Sehnenverletzungen

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Sehnenverletzungen
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15.02.2007
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Medizinische Trainingstherapie:
Siehe Kapitel 16.
Hauptübung — Kapitel 16: Abb. 81, 82/172, 173/174, 175/118, 119/120, 121
Nebenübung — Kapitel 16: Abb. 154 – 156/157 – 160, 161
Verhütungsmaßnahmen:
Anpassung des Trainings- und Laufprogrammes, je nach Ursache
7.4.2
Sehnenverletzungen
Hierzu werden entzündliche und chronische Überlastungsreizungen
im Bereich der Sehne und ihres Gleitgewebes gerechnet.
7.4.2.1 Achillessehnenentzündung (Achillodynie)
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Darunter versteht man eine Entzündung im Bereich der Achillessehne und ihres umgebenden Sehnengleitgewebes, ca. 2 bis 4 cm oberhalb
des Fersenbeins. Dabei ist bedeutungsvoll, dass die Achillessehne von ihrer
arteriellen Grundausstattung (besonders im mittleren Teil) her einer
schlechteren Sauerstoffversorgung ausgesetzt ist. In der Muskel-Sehnenkette der Wadenmuskulatur kommt es bei einer Überbeanspruchung auch
im Sehnenteil zu einer Verkürzung und Volumenzunahme, die infolge der
Druckerhöhung die Blutversorgung zusätzlich stört. Begünstigt wird dieser
Vorgang noch durch eine ungünstige Hebelsituation des Fußes beim
Abrollvorgang. Durch den langen Vorfuß und den kurzen Rückfuß kommt
es zu einer verstärkten Beanspruchung der Muskel-Sehnenkette, weil das
obere Sprunggelenk weit in den hinteren Bereich verlagert ist.
Hinzu tritt noch eine unterschiedliche Faserstruktur des dreiköpfigen Wadenmuskels mit einer differenzierten Leistungsumsetzung an der
Achillessehne. So ist der oberflächliche Zwillingsmuskel für die Maximalund Schnellkraftleistung verantwortlich, weil er besonders über schnell
zuckende Fasern (fast twitch) verfügt. Der darunter liegende, überwiegend
für die Ausdauerleistung geeignete Schollenmuskel besitzt vorwiegend
langsam zuckende Fasern (slow twitch). Diese unterschiedliche Faserstruktur kann zusätzlich bei einer Überbeanspruchung zu Funktionsstörungen führen, denn die Achillessehne ist die größte Sehne des Körpers und
wird beim Läufer bevorzugt belastet (Abb. 51). Die Achillessehne ist außerdem aufgrund ihrer geringen Elastizität nicht in der Lage, auf Dauer Überlastungsspitzen auszugleichen, so dass es zu kleinstenVerletzungen (Mikrotraumatisierungen) in der Sehne kommt, die bei einer fehlenden sofortigen
Behandlung zu einer Reizung und Aufquellung des Achillessehnengleitgewebes führen (akute Form). Dauert die unbehandelte Fehlbelastung an,
kommt es zu narbigen Veränderungen in und um die Sehne, die man teilweise als erbsenförmigen Knoten tasten kann (chronische Form).
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Beschwerden am Bewegungsapparat
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Biomechanische Ursachen:
-
Fußfehlstellungen (Überpronation, Übersupination, Hohlfuß)
Vorfußläufer
verkürzte Wadenmuskulatur (erhöhte Muskelspannung)
Störungen des Abrollverhaltens der Fußgelenke
Traumatische Ursachen:
-
hinterer Fersensporn durch Druck auf die Sehne (Schuh)
keine straffe Fersenführung (Schuh)
äußere Verletzungen (Prellung, Zerrung)
unzureichende Dämpfung des Rückfußes (Schuh, harte Laufstrecken,
Asphalt, Beton)
- ungenügender Schutz bei feuchtem, kaltem Wetter
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Sohlenspanner
Schneidermuskel
Zwillingsmuskel
Achillessehne
Schollenmuskel
Achillessehnenansatz
Abb. 51
langer Großzehenbeuger
äußerer Knöchel
Hinteransicht des Unterschenkels
Unterschenkel: Achillessehne
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Methodische Ursachen:
-
geringe Belastungsanpassung (verminderte Durchblutung)
übermäßige Langläufe
harte oder sehr weiche bzw. unebene Laufflächen, Kunststofflaufbahn
falsches Schuhwerk
ungenügende Erwärmung
Diagnostik:
Die Diagnose kann durch die klinische Untersuchung und die Weichteilsonographie bzw. Laufanalyse ermittelt werden.
Hier werden drei Schweregrade unterschieden:
Grad I: Schmerzen bei Belastungsbeginn, die dann abnehmen
Grad II: Schmerzen sofort und während der Belastung
Grad III: Dauerschmerz mit Schwellung in der Entzündungsregion.
