt, dass besonders Pepe bei den Kindern starke
positive Emotionen hervorruft und sie aktiv werden lässt (vgl. ebenda). Die jungen Rezipienten
finden den Charakter lustig, witzig und sind von ihm angesprochen. Sie fühlen sich ihm
gleichgestellt. Mit seinen Stärken, seinen Schwächen, seiner Experimentierfreude und seinem
positiven Elan fühlen sie sich ihm nah. Er agiert kindlich, aber nicht kindisch (vgl. Rogge 2002, S.
7). Pepe ist optimistisch, weiß immer Rat und hat zudem etwas Geheimnisvolles an sich (vgl.
Rogge 2002, S. 11f.). Das mögen die Kinder an ihm und sind dadurch angeregt, eigene (Zauber-)
Geschichten zu erfinden oder Pepes Missgeschicke und Erfahrungen mit ihren eigenen zu
vergleichen und davon zu berichten (vgl. Rogge 2002, S. 12). Bei einer anderen gezeigten Folge
steht im Mittelpunkt der Rahmengeschichte die Frage, wieso das Licht im Kühlschrank brennt.
Samson und Finchen suchen nach einer magisch-fantastischen Erklärung und Finchen
vermutet, dass die Gurke, die im Kühlschrank liegt, den Lichtschalter anmacht (vgl. Rogge 2002,
S. 7). Die Kinder fühlen sich von der Geschichte angesprochen, empfinden sich selbst jedoch als
kompetenter als die Protagonisten (vgl. Rogge 2002, S. 12):
„Die Kinder kommentierten die Aktionen der Muppets, erzählten sich davon, was sie alles
wüssten und kamen sich insgesamt klüger vor. […] Die zuschauenden Kinder […] konnten
zusehen, wie die Muppets in ihrem Wissen endlich mit ihnen gleichzogen“ (ebenda).
Auch im Interview fordern die Kinder noch einmal nachdrücklich eine Mischung aus
Wissensvermittlung und Unterhaltung: „Wenn es nicht lustig, ist, da mag ich nicht hinschauen“
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 148
(Rogge 2002, S. 12). Zudem müssen die Bilder den ästhetischen Geschmack der Kinder treffen.
Reine Erklärungen ohne die dazugehörigen Bilder genügen den Kindern nicht (ebenda):
„Die Bilder müssen klasse sein. Ich muss das eben auch sehen, was da erklärt wird, sonst
verstehe ich das nicht“ (Tim, sechs Jahre).
„Wenn der nur erzählt, dann ist`s auch nicht gut. Ein bisschen Musik, wo ich mitsingen
kann, das ist toll. Oder wenn sie das Alphabet mit einem Lied erklären, dann behalt` ich
das viel schneller“ (Rafael, sechs Jahre).
Nach Rogge haben die Kinder damit zwei wichtige Punkte zur Umsetzung von Lernzielen
angesprochen:
1. unterhaltend-emotionalisierende Gestaltungselemente (der Sendung)
2. Alltagsbezüge (zum Rezipienten selbst)
Doch die Umsetzung dieser beiden Gesichtspunkte stellt eine große Herausforderung an die
Fernsehverantwortlichen
dar.
Die
dramaturgisch
eingesetzten
Elemente
(wie
Musik,
Kameraführung, Songs) sollen nicht zu schwach eingesetzt werden, weil die Kinder sich sonst
schnell langweilen, aber dürfen auch nicht zu stark im Vordergrund stehen, weil das wiederum
vom Inhalt ablenken könnte oder die Zielgruppe verunsichert (vgl. Rogge 2002, S. 12). Bei den
Alltagsbezügen verhält es sich ähnlich, denn eine überzogene Alltagssituation könnte als
Belehrung verstanden werden und die Kinder fühlen sich nicht ernst genommen. Rogge kommt
aufgrund der Untersuchung zu dem Schluss, dass die magisch-fantastische Wirklichkeitsauffassung der Sesamstrasse für Kinder kompetent durchgeführt wird (vgl. ebenda).
KOMMENTAR
Die Ergebnisse von Rogge sind zwar nicht als repräsentativ zu bezeichnen, doch sind die
Tendenzen der Ergebnisse der qualitativen Untersuchung
durchaus hervorzuheben und zu
beachten. Das kindliche Rezeptionsverhalten und die Motive des Fernsehkonsums der untersuchten Kinder zeigen deutliche Übereinstimmungen mit den Kernpunkten in Kapitel 4.2.2. und 4.2.3.
dieser Arbeit auf.
6.4. Qualitätsmerkmale
Wie schon in Kapitel 5.1. näher erläutert, lassen sich Qualitätskriterien für Kindersendungen
schwer universal festlegen. Jedes Kind rezipiert Fernsehangebote geprägt von seinem kognitivemotionalen, sozialen und moralischen Entwicklungsstand und verarbeitet sie individuell in
Abhängigkeit dieser Prozesse (vgl. Paus-Haase 1998b, S. 77). Während der gesamten Kindheit
unterscheiden sich also die Art und Weise, wie Kinder die Inhalte des Fernsehens wahrnehmen
und nutzen. Innerhalb des Entwicklungsprozesses differenziert sich das Verständnis und die
Beurteilungsfähigkeit der Kinder gegenüber den Fernsehinhalten und –darbietungsweisen immer
mehr (vgl. Theunert 1995, S. 41ff.). Die Zielgruppe der Sesamstrasse sind Kinder im Alter
zwischen drei und sechs Jahren. Sie befinden sich in der präoperationale Phase, ihr Weltbild ist
egozentrisch, sie können noch nicht abstrahieren. Ihr kognitives Denken ist an den Augenschein
gebunden. Diese Phase wird durch den wachsenden Gebrauch abstrakter Symbole charakterisiert, der sich z.B. beim fantasievollen Spielen beobachten lässt. Kinder sind demnach fantasievolle Individuen, die jeweils andere Qualitäten von Sendungen bevorzugen und benötigen.
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 149
Gleichwohl können einige Merkmale für Qualität anhand des Entwicklungsstandes, der Motive und
des Rezeptionsverhaltens der Zielgruppe sowie einer kindgerechten Dramaturgiegestaltung
ausgemacht werden. Zudem haben Kinder, Pädagogen und Eltern bestimmte Vorstellungen von
einem qualitätsvollen Kinderfernsehen. Unter Berücksichtigung dieser Aussagen und Kriterien
lassen sich bei der Vorschulserie Sesamstrasse einige Qualitätsmerkmale feststellen, die im
Folgenden insbesondere durch die Charaktere und Geschichten der Sendung sowie die
Dramaturgie veranschaulicht werden.
6.4.1.
Charaktere
Die Charaktere der Sendung sind wichtige Qualitätsfaktoren für die jungen Rezipienten und
können Anknüpfungspunkte für den Alltag, Orientierungs- und Identifikationsmöglichkeiten bieten.
Die Anwesenheit von Identifikationsmodellen bietet für die sozial-emotionale Entwicklung der
Kinder geeignete Vorbilder menschlichen Verhaltens (vgl. Nikken 1995, S. 31) oder liefert kurzfristig emotionale Unterstützung in Konfliktsituationen (vgl. Baacke 1997b, S. 47). Vorschulkinder
lassen sich von markanten Personen und Figuren faszinieren (vgl. Winterhoff-Spurk 2001, S. 58).
Besonders beliebt sind daher in der Sesamstrasse die Muppet-Puppen. Sie sind archetypische
Charaktere, die die Rezipienten ohne Probleme durchschauen, wiedererkennen und einschätzen
können. Passend zur Zielgruppe gibt es jeweils Figuren, die von ihrer Entwicklung, ihrem
Verhalten und Temperament dem der Vorschüler entsprechen könnten. So stellt z.B. Finchen die
neugierige Dreijährige dar und Samson den etwas tollpatschigen Fünfjährigen, wobei Tiffy die
wissbegierige, etwas altkluge Sechsjährige und Feli Filu als ihre gleichaltrige Freundin eher quirlig
und ausgelassen ist. Rumpel wiederum entspricht einem aufmüpfigen Kind, das ungern aufräumt,
seine Emotionen nicht zeigen möchte und anarchistisch wirkt. Mithilfe seiner Raupe Gustav sieht
der Zuschauer dann doch Rumpel`s fürsorgliche und gefühlvolle Seite (vgl. ebenda). Konflikte
werden immer von den Monstern selbst und aus eigener Kraft gelöst, indem sie die Situationen
durchleben, in denen sie lernen und sie lösen
(Bergwelt 2002, S. 4). Das ermutigt die
rezipierenden Kinder zum eigenen Tun und gibt ihnen Kraft und Vertrauen in ihre eigenen
Fähigkeiten. Pepe, der Zauberer, wird von den Kindern auch als ein Muppet eingestuft, obwohl er
von einem Erwachsenen gespielt wird (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Dies zeigt, dass die
Vermischung von Fantasie und Wirklichkeit in der Figur Pepe tatsächlich für die Kinder stattfindet,
das Zusammenleben der Menschen und Muppets in der Serie glaubhaft ist und sich die
Rezipienten mit Pepe identifizieren können (vgl. Abb. 59). Die jungen Rezipienten finden seinen
Charakter lustig und fühlen sich von ihm angesprochen.
„Er ist immer voller Energie, Elan und positiver Vorfreude. Obwohl seine Zauberkünste
vollkommen schief gehen, ist er dennoch immer begeistert. Er lässt sich nicht unterkriegen
und dieses positive Role-Modelling, diese Vorbildfunktion, wird von ihm so durchgängig
erfüllt, dass die Kinder sich sicher sein können, dass alles am Ende gut wird. […]
Das ist das Tolle an dieser Figur, dass sie letztendlich zeigt, wie man mit Fehlern auf eine
sehr humorvolle Art und Weise umgehen kann“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Mit seinen Stärken, seinen Schwächen, seiner Experimentierfreude und seinem positiven
Enthusiasmus fühlen sie sich ihm nah und sicher. Er agiert kindlich, aber nicht kindisch, daher
fühlen sie sich ernstgenommen und ihm gleichgestellt (vgl. Rogge 2002, S. 7). Zu Beginn der
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 150
einzelnen Sequenzen der Geschichten und bei wichtigen emotionalen Inhalten reden die Figuren
in die Kamera und sprechen so die Zuschauer direkt an (vgl. Bergwelt 2002, S. A1).
Abbildung 59
Pepe und Finchen248
„Das Sprechen in die Kamera ist nur für die Identifikationsfiguren, also die Muppets vorgesehen, die so die zuschauenden Kinder mit in ihre Welt entführen“ (ebenda).
Die menschlichen Erwachsenen in der Sesamstrasse wirken zwar nicht als Identifikationsfiguren,
aber können durchaus ein gelungenes und gleichberechtigtes Erwachsenenleben ohne
Stereotype vorleben. Als fester Bestandteil in der Straße ansässig sind Nils und Caro. Sie spielen
ein selbstbewusstes und emanzipiertes Paar, das gemeinsam einen Gemüseladen führt. Sie sind
nicht allwissend, aber können den Muppets durchaus als Ratgeber zur Verfügung stehen. Doch es
kommt auch vor, dass die Muppets sie darauf bringen, die Dinge aus einer anderen Sichtweise zu
sehen und sie alle gemeinsam auf eine überraschende Lösung kommen (vgl. Bergwelt 2002, S.
17). Sie sind tolerante Freunde, die als gleichberechtigte Partner der Muppets fungieren und ihnen
jederzeit zur Seite stehen.
KOMMENTAR
Die Muppets stehen in der Sesamstrasse als Identifikationssymbole der Rezipienten. Sie
entsprechen in ihrem Verhalten und ihrem Entwicklungsstand der Zielgruppe. Durch ihre positive
Grundhaltung und dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, werden auch die jungen Rezipienten
zu mehr Eigenständigkeit und Kreativität ermuntert. Die menschlichen Darsteller stehen für die
reale Welt der Erwachsenen, die für die Muppets als gleichberechtigte Freunde zu sehen sind. Sie
zeigen den Kindern ein offenes und tolerantes Miteinander. Die Akzeptanz des eigenen und des
anderen Geschlechts sowie der respektvolle Umgang untereinander werden hierbei vorgelebt.
Pferd und Wolle sind als Comedyfiguren keine Identifikationssymbole. Über ihre Ungeschicktheit
wird gelacht und die Rezipienten fühlen sich Ihnen voraussichtlich eher überlegen als
gleichgestellt. Das kann zur Förderung des Selbstbewusstseins der kleinen Zuschauer beitragen.
6.4.2.
