Ein Leben für die Tiere

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Ein Leben für die Tiere
REPORTAGE
TIERLIEBE
Aus teilweise kranken,
verschreckten und aggressiven Tieren werden
hier fröhliche, liebevolle
und gesunde Wesen.
Neben 20 Pferden und vielen
Katzen bevölkern auch Esel,
Schweine, Kühe, Hasen und
viele Vögel den Amselhof.
INTERNET-TIPP
Mehr über den Amselhof,
Tierpatenschaften und
Tageskurse finden Sie im
Internet: www.amselhof.at
Merle Kulenkampff – geboren, um Tiere
zu retten
ei meinem Besuch im Dörfchen Mostbach unweit von
Raabs an der Thaya weinte der Himmel. Das passte gar
nicht so schlecht, denn ich war
auf dem Weg zu einer „Arche Noah“ – dem Amselhof von Merle
Kulenkampff. Ich hatte schon viel
über die Tochter des legendären
Showmasters gehört und wollte
sie unbedingt kennen lernen. In
der Küche des Amselhofs war es
trocken und warm. Doch erst
musste ein schwarzer Mops, der
dort wild herumwuselte, ausgesperrt werden. Dann wollte eine
Katze beim Fenster herein …
Schließlich waren Tiere und
Menschen geschlichtet, und wir
saßen gemütlich beisammen,
während die Hausfrau aus ihrem
Leben erzählte.
Schon als Kind war Merle
„vernarrt in Viecher“ und eine
passionierte Reiterin mit künstlerischen Ambitionen. Ihr Werdegang verlief zwischen Pferden
und Keramik. Mehr und mehr
reifte der Wunsch nach einem
eigenen Hof in ihr. Da wurde sie
B
Ein Leben
für die Tiere
Merle Kulenkampff, die Tochter
des legendären Showmasters, hat
im Waldviertel eine „Arche Noah“
für Tiere, die niemand mehr haben
möchte, aufgebaut.
Von Maria Gornikiewicz
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eingeladen, bei einem Bauernmarkt im Waldviertel ihre Keramik auszustellen. Sofort war sie
von der Landschaft begeistert.
„Ich hab schon als Kind immer
gehört, wie schön das Waldviertel ist“, erinnert sich Merle, deren Eltern alle Hochzeitstage im
Waldviertel verbracht haben,
weil der prominente Quizmaster
das Land liebte und hier ungestört seiner Wege gehen konnte.
Hier wollte sie sich niederlassen.
Schließlich fand sie 1981 einen
alten Bauernhof in Mostbach,
den sie mit finanzieller Unterstützung ihres Vaters erwerben
konnte. Sie nannte ihn Amselhof,
„weil Merle auf Deutsch Amsel
heißt“, richtete eine Töpferwerkstatt ein und zog mit zwei
Hunden, zwei Katzen, zwei Pferden und ihrem kleinen Sohn
Marius hierher. Später kam noch
Tochter Mascha hinzu.
157 Tiere
Bald kamen Ziegen, Schafe, Gänse, Schweine, Kühe, Hühner, Hasen, Meerschweinchen, ver-
schiedenste Vögel … dazu. „Fast
alle diese Tiere wurden von ihren
früheren Besitzern ausgesetzt
oder beim Fleischhauer abgegeben“, berichtet Merle. „Manche
wurden für ein paar Tage in meine Obhut gegeben und nie wieder abgeholt. Mit viel Liebe habe ich es geschafft, aus all diesen
teilweise kranken, verschreckten
und aggressiven Tieren wieder
fröhliche, liebevolle und gesunde
Wesen zu machen.“ Heute leben
157 Tiere in Mostbach Nummer
15, darunter 20 Pferde, das älteste 40 Jahre alt. „Man wird nicht
zur Tierschützerin, man kommt
schon als solche zur Welt. Ich bin
sicher, dass ich geboren wurde,
um Tiere zu beschützen, zu retten und ihnen das Leben zu erleichtern“, sagt Merle Kulenkampff rückblickend.
Täglich arbeitet sie von 6 bis
20 Uhr, um ihre große Tierfamilie zu versorgen. Ihr zur Seite eine junge Praktikantin, die vom
Arbeitsamt bezahlt wird, und der
Angestellte Michael, der das kleine Haus in der Nachbarschaft be-
zogen hat. Dort wohnten zu Lebzeiten Merles Eltern. Das Konterfei des Vaters ist in der Küche
zu sehen, und in der Reithalle
hängt ein Bild vom Segelboot des
passionierten Seglers.
Finanzielle Sorgen
Solange ihr Vater lebte, hat er den
Amselhof finanziell unterstützt.
Doch inzwischen sind die finanziellen Probleme groß. Das viele Futter, Heu, Sägemehl, Dachreparaturen, neue Zäune – man
kann sich das Dilemma vorstellen. Merle muss mit Volldampf
betteln und bietet Tierpatenschaften für Pferde, Hunde, Katzen, Kühe, Schafe, Ziegen und
Esel an.
Zusammen mit der Journalistin Senta Ziegler hat Merle Kulenkampff ein Buch geschrieben,
einen chronologischen Lebenslauf, in dem Ziegen, Schafe,
Gänse und ein Schweinchen die
eigentlichen Hauptdarsteller
sind. Der Reinerlös des Buchs
kommt dem Amselhof zugute.
Weitere Einnahmequellen sind
Fotos: Maria Gornikiewicz, Mascha Kulenkampff
Spenden sowie Tageskurse unter dem Motto „Rund ums
Pferd“, „Töpfern“ und „Ein schöner Tag am Amselhof“. Trotzdem: Die finanziellen Probleme
sind groß. Anlässlich ihres Sechzigers voriges Jahr wollte Merle
einen Schlussstrich unter ihre
Finanzkrise ziehen. Aber der
Tierschutzverein, der den Hof
kaufen wollte, hatte plötzlich
kein Geld dafür.
Ihren Humor und ihre positive Lebenseinstellung hat sie
trotz aller Belastungen nicht verloren. „Ich bereue nichts“, sagt
sie, „es geht uns gut. Ich habe nur
den Wunsch, dass das Tierasyl
erhalten bleibt.“
Auch Merles
Enkel Julian ist
ein Tierfreund.
BUCHTIPP
Merle Kulenkampff:
Alles nur aus Liebe.
Mein Leben für die Tiere.
Amalthea-Verlag
200 Seiten, r 19,90
OKTOBER 2010
| sg