Heft 18: Hofmeister, Erich (2009): Graf Wilhelm und

Transcrição

Heft 18: Hofmeister, Erich (2009): Graf Wilhelm und
1
Exkursionsführer und Veröffentlichungen
Schaumburger Bergbau
Graf Wilhelm und seine Maßnahmen
zur
Landesverteidigung am Steinhuder
Meer
Zusammengestellt
von
Erich Hofmeister
Heft Nr. : 18
Arbeitskreis Bergbau der Volkshochschule Schaumburg
Hagenburg im März 2009
Exkurf. u. Veröffentl.
H. 18 40 S.
7 Abb.
3 Tab. ! Hagenburg, 2009
2
Die Reihe „Exkursionsführer und Veröffentlichungen des Arbeitskreises Bergbau der
Volkshochschule Schaumburg“ wird vom Arbeitskreis Bergbau in lockerer Folge
herausgegeben.
Bisher sind erschienen:
Heft 01 Schunke & Breyer: Der Schaumburger Bergbau ab 1386 und von............
Heft 02 Ahlers & Hofmeister: Die Wealden-Steinkohlen in den Rehburger Bergen.
Heft 03 Korf & Schöttelndreier: Die Entwicklung des Kokereiwesens auf den...
Heft 04 Hofmeister: Der Obernkirchener Sandstein.
Heft 05 Hofmeister & Schöttelndreier: Der Eisenerzbergbau im Weser-.................
Heft 06 Hofmeister: Die Steinkohlenwerke im Raum Osnabrück.
Heft 07 Krenzel: Vorbereitung einer Exkursion von Hagenburg zur Hilsmulde.
Heft 08 Schöttelndreier & Hofmeister: Exkursion durch die Gemeinde Nienstädt.
Heft 09 Ruder: Die historischen Teerkuhlen in Hänigsen..........
Heft 10 Hofmeister: Exkursion Steinzeichen am Messingsberg,..........
Heft 11 Grimme: Das Endlagerbergwerk Gorleben.
Heft 12 Schöttelndreier: Historische Relikte in der Samtgemeinde Nienstädt.
Heft 14 Grimme et. al. : Der Wealden-Steinkohlenbergbau in Niedersachsen.
Heft 15 Hofmeister: Die Entwicklung des bergmännischen Geleuchts.
Heft 16 Schröder: Die Schachtanlagen Lüdersfeld & Auhagen.
Heft 17 Hofmeister: Steinkohlengewinnung zur Zeit des Fürsten Ernst.......
Heft 18 Hofmeister: Graf Wilhelm und seine Maßnahmen zur Landesverteidigung...
1. Impressum
Herausgeber :
Arbeitskreis Bergbau der Volkshochschule Schaumburg,
Wilhelm-Suhr-Straße 16, 31558 Hagenburg.
Redaktion:
Karl- Heinz Grimme, Erich Hofmeister
Layout und Druck:
Christan Abel, Obernkirchen
Ludwig Kraus, Stadthagen
3
2.
Inhalt
1.
2.
Impressum
Inhalt
2a Abbildung
2b Tabellen
Vorwort
Langjährige Mitglieder des Arbeitskreises
Inhalt
4a Abbildungen
4b Tabelle
Einleitung
Wilhelms Jugend
Graf Wilhelm regierender Graf zu Schaumburg- Lippe
Graf Wilhelms Aufrüstung
Aufbau der stehenden Truppe
9.1 Die Infanterie
9.2 Die Artillerie
9.3 Leichte Truppe
9.4 Ingenieur- und Mineurkorps
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
Der siebenjährige Krieg
Graf Wilhelm in Portugal
Graf Wilhelm in Bückeburg
Militärpolitik
Versorgung seiner Veteranen
Beschreibung des Wilhelmsteiner Feldes nach der Recherche der
„Hagenburger Geschichten“.
16. Bemerkenswerte Begebenheiten, von Ochadt aufgezeichnet
a. Bau des Wilhelmsteins
b. Steinhuder Streik beim Bau der Wilhelms Insel
c. Einholung der Gräfin Maria nach Hagenburg
d. Fürstin reist mit fünfzehn Wagen
e. Ausverkauf des Wilhelmsteiner Feldes
f. „Bruder Lustick“ auf dem Wilhelmstein
17. Literatur
2a. Abbildungen
Abb. 1 Portrait Wilhelm Graf zu Schaumburg- Lippe
Abb. 2 Entwurf Festung Wilhelmstein von Graf Wilhelm
Abb. 3 Vestung Wilhelmstein und Außenwerke
Abb. 4 Wilhelmsteiner Feld ( Ausschnitt)
Abb. 5 Grabmal Graf Wilhelm in Schloß Baum
Abb. 6 Hippopotame, ein kriegerisches Tretboot
Abb. 7 Hippopotame, im Einsatz
2b.Tabelle
Tab. 1 Bewaffnung der Festung Wilhelmstein bis 1777
Tab. 2 Stärkeentwicklung der stehenden Truppe von 1748 – 1777
Tab. 3 Artillerie des Grafen Wilhelm im 7jährigen Krieg
4
3. Vorwort:
Das Schaumburger Land, von den Rehburger Bergen bis ins Wesergebirge, ist reich
an Bodenschätzen. Seit mehr als 600 Jahren prägte daher der Bergbau in
Schaumburg nicht nur die Landschaft; er war zeitweise auch von erheblicher
Bedeutung für das Leben zahlreicher Familien. So gab es u. a. Gesteins-, Ton-,
Salz- und vor allem Kohleabbau. Heute werden nur noch (bei Obernkirchen und
Steinbergen) Steine gebrochen. Der Abbau anderer Bodenschätze wurde
eingestellt, so der Kohlebergbau zu Beginn der 60er Jahre. Doch gibt es noch viele
ehemalige Bergleute, die von ihrem Arbeitsleben erzählen, Fachleute, die von ihren
Kenntnissen über den einheimischen Bergbau berichten, und andere Zeitzeugen,
die sich an manche Bergmannsgeschichte erinnern können.
In den letzten Jahrzehnten haben sich in verschiedenen Schaumburger Orten
Bergmannsvereine gebildet. Sie bemühen sich, Traditionen der Bergleute zu
bewahren und Bergbaudokumente und -relikte zu sichern, zu pflegen und der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
1991 wurde im Rahmen der Volkshochschule Schaumburg ein Arbeitskreis mit dem
Titel "Schaumburger Bergbau und der Bergbau der Rehburger Berge" gebildet. In
ihm sind Mitglieder der verschiedenen Bergmannsvereine vertreten. Hans-Ulrich
Drechsler (Hagenburg/Altenhagen) übernahm die Leitung und übergab sie 1997 an
Erich Hofmeister (Hagenburg). Es fanden sich etwa 25 Personen, die nun schon
über 10 Jahre regelmäßig an den Treffen teilnehmen und durch ihr Engagement und
ihre Hilfsbereitschaft zum Erfolg des Arbeitskreises beitrugen und beitragen.
Allen gebührt großer Dank, neben Hans-Ulrich Drechsler und Erich Hofmeister
besonders Ernst Knickrehm (Obernkirchen), Werner Schöttelndreier (Nienstädt),
Werner Ahlers (Rohrsen), Jürgen Ruder (Großburgwedel) und Karl- Heinz Grimme
(Barsinghausen).
In den ersten Jahren waren die Tagungen geprägt durch Berichte, Vorträge und
Erzählungen einzelner Mitglieder aus ihrem Bergmannsleben. Alles Wesentliche
wurde auf Tonband aufgenommen und damit für spätere Zeiten gesichert. Auf
Exkursionen wurden die ehemaligen Arbeitsstätten, die alten Schacht- und
Stollenanlagen des Bergbaues und verschiedene Steinbrüche aufgesucht und vor
Ort die frühere Arbeit beschrieben und erläutert.
Es folgte die Zusammenstellung und Durchsicht von Veröffentlichungen über den
hiesigen Bergbau. Einzelne Mitglieder übernahmen Recherchen in öffentlichen und
privaten Archiven. Außerdem wurden Fachleute zu bestimmten Einzelthemen
eingeladen, die sich nach ihrem Referat meist noch zu weiterer Mitarbeit im
Arbeitskreis Bergbau bereit erklärten.
Von der ursprünglichen Absicht, eine umfangreiche Monographie über den
Schaumburger Bergbau zu erstellen, wurde wegen des Umfangs Abstand
genommen. Nun werden in loser Folge, Hefte mit einzelnen Bergbauthemen
und/oder Exkursionsführer des Arbeitskreises Bergbau der VHS Schaumburg
herausgegeben.
