Heft 18: Hofmeister, Erich (2009): Graf Wilhelm und
Transcrição
Heft 18: Hofmeister, Erich (2009): Graf Wilhelm und
1 Exkursionsführer und Veröffentlichungen Schaumburger Bergbau Graf Wilhelm und seine Maßnahmen zur Landesverteidigung am Steinhuder Meer Zusammengestellt von Erich Hofmeister Heft Nr. : 18 Arbeitskreis Bergbau der Volkshochschule Schaumburg Hagenburg im März 2009 Exkurf. u. Veröffentl. H. 18 40 S. 7 Abb. 3 Tab. ! Hagenburg, 2009 2 Die Reihe „Exkursionsführer und Veröffentlichungen des Arbeitskreises Bergbau der Volkshochschule Schaumburg“ wird vom Arbeitskreis Bergbau in lockerer Folge herausgegeben. Bisher sind erschienen: Heft 01 Schunke & Breyer: Der Schaumburger Bergbau ab 1386 und von............ Heft 02 Ahlers & Hofmeister: Die Wealden-Steinkohlen in den Rehburger Bergen. Heft 03 Korf & Schöttelndreier: Die Entwicklung des Kokereiwesens auf den... Heft 04 Hofmeister: Der Obernkirchener Sandstein. Heft 05 Hofmeister & Schöttelndreier: Der Eisenerzbergbau im Weser-................. Heft 06 Hofmeister: Die Steinkohlenwerke im Raum Osnabrück. Heft 07 Krenzel: Vorbereitung einer Exkursion von Hagenburg zur Hilsmulde. Heft 08 Schöttelndreier & Hofmeister: Exkursion durch die Gemeinde Nienstädt. Heft 09 Ruder: Die historischen Teerkuhlen in Hänigsen.......... Heft 10 Hofmeister: Exkursion Steinzeichen am Messingsberg,.......... Heft 11 Grimme: Das Endlagerbergwerk Gorleben. Heft 12 Schöttelndreier: Historische Relikte in der Samtgemeinde Nienstädt. Heft 14 Grimme et. al. : Der Wealden-Steinkohlenbergbau in Niedersachsen. Heft 15 Hofmeister: Die Entwicklung des bergmännischen Geleuchts. Heft 16 Schröder: Die Schachtanlagen Lüdersfeld & Auhagen. Heft 17 Hofmeister: Steinkohlengewinnung zur Zeit des Fürsten Ernst....... Heft 18 Hofmeister: Graf Wilhelm und seine Maßnahmen zur Landesverteidigung... 1. Impressum Herausgeber : Arbeitskreis Bergbau der Volkshochschule Schaumburg, Wilhelm-Suhr-Straße 16, 31558 Hagenburg. Redaktion: Karl- Heinz Grimme, Erich Hofmeister Layout und Druck: Christan Abel, Obernkirchen Ludwig Kraus, Stadthagen 3 2. Inhalt 1. 2. Impressum Inhalt 2a Abbildung 2b Tabellen Vorwort Langjährige Mitglieder des Arbeitskreises Inhalt 4a Abbildungen 4b Tabelle Einleitung Wilhelms Jugend Graf Wilhelm regierender Graf zu Schaumburg- Lippe Graf Wilhelms Aufrüstung Aufbau der stehenden Truppe 9.1 Die Infanterie 9.2 Die Artillerie 9.3 Leichte Truppe 9.4 Ingenieur- und Mineurkorps 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Der siebenjährige Krieg Graf Wilhelm in Portugal Graf Wilhelm in Bückeburg Militärpolitik Versorgung seiner Veteranen Beschreibung des Wilhelmsteiner Feldes nach der Recherche der „Hagenburger Geschichten“. 16. Bemerkenswerte Begebenheiten, von Ochadt aufgezeichnet a. Bau des Wilhelmsteins b. Steinhuder Streik beim Bau der Wilhelms Insel c. Einholung der Gräfin Maria nach Hagenburg d. Fürstin reist mit fünfzehn Wagen e. Ausverkauf des Wilhelmsteiner Feldes f. „Bruder Lustick“ auf dem Wilhelmstein 17. Literatur 2a. Abbildungen Abb. 1 Portrait Wilhelm Graf zu Schaumburg- Lippe Abb. 2 Entwurf Festung Wilhelmstein von Graf Wilhelm Abb. 3 Vestung Wilhelmstein und Außenwerke Abb. 4 Wilhelmsteiner Feld ( Ausschnitt) Abb. 5 Grabmal Graf Wilhelm in Schloß Baum Abb. 6 Hippopotame, ein kriegerisches Tretboot Abb. 7 Hippopotame, im Einsatz 2b.Tabelle Tab. 1 Bewaffnung der Festung Wilhelmstein bis 1777 Tab. 2 Stärkeentwicklung der stehenden Truppe von 1748 – 1777 Tab. 3 Artillerie des Grafen Wilhelm im 7jährigen Krieg 4 3. Vorwort: Das Schaumburger Land, von den Rehburger Bergen bis ins Wesergebirge, ist reich an Bodenschätzen. Seit mehr als 600 Jahren prägte daher der Bergbau in Schaumburg nicht nur die Landschaft; er war zeitweise auch von erheblicher Bedeutung für das Leben zahlreicher Familien. So gab es u. a. Gesteins-, Ton-, Salz- und vor allem Kohleabbau. Heute werden nur noch (bei Obernkirchen und Steinbergen) Steine gebrochen. Der Abbau anderer Bodenschätze wurde eingestellt, so der Kohlebergbau zu Beginn der 60er Jahre. Doch gibt es noch viele ehemalige Bergleute, die von ihrem Arbeitsleben erzählen, Fachleute, die von ihren Kenntnissen über den einheimischen Bergbau berichten, und andere Zeitzeugen, die sich an manche Bergmannsgeschichte erinnern können. In den letzten Jahrzehnten haben sich in verschiedenen Schaumburger Orten Bergmannsvereine gebildet. Sie bemühen sich, Traditionen der Bergleute zu bewahren und Bergbaudokumente und -relikte zu sichern, zu pflegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 1991 wurde im Rahmen der Volkshochschule Schaumburg ein Arbeitskreis mit dem Titel "Schaumburger Bergbau und der Bergbau der Rehburger Berge" gebildet. In ihm sind Mitglieder der verschiedenen Bergmannsvereine vertreten. Hans-Ulrich Drechsler (Hagenburg/Altenhagen) übernahm die Leitung und übergab sie 1997 an Erich Hofmeister (Hagenburg). Es fanden sich etwa 25 Personen, die nun schon über 10 Jahre regelmäßig an den Treffen teilnehmen und durch ihr Engagement und ihre Hilfsbereitschaft zum Erfolg des Arbeitskreises beitrugen und beitragen. Allen gebührt großer Dank, neben Hans-Ulrich Drechsler und Erich Hofmeister besonders Ernst Knickrehm (Obernkirchen), Werner Schöttelndreier (Nienstädt), Werner Ahlers (Rohrsen), Jürgen Ruder (Großburgwedel) und Karl- Heinz Grimme (Barsinghausen). In den ersten Jahren waren die Tagungen geprägt durch Berichte, Vorträge und Erzählungen einzelner Mitglieder aus ihrem Bergmannsleben. Alles Wesentliche wurde auf Tonband aufgenommen und damit für spätere Zeiten gesichert. Auf Exkursionen wurden die ehemaligen Arbeitsstätten, die alten Schacht- und Stollenanlagen des Bergbaues und verschiedene Steinbrüche aufgesucht und vor Ort die frühere Arbeit beschrieben und erläutert. Es folgte die Zusammenstellung und Durchsicht von Veröffentlichungen über den hiesigen Bergbau. Einzelne Mitglieder übernahmen Recherchen in öffentlichen und privaten Archiven. Außerdem wurden Fachleute zu bestimmten Einzelthemen eingeladen, die sich nach ihrem Referat meist noch zu weiterer Mitarbeit im Arbeitskreis Bergbau bereit erklärten. Von der ursprünglichen Absicht, eine umfangreiche Monographie über den Schaumburger Bergbau zu erstellen, wurde wegen des Umfangs Abstand genommen. Nun werden in loser Folge, Hefte mit einzelnen Bergbauthemen und/oder Exkursionsführer des Arbeitskreises Bergbau der VHS Schaumburg herausgegeben. Glück auf! 5 4. Langjährige Mitglieder des Arbaitskreises Bergbau Abel Abel Abel Ahlers† Bonitz † Bremer Busatta † Drechsler Engelking † Gerdts Grimme Henke† Hofmeister Kaussow,sen. Kaussow,jun. Klinger† Klinger Knickrehm † Knickrehm Koch † Kording Korf † Krassmann,Dr. Kraus Krenzel Kröger,Dr.