Botanische Zustandserfassung und Ableitung von Pflege

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Botanische Zustandserfassung und Ableitung von Pflege
Regierung
von Oberfranken
Naturschutzgebiet Nr. 86 – "Höllental"
-
Gutachten
gekürzte Fassung
weitere Informationen: RD Dr. Johannes Merkel – Tel.: 0921-604 1476
Botanische Zustandserfassung
und Ableitung von Pflege- und
Entwicklungsvorschlägen für das
"Höllental" bei Bad Steben
- Abschlußbericht -
vorgelegt von:
Dipl.-Biol. Winfried Türk, Bayreuth
im Auftrag des Landratsamtes Hof
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A. EINLEITUNG
1. Die besondere Bedeutung des Höllentals bei Bad Steben
Das von der Selbitz durchflossene "Höllent al" bei Bad Steben liegt als weithin bekannter Glanzpunkt
des Frankenwaldes am Nordrand dieses Naturraums. Direkt nördlich des NSG mündet der Fluß bei
Blankenstein in die Sächsische Saale, die hier die Grenze zwischen Bayern und Thüringen bildet.
Die herausragende floristisch-pflanzengeographische Stellung des Gebietes ist seit langem bekannt.
Zahlreiche vom Aussterben bedrohte Arten höherer Pflanzen der "Roten Listen" Bayerns und Oberfrankens kommen hier vor. Das Höllental gehört zu den wenigen Wuchsorten von Hieracium schmidtii und Hieracium saxifragum in Nordbayern.
Die Untersuchungen von H. D. Knapp (1979/80) im hercynischen Mittelgebirgsraum haben die besondere Bedeutung der xerothermen Vegetationskomplexe subkontinentaler Flußlandschaften als
letzte Reste der Naturlandschaft Mitteleuropas herausgestellt. Eigene Untersuchungen im oberfränkischen Raum lassen die Aussage zu, daß im Höllental das einzige ausgedehnte Vorkommen eines
solchen Xerothermkomplexes natürlicher Waldgrenzstandorte mäßig saurer Böden in Oberfranken
vorliegt.
Die angrenzenden Waldgesellschaften enthalten bemerkenswerte naturnahe Bestände heute seltener Waldtypen; dazu zählen die edellaubholzreichen Gehölzgesellschaften der blocküberrollten
Steilhänge sowie die montan getönten Erl enwälder der Selbitzaue.
Das landschaftlich reizvolle Höllental gehört zu den touristisch am stärksten frequentierten Gebieten
des Naturparks "Frankenwald". Durch die Grenzöffnung und die hierdurch bedingte Belebung des
Fremdenverkehrs ist es bereits zu einer spürbaren Zunahme der Besucherzahlen gekommen. Ein
weiteres Anwachsen ist absehbar.
In keinem Verhältnis zu seinem biologischen Potential, seinem Erhaltungs - und Schutzwert ist das
"Höllental" bislang naturschutzrechtlich sichergestellt. Abgesehen von einem geomorphologischen
Schutzobjekt am Südeingang der Engtalstrecke, sind bislang lediglich die Felsfreistellungen am "König David" mit dem "Hirschsprung" als Naturschutzgebiet eingetragen, Die Talsohle der Selbitz ist als
Landschaftsschutzgebiet ("F rankenwaldtäler", vgl. Kronenberger 1955/57) eingetragen. Insbesondere in Anbetracht steigender Besucherzahlen erscheint eine erhebliche Ausweitung und Arrondierung
der bestehenden NSG-Flächen sowie die Erarbeitung von botanisch begründeten Pflege - und Ent wicklungsvorschlägen dringend wünschenswert und notwendig.
2. Ziele der wissenschaftlichen Untersuchungen im Höllental
Vorbemerkung: Die im folgenden aufgeführten Untersuchungen beziehen sich auf das unter 4. 1
näher umschriebene Gebiet. Das Bearbeitungsgebiet umfaßt eine Fläche von ca. 100 ha.
(a) Dokumentation der naturnahen Makrophyten-Vegetationstypen, insbesondere der Wald - und
Saumgesellschaften sowie des xerothermen Vegetationskomplexes der Waldgrenzstandorte
in Form vegetationskundlicher Aufnahmen und kommentierter Tabellen
(b) Erfassung und Dokumentation der Bryophytenflora in Form von Artenlisten
(c) Erfassung und Dokumentation der Lichenophytenflora in Form von Artenlisten
(d) Erarbeitung einer Bewertungskarte im Maßstab 1 : 10000 des Höllentals im Bereich Hölle Blechschmidtenhammer einschließlich beider Talhänge bis zu den Talkanten mit botanisch
begründeten Abgrenzungsvorschlägen für ein erweitertes Naturschutzgebiet
(e) Erarbeitung eines Konzeptes für die Sicherstellung, Erhaltung und Förderung nat urnaher Biotoptypen; Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten für momentan nutzungsbedingt subopt imale Bestandestypen
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(f) Erarbeitung von Anregungen für eine Besucherlenkung innerhalb des vergrößerten
Naturschutz gebietes. Darstellung der gegenwärtigen Wegverläufe in Karten im Maßstab 1 :
10000
B. ZUSTANDSERFASSUNG
4.
Natürliche Grundlagen
4.1.
Naturräumliche Lage und Abgrenzung
Als Höllental wird das Durchbruchstal der Selbitz durch einen Diabasriegel bezeichnet. Etwa 1,5 km
nördlich des "Hirschsprungs" mündet der Fluß in die Sächsische Saale (= Grenze nach Thüringen).
Das Gebiet befindet sich am Nordrand des Frankenwaldes, der Südostabdachung des Thüringischen
Schiefergebirges (Abb. 1 und 2). Die Talsohle der Selbitz liegt zwischen 430 und 480 m ü. NN, die
umgebenden Hochflächen erreichen Höhen von 550 - 650 m ü. NN.
Im folgenden wird unter Höllental bzw. Untersuchungsgebiet (USG) der hier abgegrenzte Raum verstanden. Er reicht im Selbitztal von den Ortschaften Brand bzw. Hölle bis zur Einmündung der Thüringischen Muschwitz bei Blechschmidtenhammer (Selbitzbrücke). Eingeschlossen sind die beiden
Talhänge bis zu den Oberhangkanten.
4.2.
Geologie
Der Auffaltung des Variskischen Gebirges (benannt nach der Curia Variscorum, dem heutigen Hof)
im Karbon, zu dessen saxothuringischer Zone das Alte Gebirge Nordostbayerns (Frankenwald,
Münchberger Gneismasse, Fichtelgebirge und Steinwald) zählt, ging ein Geosynklinalstadium (Sedimentationstrog eines absinkenden Meeresbodens) im Devon voraus. Während der beginnenden
Hebungsphase im Oberdevon drangen basaltische Laven submarin in noch weiche Schlammbereiche ein oder flossen auf dem Meeresboden aus ("Initiales Stadium" des Magmatismus). Bis zu 1000
m mächtige Diabaslager entstanden (Abb. 3). Kennzeichnend für diesen submarinen Vulkanismus ist
die kissenförmige Absonderung der Ergußgesteine ("Kissen-" oder "Pillow-Lava"). Diese, aber auch
die für tertiäre Basalte kennzeichnenden säulenförmigen Absonderungsformen sind in mehreren
natürlichen Aufschlüssen im Höllental deutlich erkennbar.
Vergesellschaftet kommen zusammen mit den ± kompakten, sehr verwitterungsbeständigen Diabasen und Diabastuffbrekzien (Verbackungsprodukt von Diabas -Magmabrocken und -Tuffen) auch Diabastuffe vor. Schalenförmige Absonderungen herrschen hier vielfach vor ("Schalensteine"). Diese
morphologisch weicheren Gesteine bilden heute weniger steile Hänge und die Runsen zwischen den
Diabas -Felsen.
In der Ortschaft Hölle wurden zwei kohlensäurehaltige Mineralquellen erbohrt (Sperber 1979). Ehedem gab es auch mehrere natürliche kohlensäurehaltige Quellen ("Eisensäuerlinge"), wie die "Hubertusquelle" südlich des "Teufelssteges". Sie sind heute jedoch größtenteils versiegt. Während früher
der oberdevonische Diabasmagmatismus für den Reichtum der Quellen an Kohlensäure verantwort lich gemacht wurde ("Hydrothermales Stadium" des Magmatismus), glaubt man heute eher an Exhalationen jungtertiärer, in der Tiefe steckengebliebener Basalte, die mit Grundwasser in Berührung
treten (Sperber 1979).
4.3. Böden
Die im frischen Bruch oft grünlichen Diabase ("Grünsteine") sind basaltähnliche basische Eruptivg esteine, die in verwitterter Form Böden mit guter nachschaffender Kraft liefern.