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Achillodynie1. Kontrolle permanenter, einseitiger Bewegungen am Arbeitsplatz,
zu Hause und im Sport (Gewohnheiten) = täglich
2. Bei Läufern Umfangreduzierung = sofort umsetzen (4 bis 12 Wochen)
– deutlich weniger Gesamtkilometer pro Woche
(Reduzierung um mindestens 20 %)
– bei gut trainierten Läufern bis max. 20 km Dauerlauf in einer
Trainingseinheit (»Supersauerstoffläufe« bitte meiden, da
Ermüdung zu groß)
– Laufen mit Spikes unterlassen, schnelle Kurvenläufe ebenfalls
– Geländeprofil: flach bis leicht profiliert (kein Berganlaufen)
3. Spezielle Übungen = täglich bis zweitäglich
– exzentrisches Training an der Beinpresse (beidseitiges Arbeiten,
Fußstreckung mit gesundem Bein, Abfangen des Gewichtes
mit Beschwerdebein); 5 x 30 Wiederholungen (bis Eigengewicht
steigern)
Der Profi-Tipp
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Beschwerden am Bewegungsapparat
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Beschwerden:
- differenzierte Ausprägung der Beschwerden entsprechend des
Schweregrades
- Steifigkeit und Schmerzen morgens bzw. bei Laufbeginn, später
auch während des Laufens
- Schmerzen beim Aufwärtsgehen und Treppensteigen; Hinken
beim Gehen und Laufen
- teigige bis knotige Schwellung und Druckempfindlichkeit im
entzündeten Bereich (80 % im mittleren Drittel)
- Funktionseinschränkung mit eventuellem Sehnenreiben (Krepitation)
bei Beugung und Streckung des Fußes
- Hautrötung über der Sehne bei schwerer Entzündung
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Programm
– Diese Variante kann auch am Treppenabsatz durchgeführt werden,
Arme unterstützen die konzentrische Fußbewegung (Fußstreckung)
– Fußhebertraining (Dorsalextension)
– »Maiskastentraining« (10 Minuten) zur Lockerung der Fußstrukturen,
Lösung von verletzungsbedingten Verklebungen
– Wadendehnung
4. Selbstmassage der Achillessehne mittels Daumen und Zeigefinger;
kreisförmige Bewegungen von Daumen und Zeigefinger
(mit leichtem Druck auf Achillessehne) beginnend am Fersenansatz bis hin zum Wadenansatz = mehrfach täglich
5. »Feuchte Kammer« = Papiertaschentuch dick mit einer entzündungshemmenden Salbe bestreichen, direkt auf das Problemgebiet
legen, mit einer Frischhaltefolie umspannen, mit Verband
leicht fixieren, über Nacht einwirken lassen (»Treibhauseffekt mit
Tiefenwirkung«) = mindestens 10 Tage bis 3 Wochen
Unterschenkel: Achillessehne
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Bei Nichtbeachtung der Beschwerden oder ungenügender Behandlung können folgende Komplikationen eintreten:
- Reizung der Fußsohlensehnenplatte (Fasciitis plantaris)
- Achillessehnenriss, teilweise oder ganz
Selbstmaßnahmen:
- sofortige Laufpause (ab Grad II) mit 1- bis 2-tägigen
kühlenden Umschlägen zur Schmerzminderung und Verhinderung
der Schwellung (akute Form)
- 1 cm Fersenerhöhung (Fersenkeil u. a.)
- Dehnübungen der Wadenmuskeln
- exzentrisches Übungsprogramm (siehe Kapitel 16, Seite 325)
Ärztliche Maßnahmen:
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- entzündungshemmende Medikamente (Antirheumatika, Salben,
eventuell Kortisoninjektionen u. a.)
- Physiotherapie (Reizstrom, Iontophorese, Softlaserbestrahlung u. a.)
- richtiges Schuhwerk
- Fußkorrektur durch Einlagen
- bei starken chronischen Beschwerden eventuell operative Korrektur
Medizinische Trainingstherapie:
Siehe Kapitel 6 und 16.
Hauptübung — Kapitel 16: Abb. 185 – 187/118, 119/120, 121/105, 106/107, 108
Nebenübung — Kapitel 16: Abb. 154 – 156/161/157 – 160/165 – 167/176 – 178/
Aquajogging
Dehnung — Kapitel 6.4.6.1: Abb. 17 – 19/20 – 23
Verhütungsmaßnahmen:
- Wiederaufnahme des Lauftrainings erst nach Schmerzfreiheit
- regelmäßige Dehnübungen der Waden- und Oberschenkelmuskeln
(Rückseite)
- Wärmeschutz bei feuchter und kalter Witterung
- Korrektur der Laufschuhe entsprechend dem Lauftyp, gut stützende
Schuhe, Fersenkeil
- diszipliniertes Warmlaufen mit anschließender Dehnungsgymnastik
- Veränderung des Laufstils und des Laufprogramms (nur wenig Sprints,
keine Aschenbahn, ebene Laufflächen)
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Beschwerden am Bewegungsapparat