† Ludewig Maiwald Matthias Oberdanner Poßin Ruder † Ruder Rüppel† Schewe Schewe Schiewe Schlegel Schöttelndreier Schöttelndreier Schröder Schröder Schröder Voges Winterstein † Barbara Christian Willi Werner Gerhard Ursel Fred Hans-Ulrich Carl-Friedrich Wolfgang Karl-Heinz Kurt Erich Günter Günter Herbert Margret Ernst Ingrid Fritz Wilhelm Walter Thomas Ludwig Horst Uwe-Dietrich Gunter Heinz Friedrich Hans Wolfgang Barbara Jürgen Hermann Rita Eckhard Karl-Heinz Detlef Anneliese Werner Konrad Ralf Wilhelm Gisela Traude Obernkirchen Obernkirchen Obernkirchen Rohrsen Rodenberg Hagenburg Hagenburg Hagenburg Lauenau Wunstorf Barsinghausen Obernkirchen Hagenburg Hagenburg Hagenburg Hagenburg Hagenburg Obernkirchen Obernkirchen Obernkirchen Nienstädt Nienstädt Rodenberg Stadthagen Egestorf Bad Nenndorf Lindhorst Hagenburg Bad Nenndorf Rehburg-Loccum Hagenburg Großburgwedel Großburgwedel Barsinghausen Auhagen Auhagen Garbsen Wunstorf Nienstädt Nienstädt Suthfeld Suthfeld Suthfeld Hagenburg Hagenburg 6 5. Einleitung Graf Wilhelm wurde am 09. Januar 1724 als zweiter Sohn des Erbgrafen Albrecht Wolfgang zu Schaumburg- Lippe geboren. Wilhelm sah seine Heimat erst nach mehr als vier Jahren. Die Beziehungen des Hauses Schaumburg- Lippe zu Georg I. König von England, waren eng. Dieser hatte schon als Kurfürst von Hannover seine schützende Hand über Wilhelms Großmutter, Gräfin Johanna Sophie zu Hohenlohe-Langenburg, gehalten; als sie 1702 vor ihrem Mann aus Bückeburg geflohen war, mußte sie allerlei Prozesse durchstehen. Der Ehezwist im Hause Schaumburg-Lippe erregte damals großes Aufsehen. Ab 1709 weilte Johanna Sophie mit ihren Söhnen am hannoverschen Hof, und als der Kurfürst 1714 den englischen Thron bestieg, ging sie mit an den Hof in England. Dort lebte sie mit ihren Söhnen vierzehn Jahre lang bis zum Tode ihres Mannes. Ihr ältester Sohn Albrecht Wolfgang brachte, abgesehen von Bildungsjahren, lange Zeit am englischen Hof zu. 1721 heiratete er in London Margarete Gertrud von Oeynhausen. Dieser Ehe entsprossen 2 Söhne: 1722 Georg August Wilhelm und 1724 Wilhelm Friedrich Ernst. Graf Albrecht Wolfgang reiste als englischer Gesandter häufig nach Deutschland und Frankreich. Da seine Frau ihren Mann auf den Reisen oft begleitete, wuchsen die Söhne unter dem Einfluß ihrer Großmutter, Gräfin Johanna Sophie, auf. Mit dem Regierungsantritt des Vaters, Graf Albrecht Wolfgang zu SchaumburgLippe (1728) in Bückeburg, kamen die beiden Brüder mit ihrer Großmutter, die Mutter war 1726 in Mannheim verstorben, nach Bückeburg. 6. Wilhelms Jugend Der Einfluß Englands und die englischen Beziehungen blieben bestehen. Wilhelm schätzte die englische Lebensart und nannte sich noch in seiner späteren Jugend „William“. Er pflegte den Verkehr mit Engländern besonders und besuchte so oft er konnte England. 7 Georg und Wilhelm wurden von 1728-1735, bis zu Wilhelms 11. Lebensjahr, in Bückeburg vom Vater, der Großmutter und dem reformierten Hofprediger Johann Heinrich Meister sorgfältig erzogen und ausgebildet. Der Vater heiratete 1730 wieder, die verwitwete Fürstin Charlotte Friederike Amalie zu Anhalt- Köthen. Wilhelm schrieb später: „Diese Ehe war nicht glücklich. Es ist bekannt, daß mein Vater schon wenige Jahre nach seiner zweiten Hochzeit seine ganze Zuneigung der Gräfin von Bentinck schenkte.“ An die sieben Bückeburger Jahre schloss sich eine 13-jährige Studien- und Bildungszeit an, vorwiegend im Ausland. Wilhelms Werdegang wird in der Literatur folgendermaßen beschrieben: In London geboren, in Genf konfirmiert, in Leiden und Montpellier gebildet. In kaiserlichen Diensten zum Soldaten und Kavalier erzogen, war er im Vollbesitz der adligen Bildung seiner Zeit. Zweck seiner Studien war die Vorbereitung auf militärische Aufgaben in fremden Diensten (als Zweitgeborener), wie sie kleine Fürsten ohne Land derzeit zu übernehmen pflegten. Die Brüder reisten danach zu einem fünfjährigen Aufenthalt nach Genf, wo sie ihre Studien fortsetzten. Aus dem reichen Angebot der Genfer Universität bevorzugte Wilhelm mathematische und kriegswissenschaftliche sowie Vorlesungen in Physik, Astronomie und Seefahrtskunde. Sein Hauslehrer für Mathematik, der Luxemburger Claude Henry du Frainory, lenkte Wilhelms Wissen auf die „Feuerwerkerei und Geschützkunde“. Wilhelm holte ihn später nach Schaumburg-Lippe und machte ihn zum Chef des schaumburglippischen Artilleriekorps. Im Sprachunterricht vervollkommnet Wilhelm seine englischen und französischen Kenntnisse und lernt zusätzlich Italienisch und Portugiesisch. 8 Dagegen hat er das Deutsche nie regelrecht beherrscht, ein allgemeiner Fehler des deutschen Adels zu jener Zeit. 1742 trat Wilhelm als Fähnrich bei den britischen „Life Guards“ ein. Ein vornehmeres Regiment hätte er in England nicht finden können. Am 06. August 1742 fiel sein älterer Bruder in Venlo im Duell. Daraufhin bemühte sich Graf Albrecht Wolfgang, den jüngsten Sohn, der nun im Alter von 18 ½ Jahren Erbgraf geworden war, vom englischen Militärdienst freizubekommen. Es gelang ihm dadurch, dass er als holländischer Generalleutnant Wilhelm mit auf einen Feldzug des österreichischen Erbfolgekrieges nahm. In den folgenden Jahren genoß Wilhelm zusammen mit ähnlich gesinnten Freunden seine Freiheit. Von seinem Vater großzügig behandelt, unternahm Wilhelm Reisen nach England, Sachsen, Österreich und Italien. In Bückeburg hielt es ihm immer nur wenige Monate. An den Höfen zu Dresden, Wien und London zählte man ihn wegen „ausschweifenden Lebens“ damals zu „einer bestimmten Spiel- und Abenteuerjugend des Adels“, was seinem Ruf zeitweilig sehr geschadet hat. Dies trifft insbesondere zu für seine Affäre mit der „Theaterprinzessin“ Elenai Barbanti aus Wien. Diese soll er einem Wiener Adeligen entführt und mit ihr in Venedig und London eine gemeinsame Haushaltung geführt haben. In England setzte er seinen Ehrgeiz darein, „mit jedem Engländer in Allem“ zu wetteifern. Er wettete zum Beispiel, dass er rückwärts von London nach Edinburg reiten wollte. Der Kopf des Pferdes mußte nach Edinburg gerichtet sein und der Kopf des Grafen nach London. So ritt er durch einige englische Provinzen. Ein weiteres Beispiel: „Er reiste nicht etwa nur zu Fuß durch England, zum Spaß bettelte er sich durch verschiedene englische Provinzen, gemeinschaftlich mit einem deutschen Fürsten“. Wilhelms Wunsch, wieder Soldat zu werden, war während dieser Zeit nur geringer Erfolg beschieden. 