Die Böden der Hänge sind sehr skeletthaltig. Mit Ausnahme der eigentlichen Felssituationen sind sie
überwiegend aus quartären Schuttdecken hervorgegangen und besitzen einen mäßigen bis hohen
Basengehalt. Vom Felsranker bis zur Mull-Braunerde treten alle Entwicklungsstadien der Braunerdereihe auf. In der Selbitzaue und in einigen kleinen Hangrinnen haben sich Braunerde -Gleye und
Gleye entwickelt.
4. 4. Schuttbildungen
Charakteristisch für das "Höllental" sind die zahlreichen großen, oft senkrechten Felsen sowie unterhalb und zwischen diesen ausgedehnte Schutthalden aus Grob- und Blockschutt, von denen manche
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frei von höherer Vegetation sind. Im Bereich des zentralen Xerothermkomplexes um "Hirschsprung"
und "König David" führt Insolations - und Frostverwitterung auch heute noch zu einer andauernden
Nachlieferung von Grobschuttmaterial. Beim Herabstürzen der Abwitterungsfragmente kommt es zu
einer Anreicherung der größeren Fragmente am Haldenfuß, da diese aufgrund ihrer größeren Trägheit weiter springen als die kleineren Felsstücke. Aktive Schuttkegel setzen in den Runsen zwischen
und unterhalb der Felsausbisse an. Durch Prallhangerosion der Selbitz kommt es darüber hinaus
noch heute zur Untergrabung des Haldenfußes und nachfolgenden Rutschungen.
Der Wasser- und Basenhaushalt der rezent weitergebildeten Grobschutthalden darf insgesamt als
recht günstig beurteilt werden. Daneben sind im Höllental Blockhalden (Durchmesser der Felsfragmente > 30 cm) sehr verbreitet. Sie dürften überwiegend durch pleistozäne Verwitterung und Solifluktion sowie holozäne Ausspülung des Feinerdematerials entstanden sein. Durch fehlende Feinerde und ungünstiges Mikroklima (Kaltluftfluß!) stellen sie sehr ungünstige Pflanzenstandorte dar.
4. 5. Die Selbitz und das Höllental
Die Selbitz durchfließt das Höllental auf seiner ganzen Länge von Süd nach Nord. Der kleine Fluß
tritt bei Brand, bzw. dem auf der anderen Talseite liegenden kleinen Ort Hölle in das Höllental ein.
Das Flußbett besitzt hier den Charakter eines Kerbtals bis Sohlenkerbtals. Nach leicht pendelndem,
süd-nördlichem Verlauf zwingt der Felskomplex um "Hirschsprung" und "König David" den Fluß, nach
Westen auszuweichen. Hinter diesem Hindernis nimmt die Selbitz ihre alte Laufrichtung wieder auf.
Bald weitet sich das Tal, und eine Aue bildet sich. Mit der Einmündung des "Loh -Baches", der von
Lichtenberg herunterkommt, von Westen in die Selbitz endet das eigentliche Höllental. Insgesamt
durchfließt die Selbitz das Höllental auf etwa 3350 m.
Das steile, felsdurchsetzte Tal ist geologisch gesehen jung; es wurde innerhalb der letzten 2 - 3 Mio
Jahren von der Selbitz geschaffen. Als Zeugen einer mehrstufigen, jungtertiär-pleistozänen Talbildung sind in verschiedenen Höhenniveaus an den Talflanken Felsterrassen zu erkennen. Eine besonders markante befindet sich nördlich des E-Werkes. Die Haupteintiefung dürft e in kaltfeuchten
Perioden während des Eiszeitalters (Pleistozän) erfolgt sein. Spaltenfrost lockerte das Gestein; die
zeitweise fehlende Vegetationsdecke förderte eine intensive mechanische Verwitterung an den Hängen. Nach der Schneeschmelze führten wasserreiche Flüsse die ihnen von den Hängen zugeführten
Schuttmassen ab und erodierten kräftig in die Tiefe. Unterstützt wurde die Talbildung in den Mittelgebirgen durch bis heute anhaltende tektonische Hebungsvorgänge, die sich insbesondere in der
Zeit des ausgehenden Tertiärs und beginnenden Pleistozäns deutlich bemerkbar machten.
Als Ergebnis dieser durch Tektonik und pleistozäne Formungsprozesse hervorgerufenen Vorgänge
treten uns die heutigen Mittelgebirgstäler entgegen. Insbesondere dort, wo morphologisch härtere
Gesteine - im Höllental der Diabas und seine Abkömmlinge - anstehen, haben sich steilwandige,
felsdurchsetzte Engtäler herausgebildet. Mit einer Tiefe, die im Bereich des "König David" 175 Höhenmeter ("Hirschsprung": 85 m) erreicht und den z. T. sehr steilen, felsdurchsetzten Talflanken
stellt das Höllental ein besonders markantes Beispiel für ein solches "Durchbruchstal" im nordbayerischen Raum dar.
Innerhalb des Höllental fällt die Selbitz von 480 m ü. NN auf 427 m ü. NN ab; es ergibt nur sic h somit
eine Fallhöhe von 53 Höhenmetern. Dieses sehr hohe Gefälle von 16 Promill wird in Nordbayern
sehr selten erreicht. Der Fluß überwindet den Gefällunterschied nicht gleichmäßig, sondern in Form
einzelner Stromschnellen ("Katarakte"); über den beeindruckendsten Katarakt führt der "Teufels steg". Hier lassen harte Diabastuffbrekzien den Fluß im Frühjahr bei der Schneeschmelze zum reißenden Wildwasser werden.
Von der noch heute anhaltenden Tiefenerosion zeugen die großen Blöcke, die das Hochwasser bewegt. Teilweise erfolgt die Erosion auch im anstehenden Fels, der in diesen Bereichen glattgeschli ffen ist. Deutlich ist das Pendeln des Stromstriches an der Prall - und Gleithangbildung (mit Schotterinseln) zu erkennen. Eine eigentliche Aue ist im Höllental nur andeutungsweise zu erkennen. Während bei hohen Wasserständen im Spätwinter und Frühjahr das gesamte Flußbett durchströmt wird,
spaltet sich beim sommerlichen Niedrigwasser das dann insgesamt viel schmalere Gerinne auf; einzelne Geröllinseln und Gesteins klippen werden dabei umflossen.
Der Charakter des Flußlaufes der Selbitz erscheint noch recht natürlich. Anthropogene Veränderungen sind aber doch zu erkennen. Am gravierendsten wirkt sich der 1883 erfolgte Eingriff in Wasserführung und Flußbettmorphologie durch das Stauwehr bald nach dem Eintritt der Selbitz ins Höllental
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aus. Der Rückstau des Wehres führt zu einer Verringerung der Fließgeschwindigkeit flußaufwärts,
die sich noch bei Hölle bemerkbar macht; im Bereich des Wehres liegen untypische Stillwas serbedingungen vor. Lediglich bei Hochwasser wird die Wehrkrone überspült. Im Sommer enthält das
Flußbett unterhalb des Wehres nur eine Mindestwassermenge. Erst unterhalb des E-Werkes wird
das über die Röhren unter dem "Röhrensteig" abg eführte Wasser der Selbitz wieder zugeleitet.
Durch die drastische Verringerung der Wassermenge auf etwa 2/3 der Flußbettlänge kommt es zum
Absatz von Schlamm, der unter naturnahen Verhältnissen sicher nicht in diesem Ausmaße auftreten
würde. Negative Auswirkungen auf Hydrologie und Produktivität der Auenstandorte sind sehr wahrscheinlich. Vor allem die Limnofauna dürfte drastisch betroffen sein. Untersuchungen wären hier
sehr wünschenswert.
Ein zweites Wehr unterhalb des "Hirschsprunges" ist schon teilweise verfallen. Hie r zweigte früher
ein Wassergraben zur Versorgung der flußabwärts gelegenen "Selbitzmühle" ab
Weniger folgenreich sind auch die Böschungssicherungen zur Stabilisierung des Damms der ehemaligen Höllentalbahn (Baubeginn 1900) geblieben. Weitere Eingriffe betreffen nach Vogel (1989) den
Bau des Fahrweges durch das Höllental 1866/67 sowie die Errichtung der "Wiede'schen HolzstoffFabrik" (heutiges Wasserkraftwerk) 1885 in einer Talweitung zu Füßen des "König David", wofür u. a.
eine Mauer parallel zur Selbitz errichtet wurde.