Geschichten
Das Fernsehverständnis der Vorschulkinder steht im engen Zusammenhang mit ihren kognitiven
Fähigkeiten und sozialen Erfahrungen (vgl. Fischer 2000, S. 54). Die Qualität der Geschichten-
248
vgl. http://www.br-online.de/jugend/izi/text/rogge15_1.htm (02.11.02)
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 151
struktur und –inhalte sind für die Rezipienten wichtige Hilfe bei der Bewältigung ihrer
Entwicklungsaufgaben. Diese bestehen darin, mit anderen Menschen umzugehen und
Ereignisse einschätzen sowie beurteilen zu können. Außerdem müssen die Kinder ihre personale
und soziale Identität ausbilden. Emotionale Reaktionen auf Medienreize sind abhängig vom
kognitiven Entwicklungsstand des Kindes (vgl. Wilhelm 1997, S. 31). Das Fernsehverstehen
während der präoperationalen Phase hängt von linearen, einfachen Handlungssträngen ab (vgl.
Schumacher 1998, S. 49). Das Fernsehen nimmt verschieden Sinne gleichzeitig in Anspruch:
Sehen und Hören müssen miteinander verknüpft werden. Zudem sind Erzählmuster, Handlungsablauf und die damit verbundenen Botschaften schwer zu erfassen. Der innere Aufbau von
Szenen und deren Verknüpfung zu Handlungssträngen müssen von den Kindern nachvollzogen
werden können, um sie zu entschlüsseln (vgl. Theunert 1995, S. 46ff.). Geschichten und Personen
im Fernsehen werden hauptsächlich aufgenommen, wenn ein Bezug zum eigenen Ich entdeckt
wird. Daher ist es wichtig, Geschichten zu erzählen, die die kindliche Lebenswelt darstellt und in
denen sie sich wiederfinden können. Zwar gibt das biologische Alter nur Anhaltspunkte für den
Entwicklungsstand des Kindes, aber ist bei der Bearbeitung einer Vorschulserie trotzdem ernst zu
nehmen. Die natürliche Neigung in der Kindheit Geschichten nachzuahmen dient als
Kommunikationsauslöser und die Kinder nutzen häufig die Mediensymbolik, um latent Botschaften
vom eigenen Befinden oder ihrer Sorgen dadurch auszudrücken (vgl. Bachmair 1990, S. 128ff.).
So können die jungen Rezipienten durch das Fernsehen ihre Beziehungen und Interaktionen
untereinander bestreiten, bekräftigen und versinnbildlichen (vgl. Kübler 1998, S. 333). Das
Selbstverständnis des Kindes wird in großem Maße durch das Fremdverstehen gefördert, welches
z.B. beim Verstehen von Geschichten geübt wird. Durch das Beobachten von fiktiven
Geschichten, kann ein Mensch Handlungsmotive, Handlungssituationen und Handlungserfolge
beobachten. Demnach können Kinder auch Mithilfe von Fernsehgeschichten lernen, ihre eigene
Handlungssituation und eigene Handlungsmotive mit den Augen des anderen zu sehen (Charlton
2001b, S. 78). Das wiederum hilft bei der Ausbildung der Entwicklungsaufgaben. Eine Vielzahl an
Serien und Filmen greift daher Alltagserfahrungen auf und ermöglichen den Kindern
gefühlsmäßige Identifikationen. Die Sesamstrasse kann hierbei besonders hervorgehoben
werden, da der Ausgangspunkt für die Geschichten immer das kindliche Erleben ist und sie zudem
die magisch-fantastische Wirklichkeit der Vorschulkinder beinhaltet.
„Das Kind empfindet sich in der magischen Phase als eine Art Mischung aus
Wissenschaftler und Magier, aus Forscher und Künstler. Auf der einen Seite weiß das
Kind um reale Abläufe, weiß um Hintergründe vieler Dinge. Aber daneben gibt es – ganz
zwangsläufig – riesige Lücken, die das Kind mit eigenen Fantasien und selbst gestalteten
Überlegungen füllt“ (vgl. Rogge 2002, S. 3).
Die fantastischen Geschichten der Vorschulserie gehen konkret auf die magischen Fantasien
der Drei- bis Fünfjährigen ein.
„Speziell bei Dreijährigen ist es so […]: Wenn sie sich vorstellen, ein Ritter zu sein, sind
sie ein Ritter. Da gibt es keine Diskussion. Das haben wir bei den Geschichten
berücksichtigt.
Zuvor war es so, dass sich speziell in den Rahmengeschichten […] die Muppets nur vorgestellt oder geträumt haben, sie reisen zum Mond. Das hielten wir vor allem vor dem
geschilderten entwicklungspsychologischen Hintergrund für unfair. Wenn ich Finchen in
einer Geschichten auf dem Mond zeige, dann erleben wir das natürlich mit ihr und es ist
keine Vorstellung oder ein Traum.
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 152
Die Fantasie ist so real in dem Alter, dass ich nicht suggerieren muss, dass sie schlafen
oder träumen. Dann nehme ich die Wahrnehmungsrealität dieses Alters nicht ernst“
(Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Die Fünf- bis Sechsjährigen sehen die Welt teilweise schon realistischer, lassen sich aber auch
gern auf Fantasiegeschichten ein und genießen ihre Überlegenheit den kleineren Kindern
gegenüber um das reale Wissen, dass z.B. dass man nicht mit einer Orangenkiste auf den Mond
fliegen kann. Die Geschichten der Sesamstrasse löst jedoch diesen Konflikt zwischen den
verschiedenen Wissenstandpunkten der Rezipienten nicht auf, sondern lassen jedem Kind seine
eigene Wahrheit: „[…] beide Ansätze bleiben gleichberechtigt nebeneinander stehen“ (SchmidtBratzel 2002, Interview). Daher steht keiner der jungen Zuschauer nach der Sendung vor einem
unlösbaren Konflikt.
„Dabei geht es darum, Kinder in jeder Phase ihrer Entwicklung ernst zu nehmen mit ihren
Wünschen, Träumen und Allmachtsfantasien, sie nicht als eine Ansammlung von
Niedlichkeiten zu sehen, sondern als ein Riesenpotenzial an Möglichkeiten.
Kinder ernst zu nehmen heißt auch, die Kraft ihrer Fantasie ernst zu nehmen und dafür zu
sorgen, dass man diese Kraft nicht verbaut, sie nicht einseitig in eine intellektuelle
Richtung drängt, sondern sie ausbaut zu einer Fähigkeit, die Lust darauf macht, das
Leben zu gestalten“ (Bergwelt 2002, S. 1).
Die eigene Wahrheit jeden Alters wird demnach in der Sendung anerkannt und in den
Geschichten umgesetzt. Doch diese Fantasie, die für die Kinder wahrhaftig wird, kann auch
Ängste verursachen, wenn z.B. aus einem dunklen Schatten ein Geist wird (vgl. Rogge 2002, S.
4).
„Kinder sind den Objekten der Um- und Nahwelt niemals passiv ausgeliefert. Sie
entwickeln selbstbewusste und eigenständige Techniken, um sich der Wirklichkeit zu
stellen, sich mit ihr auseinander zu setzen. Kinder erfinden zum Beispiel Fantasiefiguren,
unsichtbare Gestalten, die eine Zeit lang Begleiter sind, um dann wieder aus ihrer Welt zu
verschwinden“ (ebenda).
Im Spiel können die Kinder diese bedrohlichen Eindrücke verarbeiten. Dabei können auch
Geschichten helfen. Dafür benötigen diese Geschichten aber das Vertrauen der Kinder und eine
gewisse Verlässlichkeit, z.B. in Bezug auf den Ablauf, die Protagonisten und der Dramaturgie.
KOMMENTAR
Die Sesamstrasse erfüllt dieses Vertrauen, das die Kinder erwarten und gibt mit ihren Geschichten
Anstoß zu Kreativität, Kommunikation und Ausbildung des Selbstvertrauens.
Das Geschichtenerzählen in der Sesamstrasse basiert auf der positiven Verstärkung (vgl.
Edelmann 1996, S. 114). Das bedeutet, dass der Lernprozess in der Geschichte damit erhöht
wird, dass ein positiver Verstärker eine gewünschte Auswirkung erzielt (vgl. Edelmann 1996, S.
124). Dieser Verstärker kann bei der Sesamstrasse z.B. ein Muppet oder auch ein anderer
Protagonist sein. Sie stellen ein Vorbild der Rezipienten dar und gelangen in den Geschichten
durch eine positive Grundeinstellung eher zu ihrem Ziel, als durch eine negative Einstellung. Die
Inhalte der Geschichten zeigen, dass negatives Denken schwächt und positives Denken dagegen
Kreativität fördert und Menschen motiviert (vgl. Bergwelt 2002, S. A8). Konflikte werden klar
lösungsorientiert erzählt und präsentieren die verschieden Herangehensweisen der unterschiedlichen Charaktere. Die Geschichten zeigen, dass „man sich trotz verschiedener Standpunkte und
Haltungen mögen und akzeptieren kann“ (ebenda). Auch im Umgang mit sog. `schwierigen
Themen`, z.B. Geschichten über Behinderte oder Ausländer, werden ganz selbstverständlich
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 153
eingebunden und der Umgang miteinander als normal und positiv dargestellt (vgl. Bergwelt 2002,
S. 2).
„Bei der Ausgestaltung der Geschichten ist es wichtig, die Ziele, die Kindern vermittelt
werden sollen, in eine anschauliche, emotionale, witzige Erzählweise zu packen“
(Bergwelt 2002, S. 30).
Um dem Wunsch der Kinder nach Spaß und Action entgegenzukommen wird in der neuen Staffel
der Sesamstrasse ein neues Comedy-Konzept eingesetzt.
6.4.3. Die Dramaturgie
Die Dramaturgiegestaltung der Sendung hat entscheidenden Einfluss auf die Wirkung bei Kindern
(vgl. Kapitel 5.1.2.). Die Magazinform der Sesamstrasse ermöglicht eine Wellendramaturgie, die
bei den Rezipienten regelmäßig zu Entspannungen führen und Kinder mit unterschiedlichen
Interessen, Erfahrungen und Wissen erreichen kann (vgl. Bergwelt 2002, S. 3). Jede Folge kann
autark verstanden werden, ist in sich schlüssig aufgebaut und endet immer mit einem Happy-End.
Für die Sendung werden folgende dramaturgische Aspekte beachtet (vgl. Bergwelt 2002, S. 2329):
1. Verlässliche Figuren
Die Muppets sind den Kindern vertraut und durch die archetypischen Charaktere sind sie für
sie leicht identifizierbar und durchschaubar. Sie nehmen die Sicht der Kinder ein und daher
fühlen sich die Rezipienten ihnen nahe.
2. Emotionales Erzählen
Emotionalität spielt in jeder Geschichte der Sesamstrasse eine tragende Rolle. Vorschulkinder
erleben das Fernsehen sowie Geschichten stark emotional. Daher werden die Geschichten
aus dieser Sicht erzählt und dargestellt. Die Protagonisten äußern ihre Gefühle durch Gestik,
aber auch verbal und benennen sie.
„Bei Emotionen ist es […] wichtig, sie explizit zu machen. Gefühle klar auszudrücken ist für
Kinder in dem Alter schwer und Erwachsene schaffen es meistens leider auch kaum“
(Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Ein Mittel, um Emotionen mit dem Publikum zu teilen, ist es, die Protagonisten direkt in die
Kamera sprechen zu lassen. Die Emotionen beinhalten natürlich auch die `negativen` Gefühle,
wie Angst oder Trauer. Diese werden von den Figuren in der Sendung auch dargestellt. Es
wird gezeigt, wie man neuen Mut schöpfen kann, wie man sich helfen oder trösten kann (z.B.
durch Sprüche oder Lieder) und dadurch an Stärke gewinnt.
3. Stringente Logik
Die Logik der Geschichte muss stimmig sein. Zwar kann sich die Logik der Sesamstrasse von
realen Gesetzmäßigkeiten unterscheiden, sollte dabei aber nicht unglaubwürdig erscheinen.
4. Klare Struktur
Die Struktur einer Geschichte sollte von den Rezipienten leicht nachvollziehbar sein und
immer den gleichen Ablauf haben:
a. Der Anfang (Ein auslösendes Moment, das den direkten Einstieg ins Thema
bringt.)
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 154
b. Die Mitte (Hier geht es darum, einen Weg bzw. eine Lösung zu finden für das
`Problem` bzw. den Konflikt der Geschichte. Dabei kann z.B. durch Slapstickgeschichten das `Problem` noch mehr ins Chaos getrieben werden.)
c.
Der Schluss (Das Happy-End wird ausgelöst. Optimal ist eine überraschende und
witzige Lösung.)
Der Ablauf einer Rahmengeschichte wurde in Kapitel 6.2.3. ausführlich dargestellt.