9 Reise- und Abenteuerlust sind starke Antriebskräfte für einen dynamischen jungen Mann, sie waren ein Hauptgrund für Wilhelms häufige Abwesenheit von Bückeburg, genau wie seine Stiefmutter, die unbedeutende stolze Fürstin, die ihn mit ihrer andächtigen Frömmelei von Bückeburg vertrieb. Nach 1743 war Wilhelm wieder viel öfter in Bückeburg. Als Grund hierfür gilt die Tatsache, dass Albrecht Wolfgang, Gräfin Bentinck und Wilhelm sich scherzhaft selbst als „Triumvirat“ bezeichneten und häufig zu dritt zusammenkamen. Die „schlaue“ Gräfin Bentinck war nur neun Jahre älter als Wilhelm und die am Hofe erklärte Geliebte des Grafen Albrecht Wolfgang, die nach Willkür schaltete und waltete und rücksichtslos die Landeseinkünfte verschwendete. Graf Albrecht Wolfgang stand nicht nur mit den englischen Königen Georg I. und Georg II., auch mit Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. von Preußen in enger Verbindung. Er war mit Leib und Seele Soldat. Seit 1727 Oberst und Kommandeur eines niederländischen Infanterieregiments, stieg er 1742 zum Generalleutnant und Befehlshaber der niederländischen Infanterie auf, mit der er sich im österreichischen Erbfolgekrieg mehrfach auszeichnete. Trotz seiner häufigen Abwesenheit hat er sein Land nicht vernachlässigt. Er kümmerte sich um Verwaltung und Volksbildung und hielt seinen Staat auf der Höhe der Zeit, abgesehen von den beträchtlichen Schulden, die hauptsächlich aus kostspieligen Prozessen herrührten. Schon 1732 hatte er die Grafschaft Sternberg an Braunschweig-Lüneburg verpfänden müssen. Aus einer Beschreibung des Grafen Wilhelm aus seiner Zeit als zwanzigjähriger: „Er war von mehr als gewöhnlicher Mannslänge, der Bau seines Körpers schlank. Er hatte eine hohe vorstehende Stirn und dunkle Augen. Seine Nase war groß und gebogen, und sein Mund war zu klein“ (Abb. 1). 10 Hochbegabt, bewegte sich Wilhelm in der Zeit seiner ungestümen Jugend häufig zwischen Extremen, ein „aufbrausender Jüngling“, dessen Redeweise oft wenig diplomatisch war. Was er tat und sprach, war manchmal auch ihm Nahestehenden nur schwer begreiflich. Dennoch hat er viele Menschen für sich gewinnen können. In den Jahren, die „den ganzen Leichtsinn und die Wildheit vornehmer Jünglinge“ zeigten, war Wilhelms Charakter gereift, in dem „ernste Verschlossenheit neben glühender Lebensfülle, heftiges Aufbrausen neben kalter Überlegung und Abenteuerlust neben Ordnungsliebe ungestört nebeneinander bestanden. Am 24. September 1748 starb Graf Albrecht Wolfgang nach zwanzigjähriger Regentschaft. 7. Graf Wilhelm regierender Graf zu Schaumburg- Lippe Wilhelm, als Vierundzwanzigjähriger nun regierender Graf von Schaumburg-Lippe, hat diese Aufgabe mit einem klar erkennbaren politischen Konzept angetreten und von vornherein ernst genommen, auch wenn es wegen seiner häufigen Reisen nach Berlin und einer Reise nach Italien und Ungarn anders erscheinen sollte. Er war unumschränkter Herr des kleinen Landes mit 17 000 Einwohnern und fand weder Landstände (ständische Vertretung eines Landes, z. B. Ritterschaft) noch Volksvertretungen (Vertretung der Bürgerschaft, z.B. Städte). Seine Einstellung zum Absolutismus dürfte indes von starkem Zweifel an dieser Regierungsform gewesen sein. Als Verfechter der Aufklärung, als Gegner des absolutistischen Frankreich und Freund des freiheitlichen England kannte er die Schattenseiten des Absolutismus und die Notwendigkeit, nach neuen Wegen zu suchen. Er bediente sich trotzdem absolutistischer Regierungsformen, es gab nichts anderes. Wilhelms Hauptsorgen nach seinem Regierungsantritt galten einmal der starken Verschuldung seines Landes und zum anderen möglichen Gewaltakten von außen. Die Schuldenlast engte Wilhelms Handlungsfreiheit sehr ein. Allein Hannovers Forderung belief sich auf 400 000 Taler, weitere Gläubiger kamen hinzu, darunter auch Willhelms Stiefmutter mit erheblichen Forderungen. 11 Drastische Sparmaßnahmen waren unerlässlich. So ließ Wilhelm z. B. Pferde sowie Gewächse aus der Orangerie und dem Hofgarten verkaufen, um Geld für die Gläubiger zu bekommen. Zweifellos sorgte Wilhelm für eine wirtschaftliche Führung des Finanzhaushaltes. Er schränkte die Kosten seines Hofes ein und nahm auch auf anderen Gebieten Einsparungen vor. Noch 1748 sah Wilhelm sich gezwungen, eine „Beihilfesteuer“ zu erheben, um einen Teil der Schulden abzutragen und die akuten finanziellen Probleme zu lösen. „Wie sehr es auch von unserer Art zu denken entfernt ist, die unserer Regierung von Gott anvertrauten Untertanen mit neuen Lasten zu belegen“, schrieb er in die Ausschreibung an seine Städte und Ämter. Der Lage der Dinge entsprechend konnte er allerdings seine innenpolitischen Reformen nur in kleinen Schritten beginnen, und der siebenjährige Krieg hat ihn dann dabei aufgehalten oder doch stark behindert. Wilhelms zweite Hauptsorge - die vor Gewaltakten von außen - bestimmte den wehrpolitischen und außenpolitischen Teil seines Regierungskonzeptes. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir über eine Zeit sprechen, in der es zahlreiche kleine und kleinste Staatsgebilde gab, die alle mehr oder weniger miteinander verfeindet waren. Es war also wichtig, nicht nur verteidigungsbereit, sondern auch bündnisfähig zu sein. Auf Grund komplizierter Lehnverhältnisse musste Wilhelm zur Übernahme der Regierung von Hessen-Kassel und Braunschweig-Lüneburg mit Teilen seines Landes neu belehnt werden. Dies geschah im Sommer 1749, aber das Verhältnis zu Hessen- Kassel war durch frühere hessische Übergriffe gespannt. Sogar der schaumburg- lippische Regierungspräsident von Lehenner konspirierte mit den Hessen. Dass sich die Grafen zu Schaumburg-Lippe nicht zu Unrecht in ihrem Besitzstand bedroht fühlten, zeigte sich zehn Jahre nach Wilhelms Tod, als der Landgraf von Hessen- Kassel 1787 Schaumburg-Lippe tatsächlich überfiel. 12 Wilhelm trachtete, sein Land möglichst wirksam zu schützen und zugleich seine Souveränität als Landesherr zu erhalten. Hierzu baute er eine zuverlässige, vorwiegend aus Landeseinwohnern bestehende Truppe auf. Was das kleine Land an Quantität nicht zuließ, sollte die Qualität der Ausrüstung und Ausbildung wettmachen. Landesbefestigungen sollten, so plante er, eines Tages die Kampfkraft der Truppe erhöhen und verhindern, dass Schaumburg-Lippe leichte Beute eines Übergriffs stärkerer Nachbarn werden konnte. Aber nicht nur an Abschreckung und Verteidigung im kleinen eigenen Rahmen dachte Wilhelm. Mit seiner Truppe, seiner Rüstung und seinen Befestigungen wollte er zugleich bündnisfähig werden – in einem Bündnis unter Englands Führung – um in einem kollektiven Sicherheitssystem einen umso stärkeren Schutz zu finden. Wilhelm besuchte oft Preußen, sicher auch um in Bezug auf das Kriegswesen neue Erfahrungen zu sammeln. Allerdings weicht Wilhelms erste Dienstvorschrift für seine Truppen erheblich von der preußischen Praxis ab, indem er z.B. Stockschläge und harte Behandlung verbot. Es ist auch zweifelhaft ob Friedrich an Wilhelms unbekümmerter Art, Kritik zu üben, Gefallen fand. Er mag z. B. wenig davon angetan gewesen sein, dass Wilhelm im preußischen Kavallerielager bei Charlottenburg in Gegenwart des Königs zu Pferd den umgrenzenden Wassergraben nahm; dieser galt nämlich als unüberspringbar, weil er die Desertion der Kavalleristen verhindern sollte. Wilhelms häufige Reisen nach Berlin haben stets auch dem Potsdamer Hof gegolten, aber nicht allein. Recht munter verkehrte er im Berliner Salon der Gräfin Bentinck, wo er mit vielen bekannten Persönlichkeiten zusammentraf, unter anderem auch mit Voltaire. Es ist nicht auszuschließen, dass Wilhelm auch wegen seiner Freundschaft mit Voltaire zeitweilig in Spannungen mit dem preußischen König geriet. Als er im Januar 1754 mit seinem Vetter Philipp Ernst zu Alverdissen ins Lippische reiste, wollte er vermutlich Friedrichs Geburtstag aus dem Wege gehen. 