TApen der Finger - SozialStiftung Bamberg

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TApen der Finger - SozialStiftung Bamberg
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emergency room
Fingergrundgelenk
Tapen der Finger
Wörds Volker und Isabelle Schöffl
Fingertapes
im Einzelnen
Klar, jeder Kletterer taped seine Finger gelegentlich. Wieso eigentlich extra
einen Artikel darüber, ist doch kinderleicht? Überraschenderweise eben
nicht. Oft sehen wir wirklich abenteuerliche Tapes, die mehr schaden als
nützen, und das soll nicht sein.
Tape zu breit
So geht’s amoi net
Therapeutisches Taping verwenden
wir bei Überlastungssyndromen oder bei der
Wiederaufnahme des Kletterns nach Verletzungen. Auf dieses therapeutische Tapen
wollen wir im folgenden Abschnitt genauer
eingehen.
Ein paar Grundsätze, welche wir in unseren
Tapekursen immer besonders behandeln, gilt
es prinzipiell zu beachten:
Tape korrekt
E
ine französische Webpage über Klettertapes zeigt gar ein Bild eines Fingers,
der komplett eingetaped, also komplett
weiß ist. Das ist natürlich völliger Quatsch.
Tape soll die passiven Strukturen stärken,
und das kann es eben nur, wenn es punktuell
Druck gibt und anderweitig Entlastung, d.h. es
müssen genug „Weichteilfenster“ vorhanden
sein, damit das Binde- und Fettgewebe unter
der Haut ausweichen kann.
Bevor wir uns die einzelnen Fingertapes
genauer ansehen, ein paar prinzipielle Betrachtungen. In der Sportmedizin unterscheiden wir statische Tapes, also nicht-dehnbare
herkömmliche Tapes, und dynamische Tapes
wie Kinesiotapes. Auch wenn Kinesiotapes
beim Klettern eine breite Anwendung erfahren und therapeutisch wichtig sind, werden
wir diese hier nicht behandeln, da es sich um
therapeutische Tapes handelt, die von einer
ausgebildeten medizinische Kraft (Physio,
Doc) angelegt werden. Beim Tapen der Finger
unterscheiden wir generell ein therapeutisches und ein prophylaktisches Taping.
Prophylaktisches Taping wird vor
allem als sog. „Tape-glove“ beim Rissklettern angewendet, um Hautabschürfungen
vorzubeugen. Hier sind besonders der
Handrücken mit Fingerknöcheln und die
Fingermittelgelenke betroffen. Jedermann
weiß, wie schmerzhafte Abschürfungen weiteres Klettern verleiden, wenn nicht gar ganz
verhindern können. Gelegentlich kann auch
ein Fingergelenk, das bei einem Zug in einer
bestimmten Tour stark beansprucht wird, als
Verletzungsschutz getapt werden. Ein generelles prophylaktisches Tapen ist jedoch nicht
anzuraten: Der menschliche Körper ist ein
dynamisches System und reagiert auf Reiz mit
einer Reizantwort. Das heißt, er braucht einen
gewissen Reiz auf den Kapsel-Bandapparat
der Finger, damit dieser sich reaktiv verstärkt
und so Belastungen besser gewachsen ist.
Wenn ein Reiz immer unterdrückt wird, bleiben die nötigen Anpassungen aus.
(Abb. 3)
ie Tapebreite muss der Fingerdicke angeD
passt sein (Weichteilfenster, siehe oben).
D.h. die Breite, die auf meine Wurschtfinger
passt, bringt bei einem Dünnfinger keinen
Erfolg.
Tape darf nie direkt von der Rolle auf die
Haut gezogen werden, hier ist der Zug zu
stark und es gibt Hauteinrisse
Prinzipiell darf eigentlich nie zirkulär, d.h.
einmal komplett um die Extremität herum
getaped werden. Bei Fingertapes muss hier
eine Ausnahme gemacht werden, damit
diese ausreichend stabil sind. Allerdings
muss immer die Durchblutung des Fingers
ausreichend sein, d.h. wenn er dunkelblau
anläuft, ist das Tape zu straff und muss
weg.