5. Packende Motivation
Die Motivation der Handlung sollte für die Kinder nachvollziehbar sein und gleichzeitig
spannend. Sie sollte die Neugier der Kinder wecken und ein vorantreibendes Element der
Handlung sein.
6. Happy-End
Mit dem Ende der Geschichte soll der emotionale Spannungsbogen, der während der
Handlung gezogen wird, geschlossen werden. Im Verlauf der Magazinsendung bedeutet das
auch, dass der Spannungsbogen am Ende jeden Teils des Ablaufs geschlossen werden sollte
oder zumindest in eine optimistische Richtung gelenkt werden soll (z.B. sagt ein Protagonist in
die Kamera: `Da wird uns schon noch was einfallen!`). Diese Häppchendramaturgie
ermöglicht den kleineren Kindern, sich von Inhalten zu distanzieren und somit zu entspannen.
7. In kleinen Schritten erzählen
Handlungen werden in kleinen, nachvollziehbaren Schritten erzählt. Vorschulkinder verstehen
es nicht, wenn mehrere Handlungsstränge nebeneinander oder hintereinander ablaufen.
Daher wird die Handlung dekonstruiert, d.h. dass ein Vorgang oder die Emotionsregung in
kleinste Teile zerlegt wird und dargestellt. Je genauer hier gearbeitet wird, desto näher ist man
an dem Erfahrungslevel der kleinen Kinder. Für die älteren Zuschauer wirkt es dagegen
komödiantisch. So erfüllt die Dekonstruktion zwei Seiten: Den Lerneffekt für die kleinsten
Rezipienten und Comedy für die älteren Kinder und die Erwachsenen (vgl. Schmidt-Bratzel
2002, Interview).
8. Wiederholung
Ein natürlicher Wunsch der Kinder ist der nach Wiederholung, das gibt ihren verschiedenen
Sinneseindrücken Zeit zur Koordinierung (vgl. Gangloff 2000, S. 34). Es steigert zudem das
Verstehen des Gesehenen und das Selbstbewusstsein, da die Kinder beim zweiten Sehen der
Handlung Dinge wiedererkennen können und ein Erfolgserlebnis empfinden (vgl. ebenda).
„Nehmen wir als Beispiel die Begeisterung, die Kinder zeigen, wenn sie etwas geschafft
haben. Aus Freude darüber können sie diese Tätigkeit wieder und wieder tun, fast so, als
wollten sie herausfinden, ob sie es wirklich können“ (Bergwelt 2002, S. 26).
Daher wird das Wiederholungsprinzip in die Geschichten der Sesamstrasse häufig eingebaut.
Überdies bietet es Platz für komödiantische Situationen.
9. Comedy
Da Kinder witzige Geschichten bevorzugen, sollen auch die Geschichten der Sesamstrasse
den jungen Rezipienten in erster Linie Spaß bereiten. Grundlage hierfür bilden z.B. Slapstickeinlagen, Physical Comedy, visuelle/sensorische Deplaziertheit, einfache Reime oder der
Einsatz von Überraschungselementen.
10. Dialoge
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
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Die Eigenschaften der verschiedenen Charaktere sollen sich auch in der Sprache
wiederfinden. Als einfache Wiedererkennungseffekte bieten Lautmalereien oder Redewendungen der Figuren ein `sprachliches Logo`: z.B. bei Wolle „Aha“, bei Rumpel „Rattabumbäng“ oder bei Pferd „Jou“. Grundsätzlich sollte aber die Sprache nicht das
handlungstreibende Element der Geschichten sein. Sie tragen sich durch das Geschehen im
Bild.
11. Interaktive Elemente
Um den Kindern ein emotionalere Ebene zu der Geschichte zu ermöglichen, bzw. das Gefühl
zu geben, in die Handlung einbezogen zu sein, schauen die Protagonisten gelegentlich direkt
in die Kamera. So können sie auch die Kinder ansprechen oder in ihre Problemlöseentwicklung persönlich einbeziehen. So haben die Rezipienten noch mehr Anteil bei der
Auflösung, fühlen sich mitverantwortlich und gehen gestärkt mit dem Happy-End aus der
Geschichte.
12. Musik/Songs
Die Songs werden hauptsächlich für die Vertiefung und Verdeutlichung emotionaler Zustände
genutzt (s.o. Nr. 2). Extreme Gefühlsäußerungen sind für kleinere Kinder oft schwer zu
verstehen und emotional für sich selbst einzuordnen. Ein Song kann dabei helfen, Emotionen
mehr spielerisch darzustellen. Auf dieser Ebene lassen sich `schwierige` Dialoge und
Situationen für Vorschüler einfacher verarbeiten. Es kann aber auch einfache Freude oder
Glück darstellen und so diese Gefühle besser sichtbar machen. Ein Lied ist dann
beschwingend, wenn es an ein bekanntes Kinderlied oder einen modernen Popsong
angelehnt ist. Das kann zudem für die Kinder oder Erwachsenen amüsant sein. Ein Beispiel
mit Tiffy macht diese Art von Humor sichtbar: Sie will ein Foto machen und singt `Klick – gleich
hab ich ein Bild` in der Melodie von Britney Spears
249
Hit `Oooops – I did it again`.
KOMMENTAR
Vergleicht man die dramaturgischen Schwerpunkte der Sesamstrasse mit denen aus Kapitel 5.1.2.
sind große Übereinstimmungen festzustellen. Die grundlegenden kindlichen Qualitätsansprüche,
nämlich die Überschaubarkeit und das ganzheitliche Erleben werden in der Sendung erfüllt. Aber
die Vielzahl der Protagonisten in den Rahmengeschichten sowie der Einspielfilme könnte für
einige Kinder unüberschaubar sein. In Rogge`s Untersuchung wird dies jedoch von den dort
rezipierenden Kindern nicht angemerkt. Sie scheinen die Figuren gut unterscheiden zu können
und legen ihr Augenmerk auf ihre Favoriten.
6.4.4.
Pädagogische Schwerpunkte
Die Redaktion der Sesamstrasse aktualisiert jährlich einen Lernzielkatalog, in dem kognitive,
emotionale, physische und soziale Lernziele der Sendung verzeichnet werden (vgl. SchmidtBratzel 2002, Interview). Unter entwicklungspsychologischen Aspekt werden hier Grundsätze der
Sendung ausgearbeitet:
„Zu wissen, was für Kinder im Vorschulalter wichtig ist, wie sie sich mit Dingen auseinandersetzen, was sie schon können, was sie gerade lernen, heißt, auf Geschichten
249
weltbekannter amerikanischer Popstar
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 156
übertragen, einen Ansatz dafür zu haben, für was sich Kinder interessieren, wie und womit
man sie fesseln kann“ (Bergwelt 2002, S. A10).
Bei der Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben sollen die Geschichten und Figuren der
Sendung helfen. Dabei steht das soziale Lernen vor dem Vermitteln von kognitiven Inhalten:
„Mittlerweile ist es weniger das kognitive Lernen sondern vielmehr das soziale Lernen, die
kulturelle Vermittlung von Werten und das emotionale Lernen, das gesamtgesellschaftlich
im Vordergrund steht“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Laut Lernzielkatalog will die Sendung Kinder motivieren, etwas über sich und andere Menschen zu
lernen (vgl. Bergwelt 2002, S. A13). Im Mittelpunkt der Geschichten stehen daher Freundschaft,
Konfliktlösung, Kooperation, Hilfsbereitschaft, Solidarität, Integration, Toleranz, Behinderungen
und Gruppensozialisation. Dabei sind Beziehungen innerhalb von Gruppen von großer Bedeutung,
ob Familie, Nachbarschaft, Kindergarten oder Freunde. Das soziale Verhalten kann durch
Geschichten gelernt und geübt werden. Die Wirkung von (Fernseh-) Geschichten auf die
kindlichen Sozialisations- und Lernprozesse ist unbestritten (vgl. Kapitel 5.2).
„Mit seinen Inhalten und Darstellungen transportiert es Botschaften, Werte und Normen
und prägt unsere Alltagserfahrungen“ (Herbert 1991, S. 209).
Auch der emotionale Aspekt wird im Lernzielkatalog bedacht. Die Sendung möchte Kinder dazu
ermutigen, zu den eigenen Gefühlen zu stehen und mit unterschiedlichen Emotionen adäquat
umgehen zu können (vgl. Bergwelt 2002, S. A10). Um mit den eigenen Emotionen oder denen von
anderen Menschen umgehen zu können, müssen die Vorschulkinder lernen, Gefühle zu erkennen
und selbst ausdrückt. Einfühlungsvermögen soll anhand von Beispielen in den Geschichten geübt
werden und Lösungsmöglichkeiten werden dargestellt. Dadurch sollen Kinder ein natürliches
Selbstvertrauen in sich selbst, ihre Gefühle und das Verhalten anderer bekommen. Der
physische Aspekt beinhaltet im Lernzielkatalog, dass die Rezipienten auf ihre Körperlichkeit
aufmerksam gemacht werden. Die Kinder sollen etwas über den eigenen Körper erfahren und ihn
als Ausdrucksform zu nutzen wissen (vgl. Bergwelt 2002, S. A17). So werden Sport und andere
körperliche Ausdrucksformen gezeigt, Körperpflege, Gesundheit, Ernährung und Zahnpflege
thematisiert. Auch die Verkehrserziehung wird unter dem physischen Aspekt erwähnt, da hier von
den kleineren Kindern nicht nur die Verkehrsregeln gelernt werden sollen, sondern auch die
technische Bewegungsabläufe. In einfachen Geschichten wird ihnen das Verhalten im
Straßenverkehr näher gebracht (vgl. Bergwelt 2002, S. A18). Bei dem kognitiven Aspekt des
Lernzielkatalogs handelt es sich hauptsächlich um typische Vorschulthemen, die besonders in den
Einspielfilmen (neben der Rahmenhandlungen) gezeigt werden. Darunter sind literarische
Bildungsinhalte wie Buchstaben, das Lesen, Reime, aber auch mediale Formen der Darstellung
wie die Vorstellung der Nutzung einer Bücherei oder des Computers (vgl. Bergwelt 2002, S. A20).
Hinzu kommen mathematische Grundlagen hinzu wie Zahlen, Aufzählungen, Maße oder
geometrische Figuren. Unter der Überschrift `Wissenschaft` werden zusätzlich einige Inhalte
benannt, wie etwa `Lebewesen` (z.B. werden Tiere, Pflanzen, Lebensprozesse wie Wachsen,
Atmen, Essen oder Sinne vorgestellt) oder `Unsere Umwelt`, in der z.B. Umweltschutz, Weltraum
und Jahreszeiten eine große Rolle spielen (vgl. Bergwelt 2002, S. A22). Ein weiterer und für
Kinder wichtiger Inhalt ist die Kunst. In der Sendung soll die Wertschätzung von Kunst, das
künstlerische Gestalten, die Musik sowie der Tanz und die Bewegung der Kinder gefördert werden
(vgl. Bergwelt 2002, S. A23f.). Als letzter Aspekt für die kognitiven Lerninhalte werden Sinne und
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 157
Wahrnehmung genannt. Diese sollen geschärft werden und die Kinder sollen dazu motiviert
werden, die Eigenschaften eines Objekts mit den entsprechenden Sinnesorganen zu erforschen
(vgl. Bergwelt 2002, S. A24). Auch auditive oder visuelle Unterscheidungsvermögen soll gezielt
trainiert werden, wie z.B. Geräusche, Tiere, Tonfolgen, Formen, Muster oder Positionen
wiederzuerkennen. Die jungen Rezipienten sollen ermutigt werden, Fragen zu stellen und zu
erkennen, dass sie damit weiterkommen und z.B. Informationen erhalten oder Probleme lösen zu
können. Auch das Zuhören kann dabei hilfreich sein. Klassifizierungen, Problemlösestrategien zu
entwickeln, Planungen, Voraussagen, Ursache und Wirkung oder auch Vorstellungsvermögen
sollen in der Sendung thematisiert werden (vgl. Bergwelt 2002, S. A25f.).