13 Zu beachten ist andererseits, daß der preußische König ihn 1749 in seine Akademie der Wissenschaften zu Berlin aufgenommen hat, eine besondere Anerkennung der geistigen Kapazität Wilhelms und ihm 1751 den Schwarz – Adler – Orden verlieh, Preußens höchste Auszeichnung. Am Rand sei noch die nach damaligem Recht übliche Huldigung SchaumburgLippes für den Landesherren erwähnt. Wilhelm, der 1749 mit seinem vollendeten 25. Lebensjahr die Reichsvolljährigkeit erlangt hatte, nahm die Landeshuldigung und den damit verbundenen Treueid am 15. April 1750 in Bückeburg entgegen. 8. Graf Wilhelms Aufrüstung Wilhelms erstes Ziel war es, eine schlagkräftige stehende Truppe aufzustellen. Sie sollte selbständig und unabhängig kämpfen können und daher Infanterie, Artillerie, Pioniere und Reiter umfassen. Die starke Verschuldung des Staates und der Mangel an Führern zwangen Wilhelm zum Schrittweisen Aufbau der Truppe. Er begann 1749 mit der Verstärkung der Infanterie und legte 1750 den Grundstock für die Aufstellung eines Artilleriekorps. Da die Landesverteidigung nicht gesichert war, bildete Wilhelm 1751 schon eine Miliz. Die übrigen Waffengattungen folgten in den Jahren 1753 – 1755. Am 28. Oktober 1749 trat in Schaumburg-Lippe das Entrollierungssystem in Kraft. Alle wehrtauglichen Männer wurden von den Zivilbehörden, den Ämtern und Städten listengemäß in „Rollen“ erfasst und auf den Staat vereidigt. Am 19. April 1751 folgte ein Grunderlass, den man als Kern der neuen Wehrerfassung und als zeitgemäße Fortschreibung der Wehrordnung vom 11. April 1665 aufzufassen hat. Dieses „Reglement für den Land – Ausschuß“ hat Wilhelm vielleicht nicht selbst verfasst, doch ist „der Text fraglos weitgehend von seinem Geist geprägt“. 14 „Von Gottes Gnaden, Wir Wilhelm, regierender Graf zu Schaumburg, Graf und Edler Herr zu Lippe und Sternberg, etc.“, so beginnt die Verordnung, „Thun kund hiermit: nachdem Wir aus landesväterlicher Vorsorge, welche Wir für Unserer lieben und getreuen Untertanen Conservation und Sicherheit unablässig tragen, gnädigst für gut befunden, sowohl nach dem Exempel der benachbarten, als auch denen, was in andern Grafschaften im Reiche mit gutem Succus geschehen, in Unserem Anteil der Grafschaft Schaumburg einen Ausschuß der Landmiliz aufrichten zu lassen, deren Wir Uns in Zeit der Noth und begeben den Fällen bedienen zu können, ohne dass dadurch das Land sonderlich beschweret oder des Hausmanns Ackerbau und Ernte versäumt were; als haben wir, damit dieses zu einem so heilsamen Endzweck intendirtes und allein zu desto besserer Defension vorgedachten. Unseres Anteils besagter Grafschaft angesehenes Werk zum völligen Stand gelangen und alles auf einen festen Fuß gesetzt werde, gnädigst resolviret, desfalls nachstehende Verordnung und Reglement zu aller und jeder, denen das angelegen, zu befolgenden Nachrichten publiciren zu lassen“. Achtundzwanzig Paragraphen regelten das Verhalten des „Entrollierten“ im zivilen Arbeitsverhältnis wie im militärischen Dienst. Er sollte seines Vaters oder seines Lohnherren Arbeit fleissig verrichten und seine Stelle nicht vorzeitig und ohne Kündigung aufgeben. War der Arbeitgeber jedoch mit der Bezahlung säumig, erhielt der Milizsoldat von amtswegen Rechtsbeihilfe. Wenn einer aus der Mannschaft, z.B. durch Tod oder Heirat oder Übernahme eines Hofes „abgehen würde“, so mußte er aus der Reserverolle ersetzt werden. Jeder Abgang war dem „Commandirenden Offizier“ zu melden, der dann von dem Beamten des Ortes einen tüchtigen Kerl aus der Reserve zu gewarten hat; in dessen soll kein Knecht zwangsweise unter die Landmiliz geworben und angenommen werden, es wäre dann, dass er sich gutwillig dazu anbieten wollte. Wer in der „Rolle“ stand, war zu achten und zu ehren; er hatte „die Oberstelle im Sitzen und Gehen“, also den Vortrieb vor anderen. 15 Der militärische Dienst der „Entrollirten“ blieb auf die Sonn- und Feiertage – „nach verrichtetem Gottesdienst“ – und auf die Monate März, April, Mai, September, Oktober und November beschränkt; die Erntezeit und der Winter wurden also ausgesperrt. Die Milizsoldaten hatten im Dienst pünktlich, nüchtern, willig und höflich zu sein. Gestraft werden durfte nicht ohne Untersuchung des Falles und nur mit Einverständnis des „Oberoffiziers“; als Strafe war „ zum ersten Mal eine Stunde, zum zweiten Mal zwei Stunden, zum dritten Mal drei Stunden auf einem Pfahl zu stehen oder auf einem hölzernen Pferd zu reiten“. Auf jedem Exerzierplatz wurde dazu ein Pfahl und ein hölzernes Pferd errichtet. Militärstrafverfahren gab es nur bei „Excess“ im Dienst. Gute Leistungen wurden nach ausreichender Dienstzeit mit der Beförderung zum Unteroffizier belohnt. Auf den Exerzierplätzen herrschte Alkoholverbot; insbesondere war es den Unteroffizieren verboten, alkoholische Getränke zu verkaufen. „Ebenso wenig soll auch ein Unteroffizier mit den Entrollirten saufen, doppeln oder spielen“. Die Ober- und Unteroffiziere wurden ausdrücklich angehalten, den Männern von der Landmiliz „keineswegs mit einer Härtigkeit, Scheltworten oder gar Schlagen zu begegnen, sondern dieselben mit allem Glimpf zu unterweisen und weil nicht alle gleich begreiflich sind, so soll der Unteroffizier die Einfältigen besonders vornehmen und nicht überfallen.“ Fortschrittliche innere Führung im 18. Jahrhundert, scheint sich bei manchen Militärs bis heute noch nicht rumgesprochen zu haben. Vergleiche Zeitungsberichte aus 2008, über Misshandlungen durch Unteroffiziere und Offiziere bei Manövern in verschiedenen Kasernen. Streng verboten war es: für Vergünstigungen im Dienst und für Urlaub Geld oder Geschenke anzunehmen oder zu verlangen; zu jagen, zu fischen und Holz zu schlagen; Gewehr und Tasche mit nach Haus zu nehmen ( schon 1715!!); vor oder nach dem Exerzieren zu schießen und zu placken. Kein Vater oder Lohnherr darf sich unterstehen, einen Milizsoldaten ohne triftigen Grund vom Exerzieren zurückzuhalten. Bestraft wurde, wer einen guten Mann bei der Einschreibung verschwieg und einen schlechten dafür namhaft machte. 