Die Funktionsstellung des Fingers muss
berücksichtigt werden. Das heißt, wenn
ich die Streckung des Fingermittelgelenkes
einschränken möchte, wie z.B. bei einer
Beugesehnenzerrung, muss ich bei einer
Mittelgelenksbeugung von 30-45° das Tape
anlegen.
Nie direkt vor dem Tapen die Haare abrasieren, das führt zu Infektionen.
Die Haut sollte trocken und entfettet sein.
Die vorgestellten Tapes können allerdings
eine wirkliche ärztliche Diagnose nicht
ersetzen! Wenn der Finger länger als ein paar
Tage schmerzt oder es zu einer plötzlichen
größeren Verletzung, evtl. gar mit Funktionsausfall kommt, muss das von einem
Fachmann angesehen werden. Die Tapes
sind eher gedacht, um nach einer ärztlichen
Diagnose die Wiederaufnahme des Klettersportes zu unterstützen bzw. die Heilung zu
beschleunigen. Gerade die Unterscheidung
einer Sehnenscheidenentzündung zu einer
Ringbandverletzung kann nur mittels einer
Ultraschalluntersuchung oder MRT getroffen
werden. Man gewinnt selten Zeit, indem man
eine Verletzung ignoriert, taped und über den
Schmerz drüber klettert.
Fingermittelgelenk
(Abb. 1)
Wann: Kapselzerrung, Kapselentzündung,
Zerrung der Beugesehnen, Verletzungen der
Lumbrikalissehnen
Symptome: U.a. Schmerzen und Schwellung
im Gelenk, v.a. bei Längszug. Bei einem
Gelenkserguss sind die Schmerzen oft auch
streckseitig. Sehnenzerrungen der Beugesehnen schmerzen v.a. in der hängenden Fingerposition, weniger in der aufgestellten.
Wie: Beginnend von der Fingerbasis wird
zuerst diese möglichst handgelenksnah einmal
umwickelt, um dann das Fingermittelgelenk
bei 30-45° Beugung handflächenseits zu
kreuzen. Die Tapetour geht weiter um die Mittelphalanx, und retour als Achtertour wieder
handflächenseits das Mittelgelenk kreuzend.
Dabei gilt es wieder das Fingermittelgelenk
um 30-45° zu beugen. So kann der Finger frei
gebeugt werden, bei der Streckung, welche
die Gelenkkapsel und die Beugesehnen
belastet, schränkt das Tape diese etwas ein
und entlastet somit die verletzten Strukturen.
Wichtig ist, und häufig falsch gemacht, dass
der Tapezügel nicht zu dick ist. Tapes müssen
und sollen Druck aufbauen. Dazu braucht das
Bindegewebe anderswo Platz, um quasi „Falten“ zu bilden. Ist am Ende des Tapevorgangs
der ganze Finger eingetapt, nützt dies kaum.
Gut zu sehen ist dies an der letzten Abbildung,
bei welcher zwischen der Basisumwicklung
und der Kreuzung zur Druckentlastung ein
Weichteilfenster bleibt.
Fingerendgelenk
(Abb. 2)
Wann: Kapselverletzung, Kapselentzündung,
Ganglion
Symptome: siehe oben, ein Ganglion zeigt
sich als schmerzhafte prallgefüllte Ausstülpung der Gelenkkapsel
Wie: Eine Achtertour am Endgelenk ist aus
Platzgründen nicht möglich. Das Tape würde
zum Großteil auf der Fingerkuppe liegen,
beim Greifen behindern und verrutschen. Hier
kann nur zirkulär um das Gelenk mit etwa
eineinhalb Windungen locker getaped werden.