KOMMENTAR
Der Lernzielkatalog der Sendung beinhaltet viele verschiedene Aspekte der kindlichen
Entwicklung und des kindlichen Bedarfs. Grundsätzlich stellt er in der deutschen Kinderfernsehlandschaft eine erfreuliche Ausnahme dar. Die praktische Umsetzung des Lernzielkatalogs ist
hingegen – wie in vielen anderen Bereichen der Pädagogik auch – sicherlich nicht so einfach wie
das Festlegen der Punkte dieses Kataloges. Wie schon Rogge in seiner Wirkungsuntersuchung
der Sendung im Kindergarten festgestellt hat, sind aber die pädagogischen Schwerpunkte der
Sendung fast durchgehend positiv umgesetzt worden. Die Kinder nehmen die Sesamstrasse als
`ihre Sendung` auf, identifizieren sich mit den durchweg optimistischen Figuren, lernen von ihnen
und nehmen die Inhalte kreativ und aktiv in ihren Lebensalltag auf. Die nach Kapitel 5.1.
herausgearbeiteten Qualitätsanforderungen werden in großem Maße erfüllt. Auch der Wunsch
nach einem verlässlichen Sendeplatz wird weitestgehend eingehalten und gleich durch mehrere
Sendeplätze (z.B. N3, Ki.Ka, HR) unterstützt. Mit dem neuen Comedy-Konzept kommt die
Redaktion dem kindlichen Wunsch nach lustigen Programminhalten noch ein Stück näher. Somit
kann die Vorschulserie Sesamstrasse die verschiedenen Qualitätsansprüche von Eltern,
Pädagogen und Kindern befriedigen.
6.5. Weiterentwicklung und Perspektiven
Die Sesamstrasse gibt es nun mittlerweile dreißig Jahre im deutschen Fernsehen und sie hat sich
zu einem klassischen Kinderprogramm entwickelt, das die ältere und jüngere Generation
verbindet. Die Redaktion möchte diese generationsübergreifende Gemeinsamkeit in der Zielgruppe bündeln und die Sendung so als Familienprogramm etablieren. Auch die Geschichten,
die aus der Sicht der Kinder erzählt werden und verschiedene Themen beinhalten werden dafür
umstrukturiert.
„Ich glaube, wenn man konsequent Geschichten für Kinder erzählt, ist es auch unglaublich
interessant für Erwachsene. Sie erfahren etwas über Kinder und bekommen einen
Realitätszugang, den sie vielleicht schon verloren haben“ (Schmidt-Bratzel 2002,
Interview).
Um die Sesamstrasse zu einem gemeinsamen Familienhighlight werden zu lassen, wird auch das
neue Comedy-Konzept weiterentwickelt. Das Comedy-Duo Pferd und Wolle liefert demnächst
Satire, die sich auf erwachsene TV-Formate beziehen. Kinder kennen Talkshows und Comedy
hauptsächlich von Sendungen, die im Erwachsenenprogramm gezeigt werden. „Wolle und Pferd
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 158
sollen das Manko auf originell-parodistische Weise wettmachen“ (Ehrich 2002, S. 2). Parodien wie
„Wolle am Mittag“ – bezogen auf die Talkshow „Vera am Mittag“ – oder „Wetten, was...?“ – in
Anlehnung an „Wetten, dass...?“ oder eine Parodie auf die Nachrichten sollen kindgerecht und
humorvoll gestaltet werden (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Inhalte, die eigentlich für
Erwachsene interessant sind, sollen mit Kinderinhalten gefüllt werden:
„Ziel ist, eine Bildsprache abzugreifen, die im Moment Allgemeingut ist und sie Kindern
zuzuführen und für die ganze Familie spannend zu gestalten“ (Schmidt-Bratzel 2002,
Interview).
Es entstehen zudem neue eigenproduzierte Dokumentarfilmreihen, die in verschiedenen
Themenblöcken passend zu den Rahmengeschichten monothematisch ausgestrahlt werden. Das
sind z.B. Geschichten über Arbeitswelten der Erwachsenen oder Alltagsreportagen, in denen
250
Kinder begleitet werden bei dem Besuch eines Friseurs oder eines türkischen Barbiers.
Schmidt-Bratzel gibt einige Beispiele für die Neuproduktionen:
„Eine Reportagereihe über seltene Wölfe in Deutschland, eine Reportagereihe über Kinder
und ihre Lieblingstiere, außerdem entwickeln wir ein Animationsprojekt zur
Verkehrserziehung“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Auch Wolle und Pferd sind in den Dokumentarreihen im Einsatz und beobachten mit Kindern z.B.
die Wölfe im Tierpark (vgl. Ehrich 2002, S. 1). Die Szenen aus dem Leben der Wölfe werden
gedreht vom Tierfilmer Holger Vogt, der glaubt „Wölfe sind in der kindlichen Fantasie noch immer
besetzt als Monster schlechthin“ (zit. in: ebenda). Diesem Vorurteil möchte er mit seinen Langzeitbeobachtungen in einer zwölfteiligen Reihe der Sesamstrasse entgegenwirken. Aufgrund der
neuen monothematischen Struktur der Sendung setzt die Redaktion demnach auf die Zuordnung
verschiedener Themenblöcke, dazu gehören z.B. auch die Themen Kinder und Kunst, Farben
oder Emotionen.
„Wir haben vier Sonntage hintereinander z.B. das Thema Kunst. Davon verspreche ich
mir, dass man bestimmte Themenschwerpunkte bedient, tiefer eintauchen kann und eine
Sendewillkür vermeidet. Der Zuschauer kann sich gezielt heraussuchen, was ihn
interessiert“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Zudem sollen vermehrt die sog. `schwierigen` Themen an Kinder herangeführt werden. So wird
in Folge des 11. September 2001
251
eine Reihe produziert, die Themen wie Religion, Glauben und
Grundwerte beinhalten soll (vgl. Schmidt-Bratzel 2002, Interview). Dabei sollen die Kinder selbst
zu Wort kommen und von ihren Wünschen für die Welt und ihrem Glauben berichten. Nach den
grausamen Ereignissen des 11. September ist es nach Schmidt-Bratzels Meinung besonders
wichtig, wieder eine Selbstverständlichkeit der Begegnung zu finden. Die Vorschulkinder betrifft
dieses Thema, weil sie dieser Realität auseinandergesetzt sind. Sie müssen einen Weg finden,
diese Probleme zu verarbeiten (vgl. ebenda).
„Das Gesellschaftliche Umfeld und seine Veränderungen aufzugreifen, ist immer ein
großes Anliegen der Sesamstrasse gewesen“ (Schmidt-Bratzel 2002, Interview).
Dazu gehört für die Redaktion der Sesamstrasse auch, immer auf dem aktuellen Stand der
wissenschaftlichen Entwicklungen zu sein und gezielt pädagogische Beratung zu suchen.
250
vgl. http://www.br-online.de/inhalt/wir_ueber_uns/pressestelle/spezial/ 2002/7209/ (18.11.02)
Radikal-Islamische Terroristen sind am 11. September 2001 mit gekidnappten Passagierflugzeugen zeitgleich in die
zwei Türme des World Trade Centers in New York und in das Pentagon in Washington geflogen. Dabei sind Tausende von
Menschen ums Leben gekommen.
251
6. Die Vorschulserie Sesamstrasse
Seite 159
„Grundsätzlich halte ich das für wichtig im Austausch mit Wissenschaftlern wie
Pädagogen, Soziologen usw. zu stehen. Wir möchten wissen, wie sich Kindheit verändert
und informiert sein über entwicklungspsychologische Diskussionen“ (Schmidt-Bratzel
2002, Interview).
Ein grundsätzliches Ziel der Sendung soll zudem sein, über die Sesamstrasse hinaus aktiv ins
Leben zu führen. Anregungen zu Kreativität und Aktivität gibt daher der Schlusstext des
Sesamstrassen-Liedes:
„Malen, Pinseln, Streichen, Schmieren, rauf und runter, kreuz und quer. Mal was Neues
ausprobieren, Selbermachen ist nicht schwer.
Heut habt ihr genug gesehen, Sesamstrasse ist jetzt aus. Wozu habt ihr Kopf und Hände?
252
Denkt euch selber mal was aus!“
Am 8. Januar 2003 wird die Sesamstrasse dreißig Jahre alt und zeigt in einer Sondersendung eine
Mischung aus den deutschen und amerikanischen Klassikern und neueren Produktionen. Zudem
werden im Jubiläumsjahr viele Aktionen nicht nur im Fernsehen stattfinden: Geburtstagspartys
auf zehn bundesdeutschen Bahnhöfen, ein ARD-Kinderfest wird die Medienhelden den Kleinen
live näher bringen, ein Sesamstrassen-Mobil ist unterwegs und Feli Filu wird vor Ort Prominente
besuchen und sie im Namen der Kinder interviewen (vgl. Ehrich 2002, S. 2).
KOMMENTAR
Das 30. Jubiläum der Sesamstrasse wird ausgiebig gefeiert und soll natürlich nebenbei weitere
und neue PR für das Vorschulmagazin und dessen Nebenprodukte erreichen. In Hinblick auf die
Qualitätsmerkmale der Sendung und die positive Wirkung der Geschichten auf die Kinder ist dies
tatsächlich wünschenswert. Zwar werden Nebenerscheinungen wie etwa das Merchandising oft
von Eltern und Pädagogen als Problem angesehen, doch ist diese `sensible Vermarktung` der
Produkte noch nicht als Gefahr für die Kinder anzusehen. Wenn die Sendung weiterhin Aktualität
gewährleistet und den Wünschen der Kinder und ihrer Lebensumwelt entspricht, kann sie auch
noch in 30 Jahren vor ihren eigenen Ansprüchen und dem des Fernsehmarktes bestehen. Im
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel werden sich diese Ansprüche und Anforderungen
generell noch verschieben bzw. verändern. Der pädagogische Auftrag liegt in der steten
Begleitung der Sendung, Beachtung entwicklungspsychologischer Forschungsergebnisse und
weiterer qualitativer, aber auch quantitativer Wirkungsuntersuchungen.
252
vgl. http://www-user.rhrk.uni-kl.de/~einsfeld/projekt.html (23.06.02)
7. Zusammenfassung und Ausblick
Seite 160
7. Zusammenfassung und Ausblick
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, mögliche Diskrepanzen zwischen dem hohen Anspruch des
Kinderfernsehens und dem entgegenwirkenden Quotendruck der Fernsehverantwortlichen
aufzuzeigen.
Das
Kinderfernsehen
ist
eng
gebunden
an
die
Geschichte
Deutschlands
und
die
Gesellschaftsentwicklung der Bundesrepublik. Seit der Zulassung des dualen Rundfunksystems
hat sich der Kinderfernsehmarkt bedeutend geändert. Die stetige Zunahme von Fernsehkanälen
sowie die organisatorischen Änderungen innerhalb der Branche wirken sich stark auf den heutigen
Kinderfernsehmarkt aus.
Die Einschaltquote ist das wesentliche Mittel, um den Erfolg einer Sendung quantitativ zu
ermitteln und somit das einzige Argument der Werbewirtschaft, den Preis der Fernsehwerbung
innerhalb einer bestimmten Programmstrecke festzulegen. Auch die Zielgruppenforschung bedient
sich dieses Maßes. Ob die öffentlich-rechtlichen oder die privaten Sender, sie müssen alle die
Quote berücksichtigen: Auch im Kinderprogramm werden daher quotenschwache Sendungen
abgesetzt
253
. Mehrere Privatsender wie etwa Nickelodeon gaben das Kinderprogramm gänzlich
auf oder verschoben zielgruppenrelevante Sendungen auf das Familienprogramm, in dem Werbeunterbrechungen zulässig sind. Im Kinderfernsehen wird Werbung wegen der strikten
gesetzlichen Bestimmungen lediglich indirekt und latent eingesetzt. Eine dieser Werbeform ist das
Merchandising, das eine Lücke zwischen den restriktiven Vorschriften über Werbung im
Kinderfernsehprogramm und der werbetreibenden Wirtschaft füllt. Zwar gab es schon Mitte der
1970er Jahre das Geschäft mit den Nebenlizenzen von Fernsehfiguren, doch ist es nicht
vergleichbar mit dem strategischen Merchandising der heutigen Zeit.
Das ökonomische Anliegen geht soweit, dass mittlerweile auf die inhaltliche Gestaltung und
somit auf die Qualität von Kinderprogrammen Einfluss genommen wird. Ganze Fernsehserien
werden nur zu dem Zweck erschaffen, um Gameboys, Computerspiele oder ganze Spielwelten zu
vermarkten wie im Fall vom Pokémon. Kinderfernsehen heute ist gebunden an die Bedingungen
des Marktes. Selbst die öffentlich-rechtlichen Sender können sich nicht diesen marktwirtschaftlichen Realitäten entziehen. Die Kommerzialisierung der Kinderkultur und ein enormer
Werbedruck auf die jungen Zuschauer ist eine Folge dieser Entwicklungen. Durch die
grundsätzlich anders strukturierte Organisation der privaten und der öffentlich-rechtlichen
Fernsehanstalten ergeben sich verschiedene Voraussetzungen des ökonomischen Handlungsspielraums und des Programmanspruchs. Private Sender decken Ihren Finanzbedarf ausschließlich durch Werbeeinnahmen und private bzw. institutionelle Investoren und sind gewinnorientiert.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hingegen werden hauptsächlich durch die sog.