4. 6. Klima
Im Regenschatten des westlichen Frankenwaldes gelegen, zeigt das Großklima bereits schwach
subkontinentale Züge (Abb. 4). Die mittleren Jahresniederschläge liegen auf der Hochfläche um 700
mm, im tiefeingeschnittenen Saale - und Selbitztal dürften sie geringer ausfallen. Die erhebliche Monatsmitteldifferenz von 19°C zwischen Januar - (-3°C) und Julitemperatur (+16°C) unterstreicht die
binnenländische Klimatönung des USG (Klimawerte nach Knoch 1952 sowie Hoppe & Seidel 1974).
Das reich gegliederte Relief erzeugt vom Regionalklima abweichende Standortsklimata. Während die
Schatthänge insbesondere in den kleinen Hangrunsen und am Unterhang (Horizontabschirmung)
kühlfeuchte, "montane" Verhältnisse aufweisen, führt die starke Erwä rmung am Tag und die nächtliche Abkühlung an den sonnseitigen Steilhängen zu einem kontinental geprägten Klei nklima.
4. 7. Pflanzengeographie
Die besondere naturräumlich-geomorphologische Situation des Untersuchungsgebietes zeigt sich
deutlich in der Zusammensetzung der Flora und Vegetation.
Charakteristisch für die mitteleuropäische Flora ist das Zusammentreffen von Pflanzenarten unterschiedlicher Verbreitungsschwerpunkte. Nach dem "Gesetz der relativen Standortskonstanz und des
Biotopwechsels", das HEINRICH WALTER formulierte, können sich Pflanzenarten an ihrem Arealrand immer dort konkurrenzkräftig behaupten, wo das Standortklima dem Großklima ihres Haupt verbreitungsgebietes am nächsten kommt. Während boreale, montane, aber auch die präalpinen,
d. h. in den Mittelgebirgen im Umfeld der Alpen wachsenden Arten meist in den Gebirgen mit ihrem
ausgeglichenen, kühl -feucht getönten Klima zu finden sind, treffen wir die Vertreter mit
(sub)mediterranem oder (sub)kontinentalem Areal an trocken-heißen (xerothermen) Hängen.
Die zahlreichen Kleinstandorte im Höllental ermöglichen es Arten unterschiedlicher ökologischer
Ansprüche, geeignete Wuchsbedingungen zu finden.
Beispiele für die Geoelemente im Höllental. Die Arealangaben folgen in vereinfachter Form
Oberdorfer (1990):
montane Arten:
Bergulme (Ulmus glabra), Tanne (Abies alba), Bergjohannisbeere (Ribes alpinum), Traubenholunder
(Sambucus racemosa), Christophskraut (Actaea spicata), Hasenlattich (Prenanthes purpurea), Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum), Ouirlblättrige Weißwurz (Polygonatum verticillatum)
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präalpine Arten:
Waldgeißbart (Aruncus dioicus), Weiße Pestwurz (Petasites albus), Akeleiblättrige Wiesenraute
(Thalictrum aquilegiifolium), Blasses Habichtskraut (Hieracium schmidt ii), Pfingstnelke (Dianthus
gratianopolitanus), Silberblatt (Lunaria rediviva), Schwarze Heckenkirsche (Lonicera nigra)
subatlantische Arten:
Rotbuche (Fagus sylvatica), Gegenblättriges Milzkraut (Chrysosplenium oppositifolium), Roter Fingerhut (Digitalis purpurea, Indignat unsicher!), Bergplatterbse (Lathyrus linifolius), Haingilbweiderich
(Lysimachia nemorum), Rote Lichtnelke (Melandrium rubrum)
boreale Arten:
Nordischer Streifenfarn (Asplenium septentrionale), Waldwachtelweizen (Melampyrum sylvaticum),
Hainsternmiere (Stellaria nemorum ssp. nemorum), Preiselbeere (Vaccinium vitis -idaea), Waldsauerklee (Oxalis acetosella)
submediterrane Arten:
Esche (Fraxinus excelsior), Bärenschote (Astragalus glycyphyllos), Bergjohanniskraut (Hypericum
montanum), Dost (Origanum vulgare), Wirbeldost (Calamintha clinopodium), Silberfingerkraut (Potentilla argentea), Frühlingsfingerkraut (Potentilla tabernaemontani), Felsenfetthenne (Sedum reflexum)
subkontinentale Arten:
Winterlinde (Tilia cordata), Zwergmispel (Cotoneaster integerrimus), Schwarzwerdender Geißklee
(Cytisus nigricans), Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia), Waldreitgras (Calamagrostis arundinacea), Großblütiger Fingerhut (Digitalis grandiflora), Deutscher Ginster (Genista
germanic a), Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), Salomonssiegel (Polygonatum odoratum),
Seegrassegge (Carex brizoides), Blasser Schwingel (Festuca pallens), Zimterdbeere (Fragaria moschata), Goldnessel (Lamium galeobdolon ssp. galeobdolon), Dunkles Lungenkra ut (Pulmonaria
obscura), Pechnelke (Viscaria vulgaris), Waldplatterbse (Lathyrus sylvestris), Türkenbundlilie (Lilium
martagon), Große Fetthenne (Sedum maximum)
Die besondere floristisch-pflanzengeographische Situation des Höllentals veranlaßte Vollrath
(1955/57) das vom Diabas geprägte Gebiet mit den hierin tief eingeschnittenen Flußtälern der Selbitz
und der Saale als besonderen pflanzengeographischen Unterbezirk "Höllentalgebiet" innerhalb des
"Frankenwaldes" herauszustellen.
4.8. Potentielle Natürliche Vegetation
Vergleichende Untersuchungen zur Standortsabhängigkeit der Potentiellen Natürlichen Vegetation
(PNV) in Nordbayern durch den Verfasser sowie das Vorkommen naturnaher, standortstypischer
Waldbestände im Höllental, erlauben es relativ leicht, Aussagen zur PNV im Gebiet zu machen. Das
Ergebnis zeigt Karte 1 (im Anhang).
Neben dem Auenwald in der Selbitzaue sind an den Hängen Buchenwälder, Edellaubholzwälder
thermophiler und hygrophiler Ausprägung sowie Sauerhumus -Birken-Ebereschenwälder der Fels und Blockstandorte zu unterscheiden. Im Bereich der Xerothermstandorte gehören neben den charakteristischen Traubeneichenwäldern auch offene, von krautigen Sippen und Kryptogamen beherrschte Vegetationseinheiten zur PNV.
Eine Beschreibung der einzelnen Einheiten der PNV erfolgt bei der Behandlung der Vegetationsve rhältnisse im Höllental.
4. 9. Nutzungsgeschichte
Zum Verständnis des heutigen Vegetationsbildes des Höllentals muß kurz die ehemalige Nutzung
dieses Gebietes gestreift werden.
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Als Quellen dienen die Ortschronik von Lichtenberg (Joisten 1987), ein kommentiertes "Literaturve rzeichnis über Veröffentlichungen über dieses Gebiet" (= Höllental) von Hauptlehrer Heinrich Wolf aus
Marxgrün (1951, unveröffentlicht) sowie eine neue Arbeit von Hert a Vogel (1989) über "Das Höllental".
Die Selbitz bildete im 16. Jahrh. die Grenze zwischen der Herrschaft Lichtenberg und dem Rittergut
Eichenstein. Flößerei, Bergbau - und Hüttenwesen sowie die Köhlerei boten lange Zeit die einzige
Möglichkeit, den Holzreichtum der Gegend zu nutzen.
1628 verfügte die Fürstin Elisabeth Sophie Radziwill, Schwester des Markgrafen Christian von Brandenburg, in ihrem Testament: In den herrschaftlichen Waldungen ("Lichtenberger Wald") wird den
Untertanen ihrer Herrschaft die "Gewährung von jährlich 1600 Klafter Brennholz, des benötigten
Bau-, Geräte- und Schindelholzes, der notwendigen Streu und des Hutrechtes" für alle Zeiten zugestanden (Joisten 1987: 46 f).
Der Bergbau auf Eisen, Kupfer und Schwefel läßt sich im Gebiet seit dem 15. Jahrh. nachweisen.
"Um 1785 stand der Bergbau in höchster Blüte. Die gewonnenen Eisenerze werden in Hammerwerken geschmolzen und verarbeitet. Die ausgedehnten Waldungen liefern die nötige Holzkohle, die von
Köhlern in Meilern gebrannt wird. In Lichtenberg gibt es den 'Blechschmidtenhammer'. Er wird so
genannt, weil dort ursprünglich nur Eisenbleche angefertigt wurden." (Joisten 1987: 59 f).
Die meisten Gruben wurden Mitte des 19. Jahrh. aufgelassen. Die Mundlöcher der Stollen, Abraumhalden und alte Pingenzüge im Wald erinnern noch an diese jahrhundertelang betriebene Industrie.
Im und kurz nach dem Il. Weltkrieg lebte der Bergbau noch einmal auf, als für einige Jahre Flußspat
gefördert wurde (Vogel 1989).
