Schulsport in Luxemburg - Eine Stellungnahme zum Artikel
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Schulsport in Luxemburg - Eine Stellungnahme zum Artikel
Association des Professeurs d’Education Physique a.s.b.l. Schulsport in Luxemburg - Eine Stellungnahme zum Artikel "Der Sinn des Sports ist Spaß" LW vom 16.03.2012 Der am 16.03. im Luxemburger Wort erschienene Artikel dokumentiert den Vortrag von Gerd STÖCKLE, Schulleiter und Lehrer an der Montessorischule Starnberg, anlässlich des 16. Symposiums für Verantwortliche der Freizeitaktivitäten in den Gemeinden. Die im Beitrag aufgegriffenen Aussagen und Argumentationen entbehren jeglicher Grundlage und diskreditieren den Schulsport und die Arbeit der Sportlehrer in Luxemburg. An der eigentlichen Zielgruppe der Veranstaltung vorbei werden nebst nichtssagenden Plattitüden, wie Schüler müssten positive Erfahrungen machen, sowie unqualifizierten und unbegründeten Aussagen, Kritiken und Belehrungen an die Adresse Luxemburger Sportlehrer gerichtet, welche auf der irrigen Annahme beruhen, Schulsport würde sich einzig und allein am leistungsorientierten Vereinssport ausrichten und Schüler letztlich auf ihr sportmotorisches Leistungsvermögen reduzieren. Bereits die Leitidee "Der Sinn des Sports ist Spaß" lässt erahnen, dass es dem Redner nicht nur an Einblick in die gegenwärtige unterrichtliche Praxis an unseren Schulen mangelt, sondern darüber hinaus fachdidaktische Erkenntnisse außen vor bleiben. Seit etwa zwanzig Jahren herrscht in der Fachdidaktik Einigkeit, dass man Schulsport nicht auf eine reine Spaßvermittlung reduzieren darf um dem pädagogischen Anspruch des Faches gerecht werden zu können.1 Dies schließt den Spaß allerdings nicht aus und kaum ein Lehrer wird wohl mit der Absicht unterrichten, dass es den Schülern möglichst keinen Spaß machen sollte. Spaß – oder besser nach Meinhart VOLKAMER2 "intrinsische Motivation" – stellt die Grundlage erfolgreicher Bildungs- und Erziehungsprozesse. Oder anders formuliert: Erziehung bedingt, dass Schüler ihre Tätigkeit als sinnvoll erleben. Schulsport in Luxemburg ist vielfältig, mehrperspektivisch und schülerzentriert. Schüler werden in Anlehnung an die gültigen Lehrpläne nicht als Objekt einer reinen Sachvermittlung gesehen, wie dies von Herrn Stöckle suggeriert wird, sondern der subjektive Erfahrungsgewinn steht bei der Entwicklung von Bewegungskönnen eindeutig im Vordergrund. Ihnen wird somit ein individueller Zugang zu Bewegung, Spiel und Sport gewährt. Die aufgegriffenen Themen orientieren sich hierbei, wenngleich nicht ausschließlich, an den gängigen Vereinssportarten und Sporttrends unserer Gesellschaft um den Lebensweltbezug zu wahren und ein außerschulisches und lebenslanges Sporttreiben zu begünstigen. "Wird zu viel Leistung gefordert, verlieren die Kinder den Spaß am Sport." Sportlehrer stellen Leistungsanforderungen an ihre Schüler und das ist auch gut so. Allerdings hat dies wenig mit Höchstleistungen wie sie im Vereinssport angepeilt werden zu tun, sondern im Zuge kompetenzorientierten Unterrichts lassen sich diese Leistungen zusehends an einer individuellen Bezugsnorm festmachen. Somit tritt die Frage nach dem Lernprozess, bzw. dem Fortschritt des einzelnen Schülers in den Vordergrund. Dass der Referent die Unterrichtspraxis verkennt, zeigt die Aussage, die Rolle des Lehrers müsse sich dahingehend verändern, dass er dafür Sorge zu tragen hat, dass jedes Kind auf seine Art und Weise Freude an Bewegung und Sport haben kann. Genau dies ist die Ausrichtung, sowohl des auf Subjektorientierung ausgelegten Sportunterrichts, als auch unseres außerunterrichtlichen Schulsports. u.a.: Balz, E. (1994). Warum "Spaß" nicht als Leitidee für den Schulsport taugt. In sportunterricht 43 (11), 468-471. 