16 Deserteure mußten dreimal, im Wiederholungsfall sechsmal Spießruten laufen. Wer zum dritten Mal desertierte, wurde nach den Kriegsartikeln bestraft. Die Namen der Desertierten wurden, falls sie sich nicht wieder einfanden, an den Galgen geschlagen, „andern zum Exempel“. Bei alledem soll nicht verschwiegen werden, dass die Bevölkerung die Entrollierungen als unerwünschten Zwang empfand. Es war nicht so, wie die meisten Biographen des Grafen Wilhelm zu berichten versuchen, dass die schaumburg- lippische Landeskirche ihre Einbeziehung in die Landesverteidigung begrüßte und willig sich den an sie gestellten Anforderungen unterzog. 1770 schrieb Wilhelm selbst: “Das Vorgehen, dass alle hiesigen Landeskinder Soldatendienste leisten müssen, ist grundfalsch; wohl aber ist gewiss, dass die junge Mannschaft verpflichtet werde, nicht ohne Erlaubnis außerhalb des Landes sich zu begeben. (Es war also verboten, sich bei anderen Herrschern als Söldner zu verdingen). In diesem Zusammenhang interessiert das zahlenmässige Verhältnis der Streitkräfte zur Bevölkerung. Bei einer Bevölkerungszahl von 18 000 und einer Höchststärke von 1243 Soldaten standen im Krieg 1760 7%, im Frieden 1776 jedoch nur 4% der Bevölkerung unter Waffen, ein in der damaligen Zeit wirtschaftlich tragbarer Prozentsatz . Angesichts dieser Zahlen muß man den Kopf schütteln, wenn man liest „ In dem niedersächsischen Kleinstaat erwächst aus dem Nichts, in Geist und Wirklichkeit ein zweites kleines Potsdam.“ Der defensive Geist des kleinen Bückeburg hat nie dem offensiven der berühmten Preußen nacheifern wollen. 9. Aufbau der stehenden Truppe in Schaumburg- Lippe 9.1 Die Infanterie Bei der Infanterie – in der Garnison Bückeburg – wuchsen aus der 70 Mann starken Leibgrenardierkompanie des Jahres 1778 bis zum September 1755 fünf Kompanien zu etwa je 100 Mann und bis zum April 1757 insgesamt neun Kompanien zu je 114 Mann. 17 Hiervon bildeten sieben Kompanien mit rund 800 Mann das Bataillon, das Wilhelm vertragsgemäß im siebenjährigen Krieg zur alliierten Armee abstellte. Die beiden restlichen Kompanien, nämlich die Leibgrenadier- und die zweite Grenadierkompanie, standen Angelegenheiten“ dem zur Grafen als persönlichen Garde „ Verfügung. in Landes- Wilhelm und nannte anderen seinen Infanterieverband zunächst Leibbatallion, dann Leibregiment, Füselierregiment und schließlich Grenadierregiment. Die Uniform der Infanterie entsprach der preußischen, der preußischblau, die Hose weiß. Die Hauptwaffe der Mannschaften Waffenrock war das Infanteriegewehr, ein glatter Vorderlader. Ein Teil der Soldaten trug Sturmsensen (Piken), die der Abwehr von Kavellerieattacken dienten. Leichte Begleitartillerie erhöhte die Feuerkraft. 9.2 Die Artillerie Auch der Aufbau der Artillerie begann in der Garnison Bückeburg, bald nach Wilhelms Regierungsantritt. Der Stamm der Artillerie bestand im Februar 1750 aus ganzen 18 Mann, dazu einem Zeugmeister und einem Unteroffizier. Zwei Jahre später waren es schon 66 Mann, und am 1. April 1752 wurde diese „ CanonierCompagnie“ gemeinsam mit beiden damals vorhandenen Industriekompanien vorübergehend zum „Garnison-Bataillon Bückeburg“ zusammengefasst. Ende Juli 1757 rückte die schaumburg- lippische Artillerie in einer Kriegsstärke von etwa 200 Mann zur alliierten Armee ab, nachdem noch rasch 30 Grenadiere zu Kanonieren gemacht worden waren. 9.3 Leichte Truppe Um mit seinen Truppen ein selbständiges Gefecht führen zu können, mangelte es Wilhelm – vor allem zur Aufklärung – noch an einer leichten Truppe. Er stellte deshalb 1753 eine Karabiniereinheit in einer Stärke von anfangs 18 Mann auf. 1756 war die „Escadron Carabiniers zu Pferde“ auf 87 Mann angewachsen, gegliedert in die 1. (Leib-) Kompanie und die 2. Kompanie. 18 Während des Krieges betrug die Durchschnittsstärke etwa 110 Mann; 25 von ihnen hielt Wilhelm als Leibkarabinierkompanie zu seiner persönlichen Verfügung. Personell ergänzt wurden die Karabiniers vor allem durch ausgesuchte Soldaten der anderen Truppenteile. 1754 erhielten die Karabiniers einen Zug mit 27 Jägern zu Fuß als Begleitinfanterie und zur Führung des sogenannten „Kleinen Krieges“. Zum großen Teil waren es gräfliche Forstbedienstete, die sich durch Gewandtheit und gutes Schießen auszeichneten. Während des Krieges bildeten sie eine Kompanie von durchschnittlich 90 Mann. Ein Autor gibt die Stärke des Karabinierkorps nur mit 100 Mann an, 60 beritten und 40 zu Fuß, dass die Jäger zu Fuß eine grüne Uniform trugen, versteht sich von selbst. Wilhelm, der passionierte Reiter, nahm sich der Ausbildung seiner Karabiniers selbst an; sein Herz schlug also nicht ausschließlich für die Artillerie. „Oft setzte sich Graf Wilhelm an die Spitze dieser Schar, dann ging es gleich querfeldein. Keine Hecke, kein Schlagbaum, kein Graben war Hindernis. Die Geschicktesten und die besten Reiter wurden vom Grafen öffentlich gelobt, oft auch mit Geld beschenkt.“ Alles was er von seinen Reitern forderte, machte er selbst vor, sodass „ von Anfang an ein Geist in das Korps kam, der keine Unmöglichkeit kennend, mit dem höchsten Enthusiasmus an dem allgeliebten Grafen hing, der alles selbst verstand.“ So bereitete er persönlich die gute Haltung seiner Truppe im Siebenjährigen Krieg vor. Die Uniform der Reiter bestand in einem Koller von schwarz gefärbter Elendshaut mit scharlachrotem Tuchkragen und Umschlägen und einem gelben, von gutem Wildleder angefertigten Beinkleid. Die Brust wie den Rücken bedeckten ein schwarz angelaufener auf 80 Schritt gewehrschussfester Kürass mit schuppigen Armschienen. Den Kopf schützt eine Art Helm aus starkem Eisenblech, mit Bärenfell verbrämt. Da diese neuartige Uniform, über die man anfangs lächelte, nicht „steif und pedantisch wie die Uniformen der Truppen anderer Mächte war, sondern bequem und sportlich; führten Hannover, Braunschweig und Hessen später ähnliche Uniformen ein. 19 Wilhelm war in besonderer Weise: Denker, Truppenführer, Lehrer und Artillerist, eben nicht der „Kanonengraf“, wie er verschiedentlich in der Literatur bezeichnet wird. Er ließ seine Geschütze nach eigenen Entwürfen in seiner eigenen „Stückgießerei“ in Bückeburg herstellen, die er 1754 gebaut hat. Die Gießerei war technisch auf dem neuesten Stand; insbesondere verfügte sie über einen von Wilhelm erfundenen Geschützbohrer, einen sogenannten Hohlbohrer, mittels dessen der massive Teil der Seele ausgeschnitten wurde. Nicht nur die eigene, sondern auch die englische und portugiesische Artillerie wurden beliefert. Direktor war während der Zeit ihres Bestehens (1754 – 1788) der Artillerieoffizier Storch, bis 1760 auch Chef des schaumburg- lippischen Artilleriekorps. 