In dieser Zeit des ausgehenden Bergbaus wird auch eine erste gezielte Aufforstung der devastierten
Hangbereiche des Höllentals mit der raschwüchsigen Fichte erfolgt sein (Vogel 1989).
1866/67 erfolgte der Bau der Fahrstraße durch das Höllental. Für die 1881 errichtete "Wiede'sche
Papierfabrik Rosenthal" an der Mündung der Selbitz in die Saale ("Dreiländereck": Thüringen, Preußen, Bayern) wurde 1885 mit dem Bau der "Wiede'schen Holzstoff-Fabrik" in einer Talweitung des
Höllentals zu Füßen des "König David" begonnen. Vom neuerrichteten Stauwehr nahe Hölle gelangt
das Wasser in einer Rohrleitung (dem späteren "Röhrensteig") zum Ausgleichsbehälter am Hang
oberhalb des Werkes. Von hier aus trieb das Wasser Turbinen an, mit deren Hilfe aus Holzstämmen
der "Holzstoff" für die Papierherstellung gefert igt wurde (Vogel 1989).
Ein weiterer massiver Eingriff in den Landschaftshaushalt des Höllentals war die Errichtung der "Höllentalbahn". 1900 begonnen wurde dieses letzte Teilstück der Bahnlinie Hof-Saalfeld (bzw. Tri ptis)
am 14. August 1901 eingeweiht. Beim Bau fielen 100000 m³ Felsausbruch an. Drei Brücken überquerten die Selbitz, zwei Tunnel durchbohrten den Fels ("Kesselfelstunnel": 160 m, "Kanzelfe lsen":
35 m). Zwei Steinbrüche wurden in die Talflanken des Höllentals getrieben (Joisten 1987).
Am 11. April 1945 fuhr auf dieser Strecke der letzte Personenzug; der Güterverkehr wurde am 23.
Mai 1971 eingestellt. 1981/82 erfolgte der Abbruch der Gleisanlagen durch die Bundesbahn. Die
Tunneleingänge wurden vermauert (Joisten 1987).
Der kurze Abriß über einige markante Aspekte der Nutzungsgeschichte des Höllentals dokumentiert
die lange und intensive Beeinflussung des Gebietes durch den Menschen. Bergbau- und Hüttenwesen sowie die Köhlerei verschlangen große Holzmengen. Streuentnahme und Waldweide degradi erten die Waldböden und verhinderten die Naturverjüngung der Laubbä ume.
Das Höllental war zu Zeiten des Hammer- und Hüttenwesens und des Bergbaus sicher teilweise
entwaldet; die Wälder dürften viel lichter und oberholzärmer als heute gewesen sein; Weichhölzer Birke, Eberesche, Salweide, Hasel - bildeten wohl ausgedehnte Vorwälder. Photographien aus der
Zeit um die Jahrhundertwende und danach (z. B. in Vogel 1989) zeigen einerseits ausgedehnte kahle Felspartien als Folge von Abholzung bzw. Degradation durch Streurechen und Waldweide. Andererseits ist an anderen Stellen eine Aufforstung mit Fichten zu erkennen. Diese Bäume sind teilweise
noch heute zu lokalisieren. Allerdings sind die Bestände mit fortschreitendem Alter höher und dichter
geworden.
Die Trassierung der Höllentalbahn führte zur Veränderung der Felsbereiche. Der Wald, der ehedem
bis ans Selbitzufer reichte, mußte stellenweise dem Bahndamm weichen (Vogel 1989).
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Seit dem Abbruch der Gleisanlage findet im Bereich der Trasse eine Sukzession in Richtung auf
einen Edellaubholzwald statt.
Besonders gravierend war der Eingriff in den Wasserhaushalt der Selbitz durch den Einbau des
Stauwehrs im Jahre 1883. Zwischen diesem und dem Kraftwerk ist die Wassermenge im Flußbett
der Selbitz im Sommer nur m ehr sehr gering.
(b) Xerophile Silikat-Krustenflechten; wachsen meist vollbesonnt auf den Köpfen größerer Felsen
der Waldgrenzstandorte sowie auf bereits etwas konsolidierten Grobschutthalden, z. B.:
Acarospora fuscata
Candelariella vitellina
Huilia cinereoatra
Lecidia fuscoatra
Lecanora badia
Lecidia fuscoatra
Parmelia verruculifera
Rhizocarpon geographicum
Buellia sororia
Diploschistes scruposus
Lasallia pustulata
Lecanora atra
Lecanora intricata
Parmelia conspersa
Rhizocarpon distinctum
Umbilicaria hirsuta
Nach Wirth (1980) handelt es sich bei diesen Sippen um zerstreut vorkommende bis seltene Arten
insbesondere der Silikat-Mittelgebirge
Nach freundlicher Auskunft von Herrn Dr. Ludwig Meinunger (Steinach), einem der profiliertesten
Kryptogamenspezialisten Mitteleuropas, kann die Kryptogamenflora des Höllentals noch als ins gesamt recht artenreich eingestuft werden. Allerdings fehlen in einer für immissionsgeschädigte
Räume typischen Art und Weise auch im Höllental bestimmte epiphytische Flechten- und Moosarten. Vermißt werden zum Beispiel charakteristische rindenbewohnende Usnea-, Evernia- und
Ramalina-Arten, die in Reinluftgebieten an ähnlichen Standorten wachsen.
5. 4. Die Vegetation des Untersuchungsgebietes
Vorbemerkung
Die Vegetation des Höllentals wird zum größten Teil von Wald- und Forstgesellschaften gebildet.
Lediglich bei Hölle und schon am Ausgang des Engtals bei der Selbitzmühle (diese liegt knapp
südlich der Einmündung des "Lohbachs") werden die hier vorhandenen Auenbereiche von Grünland geprägt.
Eingebettet in die Gehölzbestände sind die Ruderalgesellschaften der Waldwegränder sowie ve rschiedene Vorwald- und Schlagstadien, insbesondere aber auch die floristisch reiche, z. T. offene
Xerothermvegetation der Waldgrenzstandorte um " Hirschsprung" und "König David".
Vegetationskundliche Untersuchungen sind aus dem Höllental nicht bekannt. Einzig Zeidler
(1953) analysierte für seinen Überblick über die "Waldgesellschaften des Frankenwaldes" einige
Waldbestände auf sonnenexponierten Blockschutthalden. Tietze (1983) gibt in einer unveröffent lichten Übersichtserfassung nordbayerischer NSGs auch einige Aufnahmen von Vegetationseinheiten der Xerothermstandorte im Höllental.
Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf der Auswertung von 110 vollständigen vegetationskundlichen Aufnahmen, die der Verfasser 1990-1992 im Höllental anfertigte.
Die Nomenklatur der Vegetationseinheiten folgt bei den Gehölzgesellschaften Oberdorfer (1992),
bei den übrigen Pflanzengesellschaften Oberdorfer (1990). Darüber hinaus wurde die vegetat ionskundliche Literatur über Thüringen und Sachsen herangezogen, da die Vegetationsverhältnis se im Höllental teilweise nur bei einem Vergleich mit dem angrenzenden mitteldeutschen Raum
verstanden werden können.
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5. 4. 1. Waldgesellschaften
(Tabelle 1)
Im folgenden werden die im Höllental anzutreffenden Waldgesellschaften in kurzer Form beschrieben. Der größte Teil der heute laubholzreichen Bestände dürfte erst seit Ende des 19.
Jahrh. im Zuge von Aufforstungsmaßnahmen begründet worden sein. Die ältesten Laubholz reichen Wälder haben ein geschätztes Alter von etwa 100-120 Jahren, viele sind aber auch jünger.
5. 4. 1. 1. Buchenwälder(Fagion sylvaticae )
In Übereinstimmung mit der submontan -montanenen Höhenstufe finden sich als zonale Waldvegetation der konsolidierten Böden außerhalb der Block- und Gleystandorte Buchenwälder, die in
Abhängigkeit vom Wasser- und Basenhaushalt des Standortes differenziert sind.
Die Buche dominiert in der meist einschichtigen Baumschicht. Sträucher fehlen bis auf den seltenen Nachwuchs der Buche (Wildverbiß!) in der Regel vollständig.
Auf basenärmeren Moder-Braunerden wächst auf Plateaustandorten sowie am Ober- und Mittelhang der Waldreitgras-Buchenwald (Luzulo-Fagenion, Tabelle 1, Spalte 10) mit Calamagrostis
arundinacea. Weitere stete, säureertragende Sippen sind Schlängelschmiele (Deschampsia flexuosa), Dornfarn (Dryopteris dilatata), Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) sowie die azidophytischen Moose Polytrichum formosum und Dicranum scoparium. Die in bodensauren Buchenwälder
sonst häufige Weiße Hainsimse (Luzula luzuloides) fehlt dem Höllentalgebiet.