Glück auf!
5
4. Langjährige Mitglieder des Arbaitskreises Bergbau
Abel
Abel
Abel
Ahlers†
Bonitz †
Bremer
Busatta †
Drechsler
Engelking †
Gerdts
Grimme
Henke†
Hofmeister
Kaussow,sen.
Kaussow,jun.
Klinger†
Klinger
Knickrehm †
Knickrehm
Koch †
Kording
Korf †
Krassmann,Dr.
Kraus
Krenzel
Kröger,Dr.†
Ludewig
Maiwald
Matthias
Oberdanner
Poßin
Ruder †
Ruder
Rüppel†
Schewe
Schewe
Schiewe
Schlegel
Schöttelndreier
Schöttelndreier
Schröder
Schröder
Schröder
Voges
Winterstein †
Barbara
Christian
Willi
Werner
Gerhard
Ursel
Fred
Hans-Ulrich
Carl-Friedrich
Wolfgang
Karl-Heinz
Kurt
Erich
Günter
Günter
Herbert
Margret
Ernst
Ingrid
Fritz
Wilhelm
Walter
Thomas
Ludwig
Horst
Uwe-Dietrich
Gunter
Heinz
Friedrich
Hans
Wolfgang
Barbara
Jürgen
Hermann
Rita
Eckhard
Karl-Heinz
Detlef
Anneliese
Werner
Konrad
Ralf
Wilhelm
Gisela
Traude
Obernkirchen
Obernkirchen
Obernkirchen
Rohrsen
Rodenberg
Hagenburg
Hagenburg
Hagenburg
Lauenau
Wunstorf
Barsinghausen
Obernkirchen
Hagenburg
Hagenburg
Hagenburg
Hagenburg
Hagenburg
Obernkirchen
Obernkirchen
Obernkirchen
Nienstädt
Nienstädt
Rodenberg
Stadthagen
Egestorf
Bad Nenndorf
Lindhorst
Hagenburg
Bad Nenndorf
Rehburg-Loccum
Hagenburg
Großburgwedel
Großburgwedel
Barsinghausen
Auhagen
Auhagen
Garbsen
Wunstorf
Nienstädt
Nienstädt
Suthfeld
Suthfeld
Suthfeld
Hagenburg
Hagenburg
6
5. Einleitung
Graf Wilhelm wurde am 09. Januar 1724 als zweiter Sohn des Erbgrafen Albrecht
Wolfgang zu Schaumburg- Lippe geboren.
Wilhelm sah seine Heimat erst nach mehr als vier Jahren. Die Beziehungen des
Hauses Schaumburg- Lippe zu Georg I. König von England, waren eng. Dieser hatte
schon als Kurfürst von Hannover seine schützende Hand über Wilhelms
Großmutter, Gräfin Johanna Sophie zu Hohenlohe-Langenburg, gehalten; als sie
1702 vor ihrem Mann aus Bückeburg geflohen war, mußte sie allerlei Prozesse
durchstehen. Der Ehezwist im Hause Schaumburg-Lippe erregte damals großes
Aufsehen. Ab 1709 weilte Johanna Sophie mit ihren Söhnen am hannoverschen
Hof, und als der Kurfürst 1714 den englischen Thron bestieg, ging sie mit an den
Hof in England. Dort lebte sie mit ihren Söhnen vierzehn Jahre lang bis zum Tode
ihres Mannes. Ihr ältester Sohn Albrecht Wolfgang brachte, abgesehen von
Bildungsjahren, lange Zeit am englischen Hof zu. 1721 heiratete er in London
Margarete Gertrud von Oeynhausen. Dieser Ehe entsprossen 2 Söhne: 1722 Georg
August Wilhelm und 1724 Wilhelm Friedrich Ernst. Graf Albrecht Wolfgang reiste als
englischer Gesandter häufig nach Deutschland und Frankreich. Da seine Frau ihren
Mann auf den Reisen oft begleitete, wuchsen die Söhne unter dem Einfluß ihrer
Großmutter, Gräfin Johanna Sophie, auf.
Mit dem Regierungsantritt des Vaters, Graf Albrecht Wolfgang zu SchaumburgLippe (1728) in Bückeburg, kamen die beiden Brüder mit ihrer Großmutter, die
Mutter war 1726 in Mannheim verstorben, nach Bückeburg.
6. Wilhelms Jugend
Der Einfluß Englands und die englischen Beziehungen blieben bestehen. Wilhelm
schätzte die englische Lebensart und nannte sich noch in seiner späteren Jugend
„William“. Er pflegte den Verkehr mit Engländern besonders und besuchte so oft er
konnte England.
7
Georg und Wilhelm wurden von 1728-1735, bis zu Wilhelms 11. Lebensjahr, in
Bückeburg vom Vater, der Großmutter und dem reformierten Hofprediger Johann
Heinrich Meister sorgfältig erzogen und ausgebildet.
Der Vater heiratete 1730 wieder, die verwitwete Fürstin Charlotte Friederike Amalie
zu Anhalt- Köthen. Wilhelm schrieb später: „Diese Ehe war nicht glücklich. Es ist
bekannt, daß mein Vater schon wenige Jahre nach seiner zweiten Hochzeit seine
ganze Zuneigung der Gräfin von Bentinck schenkte.“
An die sieben Bückeburger Jahre schloss sich eine 13-jährige Studien- und
Bildungszeit an, vorwiegend im Ausland. Wilhelms Werdegang wird in der Literatur
folgendermaßen beschrieben: In London geboren, in Genf konfirmiert, in Leiden und
Montpellier gebildet. In kaiserlichen Diensten zum Soldaten und Kavalier erzogen,
war er im Vollbesitz der adligen Bildung seiner Zeit.
Zweck seiner Studien war die Vorbereitung auf militärische Aufgaben in fremden
Diensten (als Zweitgeborener), wie sie kleine Fürsten ohne Land
derzeit zu
übernehmen pflegten.
Die Brüder reisten danach zu einem fünfjährigen Aufenthalt nach Genf, wo sie ihre
Studien fortsetzten. Aus dem reichen Angebot der Genfer Universität bevorzugte
Wilhelm
mathematische und kriegswissenschaftliche sowie
Vorlesungen in Physik, Astronomie und Seefahrtskunde.
Sein Hauslehrer für Mathematik, der Luxemburger Claude Henry du Frainory, lenkte
Wilhelms Wissen auf die „Feuerwerkerei und Geschützkunde“. Wilhelm holte ihn
später nach Schaumburg-Lippe und machte ihn zum Chef des schaumburglippischen Artilleriekorps.
Im Sprachunterricht vervollkommnet Wilhelm seine englischen und französischen
Kenntnisse und lernt zusätzlich Italienisch und Portugiesisch.
8
Dagegen hat er das Deutsche nie regelrecht beherrscht, ein allgemeiner Fehler des
deutschen Adels zu jener Zeit.
1742 trat Wilhelm als Fähnrich bei den britischen „Life Guards“ ein. Ein vornehmeres
Regiment hätte er in England nicht finden können.
Am 06. August 1742 fiel sein älterer Bruder in Venlo im Duell.
Daraufhin bemühte sich Graf Albrecht Wolfgang, den jüngsten Sohn, der nun im
Alter von 18 ½ Jahren Erbgraf geworden war, vom englischen Militärdienst
freizubekommen. Es gelang ihm dadurch, dass er als holländischer Generalleutnant
Wilhelm mit auf einen Feldzug des österreichischen Erbfolgekrieges nahm. In den
folgenden Jahren genoß Wilhelm zusammen mit ähnlich gesinnten Freunden seine
Freiheit. Von seinem Vater großzügig behandelt, unternahm Wilhelm Reisen nach
England, Sachsen, Österreich und Italien. In Bückeburg hielt es ihm immer nur
wenige Monate. An den Höfen zu Dresden, Wien und London zählte man ihn wegen
„ausschweifenden
Lebens“
damals
zu
„einer
bestimmten
Spiel-
und
Abenteuerjugend des Adels“, was seinem Ruf zeitweilig sehr geschadet hat. Dies
trifft insbesondere zu für seine Affäre mit der „Theaterprinzessin“ Elenai Barbanti
aus Wien. Diese soll er einem Wiener Adeligen entführt und mit ihr in Venedig und
London eine gemeinsame Haushaltung geführt haben.
In England setzte er seinen Ehrgeiz darein, „mit jedem Engländer in Allem“ zu
wetteifern. Er wettete zum Beispiel, dass er rückwärts von London nach Edinburg
reiten wollte. Der Kopf des Pferdes mußte nach Edinburg gerichtet sein und der
Kopf des Grafen nach London. So ritt er durch einige englische Provinzen. Ein
weiteres Beispiel: „Er reiste nicht etwa nur zu Fuß durch England, zum Spaß bettelte
er sich durch verschiedene englische Provinzen, gemeinschaftlich mit einem
deutschen Fürsten“.