2 VOLKAMER, M. (2003). Sportpädagogisches Kaleidoskop. Hamburg: Czwalina. 1 Association des Professeurs d’Education Physique a.s.b.l. ■ 1, op der Haard ■ L-6917 Roodt/Syre Zu den im Beitrag thematisierten Schülerdemonstrationen sollte hier angemerkt werden, dass der qualifizierte Sportlehrer sich des Vorführeffekts durchaus im Klaren ist, Vor- und Nachteile einzuschätzen weiß und diese gezielt und reflektiert einzusetzen vermag. Sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Schulsport in Luxemburg seinen erzieherischen Auftrag im Kontext der Schule einzulösen versucht und die von Herrn STÖCKLE geforderte Zielsetzung "dass die Kinder die Sportstunde zufrieden verlassen" eine inakzeptable Reduzierung des pädagogischen Anspruchs des Faches darstellen würde. Die Sportlehrer in Luxemburg sind ambitionierte und engagierte Pädagogen. Im Vergleich zu allen anderen Lehrern zeigen sie bei weitem die größte Beteiligung an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, sind in den einzelnen Schulen in diversen Projekten engagiert, organisieren Landschulaufenthalte (Classes de neige/nature) und sind im außerunterrichtlichen Schulbetrieb stark eingebunden. Bereits ein Jahr vor Einführung des outputorientierten Lehrplans im Jahre 2009 ergab eine Studie, dass sich zu dem Zeitpunkt schon 93 % der Sportlehrer mit dem neuen innovativen Lehrplan auseinandergesetzt hatten.3 Es sind genau diese Fehldarstellungen und Vorurteile, wie sie hier von Herrn STÖCKLE vorgetragen wurden, welche unbegründet ein Negativimage der Sportlehrer zeichnen. Obgleich unsere Sportlehrer zurzeit nach dem innovativsten Lehrplan in Europa arbeiten4, wird das Bemühen einen pädagogisch akzentuierten und qualitativ hochwertigen Unterricht zu gewährleisten mit Blick auf die Stundentafel nicht gewürdigt. Während das Europäische Parlament 180 Minuten pro Woche fordert, gibt es, einer Studie der EUPEA5 zufolge, in Europa nur 3 Länder, welche in den letzten drei Schuljahren (3e, 2e, 1re) nur eine einzige Unterrichtseinheit Sport- und Bewegungserziehung – nicht täglich sondern wöchentlich – vorschreiben. Vorträge wie die von Herrn STÖCKLE zeigen, dass noch ein weiter Weg zurückzulegen ist und viel Überzeugungsarbeit zu leisten bleibt, bis der Schulsport den Stellenwert und Umfang erhält den er benötigt um den Ansprüchen gerecht zu werden die die heutige Gesellschaft an ihn stellt. Claude Schumacher Association des Professeurs d'Éducation Physique STIBBE, G. (Hrsg.) (2011). Standards, Kompetenzen und Lehrpläne. Schorndorf: Hofmann. "Ihre neuen Lehrpläne sind sehr ambitioniert. Man könnte sogar sagen: Mit ihnen haben Sie sich an die Spitze der curricularen Entwicklung gesetzt!" Dietrich KURZ (28.04.2010). Der gesamte Vortrag sowie der gültige Lehrplan finden sich unter http://w3.restena.lu/apep. 5 European Physical Education Association 3 4 Association des Professeurs d’Education Physique a.s.b.l. ■ 1, op der Haard ■ L-6917 Roodt/Syre