Auf mäßig frischen, basenreichen Mull -Braunerden am Unterhang wächst selten der Waldmei ster-Buchenwald (Galio odorati-Fagetum, Tabelle 1, Spalte 5) mit zahlreichen anspruchsvollen
Sippen, wie Waldmeister (Galium odoratum), Goldnessel (Lamium galeobdolon ssp. galeobdolon), Bingelkraut (Mercurialis perennis) und Fuchsgreiskraut (Senecio fuchsii) in der Krautschicht.
Forstlich bedingt sind an seine Stelle z. T. Bergahorn-reiche Bestände getreten (z. B. Mulde am
Oberhang östlich des "König David").
5.4.1.2. Auenwälder (Alno-Ulmion, Salicion albae)
Im Bereich der Engtalstrecke begleitet ein schmaler Streifen Auenwald die Selbitz. An wenigen
Stellen, so vor allem am Fuße des "Hirschsprungs" reicht der Platz für etwas ausgedehntere
Waldbestände. Vegetationskundlich handelt es sich um den montanen HainsternmierenErlenwald (Stellario nemori -Alnetum glutinosae, Tabelle 1, Spalte 4), dem typischen Auenwaldtyp
des ost bayerischen Grundgebirges.
Die Baumschicht wird von Erle, Esche (ob gepflanzt?) und Bruchweiden (Salix fragilis, S. x rubens) beherrscht. In der Strauchschicht wachsen vor allem Schwarzer und Roter Holunder (Sambucus nigra, S. racemosa). Hainsternmiere (Stellaria nemorum ssp. nemorum), Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum), Hundsquecke (Elymus caninus), Giersch (Aegopodium podagraria), Klettenlabkraut (Galium aparine), Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum), Rohrglanzgras
(Phalaris arundinacea) und die Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata) sind charakteristische Arten
der artenreichen Krautschicht. Weitere anspruchsvolle, hygrophile Sippen, wie Mädesüß (Filipendula ulmaria), Brennessel (Urtica dioica), Waldziest (Stachys sylvatica), Großes Springkraut (Impatiens noli-tangere) und die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior) mischen sich mit basenbedürftigen, mehr mesophilen Arten, wie Goldnessel (Lamium galeobdolon ssp. galeobdolon, selten
ssp. montanum), Echte Nelkenwurz (Geum urbanum), Fuchsgreiskraut (Senecio fuchsii) und Lungenkraut (Pulmonaria obscura). Von den weiter verbreiteten Querco-Fagetea-Arten sind Buschwindröschen (Anemone nemorosa) und das Hainrispengras (Poa nemoralis) häufig.
Wie im übrigen Frankenwald bereichern die präalpinen Hochstauden Silberblatt (Lunaria rediviva),
Waldgeißbart (Aruncus dioicus) und Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegiifolium) die
Krautschicht des Stellario-Alnetum. Dazu tritt im Höllental die ostpräalpine Wiesenschaumkresse
(Cardamino psis halleri).
In der Selbitzaue erscheint der Hainsternmieren -Erlenwald in zwei Ausbildungen. Am Unterhang
und auf höhergelegenen Schotterinseln vermittelt der Bergahorn-reiche Erlenwald (Stellario Alnetum aceretosum pseudoplatani ) den Übergang zum Ahorn-Eschenwald (F raxino Aceretum )
des Unterhangs. Direkt am Fluß findet sich das hygrophilere Stellario Alnetum typicum.
-9-
Bruch- und Mandelweiden-Gebüsche (Salicetum fragilis, Salicetum triandrae, Tabelle 1, Spalte
3) säumen das Selbitzufer stellenweise dort, wo der Auenwald anthropogen entfernt wurde. Diese
Weichholzauenwälder lösen aber auch in der natürlichen Sukzession neuangelandeter Kiesinseln
Rohrglanzgrasrieder (Phalaridetum arundinaceae, Tabelle 1, Spalte 1) und Pestwurzfluren
(Phalarido -Petasitetum hybridi, Tabelle 1, Spalte 2) ab und leiten zum Sternmieren -Erlenwald
(Stell ario Alnetum ) über.
Kennzeichnende nitrophile Saumgesellschaft der Forstwegränder ist die Ruprechtsstorchenschnabelflur (Geranio-Epilobietum montani, Tabelle 3, Spalte 2), die an besonnten Stellen
vom thermophileren Waldwickensaum (Vicietum sylvatico-dumetorum, Tabelle 3, Spalte 1) abgelöst wird.
5.4.1.3. Edellaubholzwälder (Tilio Acerion)
An Steilhängen mit nicht konsolidierten Grobschuttstandorten sowie auf betont frischen, basenund nährstoffreichen Böden an den luftfeuchten Unterhängen und in Muldenlagen wachsen im
"Höllental" Edellaubholzwälder (Tilio-Acerion). Daneben sind solche Bestände vor allem an den
Oberhängen forstlich bedingt an Stelle natürlicher Waldmeister-Buchenwälder (Galio odorati Fagetum) getreten.
Die Baumartenkombination wird hier von Berg - und Spitzahorn, Esche, Bergulme sowie - an wärmebegünstigten Standorten - von Winterlinde und Traubeneiche gebildet. Die Buche tritt vor allem
auf Schuttböden mit instabiler Oberfläche von Natur aus zurück.
Grundfrische Hangrinnen, Hangmulden und Hangfußlagen mit Feinerdeakkumulation und Bloc k schuttböden weisen den Ahorn-Eschenwald (Fraxino-Aceretum, Tabelle 1, Spalte 6) auf. Dessen
Strauchschicht wird von Stachelbeere (Ribes uva-crispa), Alpenjohannisbeere (Ribes alpinum)
sowie von Roter und Schwarzer Heckenkirsche (Lonicera xylosteum, Lonicera nigra) geprägt. In
der artenreichen Krautschicht finden sich anspruchsvolle, frischebedürftige Sippen, wie Bingelkraut (Mercurialis perennis), Waldmeister (Galium odoratum), Goldnessel (Lamium galeobdolon ssp. galeobdolon), Fuchsgreiskraut (Senecio fuchsii), Wurmfarn (Dryopteris filix-mas),
Waldtrespe (Bromus ramosus ssp. benekenii) und Christophskraut (Actaea spicata). Diese Wälder sind z. T. in ihrer Baumartenkombination stark durch ehemalige Niederwaldnutzung verändert,
haselreiche Stadien herrschen mancherorts vor (siehe 5. 4. 2. 4.).
Die schon etwas konsolidierteren Diabas -Schuttkegel unterhalb der Felsen bewächst ein thermo azidophiler Traubeneichen-Spitzahorn-Winterlindenwald (Querco petraeae-Tilietum, Tabelle 1,
Spalten 7 und 8). Eine große Rolle spielen hier in der Krautschicht Azidophyten, wie Schlängelschmiele (Deschampsia flexuosa), Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) sowi e die bodensäureertragenden Moose Dicranum scoparium und Polytrichum formosum; daneben sind auch die wärmebedürftigen Arten Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), Pfirsichblättrige Glockenblume
(Campanula persicifolia), Salomonssiegel (Polygonatum odoratum), Waldlabkraut (Galium sylvaticum), Nickendes Perlgras (Melica nutans) und Maiglöckchen (Convallaria majalis) sehr bezeichnend.
Von einer typischen-Ausbildung des Querco petraeae -Tilietum auf Blockböden (Tabelle 1, Spalte
7) läßt sich eine Traubeneichen-Fazies (Tabelle 1, Spalte 8) auf Felsstandorten abtrennen, die
viel Blutroten Hartriegel (Cornus sanguinea) in der Strauchschicht enthält.
5. 4. 2. Die Vegetation der Waldgrenzstandorte
(Tabellen 1, 2 und 3)
Im Bereich der Felsen am Sonnenhang kommt es zur natürlichen Auflockerung des Waldes. Bei
Westexposition geht der Waldreitgras -Buchenwald (Luzulo-Fagenion) aber noch bis an die Felsen
heran und dringt in den Hangrunsen weit nach unten vor. Besonders naturnah sind die Vorkommen am Osthang in der Talmitte unterhalb der Schutzhütte. Am stark felsigen Südhang des zent ralen Xerothermkomplexes um "Hirschsprung" und "König David" bestehen aber echte Waldgrenzstandorte mit mehreren an Reliktarten reichen Pflanzengesellschaften.