Rundfunkgebühren finanziert. Einnahmen aus der Werbung sind zwar eine wichtige aber
sekundäre Finanzquelle. Die Rundfunkgebühren begründen sich aus dem vom Bundesgerichtshof definierten Grundversorgungsanspruch der Bevölkerung.
253
z.B.: ZDF: mittendrin, Komm Puter; ARD: Moskito, Vorstadtkrokodile; RTL: Li-La-Launebär; Sat.1: Quärbeet (vgl.
Erlinger 1995, S. 583ff., 621ff., 633ff.).
7. Zusammenfassung und Ausblick
Daher
besteht
in
der
Seite 161
Öffentlichkeit
insbesondere
hinsichtlich
der
öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten die Erwartung auf ein differenziertes und qualitativ anspruchsvolles Kinderfernsehen. Für die Kinderprogrammverantwortlichen bedeutet dies häufig eine feine Gratwanderung zwischen der Qualität und der zu erwartenden Zuschauerquote. Dabei ist es schwer,
Qualität universal festzulegen. Die Kinder erwarten teilweise andere Inhalte als ihre Eltern oder
Medienpädagogen. Aus der Sicht der Eltern soll das Programm lehrreich und gewaltlos sein, die
Kinder bevorzugen überwiegend actionreiche Inhalte und sehen gern Zeichentrickserien, die nicht
immer gewaltfrei sind. Pädagogen erwarten umfangreiche Programmgenres und Alltagsgeschichten aus der Lebenswelt der Kinder, die Orientierung und Identifikationsmuster bieten. Das
Vorschulmagazin Sesamstrasse ist beliebt bei den Kindern, Eltern und Pädagogen gleichermaßen und weiß sich auf dem deutschen Kinderfernsehmarkt zu behaupten. Inhaltlich überzeugt
die Sendung mit kindgerechten Geschichten Comedy, Information und ausgereiften Identifikationsfiguren. Der ökonomische Erfolg der Sendung ist der sensiblen Vermarktungsstrategie zu
verdanken, die von der Redaktion extern verlagert ist. Deutsche Kindersendungen können
demnach tatsächlich erfolgreich und pädagogisch wünschenswert sein. Differenzierte Angebote
für unterschiedliche Altersgruppen, Geschlechter und Lebenswelten sind dabei vonnöten.
Der Ki.Ka bietet dafür eine erste werbe- und gewaltfreie Programmfläche. Trotzdem könnte die
Entlastung, die sich Eltern davon erhoffen, trügerisch sein. Der Spartenkanal könnte sich gerade
durch sein teilweise für Kleinkinder angebotenes Programm in Richtung „Babysitter-Kanal“ (Urban
1997, S. 113) entwickeln. Erwachsene sollten sich dabei nicht aus ihrer Verantwortung entlassen
fühlen. Für die Programmverantwortlichen bei ARD und ZDF bietet der Ki.Ka schon jetzt eine
`Alibifunktion`. Ihr Kinderprogramm wird schrittweise auf den Spartensender verlagert. Es wird sich
in naher Zukunft zeigen, ob sich überhaupt noch Kinderprogramme auf den Vollprogrammkanälen
der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten etablieren können. Bisher bieten sie – auch durch die
Einführung des Ki.Ka – den Kindern eine größere Genrevielfalt an mit Informationssendungen und
Magazinen.
Das Angebot der kommerziellen Sender für die Kinder zeichnet sich hauptsächlich durch
Zeichentrickserien aus. Einzige positive Ausnahme ist der Privatsender Super RTL, der ein
vielfältiges Kinder- und Familienprogramm anbietet. Eltern verbinden mit Zeichentrickserien meist
negative Assoziationen, z.B. dass Kinder aggressiv werden könnten. Doch ist es nicht berechtigt,
dem Fernseher eine `Sündenbockfunktion` zuzuweisen. Aggressives und regressives Verhalten
der Kinder begründet sich vornehmlich in sozialen Faktoren ihrer Lebensumwelt. Wenn sie
vernachlässigt fühlen, schürt das Depressionen. Werte sowie Selbstbewusstsein können sich nicht
entwickeln. Für abweichendes Verhalten kann das Fernsehen als alleiniger Verursacher nicht
verantwortlich gemacht werden.
Insgesamt kann man in Deutschland von einer Fernsehkultur sprechen, die sich schon längst mit
der Quote, dem Werbemarkt und der Qualitätsdiskussion arrangiert hat. Vielleicht wäre es für
einige Eltern oder Pädagogen wünschenswert, wenn Kinder in einem medialen „Schonraum“
aufwachsen
könnten.
Kinder
brauchen
besonders
im
Kleinkindalter
tatsächlich
direkte
Erfahrungen mit ihrer Umwelt und persönliche, menschliche Beziehungen für ihre soziale und
kognitive Entwicklung. Kein Fernseher kann das ersetzen. Trotzdem werden die Kinder früher
7. Zusammenfassung und Ausblick
Seite 162
oder später mit dem Medium Fernsehen in Berührung kommen und Interesse daran zeigen.
Familien, die eine fernsehfreie Erziehung bevorzugen, werden trotzdem mit dem Medium
Fernsehen konfrontiert. Entweder durch den Kindergarten, die Schule oder Freunde werden das
Interesse und die Neugier an diesem Medium wecken. Der Großteil der Familien in Deutschland
möchte jedoch nicht auf das Bildschirmmedium verzichten.
Bei der Erziehung sollten Familien sich daher zu arrangieren wissen. Die Einschränkung des
Fernsehkonsums spielt in der Erziehung eine große Rolle. Der Fernseher sollte nicht als
Druckmittel oder als Belohnung dienen, da dies den Wert des Mediums grundlos erhöhen würde.
Das TV-Gerät sollte in die Erziehung integriert und in den Familienalltag und –organisation
aufgenommen werden. Die Eltern müssten besonders ihr eigenes Fernsehverhalten reflektieren
und an ihre Vorbildfunktion denken. Sie sollten Partner der Kinder bei der Rezeption und im
Umgang mit dem Medium sein, sie beobachten und ihr Verhalten zu interpretieren wissen.
Die Informationsgesellschaft ist mitsamt seiner Informationsflut und individueller Rezeptionsmöglichkeiten beim Fernsehzuschauer des 21. Jahrhundert angekommen. Interaktives und
rückkanalfähiges Digitalfernsehen wird bald in Deutschland flächendeckend eingeführt sein. Das
Internet wird sich weiterhin als individueller Informationskanal etablieren. Das wird künftig eine
noch größere Herausforderung an den Jugendschutz darstellen. Kinder wachsen in dieser
Mediengesellschaft ganz selbstverständlich auf und nutzen die Angebote, die sich ihnen bieten.
Spartenkanäle werden sich noch weiter ausbreiten und das individuelle Programm für jede
Zuschauergruppe bieten
In der Debatte um die Qualität im Kinderfernsehen schlagen sich die Welt- und Lebensdeutungen
der Erwachsenen nieder. Kinderfernsehen kann daher als Stellvertreter einer neuen, von
Medienexperten ausgelösten Wertediskussion angesehen werden. Erziehung, Verantwortung und
Öffentlichkeit treffen sich in diesem Thema und weisen auf veränderte Normen und Grundwerte
der Gesellschaft hin. Daher kann angenommen werden, dass die Diskussion um die Qualitätskriterien für das Kinderfernsehen künftig die Chance bietet, die Qualitätsdebatte um die allgemeine
Fernsehprogrammgestaltung in Deutschland anzuregen.
Kinder werden sich in der Welt der Fernsehmedien zurechtfinden, wenn die Erwachsenen ihnen
helfen, alle Facetten des Lebens zu erforschen und ihnen die Möglichkeit geben, in einer
Lebensumwelt aufzuwachsen, die ihnen Vertrauen und Selbstbewusstsein vermittelt.
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http://rhein-zeitung.de/on/02/01/28/magazin/news/sesamstrasse.html (04.03.02)
http://www.rumpelonline.de (23.06.02)
http://www.Sesamstrasse.de (21.08.02)
http://www.sesameworkshop.org (21.08.02)
http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/Medienzentrum/zmm-news/ (02.10.02)
http://www-user.rhrk.uni-kl.de/~einsfeld/projekt.html (23.06.02)
http://www.wer-wie-was.de (22.09.02)
Sesamstrasse Live:
http://www.sesamstrasse-live.de (10.07.02)
http://www.sesamstrasse-live.de/backstage.html (10.07.02)
http://www.sesamstrasse-live.de/faq.html (10.07.02)
http://www.sesamstrasse-live.de/news/galerie.html (10.07.02)
http://www.sesamestreetlive.com (10.07.02)
http://www.taz.de/pt/2001/12/21/a0233.nf/text (10.07.02)
http://www.fe-factory.de/ (10.07.02)
Sponge Bob:
http://.super-rtl.de (13.09.02)
Statistisches Bundesamt:
http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoegra2.htm (01.09.01)
Seite 182
8. Literatur
http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm1999/p4350024.htm (01.09.01)
Super Toy Club:
http://www.grundy-le.de/seiten/shows/02_005_001.html
(13.09.02)
Super RTL:
http://.super-rtl.de(13.09.02)
Teletubbies:
http://www.tvshows.de/teletubbies/tubby-gallery3/gallery.html (30.05.01)
Toys`R`us:
http://www.rtl.de/rtlworld.html (01.07.01)
http://www.toysrus.de (23.06.01)
http://www.toysrus.de (03.09.02)
WDR-Kinderfernsehen-Leiter:
http://www.wdr.de/pressestelle/20000529c.html (20.05.01)
ZDF Organisation:
http://www.zfd.de/ZDFde/.html(12.08.02)
Seite 183
Anhang
Seite 184
Anhang
Glossar der Autoren
Albers, Margret: Geschäftsführerin der Stiftung Goldener Spatz und Leiterin des Deutschen
Kinder-Film & Fernseh-Festivals.
Appelhoff, Mechthild: M.A., Referentin in der Abteilung Programme, Bereich Forschung und
Programmgrundsätze, Landesmedienanstalt für Rundfunk Nordrheinwestfalen.
Aufenanger, Stefan: Prof. Dr. Aufenanger ist Diplom-Pädagoge und promovierter Soziologe. Seit
1993 Professor für Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg.
Baacke, Dieter: Erziehungswissenschaftler, Hochschulprofessor der Universität Bielefeld und seit
1997 Vorsitzender der GMK bis zu seinem Tod 1999.
Bachmair, Ben: Professor für Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik an der Universität
Kassel. Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaft / Humanwissenschaft.
Bartram, Angelika: Headautorin der Vorschulserie Sesamstrasse, Studio Hamburg.
Beckmann, Frank: Programmgeschäftsführer des Ki.Ka in Erfurt.
Bergwelt, Bettina: Produktionsleiterin der Vorschulserie Sesamstrasse, Studio Hamburg.
Best, Petra: Kommunikationswissenschaftlerin und seit 1990 wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Institut Jugend Film Fernsehen (JFF).
Cippitelli, Claudia: Soziologin und Medienwissenschaftlerin, Leiterin des Fachreferats „Hörfunk
und Fernsehen“ im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Frankfurt.
Czaja, Dieter: Jugendschutzbeauftragter bei RTL in Köln und Vorsitzender (des Vorstands) der
FSF in Berlin sowie Präsidiumsvorsitzender der Stiftung Goldener Spatz in Erfurt.
Draeger, Thomas: Regisseur und Produzent für Kinderfilme.
Eder, Sabine: Leiterin des Blickwechsel e.V. – Verein für Medien- und Kulturpädagogik in
Göttingen.
Erlinger, Hans Dieter: Professor für Didaktik der deutschen Sprache an der Universität-GHSiegen und war von 1989-97 Leiter des Teilprojektes „Kinderfernsehen und der Markt der 90er
Jahre“ des DFG-Sonderforschungsbereichs 240 „Bildschirmmedien“.
Esser, Kerstin: Frau Dr. Esser promovierte an der Universität Siegen im Sonderforschungsbereich 240: Bildschirmmedien.
Feierabend, Sabine: Sie ist Medienwissenschaftlerin und seit 1995 Referentin der
Medienforschung beim SWF/SWR sowie Leiterin der Geschäftsstelle des Medienpädagogischen
Forschungsverbundes Südwest.
Gangloff, Tilmann P.: Gangloff ist Diplom-Journalist und arbeitet als Medienjournalist für
Fachzeitschriften (epd medien, werben & verkaufen, medien & erziehung) sowie für Tages- und
Wochenzeitungen. Seit 1990 Mitglied der Jury für den Adolf Grimme Preis und anderen Fachjurys
für Film- und Fernsehpreise.