9.4 Ingenieur- und Mineurkorps Eine Besonderheit war, das zunächst selbständige, im Krieg aber mit dem Artilleriekorps vereinigte kleine Ingenieur- und Mineurkorps zu erwähnen. Mustergültig ausgerüstet, besaß es vor allem gut durchdachtes Schanzzeug, mit dem es rasch und sicher zu arbeiten verstand. Bei Großenheidorn ließ Wilhelm später sogar einen besonderen Übungsplatz anlegen, wo das Ingenieur- und Mineurkorps- auch zur Ausbildung der Militärschüler des Wilhelmstein – das Aufwerfen von Verschanzungen, das Abstecken von Lagern, das Anlegen von Laufgräben, Approchen und Legen von Minen sowie den Bau von bombensicheren Räumen übte. In den Gefechtsübungen der übrigen Truppen ließ Wilhelm ebenfalls stets Verschanzungen errichten; dabei kam es ihm auf Einfachheit und Schnelligkeit an. Eine Vorliebe hegte er für Kaponieren, eine Art gedeckter vorgeschobener Stellung, die er vor jeder Verteidigungsstellung an geeigneten Punkten anlegen ließ, um aus ihnen die Angreifer flankierend beschießen zu können. Schließlich machte sich Wilhelm einen Namen mit umfangreichen MinenExperimenten und mit Ausbildungsideen für seine „Pioniere“ (Tab. 2). 20 10. Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) Der Preußenkönig Friedrich II. hatte Schlesien eingenommen. Maria Theresia von Österreich wollte es zurückgewinnen und führte deshalb gemeinsam mit ihren Verbündeten (Russland, Frankreich, Schweden und Teilen des Deutschen Reiches) Krieg gegen Preußen und seinen Alliierten (England, Hannover, Schaumburg-Lippe, Gotha, Hessen und Braunschweig) Wilhelm war infolge eines 1756 geschlossenen Vertrages mit England verpflichtet, diesem Waffenhilfe zu leisten. Dies Bundesheer wurde von dem unfähigen Herzog von Cumberland befehligt, einem Sohn des Königs Georg II. von England. Im Frühjahr 1757 war eine französische Armee plündernd und verwüstend durch Rheinland und Westfalen bis zur Weser vorgedrungen, um Hessen und Hannover zu gewinnen. Cumberland stellte sich ihr am 26. Juli 1757 bei Hartenbeck unweit Hameln entgegen. Schon neigte sich ihm der Sieg über die weit größere Macht der Feinde zu, als er plötzlich den Rückzug befahl, um Stade zu decken. Den nachdrängenden Franzosen fiel nun Hameln, dann auch Minden ohne Schwertstreich in die Hände. Entrüstet rief Friedrich seine preußischen Truppenteile von dem verbündeten Heere ab. Mit dem Rest ließ sich Cumberland zwischen Weser und Elbe so in die Enge treiben, dass er die schimpfliche Übereinkunft zu Kloster Zeven bei Bremen einging, sein Heer aufzulösen. Hannover, Hessen und Braunschweig waren nun den Franzosen preisgegeben, die das besetzte Land auf alle Weise bedrückten und ausplünderten. Am 1.August 1759 rückten wieder die Franzosen auf der linken Weserseite von Minden vor. Wilhelm, der gewarnt war, hatte bei Todthausen seine Artillerie in Stellung gebracht. Graf Wilhelm, der die gesamte Artillerie befehligte, schlug die Franzosen zurück. Die Verbündeten hatten den Sieg errungen. 21 Bald nach der Schlacht bei Minden zwang Graf Wilhelm das gut befestigte Schloß zur Übergabe und belagerte dann Münster. Während dieser Belagerung rettete ein Kanonier durch eine ebenso schnelle wie mutige Tat dem Grafen das Leben. Als nämlich die feindlichen Geschosse in unmittelbarer Nähe des Grafen einschlugen, riß ihn der Soldat plötzlich zurück mit den Worten: “Dat döggt hier nich vor Jück!“ Kaum war er selber an die Stelle seines Herrn getreten, als eine Kanonenkugel den wackren Helden niederstreckte. Im Frühjahr 1761 hob er die vergebliche Belagerung von Kassel in solcher Ordnung auf, dass er auf dem Rückzug vor den weit stärkeren Besatztruppen der Festung weder Mannschaften noch Geschütze verlor. Wilhelms Artillerie wurde insbesondere wegen ihrer unheimlichen Treffsicherheit, das Karabinierkorps wegen seiner Schnelligkeit und Tapferkeit berühmt und gefürchtet. Die Karabiniers wurden von den Franzosen „die eisernen Männer“ oder „die Teufel von Bückeburg“ genannt (Tab. 3). 11. Graf Wilhelm in Portugal Im Jahre 1761 wurde Portugals Freiheit und Unabhängigkeit auf Anstiften Frankreichs von Spanien bedroht, so dass der König das befreundete England um Hilfe anrufen musste. England rüstete sogleich ein bedeutendes Hilfsheer aus. Auf Vorschlag des englischen Königs kamen die vereinigten portugiesischen, englischen Truppen unter den Oberbefehl des Grafen Wilhelm, wofür besonders das britische Militär votierte. Es ist bezeichnend, dass Wilhelm gerade im britischen Heer schon damals hohes Ansehen genoß. Viele britische Offiziere hatten ihn in der alliierten Armee kennenund als tatkräftigen Truppenführer schätzen gelernt. Seine charakterliche Unabhängigkeit, sein fortschrittliches Denken und sein unkonventionelles Handeln sagten wahrscheinlich den Engländern mehr zu als seinen deutschen Landsleuten. 22 Wilhelm ließ sich vom portugiesischen König zusichern, dass er seine Rückkehr nach Deutschland gestatten würde, falls Wilhelm den Oberbefehl nicht befriedigend ausüben könnte. Ferner ließ er sich bestätigen, dass seine Soldaten – er durfte bis zu vier Kompanien mit nach Portugal nehmen – die protestantische Religion, im katholischen Portugal, ungehindert praktizieren könnten und nach deutschen Verhältnissen, also bedeutend höher als die Portugiesen besoldet würden. Der Graf Wilhelm schiffte sich im Mai 1762 ein. Er wurde begleitet von Prinz Karl Ludwig von Mecklenburg- Strelitz, einem Bruder der englischen Königin, Wilhelms 40 Mann starke Leibkarabinier- Kompanie, 20 Artilleristen und Pioniere sowie neun Offiziere der schaumburg- lippischen Truppen. Den ihm gestatteten Umfang von vier eigenen Kompanien nutzte Wilhelm also bei weitem nicht aus. Joseph I., König von Portugal, ernannte Wilhelm mit Patent vom 3. Juli 1762 zum Generalmarschall, Oberbefehlshaber und Generaldirektor des portugiesischen Heeres. Bis vor kurzem in relativ untergeordneter Stellung, fand Wilhelm sich nun „mit der höchsten militärischen Würde des Königreiches Portugal bekleidet“. In einem sieg- und ruhmreichen Feldzug sicherte Graf Wilhelm die Selbständigkeit Portugals, auch verbesserte er das Heerwesen sowie die Landesverteidigung daselbst. So legte er auf einen felsigen Berg bei Eldas das nach ihm benannte Fort „de la Lippe“ an, das einer der bestbefestigten Plätze Europas ist. Schlechte Nachrichten aus Schaumburg-Lippe bewogen Wilhelm schließlich, seine Abreise auf den 20. September 1764 festzusetzen. Sein Land, das durch den Krieg wirtschaftlich sehr gelitten hatte, bedurfte dringend der festen und helfenden Hand des Regenten. 23 Der König von Portugal beschenkte Wilhelm zum Abschied auf das Grosszügigste. Neben edlen Pferden, seltenen Adlern, einem von Diamanten umrahmten Porträt Joseph I., einen Diamantenstern des Schwarzen Adlerordens, einer kostbaren Münzsammlung und anderen wertvollen Dingen sind vor allem sechs Miniaturkanonen zu nennen, mit Rohren aus massiven Gold, jedes über 13 kg schwer und auf silberbeschlagenen Ebenholz laffettiert, damals je 3000 Dukaten wert. Eine besondere militärische Ehrung hatte Wilhelm schon 1763 dadurch erfahren, dass Joseph I., König von Portugal, Wilhelm mit Patent vom 3. Juli 1762 zum Generalmarschall, Oberbefehlshaber und Generaldirektor des portugiesischen Heeres ernannt hatte. Am 20. September schiffte Wilhelm sich nach London ein. In London unterrichtete Graf Wilhelm die Regierung Georgs III. über den Feldzug und die Heeresreform in Portugal und traf am 17. November 1764 in Bückeburg ein. Im Jahre 1767 begab sich Graf Wilhelm noch einmal nach Portugal, um seine dortigen Einrichtungen zu besichtigen, und 1776 schickte er 16 seiner Offiziere nach Lissabon, die das dortige Artilleriewesen in neuen Stand setzen mußten. 