Wilhelms Wunsch, wieder Soldat zu werden, war während dieser Zeit nur geringer
Erfolg beschieden.
9
Reise- und Abenteuerlust sind starke Antriebskräfte für einen dynamischen jungen
Mann, sie waren ein Hauptgrund für Wilhelms häufige Abwesenheit von Bückeburg,
genau wie seine Stiefmutter, die unbedeutende stolze Fürstin, die ihn mit ihrer
andächtigen Frömmelei von Bückeburg vertrieb.
Nach 1743 war Wilhelm wieder viel öfter in Bückeburg. Als Grund hierfür gilt die
Tatsache, dass Albrecht Wolfgang, Gräfin Bentinck und Wilhelm sich scherzhaft
selbst als „Triumvirat“ bezeichneten und häufig zu dritt zusammenkamen.
Die „schlaue“ Gräfin Bentinck war nur neun Jahre älter als Wilhelm und die am Hofe
erklärte Geliebte des Grafen Albrecht Wolfgang, die nach Willkür schaltete und
waltete und rücksichtslos die Landeseinkünfte verschwendete.
Graf Albrecht Wolfgang stand nicht nur mit den englischen Königen Georg I. und
Georg II., auch mit Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. von Preußen in enger
Verbindung. Er war mit Leib und Seele Soldat. Seit 1727 Oberst und Kommandeur
eines niederländischen Infanterieregiments, stieg er 1742 zum Generalleutnant und
Befehlshaber der niederländischen Infanterie auf, mit der er sich im österreichischen
Erbfolgekrieg mehrfach auszeichnete. Trotz seiner häufigen Abwesenheit hat er sein
Land nicht vernachlässigt. Er kümmerte sich um Verwaltung und Volksbildung und
hielt seinen Staat auf der Höhe der Zeit, abgesehen von den beträchtlichen
Schulden, die hauptsächlich aus kostspieligen Prozessen herrührten. Schon 1732
hatte er die Grafschaft Sternberg an Braunschweig-Lüneburg verpfänden müssen.
Aus einer Beschreibung des Grafen Wilhelm aus seiner Zeit als zwanzigjähriger: „Er
war von mehr als gewöhnlicher Mannslänge, der Bau seines Körpers schlank. Er
hatte eine hohe vorstehende Stirn und dunkle Augen. Seine Nase war groß und
gebogen, und sein Mund war zu klein“ (Abb. 1).
10
Hochbegabt, bewegte sich Wilhelm in der Zeit seiner ungestümen Jugend häufig
zwischen Extremen, ein „aufbrausender Jüngling“, dessen Redeweise oft wenig
diplomatisch war. Was er tat und sprach, war manchmal auch ihm Nahestehenden
nur schwer begreiflich. Dennoch hat er viele Menschen für sich gewinnen können. In
den Jahren, die „den ganzen Leichtsinn und die Wildheit vornehmer Jünglinge“
zeigten, war Wilhelms Charakter gereift, in dem „ernste Verschlossenheit neben
glühender
Lebensfülle, heftiges Aufbrausen
neben
kalter
Überlegung
und
Abenteuerlust neben Ordnungsliebe ungestört nebeneinander bestanden.
Am 24. September 1748 starb Graf Albrecht Wolfgang nach zwanzigjähriger
Regentschaft.
7. Graf Wilhelm regierender Graf zu Schaumburg- Lippe
Wilhelm, als Vierundzwanzigjähriger nun regierender Graf von Schaumburg-Lippe,
hat diese Aufgabe mit einem klar erkennbaren politischen Konzept angetreten und
von vornherein ernst genommen, auch wenn es wegen seiner häufigen Reisen nach
Berlin und einer Reise nach Italien und Ungarn anders erscheinen sollte. Er war
unumschränkter Herr des kleinen Landes mit 17 000 Einwohnern und fand weder
Landstände (ständische Vertretung eines Landes, z. B. Ritterschaft) noch
Volksvertretungen (Vertretung der Bürgerschaft, z.B. Städte). Seine Einstellung zum
Absolutismus dürfte indes von starkem Zweifel an dieser Regierungsform gewesen
sein. Als Verfechter der Aufklärung, als Gegner des absolutistischen Frankreich und
Freund des freiheitlichen England kannte er die Schattenseiten des Absolutismus
und die Notwendigkeit, nach neuen Wegen zu suchen. Er bediente sich trotzdem
absolutistischer Regierungsformen, es gab nichts anderes.
Wilhelms Hauptsorgen nach seinem Regierungsantritt galten einmal der starken
Verschuldung seines Landes und zum anderen möglichen Gewaltakten von außen.
Die Schuldenlast engte Wilhelms Handlungsfreiheit sehr ein. Allein Hannovers
Forderung belief sich auf 400 000 Taler, weitere Gläubiger kamen hinzu, darunter
auch Willhelms Stiefmutter mit erheblichen Forderungen.
11
Drastische Sparmaßnahmen waren unerlässlich. So ließ Wilhelm z. B. Pferde sowie
Gewächse aus der Orangerie und dem Hofgarten verkaufen, um Geld für die
Gläubiger zu bekommen.
Zweifellos sorgte Wilhelm für eine wirtschaftliche Führung des Finanzhaushaltes. Er
schränkte die Kosten seines Hofes ein und nahm auch auf anderen Gebieten
Einsparungen vor.
Noch 1748 sah Wilhelm sich gezwungen, eine „Beihilfesteuer“ zu erheben, um einen
Teil der Schulden abzutragen und die akuten finanziellen Probleme zu lösen. „Wie
sehr es auch von unserer Art zu denken entfernt ist, die unserer Regierung von Gott
anvertrauten Untertanen mit neuen Lasten zu belegen“, schrieb er in die
Ausschreibung an seine Städte und Ämter. Der Lage der Dinge entsprechend
konnte er allerdings seine innenpolitischen Reformen nur in kleinen Schritten
beginnen, und der siebenjährige Krieg hat ihn dann dabei aufgehalten oder doch
stark behindert.
Wilhelms zweite Hauptsorge - die vor Gewaltakten von außen - bestimmte den
wehrpolitischen und außenpolitischen Teil seines Regierungskonzeptes.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir über eine Zeit sprechen, in der es
zahlreiche kleine und kleinste Staatsgebilde gab, die alle mehr oder weniger
miteinander verfeindet waren. Es war also wichtig, nicht nur verteidigungsbereit,
sondern auch bündnisfähig zu sein.
Auf Grund komplizierter Lehnverhältnisse musste Wilhelm zur Übernahme der
Regierung von Hessen-Kassel und Braunschweig-Lüneburg mit Teilen seines
Landes neu belehnt werden. Dies geschah im Sommer 1749, aber das Verhältnis zu
Hessen- Kassel war durch frühere hessische Übergriffe gespannt. Sogar der
schaumburg- lippische Regierungspräsident von Lehenner konspirierte mit den
Hessen. Dass sich die Grafen zu Schaumburg-Lippe nicht zu Unrecht in ihrem
Besitzstand bedroht fühlten, zeigte sich zehn Jahre nach Wilhelms Tod, als der
Landgraf von Hessen- Kassel 1787 Schaumburg-Lippe tatsächlich überfiel.
12
Wilhelm trachtete, sein Land möglichst wirksam zu schützen und zugleich seine
Souveränität als Landesherr zu erhalten. Hierzu baute er eine zuverlässige,
vorwiegend aus Landeseinwohnern bestehende Truppe auf. Was das kleine Land
an Quantität nicht zuließ, sollte die Qualität der Ausrüstung und Ausbildung
wettmachen. Landesbefestigungen sollten, so plante er, eines Tages die Kampfkraft
der Truppe erhöhen und verhindern, dass Schaumburg-Lippe leichte Beute eines
Übergriffs stärkerer Nachbarn werden konnte. Aber nicht nur an Abschreckung und
Verteidigung im kleinen eigenen Rahmen dachte Wilhelm. Mit seiner Truppe, seiner
Rüstung und seinen Befestigungen wollte er zugleich bündnisfähig werden – in
einem
Bündnis
unter
Englands
Führung
–
um
in
einem
kollektiven
Sicherheitssystem einen umso stärkeren Schutz zu finden.