Am Plateaurand wächst im Waldreitgras-Buchenwald (Luzulo-Fagenion) viel Preiselbeere (Vac cinium vitis-idaea), aber auch die thermophilen Sippen Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria) und Blasses Habichtskraut (Hieracium schmidtii). Die Buche geht hier aber nicht sehr weit in
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den warm-trockenen Hangkantenbereich; sie zeigt hier teilweise schon die für ihre physiologischen Grenzstandorte typische zwergige Wuchsforrn (Knapp 1979/80). Das hierfür entscheidende
Absterben einzelner Kronenbereiche wurde im trockenen Sommer 1992 bei Buc he und Traubeneiche mehrfach beobachtet.
5.4.2.1. Geißklee-Traubeneichenwald (Genisto-Quercetum petraeae cytisetosum nigricantis )
(Tabelle 1, Spalte 9)
Der felsig-flachgründige, südexponierte Xerothermhang um "Hirschsprung" und "König David"
wird lokalklimatisch durch warme Hangaufwinde geprägt, die sich schon im zeitigen Frühjahr fühlbar bemerkbar machen. Hier findet sich auf und zwischen den Felsen kleinflächig ein subx erothermer Geißklee-Traubeneichenwald (Genisto-Quercetum petraeae cytisetosum nigricantis ).
In dessen Krautschicht wachsen neben den Azidophyten Schlängelschmiele (Deschampsia flex uosa), Polytrichum formosum und Dicranum scoparium auch die thermophilen Si ppen.
Schwarzwerdender Geißklee (Cytisus nigricans), Pfingstnelke (Dianthus gratia nopolitanus) und
Salomonssiegel (Polygonatum odoratum). Im Traufbereich der Eichen reichern sich Vincetoxicum,
Cytisus nigricans und Polygonatum odoratum saumartig an.
An der exponierten Felsnase am "Hirschsprung" deuten einzelne krüppelige Waldkiefern, unter
denen die Besenheide (Calluna vulgaris) in größeren Herden wächst, den WeißmoosKiefernwald (Leucobryo-Pinetum ) flachgründig-trockener, bodensaurer Standorte an.
5.4.2.2. Felsrasen-, Felsgrus- und Felsspaltengesellschaften
(Festucion pallescentis, Alysso-Sedion albi, Androsacion vandellii )
(Tabelle 3)
Auf den Plateaus und Absätzen der Steilfelsen dominiert eine Pfingstnelken-SchafschwingelGesellschaft (Hieracio-Dianthetum gratianopolitani, Tabelle 3, Spalte 6) mit Blassem Habicht s kraut (Hieracium schmidtii) (vgl. Schubert 1974) und Schafschwingel (Festuca guestfalica). Nach
Knapp (1979/80) handelt es sich beim Hieracio-Dianthetum um die typische Felsrasengesellschaft
der wärmebegünstigten Durchbruchstäler im hercynischen Mittelgebirgsraum.
Charakteristisch ist das Erscheinen der azidophytischen Schlängelschmiele (Deschampsia flex uosa), aber auch der Kryptogamenreichtum. Von den Flechten seien Cladonia pleurota, Cladonia
floerkeana und Cladonia arbuscula genannt; weiterhin sind die Moose Dicranum scoparium und
Pleurozium schreberi sehr kennzeichnend. Häufig dringt aus den benachbarten Felsspaltenfluren
der Nördliche Streifenfarn (Asplenium septentrionale) in die Bestände ein.
Die Standorte dieses lückigen Felsrasens weisen extreme Bedingungen auf. Flachgründigkeit, die
geringmächtige Feinerdeschicht und Südexpositionen führen im Sommer zeitweise zur starken
Anspannung des Wasserhaushaltes der höheren Pflanzen. Das erklärt die Artenarmut an Blütenpflanzen, aber auch den Flechtenreichtum der Gesellsc haft.
Die Pfingstnelke vermag noch im Halbschatten eines Busches oder Baumes zu gedeihen; sie bildet hier langgestreckte, am Felsen herabhängende Polster. Unter den heutigen Klimabedingungen stellt diese ausläuferartige Wuchsform anscheinend die bevorzugt e Art der Vermehrung der
reliktischen Sippe dar.
Im Bereich von Feinerdetaschen auf den Felsköpfen siedeln charakteristische Mauerpfefferfl uren (Sedum acrereflexum-Gesellschaft, Tabelle 3, Spalte 7). Kennzeichnend sind mehrere sukkulente Fetthennen, wie Sedum acre, S. reflexum und S. maximum, das Flache Rispengras (Poa
compressa) sowie das therophytische Sandkraut (Arenaria serpyllifolia). Weiterhin weisen Krypt ogamen, wie Cladonia rangiferina, Rhacomitrium canescens und Homalothecium lutescens, auf
den offenen, trocken-heißen Extremstandort hin.
Als weitere Komponente des Waldgrenzstandortes finden wir in Felsspalten die Gesellschaft des
Nördlichen Streifenfarns (Woodsio -Asplenietum septentrionalis, Tabelle 3, Spalte 8) mit Nördlichem und Braunstieligem Streifenfarn (Asplenium septentrionale, A. trichomanes) sowie Blassem
Habichtskraut (Hieracium schmidtii). In dieser Gesellschaft fand Vollrath (1955/57) auch den ark tisch-alpinen Südlichen Wimpernfarn (Woodsia ilvensis).
- 11 -
In ± beschatteten Diabasfelsspalten innerhalb luftfeuchter Felsnischen wurzeln die Charakterarten
der Blasenfarngesellschaft (Asplenio-Cystopteridetum, Tabelle 3, Spalte 9). Hier wachsen neben dem Zerbrechlichen Blasenfarn (Cystopteris fragilis) und dem Braunstieligen Streifenfarn
(Asplenium trichomanes) weitere hygrophile Sippen, wie Ruprechtsstorchenschnabel (Geranium
robert ianum) und der Wurmfarn (Dryopteris filix -mas).
Die von höherer Vegetation freien Stirnflächen der Felsen besiedelt die Gesellschaft der Behaarten Nabelflechte (Umbilicarietum hirsutae) als Pionier.
5.5.2.3. Gebüschgesellschaften (Berberidion)
(Tabelle 2)
In größeren Felsspalten wächst das nach Knapp (1979/80) für subkontinentale Durchbruchstäler
im hercynischen Mittelgebirgsraum charakteristische Geißklee-Zwergmispelgebüsch (Lembotropido-Cotoneastretum, Tabelle 2, Spalte 5). Die seltene, südöstlich verbreitete Zwergmispel
(Cotoneaster integerrimus) bildet zusammen mit dem Schwarzwerdenden Geißklee (Cytisus =
Lembotropis nigricans) dichte Gebüsche. Die Bestände ohne Cotoneaster werden einer Cytisus
nigri cans-Gesellschaft (Tabelle 2, Spalte 4) zugeordnet.
Bestimmendes Element des zentralen Xerothermkomplexes um "Hirschsprung" und "König David"
sind neben den großen Felspartien insbesondere auch die überwiegend noc h aktiven Diabas Schutthalden.
Wie weiter oben geschildert, besiedelt der Traubeneichen -Spitzahorn -Winterlindenwald (Q uerco
petraeae-Tilietum ) konsolidierte Diabas -Geröllfluren unterhalb der Felsen. Als natürlicher Mantel
vermittelt randlich gegen die freie Halde ein Kreuzdorn-Hartriegelgebüsch (Rhamno-Cornetum,
Tabelle 2, Spalte 6).
Neben Kreuzdorn (Rhamnus catharticus) und Hartriegel (Cornus sanguinea) bauen Schlehe (Prunus spinosa), Hasel (Corylus avellana), Stachelbeere (Ribes uva -crispa), Rote Heckenkirsche
(Lonicera xylosteum) sowie Rosen (Rosa canina, R. caesia) die Gehölzschicht der Gesellschaft
auf.
In der Krautschicht weisen Bingelkraut (Mercurialis perennis), Heckenknöterich (Polygonum dumetorum) und Ruprechtsstorchenschnabel (Geranium robertia num) auf die günstige Wasser- und
Basenversorgung der Schuttböden hin. Die Wärmebegünstigung der südexponierten Standorte
zeigt sich in den thermophilen Arten Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), Großblütiger
Fingerhut (Digitalis grandiflora), Waldpl atterbse (Lathyrus sylvestris) und Dost (Origanum vulgare).
5.4.2.4. Haselgebüsche
(Tabelle 2)
und
Birken-Ebereschen-Wälder
(Tilio-Acerion,
Dicrano-Pinion )
Haselgebüsche mit Eberesche und Schwarzer Heckenkirsche als Ersatzgesellschaften von TilioAcerion-Wäldern bedecken vor allem nördlich und westlich des "Hirschsprungs" größere Flächen
am Ober- und Mittelhang. Der Unterwuchs gleicht weitgehend dem der häufig benachbarten
Edellaubholzwälder. Entstanden sind die meisten Bestände sicher als Waldregenerationsstadien
nach der Abholzung der hier vorher bestehenden Wälder. Das Höllental war lange Zeit Bergbaugebiet; der Holzbedarf hierfür, aber auch für Hüttenwesen, Köhlerei und Flößerei war somit sicher
erheblich (siehe 4. 7.!).