Göhlen, Joseph: Leiter der Abteilung „Kinder und Jugend“ beim ZDF von 1973 bis 1985.
Götz, Maya: Frau Dr. Götz ist Medienwissenschaftlerin am Internationalen Zentralinstitut für das
Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI). Ihr Hauptarbeitsfeld ist die Forschung im Bereich
Kinder/Jugendliche und Fernsehen.
Gottberg, Joachim von: Seit 1994 Geschäftsführer der FSF in Berlin.
Grewening, Siegmund: Redaktionsleiter der Gruppe Kinderfernsehen beim WDR.
Groebel, Jo: Professor Dr. Jo Groebel ist Direktor des Europäischen Medieninstituts in
Düsseldorf, besitzt einen Lehrstuhl für Medienpsychologie an der Universität Utrecht, ist Präsident
der Niederländischen Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft (VSOM) und Autor für Die
Zeit und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Anhang
Seite 185
Haase, Jürgen: Regisseur und Produzent für das Fernsehen. Er besitzt diverse Lehraufträge und
Gastprofessuren u.a. in Hamburg und Berlin.
Hengst, Heinz: Dr. Hengst ist Professor für Sozial- und Kulturwissenschaft an der Hochschule
Bremen, Fachbereich Sozialwesen. Mitglied des Instituts für Popular- und Kinderkultur an der
Universität Bremen. Arbeitsschwerpunkte: Kindheit, Kinderkultur und Generationenverhältnis.
Herr, Axel: Diplom-Betriebswirt und Geschäftsführer von Nintendo Deutschland.
Jörg, Sabine: Dr. phil., Dipl.-Psych. Jörg ist freiberufliche Medienforscherin und Autorin.
Klingler, Walter: Seit 1995 Leiter der Abteilung Unternehmensplanung / Mediaforschung des
Südwest-deutschen Rundfunks.
Kübler, Hans-Dieter: Prof. Dr. Kübler ist tätig am Fachbereich Bibliothek und Information,
Publikations-, Medien- und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Hamburg, zudem
Privatdozent am Institut Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik an der Universität
Münster und Vorstandsmitglied der GMK.
Lenssen, Margrit: Lehrbeauftragte am Fachbereich Medienpädagogik an der Universität Leipzig
und Mitarbeiterin der ZDF-Kinderredaktion.
Löhr, Paul: Redakteur und Leiter des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und
Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayrischen Rundfunk, München.
Meiser, Hans: Produzent und Filmmanager. Studierte Germanistik, Geschichte und
Kunstgeschichte. Bekannt wurde H. Meiser als Moderator bei RTL u.a. in einer der ersten täglichen Talkshows.
Mikat, Claudia: Freiberufliche Medienpädagogin sowie Dozentin an der Universität Göttingen.
Seit 1994 leitet sie die Geschäftsstelle der FSF in Berlin und nimmt regelmäßig Lehraufträge für
Medienpädagogik an der Freien Universität Berlin an.
Moser, Heinz: Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Münster und
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Pestalozzianum in Zürich.
Müller, Susanne: Susanne Müller war als leitende Redakteurin beim ZDF u.a. für die Entwicklung
von logo verantwortlich und später gemeinsam mit Gert K. Müntefering und Ernst Geyer
maßgeblich an der Konzeption vom öffentlich-rechtlichen Kinderkanal beteiligt. Ab 1992 ist sie
Leiterin der Redaktion „Kinder I“ beim ZDF.
Mundzeck, Heike: Journalistin.
Müntefering, Gert: Programmbereichsleiter des Tagesprogramme-Fernsehen beim WDR.
Neuß, Norbert: Medienpädagoge und Akademischer Rat an der Pädagogischen Hochschule in
Heidelberg. Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Blickwechsel e.V., Verein für
Medienpädagogik.
Nikken, Peter: Dr. Nikken studierte Psychologie und Massenkommunikation. Sein Doktorthema
war „Qualitätsstandards für Kinderfernsehprogramme“. Er ist Initiator des holländischen
Expertenzentrums für Jugend & Medien (Expert center on Youth & Media).
Paetow, Angelika: Leiterin der Abteilung `Kinder und Familie` des NDR in Hamburg,
verantwortlich u.a. für Serien wie Sesamstrasse und Pfefferkörner.
Patzlaff, Rainer: Dozent am Seminar für Waldorfpädagogik, Stuttgart. Vorher wissenschaftlicher
Assistent an der Freien Universität Berlin.
Paus-Haase, Ingrid: s. Paus-Hasebrink.
Paus-Hasebrink, Ingrid: PD Dr. Paus-Hasebrink (ehemals Paus-Haase) ist an der Universität
Bielefeld Lehr-beauftragte in der Fakultät Pädagogik. Schwerpunkt: Kinder und Medien.
Peek, Rainer: Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der
Universität Hamburg.
Postman, Neil: Prof. Postman ist Lehrbeauftragter am Department of Culture and Communication
in New York.
Platter, Enrico: Leiter der Programmgruppe „Kinder und Jugend“ beim WDR.
Anhang
Seite 186
Rogge, Jan-Uwe: Dr. rer. soz. Rogge ist freiberuflicher Medienforscher, Familien- und Kommunikationsberater. Mitglied der Gesellschaft für Kommunikation und Medien mbH.
Rosenbaum, Uwe: Vorstandsmitglied im Förderverein deutscher Kinderfilm und Kuratorium
junger deutscher Film. Leiter der Hauptabteilung `Bildung, Familie, Wissenschaft, Fernsehspiel
und Unterhaltung` des SFB.
Saldecki, Dieter: Redakteur im Kinderprogramm des WDR.
Schächter, Markus: Seit März 2002 Intendant des ZDF (Nachfolger von Dieter Stolte). Seit 1981
beim ZDF tätig und von 1985 bis 1992 Redaktionsleiter "Kinder und Jugend". Danach Leiter der
Hauptredaktion Programmplanung und Programmdirektor des ZDF.
Schäfer, Albert: Ab 1992 ist er Leiter der Abteilung „Kinder II“ des ZDF. Albert Schäfer ist heute
Geschäftsführer des Ki.Ka von ARD und ZDF.
Schäfer, Dina: Lektorin im Lektoratsbüro Hille & Schäfer für den Bereich Musik, Pädagogik,
Bilder-, Kinder- und Jugendbücher in Freiburg.
Schmidt-Bratzel, Anke: Seit 1998 beim NDR in Hamburg Redakteurin und seit 2000
Redaktionsleiterin der Sesamstraße sowie Programmverantwortliche für andere Kindersendungen
(z.B. Die Kinder vom Alstertal).
Schmit, Claude: Geschäftsführer von Super RTL in Köln.
Schulte-Markwort: Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf. Im Auftrag des Sterns führte er mit Claus Barkmann 2001 eine
repräsentative Studie über dir psychische und körperliche Gesundheit der Vier- bis 18-Jährigen
durch.
Schorb, Bernd: Prof. Dr. Schorb hat einen Lehrstuhl an der Universität Leipzig, Fachbereich
Medienpädagogik, Zentrum für Kommunikations- und Medienwissenschaft.
Schwanebeck, Axel: Dr. phil. Dipl.-Päd. Schwanebeck ist Medienpädagoge und Journalist.
Sutter, Tilman: PD Dr. Sutter ist an der Universität Hamburg im Institut für Soziologie
Lehrbeauftragter.
Theunert, Helga: Dr, Theunert ist Leiterin der Abteilung Forschung im Institut Jugend Film
Fernsehen (JFF) in München.
Tulodziecki, Gerhard: Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaft der UniversitätGesamthochschule Paderborn.
Urban, Andrea: Leiterin der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen, Sprecherin der
Jugendschutzsachverständigen bei der FSK, Kuratoriumsvorsitzende der FSF.
Winterhoff-Spurk, Peter: Prof. Dr. Winterhoff-Spurk ist Professor für Organisations- und
Medienpsychologie an der Universität des Saarlandes.
Anhang
Seite 187
Abkürzungsverzeichnis
Abb.:
Abs.:
AGF :
AIDS:
ALM:
ARD:
Art.:
ARTE:
Aufl.:
BBC:
bes.:
Bez.:
BLM:
BMBW:
BPjS:
BR:
BWT:
bzw.:
ca.:
CD:
CD-ROM:
CSSR:
CTW:
d-box:
dctp:
DDR:
d.h.:
DLM:
DM:
dpa:
Dr.:
ebd.:
EG:
engl.:
E-Mail:
epd:
ERIC:
EU:
e.V.:
EWG:
FSF:
FSK:
gem.:
GEMA:
GEZ:
GfK:
GG:
GjS:
GmbH:
GMK:
HIV:
HR:
Hrsg.:
Internet:
Abbildung
Absatz
Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung
Acquired Immune Defiency Syndrome (Erworbenes Immunschwäche-Syndrom)
Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland
Artikel
Association Relative à la Telévision Européenne
Auflage
British Broadcasting Corporation (britische
Rundfunkgesellschaft)
besonders
Bezeichnung
Bayrische Landeszentrale für neue Medien
Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften
Bayrische Rundfunk
Best Water Technology AG Germany
beziehungsweise
circa (etwa)
Compact Disc
Compact Disc-Read only Memory
Tschechisch-Slowakische sozialistische Republik
Children`s Television Workshop (USA) / Heute: Sesameworkshop
Databox
Development Company for Television Programs
Deutsche Demokratische Republik
das heißt
Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten
Deutsche Mark
Deutsche Presse-Agentur
Doktor
ebenda
Europäische Gemeinschaft
englisch
Electronic Mail
Evangelischer Pressedienst
Educational Resources Information Center
Europäische Union
eingetragener Verein
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen
Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft
gemäß
Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische
Vervielfältigungsrechte
Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der
Bundesrepublik Deutschland
Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e.V. (Growth of
Knowledge)
Grundgesetz
Gesetz über die Verbreitung jugend-gefährdender Schriften
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (in Bielefeld)
Human Immune Deficiency Virus (menschliches Immundefekt-Virus)
Hessischer Rundfunk
Herausgeber
International Network
Anhang
IP:
IZI:
Jh.:
JFF:
jmd.:
JMStV:
JÖSchG:
JuSchG:
KDLM:
KEF:
KEK:
KG:
Ki.Ka:
KIM:
KJM:
KVA:
LfR:
LRG:
LRR:
MA:
MAZ:
MDR:
merz:
Mio:
mpfs:
Mrd.:
MTV:
NDR:
NET:
NLM:
NS:
NWDR:
o.:
o.ä.:
ODR:
o.g.:
ORB:
PAL:
PAY-TV:
PBS:
PC:
PIN:
PR:
RB:
RIAS Berlin:
RTL:
RStV:
s.:
S.:
SBS:
SDR:
SFB:
SMS:
SNCC:
s.o.:
Seite 188
Impact (IP Deutschland: Vermarktung von Werbezeiten und –flächen in elektronischen Medien)
Internationales Zentralinstitut für Jugend- und Bildungsfernsehen
Jahrhundert
Institut Jugend Film Fernsehen
jemand
Jugendmedienstaatsvertrag (voraussichtlich ab April 2003)
Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit
Jugendschutzgesetz (voraussichtlich ab April 2003)
Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten
Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der
Rundfunkanstalten
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich
Kommanditgesellschaft
Kinderkanal der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF
Kinder- und Jugendmedien-Studie
Kommission für Jugendmedienschutz (Aufsicht für Fernsehen und Internet,
voraussichtliche Gründung: April 2003)
Kids Verbraucher Analyse
Landesanstalt für Rundfunk
Landesrundfunkgesetz
Landesrundfunkrat
Media Analyse
Magnetische Bildaufzeichnung (das Band selbst wird auch als MAZ bezeichnet)
Mitteldeutscher Rundfunk
Medien + Erziehung (Zeitschrift)
Millionen
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest
Milliarden
Music Television
Norddeutsche Rundfunk
National Educational Television (USA)
Niedersächsische Landesmedienanstalt
Nationalsozialismus, nationalsozialistisch
Nordwestdeutscher Rundfunk (ein Dreierbund zwischen Hamburg, Köln und
Berlin)
oder
oder ähnliches
Ostdeutscher Rundfunk
oben genannt
Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg
Phase Alternation Line
Bezahlfernsehen. Form der Senderfinanzierung, bei der die Zuschauer für den
Empfang von Sendungen bezahlen müssen. Pay-TV-Sender strahlen ihr
Programm verschlüsselt aus. Die Entschlüsselung ist nur durch spezielle Decoder
möglich.