Wilhelm besuchte oft Preußen, sicher auch um in Bezug auf das Kriegswesen neue
Erfahrungen zu sammeln. Allerdings weicht Wilhelms erste Dienstvorschrift für seine
Truppen erheblich von der preußischen Praxis ab, indem er z.B. Stockschläge und
harte Behandlung verbot. Es ist auch zweifelhaft ob Friedrich an Wilhelms
unbekümmerter Art, Kritik zu üben, Gefallen fand. Er mag z. B. wenig davon
angetan gewesen sein, dass Wilhelm im preußischen Kavallerielager bei
Charlottenburg
in
Gegenwart
des
Königs
zu
Pferd
den
umgrenzenden
Wassergraben nahm; dieser galt nämlich als unüberspringbar, weil er die Desertion
der Kavalleristen verhindern sollte.
Wilhelms häufige Reisen nach Berlin haben stets auch dem Potsdamer Hof
gegolten, aber nicht allein. Recht munter verkehrte er im Berliner Salon der Gräfin
Bentinck, wo er mit vielen bekannten Persönlichkeiten zusammentraf, unter
anderem auch mit Voltaire. Es ist nicht auszuschließen, dass Wilhelm auch wegen
seiner Freundschaft mit Voltaire zeitweilig in Spannungen mit dem preußischen
König geriet.
Als er im Januar 1754 mit seinem Vetter Philipp Ernst zu Alverdissen ins Lippische
reiste, wollte er vermutlich Friedrichs Geburtstag aus dem Wege gehen.
13
Zu beachten ist andererseits, daß der preußische König ihn 1749 in seine Akademie
der Wissenschaften zu Berlin aufgenommen hat, eine besondere Anerkennung der
geistigen Kapazität Wilhelms und ihm 1751 den Schwarz – Adler – Orden verlieh,
Preußens höchste Auszeichnung.
Am Rand sei noch die nach damaligem Recht übliche Huldigung SchaumburgLippes für den Landesherren erwähnt. Wilhelm, der 1749 mit seinem vollendeten 25.
Lebensjahr die Reichsvolljährigkeit erlangt hatte, nahm die Landeshuldigung und
den damit verbundenen Treueid am 15. April 1750 in Bückeburg entgegen.
8. Graf Wilhelms Aufrüstung
Wilhelms erstes Ziel war es, eine schlagkräftige stehende Truppe aufzustellen. Sie
sollte selbständig und unabhängig kämpfen können und daher Infanterie, Artillerie,
Pioniere und Reiter umfassen. Die starke Verschuldung des Staates und der Mangel
an Führern zwangen Wilhelm zum Schrittweisen Aufbau der Truppe. Er begann
1749 mit der Verstärkung der Infanterie und legte 1750 den Grundstock für die
Aufstellung eines Artilleriekorps. Da die Landesverteidigung nicht gesichert war,
bildete Wilhelm 1751 schon eine Miliz. Die übrigen Waffengattungen folgten in den
Jahren 1753 – 1755.
Am 28. Oktober 1749 trat in Schaumburg-Lippe das Entrollierungssystem in Kraft.
Alle wehrtauglichen Männer wurden von den Zivilbehörden, den Ämtern und Städten
listengemäß in „Rollen“ erfasst und auf den Staat vereidigt. Am 19. April 1751 folgte
ein Grunderlass, den man als Kern der neuen Wehrerfassung und als zeitgemäße
Fortschreibung der Wehrordnung vom 11. April 1665 aufzufassen hat. Dieses
„Reglement für den Land – Ausschuß“ hat Wilhelm vielleicht nicht selbst verfasst,
doch ist „der Text fraglos weitgehend von seinem Geist geprägt“.
14
„Von Gottes Gnaden, Wir Wilhelm, regierender Graf zu Schaumburg, Graf und
Edler Herr zu Lippe und Sternberg, etc.“, so beginnt die Verordnung, „Thun kund
hiermit: nachdem Wir aus landesväterlicher Vorsorge, welche Wir für Unserer lieben
und getreuen Untertanen Conservation und Sicherheit unablässig tragen, gnädigst
für gut befunden, sowohl nach dem Exempel der benachbarten, als auch denen,
was in andern Grafschaften im Reiche mit gutem Succus geschehen, in Unserem
Anteil der Grafschaft Schaumburg einen Ausschuß der Landmiliz aufrichten zu
lassen, deren Wir Uns in Zeit der Noth und begeben den Fällen bedienen zu
können, ohne dass dadurch das Land sonderlich beschweret oder des Hausmanns
Ackerbau und Ernte versäumt were; als haben wir, damit dieses zu einem so
heilsamen Endzweck intendirtes und allein zu desto besserer Defension
vorgedachten. Unseres Anteils besagter Grafschaft angesehenes Werk zum völligen
Stand gelangen und alles auf einen festen Fuß gesetzt werde, gnädigst resolviret,
desfalls nachstehende Verordnung und Reglement zu aller und jeder, denen das
angelegen, zu befolgenden Nachrichten publiciren zu lassen“.
Achtundzwanzig Paragraphen regelten das Verhalten des „Entrollierten“ im zivilen
Arbeitsverhältnis wie im militärischen Dienst. Er sollte seines Vaters oder seines
Lohnherren Arbeit fleissig verrichten und seine Stelle nicht vorzeitig und ohne
Kündigung aufgeben. War der Arbeitgeber jedoch mit der Bezahlung säumig, erhielt
der Milizsoldat von amtswegen Rechtsbeihilfe.
Wenn einer aus der Mannschaft, z.B. durch Tod oder Heirat oder Übernahme eines
Hofes „abgehen würde“, so mußte er aus der Reserverolle ersetzt werden. Jeder
Abgang war dem „Commandirenden Offizier“ zu melden, der dann von dem
Beamten des Ortes einen tüchtigen Kerl aus der Reserve zu gewarten hat; in
dessen soll kein Knecht zwangsweise unter die Landmiliz geworben und
angenommen werden, es wäre dann, dass er sich gutwillig dazu anbieten wollte.
Wer in der „Rolle“ stand, war zu achten und zu ehren; er hatte „die Oberstelle im
Sitzen und Gehen“, also den Vortrieb vor anderen.
15
Der militärische Dienst der „Entrollirten“ blieb auf die Sonn- und Feiertage – „nach
verrichtetem Gottesdienst“ – und auf die Monate März, April, Mai, September,
Oktober und November beschränkt; die Erntezeit und der Winter wurden also
ausgesperrt. Die Milizsoldaten hatten im
Dienst pünktlich, nüchtern, willig und
höflich zu sein. Gestraft werden durfte nicht ohne Untersuchung des Falles und nur
mit Einverständnis des „Oberoffiziers“; als Strafe war „ zum ersten Mal eine Stunde,
zum zweiten Mal zwei Stunden, zum dritten Mal drei Stunden auf einem Pfahl zu
stehen oder auf einem hölzernen Pferd zu reiten“. Auf jedem Exerzierplatz wurde
dazu ein Pfahl und ein hölzernes Pferd errichtet. Militärstrafverfahren gab es nur bei
„Excess“ im Dienst.
Gute Leistungen wurden nach ausreichender Dienstzeit mit der Beförderung zum
Unteroffizier belohnt. Auf den Exerzierplätzen herrschte Alkoholverbot; insbesondere
war es den Unteroffizieren verboten, alkoholische Getränke zu verkaufen. „Ebenso
wenig soll auch ein Unteroffizier mit den Entrollirten saufen, doppeln oder spielen“.
Die Ober- und Unteroffiziere wurden ausdrücklich angehalten, den Männern von der
Landmiliz „keineswegs mit einer Härtigkeit, Scheltworten oder gar Schlagen zu
begegnen, sondern dieselben mit allem Glimpf zu unterweisen und weil nicht alle
gleich begreiflich sind, so soll der Unteroffizier die Einfältigen besonders vornehmen
und nicht überfallen.“ Fortschrittliche innere Führung im 18. Jahrhundert, scheint
sich bei manchen Militärs bis heute noch nicht rumgesprochen zu haben. Vergleiche
Zeitungsberichte aus 2008, über Misshandlungen durch Unteroffiziere und Offiziere
bei Manövern in verschiedenen Kasernen.
Streng verboten war es:
„ für Vergünstigungen im Dienst und für Urlaub Geld oder Geschenke
anzunehmen oder zu verlangen;
„ zu jagen, zu fischen und Holz zu schlagen;
„ Gewehr und Tasche mit nach Haus zu nehmen ( schon 1715!!);
„ vor oder nach dem Exerzieren zu schießen und zu placken.
Kein Vater oder Lohnherr darf sich unterstehen, einen Milizsoldaten ohne triftigen
Grund vom Exerzieren zurückzuhalten. Bestraft wurde, wer einen guten Mann bei
der Einschreibung verschwieg und einen schlechten dafür namhaft machte.