Vegetationskundlich lassen sich die haselreichen Ausbildungen als Galium sylvaticum-Corylus
avellana -Gesellschaft (Tabelle 2, Spalte 7) nach Oberdorfer (1992) einem Clematido vitalbaeCorylenion avellanae-Unterverband innerhalb des Tilio-Acerion anschließen.
Weitaus azidophiler, aber auch langlebiger sind die Karpatenbirken-Ebereschen-Blockwälder
(Tabelle 2, Spalte 2) der ± konsolidierten Blockschutthalden, die am Fuße mancher Diabasfelsen,
seltener auch als Bewuchs auf Felsköpfen auftreten. Wie weiter oben geschildert, handelt es sich
um extreme Standorte: Feinerdearmut und Kaltluftfluß führen zu ausgeprägt bodensauer -kühlen
Standortsbedingungen. Der Blockschutt ist von saurem Rohhumus überzogen, der für azidophile
Moose, wie Dicranum scoparium, Dicranum polysetum, Polytrichum formosum, Hypnum cupressiforme, Ptilium ciliare, Rhytidiadelphus loreus sowie für Flechten, wie Cladonia arbuscula und rangiferina, ideale Wachstumsbedingungen bietet. Daneben finden sich Heidelbeere (Vaccinium myr- 12 -
tillus), Schlängelschmiele (Deschampsia fl exuosa) und die beiden Dornfarne (Dryopteris carthusiana, D. dilatata).
Die in unterschiedlichem Maße an der Gehölzschicht beteiligte Birke zeigt Merkmale der Karpatenbirke (Betula pubescens ssp. carpatica), die für saure Blockschutthalden höherer Mittelg ebirge
(z. B. Harz, Rhön, Fichtelgebirge, vgl. Reif 1989) kennzeichnend ist. Möglicherweise handelt es
sich aber auch um einen Bastard Betula carpatica x pendula. Mit der Eberesche und der (subspontanen?) Fichte sowie einigen charakteristischen borealen Kryptogamenarten (Rhytidiadelphus loreus, Ptilidium ciliare, Dicranum polysetum, Cladonia arbuscula u. a.) lassen sich die
Bestände dem Karpatenbirken-Ebereschen -Blockwald (Betulo carpaticae -Sorbetum aucupariae)
anschließen, den Lohmeyer & Bohn (1972) aus der Rhön belegen. Es verdient hervorgehoben zu
werden, daß die Gesellschaft im Höllental in ungewöhnlich niedriger Meereshöhe (420-550 m ü.
NN) auftritt.
Diese von Seibert (in Oberdorfer 1992) zum Dicrano-Pinion gestellte Gesellschaft besitzt einen
ausgeprägt borealen Charakter. Der Karpatenbirken-Ebereschen -Blockwald ist im USG auf den
subfossilen, z. T. aber auch noch in Bildung und Bewegung befindlichen Blockhalden als langlebige Pionier- bis Dauergesellschaft einzustufen und zählt somit zum naturnahen Vegetationskomplex der Engtalstrecken von Selbitz und der benachbarten Saale.
5.4.2.5.
Saum- und Lichtungsgesellschaften (Origanetalia, Epilobietalia)
(Tabelle 3)
Die Schwalbenwurz -Geröllflur (Vincetoxietum hirundinariae, Tabelle 3, Spalte 4) besiedelt als
Pioniergesellschaft die schon etwas konsolidierten, sonnenexponierten Grobschutthalden im Bereich des zentralen Xerothermkomplexes. Die namengebende und meist dominierende Schwalbenwurz ist als Schuttkriecher in der Lage, mit ihrem ausgedehnten Wurzelw erk den Schutt fest zulegen. Stete Begleiter sind die thermophilen Saumarten Dost (Origanum vulgare), Wirbeldost
(Calamintha clinopodium) und die Waldplatterbse (Lathyrus sylvestris). Daneben sind Großblüt iger Fingerhut (Digitalis grandiflora) und Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia)
fast immer eingestreut. Etwas seltener erscheinen Salomonssiegel (Polygonatum odoratum),
Schafschwingel (Festuca guestfalica) und Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus).
Auf noch aktiven Grobschutthalden besitzt das zu den xerothermen Säumen (Geranion sanguinei )
zählende Vincetoxietum den Charakter einer langlebigen Pionier- bis Dauergesellschaft.
Selten wächst auf besonnten Felsen im Trauf des Geißklee -Traubeneichenwaldes eine weitere
Geranion-Gesellschaft, der für warme Grundgebirgsstandorte charakteristische Habichtskraut Pechnelkensaum (Hieracium pilosella-Viscaria vulgaris -Gesellschaft, cf. Teucrio-Polygonatetum
odorati, Tabelle 3, Spalte 3).
Am etwas beschatteten Haldenfuß wächst auf gröberem Schutt die nordische Rhacomitrium lanuginosum -Moosheide (Rhacomitrietum lanuginosi).
Nach anthropogener (Schlag) oder natürlicher - das Vertrocknen einzelner Traubeneichen und
Buchen wurde 1991/92 mehrfach beobachtet - Auflichtung des Geißklee-Traubeneichenwaldes
(Genisto-Quercetum cytisetosum ) entwickelt sich auf anstehendem Felsenboden die Gesell schaft des Großblütigen Fingerhutes (Calamagrostio-Digitalietum grandiflorae, Tabelle 3, Spalte 5), in der auch das Waldreitgras dominiert. Diese für kontinental getönte Gebiete kennzeichnende Lichtungsgesellschaft enthält als weitere thermophile Sippen Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia), Pimpernelle (Pimpinella saxifraga), Leinkraut (Linaria vulg aris) und
Weißes Labkraut (Galium album).
5. 4. 3. Wertung der Vegetation
5.4.3.1. Waldvegetation
Die Gehölzbestände im Höllentat stellen überwiegend Aufforstungs - und Regenerationsbestände
nach der Walddevastation der letzten Jahrhunderte dar. Die Waldgesellschaften des Höllentals
umfassen heute in naturnahen Beständen fast sämtliche Waldtypen, die im Naturraum Frankenwald überhaupt vorkommen.
- 13 -
Die Buchenwälder der konsolidierten Böden sind durch den naturraumtypischen Waldreitgras Buchenwald (Luzulo-Fagenion) sowie den anspruchsvollen Waldmeister-Buc henwald (Galio odorati-Fagetum) repräsentiert. Insbesondere ist hier auch auf die naturnah ausgebildeten, edaphisch
bedingten Übergangsbereiche zwischen beiden Buchenwaldgesellschaften sowie zwischen diesen und den Edellaubholzwäldern hinzuweisen. Am Ostha ng in den Hangrunsen sowie am Oberhang des "König David" findet der Waldreitgras -Buchenwald eine natürliche Grenze mit der hierfür
typischen zwergigen Wuchsform der Buche, die dem Verfasser aus dem nordostbayerischen
Grundgebirge bislang nur vom Höllental bekannt ist.
Hygrophile Edellaubholzwälder bodenfrisch-luftfeuchter Standorte (F raxino-Aceretum) bedecken
auf weiten Strecken die Unterhänge beiderseits des Selbitzgrundes, z. T. auch die Hangmulden
und -rinnen.
Besonders hervorzuheben sind die Traubeneichen-Spitzahorn-Winterlindenwälder (Querco
petraeae-Tilietum ) auf bodensauer-warmen Blockschutt - und Felsböden. Es dürfte sich bei diesem in Nordbayern insgesamt seltenen Waldtyp im Höllental um die flächenmäßig größten Vorkommen im Frankenwald handeln. Ähnliche Bestände sind erst wieder in der Rhön und im Oberpfälzischen Hügelland auf Basaltblockschutt häufiger zu finden.
Eine Besonderheit stellt aus vegetationskundlicher Sicht auch der Nachweis des montanen Karpatenbirken-Ebereschen -Blockwaldes (Betulo carpaticae-Sorbetum aucupariae) dar, der in anderen Mittelgebirgen (Harz, Rhön, Fichtelgebirge) erst in größerer Meereshöhe auftritt. Es handelt
sich nicht um eine anthropogene Ersatz -, sondern um eine natürliche langlebige Pionier- bis Dauergesellschaft auf feinerdearmen, extrem sauer-kalten Block- und Felsböden.
