PDF 2,7 MB - Deutsche Bank

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Management_Best Practice
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Die Shorts fürs Weltall
D
afür muss man verrückt sein. Etwas zumindest. In einem Ultraleichtflugzeug die Welt
umrunden. Zwei deutsche Hobbyflieger,
Andreas Zmuda und Doreen Kröber, sind so seit
Jahren unterwegs. Sie haben alles aufgegeben
daheim in Deutschland, das ganze Leben auf ein
fliegendes Dreirad und zwei Gepäcksäcke konzentriert. Im Sommer 2012 sind sie in Florida zum Abenteuer ihres Lebens gestartet, bruno-banani-Wäsche
im Sack und das Firmenlogo des Sponsors auf der
Tragfläche. Seitdem wird weltweit berichtet von
den beiden Berlinern in ihrer fliegenden Kiste und
ihrem Geldgeber, der Wäschefirma aus Deutschland. Medienwert? Unbezahlbar.
Die Geschichte von bruno banani schmückt jede
Marketing-Vorlesung. Sie handelt vom Aufstieg des
vormaligen kleinen VEB Trikotex bei Chemnitz zu
einem globalen Fashion-Label. Und von einem
schwäbischen Manager, der in den Osten geht,
um sich selbstständig zu machen und dort ausgerechnet in die sich auflösende Textilindustrie zu
investieren. Es ist die Geschichte eines Mannes,
der die Deutschen rausholen will aus dem Feinripp.
Es ist die Geschichte des heute 73-jährigen Unternehmers Wolfgang Jassner, der das Unternehmen
gemeinsam mit seinem Sohn und einem Manager
führt und bis heute die Wirksamkeit intelligenten
Marketings beweist.
Und das ging so: 1993 übernimmt der vormalige Textilmanager Jassner als Mehrheitsinvestor
gemeinsam mit einem ostdeutschen Partner einen
Trikotagenhersteller bei Chemnitz. Kleiner Laden,
gute Leute, verstaubte Technik, wenig Perspektive. Denn das Gros der Branche schneidet und näht
schon längst in Südostasien. 15 Mitarbeiter sind
es zu Beginn, eine kleine Ausgründung aus einem
einstmals großen Wäschekombinat.
Das Projekt wirkt wenig überzeugend, fast
halsbrecherisch. Für den ersten Kredit muss Jassner sein Haus im heimischen Ostalbkreis beleihen. Doch der Mann glaubt an seine Marktnische:
modische Markenunterwäsche für Männer statt
Einheitsware. Eine Lifestyle-Marke aus Chemnitz?
Selbst Anfang der Neunziger ist so was noch echtes
Neuland, Marken wie Calvin Klein sind bestenfalls
ein exotisches Mitbringsel aus New York. 15 Euro
jährlich investiert der deutsche Mann zu dieser
Zeit in seine Slips, 27 Euro sind es bei den Frauen.
Und als Jassner dann auch noch den Firmennamen
„bruno banani“ ins Handelsregister eintragen lassen will, bekommt er vom zuständigen Sachbearbeiter erst mal eine Abfuhr: „Einen dümmlicheren
Namen hätten Sie sich wohl nicht einfallen lassen
können.“ Zu unseriös, geht nicht.
Geht dann aber doch. Und innerhalb weniger
Jahre gelingt es Jassner, den vormals notleidenden Ostbetrieb mit neuem Sortiment nach vorn zu
bringen. Aus dem Stand heraus schafft er schon im
ersten Jahr zwei Millionen D-Mark Umsatz, zehn
Jahre später sind es 40 Millionen Euro. Mitunter
kommen die Aufträge so schnell rein, dass Jassner eine Neukundensperre verhängen muss.
FOTO: MATTHIAS LUEDECKE
Große Marketing-Gelder hat nicht jeder. Muss auch nicht.