16
Deserteure mußten dreimal, im Wiederholungsfall sechsmal Spießruten laufen. Wer
zum dritten Mal desertierte, wurde nach den Kriegsartikeln bestraft. Die Namen der
Desertierten wurden, falls sie sich nicht wieder einfanden, an den Galgen
geschlagen, „andern zum Exempel“.
Bei alledem soll nicht verschwiegen
werden, dass die Bevölkerung die
Entrollierungen als unerwünschten Zwang empfand. Es war nicht so, wie die
meisten Biographen des Grafen Wilhelm zu berichten versuchen, dass die
schaumburg- lippische Landeskirche ihre Einbeziehung in die Landesverteidigung
begrüßte und willig sich den an sie gestellten Anforderungen unterzog.
1770 schrieb Wilhelm selbst: “Das Vorgehen, dass alle hiesigen Landeskinder
Soldatendienste leisten müssen, ist grundfalsch; wohl aber ist gewiss, dass die
junge Mannschaft verpflichtet werde, nicht ohne Erlaubnis außerhalb des Landes
sich zu begeben. (Es war also verboten, sich bei anderen Herrschern als Söldner zu
verdingen).
In diesem Zusammenhang interessiert das zahlenmässige Verhältnis der Streitkräfte
zur Bevölkerung. Bei einer Bevölkerungszahl von 18 000 und einer Höchststärke
von 1243 Soldaten standen im Krieg 1760 7%, im Frieden 1776 jedoch nur 4% der
Bevölkerung unter Waffen, ein in der damaligen Zeit wirtschaftlich tragbarer
Prozentsatz . Angesichts dieser Zahlen muß man den Kopf schütteln, wenn man
liest „ In dem niedersächsischen Kleinstaat erwächst aus dem Nichts, in Geist und
Wirklichkeit ein zweites kleines Potsdam.“ Der defensive Geist des kleinen
Bückeburg hat nie dem offensiven der berühmten Preußen nacheifern wollen.
9. Aufbau der stehenden Truppe in Schaumburg- Lippe
9.1 Die Infanterie
Bei der Infanterie – in der Garnison Bückeburg – wuchsen aus der 70 Mann starken
Leibgrenardierkompanie des Jahres 1778 bis zum September 1755 fünf Kompanien
zu etwa je 100 Mann und bis zum April 1757 insgesamt neun Kompanien zu je 114
Mann.
17
Hiervon bildeten sieben Kompanien mit rund 800 Mann das Bataillon, das Wilhelm
vertragsgemäß im siebenjährigen Krieg zur alliierten Armee abstellte. Die beiden
restlichen Kompanien, nämlich die Leibgrenadier- und die zweite Grenadierkompanie,
standen
Angelegenheiten“
dem
zur
Grafen
als
persönlichen
Garde
„
Verfügung.
in
Landes-
Wilhelm
und
nannte
anderen
seinen
Infanterieverband zunächst Leibbatallion, dann Leibregiment, Füselierregiment und
schließlich Grenadierregiment.
Die
Uniform
der
Infanterie
entsprach
der
preußischen,
der
preußischblau, die Hose weiß. Die Hauptwaffe der Mannschaften
Waffenrock
war das
Infanteriegewehr, ein glatter Vorderlader. Ein Teil der Soldaten trug Sturmsensen
(Piken), die der Abwehr von Kavellerieattacken dienten. Leichte Begleitartillerie
erhöhte die Feuerkraft.
9.2 Die Artillerie
Auch der Aufbau der Artillerie begann in der Garnison Bückeburg, bald nach
Wilhelms Regierungsantritt. Der Stamm der Artillerie bestand im Februar 1750 aus
ganzen 18 Mann, dazu einem Zeugmeister und einem Unteroffizier. Zwei Jahre
später waren es schon 66 Mann, und am 1. April 1752 wurde diese „ CanonierCompagnie“ gemeinsam mit beiden damals vorhandenen Industriekompanien
vorübergehend zum „Garnison-Bataillon Bückeburg“ zusammengefasst. Ende Juli
1757 rückte die schaumburg- lippische Artillerie in einer Kriegsstärke von etwa 200
Mann zur alliierten Armee ab, nachdem noch rasch 30 Grenadiere zu Kanonieren
gemacht worden waren.
9.3 Leichte Truppe
Um mit seinen Truppen ein selbständiges Gefecht führen zu können, mangelte es
Wilhelm – vor allem zur Aufklärung – noch an einer leichten Truppe. Er stellte
deshalb 1753 eine Karabiniereinheit in einer Stärke von anfangs 18 Mann auf. 1756
war die „Escadron Carabiniers zu Pferde“ auf 87 Mann angewachsen, gegliedert in
die 1. (Leib-) Kompanie und die 2. Kompanie.
18
Während des Krieges betrug die Durchschnittsstärke etwa 110 Mann; 25 von ihnen
hielt Wilhelm als Leibkarabinierkompanie zu seiner persönlichen Verfügung.
Personell ergänzt wurden die Karabiniers vor allem durch ausgesuchte Soldaten der
anderen Truppenteile.
1754 erhielten die Karabiniers einen Zug mit 27 Jägern zu Fuß als Begleitinfanterie
und zur Führung des sogenannten „Kleinen Krieges“. Zum großen Teil waren es
gräfliche Forstbedienstete, die sich durch Gewandtheit und gutes Schießen
auszeichneten.
Während
des
Krieges
bildeten
sie
eine
Kompanie
von
durchschnittlich 90 Mann. Ein Autor gibt die Stärke des Karabinierkorps nur mit 100
Mann an, 60 beritten und 40 zu Fuß, dass die Jäger zu Fuß eine grüne Uniform
trugen, versteht sich von selbst.
Wilhelm, der passionierte Reiter, nahm sich der Ausbildung seiner Karabiniers selbst
an; sein Herz schlug also nicht ausschließlich für die Artillerie. „Oft setzte sich Graf
Wilhelm an die Spitze dieser Schar, dann ging es gleich querfeldein. Keine Hecke,
kein Schlagbaum, kein Graben war Hindernis. Die Geschicktesten und die besten
Reiter wurden vom Grafen öffentlich gelobt, oft auch mit Geld beschenkt.“ Alles was
er von seinen Reitern forderte, machte er selbst vor, sodass „ von Anfang an ein
Geist in das Korps kam, der keine Unmöglichkeit kennend, mit dem höchsten
Enthusiasmus an dem allgeliebten Grafen hing, der alles selbst verstand.“ So
bereitete er persönlich die gute Haltung seiner Truppe im Siebenjährigen Krieg vor.
Die Uniform der Reiter bestand in einem Koller von schwarz gefärbter Elendshaut
mit scharlachrotem Tuchkragen und Umschlägen und einem gelben, von gutem
Wildleder angefertigten Beinkleid. Die Brust wie den Rücken bedeckten ein schwarz
angelaufener
auf
80
Schritt
gewehrschussfester
Kürass
mit
schuppigen
Armschienen. Den Kopf schützt eine Art Helm aus starkem Eisenblech, mit Bärenfell
verbrämt. Da diese neuartige Uniform, über die man anfangs lächelte, nicht „steif
und pedantisch wie die Uniformen der Truppen anderer Mächte war, sondern
bequem und sportlich; führten Hannover, Braunschweig und Hessen später ähnliche
Uniformen ein.
19
Wilhelm war in besonderer Weise: Denker, Truppenführer, Lehrer und Artillerist,
eben nicht der „Kanonengraf“, wie er verschiedentlich in der Literatur bezeichnet
wird.
Er ließ seine Geschütze nach eigenen Entwürfen in seiner eigenen „Stückgießerei“
in Bückeburg herstellen, die er 1754 gebaut hat. Die Gießerei war technisch auf dem
neuesten Stand; insbesondere verfügte sie über einen von Wilhelm erfundenen
Geschützbohrer, einen sogenannten Hohlbohrer, mittels dessen der massive Teil
der Seele ausgeschnitten wurde. Nicht nur die eigene, sondern auch die englische
und portugiesische Artillerie wurden beliefert. Direktor war während der Zeit ihres
Bestehens (1754 – 1788) der Artillerieoffizier Storch, bis 1760 auch Chef des
schaumburg- lippischen Artilleriekorps.
9.4 Ingenieur- und Mineurkorps
Eine Besonderheit war, das zunächst selbständige, im Krieg aber mit dem
Artilleriekorps
vereinigte
kleine
Ingenieur-
und
Mineurkorps
zu
erwähnen.