Der Geißklee-Traubeneichenwald (Genisto-Quercetum cytisetosum ) der trocken-flachgründigen
Felsstandorte dürfte in Nordostbayern real nur noch im Höllental vorkommen. Er stellt mit seinem
halblicht en Unterstand das Erhaltungszentrum zahlreicher seltener, heliophiler Sippen seit dem
frühen Postglazial dar. Ähnlich sind auch die Fragmente des in natürlichen Beständen im nordbayerischen Raum extrem seltenen Calluna-reichen Weißmoos -Kiefernwaldes (Leucobryo Pinetum) zu bewerten.
5.4.3.2. Xerothermvegetation
Die Xerothermvegetation des Höllentals einschließlich der wärmeliebenden Wald- und Gebüschgesellschaften läßt sich als Einstrahlung des Vegetationskomplexes "Hercynischer Waldgrenz standorte" des oberen Saaletals nach Bayern hinein verstehen. Es handelt sich im Höllental um
das einzige großflächige Vorkommen in Nordostbayern!
H. D. Knapp (1979/80) analysierte in einer floristisch-vegetationskundlichen Untersuchung in den
hercynischen Mittelgebirgen natürliche Auflockerungsformen der zonalen Waldvegetation. Diese
Erscheinung wird nur in Flußtälern mit großer Reliefenergie und Abtragungsaktivität beobachtet.
Hier konnten konkurrenzschwache, lichtbedürftige Pflanzensippen seit dem Spätglazial wachsen,
da ihnen geeignete offene und gehölzarme Standorte dauernd oder immer wieder zur Verfügung
standen.
Die von diesen Reliktarten aufgebauten Vegetationstypen treten uns im Höllental in Form der
oben beschriebenen thermophilen Wald -, Gebüsch- und Saumgesellschaften entgegen. Dazu
sind weiterhin die Felsrasen-, Felsgrus und die Felsspaltenvereine sowie die Vegetation der
Block- und Grobschutthalden zu rechnen.
Die besondere Bedeutung solcher reliktischer Vegetationseinheiten liegt einmal in ihrer Notwendigkeit als Lebensraum für seltene und gefährdete Pflanzensippen, insbesondere aber in der Tat sache begründet, daß es sich bei ihnen um heute sehr seltene Reste vom Menschen wenig
berührter Natur handelt!
5.4.3.3. Rote Liste der Pflanzengesellschaften
Walentowski et al. (1991) haben eine "Vorläufige Rote Liste der in Bayern nachgewiesenen oder
zu erwartenden Pflanzengesellschaften" vorgelegt, nach der die im Höllental gefundenen Veget ationseinheiten eingestuft werden sollen. Die Gefährdungsstufen entsprechen denen der "Roten
Liste der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns" (Schönfelder 1986).
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Wälder und Gebüsche:
Birken-Ebereschen-Sauerhumuswald (Betulo-Sorbetum aucupariae)
Hainsternmieren-Erlenwald (Stellario nemori -Alnetum)
Mandelweiden -Ufergebüsch (Salicetum triandrae)
Bruchweiden-Auenwald (Salicetum fragilis)
Hainsimsen -Buchenwälder (Luzulo -Fagenion)
Bodensaurer Traubeneichen-Trockenwald (Genisto-Quercetum)
Weißmoos -Kiefernwald (Leucobryo-Pinetum)
Bergahorn-Eschenwald (Fraxino-Aceretum)
Ahorn-Linden -Hangschuttwald (Querco-Tilietum)
Waldmeister-Buchenwald (Galio odorati -Fagetum)
Kreuzdorn-Hartriegelgebüsch (Rhamno Cornetum sanguinei)
4
3
3
3
3
4
2
2
3
3
3
Weitere Pflanzengesellschaften:
Streifenfarn-Gesellschaft (Asplenietum septentrionalis)
Preiselbeer-Heidekrautheide (Vaccinio Callunetum)
Pechnelken -Salomonssiegel -Saum (Teucrio Polygonatetum odorati)
Waldwickensaum (Vicietum sylvatico dumetorum)
4
2
2
3
Die Bedeutung des Höllentals als Erhaltungsraum für diese seltenen Pflanzengesellschaften bedarf keines weiteren Kommentars.
5.5. Gesamtbewertung des "Höllentals" aus floristisch -vegetationskundlicher Sicht
Die oben ausgeführte Bewertung von Flora und Vegetation des Höllental stellt deutlich die Besonderheit und Einmaligkeit des Gebietes innerhalb der nordostbayerischen Grundgebirgslandschaft heraus.
Das Höllental beherbergt mehrere Sippen Farn- und Blütenpflanzen, aber auch Kryptogamen, die
in Nordbayern nur wenige Vorkommen besitzen. Hieracium schmidtii Hieracium saxifragum,
Asplenium x alternifolium, die Moose Amphidium mougeodi und Brachythecium oxycladum sowie
mehrere Flechtenarten sind Beispiele hierfür.
Die im Höllental vorkommenden Dianthus gratianopolitanus, Festuca pallens, Vicia pisiformis,
Spergula morisonii und Cotoneaster integerrimus, die in anderen Teilen Nordbayerns weiter verbreitet sind, haben insgesamt nur wenige Fundorte im Grundgebirge.
Zahlreichen thermophilen, in wärmeren Naturräumen Nordbayerns häufigeren Sippen submediterraner bis subkontinentaler Verbreitung bietet das Höllental mit seinem trockenwarm getönten Lokalklima und seinen basenreichen Böden geeignete Wuchsbedingungen. Hierzu gehören u. a. Polygonatum odoratum, Viscaria vulgaris, Origanum vulgare, Calamintha clinopodium, Lathyrus sylvestris, Vicia sylvatica, Campanula persicifolia und Juniperus communis.
Typisch für warme Lagen der Silikat -Mittelgebirge sind die im Höllental verbreiteten Arten Epilobium collinum, Asplenium septentrionale, Cytisus nigricans (hier an seiner lokalen Westgrenze!)
und Digitalis grandiflora.
Kennzeichnende präalpine Sippen der Mittelgebirge sind mit Thalictrum aquilegiifolium, Aruncus
dioicus, Aconitum vulparia, Lunaria rediva, Cardaminopsis halleri sowie einer großen Zahl kennzeichnender montaner Moose und Flechten in den hygrophilen Laubwäldern der Talunterhänge
und des Selbitzgrundes gut vertreten.
Die Waldvegetation der Steilhänge und der Selbitzaue ist auf größeren Flächen sehr naturnah zusammengesetzt. Der zonale bodensaure Buchenwald der Hochfläche, hier als naturraumtypischer
Calamagrostis arundinacea -Buchenwald ausgebildet, erreicht am Oberhang des "König David",
lokal aber auch am Osthang seine natürliche Wuchsgrenze. Hier besitzt die Buche die für ihren
physiologischen Randbereich typische zwergige Wuchsform. Diese Erscheinung war bisher in
Nordbayern lediglich vom Blaugras -Buchengrenzwald (S eslerio-Fagetum ) an den Dolomitfelsen
der Frankenalb bekannt.
Als Besonderheit müssen die natürlichen Übergangsausbildungen zwischen den einzelnen Waldgesellschaften hervorgehoben werden. So wird der Calamagrostis arundinacea-Buchenwald am
- 15 -
Sonnenhang auf trocken-flachgründigem Felsuntergrund vom Geißklee-Traubeneichenwald abgelöst. Unterhalb der Felsausbisse ist auf Diabasschutt der Traubeneichen-Spitzahorn Winterlindenwald entwickelt, der schließlich am Unterhang in hygrophile Edellaubholzwälder
übergeht.
Die Xerothermvegetation um "König David" und "Hirschsprung" stellt mit ihren Felsrasen, Mauerpfeffer- und Felsspaltenfluren, thermophilen Lichtungs -, Saum-, und Mantelgesellschaften sowi e
der nordischen Rhacomitrium -Moosheide einen seltenen Rest mitteleuropäischer Naturlandschaft
dar.
Der Sternmieren-Auenwald der Selbitzaue begleitet den Fluß im gesamten Höllental. Vegetations typen natürlicher Flußerosionformen, wie die Rohrglanzgrasrieder, Pestwurzfluren und Weidengebüsche der Kiesinseln, sind hierin regelmäßig eingestreut.
Bemerkenswert ist die Entwicklung des Bahndammes verlaufen. Nach der Nutzungsauflassung 1981 wurden die Gleise von der Bundesbahn entfernt - hat sich die Sukzession in Richtung Edellaubholzwald entwickelt. Bedingt durch das günstige, warm-feuchte Mikroklima erreichen hier
thermophile (Origanum vulgare, Campanula persicifolia, Vicia sylvatica), aber auch hygrophile
Sippen (z. B. Aruncus dioicus) hohe Individuendichten.
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