Public Broadcasting Service (USA)
Personal Computer
Persönliche Identifikations-Nummer
Public Relations
Radio Bremen
Radio im amerikanischen Sektor von Berlin
Radio Télé-Luxembourg (privater Sender)
Rundfunkstaatsvertrag
siehe
Seite
Special Broadcasting Service
Süddeutscher Rundfunk
Sender Freies Berlin
Short Massage Service
Student Nonviolent Coordinating Committee
siehe oben
Anhang
sog.:
SR:
SS:
StGB:
SWF:
SWR:
Tab.:
TDM:
TED:
TLR:
TV:
u.:
u.a.:
UdSSR:
Ü-Wagen:
UFA:
UMTS:
UNESCO:
UNICEF:
UNO:
USA:
usw.:
VEE:
vgl.:
VHS:
WAZ:
Wdh.:
WDR:
WNDT:
XX:
z.B.:
ZDF:
zit.:
z.Zt.:
Seite 189
sogenannte
Saarländischer Rundfunk
Schutzstaffel
Strafgesetzbuch
Südwestfunk
Südwestrundfunk
Tabelle
Tausend Deutsche Mark
Teledialogsystem
Thüringer Landesanstalt für privaten Rundfunk
Television
und
und andere / unter anderem
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Übertragungswagen
Universal Film AG
Universal Telecommunications System
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
United Nations International Children`s Emergency Fund
United Nations Organization
United States of America
und so weiter
Vincent E. Egan, Gründer und Präsident von VEE International
vergleiche
Video Home System
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Wiederholung
Westdeutscher Rundfunk
New Directions in Television (lokale öffentliche Fernsehanstalt in New York)
ehemaliges Logo für den Kinderkanal (s. Ki.Ka)
zum Beispiel
Zweites Deutsches Fernsehen
zitiert
zur Zeit
Anhang
Seite 190
Interview
vom 02.07.2002 mit Frau Schmidt-Bratzel (seit dem Jahr 2000 verantwortliche Redakteurin
der „Sesamstrasse“):
1. Die Sesamstrasse ist eine internationale Vorschulserie und wird gemeinsam mit dem
amerikanischen Sesameworkshop produziert. Bisher bestand die deutsche Fassung zu
50% aus amerikanischen und 50% deutschen Materialien. Wird diese Tradition
fortgesetzt?
Ja, dies ist im Vertrag des NDR mit Sesameworkshop so geregelt. Wir bekommen jedes Jahr
neues Puppenmaterial mit Ernie & Bert, Animationen und Live-Action-Filme aus den Staaten, das
wir synchronisieren. Die 50% amerikanischen Anteile der Sendungen bestehen zur Hälfte aus
diesen neuen amerikanischen Spots und zur Hälfte aus alten amerikanischen Klassikern.
Genauso ist es im deutschen Bereich. Weil wir am 8.1.2003 bereits dreißig Jahre Sesamstrasse
produzieren, bedeutet das, dass wir mittlerweile viele deutsche Klassiker im Archiv haben und
senden können. Natürlich müssen wir dabei auf die Zeitlosigkeit der Stücke achten.
2. Welche grundlegende Philosophie steht hinter dem Konzept der deutschen Sendung?
Die Sesamstrasse ist ein Ort und eine Haltung. Und das heißt: In der Welt der Sesamstrasse kann
man Fragen stellen, verrückte Fragen stellen, freche Fragen stellen, Fantasie und Wirklichkeit
gehören zusammen. Dieses Grundprinzip fließt in alle Beiträge ein.
3. Wie ist der grobe Ablauf der Produktion einer Rahmengeschichte?
Wir arbeiten eng mit dem Auftragsproduzenten Studio Hamburg zusammen, der die
Rahmengeschichten produziert. Fünf bis sechs Autoren sind dort für das Schreiben der
Geschichten zuständig, die die NDR-Redaktion dann mit den Producern von Studio Hamburg
bespricht. Es werden 52 Rahmengeschichten pro Jahr produziert. Sie werden meistens im
Frühjahr bei Studio Hamburg gedreht. Die Entwicklung und der Dreh für all diese Geschichten
dauert durchschnittlich ein halbes Jahr.
4. Seitdem Sie in der Redaktion Sesamstrasse tätig sind, wird die Sendung monothematisch
aufgebaut. Was bewegte Sie zu dieser Entscheidung?
Eine assoziativ gebaute Sendung hat früher z.B. mit einer Geburtstagsgeschichte angefangen und
ging dann irgendwann weg von Geburtstag auf Pferde, weil in einem der Beiträge Pferde enthalten
waren usw. Wir wissen, dass diese assoziative Abfolge oft dazu führte, dass man sich in der
Sendung nicht mehr zu Recht gefunden hat. Ich habe also entschieden, die Struktur der Sendung
zu überdenken. Begonnen haben wir mit der neuen Geschichtenstruktur der Rahmengeschichten.
Vorher gab es im Ablauf nur drei Teile, also dreimal zwei Minuten. Wir haben jetzt drei Teile plus
zwei kleine Brücken als Rahmengeschichte. Diese sollen mitten in der Sendung immer daran
erinnern `Wir sind in der Sesamstrasse`. Um den Ort Sesamstrasse zu etablieren, habe ich über
die Sendung ganz klar ein Thema gesetzt und versuche dieses Thema entweder inhaltlich oder
bildlich abzuholen. Das führt dazu, dass auch ein Wiedererkennungseffekt erzielt wird. Es ist so
für die Kleinsten leichter, aktiv mitzumachen und alles zu verstehen. Für die Älteren hat es einen
humoristischen Wert. Und das geht bisher sehr gut auf. Wir setzen heute auf die Zuordnung der
Sendungen zu verschiedenen Themenblöcken: Kinder und Kunst, Farben, Emotionen usw. Wir
haben vier Sonntage hintereinander z.B. das Thema Kunst. Davon verspreche ich mir, dass man
Anhang
Seite 191
bestimmte Themenschwerpunkte bedient, tiefer eintauchen kann und eine Sendewillkür
vermeidet. Der Zuschauer kann sich gezielt heraussuchen, was ihn interessiert.
5. Welche Neuproduktionen gibt es?
Im Moment arbeiten wir an attraktiven Neuproduktionen. Eine Reportagereihe über seltene Wölfe
in Deutschland, eine Reportagereihe über Kinder und ihre Lieblingstiere, außerdem entwickeln wir
ein Animationsprojekt zur Verkehrserziehung.
6. Gibt es neue inhaltliche Ideen für die Umsetzung von „schwierigen“ Themen, die von
Kindern aufgearbeitet werden müssen?
Wir denken im Moment z.B. darüber nach, in Folge des 11. September, im nächsten Jahr eine
Reihe über Religion, Glauben bzw. Grundwerte zu produzieren. Kinder zu befragen, was sie der
Welt wünschen oder woran sie glauben. Das recherchieren wir sehr intensiv. Es gibt bereits einige
Reihen im Kinderfernsehen zur Religion. Das klassische Wissen über Religion ist vermittelt
worden. Die Aufgabe nach dem 11. September ist aber eine andere: Wieder eine
Selbstverständlichkeit der Begegnung zu finden. Da suchen wir uns Themen heraus, die
anspruchsvoller sind, die sehr viel Recherche bedürfen, wo wir uns Berater hinzuziehen und
kontrovers sein wollen. Die Drei- bis Sechsjährigen müssen sich mit dieser Realität
auseinandersetzen, weil sie ihr auch ausgesetzt sind. Sie müssen einen Weg finden, es zu
verarbeiten. Das Gesellschaftliche Umfeld und seine Veränderungen aufzugreifen, ist immer ein
großes Anliegen der Sesamstrasse gewesen.
7. Worauf achten Sie besonders, wenn Sie die Geschichten konzipieren?
Wir haben einen sog. Lernzielkatalog, den wir jedes Jahr aktualisieren. Dort sind kognitive,
emotionale und soziale Lernziele beschrieben. Wir achten streng darauf, dass ein Thema
konsequent durchgeführt und altersgerecht umgesetzt wird. Einen besonderen Schwerpunkt legen
wir auf das soziale Lernen, wie z.B. emotionale Verarbeitungskurven oder Konfliktlösungen. Bei so
einem Format wie der Sesamstrasse, in dem man in kleinen Kunstformen arbeitet, beschränkt
man sich pro Geschichte auf einen Konflikt, weil man mehr gar nicht auflösen kann. Dies ist auch
wichtig vor dem Hintergrund der Entwicklung von Kindern im Alter unserer Zielgruppe. Speziell bei
Dreijährigen ist es so, dass sie in ihrer omnipotenten /magischen Phase sind: Wenn sie sich
vorstellen, ein Ritter zu sein, sind sie ein Ritter. Da gibt es keine Diskussion. Das haben wir bei
den Geschichten berücksichtigt. Zuvor war es so, dass sich speziell in den Rahmengeschichten
die Puppen oder die Muppets nur vorgestellt oder geträumt haben, sie reisen zum Mond. Das
hielten wir vor allem vor dem geschilderten entwicklungspsychologischen Hintergrund für unfair.
Wenn ich Finchen in einer Geschichte auf dem Mond zeige, dann erleben wir das natürlich mit ihr
und es ist keine Vorstellung oder ein Traum. Die Fantasie ist so real in dem Alter, dass ich nicht
suggerieren muss, dass sie schlafen oder träumen. Dann nehme ich die Wahrnehmungsrealität
dieses Alters nicht ernst. Natürlich ist es für einen Sechsjährigen klar, dass man nicht mit einer
Orangenkiste auf den Mond fliegen kann, aber für den Dreijährigen ist es eine Selbstverständlichkeit und dementsprechend setzen wir das um.
8. Wie genau wird diese kindliche Fantasie in den Geschichten umgesetzt?
Aus den unterschiedlichen Wirklichkeitszugängen der Kinder ergeben sich schöne Konflikte für die
Geschichten. Finchen z.B. ist für uns die Dreijährige, die genau diese Fantasiewelt bedient und
Anhang
Seite 192
Tiffy oder Rumpel sind Figuren, die aufgeklärter sind. Am Ende geben wir nicht den Jüngeren oder
Älteren Recht, sondern beide Ansätze bleiben gleichberechtigt nebeneinander stehen. Fest in der
Straße leben Caro und Nils. Sie leben in der Straße, sind sehr jung und sind Freunde der
Muppets. Sie reagieren auf deren Eigenarten und auch auf die fantastischen Erlebnisse von
Finchen in einer sehr liebevollen Weise. Die Erwachsene haben dabei aber nicht immer die
Lösung oder die richtige Antwort parat, da es ein Grundprinzip unserer Geschichten ist, dass die
Lösungen immer bei den Muppets selbst liegen. Wir haben bei den fantastischen Geschichten
auch Erwachsene eingeführt, die nicht primär ein erzieherisches Ideal erfüllen, sondern eher auch
die Fantasie bedienen, wie einen Ritter, eine Fee, einen Schutzengel etc.. Es gab eine Aktion, bei
der mehrere Prominente für einen Tag in der Sesamstrasse einen Gastauftritt hatten und ihre
Gage der UNICEF gespendet haben. Sie haben die Rolle von fantastischen Figuren übernommen,
Hervorragende Schauspieler haben mit-gemacht, wie z.B. Jürgen Vogel, Axel Milberg, Hape
Kerkeling, Suzanne von Borsody und viele mehr. Mit so hochkarätigen Schauspielern entsteht
notgedrungen gutes Programm für Kinder. Ein Grund, warum wir diese Kooperation aufgestellt
haben, war, weil wir fest davon überzeugt sind, dass Kinder diese Qualität zu schätzen wissen und
sie suchen. Daher drehen wir im nächsten Frühjahr wieder mit Prominenten fantastische
Geschichten.
9. Sollen die Fantastischen Geschichten dem neuen Format der Sesamstrasse ein stärkeres
Profil geben?
Fantastischen Geschichten ist ein Geschichtentyp, der sehr viel Gewichtung bekommen hat und
der einhergeht mit dem neuen Comedy-Konzept, das wir entwickelt haben. Damit soll eine ganz
spezifische deutsche Sesamstrassen-Kultur geschaffen werden. Letztendlich beziehen wir uns mit
den fantastischen Geschichten auf die deutsche Geschichtentradition, z.B. die Märchen.