Mustergültig ausgerüstet, besaß es vor allem gut durchdachtes Schanzzeug, mit
dem es rasch und sicher zu arbeiten verstand. Bei Großenheidorn ließ Wilhelm
später sogar einen besonderen Übungsplatz anlegen, wo das Ingenieur- und
Mineurkorps- auch zur Ausbildung der
Militärschüler des Wilhelmstein – das
Aufwerfen von Verschanzungen, das Abstecken von Lagern, das Anlegen von
Laufgräben, Approchen und Legen von Minen sowie den Bau von bombensicheren
Räumen übte. In den Gefechtsübungen der übrigen Truppen ließ Wilhelm ebenfalls
stets Verschanzungen errichten; dabei kam es ihm auf Einfachheit und Schnelligkeit
an. Eine Vorliebe hegte er für Kaponieren, eine Art gedeckter vorgeschobener
Stellung, die er vor jeder Verteidigungsstellung an geeigneten Punkten anlegen ließ,
um aus ihnen die Angreifer flankierend beschießen zu können.
Schließlich machte sich Wilhelm einen Namen mit umfangreichen MinenExperimenten und mit Ausbildungsideen für seine „Pioniere“ (Tab. 2).
20
10. Der Siebenjährige Krieg (1756-1763)
Der Preußenkönig Friedrich II. hatte Schlesien eingenommen. Maria Theresia von
Österreich wollte es zurückgewinnen und führte deshalb gemeinsam mit ihren
Verbündeten (Russland, Frankreich, Schweden und Teilen des Deutschen Reiches)
Krieg gegen Preußen und seinen Alliierten (England, Hannover, Schaumburg-Lippe,
Gotha, Hessen und Braunschweig) Wilhelm war infolge eines 1756 geschlossenen
Vertrages mit England verpflichtet, diesem Waffenhilfe zu leisten. Dies Bundesheer
wurde von dem unfähigen Herzog von Cumberland befehligt, einem Sohn des
Königs Georg II. von England.
Im Frühjahr 1757 war eine französische Armee plündernd und verwüstend durch
Rheinland und Westfalen bis zur Weser vorgedrungen, um Hessen und Hannover
zu gewinnen. Cumberland stellte sich ihr am 26. Juli 1757 bei Hartenbeck unweit
Hameln entgegen.
Schon neigte sich ihm der Sieg über die weit größere Macht der Feinde zu, als er
plötzlich den Rückzug befahl, um Stade zu decken. Den nachdrängenden
Franzosen fiel nun Hameln, dann auch Minden ohne Schwertstreich in die Hände.
Entrüstet rief Friedrich seine preußischen Truppenteile von dem verbündeten Heere
ab. Mit dem Rest ließ sich Cumberland zwischen Weser und Elbe so in die Enge
treiben, dass er die schimpfliche Übereinkunft zu Kloster Zeven bei Bremen einging,
sein Heer aufzulösen. Hannover, Hessen und Braunschweig waren nun den
Franzosen preisgegeben, die das besetzte Land auf alle Weise bedrückten und
ausplünderten.
Am 1.August 1759 rückten wieder die Franzosen auf der linken Weserseite von
Minden vor. Wilhelm, der gewarnt war, hatte bei Todthausen seine Artillerie in
Stellung gebracht. Graf Wilhelm, der die gesamte Artillerie befehligte, schlug die
Franzosen zurück. Die Verbündeten hatten den Sieg errungen.
21
Bald nach der Schlacht bei Minden zwang Graf Wilhelm das gut befestigte Schloß
zur Übergabe und belagerte dann Münster. Während dieser Belagerung rettete ein
Kanonier durch eine ebenso schnelle wie mutige Tat dem Grafen das Leben. Als
nämlich die feindlichen Geschosse in unmittelbarer Nähe des Grafen einschlugen,
riß ihn der Soldat plötzlich zurück mit den Worten: “Dat döggt hier nich vor Jück!“
Kaum war er selber an die Stelle seines Herrn getreten, als eine Kanonenkugel den
wackren Helden niederstreckte.
Im Frühjahr 1761 hob er die vergebliche Belagerung von Kassel in solcher Ordnung
auf, dass er auf dem Rückzug vor den weit stärkeren Besatztruppen der Festung
weder Mannschaften noch Geschütze verlor.
Wilhelms Artillerie wurde insbesondere wegen ihrer unheimlichen Treffsicherheit,
das Karabinierkorps wegen seiner Schnelligkeit und Tapferkeit berühmt und
gefürchtet. Die Karabiniers wurden von den Franzosen „die eisernen Männer“ oder
„die Teufel von Bückeburg“ genannt (Tab. 3).
11. Graf Wilhelm in Portugal
Im Jahre 1761 wurde Portugals Freiheit und Unabhängigkeit auf Anstiften
Frankreichs von Spanien bedroht, so dass der König das befreundete England um
Hilfe anrufen musste. England rüstete sogleich ein bedeutendes Hilfsheer aus. Auf
Vorschlag des englischen Königs kamen die vereinigten portugiesischen, englischen
Truppen unter den Oberbefehl des Grafen Wilhelm, wofür besonders das britische
Militär votierte.
Es ist bezeichnend, dass Wilhelm gerade im britischen Heer schon damals hohes
Ansehen genoß. Viele britische Offiziere hatten ihn in der alliierten Armee kennenund als tatkräftigen Truppenführer schätzen gelernt.
Seine charakterliche
Unabhängigkeit, sein fortschrittliches Denken und sein unkonventionelles Handeln
sagten wahrscheinlich den Engländern mehr zu als seinen deutschen Landsleuten.
22
Wilhelm ließ sich vom portugiesischen König zusichern, dass er seine Rückkehr
nach Deutschland gestatten würde, falls Wilhelm den Oberbefehl nicht befriedigend
ausüben könnte. Ferner ließ er sich bestätigen, dass seine Soldaten – er durfte bis
zu vier Kompanien mit nach Portugal nehmen – die protestantische Religion, im
katholischen Portugal,
ungehindert praktizieren könnten und nach deutschen
Verhältnissen, also bedeutend höher als die Portugiesen besoldet würden.
Der Graf Wilhelm schiffte sich im Mai 1762 ein. Er wurde begleitet von Prinz Karl
Ludwig von Mecklenburg- Strelitz, einem Bruder der englischen Königin, Wilhelms
40 Mann starke Leibkarabinier- Kompanie, 20 Artilleristen und Pioniere sowie neun
Offiziere der schaumburg- lippischen Truppen. Den ihm gestatteten Umfang von vier
eigenen Kompanien nutzte Wilhelm also bei weitem nicht aus.
Joseph I., König von Portugal, ernannte Wilhelm mit Patent vom 3. Juli 1762 zum
Generalmarschall, Oberbefehlshaber und Generaldirektor des portugiesischen
Heeres. Bis vor kurzem in relativ untergeordneter Stellung, fand Wilhelm sich nun
„mit der höchsten militärischen Würde des Königreiches Portugal bekleidet“.
In einem sieg- und ruhmreichen Feldzug sicherte Graf Wilhelm die Selbständigkeit
Portugals, auch verbesserte er das Heerwesen sowie die Landesverteidigung
daselbst. So legte er auf einen felsigen Berg bei Eldas das nach ihm benannte Fort
„de la Lippe“ an, das einer der bestbefestigten Plätze Europas ist.
Schlechte Nachrichten aus Schaumburg-Lippe bewogen Wilhelm schließlich, seine
Abreise auf den 20. September 1764 festzusetzen. Sein Land, das durch den Krieg
wirtschaftlich sehr gelitten hatte, bedurfte dringend der festen und helfenden Hand
des Regenten.
23
Der König von Portugal beschenkte Wilhelm zum Abschied auf das Grosszügigste.
Neben edlen Pferden, seltenen Adlern, einem von Diamanten umrahmten Porträt
Joseph I., einen Diamantenstern des Schwarzen Adlerordens, einer kostbaren
Münzsammlung
und
anderen
wertvollen
Dingen
sind
vor
allem
sechs
Miniaturkanonen zu nennen, mit Rohren aus massiven Gold, jedes über 13 kg
schwer und auf silberbeschlagenen Ebenholz laffettiert, damals je 3000 Dukaten
wert. Eine besondere militärische Ehrung hatte Wilhelm schon 1763 dadurch
erfahren, dass Joseph I., König von Portugal, Wilhelm mit Patent vom 3. Juli 1762
zum Generalmarschall, Oberbefehlshaber und Generaldirektor des portugiesischen
Heeres ernannt hatte.