Der Textilunternehmer Wolfgang Jassner zeigt mit seiner Marke
bruno banani, dass sich Aufmerksamkeit und Bekanntheit
auch bei überschaubarem Budget gewinnen lassen. Wenn es denn
clever investiert wird
Wolfgang Jassner
hat einen einfachen
Rat: „Seien Sie
einfach anders als
die anderen.“
Mit diesem Rezept
macht er inzwischen
einen dreistelligen
Millionenumsatz
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Für „bruno banani“ gab’s
vom Handelsregister-Beamten
erst mal eine Abfuhr
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Starke Marke: Lizenzen machen
heute die Hälfte des Umsatzes aus
Als überzeugter Anhänger der sogenannten
engpasskonzentrierten Strategie fokussiert er sich
zunächst nur auf Design-Unterwäsche für Männer.
Und er ist schnell: Nach 1000 Tagen gehört er in
seinem Marktsegment bereits zu den drei führenden Anbietern. „Wir haben den schlafenden Markt
erweckt“, sagt der Gründer. Weltmarken wie Calvin
Klein, Hugo Boss oder Joop laufen hinterher. Sechs
Jahre nach Start baut Jassner eine völlig neue Fertigung und Verwaltung auf der grünen Wiese. Es
FOTOS: BRUNO BANANI GMBH,
TOP MAGAZIN CHEMNITZ/SÜDWESTSACHSEN
bruno bananis
Werbung mit
Politikern schaffte
es bis ins Bonner
Haus der Geschichte
(links). Das Tagesgeschäft übernimmt
inzwischen Jan
Jassner gemeinsam
mit einem angestellten Manager
entsteht die „Perfactory“, ein cooler Glasblock,
ausgelegt auf hohe Verarbeitungsqualität und
effizienten Workflow für rund 35 Näherinnen und
die Verwaltung. Vom Chefbüro zur Fertigung sind
es nur ein paar Schritte. Und 2014 schafft das Unternehmen erstmals mehr als 100 Millionen Euro.
Von Anfang an setzt Jassner auf den Aufbau einer Marke, einer „fetzigen“ Marke, wie er es nennt.
Nur: Große Marketing-Budgets sind nicht vorhanden – spektakuläre Ideen dafür schon.
Gemeinsam mit dem schwäbischen Markenexperten und Werber Gerhard Fischbach, der Jassner über viele Jahre begleiten wird, entwickelt er
„Extremtests“ für Unterwäsche. Es sind meist etwas schrille PR-Events, zum Teil ähnlich jenen der
Getränkemarke Red Bull. Einen „Space Test“ mit
bruno-banani-Unterwäsche in der Raumstation
MIR („erste Designermarke-Unterhose im Weltall“),
ein „Speed Proof“ („schnellste Designermarke der
Welt“). bruno banani ist die erste Designermarke
auf dem Mount Everest, reist 10 000 Kilometer
durch die Wüsten Afrikas, durchläuft Drucktests
in den Tiefen des Bermudadreiecks und Crashtests beim TÜV. 2009 verspricht das Unternehmen
eine „Abwrackprämie“ für alte Unterwäsche. Das
schräge Kampagnen-Motiv mit leicht bekleideter
Kanzlerin und Kabinett schafft es sogar ins Bonner
Haus der Geschichte. Und im Februar 2014 schickt
bruno banani einen Rennrodler von der Südseeinsel Tonga an den Start zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi. Der Mann heißt auch noch so
wie die Firma, die Geschichte von dem dunkelhäutigen Rodler aus dem Südpazifik, gesponsert von
einer deutschen Wäschefirma, geht um die Welt.
Das Ergebnis der spektakulären Turnereien ist
eine starke, weithin bekannte und vielfach prämierte Marke: bruno banani kennen heute rund
zwei Drittel aller Deutschen, bei den Jüngeren liegt
die Markenbekanntheit sogar bei 90 Prozent. Die
MIR-Aktion bringt Jassner in New York einen Award
für eine der effektivsten Werbekampagnen weltweit. Seine Zielgruppe definiert er nicht über Alter,
Einkommen oder Sinus-Milieus, sondern nennt sie
einfach „young-minded“. „bruno banani“, hat das
Wirtschaftsmagazin „brand eins“ einmal geschrieben, „ist der Thomas Gottschalk der UnterwäscheIndustrie: eine Spur zu laut, volksnah, mit Hang
zum Stil-Exzess – und genau deshalb erfolgreich.“
Um seine kleine Wäschemarke groß zu machen,
investiert Jassner bis zu 15 Prozent des Umsatzes
ins Marketing. Für einen Mittelständler ist das eine
Menge. Doch man muss auch nicht die Budgets von
Coca-Cola bewegen, um Gehör zu finden. Sein Rat:
„Seien Sie einfach anders als die anderen.“ Das
ist ihm gelungen. Schon 2000 kann bruno banani
seinen Namen per Lizenzvergabe zu Geld machen.