10. Welche Funktion übernehmen die neuen Figuren in der Sendung?
Durch neue Figuren wie z.B. den Zauberer Pepe, haben wir den Erfahrungshorizont der Sendung
erweitert. Pepe hat ein sehr buntes Haus in der Straße bezogen, bei dem man genau sieht, dass
das kein normales Haus ist. Und Pepe ist ein Zauberer. Er ist immer voller Energie, Elan und
positiver Vorfreude ist. Obwohl seine Zauberkünste vollkommen schief gehen, ist er dennoch
immer begeistert. Er lässt sich nicht unterkriegen und dieses positive Role-Modelling, diese
Vorbildfunktion, wird von ihm so durchgängig erfüllt, dass die Kinder sich sicher sein können, dass
alles am Ende gut wird. Der konkrete emotionale Lerninhalt der mit dem Charakter Pepe
verbunden ist, wird durch folgende Fragen deutlich: `Was passiert, wenn ich was falsch mache?`,
`Was passiert, wenn ich etwas angehe und es kommt was ganz anderes dabei heraus?`, `Ich
habe mir was anderes vorgenommen und wie gehe ich jetzt damit um?`. Das ist das Tolle an
dieser Figur, dass sie letztendlich zeigt, wie man mit Fehlern auf eine sehr humorvolle Art und
Weise umgehen kann. Zwei Pepe-Geschichten hat Dr. Jan-Uwe Rogge in Kindergärten getestet.
Dabei wurde deutlich, dass Pepe eine Figur ist, die die Kreativität sehr stark anregt. Das ist
übrigens ein wichtiges Ziel der Sesamstrasse: über die Sendung hinaus aktiv ins Leben zu führen.
Pepe wird von den Kindern als einer der Muppets gesehen. Das ist schön, dieses Zusammenleben von Muppets und Menschen auf die Art und Weise noch mal natürlich zu machen. Das trägt
zur Glaubhaftigkeit der Straße bei.
Anhang
Seite 193
11. Ist Ihnen dabei auch noch die kompensatorische Erziehung wichtig?
Im Ursprung ist es im amerikanischen Format die Begründung gewesen: `Wir wollen Kindern die
keinen Zugang zu Bildungsmitteln haben, Chancengleichheit bieten, damit sie ähnlich vorbereitet
sind wie andere Kinder, wenn sie in die Schule kommen`. Es ist für uns nach wie vor wichtig,
kognitive Ziele aufzubereiten. Das war damals die Kernidee. Mittlerweile ist es weniger das
kognitive Lernen sondern vielmehr das soziale Lernen, die kulturelle Vermittlung von Werten und
das emotionale Lernen, das gesamtgesellschaftlich im Vordergrund steht.
12. Können Sie mir ein konkretes Beispiel nennen, wie Sie die soziale Kompetenz inhaltlich
vermitteln?
Wir haben z.B. versucht, das Thema Minderheiten, Unterschiede und Toleranz aufzugreifen und
ein deutsch-türkisches Mädchen in der Sesamstrasse gehabt, die mit Feli Filu ein türkisches Lied
übt. Es ist uns auch wichtig, das Zusammenleben der Generationen zu zeigen und haben daher
z.B. mit Marianne Segebrecht eine ältere Dame im Hotel etabliert, die eine Art Oma-Funktion
übernimmt, aber auch eine selbstbewusste eigenständige Frau ist, die weit gereist ist und nun
alleine lebt.
13. Trotzdem sollen auch kognitive Lerneffekte erzielt werden. Wie setzen Sie das praktisch
um?
Es gibt da bestimmte Grundregeln, die wir natürlich beachten, die die Lernwirkung der Sendung
wahrscheinlich machen. Das wichtigste Prinzip ist die Dekonstruktion: Ganz klar reduzieren auf
das Thema und regelmäßig wiederholen. Es gibt die klassischen Themen: `Da ist oben – da ist
unten`, `Ich bin vorne – ich bin hinten`. Bei Emotionen ist es genauso wichtig, sie explizit zu
machen. Gefühle klar auszudrücken ist für Kinder in dem Alter schwer und Erwachsene schaffen
es meistens leider auch kaum. Explizit machen, bedeutet in unseren Geschichten immer, vor
Augen haben, was das Thema ist. Das führt oft auch zu Wiederholung. Wiederholungen sind
erwünscht, zum einen, weil sie den Lerneffekt vertiefen, zum anderen weil an vielen Stellen durch
Wiederholungen
auch
Comedy
erreicht
wird.
Wir
haben
also
versucht,
Komplexität
herauszunehmen, um nicht nur die schöne Geschichte zu erzählen, sondern gleichzeitig auch den
Lerneffekt zu verbessern.
14. Wirkt sich das neue Konzept vom Jahr 2000 auf die Quote oder die Zielgruppe aus?
Wir haben im letzten Jahr mit der Entwicklung des Comedy-Konzeptes insgesamt einen
Quotenanstieg auch in der ARD erreicht. Unser Ziel ist es, die bisherige Zielgruppe der Drei- bis
Sechsjährigen zu erweitern, um die Sesamstrasse als Familienprogramm zu etablieren. Das
Phänomen der Sesamstrasse und z.B. auch der Muppetshow war es, allen Spaß zu machen,
auch den Älteren. Das möchten wir in Erinnerung rufen. Ich glaube, wenn man konsequent
Geschichten für Kinder erzählt, ist es auch unglaublich interessant für Erwachsene. Sie erfahren
etwas über Kinder und bekommen einen Realitätszugang, den sie vielleicht schon verloren haben.
Pferd ist ganz gezielt deswegen entwickelt worden, um eine Figur zu haben, die im ganz
klassischen Sinne eine Comedy-Figur ist. Sie ist sehr reduziert, ein bisschen blöd, aber
gleichzeitig auch unerwartet lebensweise. Sie garantiert viel Slapstick und komische Pointen, ist
dabei liebenswert mit ihren Fehlern. Finchen oder Samson
sind hingegen ganz klare
Identifikationsfiguren für die Kinder. Für diese Figuren habe ich emotional eine ganz andere
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Verantwortung, als bei Figuren wie Groover oder wie in diesem Fall Pferd. Wolle ist etwas pfiffiger
als Pferd zieht aber leider immer den kürzeren. Die beiden schlingern von einem Fettnäpfchen ins
nächste. Dieses neue Comedy-Duo der Sesamstrasse soll Parodien liefern, wie z.B. „Wolle am
Mittag“ – als Parodie auf „Vera am Mittag“ – oder „Wetten, was...?“ – eine Parodie auf „Wetten,
dass...?“ und eine Parodie auf Nachrichten etc.. Damit sollen TV-Formate parodiert werden, die
eigentlich für Erwachsene interessant sind, aber mit Kinderinhalten gefüllt werden. Ziel ist, eine
Bildsprache abzugreifen, die im Moment Allgemeingut ist und sie Kindern zuzuführen und für die
ganze Familie spannend zu gestalten.
15. In den 1970er Jahren gab es für die Sesamstrasse einen „wissenschaftlichen Beirat“.
Welche Rolle spielen für Sie heute wissenschaftliche Erkenntnisse oder pädagogische
Beratung?
Dr. Jan-Uwe Rogge ist z.Zt. unser Berater. Für die Entwicklung der Rahmengeschichten und des
Gesamtformats war es sehr wichtig, mit ihm im Dialog zu stehen. Grundsätzlich halte ich das für
wichtig im Austausch mit Wissenschaftlern wie Pädagogen, Soziologen usw. zu stehen. Wir
möchten wissen, wie sich Kindheit verändert und informiert sein über entwicklungspsychologische
Diskussionen. Dieser Dialog gehört vom Anbeginn zum Konzept der Sesamstrasse. Die
Amerikaner haben bei der Entstehung der Sesamstrasse
aufgrund von wissenschaftlichen
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Untersuchungen dieses Format entwickelt und noch heute eine große Researchabteilung . Ich
halte das für unglaublich wichtig. Ein Beirat ist aus unserer momentanen Sicht eine zu starre
Konstellation. Wir suchen uns eher sehr gezielt Beratung.
16. Trotzdem soll die Sendung nicht nur pädagogischen Anspruch haben sondern muss auch
ökonomisch sein. Wie wird die Sendung in Deutschland finanziert?
Die Sesamstrasse ist eine Koproduktion. Copartner sind der HR, SWR, SR und WDR. Sie sind
finanziell beteiligt, wobei der NDR den Hauptanteil der TV-Lizenzensumme trägt, die mit
Sesameworkshop verhandelt wurde.
17. Liegen die Merchandisingrechte bzw. Lizenzrechte alle beim Sesameworkshop in New
York oder sind bei Eigenproduktionen auch eigene Verdienste möglich? Wer hat z.B. die
Rechte an deutschen Figuren wie Samson oder Wolle?
Sesameworkshop hat die Lizenz für Merchandising in Deutschland an EM.TV vergeben. Und da
wir als öffentlich-rechtlicher Sender nicht kommerziell tätig werden dürfen, ist es für uns ein
Thema, das uns nur marginal tangiert. Wir werden natürlich mit einbezogen, weil es das Interesse
von EM.TV ist, die Produktentwicklung parallel zur Entwicklung der Sendung zu machen. Es gibt
zudem eine Tochter des NDR, NDR Media, die sich in Kontakt mit EM.TV um Merchandising
kümmert. Merchandising-Erlöse dürfen aber nicht für das Programm eingesetzt werden, sondern
nur für Marketingzwecke.
18. Ernie und Bert sind die erfolgreichsten Figuren des Merchandisings. Wie kommen die
deutschen Figuren wie z.B. Samson an?
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2
dt.: Grobi
Research = Marktforschung, Meinungsforschung
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Samson ist die beliebteste Figur bei den Kindern in Deutschland, sogar noch vor Ernie und Bert.
Eine Studie belegt das. Aber bei den Kaufprodukten sind es Ernie und Bert und das liegt häufig an
der Kaufentscheidung der Eltern.
19. Wie lange läuft der gegenwärtige Vertrag mit dem Sesameworkshop in New York noch?
Dieser Vertrag läuft jetzt noch bis Ende 2009.
20. Wie eng ist die Zusammenarbeit mit dem Sesameworkshop? Werden Auflagen gemacht?
Sesameworkshop bekommt von uns z.B. alle Exposees und hat das Recht zu kommentieren.
Zudem kriegen sie von uns alle abgenommenen
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Materialien. Sesameworkshop ist daran
interessiert ihren brand zu erhalten und das ist gewährleistet durch den steten Informationsfluss.
Die NDR-Redaktion hat das letztendliche Abnahmerecht der Sendung, das heißt inhaltliche und
gestalterische Entscheidungen werden in Deutschland getroffen. Jedes Jahr werden die
deutschen Puppen in die Staaten geflogen, um dort bei Henson überarbeitet zu werden. Es ist
eine gute Koproduktion. Außerdem haben wir einmal im Jahr eine Art Workshop, bei dem wir mit
den amerikanischen Kollegen zusammen kommen. Wir überprüfen, was funktioniert oder nicht
und wie es weiter gehen könnte, um immer in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu
sein.
21. Ab 2003 führen Sie das neue Sendungskonzept ein, musste das von den Amerikanern
genehmigt werden?
Die redaktionelle Hoheit liegt in Deutschland, die Amerikaner haben eine beratende Funktion und
werden über alles informiert. Wir haben amerikanische Kollegen, die wir sehr schätzen, mit denen
ein spannender Austausch stattfindet. Aber wir treffen an bestimmten Stellen andere
Entscheidungen, weil unser Verständnis oft ein anderes ist und natürlich weil wir eine Sendung
machen für eine andere Kultur.
22. Wie ist das amerikanische Sendungskonzept? Und inwiefern lassen sich die inhaltlichen
Unterschiede zur deutschen Serie ausmachen?
Die amerikanische Sendung läuft eine Stunde lang. Davon sind 45 Minuten die Sendung mit
klassischen Inhalten wie `Ernie und Bert` oder Zahlenanimationen. Danach folgen 15 Minuten
`Elmo`s World`. Das ist ein neues Format In diesem Jahr wurden `Rubriken` neu eingeführt, z.B.
`die Zahl des Tages` oder `der Buchstabe des Tages`. Ziel ist es, einen Weg durch die Sendung
zu legen, eine Ritualisierung zu schaffen. Seit April dieses Jahres wird das neue Konzept
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ausgestrahlt. In Amerika zeigt die Straße selbst sehr realistisch ein Neighbourhood , der für viele
Kinder dort Erfahrungshorizont ist. Wir haben das in Deutschland erweitert durch eine neue
fantastische Erzählform und neue Figuren wie z.B. Pepe, den Zauberer. Speziell das Bild der
Erwachsenen bei uns in den fantastischen Geschichten unterscheidet sich von dem in Amerika. In
den Staaten wird immer noch stark Wert darauf gelegt, dass die menschlichen Protagonisten
Figuren sind, die Stabilität sowie emotionale Sicherheit geben und die Lösungsvorschläge
vorgeben bzw. helfen mit der Realität zurechtzukommen. Es war für die Amerikaner fast eine
Revolution, als wir die erwachsenen fantastischen Figuren eingeführt haben.
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d.h. Sendematerial ist fertig (redaktionelle wie technische Verfahren für die Ausstrahlung sind abgeschlossen)
Nachbarschaft

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