Fingermittelgelenk
(Abb. 1)
Wann: Kapselverletzung, Kapselzerrung, Verletzung der streckseitigen Bänder zwischen
den Fingergrundgelenken, Strecksehnenverletzungen (v.a. der Querverbindungszügel)
Symptome: siehe u.a. oben, Schmerzen
streckseitig zwischen den Fingerknöchelchen,
Schwellungen
Wie: Ein Taping des Fingergrundgelenkes
ist etwas trickreich, aber sehr effektiv. Das
Tape sollte bei trockener und entfetteter
Haut angelegt werden, das heißt noch vor
dem Klettern. Bei der Tapeanlage gilt es das
Fingergrundgelenk leicht, 15-20° zu beugen,
streckseitig soll der eine Zügel vor und der
andere hinter dem Köpfchen kreuzen. Auch
wenn man beim Anblick meint, dass sich die
Tapeenden schnell aufrollen werden, hält
es doch erstaunlich gut. Ich durfte es über
ein Jahr lang ausprobieren und es hat prima
funktioniert.
Fingerendgelenk
(Abb. 2)
Fingergrundgelenk
(Abb. 3)
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Buddy-Taping
(Abb. 4)
Ringbandverletzung und
Sehnenscheidenentzündung
(Abb. 5)
Buddy-Taping
(Abb. 4)
Wann: Seitband und schwere Kapselverletzung
Symptome: v.a. Schmerzen bei seitlicher
Belastung im Gelenk. Eine größere Kapselverletzung, Seitbandkomplettruptur bzw.
knöcherner Bandausriss muss ärztlich ausgeschlossen werden.
Wie: Bei schwereren Kapsel- und Seitbandverletzungen empfiehlt sich ein sogn. „Buddy“Taping. Hierbei wirkt der gesunder Finger
schienend für den verletzten Finger, eben wie
ein „Buddy“ (engl.Kumpel) der seinen Kollegen
stützt. Dies lässt sich zum Beispiel sehr gut
auf dem „Anna“-Fest in Forchheim oder der
Erlanger „Bergkirchweih“ trainieren.
FÄCTBOX
Priv.Doz.Dr.Volker Schöffl
Unfallchirurg - Orthopäde - Sportmediziner,
klettert seit 1983, Routen und Erstbegehungen bis 8b. MedCom IFSC, Mannschaftsarzt
Deutsche Sportkletter-Nationalmannschaft.
Information unter:
www.sozialstiftung-bamberg.de
Wann: Ringbandverletzung (Zerrung, Riss),
Sehnenscheidenentzündung
Symptome: Druckschmerz handflächenseits an der Fingerbasis, evtl. gar
Hervorspringen der Beugesehne, Reibegeräusche. Beim Ringbandriss evtl. knallendes
Geräusch.
Wie: Nun wird’s kompliziert, denn wir
wollen nicht nur zeigen, wie´s funktioniert,
sondern auch noch biomechanisch erklären,
warum‘s funktioniert.
Die Ringbänder sind dünne Bänder, welche
die Beugesehnen am Knochen festhalten
und so eine bestmögliche Übertragung der
in den Sehnen entwickelten Kraft auf den
Knochen gewährleisten. Nach einer Ruptur
entfernt sich die Sehne dementsprechend
bei Beugung des Fingers vom Knochen,
ein Phänomen, das man als Bowstring
(Bogensehneneffekt) bezeichnet. Zu einem
Bowstring kommt es nur, wenn der Finger
gebeugt ist. In einer gebeugten Fingerposition, wie beim Aufstellen, sind die Kräfte,
die auf die Ringbänder wirken, deshalb auch
dann am allergrößten. Der Bowstring ist
besonders an der Stelle ausgeprägt, an der
die Sehne die größte Umlenkung erfährt,
und zwar über dem Gelenk (siehe Bild).