12. Graf Wilhelm in Bückeburg Wilhelms Lebensweise zu Hause war fast so spartanisch wie im Felde, sein Regierungsstil bestimmt und durch eine straffe Zeiteinteilung gekennzeichnet. Gegen vier oder fünf Uhr früh stand er auf, um schon vor dem aus Tee und Zwieback bestehenden, kargen Frühstück einige Stunden zu schreiben oder zu diktieren. In Stadt und Land richtete Wilhelm ständige Versammlungen tüchtiger Fachleute ein, die die Wünsche der Einwohner genau in Erfahrung zu bringen hatten. Über die Ergebnisse ihrer Beratungen hatten sie dem regierenden Grafen zu berichten. 24 Wilhelm vermählte sich ein Jahr nach der Rückkehr aus Portugal am 12. November 1765 mit der 21jährigen Gräfin Marie Barbara Eleonore zu Lippe-Biesterfeld. Das Bild der schönen jungen Frau hatte er in Portugal bei ihrem Bruder Ferdinand, der dort zu seinem Stabe gehörte, gesehen. Obwohl Maria, wie sie genannt wurde, zwanzig Jahre jünger als Wilhelm und im Gegensatz zu ihm sehr fromm war, wurde die Ehe zu einer überaus innigen und wechselseitig förderlichen Beziehung. Wilhelm holte den 27jährigen Pastor Johann Gottfried Herder in sein Land. Dies war neben anderen bekannten Männern der bedeutendste, zugleich aber auch der schwierigste. Als er im Mai 1771 das Amt eines Konsistorialrates und Ersten Predigers bei der lutherischen Gemeinde in Bückeburg übernahm, hatte er sich in der deutschen Literatur schon einen Namen gemacht. Die Beziehung zwischen beiden Männern entwickelte sich zu gegenseitiger Hochachtung, aber es blieb immer eine gewisse Distanz. Die Kultur des Bückeburger Hofes erschöpfte sich nicht in Philosophie und Literatur, Wilhelm unterhielt auch eine beachtliche Hofkapelle. Dieser gehörte seit 1750 Johann Christoph Friedrich Bach an, ein Sohn von Johann Sebastian Bach. 13. Militärpolitik Nach dem Siebenjährigen Krieg zeichnete sich in Schaumburg-Lippe auch ein neues Wehrkonzept Wilhelms ab. Hierbei schlugen sich zum Teil seine portugiesischen Erfahrungen nieder, z.B. in der Korrektur von Dienstvorschriften. Das Wesentliche aber war Wilhelms Absicht, die Sicherheit seines Kleinstaates vor Übergriffen größerer Nachbarn entscheidend zu stärken und die Landesverteidigung künftig auf eine uneinnehmbare Festung zu stützen. Die Uneinnehmbarkeit wollte er erreichen durch eine Insellage im Steinhuder Meer außerhalb der Reichweite feindlicher Artillerie vom Seeufer her (Abb.2) Da es eine geeignete Insel dort nicht gab, schuf Wilhelm sie selbst. Schon im Jahre 1761, als Wilhelm „auf Distanz“ zur alliierten Armee ging, begann man damit, den Grund und Boden für den späteren „Wilhelmstein“ im See aufzufüllen. 25 Die Friedensstärke bestimmte Wilhelm nach den Erfordernissen des neuen Wehrkonzeptes, aber ebenso nach dem Bedarf der schaumburg- lippischen Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft. Vom Karabinier- und Jägerkorps entließ man die Jäger zu Fuß sofort nach Kriegsende (einschl. Pioniere), reduzierte Wilhelm die Zahl der Kanoniere, Stallmeister und Knechte. Die Kader der Spezialisten, vor allem das Ingenieur- und Mineurkorps, blieben weitgehend erhalten; sie sollten im neuen Wehrkonzept eine entscheidende Rolle spielen und an der 1767 entstehenden Militärschule auf dem Wilhelmstein das Lehrpersonal stellen. Gestützt auf verbesserte und ergänzte Dienstvorschriften, betrieb die Truppe eine systematische Ausbildung. In jedem September, dem sogenannten Exerziermonat, hielt Wilhelm mit allen Truppen Manöver ab, an denen die Beurlaubten teilzunehmen hatten. Nach der Fertigstellung des befestigten Wilhelmsteiner Feldes fanden die Gefechtsübungen vor allem hier statt. Die präsenten Truppen übten natürlich nicht nur im September, so kampierten sie z.B. von Ende März bis Ende Juni 1769 in einem Ausbildungslager in Steinhude, „wobey allerhand Maneuwers gemacht werden“ (Abb. 3; Abb. 6; Abb. 7). 14. Versorgung seiner Veteranen Die Versorgung seiner Veteranen war für Graf Wilhelm ein sehr persönliches Anliegen, zeigt ihn wiederum als fürsorglichen Dienstherrn. Schon im Siebenjährigen Krieg hatte er dienstunfähig gewordene Soldaten „auf eine anständige Art versorgt“, im Staatsdienst oder bei Hofe angestellt, oder ihnen eine Pension, wenn nicht gar bestimmte „Privilegien“ zuerkannt; so erhielt ein besonders bewährter Karabinier die Konzession für eine Branntweinbrennerei. 1768 gab Wilhelm bekannt, dass er zur Vermehrung der Bevölkerung, zur Förderung der Wirtschaft und zugleich zur Belohnung verdienter Soldaten auf seine Kosten neue Kolonien anlegen werde. Jeder Kolonist erhalte kostenlos ein Haus geschenkt mit 2 Morgen (5000 m2) urbar gemachtem Garten- oder Ackerland mit dem nötigen Gerät und dem Saatgut für das erste Jahr. 26 15. Die Beschreibung des Wilhelmsteiner Feldes nach der Recherche der „Hagenburger Geschichten“ Das Wilhelmsteiner Feld sollte, nach dem militärischen Konzept des Grafen Wilhelm, Teil einer breit angelegten Verteidigungsanlage sein, mit deren Hilfe die Grafschaft Schaumburg-Lippe vor Invasionen äußerer Feinde geschützt werden sollte. Dabei diente die künstlich aufgeschüttete Insel „Wilhelmstein“ als strategisches Zentrum, das Wilhelmsteiner Feld war eine befestigte Landschaft mit eigener Landwirtschaft. Der Landstrich, den Wilhelm dafür ins Auge gefasst hatte, reicht vom Hagenburger Kanal im Osten bis zum Organistengraben im Westen. Graf Wilhelm benannte das ganze Gebiet, unter Umgehung der gebräuchlichen Flurnamen, „Wilhelmsteiner Feld“ (Abb. 4). Im Vordergrund der Baumaßnahmen stand die militärische Sicherung und Befestigung des Geländes. Bei den gesamten Flächen handelte es sich um Moorflächen am Rande des Steinhuder Meeres, deshalb mussten die Soldaten über ein kompliziertes Netz von Abzugsgräben das Moor trockenlegen. Danach wurden die Schanzen gebaut. Sie sind als sternförmige Wallanlagen erbaut, wobei Holzpalisaden die Schutzwälle bilden. Innerhalb dieser Schutzwälle befanden sich Munition, Lebensmittelvorräte und eine Kanone oder ein Mörser. Besonders auffällig war die sogenannte „Tenaille“ (Zangenwerk) am Ufer des Steinhuder Meeres, die gleichzeitig den „Kriegshafen“ bildete. Graf Wilhelm konnte 1776 auf eine Flotte von 18 Schiffen auf dem Steinhuder Meer verweisen, die Schiffe waren teilweise sogar mit Kanonen