Am 20. September schiffte Wilhelm sich nach London ein. In London unterrichtete
Graf Wilhelm die Regierung Georgs III. über den Feldzug und die Heeresreform in
Portugal und traf am 17. November 1764 in Bückeburg ein.
Im Jahre 1767 begab sich Graf Wilhelm noch einmal nach Portugal, um seine
dortigen Einrichtungen zu besichtigen, und 1776 schickte er 16 seiner Offiziere nach
Lissabon, die das dortige Artilleriewesen in neuen Stand setzen mußten.
12. Graf Wilhelm in Bückeburg
Wilhelms Lebensweise zu Hause war fast so spartanisch wie im Felde, sein
Regierungsstil bestimmt und durch eine straffe Zeiteinteilung gekennzeichnet.
Gegen vier oder fünf Uhr früh stand er auf, um schon vor dem aus Tee und
Zwieback bestehenden, kargen Frühstück einige Stunden zu schreiben oder zu
diktieren. In Stadt und Land richtete Wilhelm ständige Versammlungen tüchtiger
Fachleute ein, die die Wünsche der Einwohner genau in Erfahrung zu bringen
hatten. Über die Ergebnisse ihrer Beratungen hatten sie dem regierenden Grafen zu
berichten.
24
Wilhelm vermählte sich ein Jahr nach der Rückkehr aus Portugal am 12. November
1765 mit der 21jährigen Gräfin Marie Barbara Eleonore zu Lippe-Biesterfeld. Das
Bild der schönen jungen Frau hatte er in Portugal bei ihrem Bruder Ferdinand, der
dort zu seinem Stabe gehörte, gesehen. Obwohl Maria, wie sie genannt wurde,
zwanzig Jahre jünger als Wilhelm und im Gegensatz zu ihm sehr fromm war, wurde
die Ehe zu einer überaus innigen und wechselseitig förderlichen Beziehung.
Wilhelm holte den 27jährigen Pastor Johann Gottfried Herder in sein Land. Dies war
neben anderen bekannten Männern der bedeutendste, zugleich aber auch der
schwierigste. Als er im Mai 1771 das Amt eines Konsistorialrates und Ersten
Predigers bei der lutherischen Gemeinde in Bückeburg übernahm, hatte er sich in
der deutschen Literatur schon einen Namen gemacht. Die Beziehung zwischen
beiden Männern entwickelte sich zu gegenseitiger Hochachtung, aber es blieb
immer eine gewisse Distanz. Die Kultur des Bückeburger Hofes erschöpfte sich
nicht in Philosophie und Literatur, Wilhelm unterhielt auch eine beachtliche
Hofkapelle. Dieser gehörte seit 1750 Johann Christoph Friedrich Bach an, ein Sohn
von Johann Sebastian Bach.
13. Militärpolitik
Nach dem Siebenjährigen Krieg zeichnete sich in Schaumburg-Lippe auch ein
neues Wehrkonzept Wilhelms ab. Hierbei schlugen sich zum Teil seine
portugiesischen Erfahrungen nieder, z.B. in der Korrektur von Dienstvorschriften.
Das Wesentliche aber war Wilhelms Absicht, die Sicherheit seines Kleinstaates vor
Übergriffen größerer Nachbarn entscheidend zu stärken und die Landesverteidigung
künftig auf eine uneinnehmbare Festung zu stützen. Die Uneinnehmbarkeit wollte er
erreichen durch eine Insellage im Steinhuder Meer außerhalb der Reichweite
feindlicher Artillerie vom Seeufer her (Abb.2) Da es eine geeignete Insel dort nicht
gab, schuf Wilhelm sie selbst. Schon im Jahre 1761, als Wilhelm „auf Distanz“ zur
alliierten Armee ging, begann man damit, den Grund und Boden für den späteren
„Wilhelmstein“ im See aufzufüllen.
25
Die Friedensstärke bestimmte Wilhelm nach den Erfordernissen des neuen
Wehrkonzeptes, aber ebenso nach dem Bedarf der schaumburg- lippischen
Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft. Vom Karabinier- und Jägerkorps
entließ man die Jäger zu Fuß sofort nach Kriegsende (einschl. Pioniere), reduzierte
Wilhelm die Zahl der Kanoniere, Stallmeister und Knechte. Die Kader der
Spezialisten, vor allem das Ingenieur- und Mineurkorps, blieben weitgehend
erhalten; sie sollten im neuen Wehrkonzept eine entscheidende Rolle spielen und an
der 1767 entstehenden Militärschule auf dem Wilhelmstein das Lehrpersonal stellen.
Gestützt auf verbesserte und ergänzte Dienstvorschriften, betrieb die Truppe eine
systematische Ausbildung. In jedem September, dem sogenannten Exerziermonat,
hielt Wilhelm mit allen Truppen Manöver ab, an denen die Beurlaubten teilzunehmen
hatten. Nach der Fertigstellung des befestigten Wilhelmsteiner Feldes fanden die
Gefechtsübungen vor allem hier statt. Die präsenten Truppen übten natürlich nicht
nur im September, so kampierten sie z.B. von Ende März bis Ende Juni 1769 in
einem Ausbildungslager in Steinhude, „wobey allerhand Maneuwers
gemacht
werden“ (Abb. 3; Abb. 6; Abb. 7).
14. Versorgung seiner Veteranen
Die Versorgung seiner Veteranen war für Graf Wilhelm ein sehr persönliches
Anliegen,
zeigt
ihn
wiederum
als
fürsorglichen
Dienstherrn.
Schon
im
Siebenjährigen Krieg hatte er dienstunfähig gewordene Soldaten „auf eine
anständige Art versorgt“, im Staatsdienst oder bei Hofe angestellt, oder ihnen eine
Pension, wenn nicht gar bestimmte „Privilegien“ zuerkannt; so erhielt ein besonders
bewährter Karabinier die Konzession für eine Branntweinbrennerei. 1768 gab
Wilhelm bekannt, dass er zur Vermehrung der Bevölkerung, zur Förderung der
Wirtschaft und zugleich zur Belohnung verdienter Soldaten auf seine Kosten neue
Kolonien anlegen werde. Jeder Kolonist erhalte kostenlos ein Haus geschenkt mit 2
Morgen (5000 m2) urbar gemachtem Garten- oder Ackerland mit dem nötigen Gerät
und dem Saatgut für das erste Jahr.
26
15. Die Beschreibung des Wilhelmsteiner Feldes nach der Recherche der
„Hagenburger Geschichten“
Das Wilhelmsteiner Feld sollte, nach dem militärischen Konzept des Grafen
Wilhelm, Teil einer breit angelegten Verteidigungsanlage sein, mit deren Hilfe die
Grafschaft Schaumburg-Lippe vor Invasionen äußerer Feinde geschützt werden
sollte.
Dabei
diente
die
künstlich
aufgeschüttete
Insel
„Wilhelmstein“
als
strategisches Zentrum, das Wilhelmsteiner Feld war eine befestigte Landschaft mit
eigener Landwirtschaft. Der Landstrich, den Wilhelm dafür ins Auge gefasst hatte,
reicht vom Hagenburger Kanal im Osten bis zum Organistengraben im Westen. Graf
Wilhelm benannte das ganze Gebiet, unter Umgehung der gebräuchlichen
Flurnamen, „Wilhelmsteiner Feld“ (Abb. 4).
Im Vordergrund der Baumaßnahmen stand die militärische Sicherung und
Befestigung des Geländes. Bei den gesamten Flächen handelte es sich um
Moorflächen am Rande des Steinhuder Meeres, deshalb mussten die Soldaten über
ein kompliziertes Netz von Abzugsgräben das Moor trockenlegen. Danach wurden
die Schanzen gebaut. Sie sind als sternförmige Wallanlagen erbaut, wobei
Holzpalisaden die Schutzwälle bilden. Innerhalb dieser Schutzwälle befanden sich
Munition, Lebensmittelvorräte und eine Kanone oder ein Mörser.
Besonders auffällig war die sogenannte „Tenaille“ (Zangenwerk) am Ufer des
Steinhuder Meeres, die gleichzeitig den „Kriegshafen“ bildete. Graf Wilhelm konnte
1776 auf eine Flotte von 18 Schiffen auf dem Steinhuder Meer verweisen, die
Schiffe waren teilweise sogar mit Kanonen bestückt.
Eine um 1775, also noch während der Bauzeit, angefertigte Karte vom
Wilhelmsteiner Feld enthält viele Details des Gebietes. Im Zentrum der Karte
befindet sich das eigentliche Torfmoor, den im Westen das „Bruch“, im Süden das
Hainholz, im Südosten das Reetshop und im Osten die Heidriehe vorgelagert sind.