Unser H-Tape („Isa“-Tape, denn die Isa hat´s
erfunden) funktioniert so, dass es genau
an dieser Stelle die Sehne wieder zum
Knochen hinzieht und so zu einer Entlastung
der übrigen Ringbänder führt. Dafür muss
ein ungefähr 1,5 cm breites Tape mit einer
Länge von ungefähr 8-10 cm (fingerdickenabhängig) von beiden Enden her mittig
eingerissen werden, so dass in der Mitte
ein Steg von ca. 1 cm Breite stehen bleibt
und jeweils zwei 0,75 cm starke Zügel
auf jeder Seite des Steges stehen bleiben
(siehe Abbildung). Zwei dieser Zügel werden
dann unter dem Gelenk durchgeführt und
stramm festgeklebt. Dann wird das Gelenk
gebeugt und die zwei verbleibenden Zügel
werden über dem Gelenk durchgeführt und
dort stramm festgeklebt (s. Abbildung).
Das Tape sollte stramm angezogen werden.
Spätestens nach der ersten Tour dehnt sich
das Tape auf und die Durchblutung ist wieder normal. Deshalb sollte das Tape auch
wirklich erst unmittelbar vor dem Klettern
angelegt werden, da sonst die Durchblutung
zu lange vermindert würde. Zur Sicherung
des neuen Tapes kann man es noch mit
einem schmalen Tapestreifen, der in Form
einer 8 darüber gelegt wird, absichern.
Indem das Tape genau in der Beugefalte
des Fingermittelgelenkes angreift, bewirkt
es mehrere Effekte. An diese Stelle ist der
Finger vergleichsweise dünn, das heißt,
unter der Haut gibt es kaum Fett- und
Bindegewebe. Der Druck des Tapes kann so
direkt auf das Beugesehnensystem wirken.
Zusätzlich wirkt das Tape genau über dem
A3-Ringband. Das A3-Ringband ist viel dünner und elastischer als das A2- und das A4Ringband. Außerdem setzt es nicht wie die
beiden anderen direkt am Knochen, sondern
mobil an der palmaren Platte an, das heißt,
es dehnt sich bei der Beugung deutlich
mehr. Dadurch, dass der zentrale Tapezügel
genau hier angreift, werden die Beugesehnen näher zum Knochen herangezogen und
somit indirekt die verletzte Struktur, sei es
das A2- oder das A4-Ringband entlastet.
Der gleiche Effekt wirkt bei der Sehnenscheidenentzündung. Die Sehnenscheidenentzündung entsteht durch Reibung an
der Umlenkung der Sehnen am Ende des
Ringbandes. Wird dieser Winkel, wie durch
das H-Tape, abgeflacht, verringert sich die
Reibung und die Sehnenscheidenentzündung kann abheilen.
Um die Effektivität des neuen Tapes zu
untersuchen, haben wir zwei wissenschaftliche Studien durchgeführt und konnten
nachweisen, dass der Bowstring, den man
nach Ringbandruptur im Ultraschall messen
kann, deutlich durch das neu entwickelte
Tape verringert werden konnte (keine der
anderen üblichen Tapemethoden zeigte
irgendeinen Effekt) und dass auch die Kraft
in der aufgestellten Fingerposition durch das
Tape verbessert werden konnte, wenn auch
nur minimal. Aber zum Kraftgewinn muss
man nicht tapen! Die Anwendung der neuen
Tapemethode wurde von allen Probanden
als besonders stabilisierend empfunden. Der
einzige Nachteil ist das Anlegen, was oft
nervenaufreibend ist und viel Übung bedarf.
Aber irgendwann geht es wie im Schlaf.
Mittlerweile ist das „Isa-Tape“ oder „H-Tape“
so popuär, dass sogar das ZDF dazu einen
Beitrag brachte.
(www.sportmedizin-bamberg.com)
Insgesamt gilt, dass die gezeigten Tapes
eine ärztliche Diagnose nicht ersetzen
können und dürfen, aber bei der Rehabilitation gut weiterhelfen.
F ür weitere Einzelheiten
siehe auch:
Verweis: „Soweit die Hände greifen“,
T.Hochholzer, V.Schöffl, Lochner Verlag
Bzw. www.sportmedizin-bamberg.com