bestückt. Eine um 1775, also noch während der Bauzeit, angefertigte Karte vom Wilhelmsteiner Feld enthält viele Details des Gebietes. Im Zentrum der Karte befindet sich das eigentliche Torfmoor, den im Westen das „Bruch“, im Süden das Hainholz, im Südosten das Reetshop und im Osten die Heidriehe vorgelagert sind. 27 Die militärischen und landwirtschaftlichen Anlagen erstreckten sich vor allem am Kanal entlang und am Südufer des Meeres. Zwischen den vielen kleineren und mittleren Schanzen mit der „Tenaille“ im Mittelpunkt wurden die vielen Gärten und Kolonistenhäuser platziert. Ein weit verzweigtes, noch im Entstehen begriffenes Kanalsystem sollte auf Dauer für eine ausreichende Entwässerung des nassen Geländes sorgen. Auf dem Wilhelmsteiner Feld befanden sich bei Abschluß der Arbeiten über zwanzig Schanzen und Verteidigungsanlagen, die vermutlich in der Mehrzahl mit Kanonen bzw. Mörsern und Munition ausgerüstet waren. Zusätzlich wurden etwa 30 landwirtschaftliche Gebäude errichtet. Neben der militärischen Sicherung sah Graf Wilhelm für das Wilhelmsteiner Feld die Ansiedlung von Kolonisten vor. Einigen verdienten Soldaten wurde nach Ablauf ihrer Dienstzeit das Nutzungsrecht auf Grund und Boden zuerkannt, wobei sie im Sinne von Wehrbauern für die Versorgung der Kasernen verpflichtet werden sollen. Auf den Karten sind daher auch großzügige Gartenflächen und Obstplantagen eingezeichnet, vor allem entlang des Ochsendammes, bei der Mittelschanze und in der Nähe der Tenaille. Wie diese Anlage, die innerhalb von nur 10 Jahren aus dem Boden gestampft wurde, in Wirklichkeit ausgesehen hat, können wir heute nur vermuten. Sicherlich hat die Qualität und Ausstattung der Bauwerke unter dieser Schnellbauweise gelitten, desgleichen ließ sich in solch kurzer Zeit auf sumpfigem Gelände wohl kaum eine ertragreiche Landwirtschaft aufziehen. 16. Einige bemerkenswerte Begebenheiten, von Ochwadt aufgezeichnet 16.1 Bau des Wilhelmsteins, von Engelke Posthalter in Hagenburg 1761 ist der Grund zum Wilhelmsteine im Steinhuder Meere, durch Einwerffung einer unsäglichen Menge geschossener großer und kleiner Kieselsteine zu machen angefangen worden. 28 Diese Einsenkung von so vielen teils zu Schiffe, teils im Winter aufn Eise mit Schlitten hingefahrnen Steine, dauerte bis 1765, und also 5 Jahre, da sich denn erst die Steine außer Wasser sehen ließen. Nach der Aussage eines stets dabey gewesenen Officiers sollen in diesen 5 Jahren täglich (Sonn- und Festtage ausgenommen) durch die Bank 40 Fuder Steine hingefahren und auf dieser Stelle ins Meer geworfen sein. 1765 wurde dann von starkem Eichenholze ein so großes Schling in lauter Quadraten 1,5 Fuß weit gebauet, als der Wilhelmstein seyn sollte und hierauf setzte man die Mauer, womit es also auf die ebengemachten Grundsteine etwa 1 Fuß unter Wasser sank. Darauf wurden dann die inneren Festungs-Werke von Quadersteinen aufgemauert, die äußern aber oder die 16 Außenwerke auf eingerammte Pfähle gebauet. In 2 Jahren wurde diese Arbeit so betrieben, dass bereits um Ostern 1767 eine Cadetten- Schule: worin einige 30 junge Leute, die sich dem Ingenieur- Wesen widmen wollten, von Officiers unterrichtet wurden: angeleget ward. Die Besatzung machte zu Anfang etwa 250 Mann mit 50 metallenen Canonen, ein dutzend Mörsern und allen andern zum Artillerie-Wesen gehörigen Dingen aus. Was übrigens dieser Festungs- bau an Gelde gekostet, ist niemals bekannt geworden. Denen Unterthan wurde für jedes Fuder Steine und andere Materialien ans Meer zu fahren 24 gr. gegeben. Er hat indessen das beste und meiste Holz aus unseren Waldungen so wohl an Eichen als Buchen: welch letztere zu dicken Rampfählen 30 Fuß lang hundertweise gebraucht wurden, zu sich genommen (Tab.1). 16.2 Steinhuder Streik beim Bau der Wilhelms Insel, 1762 Wir haben eine Art Aufruhr gehabt; die Einwohner von Steinhude haben sich geweigert, weiterhin ihren Gruppenanteil (mit dem Rest des Amtes) zur Arbeit stellen, indem sie erklärten, dass sie gar nicht zur Arbeit verpflichtet sind und dass, wenn verlangt wird dass sie arbeiten, sie ebensoviel bekommen wollen wie wenn Privatleute sie beschäftigen. Dies geschah vor drei Wochen. Am 4., als ich nach Bückeburg reiste, war die Sache noch keineswegs entschieden. Der Herr Amtsrat Barckhaus bemüht sich darum. Aus Bückeburg, den achten Juli 1762 Estienne 29 16.3 Einholung der Gräfin Maria zu Hagenburg, 1766 Es gefiel dem Grafen Wilhelm mit der Frau Gräfin Maria eine Reise nach Hagenburg anzustellen und diese neuvermählte Landesmutter wurde am 6. Juli 1766 auf das prächtigste eingeholt und des Abends war die ganze Allee vor dem Schlosse zu Hagenburg erleuchtet und eine Musik aufgeführt, sämtliche hohe Herrschaften blieben daselbst 7 Wochen. Bei der hohen Gegenwart Ihro Durchlaucht Frau Gemahlin ist von mir verunkostet worden: 7 Pfd. Pulver = 2,5 Thaler. Beim Patronenmachen ist verzehrt 13 Gr. Von der Bürgerschaft sind 91 Kannen auf dem Ratskeller vertrunken worden. 16.4 Fürstin reist mit fünfzehn Wagen, von Engelke 1767 Unsere durchlauchtige Fürstin von Stadthagen empfingen und bewirten dieselbe allhie. Sie gebrauchten auf der Rückreise vor 15 Wagen und 2 Beyreiters = 78 Pferde. 16.5 Ausverkauf des Wilhelmsteiner Felds, von Engelke 1777 (Nachdem Graf Wilhelm in der Nacht vom 9. auf den 10. September gestorben war) Am 2. October wurde das bisher auf hiesigem Torf- Moore oder so genannten Wilhelmsteiner Felde gewesene Herrschaftliche Vieh an Kühen und Schafen; den 17. Oct. alle Festungs- Pallisaden; den 20. Oct. alle Herrschaftl. Gebäude; den 21. Oct. alle Magazin- Früchte des Wilhelmsteins; den 3. Nov. die mehresten jungen Obstbäume, meistbietend verkauft. Auch das vom Hochseel. Herrn Uhrbaar gemachte Land, Stückweise verpachtet und ausgethan. 16.6 „Bruder Lustick“ auf dem Wilhelmstein, 1808 Am 23. August 1808 besuchte „Seine Majestät der König von Westphalen“, Napoleons Bruder Jerome Bonaparte, mit seinem Gefolge von 27 Personen den Wilhelmstein. 30 17. Literatur (Auswahl) 1. Banaschik- Ehl, Ch. (1974): Graf Wilhelm von Schaumburg- Lippe in Portugal; Osnabrück 2. Klein, H. (1982): Wilhelm zu Schaumburg- Lippe; Osnabrück 3. Kreisvolkshochschule Schaumburg (1988): Hagenburger Geschichten 4. Ochwadt, C. (1967): Das Steinhuder Meer; Hannover 5. Schaumburger Landschaft (2000): Kulturpfad Schaumburg; Bückeburg 6. Wiegmann, W. (1912): Heimatkunde des Fürstentums Schaumburg- Lippe; Verlag H. Heine, Stadthagen 31 AK Bergbau: Heft 18, Abb. 1 (Schloß Hagenburg) 32 AK Bergbau: Heft 18, Abb. 2 (Ochwardt, C. 1967) 33 AK Bergbau: Heft 18, Abb. 3 (Ochwardt, C. 1967) 34 AK Bergbau: Heft 18, Abb. 4 (StAB) 35 AK Bergbau: Heft 18, Abb. 5 (Ochwardt, C. 1967) 36 AK Bergbau: Heft 18, Abb. 6 (Ochwardt, C. 1967) 37 AK Bergbau: Heft 18, Abb. 7 (Ochwardt, C. 1967) 38 Tab. 1 39 Tab. 2 40 Tab. 3