Nach Jahren spektakulärer Events steht die Marke
nun auch für Innovation, Farbe, Humor, Kreativität
und Frische. Und ist begehrt bei Lizenznehmern,
die damit ihren No-Name-Produkten eine junge
Markenaura geben.
Wachstumspotenzial im Ausland
Heute macht bruno banani über 50 Prozent des
Umsatzes mit der Vergabe von Fertigungsrechten
an 15 Lizenznehmer quer durch alle Branchen: Taschen, Bettwäsche, Brillen, Handtücher, Schmuck,
Schals, Deos, Socken, Schuhe. „Wir sind eine Lifestyle-Marke“, sagt Jassner, „und nur noch nebenbei
ein Hersteller von Underwear.“ Denn in der kleinen
Chemnitzer Manufaktur steckt wenig Wachstumspotenzial. Rund neun Minuten dauert es, bis ein Paar
Shorts zugeschnitten und ganz traditionell an der
Maschine genäht ist. Rationalisierungspotenzial:
null. Deshalb entsteht nur ein Teil der Herrenwäsche und Bademoden in Eigenfertigung, alle anderen Textilien werden zugekauft. „Wir müssen froh
sein“, sagt der Gründer, „wenn wir diese Produktion
auch in Zukunft in Deutschland hinbekommen.“
Ja, die Zukunft. Der Senior ist nach eigenen
Worten „immer noch voll dabei“. Er selbst konzentriert sich auf die Themen Strategie und Marke, sein
42-jähriger Sohn Jan und ein angestellter Manager
steuern das Tagesgeschäft. Jährlich fünf Prozent
Wachstum ist das ausgegebene Ziel, das klingt
machbar. Jassner junior übernimmt ein kernge-
FOTO: MATTHIAS LUEDECKE
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Handarbeit: Am Standort Chemnitz wird nur noch ein Teil der Produktion gefertigt, der
Rest zugekauft. Neun Minuten dauert die Herstellung eines Paars Herrenshorts
sundes und beruhigend durchfinanziertes Unternehmen, doch auch er muss sich neuen Herausforderungen stellen. Der Aufbau eigener Filialen im
europäischen Ausland ist eines der Ziele, denn bislang generiert Deutschland zwei Drittel des Umsatzes. Zugleich verändert sich der Einzelhandel, rund
1000 Textilgeschäfte gehen jedes Jahr bundesweit
aus dem Markt. Die Fachhändler mit Point-of-SaleAktionen stärken ist eine Antwort. Eine andere der
Aufbau eigener Filialen und Outlets. Neun brunobanani-Stores gibt es inzwischen, weitere werden
folgen. Und 15 Prozent des Umsatzes laufen inzwischen über die eigene Online-Plattform, auch das
noch nicht das Ende der Planung.
Die Unterhose hat inzwischen einen weiteren
„Extremtest“ bestanden: Ein Stuntmann ist mit ihr
im Filmpark Babelsberg auf einem Motorrad durchs
Feuer gerast. „Die Marke hält ihre Flughöhe“, sagt
der Senior zufrieden, „sie ist dort, wo sie hinsoll.“
Auch Andreas Zmuda und Doreen Kröber haben
ihre Reiseflughöhe noch nicht verlassen. Ihr Abenteuer in der fliegenden Kiste haben sie gerade erst
verlängert, Ende offen. Ein paar fliegerische Weltrekorde sind schon gebrochen, ein paar sollen noch
folgen. Und bruno banani bleibt an Bord.
S T EPH AN S CH LOT E
WEITERE INFORMATIONEN
Buchhinweis: „Not for Everybody. Die Erfolgsgeschichte von bruno banani“. Wiley-VCH 2013