27
Die militärischen und landwirtschaftlichen Anlagen erstreckten sich vor allem am
Kanal entlang und am Südufer des Meeres. Zwischen den vielen kleineren und
mittleren Schanzen mit der „Tenaille“ im Mittelpunkt wurden die vielen Gärten und
Kolonistenhäuser platziert. Ein weit verzweigtes, noch im Entstehen begriffenes
Kanalsystem sollte auf Dauer für eine ausreichende Entwässerung
des nassen
Geländes sorgen.
Auf dem Wilhelmsteiner Feld befanden sich bei Abschluß der Arbeiten über zwanzig
Schanzen und Verteidigungsanlagen, die vermutlich in der Mehrzahl mit Kanonen
bzw. Mörsern und Munition ausgerüstet waren. Zusätzlich wurden etwa 30
landwirtschaftliche Gebäude errichtet.
Neben der militärischen Sicherung sah Graf Wilhelm für das Wilhelmsteiner Feld die
Ansiedlung von Kolonisten vor. Einigen verdienten Soldaten wurde nach Ablauf ihrer
Dienstzeit das Nutzungsrecht auf Grund und Boden zuerkannt, wobei sie im Sinne
von Wehrbauern für die Versorgung der Kasernen verpflichtet werden sollen. Auf
den Karten sind daher auch großzügige Gartenflächen und Obstplantagen
eingezeichnet, vor allem entlang des Ochsendammes, bei der Mittelschanze und in
der Nähe der Tenaille.
Wie diese Anlage, die innerhalb von nur 10 Jahren aus dem Boden gestampft
wurde, in Wirklichkeit ausgesehen hat, können wir heute nur vermuten. Sicherlich
hat die Qualität und Ausstattung der Bauwerke unter
dieser Schnellbauweise
gelitten, desgleichen ließ sich in solch kurzer Zeit auf sumpfigem Gelände wohl
kaum eine ertragreiche Landwirtschaft aufziehen.
16. Einige bemerkenswerte Begebenheiten, von Ochwadt aufgezeichnet
16.1 Bau des Wilhelmsteins, von Engelke Posthalter in Hagenburg
1761 ist der Grund zum Wilhelmsteine im Steinhuder Meere, durch Einwerffung
einer unsäglichen Menge geschossener großer und kleiner Kieselsteine zu machen
angefangen worden.
28
Diese Einsenkung von so vielen teils zu Schiffe, teils im Winter aufn Eise mit
Schlitten hingefahrnen Steine, dauerte bis 1765, und also 5 Jahre, da sich denn erst
die Steine außer Wasser sehen ließen. Nach der Aussage eines stets dabey
gewesenen Officiers sollen in diesen 5 Jahren täglich (Sonn- und Festtage
ausgenommen) durch die Bank 40 Fuder Steine hingefahren und auf dieser Stelle
ins Meer geworfen sein. 1765 wurde dann von starkem Eichenholze ein so großes
Schling in lauter Quadraten 1,5 Fuß weit gebauet, als der Wilhelmstein seyn sollte
und hierauf setzte man die Mauer, womit es also auf die ebengemachten
Grundsteine etwa 1 Fuß unter Wasser sank. Darauf wurden dann die inneren
Festungs-Werke von Quadersteinen aufgemauert, die äußern aber oder die 16
Außenwerke auf eingerammte Pfähle gebauet. In 2 Jahren wurde diese Arbeit so
betrieben, dass bereits um Ostern 1767 eine Cadetten- Schule: worin einige 30
junge Leute, die sich dem Ingenieur- Wesen widmen wollten, von Officiers
unterrichtet wurden: angeleget ward.
Die Besatzung machte zu Anfang etwa 250 Mann mit 50 metallenen Canonen, ein
dutzend Mörsern und allen andern zum Artillerie-Wesen gehörigen Dingen aus. Was
übrigens dieser Festungs- bau an Gelde gekostet, ist niemals bekannt geworden.
Denen Unterthan wurde für jedes Fuder Steine und andere Materialien ans Meer zu
fahren 24 gr. gegeben. Er hat indessen das beste und meiste Holz aus unseren
Waldungen so wohl an Eichen als Buchen: welch letztere zu dicken Rampfählen 30
Fuß lang hundertweise gebraucht wurden, zu sich genommen (Tab.1).
16.2 Steinhuder Streik beim Bau der Wilhelms Insel, 1762
Wir haben eine Art Aufruhr gehabt; die Einwohner von Steinhude haben sich
geweigert, weiterhin ihren Gruppenanteil (mit dem Rest des Amtes) zur Arbeit
stellen, indem sie erklärten, dass sie gar nicht zur Arbeit verpflichtet sind und dass,
wenn verlangt wird dass sie arbeiten, sie ebensoviel bekommen wollen wie wenn
Privatleute sie beschäftigen. Dies geschah vor drei Wochen. Am 4., als ich nach
Bückeburg reiste, war die Sache noch keineswegs entschieden. Der Herr Amtsrat
Barckhaus bemüht sich darum. Aus Bückeburg, den achten Juli 1762 Estienne
29
16.3 Einholung der Gräfin Maria zu Hagenburg, 1766
Es gefiel dem Grafen Wilhelm mit der Frau Gräfin Maria eine Reise nach Hagenburg
anzustellen und diese neuvermählte Landesmutter wurde am 6. Juli 1766 auf das
prächtigste eingeholt und des Abends war die ganze Allee vor dem Schlosse zu
Hagenburg erleuchtet und eine Musik aufgeführt, sämtliche hohe Herrschaften
blieben daselbst 7 Wochen. Bei der hohen Gegenwart Ihro Durchlaucht Frau
Gemahlin ist von mir verunkostet worden: 7 Pfd. Pulver = 2,5 Thaler. Beim
Patronenmachen ist verzehrt 13 Gr. Von der Bürgerschaft sind 91 Kannen auf dem
Ratskeller vertrunken worden.
16.4 Fürstin reist mit fünfzehn Wagen, von Engelke 1767
Unsere durchlauchtige Fürstin von Stadthagen empfingen und bewirten dieselbe
allhie. Sie gebrauchten auf der Rückreise vor 15 Wagen und 2 Beyreiters = 78
Pferde.
16.5 Ausverkauf des Wilhelmsteiner Felds, von Engelke 1777
(Nachdem Graf Wilhelm in der Nacht vom 9. auf den 10. September gestorben war)
Am 2. October wurde das bisher auf hiesigem Torf- Moore oder so genannten
Wilhelmsteiner Felde gewesene Herrschaftliche Vieh an Kühen und Schafen; den
17. Oct. alle Festungs- Pallisaden; den 20. Oct. alle Herrschaftl. Gebäude; den 21.
Oct. alle Magazin- Früchte des Wilhelmsteins; den 3. Nov. die mehresten jungen
Obstbäume, meistbietend verkauft. Auch das vom Hochseel. Herrn Uhrbaar
gemachte Land, Stückweise verpachtet und ausgethan.
16.6 „Bruder Lustick“ auf dem Wilhelmstein, 1808
Am 23. August 1808 besuchte „Seine Majestät der König von Westphalen“,
Napoleons Bruder Jerome Bonaparte, mit seinem Gefolge von 27 Personen den
Wilhelmstein.
30
17. Literatur (Auswahl)
1. Banaschik- Ehl, Ch. (1974): Graf Wilhelm von Schaumburg- Lippe in Portugal;
Osnabrück
2. Klein, H. (1982): Wilhelm zu Schaumburg- Lippe; Osnabrück
3. Kreisvolkshochschule Schaumburg (1988): Hagenburger Geschichten
4. Ochwadt, C. (1967): Das Steinhuder Meer; Hannover
5. Schaumburger Landschaft (2000): Kulturpfad Schaumburg; Bückeburg
6. Wiegmann, W. (1912): Heimatkunde des Fürstentums Schaumburg- Lippe;
Verlag H. Heine, Stadthagen
31
AK Bergbau: Heft 18, Abb. 1 (Schloß Hagenburg)
32
AK Bergbau: Heft 18, Abb. 2 (Ochwardt, C. 1967)
33
AK Bergbau: Heft 18, Abb. 3 (Ochwardt, C. 1967)
34
AK Bergbau: Heft 18, Abb. 4 (StAB)
35
AK Bergbau: Heft 18, Abb. 5 (Ochwardt, C. 1967)
36
AK Bergbau: Heft 18, Abb. 6 (Ochwardt, C. 1967)
37
AK Bergbau: Heft 18, Abb. 7 (Ochwardt, C. 1967)
38
Tab. 1
39
Tab. 2
40
Tab. 3

Documentos relacionados