Der Abarth-Bändiger

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Der Abarth-Bändiger
Ortner, Johann (MSa 52/2002)
Der Abarth-Bändiger
ohann Ortner hat als Rennfahrer ein
Jschichte
Stück österreichischer Motorsportgemitgeschrieben. Mit dem SteyrPuch-Pistenfloh 650 TR eilte er ab 1958
bei Rallyes und Rennen von Sieg zu Sieg,
danach gewann er als Werkspilot mit den
Sportwagen des exzentrischen Wieners
Carlo Abarth zwei Europa-Bergtitel und
vier österreichische Staatsmeisterschaften. Der gross gewachsene, strapazierfähige Kfz-Meister aus Villach war wohl auch
der einzige Rennfahrer, der mit Abarth
acht Jahre lang offenbar problemlos zurechtkam. Viel länger als jeder andere
Kollege ertrug er Abarths Wutanfälle, wenn
ein Streckenrekord knapp verfehlt wurde
oder einer der roten Renner als Schrotthaufen neben der Piste endete. Und Ortner
brachte seinen Chef oft genug in Rage: Mal
feuerte er sein feuerrotes Spielmobil in
den Wald, mal rollte er zu spät zum Start
und vergab damit einen schon sicher
geglaubten Sieg.
Sowieso waren grundsätzlich die Fahrer
schuld, wenn Abarth-Werksautos nicht gewannen. «Und damit hatte der Alte», so
Ortners späte Einsicht, «eigentlich sogar
meist recht.» Anderseits sparte der strenge
Teamchef, der auch an der Rennstrecke nur
im piekfeinen Outfit, hellen Schweinslederhandschuhen und mit exakt gescheitel-
tem Haupthaar auftrat, auch nicht mit Lob.
Etwa dann, wenn Ortner bei einer Veranstaltung gleich mit drei verschiedenen
Abarths in drei Kategorien antrat und auch
dreimal siegte. «Disziplin und Erfolg waren
bei ihm alles», erinnert sich sein treuester
Angestellter. «Abarth liebte zuerst seine
Autos, dann sich selbst und danach seine
Fahrer. Trotzdem habe ich viel bei ihm gelernt.» Als Abarth seinen Turiner Rennstall
1971 auflöste, beendet auch Ortner mit 36
Jahren seine Karriere und eröffnete in
Villach eine Alfa-Romeo-Vertretung.
Seit 1995 lebt der 67-Jährige Pensionär
in Pörtschach am Wörthersee. Ehefrau
Irmtraud führt noch das Autohaus in
Villach, der 27-jährige Sohn leitet eine
zweite Ortner-Firma, die Sportboote vertreibt. Das aktuelle Rennsportgeschehen
interessiert den ehemaligen Abarth-Star
nur noch am Rande, selbst die Wegbegleiter aus alten Renntagen hat er aus den
Augen verloren. Stattdessen pflegt er neue
Hobbys: Motorbootfahren und Fliegen. Nur
mit dem Tennispielen klappt’s nicht mehr
so richtig, weil der Meniskus Ärger macht.
In Ortners Hinterkopf gibt es noch einen
Traum, den er sich in naher Zukunft gerne
erfüllen möchte: «Ein Winterquartier in der
Karibik oder auf den Bahamas wäre erstrebenswert. Wir arbeiten dran.»
Furchtloser Abarth-Pilot: Ortner 1967
Nur Fliegen ist schöner: Ortner 2002
Wilde Jahre: Ortner im Abarth-Prototyp 1968 beim 500-km-Rennen Nürburgring